Italienisch
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Narr Verlag Tübingen
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2015
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Fesenmeier Föcking Krefeld OttTheresa Vögle: Mediale Inszenierungen des Mezzogiorno. Die ‹Südfrage› als Prüfstein der Einheit Italiens und der Idee Europas. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2012. 364 Seiten, € 62,00
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2015
Sieglinde Borvitz
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18 4 Kurzrezensionen theresa Vögle: Mediale Inszenierungen des Mezzogiorno. Die ‹Südfrage› als Prüfstein der Einheit Italiens und der Idee Europas. Heidelberg: universitätsverlag Winter 2012. 364 Seiten, € 62,00 Mit der Untersuchung der medialen Inszenierungen Süditaliens vor dem Hintergrund der nach wie vor schwelenden sowie problematischen Questione meridionale nimmt sich Theresa Vögle eines Themas an, das bekanntlich eine Art italianistischer Dauerbrenner und ein Paradebeispiel für die Alteritätsforschung darstellt Vögle geht es dabei aber nicht allein darum, aus Sicht der postcolonial studies «Narrative eines inneritalienischen Anderen» (S 11) nachzuzeichnen, der ganz im Anschluss an Saids Orientalismus sowohl im Fremdals auch im Selbstbild als subaltern empfunden und gehandelt wird Sie analysiert zudem die meridionale Kultur anhand verschiedener Zeitkonzepte unter besonderer Berücksichtigung von Braudels longue durée und dessen Zeitenschichtenmodells sowie von Kossellecks Sattelzeit Als Gegenmodell zur linearen Zeit des im Zeichen von technischem Fortschritt und Schnelllebigkeit stehenden Nordens sieht sie in Süditalien ein eher zyklischmythisches Zeitmodell gegeben - selbst wenn die Autorin letzten Endes einräumt, dass Modernisierungstendenzen auch vor Süditalien nicht Halt gemacht haben (vgl S 327) Sie begreift das Bild eines archaischen und zyklischen Südens als mentale Projektion eines durch den Einbruch der Moderne und Industrialisierung verunsicherten und entfremdeten Nordens, der im Sinne eines kognitiven Eskapismus einerseits zum pastoralen und ursprünglichen Idyll verklärt, zum anderen aber auch für seine Rückständigkeit gebrandmarkt wird Folgerichtig erkennt sie dabei, dass sich «[i]n der Stereotypisierung des Anderen […] in aller Deutlichkeit die Krise des Eigenen [manifestiert]», nämlich «Probleme von nationaler Dimension» wie die «Krise des nordwestlichen Fortschrittsdiskurses» (S 144), und sich die Inszenierung jenes subalternen Südens in den Machtdiskurs eines «inneren Kolonialismus» (S 146) einschreibt In ihrer umfangreichen Korpusanalyse, die mit Presse, Literatur und Film verschiedene mediale Darstellungen vom 19 bis zum 21 Jahrhundert fasst, zeigt die Autorin, die verschiedenen stereotypen Kodierungen und Topoi, die ebenjene hypostasierte Andersheit begründen und den inneritalienischen Machtdiskurs alimentieren - Abbildungen aus Zeitschriften des 19 Jahrhunderts, wie beispielsweise L’Illustrazione italiana, belegen dies eindrücklich Theresa Vögle geht es ferner darum, die Entwicklung der mentalen kollektiven Konnotation des Mezzogiorno zu umreißen: das Umschlagen eines einst positiven Bildes des Mittelmeers als Region der Hochkultur hin zu einem Ort 2_IH_Italienisch_73.indd 184 19.05.15 11: 40 185 Kurzrezensionen zivilisatorischer Unterentwicklung An zahlreichen Beispielen zeigt ihre Analyse, wie sich «die Nord-Süd-Divergenz» in «Dichotomien wie Kultur/ Natur, Zivilisation/ Barbarei, Rationalität/ Aberglaube, Ehrlichkeit/ Korruptheit usw .» niederschlagen und «das orientalistische Bild eines rückständigen, unzivilisierten Mezzogiorno [perpetuieren]» (S 293) Dabei drängt sich bisweilen der Eindruck auf, es gebe keine medialen Inszenierungen des italienischen Südens, die sich dieser Dichotomie entziehen, oder anders gesagt: Die analysierten Quellen bestätigen durchgängig die Grundthese der Monographie Gerade deshalb ließe sich die Korpusauswahl, vor allem im Hinblick auf filmische Darstellungen, in Teilen auch kritisieren Diskontinuitäten ebenso wie das diskursive Gegenstück der Südfrage, nämlich die mit ihm aufs Engste verbundene Questione settentrionale, werden von der Korpusanalyse kaum in den Blick genommen - die mediale Repräsentation des Nordens hätte hier ein interessantes und ergänzendes Pendant darstellen können, das die Arbeit zudem in einem en vogue befindlichen Forschungskontext situiert hätte . 