Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Einzelpreis: 15,00 EUR Verkehrsszenarien im 21. Jahrhundert Mobilität seit 1930 Strategieplanung Mobilität und Transport Schnittstelle Seeschiff−Schiene Verkehrsknotenpunkt Hub Konjunkturmotor KEP-Branche Nr. 4 April 2010 62. Jahrgang Nr. 4 April 2010 62. Jahrgang DVV Media Group GmbH | Eurailpress Hans-Peter Kempf „Das Werk Europäische Privatbahnen Europäische Privatbahnen Die Mittelweserbahn GmbH wurde 1998 gegründet und ist europaweit mit rund 50 Loks und 130 Mitarbeitern im Güterverkehr tätig. www.mittelweserbahn.de Europäische Privatbahnen '10 Editorial 3 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Personen- und Gütermobilität prägen den Geist einer modernen Industriegesellschaft und ebnen den Weg zur Dienstleistungsgesellschaft. Auf dem Weg dorthin werden wir zukünftig immer stärker mit der Fragestellung konfrontiert werden, ob unsere Mobilitätsbedürfnisse aus Sicht von Ressourcen- und Kosteneffizienz überhaupt noch realisierbar sind. Es kristallisiert sich zusehends heraus, dass wir im 21. Jahrhundert wieder vor revolutionären Anpassungen unseres Verkehrsverhaltens stehen. Sich anpassende Mobilitätsbedürfnisse spiegeln die Veränderungen von Volkswirtschaften wider. Ausgehend von der Mobilität der Masse entwickelten sich alle herkömmlichen Industrienationen zur Individualisierung von Mobilitätsangebot und -nachfrage. Mit den daraus resultierenden Folgen einer weitgehenden kapazitativen Erschöpfung von Infrastrukturen und der zunehmenden Umweltbelastung durch ein weiter steigendes Verkehrsaufkommen müssen sich heutige und vor allem zukünftige Generationen auseinandersetzen. Welche Schlüsse können aus den Erfahrungen der Vergangenheit für die Entwicklung der Mobilität im 21. Jahrhundert gezogen werden? Hierzu widmet sich das vorliegende Heft in zwei Beiträgen dem Thema der individuellen Mobilitätsentwicklung. Zum einen beleuchtet Prof. Holz-Rau die Veränderungen der Mobilitätsbedürfnisse anhand von Mobilitätsbiografien aus einer vergangenheitsorientierten Perspektive, indem sie die bestimmenden Parameter für unser heutiges Verkehrshandeln analysieren. Einen Blick in die Zukunft wagt zum anderen der Beitrag von Stefan Kinski, der den Einfluss des motorisierten Individualverkehrs in Metropolregionen und des Flugverkehrs aufgrund der absehbaren Verteuerung der fossilen Brennstoffe vor einem grundlegenden Wandel sieht. Die Veränderungen im Mobilitätsverhalten haben den Wissenschaftlichen Beirat Verkehr unter Vorsitz von Prof. Beckmann veranlasst, eine Strategieplanung „Mobilität und Transport“ vom Gesetzgeber zu fordern. Wie diese zu gestalten ist und welche Implikationen sich daraus für die Bundesverkehrswegeplanung ergeben, lesen Sie in diesem Heft. Auf dem Weg dorthin gilt es, die vorhandene Infrastruktur besser zu nutzen. Welche Handlungsoptionen sich bei der verstärkten Integration des Schienengüterverkehrs in die Hinterlandanbindungen von Seehäfen durch optimierten Informationsfluss und -transparenz ergeben, beleuchtet der Beitrag von René Schönemann. Informationsmanagement in der angesprochenen Form von Informationstransparenz und Anbindung von Akteuren ist verkehrsträgerübergreifend der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg von Wertschöpfungsketten − egal ob sie sich mit Personen- oder Güterflüssen auseinandersetzen. Zukünftig wird sich der Wertbeitrag von Akteuren innerhalb der Wertschöpfungskette immer besser nachvollziehen lassen. Lückenlose Informationsketten helfen, Kundenanforderungen besser zu erfüllen, und führen zu den gerade in Krisenzeiten notwendigen Effizienzverbesserungen. Drei Beispiele hierfür liefert der zweite Teil unseres Heftes. Zum einen wird der Erfolg der KEP-Branche, die als Gewinner der Krise gilt, darauf zurückgeführt. Zum anderen belegt das Interview mit Vijay Madan die Notwendigkeit von IT-Investitionen für die in der Krise steckende Luftfahrt. Der dritte Beitrag fokussiert auf die Effizienzpotenziale von Telematikeinsatz im Schienengüterverkehr. Die Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen von Personen und Gütern wird durch die Verbindung mit innovativer Informationstechnologie die Verkehrsbranche auch in Zukunft nachhaltig verändern. Mit Spannung wird das Internationale Verkehrswesen gemeinsam mit Ihnen, liebe Leser, die weiteren Entwicklungen zeitnah verfolgen. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und freue mich auf Ihre Reaktionen. Ihr Frank Straube Impressum 4 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Herausgeberbeirat Internationales Verkehrswesen Fachzeitschrift für Wissenschaft und Praxis Organ der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. ISSN 0020-9511 Mitglied/ Member: L e s e r u n d A b o n n e n t e n s e r v i c e Tel: (040) 23714-260 Fax: (040) 23714-243 Eine Publikation der DVV Media Group DVV Media Group Vertrieb Inga Doris Langer Bezugsgebühren: Inland EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.), Ausland EUR 154,00 (inkl. Porto). Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 15,00 (im Inland inkl. MwSt.) Bezugsbedingungen: Die Laufzeit eines Abonnements beträgt mindestens ein Jahr und kann danach mit einer Frist von sechs Wochen jeweils zum Ende einer Bezugszeit gekündigt werden. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlags oder infolge höherer Gewalt kann der Verlag nicht haftbar gemacht werden. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layout und Herstellung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf Titelbild: IHK Osnabrück/ Westerholt Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Gerd Aberle, Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Michael P. Clausecker, MBA, Generaldirektor des Verbandes der europäischen Bahnindustrie UNIFE, Brüssel Florian Eck, Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel, Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Ottmar Gast, Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Hans-Jürgen Hahn, Dipl.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, München Heiner Hautau, Prof. Dr., ehem. Präsident der DVWG, Geschäftsführer des Instituts für Stadt- und Raumplanung Instara GmbH, Bremen Alexander Hedderich, Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Gerhard Heimerl, Prof. Dr.-Ing., Dr.-Ing. E. h., Stuttgart Wolfgang Hönemann, Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Christoph Klingenberg, Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Officer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Sebastian Kummer, Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Claudia Langowsky, Dr., Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Werner Lundt, Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Klaus Milz, Prof. Dr., Chief Country Representative European Union bei Bombardier Transportation, Machelen Ben Möbius, Dr., Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Hans-Heinrich Nöll, Dr., ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer, Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen und regionale Wirtschaftspolitik im Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Berlin Ronald Pörner, Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann, Sprecherin des Bereichs Marketing, Vertriebsunterstützung und Gremien der Fraport AG, Frankfurt/ Main Tom Reinhold, Dr.-Ing., Leiter Konzernstrategie/ Verkehrsmarkt der Deutsche Bahn AG, Berlin Knut Ringat, Dipl.-Ing., Präsident der DVWG und Geschäftsführer der Rhein- Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann, Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Friedrich Smaxwil, Senior Vice President Division Mobility der Siemens Transportation Systems (TS), Erlangen Erich Staake, Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle, Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Josef Theurer, Dr. Techn. h. c. Ing., Linz Hans-Joachim Welsch, Dipl.-Kfm., Geschäftsführer der Rogesa Roheisengesellschaft Saar mbH und der ZKS, Zentralkokerei Saar GmbH, Dillingen, sowie Ehrenbeirat des Vereins für Europäische Binnenschiffahrt und Wasserstraßen e.V. (VBW), Duisburg Peer Witten, Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrat der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, Straße des 17. Juni 135, D-10623 Berlin, straube@logistik.tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas/ Arnfried Nagel haas@logistik.tu-berlin.de/ nagel@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Verlagsleitung Technik & Verkehr Detlev K. Suchanek (verantw.) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Claudia Vespermann (Red.Ass., Durchw.: -182) claudia.vespermann@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 freie Mitarbeit: Kerstin Zapp kerstin.zapp@zapp4media.de Dr. Karin Jäntschi-Haucke (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 47 vom 1. Januar 2010. Inhalt 5 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Verkehrsknotenpunkt Hub Umsteigeflughäfen (Hubs) sind zentrale Verkehrsknotenpunkte im Streckennetz klassischer Linienfluggesellschaften. Sie verteilen als Drehscheibe eingehende Passagierströme auf ausgehende Kurz- und Langstreckenflüge. Wie eine wirtschaftliche Steuerung dieser komplexen Prozesse aussehen kann, lesen Sie ab . . . . . . . . Seite 37 Inhalt Mobilität seit 1930 Die gravierenden Veränderungen der Motorisierung, der Stadtstrukturen, der Verkehrsinfrastrukturen und -angebote lassen sich an den individuellen Mobilitätsbiografien der Menschen ablesen. Was sich aus den Biografien dreier Generationen über die Entwicklung des Verkehrshandelns ableitet, erfahren Sie ab . . . . . . . . . . . Seite 10 Schnittstelle Seeschiff − Schiene An den Grenzen zwischen zwei logistischen Teilsystemen müssen sowohl Güterals auch Informationsflüsse Barrieren überwinden. Am Beispiel der Schnittstelle zwischen Seeschiff und Schienengüterverkehr ist zu erkennen, welche Schwierigkeiten bei der Integration zweier Systeme auftreten können. Mehr dazu ab . . . . . . . Seite 30 Rubriken Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kurz + Kritisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Termine + Veranstaltungen . . . . . . . . . . 7 Namen + Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . 8 Stellenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 EU-Kolumne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Industrie + Technik . . . . . . . . . . . . . . . 48 Bücher + Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 DVWG-Nachrichten Leitwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen . . . . . . . . . . . 53 Güterverkehr + Logistik Schienengüterverkehr an der Schnittstelle zum Seeschiff Ship-to-rail transhipment René Schönemann. . . . . . . . . . . . . . . . 30 Investitionen in IT sichern die Wettbewerbsfähigkeit von Airlines IT investments ensure the competitiveness of airlines Werner Bruckner . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Konjunkturmotor KEP-Branche CEP industry is booming Kerstin Zapp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Technologien + Informationssysteme Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet Sustainability seen as a whole Tjark Siefkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Grenzenloser Informationsfluss Unlimited information flow Michael Baranek / Rainer Wilke . . . . . 46 Mobilität + Personenverkehr Entwicklung des Verkehrshandelns seit 1930 Trends in travel behaviour since 1930 Christian Holz-Rau / Joachim Scheiner / Anna Weber / Vera Klöpper . . . . . . . . 10 Verkehrsszenarien und Verkehrsmarkt im 21. Jahrhundert Transport scenarios and markets of the 21 st century Stefan Kinski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Bei Flugunregelmäßigkeiten Kosten vermeiden To reduce costs on flight transfer processes Tina Marth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Infrastruktur + Verkehrspolitik Strategieplanung „Mobilität und Transport“ Strategic planning for mobility and transport Wissenschaftlicher Beirat für Verkehr. . 20 Sie finden „Internationales Verkehrswesen“ im Internet unter www.eurailpress.de/ iv. Foto: Siemens Foto: Klotz Foto: BVL Kurz + Kritisch 6 Kurz + Kritisch: Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche gig jedoch immer auf die Nutzengrößen. Warum werden so wenige Nachkalkulationen mit Einbeziehung der tatsächlichen Investitionsaufwendungen durchgeführt und veröffentlicht? Die Dramatik des Problems verdeutlichen beispielsweise aktuell einige Schienenstrecken: Die neue Ausbaustrecke Karlsruhe - Basel soll statt 4,3 Mrd. EUR nunmehr 5,7 Mrd. EUR kosten, der Ausbau Ulm - Lindau wird 103 Mio. EUR teurer, das Rhein-Ruhr-Express-Projekt soll um 43 % auf 2 Mrd. EUR kostenseitig steigen. Auch für die vieldiskutierte Y-Achse werden nur historische Kostenschätzungen recht weit zurückliegender Jahre genannt. Und wie sich das Vorhaben Stuttgart 21 entwickelt, weiß niemand. Aber ahnen tun es viele. Auch hier handelt es sich um eines der zahlreichen Tabuthemen der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik. Noch immer kein neues Personenbeförderungsgesetz A m 3. Dezember 2009 ist die VO (EG) 1370/ 2007 für öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße in Kraft getreten. Sie ersetzt die VO (EWG) 1191/ 69 und ist geltendes höherrangiges Recht. Die zwar nur zwölf Artikel umfassende neue VO wird jedoch wegen zahlreicher Interpretationsmöglichkeiten kontrovers diskutiert, obwohl sie für neue Dienstleistungsaufträge verbindlich und für laufende Verträge spätestens 2019 verbindlich wird. Die VO 1370/ 07 gilt für Dienstleistungen, die mit dem Erfordernis von öffentlichen Ausgleichsleistungen verbunden sind, also nicht für Leistungen, die ohne diese Zahlungen erbracht werden, also dem Genehmigungswettbewerb unterliegen. In Deutschland wird mit den Begriffen der Nutzen-Kosten-Analysen ohne Aussagekraft? I n der deutschen Bundesverkehrswegeplanung werden die Verkehrsinfrastrukturprojekte mit Hilfe von Nutzen- Kosten-Analysen evaluiert. Die errechneten Nutzen- Kosten-Quotienten entscheiden maßgeblich darüber, ob und mit welcher Priorität die Investitionsvorhaben realisiert werden. Seit Beginn der Evaluierungen Ende der 60er Jahre hat sich eine strittige Diskussion um die Erfassung und Bewertung der Nutzenkomponenten gezeigt. Erreichbarkeits-, Zeit- und wirtschaftsstrukturelle Nutzengrößen wurden mehrfach methodisch korrigiert, ohne dass wirklich befriedigende Konventionen gefunden wurden. Insgesamt verbleiben erhebliche Unsicherheitsbereiche auf der Nutzenseite. Wenig beachtet wurde und wird hingegen, dass beim Kostenfaktor mindestens ebenso große Unsicherheiten und Fehlerquellen liegen. Die Informationen über Projektkostenerhöhungen sind erschreckend. Das gilt sowohl für den Straßenals auch insbesondere für den Schieneninfrastrukturbereich. Investitionskostensteigerungen gegenüber den in den Nutzen-Kosten-Analysen angesetzten Werten von 20 bis über 50 % sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Ursachen dieser unerfreulichen Entwicklungen, welche die für die Projektrechnung unterstellten Planungsgrößen der Investitionsaufwendungen und damit die Ergebnisse der Bewertungsverfahren fehlerhaft werden lassen, sind mehrschichtig. Gravierende Projektveränderungen Bekannt ist, dass die Investitionsaufwendungen sehr gern strategisch unterschätzt werden, da viele verkehrspolitische Wünsche und auch Auftragsvergabeinteressen einen hohen Stellenwert besitzen. Hinzu kommen unterschätzte Baupreissteigerungen, während der Planungs- und Realisierungsphase durchgeführte Projektveränderungen und überraschende Schwierigkeiten bei der Baurealisierung mit kostenintensiven Nachbesserungen. Es ist immer wieder interessant zu sehen, welche kostenintensiven Veränderungswünsche nach Projektgenehmigung eingebracht werden, die in der Evaluierungsphase möglicherweise zu einer Herabstufung in der Dringlichkeitsreihung geführt hätten. Die Folge dieser gravierenden Projektkostenerhöhungen ist, dass die ursprünglichen Nutzen-Kosten-Quotienten falsche, das heißt zu hohe Werte aufweisen. Da die Nutzengrößen nicht oder nur kaum positive Veränderungen erfahren, erweisen sich zahlreiche positiv evaluierte Projekte aufgrund der Projektkostensteigerungen dann als nicht mehr priorisierungsbzw. sogar nicht mehr realisierungsfähig. Da die Baumaßnahmen aber bereits begonnen wurden bzw. der politische Umsetzungsdruck sehr stark ist, ergeben sich keine weiteren Konsequenzen. Tabuthema Nachkalkulation Angesichts dieser Probleme ist zu fragen, warum sich die Verkehrspolitik dann noch mit soviel Engagement für die Nutzen-Kosten-Analysen einsetzt. Das bezieht sich vorran- INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Termine + Veranstaltungen Weitere Veranstaltungstermine finden Sie im Internet unter www.dvz.de, www.eurailpress.de und www.dvwg.de 8.-11.4.10 AERO 2010 Friedrichshafen (D) Info: Messe Friedrichshafen, Tel. 07541-7080, www.aero-expo.com 13.-15.4.10 InfraRail 2010 - Birmingham (GB) 8 th International Railway Infrastructure exhibition Info: Mack Brooks Exhibitions, Tel. +44-1727-814400, info@mackbrooks.co.uk, www.infrarail.com 15.-16.4.10 Verkehrsdrehscheibe BeNeLux Motor Europas? ! Aachen (D) Perspektiven für grenzüberschreitenden Verkehr Info: tjm-consulting, Tel. 0221-3305030, info@tjm-consulting.de, www.tjm-consulting.de 15.-16.4.10 19. Deutscher Materialfluss-Kongress 2010 München (D) Info: VDI-Wissensforum GmbH, Tel. 0211-6214201, wissensforum@vdi.de, www.vdi-wisensforum.de 15.-16.4.10 eCarTec Paris Paris (F) Info: MunichExpo GmbH, Tel. 089 32 29 91-0, robert.metzger@munichexpo.de, www.ecartec-paris.eu 15.-17.4.10 5. Greifswalder Forum „Umwelt und Verkehr“ Greifswald (D) Info: Universität Greifswald, Andrej Cacilo, Tel. 03834-862102, andrej.cacilo@uni-greifswald.de, www.jura.uni-greifswald.de 19.-23.4.10 Hannover Messe Hannover (D) Info: Messe Hannover, hannovermesse@messe.de, www.hannovermesse.de 22.-23.4.10 2. Internationaler Hafenkongress Karlsruhe Karlsruhe (D) Info: Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH, Tel. 0721-37205000, info@kmkg.de, www.hafenkongress.de 22.-23.4.10 8. Deutscher Nahverkehrstag Ludwigshafen (D) Info: Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz, Tel. 06131-16-0, info@der-takt.de, www.deutschernahverkehrstag.de 28.4.10 17. DVWG-Luftverkehrsforum Frankfurt/ Main (D) Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 28.-30.4.10 3. See-Hafen-Kongress Hamburg (D) Info: Umco Umwelt Consult GmbH, Tel. 040-41921300, umco@umco.de, www.umco@umco.de 4.5.10 4. Salzgitter-Forum Mobilität: Elektromobilität 2020 - Salzgitter (D) Vom Hype zum Megatrend Info: Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Tel. 05341-87551770, s.moedeker@ostfalia.de, www.salzgitter-forum-mobilitaet.de 6.-7.5.10 3. Grazer Symposium virtuelles Fahrzeug Graz (A) Info: TU Graz, Tel. +43-316-873-9094, Julia.Dorazio@v2c2.at, www.gsvf.at 6.-7.5.10 DVWG Jahreskongress + Stuttgart (D) 8. Europäischer Verkehrskongress Info: DVWG, Tel. 030-2936969, hgs@dvwg.de, www.dvwg.de 7.5.10 4. Grazer Nutzfahrzeug Workshop Graz (A) Info: Institut für Fahrzeugtechnik, Tel. +43-3168735251, office.ftg@tugraz.at, www.ftg.tugraz.at 7.-9.6.10 VDV-Jahrestagung München (D) Info: VDV, Tel. 0221-57979-0, www.vdv.de 8.-10.6.10 mtex 2010 - Internationale Fachmesse & Symposium Chemnitz (D) für Textilien und Verbundstoffe im Fahrzeugbau Info: Messe Chemnitz, Tel. 0371-38038-0, info@mtex-chemnitz.de, www.mtex-chemnitz.de 7.-8.9.10 global maritime environmental congress - gmec 2010 Hamburg (D) Info: Hamburg Messe und Congress Gmbh, Tel. 040-35692444, gmec@hamburg-messe.de, www.gmec-hamburg.com 21.-24.9.10 InnoTrans Berlin (D) Info: Messe Berlin, Tel. 030-30382376, innotrans@messe-berlin.de, www.innotrans.de 30.9.-1.10.10 Networks for Mobility Stuttgart (D) Info: Universität Stuttgart, Tel. 0711-685-66367, fovus@fovus.uni-stuttgart.de, www.uni-stuttgart.de/ fovus gemeinwirtschaftlichen und der eigenwirtschaftlichen Leistungen operiert. Das in Deutschland noch nicht veränderte Personenbeförderungsgesetz (PBefG) war mit Bezug auf die nun aufgehobene VO 1191/ 69 inhaltlich und teilweise begrifflich gestaltet. Daraus folgt unmittelbar das Erfordernis, im Sinne der Rechtssicherheit im ÖPNV ein angepasstes, aber rechtlich kollisionsfreies neues PBefG vorzulegen. Es irritiert, dass dies noch nicht erfolgt ist; immerhin ist der Text der VO 1370/ 07 nunmehr seit über zweieinhalb Jahren bekannt. Noch irritierender ist es, dass im Spätsommer 2008 der Versuch des Bundesverkehrsministeriums an kontroversen Interessen der Länder und der betroffenen Verbände scheiterte, ein neues PBefG zu konzipieren. In den letzten Monaten ist die Rechtsunsicherheit durch eine Vielzahl von juristischen Beiträgen mit divergierenden Interpretationen der VO 1370/ 07 und Verbandsstellungnahmen nicht vermindert, sondern gesteigert worden. Auch die fachspezifischen Entscheidungen deutscher Gerichte spiegeln die Auslegungsweite und das Fehlen eines kompatiblen PBefG. Während das bisherige PBefG häufig in einem nicht konfliktfreien Verhältnis zum deutschen Vergaberecht steht, enthält die VO 1370/ 07 bereits die Vergaberegeln und bricht als geltendes höherwertiges Recht nationale Vorschriften. Das verdeutlicht den Novellierungsbedarf beim PBefG. Allerdings wird die Konzeption des neuen PBefG eine schwierige Aufgabe angesichts der Anpassungserfordernisse an die mit beträchtlicher Auslegungsbreite ausgestattete VO 1370/ 07 und der zahlreichen, in Deutschland tradierten ÖPNV-Regelungen und Interessenlagen von Politik und Interessengruppen. Nur Rahmengesetz oder bundesweit verbindlich? Zu klären ist beim neuen PBefG, ob es sich nur um ein Rahmengesetz des Bundes mit nachfolgenden 16 Ländergesetzen und regionalen Abweichungen oder um bundesweit eindeutige verbindliche Vorgaben handelt. Das gilt für viele Einzeltatbestände. Zu nennen sind etwa die inhaltlichmaterielle Definition von handelsrechtlichen Erträgen im Querverbund von Stadtwerken zur Abdeckung von ÖPNV- Verlusten durch Gewinne aus dem Energie- und Wasserverkauf, die Verbindlichkeit des Nahverkehrsplans für die Genehmigungsbehörden, die Ausschreibungsmodalitäten hinsichtlich der Struktur von Linienbündeln und Netzen mit den Wettbewerbswirkungen auf mittelständische Anbieter, die Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten bei Liniengenehmigungen, die Gewährung individueller Ausgleichszahlungen ohne öffentlichen Dienstleistungsauftrag und vieles mehr. Wenn verlautet, dass möglichst bis Mitte 2011 ein neues PBefG vorgelegt werden soll, so kann diese Ankündigung vor dem Hintergrund der Vergangenheitserfahrungen von 2008 und der Komplexität nicht zufrieden stellen. Hier liegt dringender Handlungsbedarf vor. Die Rechtsunsicherheit mit der Folge fast unübersehbarer Auslegungsvarianten der VO 1370/ 07 und ihrer Anwendung für Deutschland sowie die Gefahr, dass Richterrecht dann zwangsläufig dominiert, sind für den ÖPNV nicht hinnehmbar. Veranstaltungen vom 8.4.2010 bis 1.10.2010 Stand zum Redaktionsschluss am 17.3.2010 Namen + Nachrichten 8 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Bundesregierung Otto Koordinator Seit Anfang März ist Hans-Joachim Otto, FDP-Politiker und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der neue Koordinator der Bundesregierung für Werften, Reedereien und Häfen. (zp) DHL Freight Paul CEO Deutschland Stefan Paul ist seit dem 1. Februar neuer Deutschland-Chef von DHL Freight und folgt auf Karl-Heinz Liesenfeld, der auch weiterhin für das Unternehmen tätig sein wird, unter anderem verantwortlich für das deutsche Unitrans-Netzwerk. Paul zählt bereits seit 2007 als Head of Sales & Marketing zum Führungsteam von DHL Freight. DHL Freight ist im Konzern Deutsche Post DHL zuständig für das internationale Straßengüterverkehrsgeschäft. (zp) DB AG Felcht AR-Chef Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat Prof. Utz-Hellmuth Felcht als neuen Aufsichtsratschef der Deutsche Bahn AG bekannt gegeben. Felcht ist derzeit Partner des Finanzinvestors One Equity in München und war vor allem in der Chemiebranche bei Hoechst, SKW Trostberg und Degussa aktiv. Die DB AG hat Technikchef Ulrich Thon versetzt. Dies ist eine Folge der neuen Zuordnung der Berliner S-Bahn GmbH zu DB Regio. Thon ist bis Juni 2009 Geschäftsführer Produktion bei der Berliner S-Bahn gewesen, wechselte dann zu DB Regio und wäre nun wieder für die Berliner S-Bahnfahrzeuge zuständig gewesen. Über die neue Tätigkeit von Thon wollte der DB- Konzern mit Hinweis auf die staatsanwaltliche Ermittlung keine Auskunft geben. Das neu geschaffene Vorstandsressort „Produktionsgesellschaften Region Central“ der DB Schenker Rail Deutschland hat Anfang März Otto Niederhofer übernommen. Dazu gehören DB Schenker Rail Nederland, DB Schenker Rail Scandinavia, Nord Cargo (Italien), RBH Logistics, MEG und DB Schenker Rail Schweiz. Hinzu kommen die Gesellschaften Cobra (Belgien) und BLS Cargo (Schweiz). Niederhofer war bislang Leiter Asset Management bei DB Schenker Rail. Seit dem 1. März ist Dr. Jörg Sandvoß Vorstand „Vertrieb und Fahrplan“ der DB Netz AG. Er folgt auf Dagmar Haase, die noch 2010 in den Ruhestand gehen wird. Seit Februar 2007 ist Sandvoß bei der DB Netz AG für den Fahrplan und das Kapazitätsmanagement verantwortlich. (zp) ÖBB Kern für Klugar Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben eine neue Führungsspitze. Christian Kern, bisher Vorstand des österreichischen Energieversorgers Verbund und dort für das internationale Geschäft zuständig, wird vom 7. Juni an neuer Chef der Staatsbahn und löst Peter Klugar als Vorstandssprecher ab. Klugar zieht sich ein halbes Jahr vor Ablauf seines Vertrags aus der ÖBB zurück. Nachfolger des bisherigen Absatzvorstands Gustav Poschalko wird der ÖBB-Werkstätten-Chef Franz Seiser. Er hat sein Amt bereits am 1. April angetreten. Finanzvorstand Personenverkehr der ÖBB ist seit dem 1. März Andreas Fuchs, bisher Leiter der Abteilung Strategie in der ÖBB Holding. (zp) BAG-SPNV Henckel dabei Die neu geschaffene Position der Hauptgeschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (BAG-SPNV) hat Anfang März Susanne Henckel übernommen. Die Stelle wurde geschaffen, um den Verband personell zu verstärken und zu professionalisieren. Henckel arbeitete bisher als Infrastrukturmanagerin beim Nordhessichen Verkehrsverbund (NVV), Kassel, und wird hier auch noch einige Projekte zu Ende führen. Arnd Schäfer bleibt Geschäftsführer des Verbands. (zp) EU/ Verkehr Eigene Generaldirektion Bisher wurden die Themen Verkehr und Energie in der GD Transport und Energie (TREN) unter einem Dach bearbeitet, nun gibt es eine eigene Generaldirektion Mobilität und Verkehr (GD MOVE). Eine GD entspricht einem deutschen Ministerium auf europäischem Niveau. Auswirkung auf die inhaltliche Arbeit wird die Trennung nicht haben. Der bisherige Generaldirektor der GD TREN, Matthias Ruete, wird als Generaldirektor der GD MOVE die bislang für Verkehr zuständigen Mitarbeiter weiter führen. (zp) La Poste Jetzt AG Um bei der vollständigen Öffnung der EU-Postmärkte Anfang 2011 bestehen zu können, hat die französische Regierung den staatlichen Brief- und Paketdienstleister La Poste Ende Februar in eine Aktiengesellschaft in Staatshand umgewandelt. Dieser Schritt bereitet den Weg für eine Kapitalerhöhung um 2,7 Mrd. EUR. Mit diesem Staatsgeld soll die Post fit für den europäischen Wettbewerb gemacht werden. Unter anderem sollen Filialen renoviert, das europäische Expressgutgeschäft verbessert, und an Online-Angeboten gearbeitet werden. 25 der 27 Postdienste in der EU sind bereits Aktiengesellschaften oder befinden sich ebenfalls in der Umwandlung. (zp) DB AG Flaute im Güterverkehr Der Gewinn der Deutschen Bahn (DB AG) ist im vergangenen Jahr angesichts BMVBS-Mittelfristprognose Der Güterverkehr in Deutschland wächst 2010 um rund 5 %. Das ist die zentrale Botschaft der Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr des Bundesverkehrsministeriums, die von der Intraplan Consult GmbH erstellt wurde. Doch ebenso wird auf die noch sehr großen Unsicherheiten hingewiesen, wie sich die Wirtschaft im In- und Ausland insgesamt und damit auch die Transportbranche tatsächlich entwickeln wird. Zudem wird für die Binnenschifffahrt erwartet, dass sie unter einer fallenden Nachfrage nach Mineralölprodukten leiden könnte und nur einen Leistungszuwachs von 2 % zu erwarten hat. Am stärksten wird die Luftfracht profitieren mit einem möglichen Aufkommensplus von 8,2 %. Bei Schiene, Straße und Seeverkehr wird jeweils von einem Wachstum um 5 % ausgegangen. Insgesamt schätzt die Prognose, dass in Deutschland in diesem Jahr 3,878 Mrd. t befördert werden, 170 Mio. t mehr als 2009. In den folgenden Jahren rechnen die Experten mit jährlich 4 % Zuwachs bis 2013. Im Gegensatz zum Güterverkehr waren beim Personenverkehr im Jahr 2009 trotz der negativen konjunkturellen Entwick- Sowohl für den Personenals auch den Güterverkehr wird für 2010 ein leichtes Wachstum prognostiziert. Foto: dps lungen insgesamt keine Rückgänge zu verzeichnen. Während die Verkehrsleistung im Jahr 2009 stagnierte, erhöhte sich das Verkehrsaufkommen geringfügig. Aufgrund ungünstiger Rahmenbedingungen werden sich Verkehrsaufkommen und -leistung nach den Erwartungen der Intraplan Consult GmbH in 2010 lediglich auf einem konstanten Niveau bewegen. Mittelfristig wird hingegen auch im Personenverkehr wieder mit einer expansiven Entwicklung gerechnet. Weitere Informationen: www.bag.bund.de (zp) Unsicheres Wachstum 9 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Namen + Nachrichten / Stellenmarkt Lufthansa Cargo schloss 2009 mit einem operativen Verlust von 171 Mio. EUR ab. (ma/ bg) Air China/ Cathay Pacific Cargo Joint Venture Die Fluggesellschaften Air China (Peking) und Cathay Pacific (Hongkong) führen ihre Luftfrachtdivisionen in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammen. An der neuen Air China Cargo Co Ltd. (ACC) mit Sitz und operativem Zentrum in Schanghai wird Air China 51 % halten und Cathay 49 %. Die Basis der ACC- Flotte sind sieben Jumbo-Frachter B747- 400F, weitere Cargoflugzeuge sollen in Kürze hinzukommen. Zudem soll ACC die gesamte Unterflurkapazität der Passagierflugzeuge von Air China vermarkten. (zp) 30 228. Die zweite Jahreshälfte verlief besser als die erste, und für 2010 wird mit moderaten Zuwächsen gerechnet. (zp) Deutsche Lufthansa AG Rote Zahlen 2009 Die Deutsche Lufthansa AG hat im vergangenen Jahr einen Verlust von 112 Mio. EUR erwirtschaftet. Der Rückgang des operativen Ergebnisses ist vor allem auf die negative Entwicklung in den Geschäftsfeldern Passage Airline Gruppe und Logistik zurückzuführen. Lufthansa rechnet nun für 2010 mit einer langsamen Aufwärtsentwicklung im Luftfahrtgeschäft und will weiter Kosten im Passagier- und Frachtgeschäft senken. Risiken seien der steigende Ölpreis und die Tarifstreitigkeiten mit den Piloten. Die Frachttochter der Wirtschaftskrise deutlich zurückgegangen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) sank um 32 % auf 1,7 Mrd. EUR, wie der bundeseigene Konzern auf der Bilanzpressekonferenz am 25. März mitteilte. Unter dem Strich schmolz der Gewinn auf 830 Mio. EUR nach 1,3 Mrd. EUR im Jahr zuvor. Für den Gesamtkonzern ging der Umsatz um 12,3 % zurück auf 29,3 Mrd. EUR (Vorjahr: 33,5 Mrd. EUR). Einen starken Einbruch erlebte der Konzern 2009 im Güterverkehr: Die Menge der auf der Schiene beförderten Güter sank um rund zehn Prozent, auf der Straße transportierte die Bahn 3,8 % und per Flugzeug 16 % weniger Güter als noch ein Jahr zuvor. Beim Seefrachtvolumen weist die Bilanz für 2009 einen Rückgang um 2,1 % aus. Der Außenumsatz von DB Schenker Logistics sank um 23,4 %. Die gesamte Transportleistung lag mit 93,9 Mrd. tkm um 19,7 Mrd. tkm oder 17,3 % unter der des Vorjahres. Im Personenfernverkehr gingen die Fahrgastzahlen um 0,4 % leicht zurück. Jedoch konnte dank eines laufenden Sparprogramms die Nettoverschuldung um 5,9 % oder 932 Mio. EUR deutlich zurückgeführt werden auf 15 Mrd. EUR. Für 2010 strebt der Konzern einen Umsatzzuwachs von fünf Prozent an. (bg) Bundesregierung Mittel für NE-Bahnen Die Bundesregierung will im Haushalt 2011 Gelder zur Finanzierung der Infrastruktur der NE-Bahnen einstellen. Dies sagte der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann auf einem Parlamentarischen Abend des Bundesverbands Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB). Über die Höhe wurde aber nichts mitgeteilt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und das Netzwerk Privatbahnen haben diesen Schritt begrüßt. Alexander Kirfel, seit Ende Januar neuer Geschäftsführer des Netzwerks, bezifferte den jährlichen Finanzbedarf mit 200 Mio. EUR. Der aufgelaufene Instandhaltungsrückstand bei den privaten und kommunalen Bahnen belaufe sich mittlerweile auf 1 Mrd. EUR. (cm/ zp) Kombinierter Verkehr Weniger Fördergelder Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hat Anfang März 64 Mio. EUR für den Kombinierten Verkehr (KV) gestrichen. Das sind 80 % der Zuschüsse für Investitionen privater Unternehmen in den KV. Dabei ist die Halbierung der Baukostenzuschüsse auf rund 55 Mio. EUR ein Teil der Streichungen. (cm/ zp) Nord-Ostsee-Kanal Weniger Passsagen Auch hier machte sich die Krise 2009 bemerkbar: Der Verkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal hat 2009 mit 70,38 Mio, t um ein Drittel abgenommen gegenüber 2008. Die Zahl der Passagen sank um 29,1 % auf An der Hochschule Bochum ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Fachbereich Bauingenieurwesen nachfolgende Planstelle zu besetzen: W 2 - Professur Fachgebiet: Verkehrswesen, insbesondere nachhaltige Mobilität Gesucht wird eine Ingenieurin oder ein Ingenieur mit herausragenden Erfahrungen aus praktischer und wissenschaftlicher Tätigkeit, die oder der das Gebiet des Verkehrswesens in Lehre und Forschung vertreten kann. Bewerbungen aus verwandten Disziplinen sind erwünscht. Von den Bewerberinnen und Bewerbern werden Qualifikation und Erfahrung insbesondere in Planung, Entwurf, Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen und Verkehrssystemen im Individualverkehr und im öffentlichen Verkehr bis hin zum integrierten Verkehrsmanagement erwartet. Darüber hinaus soll die Bewerberin oder der Bewerber über Erfahrungen in einem oder mehreren der Bereiche Datengrundlagen, Verkehrskonzepte, Verkehrssteuerung, zukunftsweisende Verkehrssysteme, Umweltbelange sowie Raumordnung und Städtebau verfügen. Die Übernahme von Lehrveranstaltungen aus dem Grundlagenbereich sowie die Mitwirkung in der Hochschulselbstverwaltung sind Bestandteile des Aufgabengebiets. Die zukünftige Stelleninhaberin oder der zukünftige Stelleninhaber soll in der Lage sein, Lehrveranstaltungen in englischer Sprache durchzuführen. Die Hochschule Bochum arbeitet sehr eng mit der regionalen Wirtschaft und Verwaltung zusammen. Eine Beteiligung im Rahmen des Technologietransfers sowie der anwendungsbezogenen Forschung und Entwicklung wird daher vorausgesetzt. Die aktive Drittmitteleinwerbung wird erwartet. Wir erwarten, dass Sie Vorschläge und Ideen zur Integration von Genderaspekten in Lehre und Forschung entwickeln. Die Einstellungsvoraussetzungen und weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Internet: www.hochschule-bochum.de/ campus/ stellenausschreibungen Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen, Nachweisen fachbezogener Leistungen in der Praxis und/ oder Verzeichnissen der wissenschaftlichen Arbeiten werden bis zum 30.04.2010 erbeten an den Präsidenten der Hochschule Bochum Lennershofstr. 