Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
61
2023
4589
Fesenmeier Föcking Krefeld OttDrei Gedichte von Laura Pugno
61
2023
Inna Donetska
Philip Riemer
Flavia Latino
ita45890140
140 Drei Gedichte von Laura Pugno Aus I legni tutto si ferma, poi di nuovo alles bleibt stehen, dann wieder a strappi del mondo in Fetzen beginnt è inizio, die Welt tu in questa intermittenza, du in dieser Zwischenzeitlichkeit, ogni volta jedes Mal ferita, corteccia verletzt, die Rinde dicono che ne uscirebbe un latte bianco man sagt, es käme eine Milch heraus, weiß e dolce, dolcissimo und süß, sehr süß tu ogni volta che appari, (bist) du jedes Mal, wenn du erscheinst in una forma in einer Form più consumata, meno mobile, perfetta die ausgezehrter ist, weniger beweglich, perfekt Natur, Klimaschutz und Umweltkatastrophen sind wichtige Themen im Werk Laura Pugnos, in dem Irene Cecchini zufolge Narration und Ökologie eine Vielfalt von Verbindungen eingehen. 5 Die Gedichtsammlung I legni wurde im Jahr 2018 im Verlag Lietocolle veröffentlicht. Es geht hier um die Bedeutungen des Dazugehörens, um den menschlichen Körper, um die Wälder und die Materie, aus der alles besteht. Das vorliegende Gedicht aus I legni vereint die Natur-, Umwelt- und Körpermotive. Die Akteure sind tu und io , wobei mit tu generell alle Menschen gemeint sein könnten. Evoziert wird ein Morgen oder ein Anfang, in dem für einen Moment alles stehen bleibt. «[…] a strappi del mondo / è inizio» könnte als ein Bild für den Neuanfang und auf die Ereignisse gelesen werden, die in jedem Augenblick des Lebens passieren. Die Welt ( il mondo ) könnte sich sowohl auf das Universum als auch auf die Welt des tu beziehen. Denn das ‘du’ ist «in dieser Zwischenzeitlichkeit», zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Diese lebendigen Fragmente von Präsenz des ‘du’ werden durch den Vers «[…] ferita, corteccia […]» unterbrochen. Auf einer Seite impliziert das Einsetzen des Substantivs corteccia die Klima- und Umweltprobleme. Auf der anderen Seite könnte es sich um eine Metapher für den Gefühlszustand und die körperliche Gesundheit eines der Akteure handeln. Denn die Rinde und ihre Form zeigen, wie der 5 «[…] la narrazione e l’ecologia si combinano così in una varietà di rappresentazioni.» Cecchini 2021. Biblioteca poetica Drei Gedichte von Laura Pugno 141 Baum sich gegen Umwelteinflüsse schützt. Bei den Menschen funktioniert es ähnlich: Die Konsequenzen von Umwelteinflüssen zeigen sich an den Händen, am Gesicht und an der Körperhaltung. Das Ganze würde auf den Prozess des Alterns hindeuten. Diese Interpretationsvorschläge legen es nahe, «consumata» im Sinn von ausgezehrt, müde und erschöpft zu verstehen. Diese Doppeldeutigkeit erkennt man auch in den Zeilen «[…] ne uscirebbe un latte bianco […]», wobei man unter «un latte bianco» auch Reinheit, Schönheit und Vollkommenheit verstehen könnte. Die Kombination von weißer Milch und sehr süßer Milch verstärkt die Assoziation von Unschuld und Perfektion. Eine Herausforderung stellt unter anderem die Übersetzung von «a strappi del mondo» dar. «A strappi» verweist auf eine ruckhafte Bewegung, zugleich auf die ‘Fetzen’, Stückchen oder Bruchteile der Welt. Da es einen indirekten Zusammenhang mit der Intermittenz in der zweiten Strophe gibt, entschied ich mich für die Variante «in Fetzen». Schließlich spiegelt dieses Wort die Unterbrechung durch die irregulären, chaotischen Abschnitte in dem konstanten Verhalten über einen längeren Zeitraum wider. 