eJournals Italienisch 37/73

Italienisch
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Narr Verlag Tübingen
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2015
3773 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

«Al Crocevia della storia: poesia, religione e politica in Vittoria Colonna». Tagung in Rom, 23.–24.10.2014, organisiert von der Università la Sapienza di Roma und der American Academy of Rome

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2015
Daniel Fliege
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191 Mitteilungen Mitteilungen «Al Crocevia della storia: poesia, religione e politica in Vittoria Colonna». tagung in rom, 23.-24.10.2014, organisiert von der università la Sapienza di roma und der American Academy of rome Vittoria Colonna ist sicher eine der faszinierendsten Frauen der ersten Hälfte des Cinquecento, die die kulturellen und historischen Entwicklungen ihrer Zeit im Übergang von Reformation und Gegenreformation geprägt hat Als erster Frau überhaupt wurde ihr nicht nur eine eigene Druckausgabe ihrer Gedichte, sondern auch ein dazugehöriger Kommentar gewidmet Ihre zahlreichen Korrespondenzen mit den Mächtigen ihrer Zeit zeugen von der Reichweite ihres Einflusses - gerade die Freundschaft zu Michelangelo fasziniert Leser und Kunstliebhaber bis heute, was unzählige Studien und Veröffentlichungen zu diesem Thema belegen . 1 In den vergangenen Jahrzehnten hat das Interesse seitens der Forschung stark zugenommen, eine Tatsache, der die Konferenz Ausdruck verleihen wollte und daher einige der bedeutendsten Forscher zu Colonna versammelte Ziel war es aktuelle Forschungsergebnisse und neue Ansätze vorzustellen und dabei einen möglichst großen Überblick über das Werk und Leben Colonnas zu bieten Die Konferenz teilte sich daher in drei Abschnitte auf: poesia, religione und politica Im Eröffnungsvortrag im historischen Palazzo Colonna präsentierte Virginia Cox (New York University) einen neuen Ansatz zur Interpretation der von Colonna verwendeten Exempla Cox verdeutlicht dies durch die Analyse eines Briefes von Colonna an Marguerite de Navarre aus dem Jahr 1540, in dem die Marchesa di Pescara die Notwendigkeit weiblicher Vorbilder für Frauen hervorhebt Laut Cox habe Colonna ganz bewusst bestimmte Exempla in ihren Gedichten ausgewählt, um eine stark idealisierte Autobiographie zu konstruieren Konkret zeigt Cox dies durch eine Analyse der Pistola von 1512, in der sich das lyrische Ich Colonnas mit der antiken Cornelia, Frau des Pompeius, Gegner Julius Cäsars, vergleicht, wohinter eine Anspielung auf die politischen Konflikte zwischen Vittorias Cousin Pompeo Colonna und Papst Julius II stehe Die These Cox’ ist, dass Vittoria Colonna nicht nur in ihrer Dichtung diese Exempla ganz bewusst verwendet, um ein Autoportrait zu konstruieren, sondern dass sie ebenfalls Portraitmedallions einsetzt, um das eigene Bild nach außen zu transportieren und zu verbreiten In der ersten Sektion unter dem Thema «Il ruolo pubblico di Vittoria Colonna» am folgenden Tag in der American Academy of Rome untersuchte Adriana Chemello (Università degli Studi di Padova) die Veränderung des öffentlichen Bildes Vittoria Colonnas in zeitgenössischen literarischen Zeugnissen zwischen den frühen Jahren auf Ischia und der späteren Lebensphase 2_IH_Italienisch_73.indd 191 19.05.15 11: 40 192 Mitteilungen in Rom und Viterbo Die frühe neapolitanische Phase in den 1510er und 20er Jahren bis zum Tod ihres Mannes Ferrante d’Avalos sei bedeutend für das Bild einer aristokratischen Vittoria Colonna als keusche und treue Ehefrau gewesen, jedoch gebe es kaum Zeugnisse Ihres literarischen Schaffens Sind es in dieser Phase vor allem Widmungen und Enkomien, in denen die Marchesa di Pescara erwähnt wird, werden ab den 1530er und 40er Jahren