140, 44801 Bochum Mobilität + Personenverkehr 10 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Christian Holz-Rau / Joachim Scheiner / Anna Weber / Vera Klöpper Entwicklung des Verkehrshandelns seit 1930 Vergleich dreier Generationen Die längerfristige Entwicklung des Verkehrshandelns ist in den meisten Ländern mangels historischer Daten nur wenig erforscht. Für Deutschland liegen erst seit 1976 (West) bzw. 1972 (Ost) belastbare Daten vor. Die gravierenden Veränderungen der Motorisierung, der Stadtstrukturen, der Verkehrsinfrastrukturen und -angebote im letzten halben Jahrhundert lassen sich an den individuellen Mobilitätsbiografien der Menschen ablesen. In einer Diplomarbeit wurden Mobilitätsbiografien dreier Generationen anhand eines Samples von Studierenden der TU Dortmund untersucht. Im Mittelpunkt stand der Vergleich der Studierenden mit ihrer Eltern- und Großelterngeneration in Bezug auf zentrale Aspekte des Verkehrshandelns. Die Autoren Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau, PD Dr. Joachim Scheiner, Dipl.-Ing. Anna Weber, TU Dortmund, Fakultät Raumplanung, Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung, August- Schmidt-Str. 10, 44221 Dortmund, joachim.scheiner@tu-dortmund.de; Dipl.- Ing. Vera Klöpper, econex verkehrsconsult gmbh, Bahnstr. 23, 42327 Wuppertal, kloepper@econex.de 1 Hintergrund: Mobilitätsbiografien Mobilitätsbiografien bezeichnen die Entwicklung der individuellen Verkehrsnachfrage - im Sinne der Verkehrsmittelverfügbarkeit und des Verkehrshandelns - im Lebenslauf einer Person (Lanzendorf 2003, Scheiner 2007). Der sich gegenwärtig entwickelnde mobilitätsbiografische Forschungsansatz nimmt an, dass das Verkehrshandeln einer Person aufgrund von Routinen längerfristig relativ stabil ist. Vor allem im Kontext bestimmter Erfahrungen und Schlüsselereignisse im Lebenslauf verändert es sich deutlich. Als solche Schlüsselereignisse werden vor allem Umzüge, Ausbildungs- oder Arbeitsplatzwechsel, der Eintritt in den Arbeitsmarkt oder in die Rente, familiäre Ereignisse wie die Haushaltsgründung oder die Geburt eines Kindes angesehen, die ihrerseits auch miteinander verbunden sein können (z. B. Eintritt ins Erwerbsleben und Umzug). Allgemein gesprochen lassen sich diese Ereignisse im Wesentlichen drei individuellen „Teilbiografien“ zuordnen: der Erwerbsbiografie, der Familien- und Haushaltsbiografie sowie der Wanderungsbiografie. Vor allem im Kontext dieser drei biografischen Linien ist die Entwicklung von Mobilitätsbiografien zu sehen. Dabei bestehen keine einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehungen, sondern vielfältige Wechselbeziehungen, wie beispielsweise für Wohnstandortverlagerungen und Verkehr nachgewiesen wurde (Scheiner 2006). Neben solchen Schlüsselereignissen könnten auch biografische Prägungen über Generationen hinweg eine Rolle spielen, da Verkehrshandeln und Mobilität auch Ausdruck von Lernprozessen sind. Diese beruhen zum einen auf eigenen Erfahrungen, zum anderen werden sie durch Sozialisationsinstanzen wie Schule und Elternhaus vermittelt. In diesem Sinne können Mobilitätsbiografien durch die im Kindesalter erlernte Verkehrsmittelnutzung oder Distanzempfindlichkeit geprägt werden (Haustein, Klöckner und Blöbaum 2009). Der mobilitätsbiografische Ansatz ist jedoch nicht nur auf der Ebene individueller Lebensverläufe anwendbar, sondern auch für Bevölkerungsaggregate. So sind für unterschiedliche Generationen (Kohorten) typische Biografien mit spezifischen Prägungen und Verhaltensweisen zu erwarten. Führerscheinbesitz und Motorisierung etwa sind kohortenspezifische Phänomene, die aufgrund der Motorisierungsprozesse im jungen Erwachsenenalter in die ältere Bevölkerung „hineinwachsen“ (Beckmann, Holz-Rau, Rindsfüser und Scheiner 2006). In einer Diplomarbeit am Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung der Technischen Universität Dortmund wurden Mobilitätsbiografien dreier Generationen anhand eines Samples von Studierenden der Raumplanung untersucht (Klöpper und Weber 2007). Im Mittelpunkt standen drei Fragen: 1. Ist eine generationsübergreifende Prägung von verkehrsmittelbezogenen Einstellungen und Verkehrshandeln der jüngeren Generationen nachweisbar? 1 2. Wie ändert sich das Verkehrshandeln nach Schlüsselereignissen im Lebensverlauf im Kontext von Wanderungs-, Erwerbs- und Haushaltsbiografie? 3. Wie unterscheiden sich verkehrsbezogene Einstellungen und Handlungsmuster zwischen den Generationen? Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht vor allem die dritte Frage mit Bezug zu den verkehrsbezogenen Handlungsmustern und damit der Vergleich von drei Generationen: Studierende, ihre Eltern und ihre Großeltern. Wir konzentrieren uns dabei auf ausgewählte Aspekte des Verkehrshandelns. Dabei wird vorwiegend das Verhalten in jeweils vergleichbaren Lebenssituationen verglichen (z. B. im ersten Schuljahr). Es handelt sich also nicht um einen Vergleich zwischen Altersgruppen, sondern um einen Vergleich von Generationen bei gegebenen Ereignissen in verschiedenen historischen Situationen. Ergänzend werden an ausgewählten Beispielen Übergänge im Verlauf des Ausbildungs- und Erwerbsprozesses thematisiert und damit auf die zweite Frage Bezug genommen. Der Beitrag schließt damit an eine methodisch und inhaltlich ähnliche Studie in Großbritannien an (Pooley, Turnbull und Adams 2006). Auf der Grundlage retrospektiver Interviews zeigte diese die massive Zunahme der Pkw-Nutzung für den Arbeitsweg über das letzte Jahrhundert hinweg, aber wenig Veränderung der Wegelängen und des Zeitaufwandes von Kindern beim Schulweg. Für die Bundesrepublik liegen unserer Kenntnis nach keine vergleichbaren Studien vor. 2 Methodik Die hier verwendeten Daten wurden im Rahmen einer Befragung an der Technischen Universität Dortmund im Sommer 2006 erhoben. Befragt wurden Studierende des Studiengangs Raumplanung im zweiten und sechsten Semester (Grundgesamtheit: circa 320 Studierende). Diese befragten ihrerseits ihre Eltern und maximal zwei ihrer Großeltern, fungierten also gleichzeitig als Befragte und Befragende. Die Großelternteile wurden nach der Last- Birthday-Methode ausgewählt. Die drei befragten Generationen entsprechen grob Mobilität + Personenverkehr 11 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 den Geburtskohorten 1981- 85 (84 % der Studierenden), 1950 - 59 (70 % der Eltern) und 1920 - 29 (62 % der Großeltern; die meisten anderen Großeltern sind in den 1930er Jahren geboren). Angaben zum Schulweg der Großeltern in der ersten Schulklasse entsprechen also in etwa dem historischen Zeitraum von Mitte der 1920er bis Ende der 1930er Jahre. Die Befragung enthielt dem Thema entsprechend eine große Anzahl retrospektiver Fragen, was Probleme der Reliabilität aufwirft. Um diese bestmöglich sicherzustellen, beschränkten sich die retrospektiven Fragen auf Kernelemente des realisierten Verkehrshandelns und der Motorisierung unter Ausklammerung von Einstellungen, Meinungen und Details. Der Fragebogen umfasste für jede Person Fragen zur Wanderungsbiografie, zum Verkehrshandeln (Schul-, Ausbildungs- und Arbeitswege) und zur Urlaubsmobilität, zu Verkehrsmitteleinstellungen (Präferenzen), zur Verfügbarkeit von Führerschein und Fahrzeugen einschließlich Angaben zu Zeitpunkten von Veränderungen sowie soziodemografische Angaben einschließlich biografischer Verläufe (Geburtsjahr von Kindern, Heirats- und gegebenenfalls Scheidungsjahr(e)). Verkehrshandeln und Urlaubsmobilität wurden jeweils anhand ausgewählter Indikatoren für den gegenwärtigen Zeitpunkt sowie retrospektiv für ausgewählte Zeitabschnitte im Leben erfasst. Dabei standen Verkehrsmittelnutzung und Wegelängen im Mittelpunkt. Insgesamt lagen 352 auswertbare Fragebögen vor, darunter 115 von Studierenden, 184 von Eltern und 53 von Großeltern. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 32 %. Die ausgegebenen Fragebögen entsprechen unter den Studierenden mit n = 315 (brutto) nahezu einer Vollerhebung. Die rechnerische Bruttostichprobe von 2 x 315 = 630 Elternfragebögen und 2 x 315 = 630 Großelternfragebögen wurde aufgrund von verstorbenen und mangels Kontakt nicht erreichbaren Eltern- oder Großelternteilen nicht erreicht. Weder Grundgesamtheit noch Stichprobe entsprechen der Dortmunder oder gar der deutschen Bevölkerung. Bei den Studierenden handelt es sich um eine bezüglich des Bildungsniveaus und der Berufswahl ausgewählte, eng definierte Bevölkerungsgruppe. Frauen sind mit 45 % unter den Studierenden leicht unterrepräsentiert, mit 53 % unter den Eltern leicht überrepräsentiert. Unter den Großeltern dominieren mit 77 % die Großmütter gegenüber den Großvätern deutlich, zum einen aufgrund der höheren Lebenserwartung, zum anderen aufgrund einer höheren Antwortbereitschaft. So liegen in der Altersgruppe 67 (jüngste Großeltern) bis 80 Jahre 26 Fragebögen von Großmüttern vor, aber nur sieben Fragebögen von Großvätern. Dies geht weit über den Frauenüberschuss in dieser Altersgruppe hinaus. Auch die Eltern der Studierenden zeichnen sich - gemessen an der Gesamtheit der entsprechenden Jahrgänge - durch ein hohes mittleres Bildungsniveau aus. 32 % der befragten Eltern verfügen über das Abitur und weitere 15 % über die Fachhochschulreife 2 . Unter den Großeltern haben 82 % die Schule mit dem Volksschulabschluss verlassen. Das Abitur spielt hier quantitativ keine Rolle. In der großen Differenz im Bildungsniveau zwischen Eltern und Großeltern spiegelt sich die Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre. Aufgrund der Selektivität der Grundgesamtheit sollten die Ergebnisse keinesfalls als Abbild der Gesamtverkehrsentwicklung interpretiert werden. Dennoch geben sie interessante Einblicke in historische Veränderungen des Verkehrshandelns über einen Zeitraum, für den keine exakten Daten vorliegen. Gleichzeitig kann diese Studie zur Weiterentwicklung des methodischen Instrumentariums zur retrospektiven Erhebung von Verkehrshandeln und Mobilitätsbiografien über längere Zeiträume beitragen. 3 Ergebnisse Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse konzentrieren sich auf folgende Fragen: ̇ Wie haben sich Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit im Vergleich der Generationen und im Verlauf der individuellen Biografien entwickelt? (Kapitel 3.1) ̇ Welche Veränderungen zeigen sich in den Wegelängen zur Schule und zur Arbeit im Vergleich der Generationen und im Verlauf der individuellen Biografien? (Kapitel 3.2) ̇ Wie hat sich im Vergleich der Generationen sowie im Kontext ausgewählter biografischer Ereignisse die Verkehrsmittelnutzung verändert? (Kapitel 3.3 und 3.4). 3.1 Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit 88 % der Befragten verfügen über einen Pkw-Führerschein. Die Großeltern unterscheiden sich dabei signifikant von den beiden jüngeren Generationen. Unter den Studierenden haben 98 % einen Pkw-Führerschein (Tabelle 1) . Mit 96 % verfügen fast ebenso viele Eltern wie Studierende über eine Pkw-Fahrerlaubnis. Unter den Großeltern beträgt der Anteil nur 34 %. Dieser niedrige Anteil ist zum großen Teil durch die hohe Anzahl von Großmüttern bedingt. In den beiden jüngeren Generationen sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen wesentlich geringer und nicht signifikant. Betrachtet man zusätzlich das Alter, in dem der Führerschein erworben wurde, zeigen sich weitere geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Generationen (Tabelle 2) . Während fast alle Studentinnen und Studenten bereits mit 18 Jahren den Führerschein erwerben, kam der Führerscheinerwerb in der Elterngeneration erkennbar später „in Fahrt“. Dabei hatten die Väter gegenüber den Müttern noch einen deutlichen „Vorsprung“, der erst im Alter von über 30 Jahren allmählich ausgeglichen wurde. In der Großelterngeneration setzte der Führerscheinerwerb nochmals deutlich später ein und beschränkte sich weitgehend auf die Großväter (das Mindestalter zum Führerscheinerwerb be- Tab. 2: Führerscheinbesitz nach Generationen, Alter und Geschlecht Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern im Alter weiblich männlich weiblich männlich weiblich männlich von mit FS mit FS mit FS mit FS mit FS mit FS 18 83 % 71 % 40 % 47 % 0 % 8 % 21 100 % 98 % 67 % 87 % 0 % 8 % 25 78 % 92 % 2 % 33 % 30 90 % 94 % 5 58 % 35 91 % 98 % 12 % 75 % 40 92 % 99 % 17 % 83 % 45 94 % 99 % 17 % 83 % 50 99 % 20 % 83 % von 52 63 97 85 41 12 Anmerkung: Das Alter der jeweils leeren Felder ist noch nicht von allen Befragten der jeweiligen Generation erreicht. Daher ist eine Anteilsangabe nicht sinnvoll. Tab. 1: Pkw-Führerscheinbesitz nach Generationen und Geschlecht Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern FS von FS von FS von weiblich 100 % 52 94 % 97 20 % 41 männlich 97 % 63 99 % 85 83 % 12 gesamt 98 % 115 96 % 182 34 % 53 Mobilität + Personenverkehr 12 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Tab. 5: Einfache Wegelängen zur Arbeit nach Generationen und Jahrgang (Median in km und in Klammern Anzahl der Befragten mit Arbeitswegen) Quelle: eigene Analysen trug damals 18 Jahre). Der Befund des immer früheren Führerscheinerwerbs bestätigt sich bei einer Kontrolle des Bildungsniveaus. Im Alter von 19 Jahren besaßen 97 % der Studierenden einen Pkw-Führerschein. Unter den Müttern oder Vätern mit Hochschulabschluss waren es im gleichen Alter dagegen nur 61 % (und damit im Übrigen weniger als im Durchschnitt aller Eltern (76 %)). Die Ergebnisse bestätigen damit zumindest für Studierende andere Aussagen, nach denen der Erwerb eines Pkw-Führerscheins in der jungen Generation ein selbstverständliches, mit der Volljährigkeit verbundenes Ereignis ist, ein „Initiationsritus in die Welt der Erwachsenen“ (Mienert 2003: 28). Dies gilt sowohl für männliche als auch für weibliche Jugendliche (Tully und Baier 2006: 146). Dabei ist in der Generation der Studierenden ein größerer Abstand zwischen Führerschein- und Pkw-Erwerb festzustellen als in den vorangegangenen Generationen. Während nur ein Viertel der Studierenden im Jahr des Führerscheinerwerbs auch über einen eigenen Pkw verfügte, waren dies in der Elterngeneration fast 40 %, in der Großelterngeneration fast 60 %. Dabei vollzog sich die Motorisierung nicht etwa schneller bzw. früher, sondern der Führerschein wurde von den Eltern und vor allem Großeltern häufig erst erworben, wenn eine Pkw-Anschaffung bevorstand. Umgekehrt konnten in der Generation der Eltern und Großeltern viele Führerscheinneulinge zunächst überhaupt nicht auf einen Pkw zugreifen. Dagegen ist unter der jüngeren Generation die zeitweise Pkw-Verfügbarkeit sehr viel häufiger geworden. Dies ist bedingt durch die fortschreitende Motorisierung, die dazu führt, dass den meisten jungen Erwachsenen heute zumindest gelegentlich im (Eltern-) Haushalt oder anderweitig ein Pkw zur Verfügung steht, solange (noch) kein eigener Pkw vorhanden ist. Eingegrenzt auf den Vergleich von studierten Eltern und Studierenden zeigt sich, anders als beim Führerscheinerwerb, eine weitgehende Konstanz des Zeitpunkts der Anschaffung des ersten eigenen Autos. Von den 103 Studierenden besaßen im Alter von 19 Jahren 25 % einen Pkw. Unter den 43 Müttern oder Vätern mit Hochschulabschluss waren es mehr als zwanzig Jahre zuvor mit 21 % kaum weniger. 3.2 Wegelängen zur Schule und zur Arbeit Wegelängen wurden exemplarisch für ausgewählte Aktivitäten und Zeitpunkte im Leben erhoben. Die Befragung beschränkte sich auf Aktivitäten, die für möglichst viele Befragte beantwortbar sind, einerseits im Sinne einer relativ guten Erinnerung, andererseits im Sinne des Zutreffens. Erhoben wurden die Wege zur Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit in ausgewählten Altersstufen. Für den Generationenvergleich werden die gegenüber Ausreißern robusten Mediane der einfachen Wegelängen verwendet. Die Ergebnisse (Tabelle 4) bestätigen die Vermutung kürzerer Wege in früheren Generationen. Dies gilt für Schulwege, Ausbildungswege und Arbeitswege gleichermaßen. Da von den Großeltern keine Person mehr erwerbstätig ist, wird hier auch die Länge des jeweils letzten Arbeitsweges dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die Großeltern kürzere Wege zurücklegten als die jüngeren Generationen. Besonders auffällig ist im Vergleich der Berufswege der Studierenden und ihrer Eltern, dass die Studierenden bereits bei ihren aktuellen studentischen Jobs (aktuelle Distanzen zur Arbeit) deutlich weiter unterwegs sind als ihre Eltern derzeit. Dies deutet auf eine von Generation zu Generation zunehmende Gewöhnung an längere Distanzen im Berufsverkehr hin, auf einen Kohorteneffekt nicht nur in der Motorisierung, sondern auch im alltäglichen Verkehrshandeln. Dabei ist der Unterschied zwischen den Distanzen der Studierenden und ihrer Eltern kein Effekt der Motorisierung, denn die Erwerbstätigen der Elterngeneration verfügen alle über einen Pkw (87 % „immer“, 13 % „häufig“). Im Generationenvergleich über einzelne Zeitschnitte bestätigt sich dies. Die Mediane der Berufsverkehrsdistanzen liegen in den jeweils folgenden Generationen zu einem gegebenen Zeitpunkt jeweils deutlich über den Distanzen der vorherigen Generation (Tabelle 5) , mit einer Ausnahme (n = 6! ) im Jahr 2000. Eine Kontrolle dieser Ergebnisse hinsichtlich der Bildungsabschlüsse ist mit dem verfügbaren Stichprobenumfang noch nicht möglich. Die Ergebnisse lassen jedoch vermuten, dass die jeweils höheren Bildungsabschlüsse der Folgegenerationen hier eine wesentliche Rolle spielen (Tabelle 6) . Eine Kontrolle der Effekte des Bildungsniveaus erfolgt zum einen durch den Vergleich von Personen, die wie die Studierenden ein Gymnasium besucht haben, zum anderen im Hinblick auf die Distanzen zur Hochschule und zur Arbeit. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Bildungsexpansion für das Verkehrshandeln. Die Unterschiede der Wegelängen zwischen Eltern und Studierenden werden zwar nicht vollständig nivelliert, gleichen sich aber tendenziell ein- Studierende Eltern Großeltern immer 27 % 39 % 59 % häufig 48 % 16 % 0 % selten 19 % 8 % 0 % nie 6 % 37 % 41 % n 109 174 17 Tab. 3: Pkw-Verfügbarkeit im Jahr des Führerscheinerwerbs Quelle: eigene Analysen Tab. 4: Einfache Wegelängen zur Schule, Ausbildung und Arbeit (Median in km) Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern Schule 1. Klasse 8. Klasse Abschlussklasse 1,3 (113) 3,5 (115) 4,0 (113) 1,0 (183) 2,5 (179) 3,5 (168) 1,0 (51) 1,8 (52) 1,5 (49) Ausbildung 1. Jahr letztes, bei Studierenden aktuelles Jahr 8,0 (106) 6,5 (103) 5,0 (168) 5,0 (165) 3,0 (35) 3,0 (32) Arbeit aktuelles, bei Großeltern* letztes Jahr 8,0 (25) 6,0 (169) 2,7 (34) * In wenigen Fällen gegenwärtiger Nicht-Erwerbstätigkeit, aber früherer Erwerbstätigkeit auch bei Eltern und Studierenden das letzte Jahr der Erwerbstätigkeit Stichprobenumfang in Klammern Studierende Eltern Großeltern gesamt 1950 - - 2,2 (14) 2,2 (14) 1960 - 8,7 (6) 1,2 (14) 2,1 (20) 1970 - 4,5 (57) 3,0 (16) 4,0 (73) 1980 - 7,0 (119) 3,0 (21) 6,0 (140) 1990 - 7,0 (103) 2,0 (6) 7,0 (109) 2000 6,5 (6) 7,0 (121) - 7,0 (127) 2006 12,0 (11) 6,0 (116) - 6,0 (127) Stichprobenumfang in Klammern Mobilität + Personenverkehr 13 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 dem ÖV. In der Elterngeneration ist der Anteil des NMIV mit knapp 40 % wesentlich niedriger und unter den Studierenden liegt er nur noch bei knapp 12 %. Dafür nimmt der ÖV beim Ausbildungsweg von Generation zu Generation stark zu 3 . Der hohe ÖV-Anteil der Studierenden zur Hochschule hängt vermutlich mit dem Semesterticket an der TU Dortmund zusammen, das an die Studienbeiträge gedie nicht-motorisierten Verkehrsmittel (NMIV). Die Ergebnisse bleiben bei einer Kontrolle der Schulbildung weitgehend stabil. Wie zur Schule gelangten die meisten Großeltern auch zur Ausbildungsstätte zu Fuß (Abbildung 2) . Mehr als zwei Drittel der Großeltern haben für den Ausbildungsweg nicht-motorisierte Verkehrsmittel genutzt, die übrigen fuhren fast alle mit ander an. Dennoch sind die Studierenden auch bei Kontrolle des Bildungsniveaus stets weiter unterwegs als ihre Eltern, mit Ausnahme der gegenwärtigen bzw. jeweils letzten Arbeitswege. 3.3 Verkehrsmittelnutzung zur Schule und zur Arbeit Wie bei den Wegelängen lassen sich auch bei der Verkehrsmittelnutzung deutliche Unterschiede zwischen den Generationen feststellen. Die Erstklässler in allen Generationen legen den Schulweg meist zu Fuß zurück (Abbildung 1) . Die Großeltern begannen ihre Schullaufbahn praktisch ausschließlich zu Fuß. Seitdem nimmt der Anteil des Fußverkehrs ab. Der gegenüber den Großeltern deutlich höhere Anteil des Fahrrades bei Eltern und Studierenden deutet bereits an, dass längere Wege durch das Fahrrad kompensiert werden. Dies gilt auch für den hohen Anteil öffentlicher Verkehrsmittel unter der Studierendengeneration bereits in der ersten Schulklasse. Dies erscheint weniger als Effekt einer Konzentration von Schulstandorten, sondern vor allem als Effekt einer Dispersion der Wohnstandorte. Der MIV spielt in der ersten Klasse kaum eine Rolle. Auch in der achten Klasse kam mit knapp 90 % der größte Teil der Großeltern zu Fuß zur Schule, bei den Eltern dagegen nur noch die Hälfte. Die Studierenden nutzten in der achten Schulklasse hingegen bereits zur Hälfte öffentliche Verkehrsmittel (ÖV). Der Anteil des Fahrrades liegt hier bei 30 %, jeder Fünfte geht zu Fuß. Der MIV spielt keine Rolle. Die Abschlussklasse ist für die Großeltern häufig mit der achten Klasse identisch. Die Fußgänger stellen entsprechend die größte Gruppe (88 %). Je 6 % entfallen auf Fahrrad und ÖV. Sowohl bei den Studierenden als auch bei den Eltern stellt der ÖV in der Abschlussklasse das häufigste Verkehrsmittel dar. In der Generation der Eltern folgen an zweiter Stelle mit 29 % noch immer die Fußgänger. Dagegen stellen diese bei den Studierenden die kleinste Gruppe. Der Anteil der MIV-Nutzer ist hingegen auf 30 % stark angestiegen und stellt nach dem ÖV das zweithäufigste Verkehrsmittel dar. Der große Unterschied zur Generation der Eltern hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen waren wesentlich mehr Studierende als Eltern in ihrer Abschlussklasse volljährig (Abitur). Unter diesen wiederum besaßen aufgrund des früheren Führerscheinerwerbs mehr Studierende als Eltern einen Führerschein. Drittens hatten in diesem Alter mehr Eltern als Studierende trotz Führerschein keinen Zugriff auf einen Pkw. Somit war Studierenden in ihrer Abschlussklasse die Nutzung eines Pkw für den Weg zur Schule eher möglich als ihren Eltern. Damit wurden in der Studierendengeneration in der Abschlussklasse der Schule erstmals häufiger motorisierte Verkehrsmittel genutzt als nicht motorisierte. Dagegen überwiegen in den beiden älteren Generationen am Ende der Schulzeit noch Studierende Eltern Gymnasium 8. Klasse Abschlussklasse 3,5 (115) 4,0 (113) 3,0 (87) 3,5 (81) Hochschule 1. Jahr letztes/ aktuelles Jahr 7,9 (95) 6,5 (102) 6,5 (42) 5,0 (55) Arbeit 1. Jahr letztes bzw. aktuelles Jahr 7,0 (25) 8,0 (25) 5,0 (63) 10,0 (63) Stichprobenumfang in Klammern Tab. 6: Wegelängen zum Gymnasium, zur Hochschule und zur Arbeit (Mediane in km und in Klammern Anzahl der Befragten mit den entsprechenden Wegen) Quelle: eigene Analysen Abb. 1: Verkehrsmittelnutzung auf dem Schulweg (Angaben in %) Quelle: eigene Analysen Stichprobenumfang in Klammern Abb. 2: Verkehrsmittelnutzung auf dem Ausbildungsweg (Angaben in %, erstes Ausbildungsjahr) Quelle: eigene Analysen Stichprobenumfang in Klammern Mobilität + Personenverkehr 14 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Tab. 7: Anteil der Befragten mit veränderter Verkehrsmittelnutzung im Vergleich zum vorherigen Zeitpunkt (Angaben in %) Quelle: eigene Analysen Studierende Eltern Großeltern Schule: 1. Klasse - 8. Klasse 63,5 (64) 39,7 (73) 9,8 (5) Schule: 8. Klasse - letzte Klasse 41,8 (49) 28,2 (42) 14,3 (1) Ausbildung: 1. Jahr - letztes (bei Studierenden aktuelles) Jahr 25,5 (33) 31,5 (56) 8,1 (3) Erwerbstätigkeit: 1. Jahr - Befragungszeitpunkt 40,0 (101) 38 (16) Übergänge Schule - Ausbildung 33,3 (87) 41,9 (101) 59,5 (19) Ausbildung - Erwerbstätigkeit 60,4 (79) 40,9 (14) Stichprobenumfang in Klammern gleich zwischen dem Modal Split der ersten und der aktuellen Arbeitswege (mittlerer Block) zeigt sich eine zunehmende Nutzung des Pkw, die sich als Effekt der zunehmenden Motorisierung im Zeitverlauf interpretieren lässt. Dies erfolgte zu Lasten des ÖV und der Wege zu Fuß. Auch bei den Studierenden unterscheiden sich die Verkehrsmittelanteile zwischen ihrer ersten und der aktuellen Arbeit. Wiederum ist der Anteil des Pkw mit 55 % aktuell höher als unter den ersten Arbeitswegen (33 %). Dies ist jedoch nicht auf die allgemein steigende Motorisierung wie in der Eltern- und Großelterngeneration zurückzuführen, sondern altersbedingt auf das Erreichen der Volljährigkeit. Während die Kategorie „aktuelle Arbeit“ nur Beschäftigungsverhältnisse während des Studiums umfasst, sind in den ersten Arbeitswegen auch Wege aus der Zeit vor dem Studium (und damit teilweise vor der Volljährigkeit) enthalten. Dennoch ist der ÖV- Anteil unter den aktuellen Arbeitswegen mit 36 % noch sehr hoch (Semesterticket). 3.4 Verkehrsmittelnutzung im Lebensverlauf Die bisherigen Analysen stellten den Generationsvergleich in den Zusammenhang von bestimmten Zeitpunkten oder Tätigkeiten. Entsprechend des biografischen Ansatzes der Erhebung sind jedoch auch Analysen möglich, die sich auf individuelle Veränderungen im Lebenslauf beziehen. Eine entsprechende Annahme des mobilitätsbiografischen Ansatzes lautet: Bestimmte Schlüsselereignisse im Lebenslauf gehen mit Veränderungen des Verkehrshandelns einher, während innerhalb abgrenzbarer Lebensphasen wie Schulzeit oder Ausbildungszeit eine gewisse Konstanz vorherrscht. Dies wird im Folgenden exemplarisch anhand der Verkehrsmittelnutzung auch im Generationenvergleich untersucht (Tabelle 7) . Sowohl innerhalb biografischer Phasen als auch zwischen diesen zeigen sich Veränderungen der Verkehrsmittelnutzung. Diese können mit Ortswechseln (z. B. Umzüge, Schulwechsel) verbunden sein, müssen dies aber nicht. Dabei haben viele Studierende bereits während der Schulzeit die Art der Fortbewegung gewechselt. Meist erfolgte der Wechsel beim Übergang auf eine weiterführende Schule vom Fußweg zum ÖV. Im Generationsvergleich zeigen sich eine höhere Verkehrsmittelstabilität der Eltern und Großeltern innerhalb der Phasen und eine höhere Wechselintensität zwischen den Phasen. Da viele Eltern und vor allem Großeltern bis zum Ende der Schulzeit zu Fuß gingen, führen bei ihnen die Übergänge zur Ausbildung oder Erwerbstätigkeit häufiger zu einem Wechsel des Verkehrsmittels als bei den Studierenden, die überwiegend bereits in der Schulzeit auf den ÖV angewiesen waren. Interessant ist auch eine Betrachtung der Konstanz bzw. Veränderung in Abhängigkeit vom Verkehrsmittel, das zu einem Ausgangszeitpunkt genutzt wird (ohne Tabelle). Anhand der Schullaufbahn der ren die äußerst geringen Unterschiede zum zweiten Block aus dem Berufsausstieg weniger Elternteile. Für die Studierendengeneration kommen bei Studierenden ohne aktuelle Erwerbstätigkeit im dritten Block vor allem Berufswege aus der Zeit vor Beginn des Studiums hinzu. Abbildung 3 zeigt, dass die Großeltern nicht nur Schul- und Ausbildungswege, sondern auch ihre Arbeitswege in erheblichem Maße zu Fuß zurücklegten. Auch zum Ende ihrer Erwerbsphase (entsprechend etwa dem Zeitraum 1985 - 1995) kamen noch 40 % der Großeltern zu Fuß zur Arbeit, und nur gut 20 % mit dem Pkw. Zu Beginn der Berufsbiografie der Großeltern - im oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg - spielte der Pkw überhaupt keine Rolle. Mehr als die Hälfte der Großeltern kamen zu dieser Zeit zu Fuß zur Arbeit, ein weiteres Viertel mit dem Fahrrad. Damit haben im Lebensverlauf der Großeltern der Pkw und geringfügig auch der ÖV an Bedeutung gewonnen und zwar zu Lasten der Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad. Die Eltern leg(t)en dagegen bereits bei ihren ersten Beschäftigungsverhältnissen mehr als ein Drittel (36 %) ihrer Arbeitswege mit dem Pkw zurück. Der Anteil der Arbeitswege zu Fuß und mit dem Rad ist deutlich geringer als bei den Großeltern, der Anteil des ÖV dagegen höher. Im Verkoppelt ist 4 . Betrachtet man dagegen die Studierenden, die vor Besuch der Universität eine nicht hochschulische Ausbildung gemacht haben, so ist der Anteil der ÖV- Nutzer mit 36 % wesentlich niedriger und liegt auf dem Niveau der Elterngeneration (40 %) 5 . Dagegen war bei den Eltern, die eine Hochschule besucht haben, der ÖV- Anteil deutlich niedriger und der MIV-Anteil deutlich höher als bei den aktuell Studierenden (Abbildung 2) . Möglicherweise spielt für den relativ hohen MIV-Anteil der Eltern bei deren Studium auch eine kulturell begründete MIV- Affinität der 1970er Jahre eine Rolle - das Auto als Freiheitsversprechen -, während sich die Beziehung zum Auto für heutige Studierende (gegebenenfalls speziell für Studierende der Raumplanung) kritischer bzw. rationaler darstellen mag. Die Arbeitswege wurden nicht nur für bestimmte Jahre, sondern in Form von Erwerbsbiografien über die gesamte bisherige Erwerbstätigkeit der Befragten erhoben. Abbildung 3 teilt sich daher in drei Teile. Links sind die Wege zum jeweils ersten Arbeitsplatz enthalten. Der zweite Block bezieht sich auf die aktuelle Arbeit. Da die Großelterngeneration nicht mehr erwerbstätig ist, entfallen deren Angaben hier. Im letzten Block werden die jeweils letzten Arbeitswege der Großeltern einbezogen. Hinsichtlich der Elterngeneration resultie- Abb. 3: Verkehrsmittelnutzung auf dem Arbeitsweg (Angaben in %) Quelle: eigene Analysen Mobilität + Personenverkehr 15 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 knapp 60 % (vgl. BMVBW 1991: 166 und BMVBW 2005: 112[0]). 4 Unter den Studierenden scheint sich damit das Semesterticket sogar gegen eine nur mäßige ÖPNV-Anbindung und gute Parkmöglichkeiten an der Universität durchzusetzen. 5 Dabei ist zu beachten, dass die betreffenden Eltern zu Beginn ihrer nicht hochschulischen Ausbildung im Schnitt jünger waren als die Studierenden, die vor ihrem Studium eine andere Ausbildung absolvierten. Knapp 50 % der Eltern haben kein (Fach-)Abitur. Diese waren häufig noch nicht 18 Jahre alt, als sie ihre Ausbildung aufnahmen. Die Studierenden, die vor ihrem Studium eine nicht hochschulische Ausbildung absolvierten, waren hingegen beim Beginn dieser Ausbildung zu mehr als 80 % bereits volljährig. Literatur Baslington, H. (2007): Travel Socialisation: A Social Theory of Travel Mode Behaviour. Paper presented at the European Transport Conference, Leiden, Netherlands, 17-19 October, 2007. Beckmann, K.J.; Holz-Rau, C.; Rindsfüser, G.; Scheiner, J. (2005): Mobilität älterer Menschen - Analysen und verkehrsplanerische Konsequenzen. In: Echterhoff, Wilfried (Hg.): Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen. Köln. S. 43 -71. BMV (Bundesministerium für Verkehr, Hrsg., 1985): Verkehr in Zahlen. Hamburg. BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hrsg., 2005): Verkehr in Zahlen 2005/ 2006. Hamburg. Haustein, S.; Klöckner, C. A.; Blöbaum, A. (2009): Car use of young adults: The role of travel socialization. In: Transportation Research Part F 12(2), S. 168 -178. Klöpper, V.; Weber, A. (2007): Generationsübergreifende Mobilitätsbiographien. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Fakultät Raumplanung der Universität Dortmund. Lanzendorf, M. (2003): Mobility Biographies. A New Perspective for Understanding Travel Behaviour. Paper presented at the 10 th International Conference on Travel Behaviour Research (IATBR), Lucerne, 10 th -15 th August 2003. Mienert, M. (2003): Entwicklungsaufgabe Automobilität. Psychische Funktionen des Pkw-Führerscheins für Jugendliche im Übergang ins Erwachsenenalter. In: Zeitschrift für Verkehrssicherheit 49, S. 26 - 48 (Heft 1), S. 75 - 99 (Heft 2), S. 127 - 139 (Heft 3), S. 155 - 161 (Heft 4). Myers, S. M. (1999): Residential Mobility as a Way of Life: Evidence of Intergenerational Similarities. In: Journal of Marriage and the Family 61, S. 871- 880. Pooley, C.; Turnbull, J.; Adams, M. (2006): The Impact of New Transport Technologies on Intraurban Mobility: A View from the Past. In: Environment and Planning A 38, S. 253 - 267. Scheiner, J. (2005): Auswirkungen der Stadt- und Umlandwanderung auf Motorisierung und Verkehrsmittelnutzung: ein dynamisches Modell des Verkehrsverhaltens. 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Die Erhebung der Daten an der TU Dortmund wird daher in jedem Studienjahr fortgeführt, so dass zukünftig komplexere Analysen - wenn auch nur an einem speziellen Sample - möglich sein werden. Dies soll dazu beitragen, den Forschungsansatz der Mobilitätsbiografien empirisch weiter zu untermauern und einen komplexeren Erklärungshintergrund für Veränderungen des Verkehrshandelns und der Verkehrsstrukturen zu schaffen. Umgekehrt wird sich eine derartig komplexe Erhebung sicherlich nicht in für andere Verkehrsuntersuchungen üblichen Stichprobenumfängen realisieren lassen. Sie bieten aber auch anhand kleinerer Stichproben die Möglichkeit eines besseren Verständnisses von Veränderungsprozessen, die dann als Interpretationshintergrund in anderen Untersuchungen genutzt werden können. 1 Dies gäbe Hinweise auf Sozialisationseffekte, die zwar in der Verkehrspsychologie und -soziologie immer wieder behauptet werden (Baslington 2007), aber bisher nur wenig empirisch untersucht wurden (etwa von Haustein, Klöckner und Blöbaum 2009). Mit diesen Fragen sind im Detail teilweise sehr komplexe Analysen verbunden, die größere Stichproben erfordern, als sie für die hier präsentierten Befunde zur Verfügung standen. So zeigt die Wanderungsforschung, dass es Prägungen des Wanderungsverhaltens durch Wanderungserfahrungen während der Kindheit gibt. Die entsprechenden Analysen müssen jedoch auf mit dem Elternhaus verbundene soziale Struktureffekte hin kontrolliert werden, etwa das Bildungs- oder Einkommensniveau (Myers 1999). Ähnlich gilt dies für Effekte von Wohnstandortverlagerungen auf das Verkehrshandeln, die auf damit verbundene soziale Strukturen und deren Veränderungen hin zu kontrollieren sind, um den Effekt der Wanderung zu isolieren (Scheiner 2005). 2 In der etwa vergleichbaren Altersgruppe der 45bis 50-Jährigen des Jahres 2003 besaßen 24 % das Abitur oder die Fachhochschulreife, also halb so viele wie in unserer Stichprobe. In der Großelterngeneration ist dies weniger gut vergleichbar, weil das Statistische Jahrbuch die Altersgruppe 65+ lediglich als Summe ausweist. In dieser Gruppe liegt der Volksschulabschluss bei 75 % (Statistisches Bundesamt 2004: 121). Dagegen sind die Großeltern in unserer Stichprobe etwas weniger gut gebildet. Sie repräsentieren allerdings eine höhere Altersgruppe und Frauen sind deutlich überrepräsentiert. 3 Die Entwicklung hin zur Nutzung motorisierter Verkehrsmittel wird auch anhand der für die Reihe „Verkehr in Zahlen“ des BMVBW erhobenen Daten deutlich: Während 1970 nur 32 % der Schüler/ innen und Studierenden mit motorisierten Verkehrsmitteln zu ihrer Ausbildungsstätte gelangten, waren es 2004 Studierendengeneration zeigt sich, dass die Nutzung des Fahrrades langfristig besonders stabil erscheint. 