eJournals Italienisch 40/79

Italienisch
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0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2018
4079 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Romina Linardi: Transkulturalität, Identitätskonstruktion und narrative Vermittlung in Migrationstexten der italienischen Gegenwartsliteratur. Eine Analyse ausgewählter Werke von Gabriella Kuruvilla, Igiaba Scego, Laila Wadia und Sumaya Abdel Qader, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2017, 290 Seiten, € 55,95 (Transcultural Studies – Interdisciplinary Literature and Humanities for Sustainable Societies, 3) Mario Rossi: Il nome proprio delle cose. Oggetti narranti in opere di scrittrici postcoloniali italiane, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2015, 473 Seiten, € 83,30

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2018
Stephanie Neu-Wendel
ita40790133
Kurzrezensionen 13 3 Romina Linardi: Transkulturalität, Identitätskonstruktion und narrative Vermittlung in Migrationstexten der italienischen Gegenwartsliteratur. Eine Analyse ausgewählter Werke von Gabriella Kuruvilla, Igiaba Scego, Laila Wadia und Sumaya Abdel Qader, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2017, 290 Seiten, € 55,95 (Transcultural Studies - Interdisciplinary Literature and Humanities for Sustainable Societies, 3) Mario Rossi: Il nome proprio delle cose. Oggetti narranti in opere di scrittrici postcoloniali italiane, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2015, 473 Seiten, € 83,30 Die Auseinandersetzung mit italienischer transkultureller bzw postkolonialer Literatur ist schon längst keine Randerscheinung mehr, sondern hat sich nicht nur in Italien als Forschungsfeld etabliert; davon zeugen - zunehmend auch im deutschsprachigen Raum - zahlreiche Forschungsprojekte, Veröffentlichungen, Dissertations- und Habilitationsprojekte sowie universitäre Seminare . 1 Die beiden hier vorgestellten Publikationen von Romina Linardi und Mario Rossi illustrieren exemplarisch die Bandbreite möglicher Herangehensweisen an Literatur und Film aus transkultureller und postkolonialer Perspektive Romina Linardi greift in ihrer Monographie zentrale Aspekte der Diskussion rund um Texte der so genannten ‘Migrationsliteratur’ auf - ein Begriff, den Linardi selbst durchaus kritisch sieht und vor dem Hintergrund der Suche nach einer «[…] adäquaten Terminologie, jenseits von stigmatisierenden Begriffskategorien» (S 16) kontrovers diskutiert Für die Analyse ausgewählter Erzählungen und Romane von Gabriella Kuruvilla, Igiaba Scego, Laila Wadia und Sumaya Abdel Qader, deren Werke bisher in unterschiedlicher Intensität und zum Teil nur marginal von der Forschung rezipiert wurden, wählt sie einen transkulturellen Ansatz Dabei geht Linardi u .a der Frage nach, durch welche narrativen Verfahren hybride Identitätskonstruktionen in den betrachteten Texten realisiert werden Linardis Studie besticht durch ihren klaren Aufbau und eine umfassende Auseinandersetzung mit den für die Arbeit zentralen Begriffen und Konzepten Transkulturalität, Hybridität und Identität Der Textanalyse vorangestellt ist entsprechend eine Vorstellung und Diskussion unterschied- 1 Im Hinblick auf deutschsprachige Publikationen sei hier stellvertretend auf den 2013 bei Königshausen & Neumann (Würzburg) publizierten, nach wie vor grundlegenden Band Transkulturelle italophone Literatur - Letteratura italofona transculturale (hrsg von Martha Kleinhans und Richard Schwaderer) sowie aktuell auf Maria Kirchmairs Monografie Postkoloniale Literatur in Italien. Raum und Bewegung in Erzählungen des Widerständigen (Bielefeld: Transcript 2017) verwiesen Kurzrezensionen 13 4 licher, interdisziplinärer Theorieansätze: So werden - neben Wolfgang Welschs Definition von Transkulturalität - u a auch Homi K Bhabhas Ausführungen zum ‘dritten Raum’ sowie sozialwissenschaftliche Konzepte, die Hybridität, kulturelle Mehrfachzugehörigkeiten und Migrationserfahrungen positiv besetzen, in den Blick genommen Gleichzeitig liefert Romina Linardi unter Bezugnahme auf die italienische Kolonialgeschichte einen Überblick zur Entwicklung Italiens vom Auswanderungszum Einwanderungsland und skizziert die Entwicklungsphasen der Migrationsliteratur; in diesem Zusammenhang erfolgt auch die bereits erwähnte problembewusste Diskussion dieses Begriffs Die theoretischen und historisch-chronologischen Prämissen schaffen eine ideale Grundlage für die Textanalyse, die den Schwerpunkt des Bandes bildet: Der Fokus der sehr fundierten und stringenten Textbetrachtungen liegt u .a auf den Figuren und der Erzählperspektive, aber