eJournals

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
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2011
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Strategien statt Stolpersteine Prognosen zum Personen- und Güterverkehr bis 2025 Mobilität Logistik Wissenschaft Technologie Politik Let’s Go! Infrastruktur POLITIK Emerging Markets in Asien LOGISTIK Zukunft der Intralogistik Sicherheitsdebatte Luftfracht INFRASTRUKTUR Fehmarnbeltquerung Bundesverkehrswegeplan www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 1 Jan/ Feb | 2011 | Einzelpreis 25 EUR +++Premiere+++ NEUE Struktur NEUES Layout www.oepnvaktuell.de Spezial ISSN 2190-4820 € 15,- / Juni 2010 Öffentlicher Personenverkehr in der Fläche ’ ’’ ’ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 3 EDITORIAL Frank Straube »Zukunft beginnt jetzt« Sie bekommen die erste Ausgabe des Internationalen Verkehrswesens in 2011 in einer neuen Form hinsichtlich ihrer Inhalte und Struktur. Wir fanden es an der Zeit, auf die veränderten Informationsbedürfnisse zu reagieren. Neue Rubriken, eine klare Leserführung, ein leserfreundliches Layout - all dies sind Bausteine des von der DVV Media Group gemeinsam mit dem Beirat des Internationalen Verkehrswesens, der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft, dem Deutschen Verkehrsforum sowie dem Herausgeber weiterentwickelten Konzepts. Wer sich ein Urteil bilden will, sollte umfassend informiert sein. Der Anspruch des Internationalen Verkehrswesens liegt daher auch künftig in der ganzheitlichen Analyse und Aubereitung der wesentlichen Bestandteile zur Gestaltung von Verkehr und Mobilität der Zukunft. Die politischen Rahmenbedingungen nehmen hier einen immer größeren Raum ein. Deshalb gliedert sich die inhaltliche Struktur nun in insgesamt fünf Themenrubriken: Mobilität, Logistik, Infrastruktur, Technologie und Politik. Das Internationale Verkehrswesen wird künftig sechsmal pro Jahr erscheinen, jedes Mal noch umfangreicher und informativer, als Sie es bisher bereits kannten, viermal pro Jahr mit integrierten themenbezogenen Specials. Neu aufgenommen haben wir das Format des zweispaltigen Wissenschaftsartikels, der aktuelle Forschungsthemen ausführlich behandelt und den intensiveren Einstieg in ein Thema ermöglicht. Zukunft braucht Herkunft. Mein Dank gilt an dieser Stelle besonders Prof. emer. Dr. rer. pol. Dr. h.c., Gerd Aberle. Von seiner langjährigen Erfahrung profitiert das gesamte Team. Persönlich freue ich mich über seine Zusage, auch in Zukunft das Internationale Verkehrswesen mit kurzen und kritischen Kommentaren zum aktuellen Verkehrsgeschehen zu begleiten. Die große Herausforderung zur Planung und Realisierung von Verkehrskonzepten der Zukunft liegt in der Integration von Verkehrsträgern und in der Verknüpfung logistischer Nachfrageprofile von Personen und Unternehmen als Endkunden mit durchgängigen Transportketten und einer hierauf angepassten Infrastruktur. Flexibilität, Sicherheit, Nachhaltigkeit, Servicequalität und Kosteneizienz sind Messkriterien für die Akzeptanz künftiger Verkehrskonzepte. Voraussetzungen für Planungen und Potenzialabschätzungen sind nachvollziehbare und belastbare Prognosen von Verkehrsaukommen und -strukturen. Hier liegt nach meiner Einschätzung eine große Aufgabe, Verkehrsdaten der Zukunft nicht nur zu ermitteln und in einen abgestimmten Kontext mit anderen Untersuchungen zu stellen, sondern die Daten auch in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Das Internationale Verkehrswesen wird seinen Beitrag durch die regelmäßige Veröfentlichung von nationalen und internationalen Studien leisten, die Diskussion über fehlende Prognosen oder über sich widersprechende Zahlen stimulieren und wichtige Verkehrszahlen künftig auch elektronisch über die DVV Media Group bereitstellen. In diesem Heft stellen wir die aktuelle Studie der ProgTrans AG vor; hiernach wächst die sog. transmodale Transportintensität Chinas gemessen in Tonnenkilometern um über 120 % in dem Zeitraum von 2008 bis 2025. In Deutschland fällt das Wachstum nach dieser Untersuchung mit 23 % vergleichsweise bescheiden aus und bedeutet eine deutliche Schmälerung gegenüber bisherigen Annahmen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Mit diesen Veränderungen geht auch eine Verschiebung der internationalen Transportkorridore einher, die in einer Studie von Prof. Dr. Inga-Lena Darkow, European Business School, in Zusammenarbeit mit Dr. Peter Kauschke, PricewaterhouseCoopers, untersucht wurde. In ihrem Artikel „Emerging Markets auf Wachstumskurs“ finden sich Prognosen zum Wirtschaftswachstum einiger Schwellenländer. Beide Artikel bieten einen Ausblick auf den Wandel der Verkehrsströme der kommenden zwei Jahrzehnte und führen uns deutlich die Verschiebungen der internationalen Verkehrstektonik vor Augen. Ich freue mich auf Ihre Kritik und Anregungen und wünsche Ihnen ein erfolgreiches, gesundes und spannendes Jahr 2011. Ihr Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de »Neue Form, neue Struktur« Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 4 POLITIK INFRASTRUKTUR LOGISTIK 12 Mehr als kosmetische Korrekturen Langfristprognosen zum Güter- und Personenverkehr Markus Drewitz, Stefan Rommerskirchen 18 Emerging Markets auf Wachstumskurs Die Schwellenländer als Zukunftsmärkte des 21. Jahrhunderts Inga-Lena Darkow, Peter Kauschke, Julia Reuter 22 Anschluss gesucht mit der Fehmarnbeltquerung Peter Lundhus 26 Bundesverkehrswegeplan 20XX Florian Eck, Sarah Stark 29 Zug um Zug nach vorn Entwicklung des weltweiten Schienenverkehrs Maria Leenen, Niklas Schüller 34 Sicherheitsdebatte Luftfracht Benjamin Bierwirth 37 Intelligente und zukunftsfähige Logistiksysteme Wolfgang Albrecht 39 Läuft wie von selbst Automatisierung in der Intralogistik Christoph Hahn-Woernle WISSENSCHAFT »RFID-Technologien werden künftig einen weit größeren Anteil an Logistikprozessen haben, als es heute absehbar ist« Michael Schenk, Leiter Fraunhofer IFF Seite 58 INTERVIEW TECHNOLOGIE Spannende Zukunft 41 Standardisierung von Lieferketten Sebastian Jürgens ฀ www. Sie finden „Internationales Verkehrswesen“ ab sofort im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: umfangreichem Hefte-Archiv aktuellen Branchennews und Terminen Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 5 MOBILITÄT TECHNOLOGIE RUBRIKEN DVWG-Nachrichten 50 Wieviel tragen „klassische“ Luftschadstofe zur globalen Erwärmung bei? Jens Borken-Kleefeld Robert Sausen 53 Multimodales Mobilitätsmanagement Christian Scherf, Frank Wolter 58 