Briefsammlungen immer wichtiger, in denen natürlich auch Briefe von oder an Colonna zu finden sind, die ihr öffentliches Bild prägen Während sich Colonna immer weiter aus weltlichen Angelegenheiten zurückgezogen habe, machten diese Briefwechsel deutlich, dass sich Colonna im Zentrum eines kulturellen und religiösen Dialoges mit den Größen ihrer Zeit befindet Dabei verlagert sich der Schwerpunkt von der Darstellung einer aristokratischen keuschen Witwe hin zu einem Bild einer dem Glauben hingegebenen Colonna Marina d’Amelia (Università la Sapienza di Roma) knüpfte anschließend an den Verweis von Virginia Cox auf Pompeio Colonna an, um sich der Bearbeitung Colonnas durch die Geschichtsschreibung zu widmen So habe sich die Forschung in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich der Lyrik Colonnas zugewendet und dabei andere Aspekte vernachlässigt Die politische Rolle Colonnas als donna di potere sei bislang nicht hinreichend erforscht worden: Über ihre kurze Regierungszeit in Benevento z .B sei bislang nichts bekannt Zudem ist zu klären, welche Rolle sie in den zahlreichen Konflikten der Familie Colonna im 16 Jahrhundert spielte und ob sie als ein Modell für andere Frauen der Familie fungiert hat So ist auch die Beziehung zwischen Pompeo und Vittoria Colonna in dem Konflikt mit Papst Julius II noch nicht beleuchtet worden, dabei scheint die Beziehung zwischen beiden eng gewesen zu sein, wie die Anspielung in der Pistola oder die Widmung der Apologiae mulierum Pompeos für Vittoria bezeugen - zudem hat Vittoria das Begräbnis Pompeos bezahlt und nicht etwa ein männliches Mitglied der Familie Es scheint fast so, dass Pompeo und die Familie Colonna Vittoria zur Repräsentantin der Familie machten, weswegen sie nach dem Tod Pompeos im Jahre 1532 einzige Ansprechpartnerin der Familie Colonna mit Papst Clemens VII und Kaiser Karl V blieb Neben der Rolle Vittorias innerhalb der Familie Colonna eröffne der Vergleich mit anderen adeligen donne di potere der Epoche, z .B Caterina Cybo, einen Zugang zum tieferen Verständnis der politischen Rolle Vittorias Im Anschluss interpretierte Ramie Targoff (Brandeis University) einen Brief von Papst Clemens VII an Vittoria, 2 der bereits fünf Monate nach dem Tod von Ferrante d’Avolos, am 5 Mai 1526, geschrieben wurde In der Zwischenzeit hatte Vittoria Colonna Trost im Kloster San Silvestro in Capite in Rom gesucht, jedoch hatte der Papst ihr verboten, in den Orden einzutreten Targoff äußert die Vermutung, dass politische Gründe hinter dieser Entschei- 2_IH_Italienisch_73.indd 192 19.05.15 11: 40 193 Mitteilungen dung gestanden haben, um den wichtigsten Ansprechpartner des Papstes in der Familie Colonna nicht zu verlieren Vittoria habe eine «kreative Lösung» gefunden, sich dennoch aus den weltlichen Angelegenheiten zurückziehen zu können: Sie bat den Papst, ihr die Erlaubnis zu geben, eine Kapelle in ihrem Haus in Neapel zu errichten, dort mit vier bis fünf anderen Frauen leben zu dürfen und die Eucharistie zu feiern In dem betreffenden Brief gestattet Clemens VII ihr dies und gesteht ihr sogar zu, selbst einen Priester für die Eucharistie auswählen zu dürfen Gigliola Fragnito relativierte in der Diskussion Targoffs These, denn es sei etwas völlig anderes, sich in ein Kloster als Schwester zurückzuziehen als in ein Haus in Neapel Zudem bedeute das Leben im Kloster keine völlige Abkehr von der Welt, Colonna habe dort auch weiter Besuche empfangen und Korrespondenzen unterhalten können Die zweite Sektion des Tages stand unter dem Titel «Vittoria Colonna: donna, vedova, scrittrice» Ausgehend von einem Brief Colonnas an Paolo Giovio vom 24 Juni 1530, 3 in dem sich die marchesa als Autorin darstellt, zeichnete Maria Serena Sapegno (Università la Sapienza di Roma) den Übergang von den sogenannten Rime amorose zu