6 Der Vers „e dolce e dolcissimo“ schafft einen Übergang zu der letzten Strophe, indem man auf ‘tu’ aufmerksam wird. Das ‘tu’ erscheint in einer Form, welche als «[…] più consumata, meno mobile, perfetta» beschrieben wird. Bei der Übersetzung von «più consumata» kamen zwei Varianten in Frage: abgenutzt und ausgezehrt. Das Wort ‘abgenutzt’ hat aber eher eine negative Färbung und bezieht sich mehr auf die Gegenstände als auf die Menschen. Der Begriff ‘ausgezehrt’ lässt sich hingegen aus den kontextuellen Gründen besser einsetzen, weil es auf Müdigkeit, Erschöpfung und Altwerden hinweist. Übersetzung und Kommentar: Inna Donetska 6 Vgl. Duden. https: / / www.duden.de/ rechtschreibung/ intermittierend. Drei Gedichte von Laura Pugno Biblioteca poetica 142 Biblioteca poetica Drei Gedichte von Laura Pugno Aus I nomi I nomi Die Namen Il braccio con l’ala di cigno - Du bist die und du bist der ti è rimasto dalla volta nicht wirklich zurückgekehrt che non sei veramente tornata,- seitdem ist er dir geblieben - tornato, der Arm mit dem Schwanenflügel. è invisibile eppure ti sembra unsichtbar, doch scheint es dir che tutti lo vedano dass jeder es erkennt, cosa nascondi sotto i vestiti, was unter deiner Kleidung steckt quale mondo jene Welt, dove tutto brucia in der alles brennt. dove - come wo - wie esattamente in questo mondo - genau in dieser Welt - sei l’alta fiamma. bist du die lodernde Flamme. * * La mente crea Das Denken erschafft il tu dalle menti e dai corpi, das Du aus Geist und Körper, il tuo, das Deine, i tuoi, die Deinen, il tu che è il bosco dove si nasconde das Du , das Wald ist, in dem sich das verbirgt quello che non ha nome was keinen Namen hat ed è detto und doch genannt wird luce, stella, con intermittente Licht, Stern, mit, zwischenzeitlich, il suo - perduto, perduto - seinen - Zeichen, Morse - codice Morse. Verloren, verloren La sola lingua che conosci Die einzige Sprache, die du kennst La forma che conosci come amore, Die Form, die du als Liebe kennst, in uno, in einem, assoluto, absolut, assoluto. absolut. Così ti parla, mente corpo So spricht er zu dir, Geist Körper tra menti e corpi, e le parole - zwischen Geist und Körper und die Worte - ogni tua parola - jedes deiner Worte - sono il nome d’amore e gli altri nomi del mondo. sind der Name der Liebe und die anderen Namen der Welt. 143 Drei Gedichte von Laura Pugno Biblioteca poetica Herausforderungen und Unklarheiten im Übersetzungsprozess Mysteriös, verträumt, naturverbunden - dies sind Attribute, die mir zu Laura Pugnos Gedichten einfallen. Manch einer könnte die Liste ergänzen, ein anderer diese Begriffe durch komplett andere Eigenschaften ersetzen und sicherlich wird es auch jene geben, denen schlicht die Worte fehlen, da Pugnos Zeilen für sie mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Diesen Eindruck, der auch mich während meiner Analyse beschleicht, bewerte ich allerdings nicht als Unzulänglichkeit, sondern klar als Identifikationsmerkmal, da eben gerade jenes Uneindeutige Pugnos Gedichte in einen geheimnisvollen Nebel hüllt und die Lesenden herausfordert, sie mehrmals aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen und sich selbst für eine angemessene Interpretation zu entscheiden. So tat ich es auch, denn anders konnte ich auch nicht, insbesondere, da sich dieser ‘Nebel’ im Prozess der Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche oftmals verdichtete, obgleich ich mir durch die Übertragung in meine Muttersprache weit mehr Klarheit versprochen hatte… Das immer wiederkehrende Genus-Problem taucht nicht nur einmal auf. In dem Gedicht I nomi , dessen Titel ich wortgetreu mit Die Namen übersetze, lesen wir in Vers drei und vier die Worte «tornata, tornato», also die weibliche und die männliche Version des Verbs tornare (zurückkehren/ -kommen) in der passato-prossimo -Form. Pugno enthält sich bewusst, ein konkretes Geschlecht zu benennen und erschafft durch eben beide Varianten einen noch weitläufigeren Interpretationsspielraum. Diese lyrische Facette würde in der wortgetreuen Übersetzung nicht existieren, da der Vers «non sei veramente tornata, tornato» (‘du bist nicht wirklich zurückgekehrt’) in der 2. Person/ Singular des Deutschen den Genus-Aspekt auslässt. Meine Übersetzung «du bist die und du bist der / nicht wirklich zurückgekehrt» verkompliziert den Vers zwar inhaltlich, scheint mir aber angemessen gewählt, um das Stilmittel der Autorin miteinzubeziehen. Des Weiteren diskutierten wir in unserer Übersetzungswerkstatt, wie wir den Begriff ʻmenteʻ ins Deutsche übertragen. In den drei Versen von I nomi, wo dieser Begriff zu finden ist, entschied ich mich für ‘Geist’, insbesondere, da der 28. Vers «corpo» und «mente» gegenüberstellt und die Bezeichnung ‘Körper und Geist’ im Deutschen nicht unüblich ist. In anderen Gedichten erschienen dagegen Begriffe wie ‘Gedanken’ oder ‘Denken’ passender . «Sei l’alta fiamma» (Vers 12) lässt sich problemlos wortgetreu übersetzen, doch erschien mir das Wort ‘lodernd’ kraftvoller, um die Intensität einer hochzüngelnden Flamme hervorzuheben. Obgleich es in der deutschen Sprache üblich ist, hintereinanderstehende zusammengehörige Nomen zu Komposita zu vereinen, erschien mir beim 22. Vers «codice morse» eine Wort-für-Wort- oder Nomen-für-Nomen-Übersetzung effektiver. Mit der Intention, die Ausdrucksform von Pugnos Metaphern 144 Biblioteca poetica Drei Gedichte von Laura Pugno wirkungsvoll zu transferieren, zerlegte ich das entsprechende Nominalkompositum ‘Morsezeichen’ in seine beiden Bestandteile: Morse und Zeichen. Um den italienischen Begriff konsequent und wortgetreu zu übertragen, wurden die Nomen getauscht («Zeichen, Morse») und im Stil einer Enumeratio angeordnet, da mehrere Substantive in der deutschen Grammatik nur mithilfe von Satzzeichen hintereinanderstehen können. 7 Diese diskrete Variation ermöglicht, die beiden Bausteine des ursprünglichen Kompositums ‘Morsezeichen’ separat voneinander hervorzuheben, wobei die Kongruenz eindeutig erkennbar bleibt und keine inhaltlichen Abweichungen entstehen. Interpretationsansätze zum Gedicht I nomi Zugegebenermaßen brauchte es mehr als nur einen Versuch, Pugnos Gedicht bezogen auf Inhalt und Aussage so zu erfassen, dass es mir selbst schlüssig erscheint, was sicherlich auch der unkonventionellen Struktur geschuldet ist. I nomi besteht aus 31 Versen, untergliedert in vier Strophen, welche mit vier, fünf, drei und 19 Versen jeweils unterschiedliche Längen aufweisen. Das reimlose Gedicht wird durch Leerzeilen und einen Asterisk in zwei Abschnitte eingeteilt, wobei die drei kurzen Strophen zu Beginn die erste Hälfte und die umfangreiche letzte Strophe die zweite Hälfte darstellen. Es enthält kein Versmaß. Die Vielseitigkeit der möglichen Deutungen offenbart sich direkt in der ersten Zeile «il braccio con l’ala di cigno». Dieses Bild suggeriert eine Verschmelzung von Mensch und Tier, der Arm ( braccio ) ist mit einem Flügel ( ala ) versehen. Konkret lassen sich keine weiteren Hinweise finden, die das Aussehen oder Verhalten eines Menschen andeuten, einzig im siebten Vers kann durch das Wort ‘Kleidung’ ( vestiti ) vermutet werden, dass Pugno zu oder über einen Menschen schreibt, dem Attribute aus dem Tier- und Naturreich zugeordnet werden. Generell präsentiert I nomi diverse Naturvergleiche, so zum Beispiel in Vers 12 «sei l’alta fiamma» («du bist die lodernde Flamme»). Typisch für die posthumanistische Lyrik erschafft Laura Pugno, wie auch in anderen Werken, ein neues Subjekt, das nicht mehr durch ein traditionelles lyrisches Ich markiert wird, sondern (wie in nahezu allen Gedichten Pugnos) durch ein in zweiter Person angesprochenes Du. Die Dezentralisierung des Anthropozentrismus stellt ein weiteres posthumanistisches Merkmal dar. 8 Die Rolle und der Einfluss des Menschen werden nicht erkennbar kritisiert, wie u. a. im Gedicht Lady Marmalade (aus Il colore oro , 2007), sondern schlichtweg ausgelassen. Entgegen dem klassischen Verfahren der Anthropomorphisierung verfährt Pugno hier im gegensätz- 7 Es gibt Ausnahmen, wie z. B. bei Eigennamen. 