Michael Schenk Ein Interview mit dem Leiter des Fraunhofer IFF über den Stand der RFID-Technik 60 Ins Schwärmen geraten Zellulare Transportsysteme Thomas Albrecht, Guido Follert 61 RFID Update Alexander Hille, Niko Hossain 62 Ladungsträgereinheit für den intermodalen Verkehr Sebastian Jursch, Eckart Hauck, Sabina Jeschke 64 Frischer Wind für die Energieversorgung Jens Eckhof 03 Editorial 06 Momentaufnahme 08 Nachrichten 09 Stellenmarkt 1 1 Kurz + Kritisch 49 Bericht aus Brüssel 67 Industrie + Technik 76 Service 77 Beirat Gastkommentar von Frank Sennhenn, Vorstandsvorsitzender der DB Regio AG Seite 78 71 Leitwort von Prof. Knut Ringat, Präsident der DVWG 75 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen INHALT Jan/ Feb 2011 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 6 MOMENTAUFNAHME Himmel auf Erden Das Konzept Desertec setzt auf solarthermische Kraftwerke im Sonnengürtel der Erde, um klimafreundlich Strom für Europa, den Mittleren Osten und Nordafrika zu erzeugen. Laut Berechnungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) reicht 1 km 2 Wüste aus zur Versorgung von etwa 100 000 Haushalten mit 250 Mio. KWh Strom pro Jahr. Im Jahr 2050 könnte Strom aus konzentrierenden Solarsystemen rund 15 % des europäischen Strombedarfs decken. Die Desertec-Pläne basieren auf drei satellitendatengestützten Studien der Stuttgarter DLR-Forscher um Dr. Franz Trieb, die die Potenziale der erneuerbaren Energien für die nachhaltige Produktion von Elektrizität ermitteln — ein Konzept, das auch dem Verkehrssektor neue Perspektiven eröfnet. Infos unter: www.dlr.de/ desertec Dr. rer. nat. Franz Trieb Leiter der Studien zum Thema Desertec am DLR Foto: DLR Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 7 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 8 NACHRICHTEN Westhäfen Umschlagrekord Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge haben sich schneller als noch vor einem Jahr zu erwarten war von der Weltwirtschaftskrise erholt. Alle drei Häfen haben 2010 mit Umschlagrekorden abgeschlossen. Die vorläufigen Zahlen liegen vor. In Rotterdam wurden rund 430 Mio. t gelöscht und geladen, plus gut 10 % gegenüber 2009. Umschlagzuwächse stellten sich sowohl im Stückgutals auch im Massengutbereich ein. Der Containerumschlag liegt mit rund 11 Mio. TEU 14 % höher als 2009. Der Rotterdamer Hafen hat besonders auch von der guten Entwicklung der deutschen Wirtschaft profitiert. Amsterdam verbuchte 2010 rund 178 Mio. t, gut 13 % mehr als 2009. Mit 102 Mio. t bzw. 8,4 Mio. TEU liegt der Containerumschlag um 17,8 % über den Zahlen des Vergleichszeitraums. Stückgut- und Massengutverkehr haben sich ebenfalls erholt. Zeebrügges Umschlag liegt knapp unter 50 Mio. t und damit gut 11 % über den Zahlen von 2009. 2,9 Mio. TEU gehörten dazu. (zp) Polen Staatssekretär der Bahn neu Polen hat einen neuen Staatssekretär für das Bahnwesen eingestellt: Andrzej Massel hat Ende Dezember 2010 die Amtsgeschäfte übernommen. Massel war zuvor als Wissenschaftler im Institut CNTK tätig, das sich mit der Entwicklung des Bahnwesens auseinandersetzt. Sein Vorgänger Juliusz Engelhardt wurde aufgrund von Unstimmigkeiten nach der Einführung der neuen Fahrpläne Anfang Dezember entlassen. (zp) Flughafen München Vill geht Walter Vill, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung und Leiter des kaufmännischen Geschäftsbereichs der Flughafen München GmbH (FMG), ist Ende 2010 in den Ruhestand gegangen. Seine Aufgaben haben die Geschäftsführer Michael Kerkloh und Thomas Weyer übernommen, die das Unternehmen künftig zu zweit steuern werden. Vill berät die FMG insbesondere zum Thema Flughafenausbau weiterhin. (zp) DB Schenker Rail Pahl Vorstand Seit dem 1. Januar ist Mirko Pahl Vorstand Produktion bei DB Schenker Rail Deutschland. Er hat diese Aufgabe von Christian Kuhn übernommen, der das Ressort zusätzlich zu seinen Aufgaben als Mitglied der Geschäftsführung der europäischen DB Schenker Rail führte. Pahl ist bereits seit 1997 bei der Deutsche Bahn AG. 2007 wechselte er zu DB Schenker Rail und übernahm die Leitung des Ressorts Produktion Einzelwagenverkehr; Mitte 2010 kam die Leitung Produktion Ganzzugverkehr dazu. (zp) Mirko Pahl Foto: DB AG Hafen Rotterdam Foto: Arndt Flughafen Wien Kaufmann abgesetzt Im Streit um die Kostenexplosion beim geplanten Terminalausbau „Skylink“ ist der Chef der Flughafen Wien AG, Herbert Kaufmann, Ende 2010 abgesetzt worden. Neuer Vorstandsvorsitzender ist zunächst der bisherige Aufsichtsratschef Christoph Herbst . Neuer Aufsichtsratschef ist der bisherige Stellvertreter von Herbst in diesem Amt, Karl Samstag. (zp) MAN Umfirmierung Seit Anfang 2011 heißt die MAN Nutzfahrzeuge AG, München, nun MAN Truck & Bus AG. Der neue Name soll der Vereinheitlichung des internationalen Markenauftritts dienen. (zp) Air Canada Hérault für Deutschland Jean-Christophe Hérault ist seit Dezember 2010 General Manager Deutschland der kanadischen Fluggesellschaft Air Canada. Er löste Hans W. Schütt ab, der als General Manager Airports United Kingdom and Ireland in die Europazentrale der Airline nach London wechselte. Hérault ist seit 2002 bei Air Canada, zuletzt als Sales & Marketing Manager Deutschland sowie Cargo Sales Manager Central Europe. (zp) E zienz Cluster Logistik Ruhr Clausen leitet Scientific Committee Prof. Uwe Clausen , Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, ist zum Vorsitzenden des Scientific Committee gewählt worden. Das Scientific Committee ist als Gremium des Eizienz Clusters Logistik Ruhr für die wissenschaftliche Begleitung der Gesamtstrategie verantwortlich. (zp) GACAG / BDL Luftverkehr bündelt Um künftig mit einer Stimme zu sprechen, haben vier Luftfracht-Organisationen im Dezember 2010 die Global Air Cargo Advisory Group (GA- CAG) gegründet. Die Luftfahrtorganisation Iata, der Weltspediteurverband Fiata, der Luftfrachtverband Tiaca und der Verladerzusammenschluss Global Shippers Forum wollen gemeinsame Interessen bei Sicherheit, E-Freight und Zoll voranbringen. Ebenfalls im Dezember ist der neue Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ins Leben gerufen worden. Gründungsmitglieder sind der Flughafenverband ADV, der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), die Deutsche Lufthansa AG, die Fraport AG, die Air Berlin PLC& Co. Luftverkehrs KG, die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, die Verkehrsministerkonferenz Vogelsänger sitzt vor Das Land Brandenburg hat zum 1. Januar 2011 den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz (VMK) übernommen. Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) hat die Aufgabe turnusgemäß für zwei Jahre inne und löst seinen Thüringer Kollegen Christian Carius ab. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern kommen in der Regel zweimal im Jahr zusammen. (zp) Jörg Vogelsänger Foto: MIL Brandenburg Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 9 VDV Zahlen 2009 erschienen Die VDV-Statistik 2009 ist Ende 2010 erschienen. Das Werk ist vollständig überarbeitet worden und enthält diverse neue Informationen wie Zeitreihen branchenrelevanter Preisindizes und Aussagen zu Nachhaltigkeit oder Energieeizienz von Fahrzeugen. Sowohl der Personenverkehr als auch der Güterverkehr und die Infrastruktur der VDV-Mitglieder werden abgehandelt. Weitere Informationen: www.vdv.de (zp) „Strategien für Erfolg entwickeln. Auch für die eigene Karriere. Bei der Deutschen Bahn.“ Zukunft bewegen. Die Deutsche Bahn ist ein weltweit führendes Mobilitäts- und Logistikunternehmen. Rund 291.000 Mitarbeiter setzen sich dafür ein, täglich mehr als sieben Millionen Kunden im Personenverkehr in Deutschland, europaweit fast zehn Millionen Kunden und täglich fast eine Million Tonnen Güter auf der Schiene zu befördern sowie die dazugehörigen Verkehrsnetze auf der Straße, der Schiene und in der Luft effizient zu steuern und zu betreiben. Wir suchen Sie zum nächstmöglichen Termin in Berlin als Senior-Geschäftsanalysten (w/ m) Konzernstrategie und Verkehrsmarkt Wir bieten Ihnen ein hohes Maß an Selbstständigkeit, umfassende Weiterbildung und ausgezeichnete Aufstiegsmöglichkeiten in einem inspirierenden Umfeld. Sie werden den Konzernvorstand bei der strategischen Führung des Konzerns und bei der Weiterentwicklung der Strategie beraten und unterstützen. Hierfür steuern Sie den strategischen Managementprozess, die Plattform für Strategieentwicklung des DB-Konzerns, analysieren Sie die Wirkung von Umfeldveränderungen, entwerfen Zukunftsszenarien und entwickeln auf dieser Basis die DB-Geschäftsmodelle weiter. Sie werden konzernübergreifende (Teil-)Projekte steuern oder leiten. Zum Portfolio der Konzernstrategie zählen Marktbeobachtung der relevanten Personen- und Güterverkehrsmärkte, Internationalisierungsprojekte, die Erarbeitung von geschäftsfeldübergreifenden Wettbewerbs- und Wachstumsstrategien und Business Development. Das Überdenken von Wertschöpfungstiefen rundet das Portfolio ab. Ihr Profil: sehr gut abgeschlossenes betriebswirtschaftliches, naturwissenschaftliches oder technisches Universitätsstudium mit Zusatzqualifikation, gerne MBA oder Promotion oder durch langjährige Berufserfahrung erworbene vergleichbare Qualifikation mehrjährige Erfahrung in der Bearbeitung von strategischen Fragestellungen, möglichst in der Verkehrs- oder Logistikbranche konzeptionelle, analytische Stärke und schnelle Auffassungsgabe unkonventionelle Ideen und Gespür für Trends, Markt- und Wettbewerbsveränderungen in internationalen Verkehrs- und Logistikmärkten Blick für die Funktionsweise von Geschäftsmodellen überzeugende Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten verhandlungssichere Englischkenntnisse Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann senden Sie Ihre Bewerbung bitte unter Angabe Ihres frühestmöglichen Eintrittstermins, der Ausschreibungsnummer und Ihrer Gehaltsvorstellungen an: DB Mobility Logistics AG Personalservice Nordost, HFS 4 NO Ausschreibungsnummer: 110489 Caroline-Michaelis-Straße 5-11 10115 Berlin Bewerben Sie sich online unter Angabe der Ausschreibungsnummer oder finden Sie weitere Stellenangebote unter www.deutschebahn.com/ stellenboerse. Informationen zur DB als Arbeitgeber und zu den vielfältigen Einstiegsmöglichkeiten erhalten Sie unter www.deutschebahn.com/ karriere. Condor Flugdienst GmbH, die Cirrus Airlines Luftfahrtgesellschaft mbH, die Augsburg Airways GmbH sowie die TUIfly GmbH. Die Mitglieder wählten Dieter Kaden, Vorsitzender der Geschäftsführung der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, zum Gründungspräsidenten des BDL. Im Laufe des ersten Halbjahrs 2011 will der Verband einen hauptamtlichen Präsidenten berufen. Der BDL soll künftig die gemeinsamen Interessen der gesamten deutschen Luftverkehrsbranche vertreten, die gemeinschaftlichen Themen bündeln und kommunizieren. Die Bedeutung des Luftverkehrs als Wirtschaftsfaktor, die Stärkung des Luftverkehrsstandorts Deutschland, die konsequente Fortentwicklung eines nachhaltigen Luftverkehrs, aber auch die Gewährleistung hoher und gleichzeitig bezahlbarer Sicherheitsstandards werden Bereiche sein, zu denen sich der Verband zu Wort melden wird. (zp) Bayern Förderung für Service Factory 11 Mio. EUR erhält die Service Factory Nürnberg, die Anfang Dezember 2010 ihre Arbeit aufgenommen hat, von der bayerischen Landesregierung, um neue Ideen umzusetzen. Die Initiative der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) will neue logistikbasierte Dienstleistungen erschließen und entsprechende innovative Produkte durch die Zusammenarbeit von Forschern, Erfindern und Unternehmern entwickeln. (zp) BGL Zahlen der Verkehrswirtschaft Wie viele Unternehmen, Beschäftigte und Fahrzeuge gibt es im Transportlogistikgewerbe? Wie groß waren Transportmenge und Transportleistung der jeweiligen Verkehrsträgern? Wie groß die Marktanteile? Wie viele Insolvenzen gab es? Welche Grenzwerte müssen Euro VI-Fahrzeuge einhalten? Welche Entwicklung nahmen Lkw- Unfälle oder Leerfahrten? Wie lang sind die durchschnittlichen Beförderungsweiten der Güterverkehrszweige? Mehr als 100 Tabellen und Grafiken zu allen Bereichen des deutschen und europäischen Güterverkehrs sowie ein Kapitel zur deutschen Lkw-Maut: Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., Frankfurt am Main, hat die Neuauflage seiner „Verkehrswirtschaftlichen Zahlen“ (VWZ) Ende November 2010 herausgegeben. Die meisten Daten beziehen sich auf die Jahre 2009 und 2008. Weitere Informationen: www-bgl-ev. de/ web/ service/ angebote_publikationen.htm (zp) TEN EU finanziert Die Europäische Kommission hat Ende 2010 die Zuteilung weiterer Mittel für den Ausbau der Transeuropäischen Netze (TEN) bekannt gegeben: 24,5 Mio. EUR erhält die Verbindung zwischen den Häfen Rostock und Gedser, die durch Infrastrukturverbesserungen zu einer Meeresautobahn ausgebaut werden soll. Weiteres Geld fließt in den Bau einer zweiten Moselschleuse in Trier (2,4 Mio. EUR). 