1 Gerade weil die Autorin mit Klassikern der Alteritätsphilosophie wie Waldenfels oder Hahn ja daran erinnert, dass über den Anderen zu sprechen, auch immer bedeutet, über sich selbst Auskunft zu geben Im abschließenden Kapitel des Buches nimmt sich Theresa Vögle aktueller Positionen des Meridionalismus an, die ganz im Zeichen des Mottos «Einheit in der Vielfalt» (S 325) stehen Entsprechend bricht auch Vögle, im Anschluss an die wohl bekanntesten Vertreter wie Cassano oder Alvaro, eine Lanze für die «pensée méridienne» (S 325) und somit für die damit verbundene kulturelle Vielfalt heterogener süditalienischer Lebenswirklichkeiten, die in den letzten zwanzig Jahren in einem glokalisierten Kontext eine positive Aufwertung erfahren Zudem ist diese Neubewertung in unserem Europa der zwei Geschwindigkeiten ein salonfähig gewordenes Stichwort eines politisch korrekten alternativen Pluralismus Die gut leserliche Arbeit präsentiert die Inhalte gewissenhaft, verständlich und ausführlich, wenn auch bisweilen repetitiv; die Kapitel zu Stereotypenbzw Alteritätsforschung, Postkolonialismus und zeittheoretischer Kultur- und Mentalitätsgeschichte ließen sich als einführende Überblicksdarstellungen nutzen Interessant im Hinblick auf Stereotypenforschung ist der Einbezug des Konzepts der longue durée bzw der Zeitenschichten Allerdings ist er auch problematisch Schließlich geht es Vögle darum, die medialen Inszenierungen des Mezzogiorno als diskursives Konstrukt zu enttarnen und dessen Genealogie nachzuzeichnen Der ambitionierte Einbezug der longue durée hingegen schafft eine Ambivalenz, die Vögle selbst im letzten Kapitel zur pensée méridienne nicht aufzulösen vermag: Er birgt die Gefahr einer Essenzialisierung Dennoch ist das Buch von Theresa Vögle ein wesentlicher Beitrag, hat sie doch für ein deutschsprachiges Publikum die Darstellung dieser inneritalienischen 2_IH_Italienisch_73.indd 185 19.05.15 11: 40 186 Kurzrezensionen Stereotypen systematisch zusammengetragen und so eine Grundlage für weitere, darauf aufbauende Studien geschaffen, die sich vielleicht irgendwann einmal der anderen Seite der Medaille, dem Empowerment des Südens, widmen werden Sieglinde Borvitz 1 Vgl . für den italienischen Film z .B . Simone Arcagni (Hrsg .), La «questione settentrionale» . Vent’anni di mutamenti nel cinema e nella società del Nord . Ausgabe der Quaderni del CSCI, Bd . 6, 2010 Sonja Schmiel/ Norbert Stöckle: In Piazza neu. unterrichtswerk für Italienisch. Ausgabe A. Bamberg: C.C. Buchner 2012, 400 Seiten, € 29,90, dazu Grammatisches Beiheft, 145 Seiten, € 16,90 und Arbeitsheft I 97 Seiten, € 16,80 sowie 2 CD zus. € 29,40 Der Titel In Piazza für ein Lehrbuch mag auf den ersten Blick zuerst etwas überraschend sein, erhält aber bei kurzem Nachdenken schnell seinen Sinn Ja, es versteckt sich darin sogar ein eindeutiger programmatischer didaktischmethodischer Hinweis Wer Italien ein wenig kennt, erinnert sich an das eindrucksvolle und sympathische Leben auf den Plätzen Hier spielt sich ein bedeutender Teil des öffentlichen und privaten Lebens ab, und das ist verbunden mit vielfacher Kommunikation Dies war im alten Rom bereits so und trifft heute noch überall in Italien zu ebenso wie auch für andere Mittelmeerländer Der Titel deutet also nachdrücklich auf die Kommunikationsfähigkeit als wichtige Kompetenz hin Diesem Anspruch versucht das Lehrwerk in mehrfacher Hinsicht gerecht zu werden Einmal geht die landeskundlich zutreffende Beschreibung der vielfältigen Seiten Italiens weit über die touristische Darstellung hinaus Sie berücksichtigt z .B den großen Unterschied zwischen Nord und Süd, die Wirklichkeit von Immigration und Emigration, die unterschiedlichen Arbeits- und Anstellungsbedingungen auch für Schulbzw Universitätsabgänger; das precariato Die Geschichte Italiens, die ja im deutschen Geschichtsunterricht nur am Rande erwähnt wird und daher weitgehend unbekannt bleibt, wird hier geschickt und kompetent in jugendgerechter Weise geschildert bis in die Gegenwart hinein, wobei auch einige markante historische Figuren, die sich im übrigen in vielen Straßennamen wiederfinden, hervorgehoben werden Ein nachdrückliches Mittel zur Vermittlung der Lan- 2_IH_Italienisch_73.indd 186 19.05.15 11: 40