8 Vgl. Binetti 2023. 145 Drei Gedichte von Laura Pugno Biblioteca poetica lichen Sinne und schreibt einer vermeintlich menschlichen Person Attribute aus Tierwelt und Natur zu, etwa im siebzehnten Vers: «il tu che è il bosco…». Nicht der Mensch vollbringt die Taten, denn «der Geist ( mente ) erschafft / das Du aus Geist und Körper» (V. 13) und «des Körpers Geist» (V. 28) vermag - zumindest im metaphorischen Sinne - zu sprechen, was wir als exklusiv menschliche Fähigkeit betrachten würden. I nomi vermittelt eine mysteriöse wie melancholische Stimmung und porträtiert eine Divergenz zwischen Vergänglichkeit und Beständigkeit. Das abwesende Du ist «nicht wirklich zurückgekehrt» (V. 2) und auch die Metapher der Morsezeichen (V. 22) beschreibt zeitlich limitierte Signale, welche entgegen etlichen anderen Möglichkeiten, Nachrichten zu vermitteln, kurz abrufbar und nicht rekonstruierbar sind. Dieser inhaltlich thematisierten Vergänglichkeit wird auf stilistischer Ebene mithilfe von Wortwiederholungen (Epanalepse/ Anapher) entgegengewirkt (V. 21, V. 26 f.): Es scheint, als wolle der reine Text die endlichen Momente und Situationen, die er vermittelt, einfangen oder der Flüchtigkeit zumindest Einhalt gebieten und somit das benennen, was keinen Namen hat (Vgl. V. 18 f., «quello che non ha nome / ed è detto»). In den letzten Versen findet man eine Verknüpfung zum Titel des Werkes. Ins Deutsche übertragen lesen wir «die Worte - jedes deiner Worte - sind die Namen der Liebe und die anderen Namen der Welt». Jene Worte werden in posthumanistischer Manier nicht von den eigentlichen Wesen, denen wir derartige Lautproduktion zuordnen, artikuliert (Menschen), sondern vom ‘Geist’ oder ‘des Körpers Geist’. Der Begriff der Liebe kann hier als undefinierter, nicht greifbarer und allumfassender Ausdruck, als Gefühl oder Schwellenzustand betrachtet werden, der durch alle Worte des lyrischen Du geformt wird, wobei diese allerdings nicht durch menschliche Laute, sondern durch natürliche oder transzendente Signale vermittelt werden. Übersetzung und Kommentar: Philip Riemer 146 madreperla (aus L’alea) madreperla Perlmutt tu-io sei quella che rimane du-ich bist die, die bleibt corpo quasi identico fast identischer Körper visibilità estrema del da te äußerste Sichtbarkeit des von dir non visto, nicht Gesehenen, non per anni nicht seit Jahren come con naturalezza viene il vento wie mit Natürlichkeit der Wind kommt a muoverti le foglie um deine Blätter zu bewegen nella mano in der Hand * * c’è qualcosa dietro Es ist etwas hinter la mente, è affilato dem Verstand, er ist scharf tiene a bada hält in Schach branchi di cani Horden von Hunden la tua improvvisamente è una figura deine plötzliche Gestalt, in piedi, stehend, che viene verso, da una finestra die entgegenkommt, aus einem Fenster ripeti gli ultimi metri wiederholst du die letzten Meter hai fissato le ginocchia du hast deine Knie befestigt le hai colate di nuovo nella forma du hast sie in eine neue Form fließen lassen del tuo corpo deines Körpers Die Gedichtsammlung L’alea , veröffentlicht von Laura Pugno im Jahre 2019, präsentiert der Leserschaft zu Beginn das Gedicht madreperla . Bereits mit der Sprechsituation distanziert sich der Text von dem Ich-zentrierten Sprechen, das bis zum 19. Jahrhundert die italienische Lyrik dominierte und auch im 20. Jahrhundert, trotz verschiedener Erneuerungsversuche, vielfach beibehalten wurde. Ein ‘Du-Ich’ wird in der zweiten Person angesprochen, damit wird möglicherweise ein Leser-Du eingeladen, sich mit dem Sprecher-Ich zu identifizieren. Diese Besonderheit deutet auf eine