6,75 Mio. EUR will die EU für den Umbau des Terminals im österreichischen Wörgl bereitstellen, unter anderem für eine Verladestation für die Rollende Landstraße. Insgesamt hat die Kommission 2010 mehr als 170 Mio. EUR für TEN-Projekte verteilt. (cd/ zp) Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 10 NACHRICHTEN UIC KV-Bericht 2010 Die Zahl der Unternehmen, die unbegleitete intermodale Verkehrsleistungen anbieten, ist von 2007 auf 2009 um 11 auf 123 gestiegen. Dagegen ist das Aufkommen gegenüber 2007 in 2009 um 10,6 % auf 154,5 Mio. t im unbegleiteten Verkehr gesunken. Davon entfallen 55 % auf den Seehafenhinterlandverkehr und 45 % auf kontinentale Verkehre. Die Zahl der beförderten 20´-Einheiten) sank um 11,1 % auf 15,45 Mio. TEU. Für 2010 wird eine kräftige Steigerung gegenüber dem Vorjahr erwartet. Zum dritten Mal hat die International Union of Railways (UIC) mit ihrer KLV-Gruppe einen Bericht über den kombinierten Verkehr in Europa veröfentlicht. Die von Kombiconsult und K&P Transport Consultants bewerteten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2009, die Vorgängerberichte befassten sich mit 2005 und 2007. Weitere Informationen: www.uic.org/ spip. php? article2715 (zp) Intercontainer Auflösung eingeleitet Reorganisationen, rote Zahlen: Der internationale Kombi-Operateur Intercontainer-Interfrigo (ICF) wird liquidiert. Das hat die Aktionärsversammlung von ICF Ende November 2010 beschlossen. Nun sucht der bisherige Generaldirektor Bart von der Cruysse Investoren, die das gesamte Unternehmen oder zumindest Teile davon kaufen. (zp) Arriva Zuschlag an FS und Cube Die Arriva Deutschland- Gruppe geht an ein Konsortium der italienischen Staatsbahn FS/ Trenitalia und dem Finanzinvestor Cube Infrastructure. Das hat die Deutsche Bahn AG am 8. Dezember vergangenen Jahres endgültig bekannt gegeben. Voraussetzung: die EU-Kommission stimmt zu und erteilt die kartellrechtliche Freigabe. (cm/ zp) Spanien/ Frankreich HGV gestartet Mit zwei TGV-Zugpaaren zwischen Paris Gare de Lyon und Figueres-Vilafant startete Mitte Dezember 2010 der Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) zwischen Spanien und Frankreich. Einen Tag später folgte der Güterverkehr. Gleichzeitig nahm auch die HGV-Strecke zwischen Madrid und Valencia sowie Cuenca / Albacete den Betrieb auf. (cm/ zp) Fiat Aufspaltung Seit Anfang Januar ist der Fiat- Konzern in zwei neue Aktienunternehmen aufgeteilt, die an der Mailänder Börse gehandelt werden. Die Pkw-Sparte heißt nun Fiat SpA, Fiat Industrial SpA umfasst die Nutzfahrzeugmarke Iveco, den Land- und Baumaschinenanbieter Case New Holland (CNH) sowie die dazugehörigen Powertrainwerke. (zp) Neue Studie über den kombinierten Verkehr in Europa Foto: UIC China Cargo Airlines Transport Joint-Venture China Cargo Airlines, Shanghai, hat die beiden Frachtfluglinien Shanghai Cargo Airlines und Great Wall Airlines übernommen. Gleichzeitig hat sich Singapore Airlines Cargo für umgerechnet 24 Mio. EUR einen Anteil von 16 % an China Cargo Airlines gesichert. Mit der Eastern Airlines (51 % der Anteile) sowie den Teilhabern SIA Cargo, der Reederei China Overseas Shipping Co (Cosco) und der taiwanesischen Tochter von EVA Airways, Concord Pacific, sind namhafte asiatische Gesellschaften Teilhaber von China Cargo Airlines. Durch deren weltweites Netz und das hohe Transportaufkommen können die Logistikunternehmen für eine konstante Auslastung der chinesischen Frachtfluglinie sorgen. Gegenwärtig verfügt China Cargo Airlines über 13 Frachter: Drei Boeing777F, fünf MD-11F, zwei Boeing 747-400F sowie drei Airbus 300F. Die Gesellschaft entwickelt sich zu einem Gegenspieler von Air China Cargo. Das Gemeinschaftsunternehmen von Air China (51 %) und Cathay Pacific (49 %) will Anfang 2011 an den Start gehen. (zp) Fabec Luftraumblock von sechs Staaten Den funktionalen Luftraumblock „Europe Centrale“ (Fabec) haben Anfang Dezember Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und die Schweiz gegründet. Aus den sechs nationalen Flugräumen der beteiligten Staaten soll ein gemeinsamer geschafen werden. Geplant ist, dass in ganz Europa insgesamt neun solcher Luftraumblöcke als Zwischenschritt zu einem einheitlichen europäischen Luftraum entstehen und im Dezember 2012 funktionsfähig sind. Durch die Aufhebung der rein nationalen Zuständigkeiten für das Luftraummanagement sollen die Eizienz des Flugverkehrs und seine Sicherheit steigen. Eine Zusammenarbeit soll es auf vier Ebenen geben: auf Ebene der Minister, der Aufsichtsbehörden, der Flugsicherungsorganisation und der Ausbildung von Fluglotsen. Im Fabec werden mit etwa 5,5 Mio. Flügen pro Jahr mehr als die Hälfte (55 %) aller europäischen Flugbewegungen abgewickelt. Sein Gebiet umfasst 1,7 Mio. km2 und ist das Herzstück des künftigen Single European Sky. (zp) Norddeutschland Maritimes Cluster gebildet Die drei Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein starten ein gemeinsames Clustermanagement unter dem Namen „Maritimes Cluster Norddeutschland“. Seit Anfang 2011 läuft die verstärkte länderübergreifende Kooperation im Bereich der maritimen Wirtschaft, um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu stärken und Arbeitsplätze zu schafen und zu sichern. Für Bremen und Mecklenburg-Vorpommern stehe die Kooperation ofen. Das Projekt konzentriert sich auf die maritime Wirtschaft mit ihren Sektoren Werften und Zulieferer, Ofshore und Meerestechnik sowie die Verknüpfungen mit Schiffahrt, Reedereien und Hafenwirtschaft. Geleitet wird das Cluster durch die Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH (WTSH) , die unter anderem bereits das Maritime Cluster Schleswig-Holstein betreut. Die WTSH will regionale Geschäftsstellen in Elsfleth, Hamburg und Kiel einrichten, um eine ortsnahe und schnelle Betreuung der Unternehmen sicher zu stellen. Leiter des länderübergreifenden Clustermanagements ist Dr. Niko von Bosse. (zp) Hannover Messe Metropolitan Solutions Technologien, die das Leben der Menschen in großen Städten verbessern können, sind das Thema der „Metropolitan Solutions“. Sie findet erstmals vom 4. bis 8. April 2011 während der Hannover Messe auf dem Messegelände in Hannover statt. Der neue Bereich beschäftigt sich mit Rohstofverknappung, Bevölkerungswachstum und einer zunehmenden Urbanisierung sowie dem Ausbau, der Instandhaltung und der Modernisierung von Stadtstrukturen. Ausstellen werden Unternehmen, die für städtische Energie-, Wasser-, Mobilitäts- und Gebäudeinfrastrukturen Zukunftsmodelle vorstellen. Referenzlösungen werden vorgeführt und ein Forum mit Kongresscharakter rundet den Bereich ab. (zp) 11 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 11 KURZ + KRITISCH Gerd Aberle »Stuttgart 