auch auf der sprachlichen und stilistischen Gestaltung der Texte, zu der auch ein von Linardi so bezeichneter «transkulturell-ironischer Humor» (S 260) zählt Dank der vielfältigen, präzisen Hintergrundinformationen und der klaren, stets an den theoretischen Grundlagen orientierten Textanalyse gelangt Romina Linardi zu differenzierten Ergebnissen in Bezug darauf, ob und wie in den von ihr betrachteten Texten eine für Transkulturalität konstitutive Grenzüberschreitung realisiert wird Insgesamt gelingt es Linardi überzeugend, das Potenzial eines transkulturellen Ansatzes zu demonstrieren und ein anschlussfähiges Analysemodell vorzustellen Mario Rossi beschäftigt sich in seiner 2015 erschienenen Monografie ebenso wie Romina Linardi mit Texten von auf Italienisch schreibenden Autorinnen, in deren Werken postkoloniale bzw Migrationserfahrungen eine Rolle spielen Allerdings setzt er einen anderen Schwerpunkt: Unter Bezugnahme auf eine Vielzahl unterschiedlicher Theorieansätze, u .a aus dem Bereich der Semiotik und der Narratologie, steht bei Rossi die narrative Funktion von Objekten im Vordergrund: «Contrariamente alle tradizionali impostazioni narratologiche, nel nostro saggio leggeremo le opere scelte come se l’accesso privilegiato fosse costituito non dai soggetti ma dagli oggetti, dalle loro relazioni e dalle modalità di nominazione degli stessi .» (S 47 f .) Der einleitende Teil von Rossis Monografie zeichnet sich durch ausführliche methodologische Prämissen aus Den Mittelpunkt der Arbeit bildet eine in zwei Blöcke unterteilte Textanalyse: Ein Block mit dem Schwerpunkt Albanien umfasst ein Kapitel zu Elvira Dones‘ Roman Vergine giurata (2007) und ihrem Dokumentarfilm Sworn Virgins (2007/ 08), in denen sie sich mit dem Phänomen der ‘sworn virgins’ - Frauen, die die Rolle von Männern einnehmen - auseinandersetzt; das zweite Kapitel ist dem Kurzrezensionen 135 Werk der (Foto-)Künstlerin und Autorin Ornela Vorpsi gewidmet Im zweiten Block liegt der Fokus auf der Beziehung zwischen Italien und den ehemaligen Kolonien in Afrika; in drei Kapiteln befasst sich Rossi mit narrativen Texten von Gabriella Ghermandi, Igiaba Scego sowie Ubax Cristina Ali Farah Beiden Blöcken gehen jeweils Ausführungen zum historischen Hintergrund voraus Im Hinblick auf Albanien gehören dazu auch Erläuterungen zum Kanún, dem albanischen ‘Gewohnheitsrecht’ Im Kapitel «Immagini d’Africa, di africani e di conquistatori» wird wiederum die Entstehung eines «immaginario coloniale» nachvollzogen, unter Einbeziehung eines Exkurses zur Verdrängung der kolonialen Vergangenheit (vgl S 230 ff .) Auf den Analyseteil folgt als ‘Extra’ ein Kapitel, in dem Rossi unterschiedliche philosophische Ansätze - u .a von Walter Benjamin - zu Listen, Objekten und Beziehungen zwischen «soggetti» und «oggetti» auf den Roman Madre piccola (2007) von Ali Farah anwendet, um weitere mögliche Analysewege in Bezug auf Objektdarstellungen und -wahrnehmungen aufzuzeigen In seiner «Risultanze» betitelten Zusammenfassung unternimmt Rossi schließlich den - gelungenen - Versuch, Gemeinsamkeiten zwischen den Werken seines Korpus herauszustellen: In den Texten, in denen die Beziehung zwischen dem corno d’Africa und Italien thematisiert wird, tragen die Objekte laut Rossi die Spuren ihrer Geschichte und erhalten eine generationenübergreifende Bedeutung; anders sehe es in Dones‘ und Vorpsis Texten aus, dort seien die Objekte individueller und wiesen mehr Brüche und Zersplitterungen auf Bemerkenswert und als idealer Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zu werten ist Rossis Feststellung der Objektifizierung des (weiblichen) Körpers in allen betrachteten Texten Rossis Arbeit ist auf der einen Seite - insbesondere im Analyseteil - durch einen klaren Duktus, auf der anderen Seite aber auch durch einen metaphorischen, essayistischen Stil gekennzeichnet Insgesamt präsentiert sich Il nome proprio delle cose als methodologisch höchst anspruchsvoll und, trotz weitreichender Erklärungen, voraussetzungsreich; deutlich wird der Anspruch des Autors, so umfassend und präzise wie möglich zu arbeiten . 2 Durch die Materialfülle entstehen an manchen Stellen Brüche zwischen den Kapiteln, die allerdings durch die abschließende Zusammenführung aufgefangen werden Insgesamt zeugt Rossis Arbeit von großer Reflektiertheit und Sachkenntnis; sein objektzentrierter Ansatz eröffnet ohne Frage alternative Wege als Ergänzung zu Textanalysen, die von ‘klassischen’ narratologischen Kategorien ausgehen . Stephanie Neu-Wendel 2 Vgl dazu ausführlich die Rezension des Bandes von Martha Kleinhans in Romanische Forschungen 129 (2017), S 421-425 .