44 % der Studierenden, die in der ersten Klasse mit dem Fahrrad zur Schule gelangt sind, haben dieses auch in der achten und in der letzten Schulklasse genutzt. Die korrespondierenden Anteile der „dauerhaften“ Fußgänger und ÖV-Nutzer auf dem Schulweg vom Beginn bis zum Ende der Schullaufbahn betragen 11 % bzw. 32 %. Kein Studierender, der in der ersten Klasse das Fahrrad nutzte, fuhr in der achten Klasse mit dem Pkw zur Schule. Auch von der achten zur letzten Klasse ist der Anteil der Umsteiger vom Fahrrad auf das Auto sehr gering. Ähnlich sieht es bei der Elterngeneration aus. Die Nutzung eines Fahrrads auf dem Schulweg ist seltener mit einer späteren Pkw-Nutzung auf dem Schulweg verbunden als bei anderen Vorher-Verkehrsmitteln. Ob dies auf eine besondere Bindungswirkung des Fahrrades hinweist, wäre vor allem unter Berücksichtigung der räumlichen Rahmenbedingungen an größeren Stichproben zu prüfen. 4 Ausblick Die Ergebnisse zeigen gravierende Veränderungen der zurückgelegten Distanzen und der Verkehrsmittelnutzung in bestimmten Lebenssituationen von einer Generation zur nächsten. Sie bestätigen und vertiefen damit das bekannte Bild der Verkehrsentwicklung des letzten halben Jahrhunderts. Dieses ist gekennzeichnet durch die fortschreitende Motorisierung sowie die verstärkte Nutzung des MIV und allgemein motorisierter Verkehrsmittel, vor allem auf Kosten des Fußverkehrs. Darüber hinaus stehen die zunehmenden Wegelängen sowohl im Zusammenhang mit der Spezialisierung von Aktivitäten und Einrichtungen, die auch Schulen, Ausbildungsstätten und Arbeitsplätze sowie Berufsbilder umfasst, als auch mit der Dispersion des Wohnens. Gleichzeitig zeichnen die Daten einige Veränderungen des Verkehrshandelns auf der Individualebene im Lebensverlauf nach. Diese sind teilweise an Schlüsselereignisse wie etwa den Übergang von der Schule zur Ausbildung, von der Ausbildung zur Erwerbstätigkeit oder den Eintritt in das Führerscheinalter gekoppelt. Teilweise handelt es sich aber auch um bloße Alterseffekte, wie die Veränderungen der Verkehrsmittelnutzung im Verlauf des Schulbesuchs zeigen. Teilweise deuten sich weitergehende Kohorteneffekte an, wie bei den Distanzen im Berufsverkehr. Der hier vorgestellte Untersuchungsansatz einer retrospektiven generationsübergreifenden Erhebung ermöglicht vielfältige Analysen, die mit anderen Verkehrserhebungen in der Regel nicht möglich sind. Dazu gehören: ̇ Auswirkungen biografischer Ereignisse auf das Verkehrsverhalten ̇ Generations- und Kohorteneffekte ̇ Veränderungen im individuellen Lebensverlauf ̇ generationsübergreifende Effekte. Summary Trends in travel behaviour since 1930 Due to a lack of historical data, only limited research has been undertaken in most countries into the long term development of travel behaviour. In the case of Germany, reliable data has been available only since 1976 (in the West) and since 1972 (in the East). By using individual mobility biographies, it is possible to pinpoint the fundamental changes - during the last half century - caused by motorization, urban structure, transport infrastructure, and transport capacity being offered. In a diploma thesis a sample of students attending the Dortmund University of Technology has been used to study three generations’ mobility biographies. The findings are presented in this report. The focal point was the comparison of students’ parents’ and grandparents’ travel behaviour. Going by specially selected moments in time and lifecourse, there is evidence for fundamental changes in travel from one generation to the next. Mobilität + Personenverkehr 16 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Stefan Kinski Verkehrsszenarien und Verkehrsmarkt im 21. Jahrhundert Die jüngeren Ergebnisse zur Klimaforschung deuten auf einen Einfluss der Verbrennung fossiler Energieträger auf das Klima hin. Daneben geht die Zeit der günstigen fossilen Energieträger in den kommenden Jahrzehnten ihrem Ende entgegen. Für die Substitution durch alternative Energieträger bestehen Zweifel hinsichtlich Quantität und großindustrieller Wirtschaftlichkeit. Aus diesen Überlegungen heraus sind in den verschiedenen Bereichen Industrie, Gebäude und Verkehr Lösungen zu suchen bzw. weiter zu verfolgen, die den spezifischen Energieverbrauch senken und bei denen unbefristet verfügbare Energieträger eingesetzt werden können. Der Autor Dipl.-Psych. Stefan Kinski, lic. rer. reg., Siemens AG, Würzburger Str. 121, 90766 Fürth, stefan.kinski@siemens.com Einleitung und Hintergrund Im Verkehrssektor brachte das vergangene Jahrhundert in Europa ein Parallelsystem der verschiedenen Verkehrsträger Straße, Schiene, Luft, Wasser hervor, das in allen seinen Segmenten im weltweiten Vergleich hervorragend ausgeprägt ist. Bedingt durch das moderate Preisniveau der fossilen Energieträger und den bis dahin noch nicht erkennbaren bzw. kaum diskutierten Zusammenhang von Öl-, Kohle- und Gasverbrennung mit klimatischen Auswirkungen wurde der allseitige Ausbau der Transport- und Verkehrswege forciert. Ziel im volkswirtschaftlichen Sinn war und ist die weitest mögliche Senkung der Transportkosten zur Erzielung des günstigst möglichen globalen Warenaustausches, um dadurch die Vorteile der jeweiligen Standorte optimal nutzen zu können. Dem vorliegenden Ansatz wird eine kontinuierliche Steigerung der Kraftstoffkosten zugrunde gelegt. Diese Annahme beruht auf folgenden Kriterien: ̇ tatsächliche Kostenentwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte ̇ vorliegende Prognosen der Ölförderung und -verfügbarkeit ̇ Einschätzung der Innovationsfähigkeit der Fahrzeugindustrie ̇ Einschätzung der Machbarkeit alternativer Versorgungsstrukturen ̇ Einschätzung der Substitutionsmöglichkeiten der mineralischen Kraftstoffe durch alternative Energien wie zum Beispiel Strom oder Wasserstoff. Zur Methodik Auf der Grundlage der durchgeführten Recherche wurde einem projektiven marktorientierten Ansatz gefolgt. Die bestimmenden Aspekte wurden nach dem Prinzip Trial and Error ermittelt. Fehlerbehaftete oder sich als unpassend herausstellende Ansatzpunkte oder inhaltliche Themenaspekte wurden gegebenenfalls schon während des Erstellungsprozesses wieder verworfen. Nach Abschluss der Phase der Stoffsammlung und Ausarbeitung von Maßnahmenvorschlägen wurde eine qualitative Überarbeitung durchgeführt, während der Aspekte, die aus der Draufsicht als unwesentlich erschienen, wieder entfernt wurden. Das Vorgehen während des gesamten Erstellungsprozesses der Arbeit erfolgte iterativ. Wirtschaftspolitik für das Auto Der Grad, in dem das Autofahren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirtschaftspolitisch unterstützt wurde, erweist sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts mangels zukunftsfähiger Techniken als schädlich für die Volkswirtschaften. Die hohe Abhängigkeit einer Zahl von - auch großen - Volkswirtschaften von der Fahrzeugproduktion (Beispiele: USA, Deutschland, Tschechien) macht diese abhängig von den Energiepreisen und der damit verbundenen Nachfrageentwicklung. Selbstdarstellung der Autobranche Aus der Perspektive der Autobranche wurden die Jahre bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Summe als überaus positiv empfunden. Kritische Sichtweisen sind ein Stück weit Teil des Geschäftes ebenso wie das Vertreten der Brancheninteressen auf den verschiedenen Plattformen. Die in jüngerer Zeit deutlich gewordenen Nachfrageelastizitäten in Abhängigkeit von der Ölpreisentwicklung hat in der Branche dagegen, ähnlich wie bei den Flugzeugherstellern, Kopfschmerzen verursacht. Als selbst gesteckte Ziele und Erfolge in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts empfand die Branche Themen wie die Entkopplung wachsender Verkehrsvolumina vom Kraftstoffverbrauch oder die Senkung des Kraftstoffverbrauchs je kg Gewicht. Themen wie das in diesem Zeitraum noch zunehmende Gewicht der Fahrzeuge wurden trotz inländischer Absatzprobleme nicht als entscheidungsrelevant für eine Anpassung der Produkt- und Modellpalette gesehen. Stattdessen wurden ein Verlangen der Kunden nach neuen Raumkonzepten, mehr Komfort und höherer Leistung sowie gestiegene gesetzliche Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit, Geräuschminderung und Schadstoffreduzierung als Begründung für eine Beibehaltung des Status Quo bei der Entwicklungsrichtung genannt. Zukunft des klassischen Automobils Mit dem klassischen Automobil, wie wir es heute kennen, sind Fahrzeuge gemeint, die für sich in Anspruch nehmen, allen Situationen und Fahrtzwecken gewachsen zu sein. Die Fahrzeuge haben relativ hohe Eigengewichte, werden mit Benzin oder Diesel betrieben und bedarfsweise auf Nah- und Fernstrecken eingesetzt. Diese Art des Vorankommens ist durch endliche Rohstoffe und die Klimathematik begrenzt. Der denkbare Antrieb mit Wasserstoff und Brennstoffzelle ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts technisch und wirtschaftlich als Substitution für das derzeitige Maß der Automobilnutzung nicht ausgereift. Unsicherheiten bestehen unter anderem hinsichtlich der Preisstellung und der politischen Machbarkeit großindustrieller Strukturen für diese Antriebsart. Da der notwendige Wasserstoff wegen der Sonnenintensität überwiegend zum Beispiel in Afrika hergestellt werden müsste, wären politische und gesellschaftliche Vereinbarungen zwischen den Nutzer- und den Erzeugerländern erforderlich. Dafür sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch kaum tragfähige Ansätze erkennbar. Marktentwicklung 2020 bei den verschiedenen Kraftfahrzeugkategorien Die schweren Fahrzeuge tragen überdurchschnittlich zur CO 2 -Produktion und zum Verbrauch der zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf der Erde noch verbliebenen fossilen Energien bei. Hersteller großvolu- Mobilität + Personenverkehr 17 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Tab. 1: Verkehrsmittel und Nachfrageentwicklung Verkehrsmittel Art des Bedarfs Umsatzanteil am Verkehrsmittelmarkt 2007 Trendprognose Umsatz 2027 Schienenpersonenverkehrsmittel (HGV, ÖPNV, Regional) EU Überwiegend Ersatzbedarf, teilweise Neubedarf 0 0 Schienenpersonenverkehrsmittel (HGV, ÖPNV, Regional) Non-EU Neubedarf - + Flugverkehr Welt Ersatzbedarf + 0 Schwere und schnelle Automobile EU, Nordamerika Ersatzbedarf ++ - Schwere und schnelle Automobile außerhalb EU, Nordamerika Neubedarf - 0 Individuelle motorisierte Personenleichtfahrzeuge sowie Fahrräder Welt Neu- und Ersatzbedarf - - ++ Schienengüterverkehr Welt Neu- und Ersatzbedarf + ++ Straßengüterverkehr Welt Neu- und Ersatzbedarf + + Schiffsgüterverkehr Welt Neu- und Ersatzbedarf + + Legende: - - sehr gering; - gering; 0 moderat; + bedeutend, ++ sehr hoch miger Fahrzeuge finden sich konzentriert in Deutschland, den USA, aber auch in einigen weiteren Ländern. Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts versuchten die Firmen in Zusammenarbeit bzw. mit Unterstützung der Branchenverbände und teilweise mit Hilfe ausgesuchter Automobilclubs Änderungs- und Anpassungsnotwendigkeiten zu ignorieren. Die Politik insbesondere aus den Ländern, in denen die Hersteller ansässig sind, stützte die Argumentation häufig. Verwöhnt aus Jahrzehnten der uneingeschränkten automobilen Förderung aus der Zeit vor der Klimadiskussion und der niedrigen Benzinpreise wurden die Zeichen der Zeit bis in den Beginn des 21. Jahrhunderts unzureichend realisiert. Vom Standpunkt zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint in der mittelfristigen Perspektive zu erwarten zu sein, dass in den Ländern, in denen ein hoher Anteil großvolumiger Fahrzeuge unterwegs ist, deren Anteil deutlich zurückgeht. In Ländern mit einem insgesamt noch niedrigen Motorisierungsgrad und einem niedrigen Anteil großvolumiger Fahrzeuge bestehen mittelfristig (noch) gleichbleibende Absatzchancen für großvolumige und schwere Fahrzeuge. Die Produzenten großvolumiger Fahrzeuge können damit künftig nicht mehr von ähnlich starken Heimatmärkten ausgehen wie in der Vergangenheit. Das klassische Automobil dürfte in dicht besiedelten Industrieregionen wie Zentraleuropa, Nordamerika östliches Drittel, Indien westliches Drittel, China östliches Drittel innerhalb von zwei bis drei Jahrzehnten fast vollständig verschwinden. In dünn besiedelten Regionen und für Sondernutzungen wird dieser Typ von Fahrzeug eine Bedeutung behalten. Das Volumen der dann noch absetzbaren Fahrzeugmengen dieses Typs dürfte bei bis zu 20 % der heutigen Mengen liegen. Anbieter großvolumiger schwerer Fahrzeuge geraten tendenziell zunehmend in eine Nischenposition. Dies wird ihrer Lobbyarbeit in Richtung Schaffung und Aufrechterhaltung eines öffentlich finanzierten Verkehrssystems, das, so wie es zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch der Fall ist, in erheblichem Maße auf die Anforderungen ihrer Produkte ausgerichtet ist, einen guten Teil der Wirksamkeit nehmen. Die Einführung einer auf elektrischem Antrieb basierenden Mittelklasse zu tragbaren Preisen ist bislang aufgrund der zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht weit genug entwickelten Speichertechnologie noch nicht absehbar. Der Hybridantrieb wird als Zwischentechnologie genutzt. Auswirkungen der Fahrzeugminiaturisierung auf die Verkehrsmittelwahl Beständig steigende Rohölpreise und fehlende gleichwertige Antriebsalternativen erzwingen eine Reduzierung des Gewichtes, der Größe und der Fahrleistungen bei Personenkraftfahrzeugen. Entwicklungen wie der sogenannte „Diesotto“, eine Mischung aus Diesel- und Ottomotor, können diesen Trend durch eine Verbrauchssenkung zwar verlangsamen, nicht aber stoppen. Solche neueren Antriebskonzepte bieten einen Ansatz für eine erhöhte Effektivität im Bereich der kleineren und mittleren Nutzfahrzeuge. Reduzierung von Gewicht, Größe und Fahrleistungen bei den Personenkraftfahrzeugen führt zu einer Regionalisierung der Fahrleistungen des einzelnen Fahrzeuges. Die Funktion des Pkw als Fernverkehrsmittel geht damit zurück. Im Regionalbereich nimmt die relative Attraktivität der Fahrzeuge wegen ihrer dann beschränkten Größe und Bequemlichkeit ab. Diese Tendenzen führen zu einem Rückgang des Pkw-Anteils am Modal Split im Fern- und teilweise im Nahverkehr. Segmentübergreifende Markteinschätzung zu Beginn des 21. Jahrhunderts Dieser Abschnitt wendet sich an den Investor privater und öffentlicher Natur, der vor der Überlegung steht, in welches Segment innerhalb des Verkehrsmarktes er investieren soll. Neben den Volumina sind die Wachstumsraten und die Margen der Segmente zu berücksichtigen, die bei einem Vergleich der Ist-Situation und der Prognose sichtbar werden. In einem Folgeschritt wird der Investor zwischen den Anbietern der einzelnen Segmente zu differenzieren haben. Zu berücksichtigen ist die starke Marktregulierung in den asiatischen Ländern (Tabelle 1) . Trendprognose Groß- und Mittelflughäfen Die Bedeutung von Großflughäfen dürfte in Summe gleich bleiben. Dabei ist eine Verlagerung von der kontinentalen zur interkontinentalen Funktion zu erwarten. Die Zubringerfunktion wird sich bei den Großflughäfen von Zubringerflügen und Straßenverkehr auf öffentliche Schienenverkehrsmittel verlagern. Die Bedeutung mittlerer Flughäfen im Gesamtverkehrsnetz wird zurückgehen. Mittelflughäfen, die in einer Region mit ausgebauten Schienenhochgeschwindigkeitsnetzen liegen, sollten ihr Geschäftsmodell so weit möglich weiter entwickeln. Neben den verbleibenden Dienstleistungen rund um das Fliegen könnten entsprechend der jeweiligen Standorteignung zusätzliche Themen aufgenommen werden. Strategische Überlegungen zur Fortentwicklung der Netze und Systeme Um eine hinreichende Mobilität in den kommenden Jahrzehnten zu sichern, ist eine Betrachtung der spezifischen Stärken und Schwächen einzelner Verkehrsmittel sinnvoll. Die im Folgenden getroffenen Aussagen gelten vorwiegend für dicht besiedelte Regionen wie Zentraleuropa, Japan, das östliche China, Indien, das östliche Nordamerika, das östliche zentrale Südamerika. Randgebiete und dünn besiedelte Gebiete sind gesondert zu betrachten. Mobilität + Personenverkehr 18 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Folgende Verkehrsmittel und Einsatzzwecke werden unterschieden (Tabelle 2) . Künftige Verkehrsmittelnutzung im Personenverkehr, weltweiter Standard Auf mittlere bis längere Sicht dürften sich weltweit in etwa die Modal-Split-Anteile des Personenverkehrs einstellen wie in den folgenden Tabellen dargestellt. Dies sind dann auch die Rahmenbedingungen, an denen sich die Absatzchancen der betroffenen Industrien im Fahrzeug- und Infrastrukturbereich orientieren (Tabellen 3, 4 und 5) . Zielvorschlag für künftige weltweite HGV-Zonen Als Folgen der zuvor geschilderten Rahmenbedingungen im Automobilbereich und der teilweisen Verlagerung von bislang räumlichen Bewegungen in virtuelle Kontakte via Netz könnte auf den bestehenden HGV-Ansätzen für den Personenfernverkehr aufgesetzt und diese zu weltweit punktuell angelegten HGV-Netzen, die durch Luftverkehr verbunden werden, fortentwickelt werden. HGV-Netze erscheinen aus heutiger Sicht tragfähig in den Regionen: Europa gesamt mit peripherer Abschwächung, Nordamerika östliche Hälfte bis Chicago, Nordamerika Westküste, Südamerika Ostküste im Raum Buenos Aires-Rio de Janeiro, Japan, China östliche Hälfte, Indien gesamt. Probleme und Maßnahmen für amerikanische Flächenstädte Großflächige Siedlungsstrukturen sind besonders in amerikanischen Städten anzutreffen wie zum Beispiel Atlanta, Houston, Dallas, Los Angeles oder St Paul/ Minneapolis. Einige dieser Städte besitzen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, abgesehen von vereinzelten Ansätzen, einen nur marginal ausgeprägten öffentlichen Nahverkehr. Die Städte und ihre Regionen werden von Stadtautobahnen erschlossen, die je Richtung bis zu neun Fahrspuren besitzen. Die Diskussion um alternative Erschließungsmethoden hat begonnen. In Einzelfällen wurden bereits Projekte umgesetzt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts endete die Diskussion oft halbherzig, zum Beispiel mit Vorschlägen zur Einrichtung von Expressspuren für Busse auf den vorhandenen Stadtautobahnen. Vor diesem Hintergrund benötigt die Entwicklungsplanung für diese Städte einen mittelbis langfristigen Ansatz mit einer Reihe von Kriterien. 1) Anlegen von Schienennahverkehrssystemen entlang der Stadtautobahnen oder innerhalb von Siedlungsachsen 2) Verknüpfung der Schienennahverkehrsachsen zu einem sinnvollen Stadtbzw. Regionalnetz 3) Siedlungsverdichtung im Zentrum und entlang der Schienennahverkehrsachsen Asiatische Metropolen In asiatischen Metropolen sind die öffentlichen Nahverkehrssysteme trotz zum Teil bereits dreißigjähriger wirtschaftlicher Entwicklung zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur schwach ausgebaut. Erheblicher Nachholbedarf besteht auch bei der Koordination mit anderen städtischen Funktionen und Verkehrsmitteln. Der angemessene Ausbau und die Anpassung der Systeme an Nachfrage und Erfordernisse werden somit noch viele Jahrzehnte der Bemühungen und des konsequenten Handelns in Anspruch nehmen. Als Vorbild für die Verkehrsinfrastruktur können westliche Megastädte wie London, Paris, New York, Berlin herangezogen werden. Jede dieser Städte hat ein - wenn auch teilweise veraltetes - ausgebautes U-Bahn-System mit etwa zehn oder mehr Linien. Bedarfsweise sollte das U-Bahnnetz durch ein ins Umland führendes S-Bahnnetz ergänzt werden. Mit einem Maßnahmenbündel ist es möglich, die Megastädte Asiens, Afrikas und gegebenenfalls auch Südamerikas an das in einigen westlichen Zentren vorhandene Niveau heranzuführen. Kontraproduktiv wäre jedoch die Übernahme automobiler Szenarien des 20. Jahrhunderts aus westlichen Zentren. Während in afrikanischen Ländern tendenziell die finanzielle Grundlage und bei den Regierenden zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Verständnis für die Sinnhaftigkeit der Anlage solcher Nahverkehrssysteme noch fehlen dürften, sind die Voraussetzungen in den sich entwickelnden Tab. 2: Personenverkehrsmittel und ihre Einsatzzwecke Personenverkehrsmittel Einsatzzweck Hochgeschwindigkeitszug zwischen Metropolregionen mittlere bis längere Distanzen 100 - 2000 km Öffentliche Nahverkehrssysteme in Metropolräumen Personenverkehr im Umkreis von 50 km in und um Metropolregionen Regionale Zubringersysteme zu den Metropolräumen Personenverkehr im Distanzbereich bis 200 km Flugverkehr Personenverkehr im Entfernungsbereich über 1000 km sowie in dünn besiedelten Regionen Schwere und schnelle Automobile Sondernutzungen wie Rettungsfahrzeuge, allgemeiner Einsatz in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten mit großen Distanzen zum nächsten Regionalzentrum oder zur nächsten Metropolregion Individuelle motorisierte Leichtfahrzeuge sowie Fahrräder Individuelle Fortbewegung innerhalb von Metropolregionen, innerhalb von Regionen und innerhalb von Feriengebieten; Besitzverhältnisse bedarfsweise individuell, gemeinschaftlich oder auf Mietbasis Tab. 3: Modal-Split-Anteile in Städten und Metropolen ab 100 000 Einwohner Verkehrsmittel Anteil am Modal- Split in Prozent Fahrrad 30 Zu Fuß gehen 30 Öffentliche Verkehrsmittel 30 Motorisierte Leichtfahrzeuge 10 Tab. 4: Modal-Split-Anteile im Personenfernverkehr in % kontinental HGV 70 Straße (Bus, Pkw) 20 Luft 10 regional bis 100 km Straße (Bus, Pkw) 80 Schiene 20 interkontinental Luft 70 HGV 15 Straße (Bus, Pkw) 10 Wasser 5 Tab. 5: Branchen mit zu erwartenden Umsatzrückgängen und Bedeutungsverlust aus Kosten- und Klimaschutzgründen EU und USA Sparte Rückgang in der Periode 2008 - 2020 Fahrzeugindustrie Pkw 30 - 40 % Fahrzeugindustrie Lkw 20 % Flugzeughersteller 15 % Luftfahrtunternehmen 20 % Mobilität + Personenverkehr Summary Transport scenarios and markets of the 21 st century The most recent findings of climaterelated research point to the impact of fossil fuel on the climate. Besides that, the era of valuable fossil fuel resources is approaching its end over the next few decades. There is doubt over their substitution with alternative means of fuel when taking into account quantity and large scale industrial profitability. Based on these considerations, it is necessary to find solutions - also on a longer term basis - in the areas of industry, buildings and transport in order to reduce energy consumption, while making use of sources of energy that are unlimited. westlichen Industrieländern, später auch global, in eine Nischenposition geraten. Infrastrukturseitig sollten daher die Investitionen in Straßennetze und Flughäfen in den traditionellen Industrieländern in Westeuropa und Nordamerika von Neubau und Erweiterung auf Erhalt umgelenkt werden. nehmen. In Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte könnte, auf der Grundlage der bisherigen Ansätze, an deren Stelle zunehmend ein schienengebundener Hochgeschwindigkeitsverkehr treten. Innerhalb von Konglomerationen und Metropolregionen dürfte eine Mischung aus Zufußgehen, Fahrrad fahren und öffentlichen Nahverkehrsmitteln an die Stelle eines großen Teils des heutigen benzin- und dieselgetriebenen Pkw-Verkehrs treten. Darüber hinaus dürfte ein Fenster für motorisierte Leichtfahrzeuge mit den diversen möglichen Antriebsarten bestehen bleiben. Für Fahrtzwecke innerhalb dünn besiedelter Zwischenräume und Regionen dürfte das benzin- oder dieselgetriebene Personenkraftfahrzeug von Bedeutung bleiben. Im Bereich der privaten Pkw-Nutzung dürften die künftigen Marktchancen neben lokal und regional einsetzbaren Leichtfahrzeugen für einen Übergangszeitraum auch noch in einem zunehmend standardisierten globalen Massenmarkt von universell einsetzbaren Fahrzeugen herkömmlicher Bauart im Segment Mittelklasse und untere Mittelklasse liegen. Hiermit sind Fahrzeugtypen in der Art des Ford Focus, Opel Astra oder 3er BMW zu verstehen. Die Pkw-Oberklasse dürfte auf dem Privatkundenmarkt zunächst in den asiatischen Ländern besser. Vorhandene Devisen stellen eine mögliche finanzielle Basis für die Finanzierung solcher Infrastrukturvorhaben dar. Die Entwicklungsplanung für diese Städte benötigt einen mittelbis langfristigen Ansatz mit einer Reihe von Kriterien. 1) Planung und Umsetzung U-Bahn-Netz mit je acht bis zwölf Linien 2) Anlage von Fußgängerzonen in den zentralen (Handels-) Bereichen 3) Straßeninfrastruktur fahrradfreundlich und geeignet für motorisierte Leichtfahrzeuge ausbauen 4) Bedarfsweise ergänzende Anlage von regionalen S-Bahn-Systemen, möglichst als Durchmesserlinien Szenarien für die Zukunft Angesichts der Endlichkeit fossiler Brennstoffe und mangels wirtschaftlich und technisch geeigneter Alternativen dürfte, gemessen am Niveau der westlichen industrialisierten Länder zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die Bedeutung mehrerer mobilitätsorientierter Branchen zurückgehen. Zwischen den einzelnen Verkehrsträgern dürfte es zu erheblichen Verschiebungen kommen. Die Bedeutung des motorisierten Straßenverkehrs im Fernbereich sowie des Luftverkehrs innerhalb von Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte dürfte ab- Firma Vorname/ Name E-Mail PLZ / Ort Abteilung/ Branche Telefon/ Fax Straße Datum/ Unterschrift Technische Daten: ISBN 978-3-87154-407-1, 368 Seiten, Format 135 x 180 mm, Broschur, Preis : € 49,- mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH · Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 · E-Mail: buch@dvvmedia.com Bestellcoupon ̌ Ja, ich möchte _____ Exemplar(e) des o.g. Buches bestellen! Einfach schnell per Fax senden: +49 / 40/ 2 37 14-450 Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Neuauflage! Ein Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Das jährlich neu aufgelegte Statistik-Handbuch „Verkehr in Zahlen“ wird von politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen, Banken und der gesamten Transportwirtschaft seit mehr als 30 Jahren genutzt. Diese Informationsquelle gibt eine aktuelle und zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fragen der Mobilität und Verkehrswirtschaft. Auf der CD nden Sie alle Ausgaben seit 1950. Herausgeber ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Weitere Informationen, das komplette Inhaltsverzeichnis sowie das Vorwort nden Sie unter www.eurailpress.de/ VIZ Infrastruktur + Verkehrspolitik 20 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Wissenschaftlicher Beirat für Verkehr Strategieplanung „Mobilität und Transport“ Folgerungen für die Bundesverkehrswegeplanung* Mitglieder des Beirats Prof. Dr. Gerd-Axel Ahrens Prof. Dr. Herbert Baum Prof. Dr. Klaus J. Beckmann (Vorsitzender) Prof. Dr. Werner Brilon Prof. Dr. Alexander Eisenkopf Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Ingrid Göpfert Prof. Dr. Christian von Hirschhausen Prof. Dr. Günther Knieps Prof. Dr. Stefan Oeter Prof. Dr. Franz-Josef Radermacher Prof. Dr. Werner Rothengatter Prof. Dr. Volker Schindler Prof. Dr. Jürgen Siegmann Prof. Dr. Bernhard Schlag Prof. Dr. Wolfgang Stölzle 1 Strategieplanung „Mobilität und Transport“ 1.1 Vorbemerkung Bau, Betrieb und Erhaltung von Verkehrsinfrastrukturen (Straßen, Schienenwege, Wasserstraßen, Häfen, Flughäfen) sind unverzichtbare Voraussetzungen für die Wohlfahrtssteigerung auf allen staatlichen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden). Sie sind auch notwendig für die soziale Entwicklung und die Sicherung der Teilhabeoptionen von Menschen, einschließlich des sozialen Ausgleichs und der Integration. Mobilität ist schließlich ein wesentlicher Bestandteil der individuellen Lebensgestaltung. Veranlassung für diese Stellungnahme ist der Befund, dass die bisherigen Betrachtungsweisen, methodischen Ansätze und Arbeitsprozesse der Bundesverkehrswegeplanung sich aus Organisationsstrukturen und einem Planungsverständnis entwickelt haben, die nicht mehr in allen Belangen den heutigen Anforderungen und Randbedingungen entsprechen. Dies bedeutet, dass verkehrs- und umweltpolitische Ziele nur bedingt umgesetzt werden. So sind die Betrachtungshorizonte der Systemwirkungen auf Raum, Wirtschaft, Bevölkerung und Umwelt unter den aktuellen Rahmenbedingungen bzw. Anforderungen von Klimaschutz und Klimafolgenbewältigung sowie von demografischen Veränderungen zu kurzfristig. Es werden Maßnahmen der Erhaltung von Verkehrsinfrastrukturen trotz steigender Bedeutung von Erhaltung und Erneuerung für die Funktionstüchtigkeit von Verkehrssystemen nicht hinreichend eingebunden. Die Bundesverkehrswegeplanung (BVWP) ist bislang lediglich ein Verfahren zur Anmeldung, Bewertung und Rangreihung von mehr oder weniger aus teilräumlicher und/ oder sektoraler Sicht benannten Projekten und nur begrenzt ein zielorientierter Planungsprozess zur Verkehrssystemgestaltung im Fernverkehr. Insgesamt erscheint es erforderlich, in der methodischen Ausgestaltung und in der Prozessgestaltung ein verstärktes Gewicht zu legen auf: 1 ̇ ganzheitliche (Netz)planungen, ̇ Sicherung wichtiger großräumiger Verkehrsfunktionen („Korridorpriorisierung“), ̇ langfristige System- und Projektwirkungen hinsichtlich Ressourcenbeanspruchungen, Klimaveränderungen, Verträglichkeiten mit Folgewirkungen von Klimaänderungen sowie hinsichtlich Raumentwicklung, ̇ Anforderungen veränderter demografischer und ökonomischer Gegebenheiten, ̇ nicht-infrastrukturelle Handlungskonzepte (Betriebsregelungen, Anforderungen an Fahrzeugtechnik, Überwachung). ̇ Einbezug der Bestandserhaltung und Lebenszyklusbetrachtungen von Verkehrsanlagen. 1.2 Veränderte Zielvorgaben für das Gesamtverkehrssystem Veränderte Rahmenbedingungen der Entstehung von Mobilitäts- und Transportbedürfnissen erfordern eine Überprüfung der bisherigen Aussagenbereiche sowie des prozessualen und methodischen Vorgehens im engeren und weiteren Bereich der Bundesverkehrswegeplanung, der Bedarfsplanung für Straßen, Schienen und Wasserstraßen sowie der gesetzlichen Festlegung von Ausbauplänen. So bestimmt die strategische Ausrichtung die Priorisierung von Handlungsoptionen hinsichtlich a) Neubau und Ausbau versus Erneuerung und Erhaltung der jeweiligen Verkehrswege, b) des Einsatzes baulicher Maßnahmen, der Handlungsansätze des Verkehrsbzw. Mobilitätsmanagements, des Verkehrsrechts, der Verkehrskosten(anlastung) sowie der Verkehrsinformation und Verkehrs-/ Mobilitätserziehung, c) der Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern (Straße, Schiene, Wasserstraße und Luftverkehr), d) der modalen wie auch der räumlichen Zuordnung von investiven, personellen und betrieblichen Mitteln und e) der Erreichung von Anforderungen und Zielen (Unfallentwicklung, Flächenbeanspruchung, Schadstoffemissionen und -immissionen, CO 2 -Emissionen). Verkehrssysteme folgen dabei jedoch keinem Selbstzweck. Die grundsätzlichen Ziele der verkehrlichen Entwicklung und deren Konkretisierung, die Abwägung der Ziele der verkehrlichen Entwicklung wie auch die Betrachtung des Gesamtverkehrssystems - unter Einschluss von Infrastruktur, Ausstattung von Verkehrsanlagen, Betriebs- und Rechtssystem, Organisation und Zuständigkeiten, Informationssystemen wie auch sonstige Rahmenbedingungen - sollten in einem vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung BMVBS zu verantwortenden Strategieplan „Mobilität und Transport“ zusammengeführt werden, der Personen- und Güterverkehre umfasst. Ausgangspunkte einer derartigen zielorientierenden und handlungsleitenden strategischen Planung sind die Ziele bzw. Zielvorgaben der Entwicklung des Gesamtverkehrssystems im Hinblick auf: ̇ Erreichbarkeiten und damit im Hinblick auf Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten der Menschen sowie auf wirtschaftliche Austauschprozesse bei funktionaler und räumlicher Arbeitsteilung, ̇ effizienten Finanzmitteleinsatz bei Bau, Erweiterung, Erneuerung und Erhaltung sowie Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen, ̇ Verkehrssicherheit, unter Berücksichtigung von Zielen/ Aufgaben wie ̇ Raumentwicklung und Raumordnung durch Anbindung, Erschließung, Verbindung oder auch Entlastung von Teilräumen zur Sicherung des polyzentrischen Siedlungssystems der Bundesrepublik Deutschland, zur Entwicklung von Metropolen, zur Sicherung der Versorgung schwach verdichteter peripherer Räume durch „zentrale Orte“, ̇ Klimaschutz und Reduktion von klimarelevanten Emissionen des Verkehrs (CO 2 ), aber auch Klimafolgenbewältigung, ̇ Reduktion von Umweltbelastungen in Form von (Verkehrs)Lärm und Luftschadstoffen, ̇ Flächensparsamkeit und Flächenkreislaufwirtschaft. Infrastruktur + Verkehrspolitik 21 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Zusätzlich zu den derzeit rechtlich definierten oder (politisch) vereinbarten Zielstandards („Anspruchsniveaus“) sind aufgrund der notwendigen Lebenszyklusbetrachtung der Verkehrsinfrastrukturen und der Berücksichtigung der zeitabhängigen Veränderungen der Verkehrsnachfrage auch Veränderungen der Zielstandards über die Zeit zu prüfen, um die Zulässigkeit (Einhaltung von Standards) und die Vorteilhaftigkeit von Projektwirkungen (Überwiegen der Nutzen gegenüber den Kosten) im Lebenszyklus identifizieren zu können. Eine notwendige Erweiterung des Zielsystems bezieht sich vor allem auch auf die „Zuverlässigkeit“ der Verkehrssysteme und damit der Verkehrsangebotsqualitäten auf Hauptkorridoren und in für die Netzfunktionsfähigkeit kritischen Netzteilbereichen. 1.3 Erfordernisse einer verstärkten Integration Mobilität und Transport stehen in vielfältigen Wechselwirkungen mit der Systemumwelt, die bei einer zielorientierten Ausgestaltung des Verkehrssystems beachtet werden müssen. Diese Wechselbeziehungen implizieren im Rahmen einer Strategieplanung „Mobilität und Transport“ wie auch der darauf aufbauenden Bundesverkehrswegeplanung notwendigerweise eine verstärkte integrierte Behandlung von Raum, Verkehr, Umwelt sowie Sozial- und Wirtschaftssystemen, aber auch von europäischen Verkehrsnetzen über Verkehrsnetze auf Bundes- und Landesebene bis hin zu regionalen bzw. kommunalen Verkehrsnetzen. Integrierte Behandlung bedeutet allerdings nicht notwendigerweise eine Steigerung der Komplexität und Unübersichtlichkeit, sondern vielmehr eine klare Definition der Schnittstellen sowie Reflexion und kritische Übernahme externer Ziele nach Auseinandersetzung über Voraussetzungen bzw. Vorgaben und Implikationen an den Schnittstellen. Auch wenn im Folgenden Verkehrsinfrastrukturinvestitionen („Bundesverkehrswege“) im Betrachtungsvordergrund stehen, sind die übrigen verkehrspolitischen Handlungskomplexe wie Ordnungspolitik, Technikentwicklung, Betriebssysteme, Informations- und Telematiksysteme sowie Raumordnung in die Betrachtung einzubeziehen, da diese - in Abhängigkeit von ihrer Ausgestaltung - für Infrastrukturinvestitionen zum Teil ergänzende, zum Teil synergetische oder substituierende, zum Teil aber auch einschränkende Wirkungen haben können. Sie stellen Rahmenbedingungen für Verkehrsbedarf, Verkehrsdurchführung und Verkehrsauswirkungen und damit auch für die Verkehrsinfrastrukturplanung dar. Insbesondere synergetische und substituierende Effekte können zur Vermeidung oder Verringerung baulicher Investitionen genutzt werden. Im Regelfall sind Betriebssysteme, Preissysteme oder Teile des Verkehrs-/ Ordnungsrechts schneller und einfacher an veränderte Bedingungen der Verkehrsnachfrage, der Rahmenvorgaben und der Ziele anzupassen als bauliche Infrastrukturmaßnahmen. Sie erfordern zudem häufig geringere Investitionen. Die Bundesverkehrswegeplanung ist in der bisherigen prozessualen Ausgestaltung dadurch gekennzeichnet, dass Einzelprojekte betrachtet und individuell auf verkehrliche, gesamtwirtschaftliche, ökologische und raumordnerische Kriterien bewertet werden. Das Gesamtkollektiv der zu beurteilenden Projekte ergibt sich bisher überwiegend aus Vorschlägen und Benennungen durch verschiedene Aufgaben- und Interessenträger. Im Kollektiv der im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung untersuchten Projekte sind daher derzeit auch solche Projekte enthalten, die nicht oder nur untergeordnet „Bundesfernverkehrsfunktion“ haben. Für diese Projekte ist nach den Grundprinzipien der Föderalismusreform, die eine Entflechtung der Zuständigkeitsebenen von Bund, Ländern und Kommunen anstreben, eine Verlagerung der Zuständigkeiten vom Bund - zum Teil wahrgenommen durch die Länder als Auftragsverwaltung - auf die Länder oder Regionen und Kommunen zu überprüfen (vgl. Stellungnahme „Neuorganisation der Zuständigkeiten im Bereich der Bundesfernstraßen“ des Wissenschaftlichen Beirats für Verkehr beim Bundesminister für Verkehr, 2006). Damit wäre der Aufwand der „Strategieplanung Mobilität und Transport“ sowie der integrierten Bundesverkehrswegeplanung zu verringern. 