21: Welche Folgen? « N ein, eine Schlichtung beim Projekt Stuttgart 21 war es nicht und konnte es auch nicht sein. Es war ein Mediationsverfahren, nicht mehr und nicht weniger. Ja, das Mediationsverfahren hat in sachlicher Atmosphäre viele und interessante Informationen zu Leistungs- und Kostendaten vermittelt und einer großen Öfentlichkeit die strittige Problemlage aufgezeigt. Nein, ein Ende des Konflikts zwischen Befürwortern und Gegnern hat es nicht bewirkt und auch gar nicht bewirken können. Wer solche Hofnungen hat, verkennt die Bedeutung der extrem langen Planungsprozesse, der parlamentarischen und gerichtlichen Entscheidungen sowie der erlangten Baurechte. Ja, es verbleiben bei S 21 wie auch vielen anderen Infrastrukturprojekten unerfreuliche Kostenrisiken, welche die Nutzen-Kosten- Quotienten auf eine kritische Größe absenken können. Nein, das Stuttgarter Mediationsverfahren ist kein Vorbild dergestalt, dass zukünftig dem Planungsverfahren ein solcher Mediationsprozess vorgeschaltet werden sollte, wie derzeit häufig gefordert. Vielmehr besteht dann die Gefahr, dass sich der Planungszeitraum weiter verlängert, da in einem solchen Vorschaltprozess nur wenige der z. B. bei S 21 nach langjähriger Untersuchungszeit verfügbaren Kosten- und Leistungsdaten bereits vorhanden sind. Ja, das dringendste Erfordernis in der Verkehrsinfrastrukturpolitik ist eine wesentliche Verkürzung der Planungszeiträume. 15 bis 20 Jahre lassen das Öfentlichkeitsinteresse schwinden, was dann aber bei Anrollen der Baumaschinen und erkennbarer regionaler Auswirkungen plötzlich einsetzt und hochemotionalisierte Kritik erzeugt. Zu den Erklärungsversuchen zum zunehmenden Widerstand gegen infrastrukturelle Großvorhaben kann der in den Wirtschaftswissenschaften wohlbekannte Ansatz der steigenden Zeitpräferenzrate angefügt werden. Je älter der Bevölkerungsdurchschnitt ist, desto mehr Präferenzen bestehen hinsichtlich der erlebbaren Umwelt. Erst in langen Zeitfristen eintretende positive Wirkungen der Infrastrukturinvestitionen werden wesentlich geringer eingeschätzt als der gegenwärtige Zustand. Wird der Status quo noch durch Baumaßnahmen negativ beeinflusst, nimmt der Widerstand der älteren Bevölkerung zu. Diese Widerstandsursachen sind bedeutender als Kosten- und Leistungskritiken. Da in Deutschland der Altersefekt der Gesellschaft dramatisch wirksam wird, nimmt die Zeitpräferenz, also die Höherschätzung der Gegenwartsbedürfnisse gegenüber individuell unsicher erlebbaren Zukunftschancen, stetig zu. B enötigt Deutschland mit einer blühenden und international herausragenden Logistikwirtschaftwirtschaft wirklich Master- oder Aktionspläne, die von staatlichen Institutionen konzipiert werden? Die Bejahung fällt schwer, ist es doch Aufgabe dieses Sektors selbst, seine Stärken zu vermarkten und Problem zu lösen. Nur wenn es politisch gesetzte Rahmenbedingen betrift und hier insbesondere die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen, ist der Staat gefordert. Auch der Aktionsplan der Bundesregierung vermittelt bei diesem Zentralproblem nur wenig Konkretes, außer der wiederholten Erkenntnis gefährlicher Verkehrsinfrastrukturengpässe. Stärkere Berücksichtigung des Schienenverkehrs und der Schiffahrt, Verlagerung auf die Schiene mit einem Marktanteil von 25 % als Zielgröße, so der neue Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung - aber wie denn? Gravierende Engpässe bereits derzeit auf den Hauptabfuhrstrecken, völlig unzureichende Neu- und Ausbaumittel und kein schlüssiges erfolgversprechendes Finanzierungskonzept - das ist die Politiksituation! Ein problemadäquater Aktionsplan Logistik sollte sich auf die Verkehrsinfrastrukturpolitik und deren Planungsstrukturen und Finanzierung beschränken. Unkonventionelle, auch bislang tabuisierte Finanzierungsstrategien sollten, allerdings nach kritischer Überprüfung aller bislang bereits bewerteten Projekte, durchgesetzt werden. Dazu gehört auch der Mut, bereits begonnene, aber ineiziente Projekte zu stoppen, um die wirklich dringlichen Neu- und Ausbauten realisieren zu können. »Verkürzung der Planungszeiträume« Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Logistikinitiativen: Defizite Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 12 POLITIK Güter- und Personenverkehr Mehr als kosmetische Korrekturen Langfristprognosen zum Güter- und Personenverkehr Die World Transport Reports 2010/ 2011 1 der ProgTrans AG weisen gegenüber der Vorgängerstudie 2 drei zentrale Neuerungen auf: Mit nun 40 Ländern decken sie nahezu 60 % der Weltbevölkerung ab. Die Prognosen bis 2025 basieren auf völlig neuen Einschätzungen der Wirtschaftsentwicklung. Eine methodisch interessante Transformation der Daten zum Straßengüterverkehr zeigt bislang ungeahnte Konsequenzen für die europäische Verkehrspolitik auf. D ie Angaben zum europäischen Straßengüterverkehr basieren auf Erhebungen, die gemäß einer entsprechenden Verordnung der EU („Verordnung (EG) Nr. 1172/ 98 des Rates über die statistische Erfassung des Güterkraftverkehrs“) nach dem „Inländerkonzept“ durchgeführt werden und über deren Ergebnisse entsprechend nach dem Inländerkonzept berichtet wird. Europäischer Straßengüterverkehr Jedes Land erhebt für die in seinem Land beheimatete Lkw-Flotte repräsentative Daten zum Straßengüterverkehr. Die wichtigsten Merkmale sind die Fahr- und Verkehrsleistungen der jeweils berücksichtigten Lkw- Flotte im In- und Ausland. Für die meisten Planungsprozesse sind eigentlich die Daten nach dem „Territorialitätsprinzip“, also die Fahr- und Verkehrsleistungen von in- und ausländischen Lkw auf dem Straßennetz eines Landes, von größerer Relevanz. Derartige Daten werden bislang allerdings weder erhoben noch publiziert. Diese Situation ist für die meisten Nutzer der heutigen Stra ßengüterverkehrsstatistiken unbefriedigend, denn sie wollen über die Verkehrsentwicklung in einem bestimmten Land und über sachgemäß abgegrenzte Modal-Split- Berechnungen informiert werden. Vor dem geschilderten Hintergrund hat sich die ProgTrans AG dazu entschlossen, die vom Statistischen Amt der EU (Eurostat) nach dem Nationalitätsprinzip publizierten Daten mit Hilfe von Verkehrsmodellierungssoftware so aufzubereiten, dass ein in sich konsistentes Abbild der Güterverkehrsleistungen auf dem Straßennetz der einzelnen EU-Länder sowie in Norwegen und der Schweiz entsteht. Im Ergebnis wurden die berichteten Statistiken vom Nationalitätskonzept auf das Territorialitätskonzept transformiert. Die grundsätzlichen Abgrenzungsunterschiede in den Daten 3 