den Rime spirituali nach und machte dabei deutlich, dass es keinen Bruch und keine religiöse Konvertierung im Werk Colonnas gibt, sondern dass ihre Dichtung von Anfang an spirituell und religiös geprägt war Eine Schwierigkeit der Deutung ihres Werkes stellen jedoch die unterschiedlichen Manuskripte und Editionen ihrer Dichtung dar, da es bis auf die ersten 20 Sonette der Rime amorose, die einen in allen Texten gleichen festen Nukleus darstellen, und außer der Anordnung der Sonette im Manuskript für Michelangelo keine von der Dichterin selbst vorgenommene Anordnung der Gedichte zu geben scheint An zahlreichen Beispielen aus den Rime zeigte Sapegno, wie das Innere den eigentlichen Raum zur Entfaltung des Ichs darstellt, in den es sich von der ragione geführt immer weiter zurückzieht Die profane Liebe zu ihrem verstorbenen Ehemann stellt dabei eine Vorbereitung für die Liebe zu Gott dar In ihrer späteren Schaffensphase vollzieht Colonna keine Abkehr von den Rime amorose, sondern deutet diese um, im Sinne einer preparatio für die Liebe zu Gott Tatiana Crivelli (Universität Zürich) stellte in ihrem Vortrag die These einer diffusione popolare der Dichtung Colonnas auf Der Brief Pietro Bembos an Carlo Gualteruzzi vom 8 November 1538, 4 in dem er sich über die gegen den Willen Colonnas entstandene minderwertige Qualität der editio princeps der Rime entrüstet, begründet bis heute die Meinung, dass Colonna gegen den Druck ihrer Werke gewesen sei Crivelli relativiert diese Meinung, da es sich bei der vermeintlichen Ablehnung des Drucks ihrer Werke durch Colonna zum einen um eine topische Äußerung der moderatio handele, zum anderen Bembo eigene Interessen verfolge und selbst mit dem Verleger Carlo Gualteruzzi die Werke Colonnas veröffentlichen wolle Die Qualität der editio prin- 2_IH_Italienisch_73.indd 193 19.05.15 11: 40 19 4 Mitteilungen ceps sei in Wahrheit nämlich nicht schlechter oder fehlerhafter als die Handschriften oder anderen Ausgaben der Gedichte vor und nach der princeps Die zahlreichen Editionen der Rime und einzelner Sonette in Anthologien zeigt, dass die Nachfrage ihrer Gedichte groß gewesen ist und die Herausgeber und Drucker ein Publikum bedient haben So wirft Niccolò Franco u .a Lodovico Dolce vor, eine Ausgabe der Gedichte Colonnas herausgegeben zu haben, nur um damit Geld zu machen In der dritten und letzten Sektion unter dem Titel «La vita religiosa di Vittoria Colonna: la poesia di riforma» ging es um die spirituelle Dichtung Colonnas Abigail Brundin (Cambridge University) stellte die Frage nach dem Grund für den Erfolg von Colonnas Dichtung Um die Rezeption der Leser im 16 Jahrhundert nachvollziehen zu können, versuchte Brundin von Michelangelo als Modell eines Lesers auszugehen und von da aus die Gründe für den Erfolg Colonnas zu erläutern So sei die Lektüre religiöser Texte im 16 Jahrhundert fester Bestandteil religiöser Frömmigkeit gewesen und habe zur religiösen Praxis im Alltag gehört Den spirituellen Weg, den Colonna in ihrer Dichtung beschreitet, teile sie mit dem Leser und trete so in einen Dialog, der durch die Verbreitung ihrer Gedichte zu einer kollektiven Erfahrung werde Im letzten Vortrag ging Gigliola Fragnito (Università di Parma) den Quellen für die spirituelle Dichtung Colonnas nach und betonte, dass man die der Ecclesia Viterbienis nahe stehenden reformatorischen Gedanken in Colonnas Werk nicht vereinfachend auf ein paar wenige Quellen, wie Bernardino Ochino und über diesen indirekt Juan de Valdés, oder Reginald Pole, zurückführen dürfe Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass Colonna, deren früheste Gedichte ja schon spirituell geprägt sind, von einer Vielzahl religiöser und nicht religiöser Texte geprägt war So lasse sich z .B nicht mit Sicherheit sagen, woher Colonna ihren Glauben an die