2 Weiterentwicklung der Bundesverkehrswegeplanung - Systemebene Auf der Systemebene werden systematisch integrierte „verkehrliche“ Handlungskonzepte aus Bau, Betrieb/ Management, Verkehrsrecht, ökonomischen Instrumenten/ Anreizen sowie Information/ Beratung konzipiert, beurteilt und verglichen. Dazu werden Schritte wie ̇ Szenarienentwicklung, ̇ Entwurf von Handlungsstrategien, ̇ Bestimmung prioritärer Korridore, ̇ Maßnahmengenerierung und -analyse sowie ̇ Systembewertung und Auswahl von Handlungsstrategien erforderlich. Die Strategieplanung „Mobilität und Transport“ umfasst Vorbereitungen, Voruntersuchungen und Festlegungen a) der zentralen Probleme und Mängel der Verkehrssysteme sowie deren Folgewirkungen auf Sozialsystem, Wirtschaft, Raum und Umwelt, b) der mit der Ausgestaltung von Gesamtverkehrssystemen („intermodal“ bzw. „multimodal“) verfolgten Ziele, c) der Verkehrsnachfrage in ihrer Entwicklung, d) der „Korridore“ für Handlungskonzepte zur Ausgestaltung von Gesamtverkehrssystemen. Der Prozess umfasst dabei auch systembezogene Prüfungen der Umweltverträglichkeit („Plan-UVP“) des Gesamtverkehrssystems und der Einhaltung beispielsweise von Klimaschutzzielen. Die Prüfung erfolgt auf der „Systemebene“ durch Gesamtbilanzen von ̇ Erreichbarkeiten und Erschließungsqualitäten (z. B. Erreichbarkeit Zentraler Orte), ̇ baulichen Zuständen und Erneuerungsbedarfen, ̇ CO 2 -Emissionen (z. B. 40 % Minderungsziel bis 2020), ̇ Flächenbeanspruchungen (z. B. 30ha-Ziel zusätzlicher Flächenbeanspruchungen pro Tag), ̇ Verkehrsunfällen (z. B. „vision zero“), ̇ Lärmbetroffenheiten von Menschen, Flächennutzungsarten oder Flächen, ̇ Emissionen der Luftschadstoffe aus Verkehr („Feinstaub“, C n H m , SO 2 , CO 2 , NO x usw.). Die gesamtgesellschaftliche und gesamtpolitische Verantwortung setzt zwingend voraus, dass diese Ziele in quantifizierbaren Teilzielen operationalisiert werden - beispielsweise als Reduktionsbeiträge des Sektors Verkehr hinsichtlich der CO 2 -Emissionen. Derartige Beiträge können nicht sinnvoll bezogen auf einzelne bauliche oder betriebliche Maßnahmen des Verkehrs ermittelt und auf Erfüllung überprüft werden. Ihre Ermittlung setzt vielmehr strategische und gesamthafte Konzepte der Verkehrssystemgestaltung voraus. Mit dem Prozess der Strategieplanung „Mobilität und Transport“ wird ein Rahmen für die Bundesverkehrswegeplanung sowie für die inhärenten Engpassanalysen und für Analysen der „Zielerreichung auf Systemebene“ definiert. 2.1 Szenarienentwicklung Diese Anforderungen der Arbeits- und Planungsprozesse sowie der inhärenten Systembetrachtung setzen eine Arbeitslogik voraus, die auf folgenden Bausteinen beruht: ̇ Szenarien der mittel- und langfristigen Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung in teilräumlicher Differenzierung und - damit eng verbunden - ̇ Szenarien der mittel- und langfristigen Raum- und Standortentwicklung, ̇ Szenarien der Handlungskonzepte „Mobilität und Transport“ (Infrastrukturausbau/ -erhaltung, Betrieb, Management, Rechtsetzung, Anreizsysteme, Information/ Beratung) - eventuell mit teilräumlichen Gestaltungsspezifika, ̇ Verkehrs- und Transportnachfrageermittlungen für ausgewählte Szenarienkonstellationen der vorstehenden Szenarioebenen, ̇ Betrachtungen der Verkehrsnachfrage und Verkehrsbelastungen über eine Folge von Zeitquerschnitten, die einerseits mit demografischen und ökonomischen Veränderungen, andererseits mit der Lebensdauer von Verkehrsanlagen korrespondieren („Lebenszyklusbetrachtung“, Zeitquerschnitte gekoppelt zu Längsschnittbetrachtungen), ̇ Schätzungen der modalen Aufteilung und Verkehrsangebots-/ Netzauslastungen im Gesamtsystemzusammenhang aller Verkehrsträger, Infrastruktur + Verkehrspolitik 22 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 ̇ multikriterielle und gesamtwirtschaftliche Bewertungen der Mobilitäts- und Transportgegebenheiten sowie deren Folgewirkungen (Emissionen, Umweltbelastungen, Raumstrukturen, Teilhabemöglichkeiten/ -gerechtigkeit). Dabei sind Wechselwirkungen mit Raumstrukturen und Standortmustern zu beachten. Vor allem sind die bisher gewählten zeitlichen Betrachtungshorizonte auszudehnen, um die zeitlichen Veränderungen der wahrscheinlichen Verkehrs- und Transportnachfrage ebenso berücksichtigen zu können wie absehbare Veränderungen von Anforderungen an verkehrssystemrelevante Rahmenbedingungen (z. B. CO 2 -Minderungsziele, Verkehrslärmschutzziele, Umstellung von Verkehrsfinanzierungssystemen, technologische Entwicklungspfade). Dies führt zu der Empfehlung, langfristige Zeithorizonte bis 2030 und 2050 - allerdings in abnehmender Aussagengenauigkeit - zu betrachten und die Verläufe über Stützwerte mit Intervallen von fünf oder zehn Jahre einzubeziehen. 2.2 Maßnahmengenerierung Ein wesentlicher Kritikpunkt am bisherigen Vorgehen der Bundesverkehrswegeplanung richtet sich auf die Entstehung des Kollektivs zu untersuchender (Einzel-) Projekte. Die Generierung des Untersuchungskollektivs der Projekte erfolgt bislang auf der Grundlage von Vorschlägen verschiedener Akteure wie Gebietskörperschaften, Wirtschaftsverbände und Interessengruppen. Zur Objektivierung der Vorauswahl des Untersuchungskollektivs bedarf es einer Zusammenführung nachvollziehbarer methodischer Schritte bestehend aus: ̇ Verkehrlicher Engpassanalyse, ̇ Raumerschließungsanalyse, ̇ Strategischer Umweltprüfung, einschließlich CO 2 -Minderungsanalyse. Entsprechend sind auch Maßnahmen des Typs „Rückbau“, „Umstufungen“, „Streckenstilllegung“ sowie „Erneuerung“ vergleichbar und nachvollziehbar zu untersuchen. Voraussetzung der Prüfschritte ist für den jeweiligen Analysezeitpunkt wie auch für vereinbarte Betrachtungszeitpunkte zukünftiger Entwicklungen („Prognosehorizonte“) die Festlegung bzw. Ermittlung ̇ der mobilitäts- und transportbestimmenden Einflussgrößen aus Sozialsystem (Altersstruktur, Arbeits- und Ausbildungsbeteiligung, Aktivitätenmuster usw.), Wirtschaftssystem (Branchenstruktur, Standortpräferenzen, Betriebsgrößen), Raumstruktur und Standortsystem (zentrale Orte, Standortpräferenzen), Technikpfaden (Fahrzeugtechnik, Informationstechnologie usw.), ̇ der Verkehrsangebotsstrukturen aus Infrastruktur, Verkehrsmanagement, Anreizsystemen, Organisation, Wettbewerbssystem, ordnungspolitischen Rahmenbedingungen sowie Preisstrukturen. Aus den Analyseschritten sind auch Vorschläge für weitere Maßnahmen der Verkehrssystemgestaltung zu generieren. Verkehrliche Engpassanalyse Unter Prognose wahrscheinlicher Nachfragewerte im Personen- und Güterverkehr und der daraus resultierenden Belastungswerte der existierenden Verkehrsnetze werden für die jeweiligen Szenarien wahrscheinliche „Engpässe“ mit hohen Überlastungswahrscheinlichkeiten und daraus resultierenden Störungen identifiziert. Grundlage der Nachfrageermittlung sind Szenarien zur demografischen, ökonomischen und räumlichen Entwicklung. Danach sind - auf der Grundlage der relativen Attraktivitäten der Verkehrsangebote - die Nachfragewerte auf die verschiedenen Verkehrsträger aufzuteilen und auf die jeweiligen Netze umzulegen. In einer Ausgangslösung werden die im Analysezeitpunkt vorhandenen Netze und Betriebszustände zugrunde gelegt, um „Engpässe“ zu identifizieren. Engpässe sind Streckenabschnitte oder Netzteile, in denen die Verkehrsbelastung die Leistungsfähigkeit dauerhaft oder in Spitzenzeiten derart überschreitet, dass es regelmäßig zu Verkehrsstörungen kommt. Wenn die Nachfrage nicht verringert oder modal, zeitlich oder räumlich verlagert werden kann, müssen in einem folgenden Schritt Maßnahmen baulicher und/ oder betrieblicher Art zur Engpassbeseitigung entworfen werden. Dies gilt nicht nur für den derzeitigen Analysezeitpunkt, sondern auch für zukünftige Betrachtungszeitpunkte („Prognosezustände“). Das um Maßnahmen zur Engpassbeseitigung „erweiterte“ Gesamtverkehrssystem kann einer Systemprüfung hinsichtlich der Raumerschließung, der wirtschaftlichen Folgewirkungen, der Umweltverträglichkeit, der Klimaeffekte sowie der Kosten und finanziellen Auswirkungen unterzogen werden. Die methodischen Schritte der Raumerschließungsanalyse, der strategischen Umwelt(verträglichkeits)prüfung wie auch der Analyse der CO 2 -Reduktionsziele können und müssen aber auch eigenständig zur strategischen Auswahl von Maßnahmen genutzt werden. Raumerschließungsanalyse Die verschiedenen Teilräume der Bundesrepublik Deutschland weisen unterschiedliche Anbindungs- und Verbindungsqualitäten auf. Diese sind zudem für verschiedene Verkehrsmittel unterschiedlich. Sie beziehen sich auf die Anbindung an benachbarte oder die Verbindung zwischen benachbarten Metropolregionen, Oberzentren oder Mittelzentren. Nach den „Richtlinien für die integrierte Netzgestaltung“ (RIN) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen werden die bundesverkehrswegewürdigen Verbindungsfunktionsstufen 0 = kontinental und I = großräumig abgeleitet. Sie dienen der Verbindung zwischen Metropolregionen und zwischen Oberzentren. Bereits die Verbindungsfunktionsstufe II übernimmt intraregionale Aufgaben, die von Bundesfernstraßen nicht explizit übernommen werden sollten. Diese Verbindungen müssen im Sinne einer Gleichwertigkeit der sozialen und ökonomischen Lebens- und Entwicklungsbedingungen in allen Teilräumen Mindest-Standards der Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, Ausbildungsplätzen, Versorgungsgelegenheiten usw. gewährleisten. Sollte die Raumerschließungsanalyse unerwünschte Disparitäten der räumlichen Verkehrserschließung zeigen, so können auf dieser Grundlage Maßnahmen entworfen und untersucht werden. Strategische Umwelt(verträglichkeits)prüfung unter Einschluss der CO 2 -Minderungsziele Die Ausgestaltungen eines Strategieplans „Mobilität und Transport“ wie auch des Bundesverkehrswegeplans sowie der darauf aufbauenden Bedarfspläne und Ausbaupläne für Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Schienenwege des Fernverkehrs haben erhebliche Einflüsse auf die gesamthafte Entwicklung von verkehrsbedingten Emissionen und Immissionen, auf Ressourcenbeanspruchungen (Flächen, Energie) und auf Umweltbelastungen globaler und lokaler Art (CO 2 -Emissionen, Verkehrslärm, Unfallgefährdungen, Trennwirkungen, Schadgase, Feinstäube). Mit der Priorisierung von Verkehrsträgern wird in erheblichem Umfang auf diese Ressourcenbeanspruchungen und Umweltbelastungen Einfluss genommen. Diese Gegebenheiten erfordern eine „Strategische Umwelt(verträglichkeits)prüfung“ der Bundesverkehrswegeplanung, die auch nicht durch Umweltrisikoeinschätzungen einzelner Projekte oder durch eine Projekt-UVP im Zuge der entwurflichen, baulichen und betrieblichen Ausgestaltung einzelner Projekte ersetzt werden kann. Die strategische Umweltprüfung kann Ergebnisse liefern, auf deren Grundlage neue „umweltverträglichere“ Maßnahmenkonzepte entwickelt und überprüft werden. Dies kann beispielsweise die Ausbauprioritäten und -umfänge verschiedener Verkehrsträger, die Betriebsstrategien oder den Verkehrsmitteleinsatz betreffen. Bestandteile der Vorgehenslogik der „Strategischen Umwelt(verträglichkeits) prüfung“ sind ein Screening der verkehrsbedingten Umweltbelastungen im Ausgangszustand sowie der wahrscheinlichen verkehrsbedingten Umweltbelastungen unter den Szenariobedingungen sowie den Bedingungen der Prognosehorizonte in räumlicher, zeitlicher und modaler Differenzierung, und ein Monitoring und Controlling der Umweltwirkungen im Zuge der schrittweisen Umsetzung der Projekte aus der Bundesverkehrswegeplanung durch die Ausbaupläne. 2.3 Bestimmung prioritärer Korridore Die Netzbildung und Maßnahmenpriorisierung im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung (BVWP) läuft angesichts divergierender Ziele und vor dem Hintergrund der gebotenen Abwägungsprozesse Infrastruktur + Verkehrspolitik 23 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 ten Gesamtprojektkollektives daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Chance besitzen, sich erstens in den Systemzusammenhang einzufügen und zweitens eine detaillierte Wirkungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung zu bestehen. Technisch basiert die Machbarkeitsprüfung auf einer Kombination vorläufiger ingenieurtechnischer Beschreibungen der Systemzustände der Verkehrsnetze, auf Modellierungen der Verkehrsnachfrage und Verkehrsbelastungen auf Gesamtnetzebene und auf einem multikriteriellen Bewertungssystem. Auf dieser Grundlage sind im Sinne einer Pre-Feasibility Prüfung (Multi Criteria Analysis) die Ziele wie verkehrliche Effekte, wirtschaftliche Erfolge und raumordnerische Effekte unter den Constraints von technischer Machbarkeit, Umweltverträglichkeit und Verbesserung der Verkehrssicherheit zu beurteilen. Wesentliche Kriterien der Machbarkeitsprüfung sind: ̇ verkehrliche Kompatibilität, verkehrliche Effekte Auf der Ebene der Verkehrsnachfrageabschätzung im Gesamtnetzzusammenhang ist zu prüfen, ob die Projekte unerwünschte Effekte auf das jeweilige Verkehrsnetz oder auf die modale Aufteilung haben. Hierzu können Parallelinvestitionen oder unerwünschte räumliche Verlagerungen von Staus zählen. Gleiches gilt hinsichtlich kontraproduk- Bundesverkehrswege zu identifizieren, die die räumlichen Funktionen der Verbindung von Metropolregionen, Oberzentren sowie ausgewiesenen Quellen und Zielen des Personen- und Güterverkehrs wie z. B. Häfen, Flughäfen, Verknüpfungspunkte übernehmen. Sodann ist zu prüfen, ob die nationalen Netze mit den wichtigsten transeuropäischen Verkehrskorridoren und deren Ausdehnung auf die Nachbarländer kompatibel sind. Nach § 2 (8) des Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes (GeROG) hat die BVWP Ausbau und Gestaltung der transeuropäischen Netze zu gewährleisten. Entsprechend ist mit den nationalen Korridoren und Verbindungen umzugehen, die der Beirat für Raumentwicklung dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als relevant empfiehlt (vgl. § 24 (1) GeROG). Im Ergebnis der Untersuchungen und Bewertungen können die vorgeschlagenen realisierungswürdigen Projekte im Zuge von Korridoren stärker priorisiert werden, so dass die realisierbaren Verkehrswerte möglichst frühzeitig erreicht werden. 2.4 Systembewertung 2.4.1 Machbarkeitsprüfung auf der Systemebene Vereinfachte Machbarkeitsprüfungen dienen dazu, die Projekte des betrachtenicht als ein geschlossenes Optimierungsverfahren ab. Bestenfalls mit heuristischen Ansätzen kann ausgehend vom bestehenden Netz eine „günstigere“ Netzkonfiguration durch die Identifikation geeigneter Maßnahmen entwickelt und multikriteriell beurteilt werden. Die Nützlichkeit einer zusammenhängenden Realisierung von prioritären Korridoren lässt sich mit den gegebenen Verfahren nicht ausreichend darstellen. Die Identifikation und Herausstellung von wichtigen Korridoren sollte bereits innerhalb der Strategieplanung „Mobilität und Transport“ durch eine Festlegung der besonders zu berücksichtigenden Verbindungs- und Entwicklungskorridore erfolgen. Dies können Vorgaben aus der europäischen Raum- und Verkehrsnetzplanung (TEN-T), aus der nationalen Raum- und Verkehrsplanung, aus Erfordernissen von Hinterlandanbindungen (Häfen, Flughäfen, Güterverkehrszentren), aber auch von Verbindungs- und Entwicklungsanforderungen wichtiger Quelle/ Zielrelationen sein (wirtschaftliche Verflechtungen, Hinterland/ Einzugsbereiche, Rohstoff- oder Pendlerkorridore). Korridorpriorisierungen werden zweckmäßigerweise in einem vorgezogenen Arbeitsprozess unter besonderer Beachtung raumordnerischer Belange identifiziert. Zunächst wären z. B. nach den Empfehlungen der RIN diejenigen Elemente der „Wir führen unsere Marke schon seit Jahrzehnten, es kommt zunehmend zu Verwechslungen, sowohl im ÖPNV wie im Mietbusgeschäft“, sagt AO-Geschäftsführer Nico Schoenecker auf Rückfrage von „ÖPNV aktuell“. Er bedauere es sehr, dass man trotz vieler Bemühungen mit dem Partner Regionalverkehr Oberbayern (RVO) keine einvernehmliche Lösung erzielen konnte. „Jetzt ziehen wir die Grundsatzfrage vor das Landgericht München.“ Auch RVO und DB Stadtverkehr wollen die Grundsatzklärung, halten den Ball jedoch ebenfalls flach. „Gute Beziehungen zu Autobus Oberbayern, generell zum Mittelstand sind uns unverändert wichtig“, betont Alexander Möller, in der Frankfurter Zentrale für Markt und Verkehr verantwortlich. Er sieht ebenso wenig wie RVO-Marketingchef Nicolaj Eberlein eine wirkliche Konkurrenz der beiden Bezeichnungen. „Wir sehen keine Verwechslungsgefahr, weder in der Touristik, wo wir nur sehr wenig aktiv sind, noch im Linienverkehr“, so Eberlein. Im ÖPNV gebe es eine klare Markenarchitektur: In München fahre AO im blauen Kleid der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), im Umland dominiere der Markenauftritt des Münchner Verkehrsverbundes, und weiter draußen „sind wir klar Marktführer“. AO hat seine alte Wort- und Bildmarke 1999 auslaufen lassen. Seinen neuen Auftritt, der farblich an den ICE erinnert, hat der Mittelständler im April 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet. Bis heute ist er jedoch nicht als Marke eingetragen. Im Juni 2008 stellte der DB-Konzern seine Markenarchitektur für die Busgesellschaften vor, darunter „Oberbayernbus“. Für Markenrecht sind Kammern für Handelssachen zuständig, in denen auch ehrenamtliche Richter aus der Wirtschaft mitentscheiden. AO und RVO arbeiten eng zusammen: Nach der wettbewerbsbedingten Auflösung ihrer Münchner Niederlassung stellt die DB-Tochter Fahrzeuge bei AO ab, die AO-Filiale Bad Wiessee (ex Sareiter) ist am Tegernsee RVO-Subunternehmer. Die beiden AO-Eigentümerfamilien stellen mit Nico Schoenecker und Alexander Holzmair je einen Geschäftsführer. Die 180 Omnibusse von AO sind im ÖPNV unterwegs (wo man mit 50 Fahrzeugen größter Partner der MVG ist), auf dem Airportbus München Hbf. - München Flughafen, auf der Fernlinie München - Pilsen - Prag, im Mietbus-, Stadtrundfahrten-, Ausflugs- und Incominggeschäft Limousinenservice, Incentive- und Gruppenreisen und Werk t Leistungspalette ab. Beteiligung MV ) DVV Media Group Gern unterbreite ich Ihnen ein Angebot für Ihre Stellenanzeige: Sophie Elfendahl · Tel. 040 / 237 14 - 220 E-Mail: sophie.elfendahl@dvvmedia.com ÖPNV aktuell erscheint dienstags und freitags per E-Mail als geschütztes PDF. 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Zum Beispiel wird die Entwicklung der Gesamtbevölkerung durch die Verkehrsvorgänge wenig beeinflusst, so dass sie als exogen betrachtet werden kann. Dies gilt aber nicht für regionale Bevölkerungsbewegungen, die durchaus von Erreichbarkeitsqualitäten (etwa: Pendelzeiten) beeinflusst werden können. Als endogene Bereiche kommen in Frage: Entwicklung der Kostenstrukturen im Verkehr sowie im Transport und Logistik- Gewerbe, Zeitstrukturen, Handelsaustausch, regionale Verteilung von Bevölkerung und Wirtschaftskraft, Fahrzeugnachfrage, regionale Lagegunst und Erreichbarkeiten, Umweltindikatoren, soweit vom Verkehr beeinflusst, und alle Ebenen der Verkehrsnachfrage. Exogen sind vor allem: ̇ Entwicklung der Gesamtbevölkerung ̇ Entwicklung der Technologie mit Ausnahme der verkehrsrelevanten Technikbereiche ̇ Entwicklung der Weltwirtschaft und der Wirtschaft in den europäischen Nachbarländern ̇ Entwicklung der Umweltstandards, z. B. der EU-Ebene. (2) Festlegung des Detaillierungsgrades für die Teilmodelle Zielgröße der Systemmodellierung ist der Verkehr. Entsprechend ist dieser Bereich in einem größeren Detail zu modellieren als die übrigen - endogenen - Bereiche. Geographisch kann dies zum Beispiel durchgeführt werden auf Basis von NUTS 3-Regionen (in Deutschland: Kreise und kreisfreie Städte) und netzbezogen auf Grundlage der Fernverkehrsnetze zuzüglich der wesentlichen Regionalverbindungen, die für Anbindungen und für Ausweichbewegungen des Verkehrs wichtig sein können. Die übrigen Bereiche lassen sich auf wesentliche Strukturen reduzieren. So wird es im Bereich der Wirtschaft nicht erforderlich sein, komplexe regionalisierte Gleichgewichtsmodelle (SCGE) einzusetzen oder die Geldwirtschaft detailliert zu modellieren. Hier kommt es vielmehr darauf an, die Schnittstellen zum Verkehr bei Nachfrage (Konsum, Investition) und Angebot (Produktionspotential) gut zu beschreiben. Während die Systembewertung mit aggregierten Daten arbeitet, um die Interdependenzen zwischen verschiedenen Bereichen handhabbar abbilden zu können, kommt es auf den folgenden Ebenen der Korridor- und Projektbewertung zu stärkeren Disaggregierungen, die sowohl die Projekte, die Verkehrsmodellierung nen. Die Umwelt-Risiko-Einschätzung (URE) der Projekte kann zum Teil in die Machbarkeitsprüfung der Systemebene vorgezogen werden. Ergebnis dieser Machbarkeitsprüfung auf der Systemebene ist ein Kollektiv von Projekten, das den grundsätzlichen Anforderungen der Machbarkeit genügt. 2.4.2 Verfahren der Systembewertung Die Bewertung auf der Systemebene stellt im Grundsatz eine neue Komponente im Verfahrensablauf der Bundesverkehrswegeplanung dar und ist daher von Grund auf neu zu konzipieren. Sie hat zum Ziel, die Interdependenzen zwischen Verkehr, Wirtschaft, Raumstruktur, Bevölkerung, Technologie und Umwelt explizit mit Hilfe von Rückkoppelungsschleifen darzustellen, die Verstärkungswirkungen (positive Rückkoppelungen) und Dämpfungswirkungen (negative Rückkoppelungen) zu ermitteln und am Ende zu einer integrativen Beurteilung zusammenzuführen. Damit enthält das Verfahren einen prognostischen Teil (systembasierte Wirkungsprognostik) und einen bewertenden Teil (integrative Systembewertung). Räumlich umfasst der Systemansatz die europäische Dimension, also die EU- Länder plus Schweiz und Norwegen. Die darüber hinausgehenden Verbindungen zum Rest der Welt lassen sich pauschaliert behandeln. Alle Netze des Fernverkehrs sind eingeschlossen, also Straße, Schiene, Wasserstraße und Luft. Personen- und Güterverkehr werden gleichzeitig betrachtet und modelliert. Der Verfahrensablauf lässt sich - in Verfeinerung der vorstehenden Darstellung - in folgende Schritte untergliedern: (1) Abgrenzung des endogenen Bereichs Es sind diejenigen Bereiche als „endogen“ abzugrenzen, die starke wechselseitiver Beiträge für die CO 2 -Minderungsziele. ̇ wirtschaftliche Machbarkeit, wirtschaftliche Effekte Bewertete Zeitgewinne, Betriebskosteneinsparungen oder auch monetarisierte Umweltentlastungen sollten die geschätzten Projektkosten übersteigen oder zumindest eine Mindestdeckung erreichen, um in die weitere Betrachtung einbezogen zu werden. Falls eine Finanzierung durch Mauten vorgesehen ist, lässt sich eine Mindestdeckung der Kosten durch Mauterlöse vorgeben. ̇ Verkehrssicherheit Ziele der Erhöhung der Verkehrssicherheit sind auf Erreichung (z. B. Minderungsziele der Unfälle) zu überprüfen. ̇ raumordnerische Effekte Es ist zu prüfen, inwieweit ein Projekt raumordnerische Ziele der Erschließung, der Verbindung oder der Entlastung fördert oder das Merkmal einer Korridorpriorisierung aufweist. Die Raumwirksamkeitsanalyse (RWA) sollte somit in die Machbarkeitsprüfung der Systemebene vorgezogen werden. ̇ technische Machbarkeit Technische Anforderungen und Zwangspunkte können die Realisierung eines Projektes unmöglich machen oder im Falle einer Realisierung zu starken Kostenerhöhungen führen. Auf der Systemebene bedarf es somit einer Identifikation entsprechender Zwangspunkte und einer Vorab-Prüfung der technischen Machbarkeit und der voraussichtlichen Kosten-Mulitiplikatoren. ̇ umweltbezogene Machbarkeit/ Zulässigkeit Für die Umweltwirkungen lassen sich Mindestbedingungen/ -standards („safe minimum values“) formulieren, deren Einhaltung zu prüfen ist. Dies gilt zum Beispiel für Grenzwerte der Lärmimmissionen oder der Feinstaubkonzentratio- Abb. 1: Endogener Systemzusammenhang - Wechselwirkungen zwischen Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Raumstrukturen Infrastruktur + Verkehrspolitik lungsschleifen festlegen. Dabei gilt, dass das Verkehrsmodell einen höheren Detaillierungsgrad aufweisen sollte als die übrigen Modelle. Die Funktionalität der Modelle ist dem Ziel einer Systemanalyse anzupassen, um unnötigen Rechenaufwand zu vermeiden. (5) Zusammenführung der Teilmodelle auf einer Plattform Ein Systemmodell lässt sich grundsätzlich modular konzipieren, also aus verschiedenen Teilmodellen aufbauen. Hierzu ist eine geeignete Plattform zu konstruieren, die den Datentransfer zwischen den Modellen organisiert. Es ist wesentlich, die Ergebnisse eines Systemmodells zu visualisieren, um eine rasche Interpretation zu ermöglichen. Im Falle des Verkehrsmodells bedeutet dies eine geographische Darstellung der Verkehrsströme (Verkehrsbeziehungen, Umlegungen für die Netze) und in anderen Teilmodellen eine regionale Abbildung der Indikatoren (BIP, Beschäftigung, Umwelt). (6) Festlegung des Bewertungsverfahrens Drei Möglichkeiten für den Aufbau formaler Bewertungskriterien seien hier genannt 2 . Erstens lassen sich Indikatoren der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verwenden (BIP, Beschäftigung) und je nach Detaillierung des Wirtschaftsmodells derungen, mittelfristige Anpassungen, wie Änderungen der logistischen Takte, oder langfristige Umstellungen, wie die Einbeziehung der Bahn in die Nachschubketten, Veränderungen von Strategien der Lagerhaltung oder von Standortwahlen. Die Anstöße zu mittel- oder langfristigen Änderungen müssen stark und dauerhaft sein, um gravierende Änderungen von Technologie, Organisation und Verhaltensweisen auszulösen. Veränderte Kostenstrukturen im Verkehr können zu veränderten Standortpräferenzen und Standortwahlen durch Haushalte wie auch Unternehmen führen. Die ermittelten Änderungen im Mikrobereich lassen sich dann mit segmentierten Aggregationshypothesen auf die Makro- Ebene hochrechnen. Generell sind solche Mikro-Makro-Brücken der Annahme durchschnittlicher Elastizitäten für erwartete Verhaltensänderungen vorzuziehen, wenngleich Letztere bei aggregierten Bewertungsansätzen häufig eingesetzt werden. (4) Auswahl der Teilmodelle Beim Aufbau eines Systemmodells ist auf bestehende Modelle für Teilbereiche zuzugreifen. Die Teilkomponenten eines Systemmodells lassen sich in Abhängigkeit vom gewünschten Detaillierungsgrad und den zu berücksichtigenden Rückkoppe- und Teile der Bewertung betreffen (z. B.: Umweltrisiko-Einschätzung). Es ist daher notwendig, die verschiedenen Detaillierungsgrade a priori zu definieren und dabei die Konsistenz zwischen den Aggregationsebenen zu wahren. (3) Festlegung der wesentlichen Rückkoppelungsschleifen Der größte Teil der Wechselbeziehungen lässt sich mit Hilfe von getesteten ingenieurwissenschaftlichen, ökonomischen und ökonometrischen Ansätzen beschreiben. Dies gilt zum Beispiel für die Beziehungen zwischen Fahrzeugbeschaffungen und volkswirtschaftlicher Endnachfrage oder zwischen Fahrzeugbewegungen und Umweltbeeinflussung. Daneben gibt es aber auch mögliche und künftig relevante Rückkoppelungsschleifen, die in der Vergangenheit nicht wirksam waren und daher auch nicht auf Basis empirischer Befunde quantifiziert werden können. Dies bezieht sich vor allem auf mögliche Trendbrüche, wie etwa die Entkoppelung des Straßengüterverkehrs vom BIP. An dieser Stelle sind möglicherweise Zusatzmodellierungen im Mikrobereich erforderlich, um Makrobeschreibungen zu fundieren („Mikro-Makro- Brücken“). So gibt es beispielsweise im Logistik- und Transportbereich kurzfristige Reaktionen, wie Routen- oder Tourenplanän- Heute schon wissen, worüber Ihre Branche morgen spricht! Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) steht hinter der Auslandsexpansion der Deutschen Bahn (DB). Marktanteilsverlusten auf dem Heimatmarkt müsse sie damit begegnen, sich im Güterwie im Personenverkehr international „ein paar weitere Standbeine“ zu sichern. Sonst werde „langfristig ihre Existenz gefährdet“ sein, sagte der Minister im Interview der „Süddeutschen Zeitung“. „Es ist daher auch im Interesse der deutschen Steuerzahler, wenn der Konzern im Ausland tätig ist.“ Für den geplanten Börsengang nannte er einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Zuhause drohte der Minister dem staatlichen Verkehrskonzern mit der Trennung vom Netz, wenn Wettbewerbern nicht wirklich diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur erhielten. „Es führt kein Weg daran vorbei: Wir brauchen mehr Wettbewerb, und deshalb muss die Bahn ihre Konkurrenten fair behandeln.“ Die neue Konzernspitze habe diesen Zusammenhang erkannt. Derzeit prüft das Bundesverkehrsministerium nach Ramsauers Angaben, ob die DB die Gewinne aus dem Netz „nicht mehr vereinnahmen darf, sondern in die Infrastruktur reinvestieren muss“. Dies wertete der Minister als ersten, kleinen Schritt in Richtung einer Trennung vom Netz. In den letzten Tagen war bekannt geworden, dass die DB einen Rekordgewinn von voraussichtlich 750 Mio. EUR aus der Infrastruktur erzielen werde. Die Grünen wolle d den Bundesrechnungshof und die EU Kom i R DVV Media Group GmbH | Nordkanalstr. 36 | 20097 Hamburg | Tel. +49 40/ 237 14-292 | vera.hermanns@dvvmedia.com ÖPNV aktuell ist der neue Wirtschaftsinformationsdienst für den gesamten öfentlichen Personenverkehr. Immer dienstags und freitags und damit über 100x im Jahr nden Sie in ÖPNV aktuell Wirtschaftsnachrichten mit Nutzwert aus allen Bereichen des öfentlichen Verkehrs. Nutzen Sie in einem Umfeld mit wachsender Marktdynamik ÖPNV aktuell zu Ihrer persönlichen Orientierung. Sichern Sie sich jetzt Ihr Probeabo: www.oepnvaktuell.de Infrastruktur + Verkehrspolitik 26 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 te Verfahren eher für die Untersuchung von Prioritäten. Dies führt zum Vorschlag, den Basisfall („Ohne-Fall“) als Netz der Bundesverkehrswege ohne die Maßnahmen der BVWP zu definieren. Entsprechend wird auf der Korridorebene für jeden der definierten Korridore ein Planfall definiert, so dass die Wirkungen durch Vergleich zwischen den Entwicklungen im „Ohne-“ und im „Mit- Fall“ ermittelt werden können. (3) Festlegung der Projekte im jeweiligen Korridor Aufgrund der durchgeführten Engpassanalysen und der Systembetrachtung gibt es für einen betrachteten Korridor eine Liste von Ausbauvorschlägen, die auf der Systemebene abgestimmt sind. Diese sind an dieser Stelle zu konkretisieren, d. h. als Projekte zu definieren. (4) Abbildung der Vernetzung mit dem Regionalverkehr Die Verknüpfung von korridorbezogenen Maßnahmen mit den angeschlossenen Regionen spielt an dieser Stelle der Bewertung eine hervorgehobene Rolle. Denn die Zeit- oder Kostenvorteile von aufwendigen Maßnahmen entlang eines Korridors (z. B. Hochgeschwindigkeitsverkehr, Gütertransporttrassen der Bahn) müssen in die regionalen Netze weitergegeben werden können, um positive Wirkungen zu entfalten. Ferner ist für die raumwirtschaftliche Bewertung wesentlich, dass auch Regionen außerhalb eines Korridorbandes oder in einiger Entfernung von Haltepunkten überregionaler Züge positiv beeinflusst werden, um eine Konzentration der Vorteile auf Agglomerationen innerhalb eines Korridors zu vermeiden. Vor allem können auch Entlastungen regionaler Netze berücksichtigt werden, die aus Rückverlagerungen von Fernverkehren auf die dann als ausgebaut unterstellten Fernverkehrsnetze resultieren. (5) Verknüpfung der Bewertung mit der Systemebene Auf dieser Bewertungsstufe sind die Bewertungskriterien der Systemebene relevant. Dies bedeutet, dass neben den KNA- Kriterien vor allem die Aspekte der Raumwirksamkeit (RWA) und des Umweltschutzes (URE) eine Rolle spielen. Analyse der Interdependenzen Interdependenzen zwischen Korridoren können synergetisch (komplementär) oder konkurrierend (substitutiv) sein. Interdependenzen in Verkehrsnetzen lassen sich durch die Differenz der Verkehrsbelastungen mit/ ohne Existenz weiterer Maßnahmen im Fernverkehrsnetz quantifizieren. Obwohl eine große kombinatorische Vielfalt von Netzkonstellationen durchzuprüfen wäre, um alle möglichen Interdependenzen zu quantifizieren, reicht im allgemeinen ein Expertencheck aus, um die Korridore zu identifizieren, die größere Einflüsse aufeinander ausüben. So liegt es auf der Hand, dass parallel verlaufende Korridore substitutive Interdependenzen aufweisen, d. h. Verkehr wird von dem ̇ Bestimmung kritischer Zeitpfade für Parameterkonstellationen, welche die gewünschten Entwicklungen gefährden können. ̇ Daraus folgend: Notwendige Begleitmaßnahmen zur Sicherung einer Entwicklung oberhalb der kritischen Pfade. (9) Auswahl geeigneter Szenarien Die Ergebnisse sind somit von Gremien (Entscheidungsträger, Experten) auszuwerten. Dabei ist zu entscheiden, ob bereits ein Szenario als eindeutig favorisiert gelten kann oder weitere Systemrechnungen mit veränderten Ausgangsparametern notwendig sind. So kann man versuchen, das beste Szenario durch Anreicherung von Eigenschaften der nächstbesten Szenarien noch besser oder weniger anfällig zu machen. 2.4.3 Verfahren zur Bestimmung prioritärer Korridore Bei der methodischen Bestimmung prioritärer Korridore (vgl. Abschnitt 2.4) sind folgende Punkte wesentlich: (1)Bestimmung potenzieller Korridore (2)Festlegung der Mit- und Ohne-Fälle (3)Festlegung der Projekte im jeweiligen Korridor (4)Abbildung der Vernetzung mit dem Regionalverkehr (5)Verknüpfung der Bewertung mit der Systemebene (1) Bestimmung potenzieller Korridore In einem ersten Schritt ist die Liste der Kandidaten für die Korridoruntersuchungen zusammenzustellen. Dabei gibt es zwei Wege - zum einen der Rückgriff auf politisch bestimmte Korridore, zum anderen die Bestimmung der Korridore nach Kriterien aus den Bereichen Verkehr und Raumordnung. Die TEN-Korridore sind von der EU vorgegeben und bilden auch für Deutschland einen ersten Ansatz für die Korridordefinition. Weiterhin können Korridore in Abstimmung zwischen Bund und Ländern definiert werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, raum- und verkehrswirtschaftliche Kriterien zu kombinieren und daraus Vorschläge für Korridore zu generieren. Beispiel ist die Richtlinie für integrierte Netzgestaltung RIN, die in der Kategorie 0 die Metropolregionen hochwertig verknüpfen möchte. Eine Zusammenführung mit den Engpassanalysen (vgl. Abschnitt 2.2) führt zu einem sachlich fundierten Kandidatenvorschlag. (2) Festlegung der Mit- und Ohne-Fälle Grundlage der Korridorbewertung ist ein Vergleich der Entwicklungen „mit“ und „ohne“ Ausbau der Bundesverkehrswege im betrachteten Korridor. Dabei gibt es zwei alternative Vorgehensweisen. Erstens kann man von einem Netz ohne Ausbaumaßnahmen ausgehen und die Korridormaßnahmen hinzufügen („add“). Zweitens lässt sich das Netz einschließlich aller Maßnahmen als Ausgangsbasis definieren, wobei die Korridormaßnahmen herausgenommen werden („drop“). Dabei eignet sich das ersregionalisieren oder sektoralisieren. Dies lässt sich durch Indikatoren aus dem Umweltbereich anreichern. Eine solche Zusammenfassung hat den Vorteil, dass sie auch für Nicht-Ökonomen gut verständlich und interpretierbar ist. Zweitens lassen sich die Ergebnisse in Form einer vereinfachten Nutzen-Kostenrechnung zusammenfassen. Zwar ist auf dieser Stufe eine Berechnung von Zeitkosten- und Betriebskostendifferenzen noch nicht möglich ist, doch lassen sich Erreichbarkeitsmaße bestimmen und pauschal monetarisieren. Drittens ist eine nutzwertanalytische Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Teilmodellen möglich. Diese können in einer ersten Stufe zu aggregierten Indikatoren für die Bereiche Wirtschaft, Soziales, Raumordnung, Sicherheit und Umwelt zusammengefasst werden, zum Beispiel in Form von Zielerreichungsgraden. Damit ließe sich ausweisen, in welchem Maße vorgegebene Globalziele (z. B.: CO 2 -Minderung) erreicht werden. (7) Durchführung von Szenarienrechnungen Die politisch definierten Szenarien sind in der Regel auf wenige Alternativen begrenzt, so etwa auf ein Basis-Szenario, ein Trend-Szenario und einige Politik-Szenarien (vgl. Abschnitt 2.1). Die Festlegung der Szenarienbedingungen hat einen großen Einfluss auf das Ergebnis und sollte daher in Abstimmung mit den wesentlich betroffenen Organisationen geschehen. Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages und die Länder sollten an dieser Stelle ebenso eingebunden werden wie Wirtschafts- und Umweltverbände. Die Verkehrsbedarfe des Fernverkehrs sind auf das vorab festgelegte Fernverkehrsnetz der Bundesautobahnen und prioritärer Aus-/ Neubaustrecken des Fernverkehrs umzulegen. Diese Basisbelastung ist zu ermitteln für a) den Analyse-/ Ausgangszustand, b) Nachfragezustände des Prognosehorizonts (z. B. 2030) c) Nachfragezustände eines von der Lebensdauer bzw. Lebenszyklusbetrachtung abgeleiteten Langfrist-Prozesshorizontes (z. B. 2050) sowie d) „Stützwerte“ der Nachfragezustände im zeitlichen Abstand von fünf oder zehn Jahren. Auf dieser Grundlage ergibt sich die Möglichkeit einer dynamisierten Gesamtbeurteilung - aufbauend auf Beurteilungen für Zeitquerschnitte als „Stützwerte“. (8) Sensitivitäts- und Risikoanalysen Übliche Sensitivitätsanalysen variieren ausgewählte Parameter (zum Beispiel den Zeitkostensatz) und produzieren so eine Bandbreite von Ergebnissen. Bei Systembewertungen sind diese z. B. in folgende Richtungen zu ergänzen: ̇ Bestimmung kritischer Parameterwerte, welche die gewünschten Entwicklungen gefährden können. Infrastruktur + Verkehrspolitik 27 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 men ergibt sich nach abnehmendem NKV. Wiederum ist die Voraussetzung, dass die RWA- und URE-Tests erfolgreich bestanden wurden. 3.2 Projekt-Controlling Das Projekt-Controlling erstreckt sich über alle Phasen der Projektplanung und -umsetzung. Es umfasst die im Folgenden dargestellten Kernaktivitäten. (1) Kontrolle und Harmonisierung der Eingangsdaten Allen Vertretern von zu bewertenden Projekten ist vorab eine Liste der notwendigen Eingangsdaten mit Dimensionierung und Definition bekannt zu geben. Mit Einreichung der Projektunterlagen werden die Bewertungsgrunddaten in eine Erfassungsdatei übernommen und übersichtlich dokumentiert. Die Eingangsdaten müssen soweit wie möglich auf Plausibilität geprüft werden. Das betrifft vor allem die bisher tendenziell zu niedrig geschätzten Baukosten. Hier helfen Vergleichsdaten aus Spezifizierungen nach Projekttypen, d. h. mit Bezug auf Einheitslängen. Die Baumaßnahme wird auf Standardabschnitte herunter gebrochen (freie Strecke, Brücken, Tunnel etc.) und deren geschätzten Baukosten mit Erfahrungen aus realisierten Bauten dieses Typs verglichen. (2) Dokumentation des Bewertungsprozesses Der gesamte Bewertungsprozess wird dokumentiert, also die Eingangsdaten, die Fortschreibung der Daten und die Daten, die endgültig in die Bewertung eingehen, sowie die Ergebnisse der einzelnen Bewertungsschritte und das Gesamtergebnis. Dazu wird eine von allen Interessierten (ggf. mit beschränkten Zugriffsrechten) einsehbare Internetplattform geschaffen, die durchgeführte Veränderungen erklären kann. Das zwingt, die verabredete Methodik strikt einzuhalten. (3) Projekt-Controlling im weiteren Umsetzungsprozess Nach erfolgter Bewertung gelangen die als bauwürdig beurteilten Projekte in diversen Schritten zur Baureife. Während dieser Phase werden die Projekte immer konkreter beplant. Zum einen sollte der jeweilige Status des Projektes zu verfolgen sein, zum anderen muss bei gravierenden Abweichungen bei den für die Bewertung relevanten Kenngrößen wie insbesondere Baukosten, aber auch Fahrzeiten oder Belastungen eine Neubewertung erfolgen. Wenn ein Projekt dadurch die Bauwürdigkeit verliert, wird der Realisierungsprozess gestoppt. Dadurch wird vermieden, dass die Projektvertreter die Kosten zunächst drastisch herunterrechnen und nach positivem Bescheid die wahren Kosten ans Tageslicht treten. Das Projekt-Controlling setzt somit ein Informationssystem über den jeweiligen Projektstatus voraus. Die Statusinformationen begleiten die Vorbereitung und Durchführung von Projekten und stoßen ein rechtzeitiges Reagieren der Entscheidungs- 1. Zeitvorteile 2. Betriebskostenvorteile 3. Unfallkostenvorteile. Damit tritt das der gegenwärtigen BVWP inhärente Problem der Doppelzählungen von Nutzen (z. B. von Zeiteffekten) nicht mehr auf. Einer Weiterentwicklung bedarf die Abbildung der Zeitvorteile, indem Untergrenzen der Berücksichtigung unter Beachtung der Nutzbarkeit dieser inkrementellen Zeitvorteile definiert werden. Einer weiteren Überprüfung bedürfen die Wertansätze für Zeitvorteile. (2) Alternativenauswahl bei konkurrierenden Projekten Gibt es mehrere einander ausschließende Möglichkeiten für die Realisierung eines Projektes, so ist eine Alternativenauswahl erforderlich. Bestehen alle Alternativen die RWA- und URE-Prüfung, so geht es um die Wahl der Alternative mit dem höchsten monetären Nutzen durch Zeit-, Betriebskosten- und Unfallkostenvorteile. Alternativ können RWA, URE und monetäre Nutzen-Kosten-Analyse in einer Multi-Criteria-Analyse zusammengeführt werden. Das Problem der Alternativenauswahl kann sich bereits auf den System- und oder Korridorebenen stellen, wo es mit vereinfachten Annahmen und grober Netzmodellierung zu lösen ist, ohne dass damit eine endgültige Entscheidung über das Projektdesign getroffen wäre. Erst auf der Ebene der Projektbewertung sind die Beurteilungsgrundlagen in einem Detaillierungsgrad vorhanden, der eine Entscheidung über die Auslegung eines Projektes ermöglicht. Bei größeren Änderungen gegenüber den Annahmen zur System- und Korridorbewertung wäre im Prinzip eine Rückkoppelung vorzusehen. (3) Festlegung der Reihenfolge von Maßnahmen innerhalb von prioritären Korridoren Sind prioritäre Korridore festgelegt, so folgt daraus, dass diese zusammenhängend zu realisieren sind. In diesem Falle geht es um die optimale Festlegung der Bauabschnitte. In der Regel wird es nur wenige wirtschaftlich/ planungsrechtlich und technisch sowie verkehrlich sinnvolle Alternativen für die Baureihenfolge geben, die als alternative Gesamtprojekte mit dem obigen Kriterienkatalog getestet werden können. Am Ende ist die Baureihenfolge zu bevorzugen, die unter Voraussetzung rechtlicher Umsetzbarkeit das Verhältnis von Ertrag und Aufwand - monetärer und nicht-monetärer Art - maximiert. (4) Bewertung von Maßnahmen außerhalb von prioritären Korridoren In diesem Falle können alle verbleibenden Maßnahmen als unabhängig voneinander gelten, so dass die Anwendung einer einfachen Nutzen-Kosten-Regel, also des Nutzen-Kosten-Verhältnisses (NKV), mit den obigen Nutzenkriterien möglich ist. Die Prioritätenreihung dieser Maßnahzuerst ausgebauten Korridor abgezogen, sobald der zweite gleichfalls realisiert und nutzbar ist. Dagegen ist die Wirkung von einander kreuzenden Korridoren in der Regel komplementär. Zur Quantifizierung der Interdependenzen sind die Quell-Ziel-Beziehungen in der Verkehrsmatrix zu identifizieren, die sensitiv auf die untersuchten Korridore reagieren. Während der Korridor mit der höchsten Priorität (K1) nach dem in Abschnitt (2) vorgestellten Verfahren bewertet wird (Vergleich „Mit-Fall“, „Ohne-Fall“), werden die zu K1 substitutiven und komplementären Korridore auf Grundlage eines modifizierten Basisfalles bewertet („Ohne- Fall“+K1). Reihenfolgebildung (Prioritäten) Im Ergebnis des ersten Schrittes liegt eine Prioritätenfolge ohne Berücksichtigung von Interdependenzen fest. Der zweite Schritt korrigiert diese Sequenz durch Beachtung der Interdependenzen. Im Falle von substitutiven Beziehungen mit einem Korridor höherer Priorität kommt es zu einer Abwertung und einer entsprechenden Rückstufung in der Prioritätenliste. Im Falle von komplementären Beziehungen wird dagegen der synergetisch wirkende Korridor aufgewertet. 3 Weiterentwicklung der Bundesverkehrswegeplanung - Projektebene und Projektbewertung 3.1 Methodik der Projektbewertung Die Projektbewertung bezieht sich nur auf Projekte, die Bestandteile des Netzes der Bundesverkehrswege d. h. der Systemlösung sind. Bei der Projektbewertung geht es um folgende Problembereiche: (1)Festlegung der Methodik (2)Alternativenauswahl bei konkurrierenden Projekten (3)Festlegung der Reihenfolge von Maßnahmen innerhalb von prioritären Korridoren (4)Bewertung von Maßnahmen außerhalb von prioritären Korridoren. (1) Festlegung der Methodik Zwar sind die ausgewählten Korridore nach dem vorgeschlagenen Vorgehenskonzept bereits im Hinblick auf Umweltrisiken (URE) und Raumwirksamkeit (RWA) geprüft worden, allerdings auf dem Niveau der Pre-Feasibility. Da die die konkrete Trassierung noch nicht bekannt war, sind beide Prüfungen weiterhin erforderlich, sowohl für Maßnahmen in ausgewählten Korridoren als auch für Maßnahmen außerhalb von Korridoren. Der methodische Ablauf besteht damit aus zwei Schritten: A: Durchführung von RWA und URE B: Durchführung einer monetären Nutzen-Kosten-Analyse oder einer Multi- Criteria-Analyse. Aufgrund der System- und Korridorbewertung lässt sich die Nutzen-Kosten-Analyse bzw. die Multi-Criteria-Analyse auf wenige Kriterien 3 reduzieren: Infrastruktur + Verkehrspolitik 28 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 sich aus der Beschränkung der Bundesverkehrswegeplanung auf Elemente des Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetzes mit Fernverkehrsfunktionen ergeben. Hierzu ist eine Neudefinition der Bundesverkehrswege mit entsprechender Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern erforderlich. ̇ Der Wissenschaftliche Beirat ist in Kenntnis der bisherigen Verfahrensabläufe und Verfahrensaufwände der Auffassung, dass die Zusatzaufwände durch die strategische Zielplanung, die letztlich vor allem der Festlegung der gesamtpolitischen Ziele für Raumentwicklung, Klima- und Umweltschutz, Erreichbarkeiten und Wirtschaftsentwicklung dient und in Anforderungen/ Standards fixiert wird, wie auch durch die Prüfung alternativer Investitions- und Handlungsprogramme auf der „Systemebene“ durch die Aussagenmöglichkeiten wie auch durch die Vereinfachungsmöglichkeiten auf der „Projektebene“ nicht nur kompensiert werden, sondern die Aufwände in der Gesamtbilanz sinken. Dies gilt insbesondere dann, wenn den Vorschlägen des Beirats gefolgt wird, das Kollektiv der zu behandelnden Projekte auf Bundesautobahnen und auf stark durch interregionale Verkehre belastete Bundesstraßen zu begrenzen. Der Beirat ist der Überzeugung, dass die hierarchische Behandlung der Themenstellung, d. h. die Trennung von Strategie-, System- und Projektebene, insbesondere dazu beiträgt, die zeitliche Stringenz des Arbeits- und Entscheidungsprozesses zu erhöhen. Dies gilt insbesondere, weil vermieden wird, bei Projektbeurteilungen wieder die Grundsätze der Strategieplanung und die Ergebnisse der Systembetrachtungen („Handlungsszenarien“) zu hinterfragen. ̇ Die Erhaltung der Verkehrsnetze wird künftig einen immer größeren Anteil an den Verkehrsinvestitionen beanspruchen müssen. Daher empfiehlt der Beirat eine langfristige Erhaltungsplanung durchzuführen und in die Bundesverkehrswegeplanung auf den Ebenen der System- und Projektplanung zu integrieren. ̇ Eine abgestimmte Gesamtplanung für die Bundesverkehrswege verlangt die Koordinierung mit Standortkonzepten für Häfen, Flughäfen und große Güterverkehrszentren. Dies bedingt eine Abstimmung zwischen Bund, Ländern und den großen Betreibergesellschaften. ̇ Um die Hauptkorridore der internationalen und nationalen Verkehrsbeziehungen als Rückgrat der Gesamtnetze leistungsfähig zu gestalten und eine funktionale Einbindung in transeuropäische Netze frühzeitig und vollständig zu gewährleisten, empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat, Planung, rechtliche Sicherung, Finanzierung und Bau derartiger Hauptkorridore prioritär und zeitlich konzentriert zu betreiben, damit positive Effekte auf den wirtschaftlichen Austausch entfaltet werden können. grad angestrebt werden, der den Anteil staatlicher/ öffentlicher Finanzierung gering hält. Andererseits sollte ein festzulegender Staatsanteil berücksichtigt werden, wenn mit den Infrastrukturinvestitionen politische Ziele und Gestaltungsaufgaben (Daseinsvorsorge, Umwelt) verfolgt werden. 5 Zusammenfassende Empfehlungen ̇ Der Wissenschaftliche Beirat für Verkehr empfiehlt dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem Verfahren der Bundesverkehrswegeplanung eine gesamthafte Strategieplanung „Mobilität und Transport“ vorzuschalten. Diese legt mittelbzw. langfristig die Perspektiven der Verkehrssystemgestaltung fest, muss jedoch kontinuierlich überprüft und fortgeschrieben werden. Unter Vorgabe übergeordneter Ziele und Bedingungen der Raumentwicklung, der Erreichbarkeiten, der Minderung von CO 2 -Emissionen und des Klimaschutzes, des Umweltschutzes, der Verbesserung der Verkehrssicherheit und der begrenzten Finanzmittel für Verkehrsinfrastrukturen sind Aussagen und Festlegungen zu langfristigen Infrastrukturmaßnahmen und den zugehörigen grundsätzlichen betrieblichen Regelungen, Bedingungen für den Fahrzeugeinsatz, einzuhaltenden Umweltstandards sowie Kostenanlastungen zu treffen. ̇ Zur Identifikation und Beurteilung aller Langfristwirkungen einer Strategie „Mobilität und Transport“ empfiehlt der Beirat die Prüfung alternativer Investitions- und Handlungsprogramme auf der „Systemebene“ aller fernverkehrsrelevanten Netze. Damit gehen die Wechselwirkungen zwischen Verkehr, Wirtschaft, Sozialsystem, Umwelt und Raum/ Siedlungsstruktur in die Gesamtbeurteilung ein. Insbesondere lassen sich übergeordnete Prüfaspekte wie „Strategische Umweltprüfung“, „Raumwirksamkeit“, „Minderungsstrategien für CO 2 -Emissionen“ oder „Strategien für die Reduktion von Unfallzahlen“ sowie „Wirtschaft und Beschäftigung“ hinsichtlich ihrer Zielerreichung beurteilen. Für die nachfolgende Projektbeurteilung ist eines der auf der „Systemebene“ untersuchten Investitions- und Handlungsprogramme auszuwählen und der Projektbeurteilung, -auswahl und -priorisierung zugrunde zu legen. ̇ Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt, auf allen Betrachtungsebenen zur Planung der Bundesverkehrswege die alleinige Fokussierung auf Infrastrukturmaßnahmen aufzugeben und verkehrspolitische Maßnahmenbündel, bestehend aus investitions-, ordnungs-, preis-, informations- und vor allem intelligenten organisationspolitischen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit über mittel- und langfristige Zeiträume zu prüfen. ̇ Liegt eine integrierte Systembewertung für Investitionsprogramme vor, so lässt sich die Bewertung von Einzelvorhaben („Projektbewertung“) stark vereinfachen. Eine weitere Vereinfachung kann träger bei Abweichungen vom Projektplan an: z. B. Gegensteuern, Neubewertung bis hin zum Projektabbruch. (4) Ex-Post-Evaluation der Projektwirkungen Die Verkehrswegeprojekte des Neu- und Ausbaus wie auch der Erneuerung beanspruchen in hohem Maße gesellschaftliche Mittel. Es ist daher legitimer gesellschaftlicher Anspruch, die Handlungsziele und die Zielgenauigkeit auf Erfüllung im Sinne einer Evaluation zu überprüfen. Dies bedeutet, dass die faktischen verkehrlichen Effekte, die betriebswirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Vorteile, die Umwelt- und Klimawirkungen sowie die Raumerschließung in zeitlichen Querschnitten nach Fertigstellung (ex post) ermittelt und bewertet werden müssen. Die Ex-Post-Evaluation dient auch dazu, Erfahrungen und Erkenntnisse über Projektwirkungen zu verbreitern und zu vertiefen und damit zukünftigen Projektbewertungen zugrunde zu legen. Insbesondere lassen sich festgestellte Planungs- oder Bewertungsmängel in der Folge vermeiden und die Qualität des Prozesses ständig verbessern. 4 Investitions- und Finanzierungsplanung Die BVWP ist eine Investitionsrahmenplanung, die eine politische Absichtserklärung und noch kein verbindliches Programm oder gar Finanzierungsprogramm darstellt. Die Umsetzung der BVWP erfolgt durch die Gesetzgebung (z. B. Bundesfernstraßenausbaugesetz, Bundesschienenwegeausbaugesetz), für deren Realisierung Finanzmittel im Bundeshaushalt eingestellt werden. Die tatsächlichen Investitionen hängen damit von den konkreten Finanzierungsspielräumen des Bundes ab. Durch diese situationsorientierte Mittelbereitstellung, die zudem der Jährlichkeit des Haushalts unterliegt, kommt ein erhebliches Unsicherheitselement in den Planungsvollzug. Auch die Mittelfristige Finanzplanung des Bundes mit ihrem Zeithorizont von fünf Jahren bringt nur eine begrenzte Erweiterung der Planungssicherheit, zumal die Laufzeit der BVWP bei 15 Jahren liegt. Der Beirat regt daher an, dass begleitend zu der Investitionsplanung eine langfristige Finanzplanung für den gesamten Zeitraum des BVWP vorgelegt wird. Eine solche Finanzplanung müsste integrierter Bestandteil des BVWP werden. Der Beirat hat mit seiner Stellungnahme von 2005 „Privatfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur“ einen Weg zu einer verlässlichen und erweiterten Finanzierungsbasis für die Verkehrsinfrastrukturen aufgezeigt. Die Strategieplanung „Mobilität und Transport“ sollte daher auch Aussagen über den angestrebten Deckungsgrad der Wegekosten enthalten. Damit würde definiert, welcher Anteil der Wegekosten aus Nutzerentgelten (spezifische Steuern, Maut; Trassenpreise) gedeckt werden soll. Gemäß dem Prinzip der Nutzerfinanzierung sollte einerseits ein möglichst hoher Deckungs- Infrastruktur + Verkehrspolitik rungs- und Finanzierungsverantwortung zu denken. * Die Langversion erschien in Heft 3/ 2009 der Zeitschrift für Verkehrswissenschaft. 1 Aufzählungen sind im gesamten Text nur beispielhaft und nicht als vollständige Auflistungen aller Möglichkeiten zu verstehen. 2 In der ökonomischen Literatur wird häufig der wohlfahrtstheoretische Ansatz empfohlen, der mit Hilfe von Konsumen-ten-/ Produzentenrenten oder äquivalenten Einkommensvariationen arbeitet. Dieser ist aufgrund des hohen Abstraktionsgrades problematisch und für den Anwender wenig verständlich. 3 Im Sinne der EUNET Studie für die EU-Kommission sind dies die „mandatory impacts“ einer Kosten-Nutzen-Analyse. ̇ Prozessbegleitende Überwachungen sowie Ex-post-Evaluierungen sind auch für Verkehrsinfrastrukturplanungen des Bundes unerlässlich, um die Abläufe zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. Daneben ist es auch für den öffentlichen Bereich wesentlich, positive Erfahrungen in die laufenden und künftigen Prozesse einzubringen und festgestellte Fehler zu vermeiden. Der Beirat regt an, hierzu die erforderlichen institutionellen Zuordnungen zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist an eine Ausweitung des Aufgabenbereichs der VIFG in Richtung auf mehr Koordinie- ̇ Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt, für die Systemebene eine neue Bewertungsmethodik aufzubauen. In Konsequenz ist auch die Projektbewertung zu reformieren, wobei hier erhebliche Vereinfachungen möglich sind. In diesem Zusammenhang ist eine kritische Prüfung der Bewertung von Reisezeitgewinnen, die derzeit das dominierende Element im BVWP-Verfahren darstellen, angezeigt. Eine explizite Einbeziehung des Kriteriums „Zuverlässigkeit“ wird im Hinblick auf eine möglichst störungsarme Nutzung der Verkehrsinfrastrukturen empfohlen. ̇ Bei der Aufteilung der Finanzmittel auf Verkehrsprojekte sollte die Zielorientierung im Sinne verbesserter Erreichbarkeit, Emissionsreduktionen, Raumentwicklung und wirtschaftlicher Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Der Länderproporz darf nur ein nachgeordnetes Kriterium sein. In diesem Zusammenhang erinnert der Wissenschaftliche Beirat an seine Einschätzung, dass zur Verstetigung der erforderlichen Investitionen bei den Bundesverkehrswegen eine Nutzerfinanzierung gegenüber der heutigen Finanzierung über den Bundeshaushalt als die sachgerechtere und verlässlichere Lösung erscheint. Eine solche Umstellung bietet gute Möglichkeiten, den zielgemäßen Einsatz der erwirtschafteten Mittel über eine Betreibergesellschaft neu zu ordnen. ̇ Die BVWP ist eine Investitionsrahmenplanung und stellt daher noch kein verbindliches Finanzierungsprogramm dar. Die tatsächlichen Investitionen hängen einerseits von den konkreten Finanzierungsspielräumen des Bundes ab, anderseits ist eine verstärkte Einbeziehung von privatem Kapital, etwa in Form von PPP- Modellen, anzustreben. Mit Hilfe von Privatbeteiligungen lassen sich Großprojekte zumindest in vielen Fällen wesentlich schneller realisieren, als dies bei der üblichen Haushaltsfinanzierung möglich wäre. Summary Strategic planning for mobility and transport Basic traffic development targets and their implementation, together with the evaluation of all the traffic development targets and a review of the entire transport system should be combined in the strategy plan “Mobility and Transport“, for which the BMVBS (Federal Ministry of Transport, Building and Urban Development) holds responsibility. Covering both passenger and freight transport, the plan deals with transport Infrastructure, fixtures for transport facilities, operational and legal systems, organization, and responsibilities of concerned authorities, information systems, and other relevant basic conditions. The starting point for strategic planning, which is focused on target-orientation and work-related guidance, covers the targets or target-settings for the development of an overall transport system. Due attention is given to ̇ the feasibility of target achievement by taking into account the involvement of qualified people and an economically viable exchange process that is closely linked to the functional and spatial division of work ̇ the economical use of the financial means available to cover the construction, expansion, renovation, maintenance and functional aspects of transport infrastructure ̇ transport safety by taking into account the targets and task-settings ahead. This includes spatial development and regional planning by way of linking, opening up, interconnecting, and the easing of congestion in, specified areas in order to safeguard the polycentric settlement system of the Federal Republic of Germany. Furthermore, to develop metropolitan areas, to preserve the existing supply system for less populated areas on the periphery with the help of centrally located points of distribution ̇ climatic protection and a reduction of climate-relevant emissions (CO 2 ) caused by the transport sector, and to cope with their effect on the climate ̇ the reduction in environmental pollution caused by transport-generated noise and air pollutants ̇ the economical use of existing space, also for future sustainable development. Obwohl die Empfehlungen der von der Bundesregierung eingesetzten ‚Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturinanzierung’ breite Zustimmung in der Öfentlichkeit und Politik fanden, erhielten sie vor allem durch diverse Faktoren in der Bundeswahl 2005 kaum Beachtung. In der Neuerscheinung „10 Jahre Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ wird auf 227 Seiten sowohl die Komplexität eines systematischen Paradigmenwechsels in der Verkehrsinfrastrukturinanzierung dargestellt als auch seine weitreichende Bedeutung für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. 10 Jahre Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturinanzierung Weitere Informationen inden Sie unter www.eurailpress.de/ regierung Kontakt: Güterverkehr + Logistik 30 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Abb. 1: Transportkette Hafen - Hinterland mit Hilfe des Schienengüterverkehrs René Schönemann Schienengüterverkehr an der Schnittstelle zum Seeschiff Integration in der Transportkette An den Grenzen zwischen zwei logistischen Teilsystemen müssen sowohl Güterals auch Informationsflüsse Barrieren überwinden. Eine Integration der Teilsysteme zu Transportketten soll helfen, diese abzubauen. Am Beispiel der Schnittstelle zwischen Seeschiff und Schienengüterverkehr ist zu erkennen, welche Schwierigkeiten bei der Integration zweier Systeme auftreten können. Der Autor Dipl.-Verk.wirtsch. René Schönemann, Technische Universität Berlin, Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, Salzufer 17-19, 10587 Berlin, RSchoenemann@railways.tu-berlin.de U nter einer multimodalen Transportkette ist allgemein der Transport von Gütern mit Hilfe von mindestens zwei verschiedenen Verkehrsträgern zu verstehen. In intermodalen Transportketten werden dazu einheitliche Ladeeinheiten, in der Regel ISO-Container, verwendet. Das transportierte Gut selbst wird dabei nicht umgeschlagen. Für den Güterumschlag stehen an den Systemgrenzen entsprechende Einrichtungen zur Verfügung. Umschlageinrichtungen von besonderer Bedeutung sind die internationalen Seehäfen. Sie sind Bindeglieder für Warenströme zwischen den Kontinenten im Hauptlauf und den vor- und nachgelagerten Hinterlandverkehren. Beim Transport von Warenströmen im Vor- und Nachlauf spielt wiederum die Eisenbahn, insbesondere bei langlaufenden Containerverkehren, eine wesentliche Rolle und erreicht einen nennenswerten Modal Split u. a. bei Verkehren von und zu den Häfen von Hamburg (32 %), Bremen (35 %) und Zeebrügge (31 %) 1 . Das in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegene Transportaufkommen, insbesondere im Containerverkehr führte zu einer unvermeidbaren Entwicklung: Containerschiffe werden immer größer und unterliegen in ihrem Größenwachstum scheinbar nur wenigen unlösbaren technischen oder technologischen Grenzen 2 . Seeschiffe mit einer Kapazität von 10 000 TEU und mehr sind keine Seltenheit in den großen Häfen der Welt. Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen auf die Auslastung der Hafenhinterlandanbindungen, denn die mit den großen Schiffen anlandende große Zahl an Containern muss mit Hilfe sehr vieler Einzelverkehre landseitig weiter transportiert und verteilt werden. Bei den landseitigen Verkehrsträgern (Bahn, Binnenschiff, Lkw) konnte ein an die Seeschiffe angepasstes Wachstum der Transportgefäße nicht erfolgen. Für die Eisenbahn sind hier vor allem die Längenbeschränkung auf 700 m pro Zug, eingeschränkte Lichtraumprofile (Oberleitungen) und Gewichtsbeschränkungen auf 4000 t durch die Schraubenkupplung (in Europa) zu nennen. Es gibt bereits Bemühungen, diese Beschränkungen aufzuweichen. Der Einsatz einer automatischen Mittelpufferkupplung konnte sich in Europa bisher aber nur bei Spezialanwendungen etablieren und der lange Güterzug (1500 m) befindet sich erst in der Erforschungsphase. Eine Leistungssteigerung ist bahnseitig daher momentan nur mit einer steigenden Anzahl von Zügen realisierbar, um die wachsenden Containerschiffe bedienen zu können. Steigt die Zugzahl in einem Netz, führt dies wiederum zu Kapazitätsengpässen, die oftmals einen Ausbau der Infrastruktur zur Folge haben. Der offensichtliche Nachteil dieser Handlungsstrategie ist die Tatsache, dass Geld, Zeit und Raum nicht in unendlicher Höhe zur Verfügung stehen. Das gilt für viele Hafenstädte, besonders für jene, die bereits jetzt keine freien Flächen mehr zur Verfügung haben und an schützenswerte, empfindliche Naturräume angrenzen. Neben dem Ausbau der Infrastruktur gibt es weitere Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit des Eisenbahn- Hinterlandnetzes zu steigern. Eine besteht darin, die eisenbahnbahnbetrieblichen Prozesse besser zu koordinieren und an die hafenbetrieblichen Prozesse anzuknüpfen. Durch eine bessere Integration des Schienengüterverkehrs soll also die gesamte Transportkette im Hinterland optimiert und überflüssige Warte- und Pufferzeiten verringert werden. 1 Prozesskette Seehafen - Schiene - Hinterland Bevor die schienenseitige Integration von Seehäfen in die Transportkette weiter diskutiert wird, sei erwähnt, dass darunter zwei Teilprobleme zu betrachten sind. Zum einen sind Streckenkorridore zwischen Seehafen und den Quellen bzw. Senken im Inland notwendig, deren Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit Auswirkungen auf die Qualität der Transportkette haben. Des Weiteren besitzen die Eisenbahnanlagen in den Häfen und Terminals eine begrenzte Kapazität für notwendige TUL-Prozesse 3 , was ebenso einen Einfluss auf die Qualität der Transportkette hat. Die Herausforderung besteht darin, diese beiden Teilprobleme sowie alle daran beteiligten Agenten zeitlich und räumlich zu verknüpfen, um somit eine möglichst hohe Integration in der Transportkette zu erreichen. Zu den beteiligten Agenten zählen der Spediteur als Organisator bzw. Auftraggeber eines Transports sowie eine Reihe ausführender Unternehmen: Reede- Güterverkehr + Logistik 31 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Zeitfenster für den Start bzw. die Landung eines Flugzeugs darstellt, kann man diese Idee für ein- und ausfahrende Güterzüge in Rangierbahnhöfen übertragen. Da die Vorgänge in Rangierbahnhöfen jedoch komplexer sind, ist die Einführung von Zeitfenstern ohne eine gewisse Standardisierung eisenbahnbetrieblicher Vorgänge schwierig. Für landeinwärts fahrende Güterzüge stellt sich ein Problem in ähnlicher Form dar: Da sich die Unsicherheiten der Prozessfolge durch den gesamten in Abbildung 2 dargestellten Ablauf ziehen, können die Güterzüge oftmals nicht sofort ins Hinterland ausfahren. Die EVU müssen ihre Trassen vorab beim Infrastrukturbetreiber, in Deutschland also im Wesentlichen bei der DB Netz AG, verbindlich reservierei, Hafengesellschaft, mindestens ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), ein oder mehrere Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und weitere Umschlag- oder Empfangsorte. Eine idealisierte Abfolge der Informations- und Güterflüsse ist für den landeinwärtigen Transport in Abbildung 1 dargestellt. Diese Transportkette beginnt in der Regel gewiss vor dem Eintreffen eines Schiffes im Seehafen und kann auch nach dem Inland-Terminal weiterführen. Da hier die Schnittstelle zwischen Seeschiff und Schienengüterverkehr betrachtet wird, seien die übrigen Teilprozesse der Kette ausgeblendet. Für den umgekehrten Fall, den landauswärtigen Transport, stellt sich die Abbildung in umgekehrter Richtung dar. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Praxis ablaufende Transportketten im Hafen-Hinterlandverkehr oftmals sehr stark von den theoretischen Modellen abweichen 4 . Eine fehlende Koordinierung zwischen den Beteiligten einer Transportkette führt im heutigen Eisenbahnbetrieb zu Unpünktlichkeit und längeren Transportzeiten. Neben lang andauernden Umschlagprozessen in Terminals und Rangierbahnhöfen führt dies zu geplanten und ungeplanten Wartezeiten (Zeitpuffern) sowie ungeplanten Betriebshalten im Hauptlauf der Güterzüge. Solche unproduktiven Perioden, verursacht durch geringe Koordination, kosten nicht nur Zeit sondern auch Infrastrukturkapazität. Sie entstehen, wenn die Kosten für die Koordination einer effizienten Transportkette in Folge von Opportunismus und begrenzter Rationalität als zu hoch beurteilt werden 5 . Könnten die Unsicherheiten, mit denen jeder der beteiligten Agenten aufgrund der ihm nicht oder nur unzureichend bekannten Handlungen der vor- und nachgelagerten Agenten konfrontiert ist, abgebaut werden, würden sich Zeitpuffer und ungeplante Unterbrechungen in der Prozessfolge verringern. Nachfolgend seien die Koordinationsschwierigkeiten der beiden Teilprobleme detailliert betrachtet. 1.1 Streckenkorridore Im sogenannten Hauptlauf eines Güterzugs, also der Relation zwischen Seehafen und Inland-Übergabestation, befindet sich das Transportgut in der Obhut eines EVU. Dieses fährt seinen Zug nach einem Fahrplan, der zuvor mit dem EIU abgestimmt wurde. Im operativen Schienengüterverkehr hat dieser Fahrplan eine geringe Relevanz. Der Grund hierfür ist in der Priorisierung des Schienenpersonenverkehrs zu finden 5 . Dies führt zu Fahrplanabweichungen mit teilweise schwerwiegenden Folgen für die Zuverlässigkeit des Schienengüterverkehrs. Es treten sowohl Verfrühungen als auch Verspätungen von jeweils bis zu mehreren Stunden auf. Da die reale Ankunft eines Güterzugs am Zielort nicht gut vorhersehbar ist, legen die EVU für ihre Züge Zeitreserven (geplante Fahrtunterbrechungen) fest, mit denen extreme Verspätungen ausgeglichen werden sollen. In vielen Fällen werden diese jedoch nicht benötigt. Solche Verfrühungen sind jedoch auch nicht immer als positiv zu bewerten, denn der zu früh ankommende Zug benötigt am Zielort ein Abstellgleis, auf dem er bis zu seiner Ent- oder Beladung bzw. Rückfahrt warten kann. Zu den geplanten Fahrtunterbrechungen kommen weitere ungeplante hinzu, die sich aus Trassenkonflikten während des Hauptlaufs ergeben. Sind die geplanten Fahrzeitreserven aufgebraucht, kommt es zu Verspätungen. Dabei hat die Herkunft eines Güterzugs, und damit die Entfernung zum Zielort, keinen signifikanten Einfluss auf seine Verspätungswahrscheinlichkeit. Dass die Fahrzeiten auf der Strecke für Güterzüge schwer planbar sind, ist lange bekannt. Weitaus gravierender ist die Tatsache, dass über Fahrplanabweichungen nur unzureichend informiert wird. Für eine bessere Integration des Schienengüterverkehrs an der Schnittstelle zum Seehafen ist es für den Terminalbetreiber unerlässlich zu wissen, wann mit der Ankunft eines Zugs zu rechnen ist. Obwohl solche Informationen existieren, sind sie nur schwer verwertbar. Oftmals erhalten die Terminalbetreiber Information über Ankunft eines Zugs zu spät oder die Informationen können nicht verarbeitet werden, weil eine Neudisposition der Anlagen nicht erfolgt bzw. nicht möglich ist. 1.2 Häfen und Terminals Die Häfen bzw. deren Umschlagterminals bilden einen Endpunkt im schienengebundenen Teil der Transportkette und damit auch einen Endpunkt für den Umlauf der Güterwagen. Innerhalb eines solchen Endpunkts durchlaufen die Wagen mehrere Stationen, an denen verschiedene Prozesse (Wagensortierung, Zollkontrolle, Be- und Entladung usw.) durchgeführt werden. Der Kreislauf innerhalb des Hafengebiets ist in Abbildung 2 dargestellt. Aus den Unsicherheiten, die aus dem Hauptlauf der Güterzüge folgen, lässt sich erkennen, welche Schwierigkeiten sich für die Prozessfolgenplanung in den Seehafen-Terminals ergeben. Arbeitsschritte, wie beispielsweise die Einsatzplanung von Rangierlokomotiven und Rangierpersonal, unterliegen nur einer sehr rudimentären Planung und werden in größeren Rangierbahnhöfen oft ad hoc oder mit sehr kurzer Vorlaufzeit ausgeführt. In den Seehäfen orientieren sich die logistischen Abläufe an einer möglichst schnellen Be- und Entladung der großen Containerschiffe, da deren Liegezeit so kurz wie möglich gehalten werden soll. Um dies zu optimieren, geben die Seehafen-Terminals den landseitigen Verkehrsträgern Zeitfenster vor, innerhalb derer bestimmte Güter zur Ent- und Beladung bereitstehen müssen. Die EVU sind bestrebt, den Zielort rechtzeitig zu erreichen, da sonst unter Umständen das Zeitfenster verloren geht. Das führt dazu, dass landauswärts fahrende Güterzüge teilweise um Stunden zu früh vor ihrem Zeitfenster im Seehafen eintreffen und in den Rangierbahnhöfen vor den Terminals abgestellt werden müssen. Dort beanspruchen sie einen nicht unerheblichen Teil der Kapazitäten, welcher für andere Rangierprozesse dann nicht mehr zur Verfügung steht. Abhilfe schaffen kann in komplexen Systemen nur ein adaptives Dispositionssystem, das zum einen die Seehafen-Terminals über aktuelle Verzögerungen ankommender Güterzüge informiert und zum anderen ein flexibles Verschieben von Zeitfenstern zulässt. Damit würden sich sowohl die übermäßigen Abstellprozesse als auch die übermäßig eingeplanten Pufferzeiten im Hauptlauf vermindern lassen. Folglich führt dies zu einer verkürzten Transportzeit und einer Komprimierung der Transportkette. Um solch ein Dispositionssystem zu verwirklichen, ist zu definieren, was unter einem Zeitfenster in Terminals und Rangierbahnhöfen zu verstehen ist, wie lang es sein soll und welche Vorgänge darin ablaufen sollen. Zieht man die Parallele zum Luftverkehr, wo ein Flughafenslot ein Abb. 2: Fluss von Eisenbahnwaggons an Endpunkten Güterverkehr + Logistik 32 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 W ximalleistung, doch bereits jetzt befinden sich die nachgelagerten Schieneninfrastrukturen an ihrer Kapazitätsgrenze. 