eJournals Italienisch 36/72

Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
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2014
3672 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Dante INTER-MEDIAL - Die Divina Commedia in Literatur und Medien

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2014
Julius Goldmann
Irmgard Scharold
ita36720127
127 Mitteilungen salvatore a. sanna zum 80. Geburtstag Am 5 Dezember 2014 begeht Salvatore A Sanna, Mitherausgeber der Zeitschrift Italienisch, in Frankfurt am Main seinen 80 Geburtstag Geboren in Oristano auf Sardinien, studierte er Anglistik und Germanistik an der Universität Cagliari und kam 1958 mit einem Stipendium der sardischen Regierung zum Studium nach Frankfurt am Main Nach dem Examen kehrte er nach Deutschland zurück, 1962 wurde er Dozent für italienische Sprache und Literatur an der Goethe-Universität in Frankfurt 1966 gründete er in dieser Stadt die Deutsch-Italienische Vereinigung e .V ., die er bis heute ehrenamtlich leitet, mit dem Ziel, die deutsch-italienischen Beziehungen zu fördern Der Vereinigung angeschlossen ist die Frankfurter Westend Galerie, die zeitgenössische italienische Kunst in wechselnden Ausstellungen zeigt, zuletzt die Gruppenausstellung «Michelangelo heute Eine Hommage zeitgenössischer italienischer Künstler an das Genie der Renaissance» Sanna publizierte 1974 eine Sardinien-Bibliographie, mit einem Vorwort von Gerhard Rohlfs 1986 erschien unter seiner Federführung die erste vollständige deutsche Übersetzung des Viaggio per l’Italia aus dem Jahre 1740 von Johann Caspar Goethe 1979 gründete er zusammen mit Arno Euler die Zeitschrift Italienisch, als Organ des Fachverbands Italienisch in Wissenschaft und Unterricht Dieser schloss sich 1999 mit dem Deutschen Italianistenverband zusammen Als Lyriker veröffentlichte Salvatore A Sanna sechs zweisprachige Gedichtbände, die Übersetzungen ins Deutsche stammen von Gerhard Goebel (drei Bände) sowie von Ragni Maria Gschwend, Birgit Schneider und Caroline Lüderssen Eine italienische Ausgabe mit dem Titel La fortezza dell’aria erhielt 1996 den Premio Pannunzio 2004 erschien eine kommentierte Gesamtausgabe im Verlag Gunter Narr, Tübingen, herausgegeben von Thomas Amos Zum 80 Geburtstag ist in diesem Jahr im Verlag Il Maestrale Edizioni in Nuoro eine italienische Ausgabe sämtlicher Gedichte von Salvatore A Sanna erschienen mit dem Titel Fra le due sponde Herausgeber und Redaktion gratulieren herzlich (Red .) dante INTer-MedIaL - die Divina Commedia in Literatur und Medien Am 13 und 14 Juni 2014 fand, organisiert von Irmgard Scharold (Professur für Romanische Kulturwissenschaft) an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, ein Studientag zu intermedialen Neuadaptionen der Divina Commedia statt Das Programm nahm eine große Bandbreite von Untersuchungsobjekten aus Literatur, Film, bildender Kunst und Comic ins Blickfeld 2_IH_Italienisch_72.indd 127 06.11.14 10: 27 128 Mitteilungen In seinem Eröffnungsvortrag skizzierte Peter Kuon (Salzburg) die zwischen Hoch- und Populärkultur situierte Dante-Rezeption des 20 und 21 Jahrhunderts Gegenüber der Lagerliteratur (etwa bei Primo Levi, Peter Weiss, aber auch bei Pier Paolo Pasolini), wo Analogien zum Exilanten Dante als Opfer eines Regimes hergestellt werden und das danteske Inferno als Metapher diesseitiger Befindlichkeit fungiere, konstatierte Kuon für die neueren Werke der Unterhaltungsliteratur (wie etwa die zahlreichen Dante-Krimis) die Tendenz, die Divina Commedia nurmehr als trademark zu benutzen Die divergierende kulturhistorische Wahrnehmung Dantes im italienischen Novecento zeichnete Irmgard Scharold (Würzburg) nach Oszillierend zwischen zunächst nationaler Mythengestalt des Risorgimento durch Vincenzo