Rechtfertigung ex sola fide habe Es sei durchaus möglich, dass sie vermittelt über Jacopo Sannazaro das Gedankengut des Cénacle de Meaux und damit Guillaume Briçonnets und Jacques Lefèvres d’Étaples’ gekannt hat, ganz zu schweigen von mystischen Anklängen in Colonnas Dichtung und möglichen Bezügen zur italienischen Mystik Die Konzeption der Tagung und das Ineinandergreifen der einzelnen Beiträge trug trotz ihrer kurzen Dauer insgesamt dazu bei, einen reichhaltigen Überblick über das Werk Vittoria Colonnas und die aktuelle Forschung zu geben Von allen Teilnehmenden wurde jedoch immer wieder auf die Schwierigkeit hingewiesen, dass es keine kritische Gesamtausgabe der Werke Colonnas auf dem Markt gibt, was auch dazu beitrage, dass ihr Werk heutzutage immer noch nicht hinreichend gewürdigt wird Um Maria Serena Sapegno, Tatiana Crivelli und Abigail Brundin versammelt sich mittlerweile aber eine Gruppe von Forschern, die diese immense Aufgabe in Angriff nehmen will 2_IH_Italienisch_73.indd 194 19.05.15 11: 40 195 Mitteilungen Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf Veronica Copello (Doktorandin der Università di Pisa), die an einer kommentierten Ausgabe der Rime per Michelangelo arbeitet Die Veröffentlichung der Tagungsakten ist für 2015 geplant Daniel Fliege Anmerkungen 1 Von den Monographien seien hier erwähnt: Abigail Brundin, Vittoria Colonna and the Spiritual Poetics of the Italian Reformation,- Farnham: Ashgate 2008, Maria Forcellino, Michelangelo, Vittoria Colonna e gli «-spirituali-» .-Religiosità e vita artistica a Roma negli anni Quaranta, Roma: Viella 2009 und Raffaella Martini, Vittoria Colonna . L’opera poetica e la spiritualità, Milano: Biblioteca Francescana 2014, ganz zu schweigen von den unzähligen Artikeln über Colonna . Für eine ausführliche Biobiographie sei auf das Literaturverzeichnis der erwähnten Studien verwiesen . Abigail Brundin hat zudem die Sonette für Michelangelo ins Englische übersetzt und kommentiert (Vittoria Colonna, Sonnets for Michelangelo . A Bilingual Edition . Hrsg . und übersetzt von A . Brundin, Chicago: Chicago University Press 2005) . Eine moderne Neuübersetzung ins Deutsche bleibt Desiderat der Forschung, genauso wie eine kommentierte Gesamtausgabe . Derzeit arbeitet Veronica Copello (Doktorandin der Università di Pisa) an einer kommentierten Ausgabe der Rime per Michelangelo . Ende kommenden Jahres erscheint zudem: Abigail Brundin/ Tatiana Crivelli/ Maria Serena Sapegno, A Companion to Vittoria Colonna, Leiden: Brill 2015 2 «XXVII . (1526), 5 maggio . Il papa Clemente VII a Vittoria Colonna,» in: Carteggio, hrsg . von E . Ferrero und G . Müller, Torino: Loescher 1889, S . 38 3 «XLI . (1530), 24 giugno . A Paolo Giovio,» in: ebd ., S . 62 4 Pietro Bembo, Lettere, hrsg . von E . Travi, Bologna: Commissione per i testi di lingua 1993, Bd . IV, S . 141 La parola di Mario Luzi a Filadelfia Mario Luzi (1914-2005) è ormai unanimemente riconosciuto come protagonista assoluto del Novecento italiano: poeta straordinario, finissimo critico e coraggioso drammaturgo, ma anche intellettuale impegnato nella vita civile e spirituale del proprio tempo Alle celebrazioni tributategli in occasione del centenario della nascita (tra cui si ricorda il grande convegno fiorentino «L’ermetismo e Firenze» curato da Anna Dolfi in ottobre e, il mese successivo, la giornata di studi presieduta da Giancarlo Quiriconi presso la Casa del Petrarca ad Arezzo) si è aggiunto un significativo riconoscimento anche oltreoceano: sotto la coordinazione di Fabio Finotti e Marina Della Putta Johnston, il Center for Italian Studies della University of Pennsylvania ha organizzato la conferenza internazionale «Mario Luzi 1914-2015: The Man and the Verbum» (Filadelfia, 13-14 febbraio 2015) 2_IH_Italienisch_73.indd 195 19.05.15 11: 40