Verschmelzung oder eine Art Doppelung des Ichs hin, was die Identität des Sprechers/ der Sprecher: in in Frage stellt. Sie erlaubt einerseits die Identifikation mit dem Ich, während sie gleichzeitig Raum für Unsicherheit darüber lässt, von welchem Standpunkt aus, die Stimme spricht und wohin ihre Zuwendung gerichtet ist, was die Identität des Sprechers oder der Sprecherin nebulös erscheinen lässt. Einerseits könnte die Ansprache ‘tu-io’ darauf hindeuten, dass das lyrische Ich sich selbst in einem introspektiven Prozess betrachtet und die verschiedenen Biblioteca poetica Drei Gedichte von Laura Pugno 147 Facetten seines Selbst erforscht. Andererseits könnte sie auf eine enge Beziehung zu einer anderen Person oder einem anderen Körper hinweisen, bei der die Grenzen zwischen den beiden verschwimmen. Ebenso könnte, wie erwähnt, die Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und der Leserin geltend gemacht werden. Die Nutzung von Enjambements trägt dazu bei, dass bei der Leserschaft dieser Verschmelzungsprozess erfahrbar gemacht werden kann. Diese Vielschichtigkeit setzt sich in der Betitelung des Gedichts fort, die eine Übersetzungsschwierigkeit aufwirft. Das Wort ‘madreperla’ entspricht dem Deutschen ‘Perlmutt’, kann auch wörtlich mit ‘Mutterperle’ übersetzt werden, aber es trägt auch die Bedeutung von Perlmutt in sich. Die Assoziation mit Mutterperle könnte auf ein dyadisches Mutter-Kind-Verhältnis oder eine komplexe Verbindung hinweisen. Die Eingangsverse, «du-ich bist die, die bleibt / fast identischer Körper» könnten dann möglicherweise auf eine familiäre, physische Ähnlichkeit verweisen. Jedoch habe ich mich für den Begriff Perlmutt entschieden, der im Einklang mit dem offenen Stil des Gedichts für vielfältige Bedeutungen offen ist. Denn Perlmutt beschreibt ein natürliches Verbundmaterial aus Calciumcarbonat und organischen Substanzen, das den Großteil der Schale von Mollusken (Weichtieren) bildet. Somit trägt dieser Begriff bereits die Idee der Verschmelzung in seiner Bezeichnung in sich, die im Gedicht stark präsent ist, und knüpft gleichzeitig eine Verbindung zum tierischen Körper. Das Verb ‘colare’ in den letzten zwei Versen habe ich mit ‘fließen lassen’ übersetzt. Dadurch wird die Vorstellung von Wasser als Symbol für Fließen und Veränderung aufgerufen. ‘Colare’ betont die Idee der Transformation und Anpassung, ähnlich der Art und Weise, wie Perlmutt natürliche Elemente in sich aufnimmt und in eine neue Form bringt. Übersetzung und Kommentar: Flavia Latino Drei Gedichte von Laura Pugno Biblioteca poetica 148 Bibliographie Werke von Laura Pugno I Legni . Faloppio: Lietocolle editore 2018. I nomi . Milano: La nave di Teseo editore 2023. L’alea . Roma: Giulio Perrone editore 2019 Il colore oro . Firenze: Casa Editirice Le Lettere 2007. Sekundärliteratur Binetti, Roberto: «‘Non appaio io’. Photographic Lyricism and Self-Othering in Laura Pugno’s Il colore oro », in: Italica 98,1 (2023), S. 481-504. Cecchini, Irene: «‘I corpi in cui credi’: Laura Pugno e il femminile non umano», in: Letteratura e altri mondi : generi, politica, società, Quaderni Del Dottorato, Dipartimento LILEC 1, 2021, S. 271-290 (‘I corpi in cui credi’: Laura Pugno e il femminile non umano (ugent.be), zuletzt abgerufen: 19.1.2024). Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. https: / / dwds.de (zuletzt abgerufen: 19.1.2024). Duden. https: / / duden.de (zuletzt abgerufen: 19.1.2024). Rubenis, Stefanie: «Hybridität und Hybris: Laura Pugnos Mischwesen als Vorzeichen der ökologischen Katastrophe und des zivilisatorischen Niedergangs», in: Cornelia Klettke,/ Georg Maag, Reflexe eines Umwelt- und Klimabewusstseins in fiktionalen Texten der Romania, Berlin: Frank&Timme Verlag, S. 375-401. Biblioteca poetica Drei Gedichte von Laura Pugno