wurden dadurch allerdings nicht eliminiert. Die Umlegungsberechnungen wurden für den Zeitraum 2004 bis 2008 durchgeführt, also für fünf Jahre. Die älteren Publikationen von Eurostat sind zu unvollständig, als dass man sie in gleicher Weise hätte verwenden können. Stattdessen wurde zur Rückrechnung der entsprechenden Zeitreihen ein „Konverter“ entwickelt, der die Entwicklung der Unterschiede zwischen den Daten nach dem Territorialitäts- und Nationalitätskonzept für jedes Land zurückschätzt und so anhand der Daten nach dem Nationalitätskonzept eine Abschätzung nach dem Territorialitätskonzept erlaubt. Auf diese Weise wurden vollständige Zeitreihen für die Straßengüterverkehrsleistungen in 29 europäischen Ländern nach dem Territorialitätskonzept geschätzt - eine für Europa völlig neue Datenbasis. Für Deutschland hat dies erhebliche Konsequenzen: Gemäß den neuen Schätzungen liegen die Straßengüterverkehrsleistungen gegenüber den in „Verkehr in Zahlen“ 4 publizierten Angaben im Jahr 2008 um nahezu 54 Mrd. tkm bzw. um knapp 12 % niedriger; für das Jahr 2004 ergeben sich Unterschiede in Höhe von 35 Mrd. tkm bzw. knapp 9 %. Das bedeutet zugleich, dass für den Zeitraum 2004 bis 2008 nicht ein Wachstum von nahezu 19 %, sondern „nur“ von 15 % ausgewiesen wird. Diese Datenrevision betrift ausschließlich die Straßengüterverkehrsleistungen ausländischer Lkw, und zwar insbesondere deren Transitverkehrsleistungen durch Deutschland. Hier bedeuten die neuen Daten gegenüber den Foto: Siemens Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 13 bisherigen eine deutliche Neueinschätzung: Sie liegen im Niveau deutlich niedriger und steigen auch nicht so stark an, wie dies bisher ausgewiesen wurde. Solche neuen Vergangenheitsdaten bleiben nicht ohne Konsequenzen für die Prognosen. Neuer sozioökonomischer Rahmen der Verkehrsnachfrageprognosen Bei allen Prognosen zur Entwicklung der Verkehrsnachfrage steht für ProgTrans seit jeher der Mensch im Mittelpunkt, sei es im Personen-, sei es im Güterverkehr. Im Personenverkehr dürfte dies unmittelbar verständlich sein, im Güterverkehr vielleicht etwas weniger. Der Mensch nimmt aber generell die zentrale Rolle bei der Verkehrsnachfrageprognostik ein, sei es als Verkehrsteilnehmer im Personenverkehr, sei es als Veranlasser, Besteller oder Bezahler in der Rolle des Produzenten oder Konsumenten im Güterverkehr, oder als Betrofener von den Auswirkungen der Verkehrsnachfrage anderer. Die Bevölkerungsentwicklung von 1950 bis 2050 ist in Abbildung 1 dargestellt. 5 Es wurde bewusst die Weltbevölkerungsentwicklung gewählt, denn sie spielt bei den Überlegungen zur langfristigen Entwicklung der Verkehrsnachfrage - auch in Europa - eine zentrale Rolle: Ein derart rasantes und nahezu ungebrochenes Weltbevölkerungswachstum hat es in der bekannten Erdgeschichte noch niemals gegeben. Eine Steigerung der Erdbewohner von ca. 2,5 Mrd. Menschen im Jahr 1950 auf über 9 Mrd. Menschen im Jahr 2050 stellt eine gewaltige Herausforderung für alle dar; betrachtet man die Entwicklung nach Erdteilen, dann zeigt sich die besondere Herausforderung für die heutigen Industrieländer - allen voran Europa, denn ihr Anteil an der Weltbevölkerung wird immer kleiner: Hatte Europa im Jahr 1959 noch einen Anteil von knapp 22 %, so werden es im Jahr 2050 nur noch knapp 8 % sein; umgekehrt steigt der Anteil Afrikas - trotz geringerer Lebenserwartung - im selben Zeitraum von 9 auf nahezu 22 % an. Auch wenn der Blick vieler Menschen heute auf Asien und Amerika gerichtet ist, die größten Herausforderungen liegen geografisch näher; Vorboten des Wohlstandsgefälles zwischen Europa und Afrika sind seit geraumer Zeit erlebbar. Die Herausforderungen der Weltbevölkerungsentwicklung und der Verteilung der Menschen auf die verschiedenen Kontinente und Länder können nur bewältigt werden, wenn eine faire Zusammenarbeit in Form zunehmender Arbeitsteilung und durch das Schafen von Einkommens- und Konsummöglichkeiten in allen Kontinenten stattfindet. Sonst droht eine kriegerische Auseinandersetzung über die Verteilung von knappen Ressourcen - für solche Reaktionsmuster gibt es in der Menschheitsgeschichte leider zahlreiche Beispiele. Die rasante Verbreitung von Medien erlaubt mittlerweile jederzeit an jedem Ort einen Einblick, was an anderen Orten geschieht. Die Armen schauen sicherlich nicht dezent weg, wenn sie im Satellitenfernsehen oder Internet den Wohlstand der Reichen betrachten. Für die oft geforderte stärkere „regionale“ Entwicklung, in der sich einzelne Kontinente oder Ländergruppen ohne den Austausch mit den heutigen Industrienationen autonom entwickeln, fehlen zumindest in den letzten Jahrhunderten reale Vorbilder und Beispiele. Alle Schwellenländer sind in erster Linie durch die Arbeitsteilung und den Warenaustausch mit den großen Industrieländern stark geworden. Vor diesem Hintergrund sehen wir keine Alternative zu einer „sanften“ Globalisierung - auch nach der ofenbar soeben überwundenen Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/ 2009. Allerdings gibt es für die Langfristprognosen der Verkehrsnachfrageentwicklung nicht nur den Basisefekt dieser „Wachstumsdelle“, sondern auch eine Neubewertung des Tempos, in dem die Intensivierung der Arbeitsteilung zu erwarten ist. Solche Vorstellungen haben auch die Prognos AG als wichtigster Quelle unserer Leitdaten zur Wirtschaftsentwicklung bei ihren jüngsten Prognosen zum generellen Wirtschaftswachstum - gemessen in Form des realen (inflationsbereinigten) Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - sowie zur zukünftigen Entwicklung des Außenhandels (Export, Import; Ex+Imp) geleitet. Die Prognosen für unseren vorletzten „European Transport Report“ aus dem Jahre 2007 (ETR07) sind im Vergleich mit denjenigen Prognosen, die unseren jüngsten Verkehrsprognosen in den „World Transport Reports“ aus dem Sommer 2010 (WTR10) zugrunde liegen, für die Gesamtheit aller 27 EU-Mitgliedsländer in Abbildung 2 dargestellt. Die Abbildung bedarf keiner großen Kommentierung: Selbstverständlich war die Wirtschafts- und Finanzkrise im Frühjahr 2007 von niemandem vorhergesehen worden, und so verliefen die damaligen Trendprognosen so, wie Trendprognosen generell „funktionieren“: Sie bilden die zukünftige Entwicklung unter Berücksichtigung bereits beschlossener zukünftiger Veränderungen mit der Prämisse ab, dass sich die Zusammenhänge zwischen den Prognosezielgrößen und ihren wesentlichen Einflussfaktoren in der Zukunft so entwickeln wie in der (beobachteten) Vergangenheit. Konjunkturelle oder gar saisonale