2 Beschleunigung des schienenseitigen Güterumschlags in den Seehäfen Für eine bessere Vernetzung der Prozesse in einer Transportkette ist der Aufbau eines Informationsflussmodells, das alle Beteiligten berücksichtigt, einer der grundlegenden Schritte. Ein derartiges Modell wird beide, landeinwie landauswärtige, Schienenverkehre umfassend abdecken und die Randbedingungen eines jeden Seehafens individuell berücksichtigen. Ein grobes und allgemeingültiges Modell ist in den Abbildungen 3 und 4 dargestellt. In beiden Abbildungen stellen die Parallelogramme Informationsflüsse und die Rechtecke Prozesse bzw. Arbeitsschritte dar. 2.1 Landeinwärtige Verkehre In dem in Abbildung 3 dargestellten Informationsflussmodell für landeinwärtige Verkehre geht die Planung vom Seehafen und dessen Terminals aus. Informationen über ankommende Schiffe, deren Beladung und selbst die Informationen, welcher Container sich an welcher Stelle im Schiff befindet, sind seit Abfahrt des Schiffs bekannt. Mit der Annäherung des Schiffs an den Hafen wird seine Ankunftszeit immer genauer planbar, so dass dann alle Informationen für Terminal, EIU, EVU und Spediteure zur Verfügung stehen können. Auf deren Basis kann das EVU zusammen mit dem Hafenbahn-EIU die zeitnahe Bereitstellung von Wagen oder Ganz- Dies wurde bislang aber noch nicht durchgeführt. Gründe dafür sind: 1. Der Direktumschlag kann nur auf einzelne Container angewandt werden. Würden ganze Züge so beladen, würde die Umschlagleistung an der Kaikante kollabieren. 2. Der Güterwaggon, der für den Weitertransport eines spezifischen Containers bestimmt ist, steht bei dessen Anlandung nicht im Terminal bereit. Ein Direktumschlag Seeschiff - Schienengüterverkehr zur Verkürzung der Transportkette ist demnach kaum möglich, Zwischenlager sind immer notwendig. Die Lagertätigkeiten können nur auf ein Minimum beschränkt werden, indem die Informationen über abzuholende Container rechtzeitig aufgegriffen und die einzusetzenden Waggons frühzeitig bereitgestellt werden. Interessant wird diese Fragestellung wieder bei Hinterland-Hubs und dem Einsatz von schnellen Shuttle-Zügen (siehe Kapitel 3). Disparitäten treten nicht nur beim Umschlag von Containern zwischen Seeschiff und Güterzug auf, sondern auch beim Einspeisen der Züge in das Schienennetz. Moderne Containerterminals haben ihre Leistungsfähigkeit mittlerweile dermaßen gesteigert, dass das Streckennetz die zur Abfahrt bereitstehenden Züge nicht mehr aufnehmen kann. Der Hamburger Containerterminal Tollerort plant zum Beispiel den Bau einer neuen Vorstellgruppe, mit deren Hilfe ein Output von einem Ganzzug alle 45 min möglich ist. Das entspricht einer Verdoppelung der derzeitigen Maren. Damit sie diese auch wahrnehmen können, wird häufig eine Trasse gewählt, die einen ausreichenden zeitlichen Spielraum bietet. Auch hier wird wieder Pufferzeit eingeplant, was wiederum Kapazitäten in den Rangierbahnhöfen kostet. Zur Lösung des Problems ausfahrender Züge können zwei Herangehensweisen diskutiert werden. Eine flexiblere Allokation von Trassen ist sicherlich wünschenswert. Im Güterverkehr, der den größten Teil der Gelegenheitsverkehre auf dem Netz der DB AG ausmacht, nehmen Just-in-time- Anmeldungen einen immer größeren Stellenwert ein 6 . Sie sind aber auch schwer realisierbar. Gerade auf den hoch belasteten Strecken von und zu Seehäfen oder auf Mischverkehrsstrecken ist es schwierig, adäquate Trassen zu finden. Würden Trassen kurzfristiger angefordert werden, hätte dies einen erheblichen Mehraufwand für das EIU zur Folge. Es kann bezweifelt werden, dass die knappe Infrastruktur dann noch optimal ausgenutzt wird. Die dafür notwendigen Werkzeuge zur Echtzeit- Trassenplanung (Real-time-Rescheduling) stehen noch nicht in ausreichend leistungsfähiger Form zur Verfügung. Ein Ansatz hierfür kann vielmehr in der Optimierung der vorgelagerten TUL-Prozesse zu finden sein. Würde das EVU davon ausgehen können, dass seine Wagen das Seehafen-Terminal pünktlich verlassen und auch die Folgeaktivitäten (Wagen rangieren und sortieren, Zugzusammenstellung, Bremsprobe, Zollabfertigung usw.) im zeitlichen Rahmen erfolgen, könnte es beim EIU eine frühere Trasse buchen. Damit ließen sich Pufferzeiten zwar nicht beseitigen, aber auf ein Mindestmaß verringern und die Transportkette wieder ein Stück verkürzen. 1.3 Disparitäten in der Container-Umschlagleistung Wie bereits angedeutet orientieren sich die logistischen Abläufe an einer möglichst schnellen Be- und Entladung der großen Containerschiffe. Mit ansteigender Schiffsgröße stieg somit die seeseitige Umschlagleistung. Für moderne Containerbrücken wird ein Maximalwert von 30 Umschlagoperationen pro Stunde angenommen 7 , wobei immer mehrere Brücken an einem Schiff arbeiten. Unter Verwendung von Triple-Spreadern können bis zu 66,4 - 95,7 TEU/ h umgeschlagen werden 8 . Die landseitige Umschlagleistung ist bei üblicher Verwendung von Portalkränen mit circa 20 Operationen pro Stunde im Umschlag zur Eisenbahn deutlich niedriger 9 . Unter anderem bedingt durch solche ungleichen Leistungen müssen zwangsläufig Lager zur Pufferung eingerichtet werden. Ein Direktumschlag von Containern zwischen Seeschiff und Güterzug würde zwar für einzelne Container eine äußerst kurze Umschlagzeit ermöglichen. Moderne Containerterminals wie Hamburg-Altenwerder könnten theoretisch innerhalb von 15 - 20 min einen Container vom Seeschiff auf einen Eisenbahnwaggon umschlagen. Abb. 3: Allgemeines Informationsflussmodell für landeinwärtige Verkehre Güterverkehr + Logistik Weitere Informationen inden Sie in Kürze unter www.eurailpress.de! Anfang April ist die komplett überarbeitete und um einige Kapitel erweiterte Neuaulage des Handbuch Gleis erschienen. Das Buch vermittelt in anschaulicher und komprimierter Weise Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gleiskomponenten und ihren Beanspruchungen. Die Neuau age enthält grundsätzliche Erweiterungen und Ergänzungen: · ein komplett neues Kapitel über die Grundlagen der Oberleitung und des Oberleitungsbaues und deren Instandhaltung · neue Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung von "Head Checks" · sowie neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Verschleißfestigkeit von kopfgehärteten Schienen · und eine neue ausführliche Theorie des dynamischen Gleisstabilisierens Das Erfolgskonzept des Buches wird durch die zusätzliche Ergänzung der Kapitel „Rad-Schiene- Wechselwirkung“ und „Wirtschaftlichkeit der Oberbauinstandhaltung“ abgerundet. Das Gleis als komplexes Gesamtsystem Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0400-3, Format 170 x 240 mm, Hardcover, Preis: € 68,-, 656 Seiten Kontakt: DVV Media Group GmbH | Eurailpress · Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 · Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 · E-Mail: buch@dvvmedia.com Buchneuerscheinung Weitere Informationen unter www.eurailpress.de / hbgneu Komplett überarbeitete und erweiterte Neuau age zügen, je nach Auftrag, planen. Da das Seehafen-Terminal für die Abfertigung der TUL-Prozesse Zeitfenster vorgibt, ist deren Beendigung zu einem definierten Zeitpunkt festgelegt. Daran können nahtlos die bahnbetrieblichen Prozesse der Zugfertigstellung (Wagen sortieren und rangieren, Strecken-Triebfahrzeug bereitstellen, Bremsprobe etc.) anknüpfen. Für die Zugfertigstellung eines Ganzzugs kann weniger als eine Stunde eingeplant werden. Bei Einzelwagenverkehren hängt die Zugfertigstellung davon ab, wann alle notwendigen Wagen eines Zugs zur Verfügung stehen. Hier sollte ein definierter Maximal-Wartezeit-Wert nicht überschritten werden. Die zur Bildung von Zügen aus Einzelwagen erforderlichen Informationen stehen zur Verfügung bzw. können mit Hilfe von Planungstools erstellt werden. Mit Hilfe eines umfassenden Informationsflusses vom Seeschiff über die Seehafen-Terminals bis hin zu den EVU kann es also möglich sein, die Umschlag- und eisenbahnbetrieblichen Prozesse bis zur Ausfahrt des Zugs aus dem Hafenbereich zu planen und eine Trasse ins Hinterland ohne übermäßige Sicherheitspuffer beim Netzbetreiber anzumelden. 2.2 Landauswärtige Verkehre Für Verkehre Richtung Seehafen ist in Abbildung 4 ein Informationsflussmodell Abb. 4: Allgemeines Informationsflussmodell für landauswärtige Verkehre Güterverkehr + Logistik 34 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Logistikzentrum mit Straßen- und Schienenanbindung errichtet. Gegenwärtig wird geprüft, den Hafen Neapels mit dem Interporto als Logistikdrehscheibe zu verbinden. Im Hafen Neapel mit seiner stadtnahen Lage können keine weiteren Flächen bereitgestellt werden. Eine schnelle Bahnverbindung zum Logistikzentrum brächte eine Entlastung, da ein Großteil der Lkw- Verkehre aus der Innenstadt wegfallen würde und Lagerflächen an andere Stelle verlagert werden. 4 Zusammenfassung Die Eisenbahn-Industrie gilt als eine eher konservative Branche, in der technologische Weiterentwicklungen nur schwer umzusetzen sind. Das liegt unter anderem daran, dass hier mehrere sehr große Unternehmen mit einer gewissen Marktmacht auf der einen Seite, aber mit großer Trägheit, was Veränderungen angeht, auf der anderen Seite agieren. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Reihe von Akteuren bestrebt ist, wesentliche Informationen des operativen Betriebs nicht weiterzugeben. Ein solches Verhalten ist in vergleichbaren Branchen, etwa der interkontinentalen Seeschifffahrt kaum zu beobachten. Die Kosten für eine bessere Koordination der Transportkette erscheinen den Akteuren im Schienengüterverkehr höher als der Vorteil, der ihnen daraus entstehen kann. Es handelt sich also eher um ein gemeinschaftliches Problem, was zu der heutigen Situation geführt hat, mit dem die Akteure entlang der Transportkette Seeschiff - Güterzug zu kämpfen haben: ̇ geringe Zuverlässigkeit, kein reibungsloser Prozessfluss ̇ Unsicherheiten in Bezug auf die Ankunftspünktlichkeit von Güterzügen, große Fahrplanabweichungen ̇ keine Kopplung zwischen Terminal-Zeitfenstern und Streckennetz-Trassen ̇ Management der Rangierlokomotiven ist wenig optimiert und eher spontan kommen im Idealfall nur Shuttle-Ganzzüge zum Einsatz. Auf Rangierprozesse wird fast vollständig verzichtet, vgl. Abbildung 5. Erst in den Inland-Terminals folgen die eigentlichen TUL-Arbeiten (Umschlag Schiene u Schiene und Schiene u Straße). Diese Variante bietet viel Raum für den Einsatz innovativer Umschlagtechnologien, zum Beispiel automatischer Systeme für den horizontalen Parallelumschlag Schiene - Schiene. Bei Verwendung dieses Verfahrens fällt eine Reihe von Koordinationsaufgaben weg, da sich die eisenbahnbetrieblichen Prozesse stark vereinfachen und standardisieren lassen. Beim Transport zwischen Seehafen und Hinterland-Hub kommt es nicht mehr darauf an, auf welchem Waggon der Container steht, da er mit dem nächsten freien Waggon in jedem Fall seinem Bestimmungsort näher kommt. Wartezeiten in den Seehafen-Terminals werden so minimiert. Für den Erfolg eines solchen Systems sind einige Bedingungen aufzustellen, die seinen Erfolg gewährleisten, da ein zusätzlicher Umschlagprozess eingeführt wird, der wieder einen zeitkritischen Bruch der Transportkette darstellt, beispielsweise: ̇ Shuttle-Ganzzug maximaler Länge (700 m oder zukünftig vielleicht 1500 m) ̇ Taktverkehr, z. B. zweimal pro Stunde ̇ gesicherte Trasse zwischen Seehafen und Hinterland-Hub (Priorität) ̇ gewährleistete Pünktlichkeit (z. B. > 85 %) ̇ Verwendung schneller aber kompatibler Umschlagtechnologien ̇ ökonomische Forderungen: - Der zusätzliche Umschlag darf den Transportprozess nicht verteuern. - Der zusätzliche Umschlag darf den Transportprozess nicht verlängern. ̇ Betreiberfrage: Können mehrere EVU auf der Shuttle-Relation konkurrieren oder muss die Leistung an ein einzelnes Unternehmen vergeben werden? Seehafen-Hinterland-Verbindungen können auf verschiedene Weise realisiert werden. Standardisierte Lösungen gibt es hierfür nicht. Bemühungen, Seehafen-Hinterland-Verbindungen einzuführen, gibt es für quasi jeden Seehafen in Europa, aber auch in Asien und Amerika. Ein Beispiel hierfür ist der Interporto Campano in der Nähe von Neapel. Hier wurde auf einer Fläche von circa 5 Mio. m 2 ein modernes in umgekehrter Richtung zu betrachten. Die bereits angesprochenen Unsicherheiten bzgl. der Einhaltung des Güterfahrplans sollen in diesem Modell nicht abgebaut werden, wichtig ist aber eine vorausschauende Informationsweitergabe über Verspätungen und die voraussichtliche Ankunft im Hafengebiet. Vom Seehafen-Terminal geht auch hier die Planung eines Zeitfensters für die TUL- Prozesse aus, an das sich vorgelagert ein Zeitfenster für die eisenbahnbetrieblichen Prozesse (Zugzerlegung, Wagensortierung, Zollabfertigung etc.) anschließen muss. Für Ganzzüge genügen hier wieder Zeiträume von weniger als einer Stunde. Für Einzelwagenverkehre sollten nicht mehr als vier bis fünf Stunden benötigt werden, bis ein Waggon ins Terminal verschoben wird, damit die gesamte Transportkette nicht zu lang wird. Es ist klar, dass sich die Problematik der Pufferzeiten und damit der Kapazitätsverluste durch die Unsicherheiten im Zulauf zu den Seehäfen nicht aufheben lässt. Durch ganzheitliches Informationsmanagement und eine Echtzeitplanung der Prozesse in Rangierbahnhof und Terminal sind sie aber minimal zu halten. Sinnvoll ist zum Beispiel die Entwicklung einer Basisplanung für Rangierlokomotiven und Abstellkapazitäten mit einem Vorlauf von 24 oder 48 Stunden verbunden mit der Möglichkeit dynamischer Disposition. 3 Potenziale durch Hinterland-Hubs Eine weitere Möglichkeit zur besseren Integration des Schienengüterverkehrs in die Transportkette kann durch Hinterland- Hubs erreicht werden. Hierbei sollen zeitintensive Rangier- und Sortierprozesse minimiert werden und der Systemvorteil der Eisenbahn - die hohe Massenleistungsfähigkeit über lange Strecken - besser genutzt werden. Grundlegende Idee einer effizienten Nutzung von Hinterland-Hubs ist es, nur noch wenige ausgewählte Schienengüterverbindungen zwischen dem Seehafen und den Destinationen im Inland aufrecht zu erhalten. Nach Abzug der Loco-Quote, die in der Region um den Seehafen zumeist per Lkw verteilt wird, werden sämtliche verbleibende Transporteinheiten auf der Schiene zu Terminals des kombinierten Verkehrs im Inland transportiert. Dabei Abb. 6: Interporto Neapel - Logistikdrehscheibe am Rande des Vesuvs Abb. 5: Shuttle-Zug-Konzept für Hafen-Hinterland-Verkehre Güterverkehr + Logistik 4 vgl. z. B. Ducruet, César und van der Horst, Martijn: Transport Integration at European Ports: Measuring the Role and Position of Intermediaries, European Journal of Transport and Infrastructure Research, 2009 (9/ 2), S. 121-142 5 vgl. Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) 2005, § 9 6 vgl. Heister, G. et al.: Eisenbahnbetriebstechnologie (2005), S. 244, Eisenbahn-Fachverlag Heidelberg Mainz 7 Payer, H. G.: Die Containerschiffe werden größer - die Häfen müssen reagieren, Schiff & Hafen, 1999 (5), S. 10 -12 8 Goussiatiner, A.: In pursuit of productivity, Container Management, 2007 (9), S. 48 - 51 9 vgl. Bruckmann, D.: Entwicklung einer Methode zur Abschätzung des containerisierbaren Aufkommens im Einzelwagenverkehr und Optimierung der Produktionsstruktur (2006), S. 78, Verkehrswesen und Verkehrsbau, Universität Duisburg-Essen, Bd. 5 Druck scheint aktuell noch nicht vorhanden zu sein. Im Gegensatz zu einem Lkw- Besitzer, der bemüht ist, Stillstandszeiten seiner Maschine zu vermeiden, kommt es im Eisenbahnverkehr noch nicht darauf an, ob ein Waggon ein paar Stunden oder ein paar Tage steht. 1 Containerverkehrsmodell „Hafen Hamburg“ - Strukturanalyse, Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik Bremen (2008) 2 Schönknecht, A.: Maritime Containerlogistik (2009), Springer-Verlag Berlin Heidelberg 3 TUL - Transportieren, Umschlagen, Lagern; vgl. z. B. Arnold, Dieter et al.: Handbuch Logistik (2008), S. 884, Springer-Verlag Berlin Heidelberg ̇ große Mengen an geplanten Zeitpuffern verbrauchen Infrastrukturkapazitäten und verlängern die Transportzeiten. Es besteht zum einen der Wunsch, mehr Flexibilität zuzulassen (spontanes Umplanen ermöglichen). Demgegenüber steht die Forderung, mehr Verlässlichkeit (Planung sicherer machen) zu bieten. Zwischen beiden Extrema gilt es, einen Mittelweg zu finden. Derzeit ist nicht klar, wer die treibende Kraft solcher Veränderungen sein kann. In Form eines Push-Pull-Ansatzes sind folgende Varianten denkbar: Pull: Die Terminals fordern durch die Vergabe von Zeitfenstern und durch zeitabhängige Lagerkosten eine gewisse Anpassung (Erziehung der EVU und Spediteure). Daran anknüpfend können nachgelagerte Akteure (Hafenbahn, EIU) ihre eisenbahnbetrieblichen Prozessabläufe harmonisieren und standardisieren, so dass sie mit dem Terminal-Zeitfenster verschmelzen. Ist dies gelungen, können die Trassenbestellungen beim Hinterland-EIU ohne extreme Pufferzeiten bestellt werden. Push: Ausgehend von der Forderung der Logistikdienstleister, den Schienengüterverkehr schneller und zuverlässiger zu machen, sollten sich die EVU bemühen, ihre eigenen Verkehre schneller durch das Netz zu bekommen. Allerdings sind sie hier wieder auf das Verhalten der übrigen Akteure der Transportkette angewiesen, gegenüber denen sie sich durchsetzen müssen. Dieser Summary Ship-to-rail transhipment At the interface between two logistic subsystems, goods as well as information have to pass through barriers. By linking the subsystems, a transport chain is created. It has been found out that processes between the intermediaries of the transport chain seaport - rail are not well adjusted. A low level of communication between the intermediaries (ports, freight forwarders, railway transport companies, etc.), leads to conflicts in rail freight transport. Additional time buffers which are planned by railway companies and freight forwarders due to insecurities in transport flow make it slow and untimely. That makes it difficult for the intermediaries to plan own activities in an optimal way. The untimely trains let transhipment processes in ports consume more time than needed since transhipment works are not adjusted to freight train flows. With a better integration of railway processes the transport chain shall be better adjusted and the ship-to-rail transhipment flow becomes smoother. Railway Transformation Setting the course for a new direction! Railway companies around the world are being transformed from public-sector monopolies into service-oriented companies with a strong customer focus, operating in liberalised markets. Outlining the current position and major challenges for the rail sector, this handbook is an essential read. Using examples of the best practice, it provides a unique look ’behind the scenes‘, to show how operators can beneit from the experience of the leading players in the market. Technical Data: ISBN 978-3-7771-0406-5, 264 pages, size 170x240 mm, Price: € 54,- + postage Contact: DVV Media Group GmbH | Eurailpress Telephone: +49 (40) 237 14 - 440 · Fax: +49 (40) 237 14 - 450 · email: book@dvvmedia.com Save your copy today! Visit www.eurailpress.de/ rt Out now! Aus der Europäischen Union 36 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Sollen selbstständige Berufskraftfahrer in die EU-Arbeitszeitrichtlinie einbezogen werden oder nicht? Diese Frage spaltet das Europäische Parlament in zwei Lager: Die Befürworter argumentieren, die Verkehrssicherheit werde verbessert. Die Gegner führen an, dass eine Kontrolle von Selbstständigen ohnehin unmöglich ist. Um einen Ausweg aus der Pattsituation zu finden, hat die Berichterstatterin des federführenden EP-Sozialausschusses, Edit Bauer, von der konservativen EVP-Fraktion vorgeschlagen, auch gewerbliche Fahrzeuge unter 3,5 t in die Lenk- und Ruhezeitverordnung zu integrieren. Damit will sie insbesondere auf die Verkehrssicherheitsbedenken eingehen. Die sozialistische Fraktion ist bereit, dies zu unterstützen. Zur allgemeinen Überraschung steht aber die eigene Fraktion nicht hinter Bauer. Davon abgesehen, dass allen voran deutsche Abgeordnete diese Initiative unbedingt verhindern wollen, verfolgen ihre Parteikollegen im EP-Verkehrsausschuss eine andere Strategie. Sie sind der Meinung, dass für Berufskraftfahrer von Fahrzeugen unter 3,5 t nicht die Lenk- und Ruhezeitenverordnung gelten soll, sondern die Arbeitszeitrichtlinie − allerdings nur für Angestellte. Mehr als erstaunlich, dass sich die EVP-Abgeordneten aber noch nicht einmal darüber bewusst waren, dass sie in den zwei Ausschüssen unterschiedliche Ansätze verfolgen. Bleibt zu hoffen, dass die EVP-Fraktion ihre internen Unstimmigkeiten ausräumen kann, bevor der Sozialausschuss Ende April und das EP- Plenum im Mai entscheiden müssen, welche Lkw-Fahrer in die Arbeitszeitrichtlinie und/ oder in die Lenk- und Ruhezeiten einbezogen werden sollen. Apropos Ruhezeiten: Statt nach immer neuen Ansätzen zu suchen, wären die Europaabgeordneten gut beraten, selbst mal eine Pause einzulegen und sich auf das eigentliche Ziel der Arbeitszeitrichtlinie zu besinnen. Denn das scheint nach monatelangen, teils sehr emotional geführten Debatten völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Mit den Bestimmungen sollen Arbeitnehmer vor ihren Arbeitgebern geschützt und nicht die Verkehrssicherheit gesteigert werden. Nach den endlosen und bislang fruchtlosen Debatten dürfen sich die Europaabgeordneten nicht wundern, dass immer häufiger die Frage gestellt wird, wer den Transportsektor vor dem Europäischen Parlament schützt. Denn wie das Beispiel zeigt, ist mit den Europaabgeordneten in Fragen der Straßenverkehrssicherheit nicht gut Kirschen essen. Deshalb dürften auch insbesondere den Kurier- und Expressdiensten die jüngsten Vorschläge für eine EU-weite Ausdehnung der Lenk- und Ruhezeiten auf Fahrzeuge unter 3,5 t schwer im Magen liegen. Denn wer den Einsatz der Fahrer regulieren will, spricht gleichzeitig von Mehrkosten durch den Einbau eines digitalen Tachografen und den zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Es ist noch keine fünf Jahre her, da war es der Kep-Branche nur ganz knapp gelungen, Das Ziel nicht aus den Augen verlieren Diskussion über Arbeitszeitrichtlinie von Berufskraftfahrern spaltet Europaabgeordnete in zwei Lager den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Dank eines massiven Lobbyings wurde bei der Änderung der Lenk- und Ruhezeitenverordnung ein entsprechender Vorschlag des EP-Verkehrsausschusses vom Plenum abgelehnt. Damals fehlten nur 16 Stimmen. Insbesondere die in der European Express Association (EEA) zusammengeschlossenen Unternehmen DHL, FedEx, TNT und UPS hatten argumentiert, dass eine Änderung der Lenk- und Ruhezeitenverordnung dazu genutzt werden soll, gegen überhöhte Geschwindigkeit oder schlechtes Fahrverhalten vorzugehen. Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass leichte Lkw für einen steigenden Anteil von Unfällen verantwortlich seien. Außerdem würde die Sprinter- Klasse größtenteils zum Abholen und Zustellen genutzt, nicht aber für Langstrecken. Ob diese Argumente die Mehrheit der Europaabgeordneten erneut überzeugen werden, ist erstens jedoch völlig offen und zweitens nicht alles entscheidend. Denn das EP kann zum jetzigen Zeitpunkt alleinig eine Empfehlung aussprechen (siehe Kasten). Bevor dieser Appell aber in Stein gemeißelt werden kann, muss der neue EU- Verkehrskommissar Siim Kallas entscheiden, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu unterbreiten. Dann wird sich zeigen, was für den Esten höher wiegt: die Straßenverkehrssicherheit oder die Interessen eines Wirtschaftszweigs. Sollten aber zwischenzeitlich Statistiken belegen, dass von Sprintern eine erhöhte Unfallgefahr ausgeht, dürfte es sicherlich kein Honigschlecken für die Kep-Branche werden, Kallas von einer Gesetzesinitiative abzuhalten. Doch die Kurier- und Expressdienste sollten nicht unterschätzt werden. Bereits 2005 haben sie unter Beweis gestellt, dass sie wissen, wie eine Charmeoffensive mit stechenden Argumenten zu organisieren ist: zuerst tüchtig Honig um den Bart schmieren und dann die Bienen rufen! Christian Dahm, EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik- Zeitung in Brüssel Entscheidungsprozess in der EU Als „interessant“ gilt innerhalb der EU- Kommission der Vorschlag, auch Berufskraftfahrer von Fahrzeugen unter 3,5 t in die Lenk- und Ruhezeitenverordnung einzubeziehen. Eine Entscheidung, ob die geltenden Sozialvorschriften auf Lieferwagen und Transporter ausgedehnt werden, soll aber erst auf Grundlage einer Studie fallen. Derzeit wird untersucht, ob die geltende EU-Sozialgesetzgebung zu einem unlauteren Wettbewerb zwischen Fahrzeugklassen über und unter 3,5 t führt. Die Studie soll vor der Sommerpause vorliegen. Wie ein interinstitutionelles Abkommen mit der EU-Kommission vorsieht, sollen dem EP Rechte gewährt werden, die über den EU-Vertrag hinausgehen. So will sich die Kommission verpflichten, auf einen Wunsch des EP nach einem Gesetzesvorschlag innerhalb von drei Monaten zu antworten. Reagiert sie positiv, muss sie den Gesetzesvorschlag innerhalb von zwölf Monaten vorlegen. Bei einer Ablehnung müsste sich die Kommission ausdrücklich vor den Abgeordneten rechtfertigen. Das EP versucht so einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass es selbst keine Gesetzesvorschläge unterbreiten darf. Außerdem erhält das EP Einfluss auf sogenanntes „Softlaw“. Darunter wird ein Verfahren verstanden, bei dem die Kommission auf ein Gesetz verzichtet, wenn etwa die betroffene Industrie sich freiwillig den geplanten Auflagen wie Schadstoffgrenzwerten für Lkw unterwirft. Künftig muss die Kommission das EP zu entsprechenden Initiativen konsultieren. Lenk- und Ruhezeiten unter 3,5 t Mobilität + Personenverkehr 37 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Abb. 1: Blick ins Hub Control Center am Flughafen Frankfurt Quelle: Deutsche Lufthansa Tina Marth Bei Flugunregelmäßigkeiten Kosten vermeiden Umsteigeflughäfen (Hubs) sind zentrale Verkehrsknotenpunkte im Streckennetz klassischer Linienfluggesellschaften. Sie verteilen als Drehscheibe eingehende Passagierströme auf ausgehende Kurz- und Langstreckenflüge. Dabei sind komplexe Umsteige- und Bodenprozesse zu steuern. Wie eine wirtschaftliche Steuerung aussehen kann, zeigt das Beispiel des Lufthansa Hub Control Centers am Flughafen Frankfurt. Die Autorin Tina Marth, Deutsche Lufthansa AG, Lufthansa Basis, 60546 Frankfurt/ Main F ür Lufthansa als Netzfluggesellschaft haben insbesondere die großen deutschen Hubs Frankfurt und München eine zentrale Bedeutung: Aufgrund begrenzter Einzugsgebiete deutscher Flughäfen ist Lufthansa stärker als andere europäische Netzfluggesellschaften auf einen starken Zu- und Umsteigeverkehr in ihrem Heimatmarkt angewiesen. Zudem pflegt Lufthansa ein ausgeprägtes Netzwerk mit ihren Tochtergesellschaften im Konzernverbund und zu den Allianzpartnern der Star Alliance. In 2009 sind in Frankfurt rund 32 Mio. Lufthansa-Passagiere gestartet, gelandet oder umgestiegen. Die Umsteigerquote liegt bei 70 %. 277 000 Lufthansa-Flüge verbanden über 160 Ziele in mehr als 70 Ländern miteinander. Neben einem vielfältigen Angebot an Verbindungen sind die Zuverlässigkeit der Umsteigeverbindung, eine kurze Umsteigezeit und ein funktionierender Gepäcktransfer sowohl für Lufthansa also auch für den Hub-Flughafen entscheidende Wettbewerbsvorteile. Um sicherzustellen, dass das System Hub mit seinen komplexen Boden- und Transferprozessen funktioniert, pflegt Lufthansa am Flughafen Frankfurt intensive Kooperationen mit allen an den Abfertigungsprozessen beteiligten Einheiten. Seit zehn Jahren arbeiten alle Partner räumlich im Hub Control Center (HCC) eng zusammen (siehe Abbildung 1). Neben den unternehmensinternen Bereichen Fluggastabfertigung, Betreuungsdienst, Ticketausstellung, Kundeninformation und Gepäckdienst, sind die Konzernbereiche Cargo, Technik, Catering sowie die Dienstleistungsunternehmen Acciona und Fraport mit Mitarbeitern im HCC vertreten. Die Partner der Star Alliance sind über das Star Connecting Center als Schnittstelle ebenfalls ins HCC integriert. Die 40 Mitarbeiter des HCC sorgen im Schichtdienst dafür, dass die Passagiere ihre gebuchten Umsteigeverbindungen erreichen (Konnektivität), der Gepäcktransfer funktioniert und Flugzeuge pünktlich starten. Die konsistente Steuerung aller Prozesse wird insbesondere dann entscheidend, wenn Unregelmäßigkeiten im Flugplan auftreten, beispielsweise durch Verspätung eingehender Flüge, Verzögerungen bei der Flugzeugabfertigung, Abflugverspätungen aufgrund technischer Probleme oder den Start verhindernde Wetterbedingungen. Agieren statt reagieren „Als das HCC eingerichtet wurde, ging es zunächst darum, durch räumliche Nähe die Prozessabhängigkeiten transparenter zu machen und Entscheidungswege zwischen allen Beteiligten zu verkürzen,“ erzählt Arno Thon, verantwortlich für das Pünktlichkeits- und Systempartnermanagement im HCC und Projektleiter Traffic Management Evolution (TME), „die Rollen und Aufgaben haben sich zunächst nicht verändert. Planen und Disponieren standen im Vordergrund.“ Jeder Arbeitsbereich hat bezogen auf seine Prozesse die besten Entscheidungen getroffen, aber der Blick auf das Gesamtsystem fehlte und die Werte für Pünktlichkeit, Konnektivität und Gepäcktransfer lagen deutlich hinter anderen europäischen Hub-Flughäfen. „Das war 2005 Anlass für die Stationseinsatzleitung, die Organisation des HCC prozessorientiert aufzustellen, neue Rollen (siehe Abbildung 2) zu definieren sowie eine entwicklungs- und zukunftsfähige Struktur aufzubauen“, berichtet Arno Thon weiter. Der Fokus des Reorganisationsprojekts TME lag auf den internen Einheiten der Stationseinsatzleitung im HCC. Diese wurde vom reagierenden Beobachten zur aktiven Steuerungszentrale entwickelt. Dies hatte auch Auswirkungen auf andere interne Bereiche und die Systempartner, insbesondere Fraport: Verfahren der Zusammenarbeit wurden neu beschrieben und Serviceverträge angepasst. Ziel war es, das Gesamtsystem zu optimieren und vor allem auch wirtschaftliche Aspekte der Bodenprozesssteuerung in die Arbeit einzubeziehen. Hebel ziehen Zur Steuerung der Bodenprozesse können die koordinierenden Lufthansa-Einheiten im HCC 30 Maßnahmen einleiten, die auf verschiedene Prozessschritte der Bodenabfertigung wirken. Werden diese „Hebel gezogen“, hat dies Effekte auf An- Mobilität + Personenverkehr 38 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Abb. 3: Screenshot HubStar: Die Ansicht zeigt eingehende Flüge (Inbound) sortiert nach geplanter Ankunftszeit. Flug LH 4677 aus Amsterdam ist voraussichtlich 22 Minuten verspätet, für elf Passagiere ist die Verbindung zu ihren jeweiligen Anschlussflügen, z. B. nach Linz, Nizza oder Turin, zeitkritisch. Durch einen als wirtschaftlich identifizierten Connex-Hebel können Verbindungen gesichert werden. kunfts- oder Abflugzeit, die Bodenzeit des Flugzeuges oder die Umsteigezeit von Passagieren und Gepäck. Der Hebel „Ramp Direct Service“ verkürzt zum Beispiel die Transferzeit von Passagieren und Gepäck: Bei den Bodenverkehrsdiensten von Fraport wird ein direkter Transport von Umsteigepassagieren oder Transfergepäckstücken vom verspätet eingegangenen zum ausgehenden Flugzeug bestellt. Die Mitarbeiter entscheiden über den Einsatz von Hebeln im Spannungsfeld der drei Geschäftsziele Konnektivität, Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Zahlreiche Informationen müssen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden: Das Ziehen von Hebeln ist zeitkritisch, hat Nebeneffekte auf andere Prozessschritte und verursacht interne und externe Kosten. Wird zum Beispiel der Hebel „Pit Stop“ gezogen, verkürzt sich die Bodenzeit eines Flugzeugs. Eine Flugverspätung von bis zu 15 Minuten kann dadurch wieder eingeholt werden und der Anschlussflug kann pünktlich starten. Die beschleunigten Abfertigungsprozesse, wie Reinigung, Betankung, Ent- und Beladung, sind aber personalintensiv und verursachen hohe externe Hebelkosten. „Die Komplexität der Verkehrsteuerung, die Fülle an eingehenden Informationen und die Wechselwirkungen innerhalb des Gesamtsystems Hub sind ohne IT-Unterstützung nicht mehr zu überblicken“, sagt Mirco Bharpalania, IT-Projektleiter im Bereich Information Management Passage, „aus diesem Grund hat sich die Stationseinsatzleitung 2007 entschieden im Rahmen des Projekts TME ein neues IT-System im HCC einzuführen, das die prozessorientierte Arbeitsweise unterstützt und Transparenz schafft: einerseits über den Workflow im HCC selbst, andererseits über Hebelabhängigkeiten und das Kosten- Nutzen-Verhältnis von Hebeln.