Monti, völkisch instrumentalisierten Imperialisten während des ventennio nero, folgte nach 1945 eine Kehrtwendung bei Literaturwissenschaftlern wie Giorgio Bàrberi Squarotti und Silvio Ramat, die (zugunsten Petrarcas) dem Werk Dantes jeglichen Modell-Charakter absprachen Eine Entideologisierung des Dante-Bildes begann mit den Dante-Studien Gianfranco Continis, der in der «traducibilità» der Divina Commedia ein zentrales Element ihres Wirkungspotentials sah Ina Bergmann (Würzburg), die den um den amerikanischen Dante- Übersetzer Longfellow und seine ‹Fireside Poets› angelegten Roman The Dante Club (2003) von Matthew Pearl vorstellte, arbeitete zwei Lesarten des Bestsellers heraus, der Bibliomystery, Historical Bio- und Crimefiction vermischt: Zunächst erscheine der Roman, dessen der Systematik des contrappasso folgende ‹copycat-crimes› einzig von den intradiegetischen Dante-Spezialisten erkannt würden, als eine «spin-off fiction» zur Divina Commedia Eine politische Dimension sah die Referentin zweitens in der Vernetzung historischer Ereignisse von nationaler Tragweite: Demnach verweise die im Jahr 1865 angesiedelte Romanhandlung auf das Ende des amerikanischen Bürgerkrieges; im Publikationsjahr des Romans (2003) fand der Zweite Irakkrieg statt, der zugleich das Trauma der Terroranschläge von 9/ 11 evoziere Bergmann deutete den von einem Civil War-Soldaten namens Dan Teal handelnden Roman daher auch als einen Versuch, historische wie aktuelle Kriegstraumata aufzuarbeiten Die transatlantische Vitalität des europäischen Klassikers Dante zeichnete Kerstin Blum (Bamberg) in den Reisetagebüchern der Amerikanerin Sarah Kemble Knight (1666 - 1727) sowie der 1827 in die USA ausgewanderten britischen Reiseschriftstellerin Frances Milton Trollope (1779 - 1863) nach Sie warf auch einen Blick auf den Roman Clotel, or: The President’s Daughter (1853) von William Wells Brown Den produktiven Bezug dieser novel auf die Divina Commedia als einem Text, den Edward Said als «a foundational work of the imperial discourse» bezeichnet hat, interpretierte Blum 2_IH_Italienisch_72.indd 128 06.11.14 10: 27 129 Mitteilungen als den Wunsch eines afro-amerikanischen Autors nach Nobilitierung des eigenen Werks durch die Partizipation am elitären Diskurs Tabea Kretschmann (Erlangen) widmete sich der Frage, wie die zahlreichen Dante-Neubearbeitungen im Schulunterricht eingesetzt werden können Sie präsentierte ein dem Vierphasenmodell von Volker Frederking folgendes Stundenmodell, das bei ausgewählten Dante-Illustrationen einsetzte und bis zu Andreas Ammers Hörspiel Radio Inferno (1993) führte Als Lernziele sollen die Schüler mit der Rezeptionstradition vertraut gemacht werden, das Phänomen der Neubearbeitung erfassen und es als Analysemodell anwenden Den Bildmedien waren die Vorträge von Friederike Wille (Berlin) und Damian Dombrowski (Würzburg) gewidmet Als nahezu ‹moderne Performance› bewertete Wille den im Codex Altonensis (ca .- 1350-1370) ausgestalteten Übergang vom Inferno zum Purgatorio: Der Jenseitsreisende klettert am Ende des Inferno an der Peluria des Satans hinauf, um sodann - den Akt des Umblätterns einkalkulierend - erst im Zweiten Jenseitsreich wieder aufzutauchen Eine solch kreativ-dynamische Darstellung sei nur in einem mittelalterlichen Skriptorium möglich gewesen, nicht jedoch im Kontext des diesbezüglich als restriktiv zu bewertenden Druckmediums Mit dem 1822 im Pariser Salon präsentierten Gemälde La barque de Dante von Eugène Delacroix stellte Damian Dombrowski das für Delacroix’ künstlerischen wie biographischen Selbstentwurf konstitutive Monumentalgemälde vor, das nicht nur den Maler schlagartig berühmt machte, sondern auch zum Gründungsmanifest der Romantik avancierte Durch seine textferne ‹Unbestimmtheit› vermochte