Italienisch
ita
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Narr Verlag Tübingen
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2014
3672
Fesenmeier Föcking Krefeld OttAddio e via - zur Potenzierung der Subjektivität in Zeitungsüberschriften
121
2014
Edgar Radtke
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76 sprachecke Italienisch Die Rubrik «Sprachecke Italienisch» stellt aktuelle Probleme und Tendenzen des Gegenwartsitalienischen vor und befasst sich mit Normierungsschwankungen, grammatischen Unsicherheiten, Neubildungen u a Dabei sollen möglichst auch Anfragen und Anregungen aus dem Leserkreis aufgegriffen werden, die die Dynamik des Gegenwartsitalienischen als «lingua […] in forte ebollizione» (F Sabatini) präsentieren Verantwortlich für die «Sprachecke Italienisch» ist Prof Dr Edgar Radtke (Universität Heidelberg): edgar .radtke@rose .uni-heidelberg .de Addio e via - zur Potenzierung der subjektivität in Zeitungsüberschriften Es ist hinlänglich bekannt, dass im Journalismus und insbesondere bei Artikelüberschriften eine deutliche Vorliebe für den Nominalstil besteht Aus einer pragmalinguistischen Perspektive ist m .E eine weitergehende Kommentierung dieser Tendenz opportun aufgrund der Fixierung von Routineformeln in Überschriften Daher fällt besonders addio a auf, wie ein Blick auf La Repubblica vom 15 Oktober 2014 ergibt Hier finden sich folgende Beispiele: «Le app per non perdere tempo addio all’arte di procrastinare» (p 1, 29) «Evasione, la Ue dice addio al segreto bancario» (p 3) «Da Milano alla jihad la conversione di Nadine addio jeans e lavoro ‹Sono pronta al martirio›» (p 15) Drei Beispiele sind nicht unbedingt beeindruckend, aber sie lassen sich in dieser Anzahl fast jeden Tag pro Zeitung dokumentieren Addio ist wie dt tschüss eine religiöse Verabschiedungsformel und gelegentlich dialektal auch eine Begrüßungsformel Der Gebrauch ist damit ursprünglich pragmatisch ausgelegt, er bestimmt eine soziale Routine der Höflichkeit In der semantischen Erweiterung erscheint addio seit langem auch als Denotativum für ‹Ende›, etwa in der Übersetzung von Ernest Hemingways Addio alle armi für A Farewell to Arms Die Zeitungssprache mit einer Neigung zur Sloganisierung greift diese Bedeutungserweiterung auf und nutzt diese formale Stereotypisierung als eye catcher Addio weckt zudem Konnotationen und steigert die Expressivität Addio unterstreicht gewissermaßen das Potential der Subjektivität Es liest sich als ein subjektiv-expressiv aufgeladenes Synonym für e d G ar rad T ke 2_IH_Italienisch_72.indd 76 06.11.14 10: 27 77 77 fine, termine Zudem kann es auch eine Steigerung des Exklamativen annehmen, insbesondere wenn die Präposition a ausfällt wie im Beispiel addio jeans e lavoro Mit addio wird also erreicht, dass Formen des italiano neutro wie è la fine di subjektiv aufgewertet werden und Aufmerksamkeit erregen Daher darf man eine Konsolidierung von addio in der Zeitungssprache erwarten Die Bestätigung dafür, dass es sich um keine ‹Eintagsfliege› handelt, sondern um eine solide Tendenz, lässt sich mit affinen Konstruktionen belegen, die ich derselben Ausgabe von La Repubblica entnehme: «Uomini donne, via l’ultimo gap» (p 1) «Ecco il disegno di legge del governo» (p 2) «Basta austerità e dittatura del 3 % . . .» (p 9) «Grazie, Zoeggeler il signor slittino che non tardiva mai» (p 39) Auch hier handelt es sich um besonders herausgehobene pragmatische Formen, die die Sprecherbzw Schreibereinstellung untermauern Via steht für togliere, ecco unterstreicht den präsentativen Akt, basta ist eine Sprecherhaltung des Beendens und grazie eine emotive Dankformel Alle Formen sind primär der Sprechsprache zuzuordnen Durch ihre Aufnahme in den Zeitungsjargon erfolgt eine spezifische pragmatische Pointierung expressiv-subjektiver Natur Man darf dahin gehend spekulieren, dass die Normerwartung der Journalisten nicht (mehr) in die denotative neutrale Beschreibung führt, sondern dass in die Norm die subjektiv-emotive Untermauerung von Sachverhalten integriert wird Daher dringt Sprechsprachliches in den letzten Jahrzehnten verstärkt in die Zeitungssprache ein . Edgar Radtke 2_IH_Italienisch_72.indd 77 06.11.14 10: 27