“ Knapp zwei Jahre später wurde das gemeinsam mit dem Konzernunternehmen Lufthansa Systems entwickelte IT-System „HubStar“ im HCC eingeführt. Verbindungen retten HubStar bezieht 900 000 Mal pro Tag aktuelle Flug- und Passagierdaten über einen zentralen Nachrichten-Hub. In der Datenmenge identifiziert das System zunächst die kritischen Umsteigerströme innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls anhand des Deltas zwischen benötigter und verfügbarer Umsteigezeit, und klassifiziert die Ströme unter Berücksichtigung verfügbarer Hebeleffekte (siehe Abbildung 3 ). Unkritische Passagierströme markiert das System grün. Für rot gefärbte Passagierströme kann die Verbindung auch mit dem Einsatz von Hebeln nicht „gerettet“ werden. Passagiere eines Rotstroms werden direkt von den Service- Providern auf andere Flüge umgebucht. Im Fokus der Koordinatoren liegen die gelben Ströme: Für diese Umsteigepassagiere ist es möglich, die Konnektivität durch das Ziehen von Hebeln zu erhöhen. Welcher der 30 Hebel für den jeweiligen Strom eingesetzt werden kann und den größten Zeiteffekt bringt, zeigt das System an. Für sechs Hebel, die sogenannten Connex-Hebel (Beispiele siehe Tabelle ), ist zudem eine Wirtschaftlichkeitsberechnung im IT-System hinterlegt. Die Wirtschaftlichkeit eines Hebels ergibt sich aus dem Vergleich der Hebelkosten mit den Kosten, die entstehen, wenn ein Passagier seinen Anschlussflug verpasst. Die Misconnexkosten können sich zusammensetzen aus Umbuchungskosten, Kosten für Bahn- oder Taxifahrten, Übernachtungskosten oder Kompensationszahlungen. Liegen die Hebelkosten über den Misconnexkosten oder ist der zeitliche Effekt des Hebels zu gering, wird er vom System als unwirtschaftlich eingestuft. In Kombination mit einem oder mehreren anderen Connex-Hebeln kann dieser Hebel aber dennoch einen wirtschaftlichen Effekt auf das Gesamtsystem haben, da die Hebelkombination gegebenenfalls auf mehrere Passagierströme zugleich wirkt. Entscheidungen unterstützen Durch Modellierung eines gemischtganzzahligen, linearen Programms werden Hebelvorschläge ermittelt, die in Kombination besonders wirtschaftlich sind. Hierbei wird eine lineare Kostenfunktion minimiert, Abb. 2: Neue Rollen im HCC: Systemkoordinatoren haben den Blick auf das Gesamtsystem der ein- und ausgehenden Flüge, Einzelkoordinatoren setzen den Fokus auf einzelne Flüge oder Passagierströme. Passagier- & Gepäckströme on block t ? Fokus: Gesamtsystem Inbound-Koordinator Fokus: Gesamtsystem Outbound-Koordinator Fokus: Einzelereignisse Transfer-Koordinator Aircraft-Koordinator Service Provider Ramp-Koordinator off block Mobilität + Personenverkehr 39 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 in die Hebelkosten, Misconnexkosten für alle betroffenen Passagiere und Folgekosten pro Verspätungsminute einfließen. Dabei werden Randbedingungen über Hilfsvariablen berücksichtigt: z.B Verfügbarkeit von Hebeln oder Ausschlussbedingungen. Über binäre Entscheidungsvariablen wird bei der Berechnung ermittelt, ob Hebel gezogen werden sollen oder nicht. „HubStar berechnet Effekte und Wirtschaftlichkeit von Hebeln für alle Flüge in einem bestimmten Zeitfenster kontinuierlich neu,“ erklärt der für HubStar verantwortliche Mirco Bharpalania, „alle von den Mitarbeitern getroffenen Entscheidungen zum Hebeleinsatz spiegeln sich dadurch sofort im System wider. Das System bietet damit Entscheidungsunterstützung bei der Bodenverkehrssteuerung in Echtzeit.“ Das IT-System schafft für die Koordinatoren im HCC damit Transparenz über das Gesamtsystem und reduziert Komplexität durch das Bündeln und Bewerten von Informationen. Durch den Einsatz von Hebeln konnte das HCC in 2009 die Umsteigeverbindungen von mehr als 170 000 Passagieren sicherstellen und einen Zusatznutzen von über 5 Mio. EUR realisieren. Einen Vorteil bietet die Systemunterstützung insbesondere bei schweren Flugunregelmäßigkeiten, durch die sich die Komplexität nochmals erhöht. Hier entlastet das System die Mitarbeiter und zeigt die „Nadel im Heuhaufen“ auf, also die Stellen im System, an denen durch effektiven Hebeleinsatz noch Kosten vermieden werden können. Aus systemischer und wirtschaftlicher Sicht sinnvolle Maßnahmen zur Verkehrssteuerung werden vom System aber nur vorgeschlagen, die Entscheidung über den Einsatz von Hebeln bleibt immer in der Hand der Koordinatoren. Da im System nicht alle Informationen abgebildet werden können, setzt die Stationseinsatzleitung weiterhin auf die Erfahrung und das Wissen ihrer Mitarbeiter. Denn manchmal sind nicht die monetären Werte entscheidend, zum Beispiel, wenn am Vorweihnachtstag für eine zehnköpfige Kinderreisegruppe aus Kanada ein eigentlich unwirtschaftlicher Hebel gezogen wird, um die Umsteigeverbindung nach Toronto doch noch sicherzustellen. Tab. 1: Mit den sogenannten Connex-Hebeln können Umsteigeverbindungen „gerettet“ werden. Die Tabelle zeigt drei Beispiele. Hebel Effekt Bussteuerung Verkürzt Wegezeit durch veränderte Wegeführung von Bussen Ramp Direct Service Verkürzt Wegezeit durch direkten Transfer von Umsteigepassagieren oder Gepäck zur Position des Anschlussfluges Connex Delay Verspätung des Anschlussfluges verlängert Umsteigezeit RTQH0"FT0"VJQTUVGP"DGEMGTU"*VW"Dgtnkp+"RTQH0"FT0"EJTKUVKCP"DÐVVIGT"*JVY"Dgtnkp+"FT0"YGGTV"ECP¥NGT"*W¥D+" FT0"EJTKUVKCP"FG"Y[N"*DDJ+"FT0"JCPU/ LÐTI"ITWPFOCPP"*EGQ"Ukgogpu"Oqdknkv{+"OKEJCGN"JCTVKPI"*DOXDU+" RF"GMMGJCTF"JQHOCPP"*WH¥+"FT0"XQNMGT"MGHGT"*Xqtuvcpf"Vgejpkm"FD"CI+"RTQH0"FT0"JGKPGT"OQPJGKO"*Wpk"Vtkgt+ JCPU"TCV"*Igpgtcnugmtgvàt"WKVR+"RTQH0"FT0"OKEJCGN"TQFK"*Wpk"Itgkhuycnf+"RTQH0"FT0"WYG"UEJTÐFGT"*VW"Dtcwpuejygki+ RTQH0"FT0"LÐTI"UEJÖVVG"*VW"Ftgufgp+"RTQH0"FT0"IGTPQV"URKGIGNDGTI"*Ukgogpu"CI+"RTQH0"FT0"TQDKP"XCPJCGNUV"*Quvhcnkc"JU+" Gkpg"Kpvgtpcvkqpcng"Hcejvciwpi"fgu"Cnhtkgf"Mtwrr"Ykuugpuejchvumqnngiu"Itgkhuycnf."ighótfgtv"xqp"fgt"Cnhtkgf"Mtwrr"xqp"Dqjngp"wpf"Jcndcej/ Uvkhvwpi."Guugp0" Cnhtkgf"Mtwrr"Ykuugpuejchvumqnngi"Itgkhuycnf Fkg"pgwg"Dcncpeg"gokuukqpuctogt"Oqdknkvàv" FKG"GKUGPDCJP KP"¥GKVGP"XQP GNGMVTQCWVQU KPVGTPCVKQPCNG"HCEJVCIWPI 370"DKU"390"CRTKN"4232 YKUUGPUEJCHVNKEJG"NGKVWPI"Rtqh0"Ft0"Okejcgn"Tqfk"*Kpuvkvwv"hút"Mnkocuejwv¦."Gpgtikg"wpf"Oqdknkvàv+ VCIWPIUQTV"Cnhtkgf"Mtwrr"Ykuugpuejchvumqnngi"Itgkhuycnf"ø"Octvkp/ Nwvjgt/ UvtcÚg"36"ø"F/ 396: ; "Itgkhuycnf KPHQTOCVKQP"Cnhtkgf"Mtwrr"Ykuugpuejchvumqnngi"Itgkhuycnf"ø"Vciwpiudútq"ø"F/ 396: 9"Itgkhuycnf" Vgnghqp"-6; "*2+"5: 56"1": 8"/ "3; 24; "ø"Vgnghcz"-6; "*2+"5: 56"1": 8"/ 3; 227"ø"vciwpiudwgtqBykmq/ itgkhuycnf0fg"ø"yyy0ykmq/ itgkhuycnf0fg CPOGNFWPI"yyy0ykmq/ itgkhuycnf0fg1cpognfwpi VGKNPCJOGIGDÖJT"367"‘"1"; 2"‘ Güterverkehr + Logistik 40 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Werner Bruckner Investitionen in IT sichern Wettbewerbsfähigkeit von Airlines Etwa 11 Mrd. EUR Verlust haben die Fluggesellschaften 2009 weltweit eingeflogen, 2010 sollen es laut der internationalen Luftfahrtorganisation IATA immerhin noch mehr als minus 4,1 Mrd. EUR sein. Das gesamte Geschäftsmodell der Airlines ist ins Schlingern geraten - unter anderem, weil Geschäftsreisende, die den Airlines bisher einen Großteil Ihres Gewinns brachten, weniger und billiger fliegen. Gleichzeitig wächst durch steigende Kerosinpreise und Gehälter sowie größere Umweltauflagen der Kostendruck. „Internationales Verkehrswesen“ hat Vijay Madan, Head of DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) der NIIT Technologies GmbH in Stuttgart, gefragt, welche Möglichkeiten IT-Technologie und Outsourcing Fluglinien bieten, um diese gefährliche Negativdynamik zu durchbrechen. Der Autor Werner Bruckner, freier Journalist Energie, Finanzen, ITK, Medizin, 72076 Tübingen; w.bruckner@werner-bruckner.de D ie Fluggesellschaften haben 2009 weltweit hohe Verluste gemacht. Haben die Airlines überhaupt noch das notwendige Geld, um in IT-Technologien zu investieren? Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat nicht nur außergewöhnlich hohe Unsicherheiten in der gesamten Travel-, Transport- und Logistikbranche (TTL) verursacht, sondern auch konkrete Einbußen bewirkt. So ging die gesamte Transportnachfrage beispielsweise 2009 in Deutschland gegenüber 2008 um 11,2 % auf 3975,3 Mio. t zurück. Die Luftfracht, die auf deutschen Verkehrsflughäfen abgewickelt wurde, sank um 7,1 % auf 3,6 Mio. t inklusive Luftpost. Im Passagierbereich sind an den 23 internationalen deutschen Flughäfen mit 182,2 Mio. Fluggästen 4,6 % weniger abgefertigt worden als noch 2008. Weltweit vermeldet die IATA einen Rückgang der Fracht um 10,1 % für 2009 gegenüber dem Vorjahr und der Passagiere um 3,5 %. Solche globalen Entwicklungen verschonen kaum einen Anbieter. Für Airlines stellt sich aber nicht die Frage, ob sie noch die notwendigen Finanzmittel für Investitionen in Informationstechnologien haben. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als in diese Technologien zu investieren, um zumindest ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Immerhin könnten die Unternehmen geplante, vielleicht sogar notwendige Investitionen nach hinten verschieben. So ein Reflex wäre in anderen Branchen eher vorstellbar. Aber gerade Fluggesellschaften, die sehr langfristig planen müssen, kämen mit diesem Kamikaze-Verhalten kaum durch die schwierigen Jahre. Die Anforderungen in dieser Branche verändern sich laufend. Dazu kommt, dass IT im Flugalltag die meisten Prozesse stützt oder steuert. Airlines müssen diese Abläufe sicherstellen und optimieren. Auf die gesamte TTL-Branche kommen zudem laufend neue gesetzliche Anforderungen zu . . . Natürlich. So stehen allen Unternehmen etwa immer strengere Sicherheitsanforderungen bevor, die ebenfalls Veränderungen erzwingen. Beispielsweise plant der US-Zoll neue Regelungen bezüglich zusätzlicher Informationen zur Ladung. Laut diesen Planungen müssen sich Logistiker verpflichten, eine Reihe von Informationen und Statusmeldungen elektronisch an den Zoll zu übermitteln. Diesen Datenaustausch sollten TTL-Unternehmen oder ihre IT-Dienstleister mit entsprechenden Standards sicherstellen und auch die funktionsfähige Vernetzung der am Transport beteiligten Partner koordinieren. Logistiker müssen viele Materialinformationen ihrer Kunden übernehmen und anderen Partnern oder Behörden zu Verfügung stellen. Wegen fehlender Flexibilität eignen sich Altsysteme nicht so richtig dafür. Homogene Systemlandschaften führen hier zu deutlichen Vorteilen. Neue IT-Modelle können also auch zu Einsparungen führen, so dass sich die Kapitalrendite, der return on invest (ROI), schneller einstellt? Ja. Einerseits steigen die Möglichkeiten, mit Unterstützung von IT im Flugverkehr effizienter zu arbeiten. Andererseits liegen allein im IT-Betrieb, bei der Hardware und auch bei der IT-Infrastruktur wie Netzwerken noch hohe Einsparpotenziale von bis zu 50 %. Mit alternativen Bereitstellungsmodellen sparen hier schon diverse Unternehmen viel Geld. Eine besondere Ausprägung ist dabei „Cloud Computing“. Bei diesem Modell werden IT-Infrastrukturen und -Anwendungen system- und ortsunabhängig über Netzwerke aus einer Art „black box“ heraus zur Verfügung gestellt. Die Abrechnung erfolgt verbrauchsorientiert. Das eingesparte Geld können Logistiker dann beispielsweise in Prozessverbesserungen investieren. Mit welchen Investitionen in IT können Fluggesellschaften die größte Wirkung erzielen? Generell verursachen personalintensive Prozesse hohe Kosten. Darum investieren heute viele Airlines in die Automatisierung, also in Online- und Check-in-Kiosksysteme, in Sitzplatzreservierungen oder in Kundenbindungs- und Vielfliegerprogramme. Doch vor allem unrentable Bodenzeiten müssen dringend vermieden werden. Deshalb sind effiziente Gepäck-, Flug- und Vijay Madan ist Head of DACH bei der NIIT Technologies GmbH, die auf Services rund um Anwendungsentwicklung, IT-Sicherheit, IT-Infrastruktur und Managed Services spezialisiert ist. Der deutsche IT- Dienstleister hat rund 60 Mitarbeiter an vier Standorten in Deutschland, Österreich sowie der Schweiz und greift auf umfassende Ressourcen der indischen Muttergesellschaft mit mehr als 4000 Mitarbeitern zurück. Güterverkehr + Logistik 41 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 rund 143 Mio. EUR und beschäftigen mehr als 1000 Mitarbeiter. Das Black Book of Outsourcing hat uns 2009 zum zweiten Mal hintereinander zum besten Outsourcing-Anbieter im Reise-, Transport- und Logistik-Ranking gekürt. Könnten Sie hier auf einige Unternehmen detaillierter eingehen? Im Bereich Eisenbahn-/ Personenverkehr haben wir seit unserer strategischen Partnerschaft vor vier Jahren mit DB Systel, dem IKT-Dienstleister der Deutsche Bahn AG, mehr als 25 Projekte realisiert. Dabei arbeitet unser Entwicklungszentrum in Delhi sehr eng mit unserem Team bei DB Systel vor Ort zusammen. Für CityCab in Singapur, mit 5000 Fahrzeugen eines der weltweit größten Taxiunternehmen, betreiben wir das Flottenmanagementsystem. Dazu gehören Flotten- und Fahrerverwaltung, Einnahme- und Sicherheitsmanagement, Satellitennavigation und viele andere Funktionen rund um Taxiunternehmen. Für die Umzugs- und Lagerfirma Crown, ein Unternehmen mit 85 Niederlassungen in 32 Ländern, haben wir im NIIT-Offshore- Entwicklungszentrum in Bangalore das Umzugs- und Berichtsmanagement, die Fakturierungs-, Lager- und Depotabrechnungsmodule und andere entwickelt. Inwieweit spielt die internationale Aufstellung von IT-Dienstleistern für TTL- Kunden - auch bezogen auf die Kosten - eine Rolle? Die meisten TTL-Unternehmen agieren international und pflegen enge Beziehungen zu ihren Kunden. Eine internationale Aufstellung des Dienstleisters erachte ich daher als sehr wichtig. Allerdings sollten die IT-Dienstleister die lokalen Gepflogenheiten kennen und möglichst in der Nähe sein. Vor Ort lassen sich Implementierungen, IT-Dienste und sonstige Leistungen besser erbringen. Die Kostenseite können IT-Dienstleister sehr positiv gestalten, wenn sie aus einem globalen Ressourcen- Pool schöpfen. tragsmanagementsystem und haben die IT-Prozesse an diversen Flughäfen übernommen. NIIT Technologies verantwortet außerdem die Preisgestaltungs-, Kundenbindungs- und Reservierungssysteme der Fluggesellschaft. Für United Airlines betreiben wir das Entwicklungszentrum, machen die Qualitätssicherung und bieten Test-Services sowie die Flugplanungs- und Flugmanagementsysteme. Für Emirates Airline verantworten wir unter anderem das Internetbuchungssystem. Erwähnen möchte ich auch Sabre. Für diesen Dienstleister im Reisegeschäft, dessen Produkte weltweit mehr als 50 000 Reisebüros einsetzen, warten wir die Kernsysteme, machen die Qualitätssicherung sowie Test- Services und das Data Warehouse. NIIT arbeitet nicht nur für die Luftfahrtbranche, sondern für den gesamten Bereich TTL. Wo setzten Sie hierbei die Schwerpunkte? Wir unterstützen die Unternehmen in sehr unterschiedlichen Sparten. Betrachten wir beispielsweise Logistikdienstleister aus dem dritten Bereich, die so genannten Third Party Logistics (3PL). Sie organisieren den gesamten Waren- und Informationsfluss ihrer Kunden und bieten teilweise noch Zusatzleistungen wie Finanzdienste an. Zudem übernehmen die 3PL verschiedene Mehrwertleistungen. Diese Logistikdienstleister brauchen die besten IT-Lösungen, die sie bekommen können, für ihre vielfältigen Aufgaben wie Warehouse-, Distributions- und Transportmanagement, Tracking und Tracing oder webbasierte Kommunikation. Hier entwickelt sich der Markt hin zu standardisierten Enterprise Resource Planning- Lösungen (ERP) und standardisierten Supply Chain Management-Lösungen(SCM). Eine serviceorientierte Architektur (SOA) wird immer wichtiger. Insgesamt haben wir in der TTL-Branche weltweit über 60 Kunden und ein starkes Partnernetzwerk. Hier erzielen wir rund 30 % unseres Umsatzes von insgesamt Passagierabwicklungslösungen unerlässlich. Auf den Flughäfen arbeiten viele Unternehmen Hand in Hand. Wo gibt es hier die größten Potenziale? Ebenfalls am Boden. Für die Flughäfen der Zukunft zeichnet sich ab, dass die optimale Auslastung und die Optimierung der Prozesse der Unternehmen am Boden eine große Rolle spielen. Gerade die präzise Zuordnung von Passagieren, Gepäckstücken, Frachtgut, aber ebenso von Flugzeugschleppern bis hin zu den Rolltreppen erfordert extrem zuverlässige und flexible IT-Lösungen, die miteinander kompatibel und ineinander integrierbar sein sollten. Bei diesen Bodendiensten generiert eine leistungsfähige, IT-basierte Flughafenlogistik also entscheidende Wettbewerbsvorteile. Solche umfassenden Anforderungen, die wir in IT-Lösungen überführen, haben bei uns den Status von Leuchtturmprojekten. Was kann NIIT für Airlines tun? Wir verstehen die Wünsche der Airlines, Kosten zu senken sowie flexibler und wettbewerbsfähiger zu werden, und können die Unternehmen aufgrund unserer langjährigen Erfahrung in der Branche bei der Lösung ihrer Probleme unterstützen. Das reicht von fertigen Produkten bis hin zu individuellen Lösungen. Nehmen wir etwa unseren Solution Accelerator: Er unterstützt Unternehmen zum Beispiel im Fuhrpark- Management, bei Reiseportalen oder bei Bonusprogrammen dabei, individuelle und skalierbare Anwendungen zum Preis einer Standardsoftware zu entwickeln. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wir bieten E- Commerce-Portale an, Reservierungs- und Ticketingsysteme, Flughafen-Cargo-Lösungen, Anwendungen für Vielfliegerprogramme und Flugpreise, Buchhaltungssoftware und viele weitere spezifische Lösungen. Können Sie ein paar Projekte kurz beschreiben? Wir haben für British Airways das Internetportal entwickelt, betreiben das Er- Menschen bewegen Verbindungen zu schaffen - das ist unsere Profession. Als eine der führenden europäischen Luftverkehrsdrehscheiben führen wir am Flughafen München Menschen über Ländergrenzen und Kontinente hinweg zueinander. Mit freundlichen und kompetenten Mitarbeitern, einem umfangreichen Serviceangebot und einem ebenso schönen wie funktionalen Flughafen machen wir Jahr für Jahr mehr Mobilität möglich. 2009 nutzten weit über 32 Millionen Reisende unser breites Flugangebot. Im gleichen Jahr wurden wir bei der weltweit größten Passagierbefragung in den Kreis der fünf besten Airports Europas gewählt - und das zum fünften Mal in Folge. Schön, dass die Menschen bei uns genauso gut ankommen wie wir bei ihnen. Wir werden auch künftig für bewegende Momente am Flughafen München sorgen. www.munich-airport.de Güterverkehr + Logistik 42 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 In Deutschland gibt es mittlerweise 14 000 Hermes-Paketshops. Foto: Hermes Kerstin Zapp Konjunkturmotor KEP-Branche Chancen und Herausforderungen in Deutschland und Europa Die Wirtschaftsnachrichten waren in den vergangenen Monaten meist wenig erfreulich: Insolvenzen, Stellenabbau, fehlende Aufträge - die weltweite Finanzkrise hinterließ in vielen Branchen Spuren. Besser als die Gesamtwirtschaft entwickelte sich die Industrie der Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP). Ein Beispiel dafür ist die Hermes Europe GmbH. Die Autorin Kerstin Zapp, freie Fachjournalistin Logistik - Mobilität - Energie, Hamburg; kerstin.zapp@zapp4media.de Distanzhandel eröffnet neue Potenziale Die Frage liegt auf der Hand: Welche Unternehmensstrategien und Entscheidungen haben den antizyklischen Erfolg der KEP-Branche bewirkt? Unter anderem haben Produzenten sowie Händler ihre Lagerbestände reduziert und die Bestellzyklen vieler Unternehmen haben sich verkürzt. Entsprechend stieg das Sendungsaufkommen. Ein besonderer Wachstumstreiber aber ist - gerade im Paketgeschäft - der stetig wachsende E-Commerce- Anteil. Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens GfK ist der E-Commerce-Umsatz 2008 um 19 % gegenüber 2007 gestiegen. Insgesamt haben die Deutschen 2008 für rund 13,6 Mrd. EUR Waren im Internet gekauft. Damit bleibt das Internet der Vertriebskanal mit der höchsten Wachstumsdynamik und wird in den nächsten Jahren zum wichtigsten Bestellweg im Distanzhandel. Davon können KEP-Unternehmen gleich mehrfach profitieren: Schließlich muss die bestellte Ware nicht nur zum Endkunden transportiert, sondern die wachsende Zahl kleinerer und mittlerer Online-Händler auch in die Lage versetzt werden, ihren Versand zu organisieren. Diese Entwicklung hat Hermes frühzeitig antizipiert und mit entsprechenden Angeboten reagiert. Eines davon ist der bereits seit 2006 bestehende „Profipaketservice“, der auf die Bedürfnisse von Onlineversendern mit einer Sendungsmenge ab 1000 Paketen jährlich zugeschnitten ist. Kunden kommt es beim Distanzkauf besonders auf Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, günstige Versandkosten und darauf an, dass mehrfach versucht wird, eine Sendung zuzustellen. 1 Mit Leistungen wie bis zu vier Zustellversuchen, einer minimalen Schadensbzw. Verlustquote von 0,05 % und einem Paketpreis, der sich nicht wie bei den meisten Wettbewerbern üblich nach Gewicht, sondern anhand der Paketmaße errechnet, hat sich Hermes auf diese Kundenwünsche eingestellt. Die Zukunft ist international Im Laufe der Jahre hat sich der 1972 gestartete Consumer-Logistiker der Otto Group nach eigenen Angaben zum größten postunabhängigen Paketzusteller in den Bereichen B2C und C2C entwickelt und allein im vergangenen Geschäftsjahr 252 Mio. Sendungen in Deutschland bewegt (Umsatz: 1018 Mio. EUR, plus 3,9 % gegenüber dem vorangegangenen Geschäftsjahr). 2 Und auch im Krisenjahr 2009 scheint das Unternehmen auf Kurs geblieben zu sein: Für das Weihnachtsgeschäft 2009/ 10 vermeldet Hermes mit einem um 20 % gestiegenen Sendungsvolumen gegenüber 2008/ 09 erneut Spitzenwerte für Deutschland und Großbritannien. Die Zukunft des Unternehmens liegt aber vor allem auch im wachsenden internationalen Geschäft: Der europäische Paketmarkt bietet reizvolle Perspektiven und wird sich nach einer Boston Consulting-Studie bis 2016 im Vergleich zu 2005 auf rund 11 Mrd. EUR verdoppelt haben. Das Wachstum resultiert aus zwei Entwicklungen: Getrieben durch den E-Commerce-Boom wird der Distanzhandel in ganz Europa enorm zunehmen, denn auf Dauer kann sich kein Einzelhändler dem Online-Thema verschließen. Zudem zieht das grenzüberschreitende Geschäft stark an. Mit seinen länderübergreifenden Logistikangeboten ist Hermes beispielsweise in Großbritannien für viele Distanzhändler, die einen international agierenden Logistikpartner benötigen, ein attraktiver Partner. So hat Hermes kürzlich von dem führenden britischen Modehaus Next den Exklusivvertrag zur Warenauslieferung erhalten. „Gerade in UK sind wir mit unserem Geschäftsmodell sehr erfolgreich und bewegen mittlerweile über 110 Millionen Sendungen jährlich“, sagt Hanjo Schneider, CEO Hermes Europe und Konzernvorstand „Services“ der Otto Group. Um das internationale Geschäft zu unterstützen, tritt Hermes seit Mitte vergangenen Jahres mit all seinen Logistikdienstleistungen - vom Transport auf der langen Strecke bis hin zur Zustellung an der Haustür - in ganz Europa unter einem Namen auf: Hermes Europe. Diese als Dachorganisation konzipierte Gesellschaft gewährleistet einen einheitlichen europäischen Markenauftritt mit entsprechendem Wiedererkennungswert und hat die Aufgabe, alle Schritte in den unterschiedlichen nationalen Märkten zu synchronisieren. Besonders Geschäftskunden, die die Hermes-Dienstleistungen auf dem deutschen Markt schätzen, erwarten bei ihren paneuropäischen Planungen, dass Hermes ihnen auch in weiteren Ländern als Logistikpartner zur Verfügung steht. Bisher stellt Hermes in den wichtigsten, weil umsatzstärksten und das größte Paketaufkommen ausweisenden Märkten in Deutschland, Österreich, England und Italien Sendungen unter eigenem Namen zu. In den anderen EU-Ländern wird die „letzte Meile“ durch die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern abgedeckt. Bereits heute hält das Unternehmen einen Anteil von mehr als 25 % am europäischen Paketmarkt und generiert einen Umsatz von über 1,5 Mrd. EUR. Doch die Expansion in weitere, noch nicht erschlossene Länder, etwa Russland, läuft bereits. „Im Großraum Moskau kooperieren wir seit einigen Wochen mit der Lebensmittelkette „Magnolia“. Dort werden zum Start zunächst zehn Paketshops eingerichtet. Wir haben uns in Russland für einen sukzessiven Roll-out entschieden. Dieser Markteintritt ist eines unserer spannendsten Projekte für die nächsten Jahre“, erläutert Hanjo Schneider. Erfolgsmodell Paketshops Zwar hat jeder Markt seinen eigenen Geschmack, aber so manches Rezept kommt überall gut an: Paketshops zum Beispiel. Vor elf Jahren fiel der Startschuss für diese Erweiterung des Geschäftsmodells. Inzwi- Güterverkehr + Logistik 43 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 schen verfügt Hermes in Deutschland mit mehr als 14 000 Shops, in denen Pakete für den nationalen und internationalen Versand in mehr als 20 EU-Länder aufgegeben werden können, im europäischen Vergleich über das größte nationale Netz von Annahmestellen. Zudem werden die Shops von den großen Versandhändlern als alternative Zustelladresse und Retouren-Annahmestelle akzeptiert. Der kontinuierliche Ausbau der im Einzelhandel installierten Shops - beispielsweise in Tankstellen, Kiosken oder Internet-Cafés mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten - führt zu immer kürzeren Wegen für die Kunden. Entsprechend ist auch in England der Aufbzw. Ausbau eines „Parcelshop“- Netzwerks geplant. Versandhändler und Logistiker als Partner Ein Paradebeispiel dafür, wie sich Versandhandel und Logistik im Idealfall ergänzen, zeigt die präzise aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit des großen deutschen Teleshopping-Anbieters QVC mit Hermes am nordrhein-westfälischen Standort Hückelhoven. QVC erweiterte hier 2007 sein Warenlager, Hermes errichtete direkt daneben eine Hauptumschlagbasis (HUB). Die Gebäude sind durch Förderbrücken miteinander verbunden. Gemeinsam haben die Unternehmen die klassische Rollenverteilung vom Händler als Auftraggeber und Logistiker als Dienstleister aufgegeben, um eine einheitliche Perspektive einzunehmen. Sie lautet: Auftraggeber sind die Kunden vor den Fernsehern. QVC und Hermes agieren gemeinsam als Dienstleister. Im Ergebnis ist ein hochmoderner, integrierter Logistikstandort mit kurzen Wegen entstanden, wovon auch der Endkunde profitiert. So hat die Ausweitung der Cut-off-Zeit auf 18: 00 Uhr neben einer Erhöhung der aktuellen Tagesmenge vor allem bewirkt, dass die Lieferzeit von QVC-Paketen um mehr als einen Tag reduziert werden konnte. Infrastruktur und Nachhaltigkeit fördern Um kurze Wege, niedrige Kosten und eine positive Umweltbilanz zu gewährleisten, bedarf es der passenden Infrastruktur - und die baut Hermes kontinuierlich weiter aus. 35 Mio. EUR nimmt der Logistiker allein für sein neues HUB in Langenhagen bei Hannover in die Hand. Dies soll Anfang 2011 eröffnet werden und die Bearbeitung von jährlich bis zu 60 Mio. Sendungen ermöglichen. Auch die Zentrale in Hamburg wird gerade flächenmäßig verdoppelt. Wichtig bei jedem neuen Projekt: ökologisch vertretbare Lösungen. So wird das Zentral-HUB im hessischen Friedewald ebenso wie die Anlage in Langenhagen mit einer die Kohlendioxidemissionen deutlich reduzierenden Holzhackschnitzelanlage beheizt. Fallen bei einer konventionellen Heizkesselanlage 1000 t CO 2 -Ausstoß an, kann diese Menge durch den Einsatz von Industrieholz auf 170 t pro Jahr reduziert werden - eine Einsparung von 83 %. Damit unterstützt der Logistiker das Vorhaben der Otto Group, die im Konzern anfallenden CO 2 -Emissionen bis zum Jahr 2020 um 50 % zu reduzieren - und das bei kontinuierlich steigenden Sendungsmengen. Zu diesem Zweck forciert Hermes derzeit knapp 50 verschiedene Einzelprojekte, die insgesamt dazu beitragen, die Umweltleistung des Unternehmens weiter zu verbessern. Ausblick Moderne Logistiker bilden heute komplette Versorgungsketten ab und greifen tief in die Wertschöpfungsketten ihrer geschäftlichen Auftraggeber ein. Das gilt insbesondere für Online-Geschäftsmodelle, bei denen der Kunde weitestgehend anonym bleibt und dem Logistiker spätestens bei der Sendungsübergabe die Rolle des „Beziehungspflegers“ zufällt. Eine wichtige Aufgabe, schließlich trägt die positive Gestaltung des Endkundenkontakts maßgeblich zur Kundenzufriedenheit bei. Im Bereich Zustellung erwartet das Unternehmen in den kommenden Jahren einige Innovationen, sei es die Benachrichtigung über den Sendungsstatus per SMS, E-Mail oder Voice-Mail, oder aber die Übergabe selbst. Ob zu Hause, beim Nachbarn, bei der Arbeit oder auf dem Weg dahin - in naher Zukunft werden den Kunden noch mehr Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um ihre Pakete entgegen zu nehmen. Der Trend geht zu immer flexibleren und individuelleren Services. Während der Wettbewerb insbesondere in kleineren Gemeinden immer mehr Filialen schließt, setzt der Hamburger Logistiker auf die Präsenz vor Ort, wie die 14 000 Paketshops zeigen - und das trotz weiterhin bestehender Wettbewerbsnachteile. „Zweifelsohne schöpft die Deutsche Post noch Vorteile aus ihrer vormaligen Monopolstellung“, konstatiert Hanjo Schneider. Dies habe sich zum Beispiel bei der Debatte um Mindestlöhne der Briefzusteller gezeigt, in der die Deutsche Post ihre Vorstellungen zunächst politisch durchsetzte. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte den Mindestlohn jedoch aufgrund von Verfahrensfehlern als rechtswidrig. Auch das der Post bei der Brief- und Paketbeförderung bisher eingeräumte Mehrwertsteuerprivileg stellte die Wettbewerber jahrelang schlechter. Doch bei Hermes sieht man sich bestens aufgestellt, um auch künftig erfolgreich zu bestehen. 1 Internet World Business/ Billiger.de 2 Das Geschäftsjahr der Hermes Logistik Gruppe Deutschland beginnt jeweils am 1. März. Hermes Europe GmbH Seit Anfang Mai 2009 agieren die Hermes Logistik Gruppe Deutschland (HLGD) und die Hermes Traqnsport Logsitics (HTL) als eigenständige Unternehmen unter dem Dach der Hermes Europe GmbH am Markt. Damit wurde der Transportvom Paketbereich getrennt. Der Transportsektor soll zu einem logistischen Generalanbieter entwickelt werden und neben Straßenauch verstärkt Luft- und Seetransporte offerieren. Besonders Asien hat das Unternehmen im Visier und bietet alle logistischen Services aus einer Hand. Darüber hinaus umfasst das Leistungsspektrum der unter der Marke Hermes operierenden Gesellschaften alle weiteren Elemente der Wertschöpfungskette: Sourcing, Qualitätsabsicherung, Fulfilment, 2-Mann-Handling sowie die Zustellung von Briefen und Katalogen. Mehr als KEP-Dienste Paketfluss auf der Brücke in Hückelhoven Foto: Hermes Technologien + Informationssysteme 44 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Tjark Siefkes Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet Modulares Lösungsportfolio für innovative Mobilität auf der Schiene Die vier Grundelemente nachhaltiger Mobilität - Energieverbrauch, Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit - bringt das ECO4*-Portfolio von Bombardier Transportation zusammen. Das Unternehmen geht damit die dringendsten Probleme an, mit denen Bahnunternehmen heute konfrontiert sind. Der Autor Dr. Tjark Siefkes, Senior Director Global Product Management, R&D, Centers of Competence and Knowledge Management, Bombardier Transportation, Berlin; tjark.siefkes@de.transport. bombardier.com D ie im ECO4-Portfolio enthaltenen Technologien, Produkte und Dienstleistungen bieten die Möglichkeit, das System Bahn ökonomisch und ökologisch zu optimieren und ein breites Spektrum von Anforderungen hinsichtlich Leistung und Betrieb von Bahnen zu integrieren. Der Einsatz dieser Technologien kann den Gesamtenergieverbrauch um bis zu 50 % reduzieren. Die Lösungen reichen von der Erhöhung der Energieeffizienz von Subsystemen über aerodynamische Verbesserungen von Zügen bis hin zur Optimierung des Energieverbrauchs einer bestehenden Flotte. Dabei hängen die tatsächlich zu erzielenden Einsparungen allerdings immer von einer Vielzahl von Parametern ab, wie etwa der Fahrzeugart und den Betriebsbedingungen. Um den Energieverbrauch standardisierter Subsysteme oder eines gesamten Zugs beziehungsweise einer Flotte insgesamt zu optimieren, muss - neben ausgereiften Technologien - ein zug- und flottenumfassendes Konzept vorliegen. Bombardier bringt beides in einer Simulation zusammen: Im so genannten Train Energy Performance (TEP-)Tool kann der Energieverbrauch von Subsystemen sowie Gesamtsystemen unter den verschiedensten Bedingungen simuliert und letztlich auch optimiert werden. Neue und bestehende Systeme im Blick Die höchste Ebene des Energiemanagements vollzieht sich auf Flottenniveau. Bei der Planung eines Bahnverkehrssystems sind die Betreiber mit der Herausforderung konfrontiert, die geeignete Technologie und Betriebsart für höchste Leistung, niedrigste Betriebskosten und größte Umweltfreundlichkeit bei geringstem Energieverbrauch zu wählen. Energplan* hilft bei der Simulation und Optimierung der Auslegung von Stromversorgung und Energieverbrauch für eine komplette Flotte und sorgt für Einsparungen von bis zu 20 %. Es wird unter anderem erfolgreich für die Peoplemover-Flotte des John F. Kennedy Airports in New York eingesetzt. Neben der Optimierung der Leistung neuer Bahnsysteme kann Bombardier die Leistung bestehender Flotten mithilfe des EBI* Drive 50-Fahrassistenzsystems verbessern. EBI Drive 50 ist ein Softwaretool, das die Ziele Pünktlichkeit, Energieeinsparung sowie weniger Rad- und Streckenverschleiß auf intelligente Art kombiniert. Es generiert Empfehlungen für den Fahrer zur Optimierung von Geschwindigkeit und Traktionskraft. Das Software-Tool nutzt die Übermittlung von Daten in Echtzeit zur aktuellen Position, zu Streckeninformationen, Geschwindigkeit sowie zum Zeitabgleich mit dem Fahrplan und ermöglicht so ein dynamisches, energiesparendes Fahren. In diversen Tests mit großen europäischen Bahnen wurden Einsparungen von bis zu 15 % bei der Traktionsenergie nachgewiesen. Durch den reibungsloseren Zugbetrieb sinkt zudem der Verschleiß an Radsätzen, Motoren, Bremsen und Gleisen. Infrastruktur im Fokus Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Optimierung der Flotten- und Betriebsleistung sind die zahlreichen Oberleitungen und Leitungsmasten für den Betrieb von Straßenbahnen in Stadtgebieten. Sie werden nicht nur oft als störend im Stadtbild empfunden, sondern verursachen auch hohe Wartungskosten. Bombardier ist mit der Entwicklung des Primove*-Systems neue Wege gegangen: Von einem im Boden verlegten Stromkabel wird die benötigte Energie per Induktion an das Fahrzeug übertragen. Auf der Teststrecke im Werk Bautzen wurden erfolgreich Tests mit 500 kW durchgeführt. Ein Upgrade auf 1000 kW ist geplant. Die im Boden versteckte, sichere und kontaktlose Stromübertragung ermöglicht den Betrieb bei jeder Wetterlage und Bodenbeschaffenheit über beliebig lange Strecken. Die kontaktlose Energieversorgung, die ein gewaltiges technisches Potenzial bietet, kann zudem der Diskussion um die Entwicklung der elektrischen Mobilität eine neue Richtung geben. Evolution im Kopf Auch durch verbesserte bordseitige Systeme lässt sich die Energieeffizienz erhöhen. Die größten Energieverbraucher im Bahnbetrieb sind die Antriebssysteme, die Klimasysteme und bei Hochgeschwindigkeitszügen das aerodynamische Design. Abb. 1: Die ECO4-Technologien in der Übersicht Quelle: Bombardier Technologien + Informationssysteme 45 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Die Optimierung der Aerodynamik eines Hochgeschwindigkeitszugs ist ein gutes Beispiel für innovatives Denken bei der Entwicklung der ECO4-Technologien: Die Forschung zur Optimierung des Luftwiderstands von Fahrzeugen nutzt Kenntnisse aus der Natur. Da es aber in der Natur kein Gegenstück für die Simulation der Leistung eines Hochgeschwindigkeitszugs gibt - ein Produkt, das in zwei Richtungen unter breit gefächerten klimatischen Bedingungen betrieben wird, nutzt Bombardier in der Simulation genetische Algorithmen. So werden die Prinzipien der natürlichen Evolution, Mutation und Selektion auf den Prozess der Entwicklung der bestmöglichen Form übertragen. Um die optimale Kombination von niedrigem Luftwiderstand und hoher Laufstabilität zu erreichen, verwendet das Unternehmen neueste Modellierungsmethoden. Die Reduzierung des Luftwiderstands um 25 % durch das AeroEfficient*-Programm für optimierte Fahrzeugformgebung ermöglicht