das Gemälde nämlich eine Freisetzung der Seelenkräfte zu bewirken, was die moderne Rezeption von Dantes Werk einleitete Als vom Wunsch bestimmt, das von Adorno als trivial diskredierte Medium Fernsehen zu rehabilitieren, bewertete Angela Krewani (Marburg) das von Peter Greenaway und Tom Phillips realisierte Video A TV Dante (1989), das sie hinsichtlich seiner palimpsestartigen Schichtung von heterogenen Bild- und Tonmaterialien analysierte Die politisch wie sozialkritisch deutbare Bild-Collage aus Ultraschallbildern, Fotografien von historischen Personen (wie Mussolini) und realen Orten (etwa den Times Square) etc bewertete die Referentin als den Versuch, das damals neue Bildmedium als neues Speichermedium des kulturellen Gedächtnisses zu etablieren, ohne freilich das alte Medium der Schrift abzuwerten Vielmehr deutete sie die Schrift- Einblendungen des dantesken Originaltextes ins überraschend texttreue Video sogar als dezidiertes Statement «Schrift» innerhalb des filmischen Mediums zu re-etablieren Von Disneys L’inferno di Topolino (1949) bis hin zu Michael Meiers Das Inferno (2012) erstreckten sich die Beispiele zum Genre der Dante- Comics, die Monica Biasiolo (Erlangen) vorstellte Als Konstituenten dieser 2_IH_Italienisch_72.indd 129 06.11.14 10: 27 130 Mitteilungen Rezeptionstradition konnte sie folgende Aspekte herausarbeiten: So orientieren sich die Handlungsmuster der Comics bevorzugt am dantesken Mechanismus des contrappasso, während die Ikonografie kanonisierten Illustrationen (bspw Gustave Doré) folge Zudem treten in den auch politische Debatten (wie bspw den Atomausstieg) verhandelnden Comics auch Akteure wie Hitler, Ulbricht, Pinochet oder Berlusconi auf Die Vorträge und Diskussionen ließen erkennen, dass diese die Mediengrenzen überschreitenden Adaptionen der Divina Commedia ein großes Potenzial für die wissenschaftliche Aufarbeitung bieten Die (um weitere Beiträge ergänzte) Publikation der Vorträge ist in Vorbereitung Julius Goldmann / Irmgard Scharold erinnerungskultur in der schule - schülerausstellung in wiesbaden erinnert an Verbrechen der ss in rom In Anwesenheit der Ministerin für europäische Integration in Hessen, Frau Lucia Puttrich, wurde am 6 .10 .2014 in der Gutenbergschule, Wiesbaden eine von Schülerinnen und Schülern erarbeitete Ausstellung zum Thema der Massaker an den Fosse Ardeatine (24 März 1944) gezeigt Die Gutenbergschule pflegt in der Schülerschaft seit vielen Jahren eine lebendige Erinnerungskultur: Gedenkstättenfahrten nach Berlin, Frankreich und Polen, regelmäßige Besuche außerschulischer Lernorte, Schülerbeiträge bei offiziellen Gedenkveranstaltungen der Stadt Wiesbaden, Erinnerung an ehemalige jüdische MitschülerInnen vor 1938, Zeitzeugengespräche, Archivarbeit der Leistungskurse Geschichte im Hessischen Hauptstaatsarchiv und vieles mehr Aus einem Schüleraustausch der Schule mit der Deutschen Schule Rom entstand bei den Teilnehmern der Wunsch nach mehr Information Es erwuchs daraus ein Ausstellungsprojekt, das im Schuljahr 2013/ 2014, unter der Leitung von Dr Nike Meißner, Studienrätin für Italienisch und Latein an der Gutenbergschule, erarbeitet wurde Nach dem Sturz Mussolinis und dem von der neuen italienischen Regierung Badoglio mit den Alliierten abgeschlossenen Waffenstillstand, der Flucht des Königs, der Regierungsmitglieder und der Generalität am 8 September 1943 in das von den Alliierten besetzte Süditalien blieben die königlichen Truppen in Rom führungslos Die Folge war die fast widerstandslose Einnahme Roms durch deutsche Truppen unter Feldmarschall v Kesselring Bereits am 16 Oktober 1943 fand die Deportation von 1024 Juden aus dem Ghetto nach Auschwitz statt, nur 16 kehrten zurück Der Hauptsitz der 2_IH_Italienisch_72.indd 130 06.11.14 10: 27