Entwicklungen sind explizit nicht Gegenstand derartiger langfristiger Trendprognosen, sondern gehen in den „mittleren“ trendmäßigen Wachstumspfad ein (bzw. darin unter). Vor diesem Hintergrund ergaben die Perspektiven für BIP und Außenhandel im Jahre 2007 für den Gesamtzeitraum 2005 - 2025 einen Zuwachs von knapp 44 % bzw. 1,8 % pro Jahr beim BIP und von 118 % bzw. 4,0 % pro Jahr beim Außenhandel. Die neuen Prognosen vom Jahresende 2009 rechnen für denselben Zeitraum 2005-2025 - unter Berücksichtigung der Einbrüche in den Jahren 2008/ 2009 sowie bei einer neuen Einschätzung des Globalisierungstempos - nur noch mit einem Zuwachs von knapp 27 % bzw. 1,2 % pro Jahr beim BIP und von nur noch 49 % bzw. 2,0 % pro Jahr beim Außenhandel - das sind immense Unterschiede! Sie haben entsprechend deutliche Konsequen- Abb. 1: Entwicklung der Weltbevölkerung nach Kontinenten (1950 bis 2050) Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 14 POLITIK Güter- und Personenverkehr zen für die Prognosen zur Entwicklung der Verkehrsnachfrage. Personen- und Güterverkehr Um die Fülle der Informationen der „World Transport Reports 2010/ 2011“ möglichst sinnvoll zu verdichten, wird nachfolgend nicht über alle 40 Reportländer berichtet, sondern über 36 Länder, 6 wobei 32 europäische Länder zu zwei Gruppen zusammengefasst werden (nämlich die 15 alten EU-Länder zzgl. Norwegen und Schweiz zu „Westeuropa“ einerseits und die 12 neuen EU-Länder zzgl. der Beitrittskandidaten Kroatien, Mazedonien und Türkei zu „Osteuropa“ andererseits), während - nicht zuletzt aus Gründen der Proportionen - die vier „BRIC-Staaten“ (Brasilien, Russland, Indien und China) einzeln dargestellt sind. Perspektiven des Güterverkehrs insgesamt Die Güterverkehrsprognosen in den „World Transport Reports“ basieren auf Prognosen der „gesamtmodalen Transportintensitäten“, bei denen die Verkehrsleistungen aller Landverkehrsträger (gemessen in Tonnenkilometern (tkm)) zu wirtschaftlichen Leitgrößen (gemessen in EUR, zu Preisen von 2000) ins Verhältnis gesetzt werden. Inzwischen ist die Erkenntnis gereift, dass „pauschale“ Transportintensitäten - bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) - bei Güterverkehrsprognosen nicht zielführend sind, weil das BIP nicht den zentralen Treiber der Güterverkehrsleistungsentwicklung darstellt, sondern vor allem die starke Intensivierung der horizontalen und vertikalen Arbeitsteilung, die in entsprechenden Veränderungen des Außenhandels zum Ausdruck kommt. Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, wurden bereits im „European Transport Report 2007/ 2008“ die Güterverkehrsleistungen soweit wie möglich nach den Hauptverkehrsrelationen (HVR) „Binnenverkehr“, „Grenzüberschreitender Versand“, „Grenzüberschreitender Empfang“ und „Transitverkehr“ getrennt prognostiziert. Diese Herangehensweise hat sich bewährt und wurde auch bei den jetzigen Prognosen wiederum so weit wie möglich angewendet. Hierfür wurden die entsprechenden Transportintensitäten durch Heranziehung unterschiedlicher Leitdaten gebildet, nämlich die „Inlandsversorgung“ (BIP abzgl. Export- und zzgl. Importwert) als Leitvariable für den Binnenverkehr, die Exporte bzw. Importe als Leitvariablen für den grenzüberschreitenden Versand bzw. Empfang und der Außenhandel von bestimmten Ländergruppen als Leitvariable für den Transitverkehr in den einzelnen Ländern dieser Gruppen. Auf die einzelnen Entwicklungen und Prognosen dieser Transportintensitäten soll hier nicht näher eingegangen werden. Die wichtigsten generellen Befunde und Entwicklungen sind: ฀ Die Transportintensitäten in hoch entwickelten Volkswirtschaften liegen meistens niedriger als in weniger entwickelten Volkswirtschaften, weil deren Transportgüter häufig eine geringere Fertigungstiefe aufweisen. ฀ Die Transportintensitäten in größeren oder polyzentrischen Flächenländern liegen höher als in kleineren oder monozentrischen Ländern, weil in diesen die Arbeitsteilung in der Produktion über geringere Transportdistanzen abgewickelt wird und die Transportprozesse zur Verteilung von Konsumgütern geringere Intensitäten aufweisen als von Produktionsgütern. ฀ Die Transportintensitäten in den meisten Untersuchungsländern der „World Transport Reports“ sind im Zeitablauf tendenziell rückläufig, weil mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung dieser Länder Güterstrukturefekte einhergehen, die zu einem Ansteigen der Wertdichte der Transportgüter führen, was gleichbedeutend mit einem Absinken der Transportintensitäten ist. In Volkswirtschaften in einem früheren Entwicklungsstadium dürften die Transportintensitäten hingegen tendenziell zunächst ansteigen, wenn die räumlichen Arbeitsteilungsprozesse sich intensivieren. Abb. 3: Entwicklung der territorialen Güterverkehrsleistung in ausgewählten Ländern und Regionen nach Verkehrszweigen 2000 - 2008 - 2025 Abb. 2: Entwicklung von realem BIP und Außenhandel 1995 bis 2025 gemäß verschiedenen Trendprognosen Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 15 Von den genannten generellen Befunden und Entwicklungen der Transportintensitäten gibt es in vielen Einzelfällen Abweichungen, weshalb bei Langfristprognosen immer darauf geachtet wird, dass der jeweilige Verlauf der Transportintensität inhaltlich interpretiert und nötigenfalls für die Prognose auch „argumentativ“ verändert werden kann. Unterstützend wird generell mittels Korrelations- und Regressionsanalysen der statistische Zusammenhang zwischen erklärender und zu erklärender Variable - also die „Transportelastizität“ der Prognosezielgröße in Bezug auf die dazugehörige Leitvariable - untersucht, ohne diese Ergebnisse aber unbesehen in die ferne Zukunft fortzuschreiben. Wenn dieser Arbeitsschritt erledigt ist, ergibt das Produkt aus den Transportintensitäten und den Prognosen zu den jeweiligen wirtschaftlichen Leitdaten die Prognosen für die absoluten gesamtmodalen Güterverkehrsleistungen, die in Abbildung 3 dargestellt sind. Schon ein flüchtiger Blick zeigt die ungeheure Wachstumsdynamik, die die neuen Prognosen in China erwarten: Bereits zwischen 2000 und 2008 legte dort die gesamtmodale Güterverkehrsleistung um über 100 % bzw. jahresdurchschnittlich um 9,5 % zu. In Westeuropa waren es hingegen nur 15 % bzw. 1,8 % im Jahresdurchschnitt - in Deutschland immerhin 23 % bzw. 2,6 % im Jahresmittel - und in Osteuropa auch nur 28 % bzw. 3,1 % im Jahresdurchschnitt. Brasilien, Russland und Indien kamen im selben Zeitraum hingegen auf Zuwächse von 65, 49 bzw. 85 %. Wesentlich spannender sind aber die