Energieeinsparungen von bis zu 8 % im Regionalverkehr und bis zu 15 % bei Hochgeschwindigkeitszügen. Diverse Antriebe berücksichtigt Hinsichtlich der Antriebssysteme wird zwischen verschiedenen Dieselvarianten, elektrischen und hybriden Antrieben unterschieden. Das C.L.E.A.N. Diesel Power Pack ist ein Antriebssystem für mehrteilige Dieseltriebzüge, das die SCR-Technologie (Selective Catalyst Reduction) nutzt. Diese Technologie benötigt nicht nur weniger Energie als andere Lösungen, sie verfügt auch über ein leicht zu kontrollierendes Kühlsystem, das den Ausstoß von Schadstoffen, insbesondere von Stickoxiden, reduziert. Die von Bombardier eingesetzten Antriebe verfügen über ein optimiertes Gewicht und eine optimierte Konfiguration mit geringem Kraftstoffverbrauch und weniger Wartungsaufwand, was zu einer verbesserten Effizienz führt. Als erster Schienenfahrzeughersteller der Welt hat Bombardier die Zertifizierung für ein Diesel-Antriebsaggregat mit acht Zylindern und 560 kW erhalten, das die Abgasvorschriften der Stufe III-B für Dieseltriebzüge der 500 kW-Klasse gemäß der 2012 geltenden EU-Emissionsrichtlinien erfüllt. Das C.L.E.A.N. Diesel Power Pack wird in Kürze in den Itino*-Zügen des Rhein-Main- Verkehrsverbunds (RMV) in Deutschland und von Västtrafik in Schweden eingesetzt. Bei Hybridantrieben ist zwischen seriellem, parallelem und Vollhybridantrieb zu unterscheiden. Jede Technologie bietet spezielle Vorteile. Bei Bahnanwendungen werden im niedrigen Leistungsbereich serielle Hybridantriebe eingesetzt, während parallele und Vollhybridantriebe im höheren Leistungsbereich verwendet werden. Die Mitrac* Hybrid-Technologie ist ein paralleler Hybridantrieb, der den gleichermaßen effizienten Betrieb eines Fahrzeugs auf elektrifizierten und nicht elektrifizierten Strecken durch einen gemeinsamen Antriebsstrang ermöglicht, der sowohl Strom als auch Dieselkraft nutzt. Dies führt zu einem minimalen Verbrauch an fossilen Brennstoffen mit bis zu 80 % weniger Luftverschmutzung und niedrigen Emissionen. Aufgrund des um 40 % verringerten Kraftstoffverbrauchs bieten sich Bahnbetreibern auch wirtschaftliche Vorteile. Zudem ist das vielseitige Zweisystemfahrzeug im gesamten Netzwerk unterbrechungsfrei einzusetzen und sorgt so für eine flexible Flottendisposition. Der Vollhybridantrieb des Unternehmens nutzt den Mitrac Energy Saver als Ladegerät. Die innovativen Doppelschichtkondensatoren des Systems speichern die Energie, die bei jedem Bremsen frei wird, und verwenden diese beim Beschleunigen oder im Betrieb. Mehrjährige Tests in Mannheim haben erwiesen, dass der Einsatz des Systems bei Stadtbahnen für Energieeinsparungen von bis 30 % sorgt. Es ermöglicht über begrenzte Distanzen hinweg auch den oberleitungsfreien Betrieb. Die Rhein- Neckar-Verkehr GmbH hat im Dezember 2009 die ersten sechs neuen Bombardier- Straßenbahnen vom Typ Variobahn offiziell in Heidelberg in Betrieb genommen, 13 weitere Züge werden in diesem Jahr für Strecken in Mannheim ausgeliefert. Bei dieselelektrischen Triebzügen kann der Mitrac Energy Saver zur Leistungssteigerung genutzt werden, indem dem Fahrzeug bei der Beschleunigung zusätzliche Leistung zugeführt wird. Das Modul ist auch als rein elektrisches Antriebssystem beim Anfahren im Bahnhof einzusetzen. Ergebnis: null Emissionen und ein niedriger Lärmpegel. Nebenverbraucher einbezogen Unabhängig davon, mit welchem Verkehrsträger sich Menschen heute fortbewegen, werden hohe Anforderungen an den Komfort gestellt. Um diesen Fahrgastkomfort bei gleichzeitigem geringeren Energieverbrauch als bisher zu gewährleisten, hat Bombardier das thermodynamische ThermoEfficient*-Klimatisierungssystem entwickelt. U-Bahnen in Asien stecken beispielsweise mehr als 30 % ihres gesamten Energiebedarfs in die Innenklimatisierung. Hier wird jedoch häufig Energie verschwendet, da die Leistung des Systems nicht an variable Faktoren wie die Anzahl der Fahrgäste angepasst wird. ThermoEfficient nutzt die Kombination von zwei komplementären Systemen. Das erste, ein variables Frischluftsystem, nutzt von Sensoren erfasste Daten, um anhand des Fahrzeuggewichts die Anzahl der Fahrgäste zu ermitteln und die Klimatisierung entsprechend anzupassen. Das zweite System nutzt Wärmeaustauscher zum Vorheizen oder Vorkühlen der frischen Luft unter Verwendung von bis zu 80 % der Abluftenergie. Die nachgewiesene Gesamtenergieeinsparung durch ThermoEfficient beträgt etwa 25 %. Das Flexx* Eco-Drehgestell zielt ebenfalls auf eine Reduktion des Energieverbrauchs und des Lärmpegels ab. Das äußerst kompakte Leichtbaudesign dieses Drehgestells sorgt für ein um 33 % geringeres Gesamtgewicht gegenüber herkömmlichen Konstruktionen von Drehgestell und ungefederter Masse. Das führt zu gemindertem Gleis- und Radverschleiß durch reduzierte ungefederte Radsatzmassen und verbessertes Kurvenverhalten. Dieses Drehgestell senkt nicht nur die Wartungskosten für Räder, sondern auch die Folgekosten von Schienenschäden. Zudem ist es durch seine hohe Stabilität nicht nur für regionale und Nahverkehrsanwendungen, sondern auch für Hochgeschwindigkeitszüge geeignet. Mittlerweile sind weltweit fast 1000 Einheiten im Einsatz. Gesamtenergiemanagement Um dem Betreiber die notwendige Transparenz seines Energieverbrauchs zu geben und gleichzeitig das Bewusstsein seiner Mitarbeiter zu stärken, bietet Bombardier das Energy Management Control System an. Es integriert Energiebewusstsein, Effizienz und Emissionskontrolle in den Betrieb von Schienenfahrzeugen und bietet eine präzise und kostengünstige Lösung für das Energiemanagement einer Flotte. Das System nutzt Zugdaten sowie flexible und intuitive Visualisierungstools, die auf den bewährten Methoden des Orbita*- Systems basieren. Bahnbetreiber, wie etwa die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), erhalten minutengenau betriebsrelevante Informationen für das proaktive Management ihres Energieverbrauchs. * Marken der Bombardier Inc. oder ihrer Tochtergesellschaften Referenzen [1] Siefkes, T. : ECO4 - Bombardier’s new Formula for Total Train Performance. ITS, September 2009 [2] Froehlich, M. : Energy Storage System With Ultracaps On Board Of Railway Vehicles. ETG 2007, Karlsruhe, Oktober 2007 [3] De Vos, G. : ORBIFLO - Bombardier transportation’s intelligent wayside solution. ITS, September 2009 [4] Siefkes, T.; Struve, C. : PRIMOVE - The New and Innovative System for Bombardier Catenary-Free Light Rail Vehicles. ITS, September 2009 Abb. 2: Das Flexx Eco-Drehgestell Foto: Bombardier Technologien + Informationssysteme 46 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Abb. 1: Informationsbedarf in der Transportlogistik Michael Baranek / Rainer Wilke Grenzenloser Informationsfluss Telematik als Mittel der autonomen Informationsbeschaffung in Europa Der Wettbewerb in der Transportwirtschaft wird zunehmend dadurch bestimmt, welcher Anbieter im Rahmen der Supply Chains die lückenloseren Informationsketten realisieren kann. Umso wichtiger wird der Aufbau durchgängiger und lückenloser Lieferketten mit einem ganzheitlichen IT-Konzept, vollständigen und richtigen Datenflüssen und jederzeit abrufbaren Informationen, um sowohl die Kundenanforderungen zu erfüllen als auch durch optimierte Nutzung der Ressource Güterwagen die Flottenproduktivität zu erhöhen. Die Autoren Rainer Wilke, Chief Information Officer (CIO) und IT Governance der DB Schenker Rail GmbH, Mainz, und Michael Baranek, Chief Innovation Manager der DB Systel GmbH, Frankfurt; michael.baranek@deutschebahn.com Informationsbedarf international Erfolgreicher Schienengüterverkehr muss in der Dimension Europa organisiert werden, die Transportleistung muss auf hohem Niveau homogen erbracht werden und darf nicht von Landesgrenzen abhängig sein. Doch das europäische Bahnsystem ist mit mindestens fünf verschiedenen Stromsystemen, drei unterschiedlichen Spurweiten, 16 verschiedenen Signalsystemen und ungezählten nationalen Vorschriften heute eher ein Stückals ein Netzwerk. Hinzu kommt, dass auch die Informationsweitergabe über die nationalen Grenzen hinweg immer noch unzulänglich ist, da nationale Fahrzeuginformationssysteme weit davon entfernt sind, aufeinander abgestimmt zu sein. Die durch Informationstechnologie (IT) unterstützte Verfolgung grenzüberschreitender Transporte ist damit heute nur in Teilbereichen möglich, aber erforderlich. Nicht zuletzt die Vorgaben der EU-Kommission in Brüssel deuten in diese Richtung. Gemäß dem E-Freight-Konzept (European Commission Communication COM (2007) 607 ‘Freight Transport Logistics Action Plan’, October 2007, Chapter 2) sollen Gütertransporte unabhängig von Ihrem Transportträger identifizierbar und lokalisierbar sein. Ein Datenzugriff in Echtzeit und abgestimmte Datenformate für den Datenaustausch sind dabei Voraussetzung für einen nahtlosen, effizienten und sicheren Gütertransport. Technische Spezifikation Mit der Implementierung der TAF TSI (Telematic Applications for Freight Technical Specification for Interoperability) bis 2014 werden große Hoffnungen unter anderem auf eine signifikante Effizienzerhöhung auch des Schienengüterverkehrs verbunden. Allerdings regelt sie zwar den interoperablen Datenaustausch, nicht aber Quelle und Qualität der Daten. Doch woher sollen die Informationen in einer ausreichenden Verfügbarkeit, Qualität und Aktualität kommen? Die Telematik bietet die Möglichkeit, transport- und fahrzeugbezogene Echtzeitdaten auf europäischer Ebene zu erfassen und unabhängig von Ditten zur Verfügung zu stellen. Somit ist Telematik eine wichtige Zukunftstechnologie für den Schienengüterverkehr. Da der Terminus Telematik im Kontext des europäischen Schienengüterverkehrs auch als Synonym für IT und den Datenaustausch zwischen zentralen IT-Systemen verwendet wird, ist es erforderlich, den Begriff an dieser Stelle erneut zu definieren: Telematik kombiniert die Eigenschaften der Mobilfunktechnologie (GSM) und der Satellitennavigation (GPS) und kann Zustandsdaten (Sensorik) am Güterwagen erfassen, verarbeiten und an ein zentrales IT-System senden. Die wohl wichtigste fachliche Funktion ist die Bestimmung des eigenen Orts durch Nutzung des GPS-Systems und die onboard-Überprüfung der aktuellen Position gegen einen Referenztransportplan. Bei geeigneter Systemauslegung können aber auch ladegutspezifische Sensoren an das Telematiksystem angeschlossen werden, die den korrekten Transport wie Einhaltung der Kühlkette oder Stoßbelastung überwachen. Erstes autarkes Infosystem in Europa Zur Sicherstellung einer international durchgängigen Transportüberwachung entschloss sich die DB Schenker Rail GmbH bereits im Jahr 2000, sich der Telematik als Instrument der internationalen Informationsgewinnung zu bedienen. Hierzu wurden in den darauf folgenden Jahren rund 14 000 Güterwagen mit autarken Telematiksystemen ausgerüstet, um auf Basis von Transportplänen mit definierten Empfangszeitpunkten Soll-/ Ist-Vergleiche (Monitoring) durchführen zu können. Zusätzlich wurden Mehrwerte durch Sensorik wie etwa Detektion von unzeitigen Türöffnungen (Diebstahlschutz), unzeitiger Ladezustandsänderung, Stoßbelastung und Temperaturüberwachung des Ladeguts generiert. Ebenso wurde zur Vermeidung manueller Tätigkeiten unter dem Namen „eCargo- Service“ eine kostengünstige DV-Unterstützung geschaffen und zur Sicherstellung der daraus resultierenden proaktiven Kundeninformation ein Überwachungsteam im KundenServiceZentrum (KSZ) aufgebaut. Das Projekt hat gezeigt, dass durch Telematik die Effizienz von Transporten deutlich gesteigert werden kann. Dies machte die DB Schenker Rail GmbH zum Vorreiter für den Einsatz von Telematikanwendungen auf der Schiene in Europa und damit der europaweit autonomen, grenz- und unternehmensüberschreitenden Informationsbeschaffung im Schienengüterverkehr. Technologien + Informationssysteme 47 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Abb. 2: Funktionsübersicht Telematikanwendungen Abb. 3: Stand der Technik Stand der Technik Über die Zeit haben sich autarke Telematiksysteme nicht nur in punkto Zuverlässigkeit und Systemstabilität sondern auch funktional immer weiter entwickelt. Waren die Ursprungssysteme noch auf eine einfache Ortung und Datenkommunikation begrenzt, so kann die heutige Gerätegeneration individuellen Kundenwünschen jederzeit angepasst werden. Sie verfügt über eine hohe Eigenintelligenz, so dass einzelne Ereignisse oder Kombinationen verschiedener Ereignisse differenziert erfasst und bei Bedarf gezielte Aktionen ausgelöst werden können. Zudem sind die neuen Systeme offen und mit standardisierten Schnittstellen versehen. Standardisierungen Die Etablierung von europäischen Mindeststandards, verbunden mit einer Kompatibilität der Systeme - insbesondere im Hinblick auf „offene Systeme“ mit standardisierten Schnittstellen - ist ein wesentlicher Schritt zum Erfolg der Telematik. Vor diesem Hintergrund wurde bereits 2007 ein internationales Projekt zur Definition und Entwicklung von standardisierten Schnittstellen für Telematikanwendungen durch die europäischen Marktführer für Telematiksysteme im Schienengüterverkehr aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz gestartet. Erklärtes Ziel war es, ein standardisiertes und generisches Protokoll zu definieren und somit die Interoperabilität von Telematikanwendungen auf Basis eines zukunftsträchtigen Industriestandards herzustellen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurde ein Industriestandard zum Datenaustausch zwischen zentralen Servern und dezentralen Telematiksystemen mit dem Namen optiSMS - open telematics interface-Standardized Message Structure entwickelt und als lizenzkostenfreies „Luftschnittstellenprotokoll“ veröffentlicht. Darauf aufbauend wurde die Open Telematics Alliance (Opta) als internationale Gemeinschaft und als Non-Profit-Organisation zur Definition und Entwicklung von standardisierten Schnittstellen für Telematikanwendungen gegründet. Hauptaufgabe ist die Verbesserung und Weiterentwicklung der open telematics interfaces (opti). Hierzu hat die Opta eine Plattform für alle künftigen Weiterentwicklungen des Protokolls geschaffen und will die Interoperabilität im Sinne eines offenen und lizenzkostenfreien Industriestandards absichern. Mittlerweile besteht die Opta aus mehr als 30 Mitgliedsunternehmen. Aber die bereits angesprochene Etablierung von europäischen Mindeststandards geht noch weiter. Die IT Study Group der UIC (Union Internationale des Chemins de fer) hat beschlossen, auf Basis der Arbeiten Opta und den open telematics interfaces ein UIC-Merkblatt zu erstellen und zu veröffentlichen. Datentechnische Umsetzung des AVV Betrachtet man die durch den allgemeinen Verwendungsvertrag (AVV) geregelte Freizügigkeit eines Güterwagens (der Güterwagen eines Halters kann grundsätzlich von allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) genutzt werden), fehlten hier bisher Echtzeitinformationen, um den AVV DV-technisch abbilden und somit leben zu können. Hier kommen die Vorteile der Telematik und der autarken, individuellen Datenerhebung allen nutzenden EVU zu Gute. Die Einführung von Telematiksystemen ermöglicht es, die Geschäftsprozesse des Wagenhalters und des Eisenbahnverkehrsunternehmens nicht nur übergreifend, sondern auch vollständig zu betrachten und entsprechenden Nutzen daraus zu ziehen. Ein weitergehender strategischer Nutzen ergibt sich aus den Möglichkeiten des Systems, Transparenz in die Produktionsabläufe des europäischen Eisenbahnnetzwerks zu bringen mit dem Ziel, Qualität und Performance den Markterfordernissen anzupassen und die Leistungsqualität durchgängig zu überwachen. Vor dem Hintergrund der angestrebten Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Bahnsystems stellt Telematik die grenzüberschreitende Wissens- und Informationsbasis dar. Die produktionsspezifischen Auswirkungen der Telematik sind hinreichend bekannt und durch einzelne Projekte auf europäischer Ebene bereits nachgewiesen worden. Durch die ermöglichte Lauf-, Status- und Zustandsüberwachung können unnötige Stillstände der Güterwagen erkannt, durch ein zielgerichtetes Gegensteuern vermieden und somit nicht nur die Umlaufgeschwindigkeit zwischen den Transporten, sondern auch die Güterwagenproduktivität signifikant erhöht werden. Dies wiederum steigert die Wettbewerbsfähigkeit. Auch sollte nicht vergessen werden, dass im Kontext Gefahrgut auf Telematik gesetzt wird, um einen weiteren spürbaren Sicherheitsgewinn zu erzielen. Der Einsatz von Telematiksystemen im Schienengüterverkehr zeigt eine zukunftsorientierte Lösung, um europaweit grenzüberschreitend und unternehmensübergreifend die erforderliche Transparenz für die Beteiligten der Supply-Chain zu schaffen. In einem modernen Supply-Chain- Managementsystem wird die Integration dieser Technologie künftig nicht mehr wegzudenken sein. Literatur [1] Baranek, M. : Einsatzmöglichkeiten von automatischen Fahrzeugidentifikationssystemen. Der Eisenbahningenieur, Ausgabe 3/ 1999 [2] Bauschulte, W.; Baranek, M. : Telematik-Ernüchterung statt Euphorie? Der Eisenbahningenieur, Ausgabe 3/ 2005 [3] Wilke, R.; Bauschulte, W.; Baranek, M. : Der intelligente Güterwagen. Der Eisenbahningenieur, Ausgabe 4/ 2008 [4] Wilke, R. : Intelligenter Güterwagen. Referat beim Bezirkstag des BFBahnen RW, November 2008 [5] Baranek, M.; Magne, O.; Schwarz, F. : Standardisierte Schnittstelle für Telematik-Anwendungen. Der Eisenbahningenieur, Ausgabe 10/ 2008 Industrie + Technik 48 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 RIS-Kompetenzzentrum Leitfaden Energiesparen Die mangelnde Aerodynamik eines Lkw und der Rollwiderstand seiner Reifen verursachen zwei Drittel seines Energieverbrauchs. Das geht aus dem „Praxisleitfaden Grüne Logistik“ hervor, den das RIS- Kompetenzzentrum für Verkehr und Logistik, Osnabrück, herausgegeben hat. Er umfasst heute mögliche Energiesparmaßnahmen in Fuhrpark-, Materialfluss- und Lagersystemen. Unter anderem geht es um feste Seitenwände, Leichtlaufreifen, Motoroptimierung, Biodiesel, Fahrertraining, Reibkräfte bei Förderbändern, gebäudebezogene Maßnahmen im Lager und Transportorganisation. Weitere Informationen unter www.ris-logis.net (gm/ zp) Österreich Kredite für Lkw-Kauf Der Austria Wirtschaftsservice, die Förderbank der Republik Österreich, bietet kleinen und mittleren Transportunternehmen einen Kredit bis 100 000 EUR mit 0,5 bis 1,5 % Zinsen für den Kauf neuer, umweltfreundlicher Lkw über 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht. Die Unternehmen dürfen maximal 50 Mitarbeiter und eine Bilanzsumme von 10 Mio. EUR haben. Pro Antragsteller wird 2010 ein Lkw, der der EEV- Norm entspricht, gefördert. (zp) Digitaler Tachograf Neues Modell ab 2011 Von Oktober 2011 an soll eine neue Generation des digitalen Tachografen für den Straßentransport eingeführt werden. Laut einer EU-Verordnung darf dann nur noch das neue Modell in Lkw und Bussen installiert werden. Das neue Gerät soll einen besseren Schutz vor Manipulationen des elektronischen Fahrtenschreibers bieten, der die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Berufskraftfahrer registriert, sowie den Datenspeicher vor magnetischen Störungen schützen. Die Bestimmungen zur Zeiterfassung werden gelockert, manuelle Blackbox-Eingaben durch den Fahrer gestattet und ein schnelleres Herunterladen der Angaben aus dem Blackbox-Datenspeicher ermöglicht. Die Einheitlichkeit des Systems soll zudem die exaktere Überprüfung der Fahrerkarten sichern. (zp) Transmashholding Alstom beteiligt sich 25 % plus eine Aktie übernimmt Alstom an der Muttergesellschaft des russischen Schienenfahrzeugbauers Transmashholding (TMH), der Breakers Investment BV. Damit wird das im Frühjahr 2009 unterzeichnete Kooperationsabkommen konkretisiert. Der genaue Kaufpreis richtet sich nach dem Finanzergebnis der TMH über den Zeitraum 2008 bis 2011 und soll dann 2012 beglichen werden. Auf Basis des Vorjahresabkommens wurde bereits ein Vertreter von Alstom Transport als stellvertretender Geschäftsführer bei TMH eingeführt. Zudem wurde das gemeinsame Engineering-Unternehmen „Tekhnologii Relsovogo Transporta - TRT“ gegründet, das an der Entwicklung der 200 km/ h schnellen elektrischen Personenzuglok EP-20 mitarbeitet. (cm/ zp) Stadler Rail Größte Zahnradlok Stadler Rail soll für die brasilianische MRS Logistica S.A. die größte und stärkste Zahnradlok, die weltweit je gebaut wurde, Neue UNIFE- Studie Auch in diesem Jahr wird die Weltmarktstudie der Bahnindustrie auf der InnoTrans präsentiert. Die dritte Ausgabe, wie immer von UNIFE herausgegeben, wurde in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group (BCG) entwickelt. Die Daten der 50 größten Märkte weltweit erfassend wurden die entsprechenden Zahlen zu Marktvolumina auf den neuesten Stand gebracht. Darüber hinaus gibt die Weltmarktstudie eine Wachstumsprognose bis zum Jahre 2020 und ist nach den Produktsegmenten Infrastruktur, Schienenfahrzeuge allgemein, Rail Control, Dienstleistung und Projektintegration sowie nach den Regionen West-/ Osteuropa, Asien/ Pazifik, NAFTA, Afrika/ Naher Osten und CIS strukturiert. Dazu werden strategische Antworten der Industrie auf aktuelle Entwicklungen erarbeitet, die sowohl die Weltwirtschaftskrise als auch andere mögliche politische und wirtschaftliche Szenarios berücksichtigen. Diese Weltmarktstudie ist nach Aussage der UNIFE die umfassendste Studie auf ihrem Gebiet und eine Referenz für den Eisenbahnsektor. Der Vertrieb der Studie erfolgt über die DVV Media Group, in der auch die Railway Gazette erscheint. Aussteller der InnoTrans 2010 erhalten sie zum Vorzugspreis. Bestellschluss hierfür ist der 30. Juni 2010. Kontakt: riccardo.distefano@dvvmedia.com Ausstellerrekord Rund sechs Monate vor der Eröffnung platzt die Schienenverkehrstechnikmesse InnoTrans bereits aus allen Nähten. Die weltweite Nachfrage nach Ausstellungsfläche ist so groß, dass zur InnoTrans 2010 auch die sieben Hallen rund um den Funkturm belegt sein werden. „Das riesige Interesse freut uns natürlich sehr. Es bedeutet für das Messeteam allerdings auch eine enorme Herausforderung“, konstatiert Messedirektor Matthias Steckmann. „Allein kurz vor dem Anmeldeschluss gingen hier weit mehr als 100 Anmeldungen ein.“ Die Internationalität der InnoTrans steigt auch 2010 weiter an. Foto: Messe Berlin Die InnoTrans 2010 im Überblick Termin: 21. bis 24. September 2010 (Fachmesse) 25. bis 26. September 2010 (Publikumstage, nur Frei- und Gleisgelände) Veranstalter und Veranstaltungsort: Messe Berlin GmbH, Messedamm 22, 14055 Berlin Öffnungszeiten: 9.00 bis 18.00 Uhr (Publikumstage: 10.00 bis 18.00 Uhr) Eintrittspreise: Tagesticket: 36 EUR Dauerticket: 46 EUR Publikumstage: 2 EUR Weitere Informationen: www.innotrans.de; E-Mail: innotrans@messe-berlin.de Medienpartner der InnoTrans 2010 Die Zahl der Aussteller liegt inzwischen bei über 1400, das sind etwa 100 mehr als zum gleichen Zeitpunkt vor zwei Jahren. Messe internationaler als je zuvor Insgesamt wird die InnoTrans nicht nur größer, sondern auch internationaler als in den Jahren zuvor. Inzwischen kommen mehr als die Hälfte aller Aussteller aus dem internationalen Raum. So wird zum Beispiel die Präsenz der Aussteller aus den USA und Kanada deutlich wachsen. Kanada ist zum ersten Mal mit einer Gemeinschaftspräsentation dabei. Auch aus dem arabischen Raum und aus Südamerika gibt es zunehmendes Interesse an der InnoTrans. Ein weiterer Beleg für den Leitmessencharakter und die hohe Internationalität der InnoTrans ist die Beteiligung von ausländischen Verbänden und Verkehrsunternehmen. InnoTrans-Premiere hat die American Railway Engineering and Maintenance-of- Way Association (AREMA) aus den USA. Industrie + Technik / Bücher + Schriften 49 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 weiteren, thermisch hoch belasteten Komponenten in Triebwerken. Die Prüfstrecke dient dazu, die akustischen sowie strömungsmechanischen Eigenschaften über- und durchströmter Komponenten, auch Liner genannt, zu vermessen. Im Mittelpunkt steht dabei die ganzheitliche Untersuchung der Auswirkungen starker Schallwellen auf die Kühlung dieser Bauteile. Der zurzeit geplante Betriebsbereich deckt einen statischen Druck von bis zu 10 Bar sowie eine Zuströmtemperatur bis etwa 550° C ab. Bislang konnten die Versuche nur unter Umgebungstemperatur und -druck durchgeführt werden. Die Umsetzung von neuartigen Brennkammerkonzepten in Triebwerken wird von zwei großen Herausforderungen begleitet: Zum einen haben die schadstoffärmeren Luft-Kerosin-Gemische eine größere Neigung zu starken akustischen Schwingungen, was zu einer höheren Lärmentwicklung führt. Zum anderen steht für die Kühlung und die akustische Dämpfung durch die Brennkammerwände weniger Luft zur Verfügung. Der HAT ermöglicht erstmalig die parallele Optimierung der Kühlfunktion und der akustischen Dämpfung von Brennkammerwandelementen. Der Forschungsschwerpunkt liegt seitens der TU Berlin auf strömungsmechanischen und thermischen Untersuchungen, während das DLR sich auf die Forschung zu den akustischen Eigenschaften der Wandelemente von Brennkammern konzentriert. Der Standort des HAT ist die große Versuchshalle des Fachgebiets für Luftfahrtantriebe auf dem zentralen Campus der TU Berlin in Berlin-Charlottenburg. Der Prüfstand ist bereits weitestgehend fertig und soll Mitte 2010 in Betrieb gehen. Von den zu erwartenden Ergebnissen der Forschungsarbeiten werden vor allem die Hauptkooperationspartner Rolls-Royce und MTU Aero Engines im Triebwerksbereich sowie Siemens Energy, Alstom Power und MAN Turbo aus dem Kraftwerksbereich profitieren können. (zp) Daimler AG Trennung von Tata Die Daimler AG hat im März ihre Anteile in Höhe von 5,34 % am indischen Automobilkonzern Tata Motors an verschiedene Investorengruppen verkauft. Stattdessen verstärkt das Unternehmen seine Aktivitäten im Pkw- und Nutzfahrzeuggeschäft in Indien unter eigenem Namen, um vom erwarteten Wachstum dieses Markts direkt zu profitieren. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft Mercedes-Benz India produziert bereits seit 1995 in Pune Mercedes- Benz-Pkw und -Nutzfahrzeuge. Daimler India Commercial Vehicles Ltd. (DICV) hat Anfang 2010 den Vertrieb der Nutzfahrzeugmarke Fuso in Indien übernommen. DICV baut zudem in Chennai im Südosten Indiens ein neues Produktionswerk auf, wo von 2012 an unter einer neuen Lkw- Marke leichte, mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge zunächst für den indischen Volumenmarkt hergestellt werden sollen. (zp) entwickeln und herstellen. Die 18 m lange, vierachsige Drehgestelllok für die 1600 mm-Breitspurstrecke ist mit einer Leistung von 5 MW und einer Anfahrzugkraft von 700 kN geplant. Jedes Drehgestell soll über zwei Zahnradgetriebeanlagen, welche auf die 3-lammellige Zahnstange eingreifen, verfügen. Zur Unterstützung sind zwei separate Adhäsionsantriebe vorhanden, welche in der Steigung etwa 25 % der Traktionskraft erbringen. Die Lok besitzt eine E-Bremse mit Rückspeisemöglichkeit und ist für die Güterstrecke von Sao Paulo zum Hafen in Santos vorgesehen. Diese Strecke weist eine 9 km lange, bis zu 104 ‰ steile Rampe mit Zahnstange auf. Die neuen Loks werden in Doppeltraktion bis zu 750 t schwere Züge befördern. Die Lieferung aus dem Werk Bussnang ist für 2012/ 13 geplant. (cm/ zp) DB Schenker Rail Neue Autoteilebox DB Schenker Rail und Volkswagen Logistics haben eine neue Box zum Transport von Automobilteilen entwickelt. Die so genannte „Automotive Parts Box“ soll zunächst in der Belieferung des VW-Werks im russischen Kaluga getestet werden, bevor im Sommer über eine Serienfertigung entschieden wird. Die äußerlich Containern ähnlichen Kisten bieten 3 m Ladehöhe gegenüber 2,69 m bei herkömmlichen Containern. Die Boxen können bis zu 26,5 t fassen und per Kran bzw. mobilem Umschlaggerät gehoben werden. Es gibt sie in zwei Varianten: mit seitlichen Schiebeplanen (Curtainsider) sowie mit hydraulisch schwenkbaren Seitenwänden (Wingliner). Die Heckbeladung ist bei beiden Versionen ebenso möglich wie eine zweifache Stapelung. (cm/ zp) DLR / TU Berlin Gemeinsame Triebwerkforschung Der neue Heiß-Akustik-Teststand (HAT) wird weltweit die erste Anlage, mit der die Auswirkungen von Temperatur- und Druckunterschieden genauer erforscht werden können. Daran arbeiten das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Technische Universität Berlin künftig gemeinsam, um leisere und schadstoffärmere Triebwerke zu entwickeln. Der HAT ist eine Hochtechnologieprüfstrecke für akustische und strömungsmechanische Versuche an strömungsführenden Oberflächen wie etwa Triebwerksschaufeln und ÖPNV - Wie viel sind wir bereit zu zahlen? Haushalte aktuell in der Diskussion. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzierung des ÖPNV künftig stärker von den Fahrgästen getragen wird. Muss der finanziellen Ergiebigkeit ein höherer Stellenwert eingeräumt werden als den Fahrgastzahlen? Und wie preiselastisch ist die Nachfrage wirklich? Die vorliegende Forschungsarbeit befasst sich mit den Auswirkungen von höheren Fahrpreisanhebungen als bisher üblich auf das Nachfrageverhalten der Fahrgäste in einem großstädtischen Verkehrsraum auf Basis der Auswertung einer Befragung. Markt- und preispolitische Strukturen werden ebenfalls vorgestellt. (zp) Stobbe, Wolfgang: Preispolitik und Nachftragestrukturen im großstädtischen ÖPNV. uni-edition GmbH, Berlin, 2009, ISBN 978-937151-96-0, EUR 24,90 Derzeit basiert die Finanzierung des ÖPNV-Angebots in Deutschland auf einem komplexen System, an dem unterschiedliche Akteure der öffentlichen Hand sowie die Fahrgäste beteiligt sind. Allerdings deckten in den vergangenen Jahren die durch den Fahrkartenverkauf erzielten Beförderungserträge oft nicht einmal die Hälfte der Kosten der Verkehrsunternehmen. Die etablierten Finanzierungsstrukturen stehen vor dem Hintergrund der veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen und der Belastungen der öffentlichen Bücher + Schriften Standpunkt 54 INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN (62) 4/ 2010 Dr. Ben Möbius, Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI), Berlin Nachhaltige Mobilität braucht Technologie statt Ideologie Eine Leitidee für unsere Mobilität im 21. Jahrhundert stammt aus dem 18. Jahrhundert. Damals schrieb Hans Carl von Carlowitz über die Forstwirtschaft: Wer Bäume fällt, muss auch Bäume pflanzen. Er gilt als Erfinder des Prinzips der Nachhaltigkeit. Das hat heute mehr Geltung denn je. Für Mobilität bedeutet es: Wir müssen Verkehrswachstum und Ressourcenschutz zusammenbringen − weltweit. Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht, sondern verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Doch mancher Politiker ist mit Patentrezepten schnell zur Hand: Verbote und verordnete Verlagerung von Verkehr. Da heißt es, Mobilität müsse gesteuert und verteuert werden. Doch soll eine politische Avantgarde vorschreiben, wie groß ein Familienauto sein darf, wie Güter transportiert werden oder ob (und für wen) eine Flugreise erwünscht ist? Solche Konzepte sollten bleiben, wo sie hingehören: in der Mottenkiste. Intelligente Lösungen für effiziente Mobilität sind möglich, wenn Industrie und Politik gemeinsam Verantwortung tragen. Mit klaren Aufgaben: Die Kreativschmieden der Industrie liefern Technologien, die Verkehrspolitik in Berlin und Brüssel schafft stimmige Rahmenbedingungen für Intermodalität, Infrastruktur und Innovation. Nicht ideologische Grabenkämpfe zwischen Verkehrsträgern, sondern deren jeweilige Stärkung und bessere Vernetzung erhöhen die Effizienz. Die Politik sollte für freien, fairen Wettbewerb sorgen, etwa durch die europaweite Öffnung der Eisenbahnmärkte. Zugleich sollte sie die intra- und intermodale Vernetzung fördern. Dafür spielen intelligente Verkehrssysteme eine wichtige Rolle. Daten von Fahrzeugen und Infrastrukturen sammeln, über IKT weiterleiten und in Verkehrsmanagementzentralen zu maßgeschneiderten Informationen verarbeiten - das optimiert Logistik, Sicherheit und Zeitbudgets. Erfolge sind auch im Alltag spürbar: So reduzierte ein dynamisches Leitsystem in Stuttgart den Parkplatzsuchverkehr um ein Drittel. Deshalb kommt es darauf an, rasch die Rahmenbedingungen für die Verfügbarkeit von Echtzeit-Verkehrsdaten und für europaweit kompatible Systeme zu schaffen. Verkehrsinfrastruktur bildet das Rückgrat der Exportnation Deutschland. Doch unser Land lebt von der Substanz. Mit Folgen: In einem Jahr herrschen auf unseren Autobahnen 230000 h Stau. Das kostet etwa 100 Mrd. EUR Wohlstandsverlust − und reichlich Kraftstoff. So schadet man Wachstum und Klima. Wir müssen Engpässe beseitigen, unsere Straßen, Schienen und Wasserstraßen bedarfsgerecht erhalten und ausbauen. Das darf nicht nach Kassenlage geschehen, sondern hier trägt die Politik Verantwortung. Erforderlich sind auch ab 2011 mindestens 12 Mrd. EUR pro Jahr, denn Verkehrsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. In der EU müssen die transeuropäischen Netze vorangetrieben werden. Die Wirtschaft steht für privates Engagement etwa bei ÖPP bereit. Innovationen schaffen klima- und umweltschonendere Mobilität. So haben die deutschen Fluggesellschaften den spezifischen Verbrauch ihrer Flotten seit 1990 um mehr als 30% gesenkt. Bis 2020 werden sie die spezifischen CO 2 -Emissionen dank moderner Flugzeuge um weitere 25% reduzieren. Mit einem einheitlichen europäischen Luftraum, dem Single European Sky, ließen sich die CO 2 -Emissionen zudem um bis zu 12% senken, pro Jahr könnten so mindestens 11 Mio. t CO 2 vermieden werden. Dagegen schadet plakative Politik wie ein europäischer Alleingang bei der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel doppelt: Die EU würde CO 2 -Ausstoß exportieren und Jobs gleich mit. Innovationen steigern auch zu Lande die Effizienz. Beispiel Bahnindustrie: Die Leichtbauweise von Triebzügen und Verbundwerkstoffe können den Energieverbrauch um bis zu 30% senken. Zu den wichtigsten Aufgaben gehören hocheffiziente Antriebstechnologien. Gerade Elektrofahrzeuge mit lokal emissionsfreiem Fahren bieten eine vielversprechende Perspektive, vor allem in Megastädten. Weil die Branchen unserer Industrie für das Gesamtsystem Elektromobilität gut gerüstet sind, kann Deutschland Leitanbieter werden. Voraussetzung sind eine technologieoffene Förderung von Forschung und Entwicklung und eine zügige Implementierung. Mit Recht möchte die Bundesregierung mit der Nationalen Plattform Elektromobilität die Kooperation voranbringen. Nachhaltige Mobilität ist eine zentrale Herausforderung für die Menschheit im 21. Jahrhundert. Ziel sollte effizientere Mobilität für mehr Lebensqualität sein. Um dafür beste Lösungen zu finden, sollten alte Bastionen geräumt werden. Mobilität stärken, Umwelt schonen, Wohlstand sichern: Es lohnt sehr, dass Politik und Wirtschaft dafür gemeinsam arbeiten. ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ ̊ Bvg! iòditufn! Ojwfbv Gsbolgvsu! Bjsqpsu; ! Gmvhibgfo! Nbobhfnfou! nbef! cz! Gsbqpsu Sfjcvohtmptf! BcmÞvgf! {xjtdifo! Mboevoh! voe! Tubsu! †! ebgùs! tufiu! Gsbqpsu/ ! Votfsf! Fyqfsufo! fscsjohfo! ebt! lpnqmfuuf! Tqflusvn! bo! Bjsqpsu.Ejfotumfjtuvohfo! voe! cjfufo! tp! nbÙhftdiofjefsuf! Qspevluf! ! gùs! kfhmjdif! Bjsmjof.Bogpsefsvohfo/ ! Nju! obiumpt! jofjoboefshsfjgfoefo! Qsp{fttfo! pqujnjfsfo! xjs! ejf! Uvsobspvoe{fjufo! voe! xfsefo! nju! votfsfs! ipifo! GmfyjcjmjuÞu! efo! wfstdijfefofo! Bjsmjoft! hfsfdiu/ ! ! Tp! hbsboujfsfo! xjs! Fgひ{jfo{! bvg! iòditufn! Ojwfbv-! wpo! 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