Zukunftseinschätzungen: In China wird sich den Prognosen zufolge von 2008 bis 2025 zwar der jahresdurchschnittliche Zuwachs halbieren, aber dies ist gleichbedeutend mit einer nochmaligen Steigerung der Güterverkehrsleistung um 120 % in 17 Jahren! Im Vergleich dazu erscheinen die Prognosen für Deutschland und Europa geradezu „harmlos“: In Deutschland wird von 2008 bis 2025 - also einschließlich der „Krisendelle“ 2008/ 2009 - ein Ansteigen der gesamtmodalen Güterverkehrsleistungen um 23 % erwartet, in Westeuropa um 17 % und in Osteuropa um nur noch 22 %. Diese Prognosen bedeuten gegenüber den bisherigen Langfristprognosen eine deutliche Verlangsamung des Wachstumstrends, obwohl an der grundsätzlichen Erwartung der Fortsetzung der Globalisierung ja festgehalten wurde. Russland und vor allem Indien werden im gleichen Zeitraum hingegen mit 44 bzw. über 180(! ) % deutlich stärker zulegen und beide im Jahr 2025 die Güterverkehrsleistungen aller 32 europäischen Länder zusammen, die in Abbildung 3 dargestellt sind, längst überflügelt haben. Auch Brasilien wird mit einem Zuwachs von rund 85 % zwischen 2008 und 2025 in neue Dimensionen vorstoßen - die Herausforderungen dieses Wachstums werden enorm sein. Modal-Split-Entwicklung im Güterverkehr Bei diesen Zuwächsen stellt sich die Frage, welche Verkehrsträger den Güterverkehr in den verschiedenen Ländern denn eigentlich zukünftig bewältigen sollen. Die Aufteilungen zwischen Straße, Schiene und Binnenschif sind ebenfalls in Abbildung 3 dargestellt. Die Ausgangssituationen - wie auch die Vergangenheitsentwicklungen - sind in den einzelnen Ländern ausgesprochen unterschiedlich: Während die Schiene in Russland eine überragende und in China eine sehr wichtige Rolle spielt, ist dies in Europa schon lange nicht mehr der Fall. Gerade in den neuen EU-Ländern hat sich mit deren Wirtschaftsstrukturwandel in Richtung auf westeuropäische Verhältnisse auch der Modal-Split stark in Richtung Lkw verändert: Hatte die Schiene in Osteuropa im Jahr 2000 noch einen Anteil von 33 % an allen Güterverkehrsleistungen der Landverkehrsträger, waren es in 2008 nur noch 27 %. Und gemäß den Prognosen werden es im Jahr 2025 nur noch 23 % sein. Einmal mehr gilt: Die Strukturen und Entwicklungen sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Dies trift natürlich auch auf die westeuropäischen Länder zu, wenngleich hier der Anteilsverlust der Schiene schon viel früher einsetzte: Deren Anteil betrug im Jahr 2000 schon nur noch 14,5 %, im Jahr 2008 waren es ziemlich exakt genauso viel. In Westeuropa macht sich allmählich die Liberalisierung des Schienengüterverkehrs bemerkbar, die Eisenbahnpakete beginnen zu wirken. Open Access im internationalen Schienengüterverkehr wird sich ausweiten, und damit auch der intramodale Wettbewerb. In manchen Ländern zeigen sich davon seit ein paar Jahren bereits kräftige Spuren; dies wird sich fortsetzen, im Laufe der Zeit sogar intensivieren. Das sind wesentliche Annahmen der Modal- Split-Prognosen, die insofern auch keine Trendprognosen darstellen. Zugunsten der Massenverkehrsträger kommen noch die zunehmende Containerisierung und die längeren Transportweiten der Güterströme im internationalen Güterverkehr hinzu - die ersten Strukturefekte zu ihren Gunsten seit langem. In China und den anderen BRIC-Staaten sehen die Verhältnisse und Entwicklungen ganz anders aus: In Russland beherrscht die Schiene mit im Zeitablauf zunehmenden Anteilen zwischen 80 und 90 % den Güterverkehrsmarkt. In Brasilien und Indien liegen deren Anteile bei etwa einem Drittel, in Brasilien mit steigender, in Indien mit abnehmender Tendenz. Auch in China ging der Anteil der Schiene seit 2000 zurück; dies wird sich nach unseren Prognosen auch fortsetzen. Von 52 % in 2000 über 46 % in 2008 auf 42 % im Jahr 2025. Diese Entwicklung verläuft - anders als in Europa - allerdings nicht zugunsten der Straße, weil hierfür schlicht die Infrastrukturen fehlen und in Zukunft durch den stark wachsenden Personenverkehr noch stärker fehlen werden, sondern in Richtung auf die Binnenwasserwege. Hierbei bleibt jedoch ofen, ob die Entwicklung wirklich in diesem Ausmaß realisierbar sein wird. Das prognostizierte Güterverkehrsleistungswachstum in China wirft Fragen auf, die jegliche Abb. 4: Entwicklung der Motorisierung in ausgewählten Ländern und Regionen von 2000 bis 2025 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 16 POLITIK Güter- und Personenverkehr Vorstellungskraft, geprägt durch die bisherigen Erfahrungen mit den Entwicklungen in Industrieländern, sprengen. Die Transportmärkte in China sollten in Europa sehr sorgfältig beobachtet werden, denn diese Entwicklungen werden auch hier deutliche Konsequenzen haben. Personenverkehr Motorisierungsgrade und Pkw-Bestände Der Pkw-Besitz und die Pkw-Verfügbarkeit haben sich in der Vergangenheit als eine wichtige Determinante des gesamten Personenverkehrsleistungswachstums wie auch der Aufteilung der Verkehrsarbeit auf die Verkehrsträger („Modal-Split“) erwiesen. Der so genannte „Motorisierungsgrad“, definiert als die Anzahl der Pkw je 1 000 Einwohner, unterscheidet sich, wie Abbildung 4 zeigt, zwischen den Ländern bzw. Regionen zum Teil recht stark und hat in der Vergangenheit stetig zugenommen. Mit rund 510 Pkw je 1 000 Einwohnern ist der Motorisierungsgrad in den westeuropäischen Ländern mehr als doppelt so hoch wie in denen Osteuropas. Einzelne Ländern wie Luxemburg oder Italien lagen deutlich über dem Mittelwert, andere wie beispielsweise Dänemark, Portugal oder Irland deutlich darunter. Auch Deutschland lag mit rund 500 Pkw je 1 000 Einwohnern gering unter dem westeuropäischen Mittel. Die BRIC-Länder haben bei der Motorisierung erwartungsgemäß ein vergleichsweise niedriges (Ausgangs-) Niveau, zeigen dafür aber eine umso dynamischere Entwicklung bis 2025. China und Indien nehmen eine Sonderrolle ein: Die Motorisierungsgrade des Jahres 2008 liegen mit 27 bzw. 11 Pkw je 1 000 Einwohner auf einem sehr niedrigen Niveau. Bis 2025 werden sie sich in beiden Ländern nach unseren Prognosen auf 63 bzw. 25 Pkw je 1 000 Einwohnern mehr als verdoppeln. Von besonderem Interesse ist für die Verkehrspolitik wie für die Kraftfahrzeughersteller, was dies für die Entwicklung des Pkw-Bestands bis zum Jahre 2025 bedeutet. In den 36 Untersuchungsländern waren im Jahr 2008 knapp 360 Mio. Pkw zugelassen, davon alleine mehr als ein Fünftel in Deutschland (rund 41 Mio. Pkw) und Italien (36 Mio. Pkw). In China waren es mit knapp 35 Mio. Pkw fast ebenso viele wie in Italien, gemessen an der gesamten Bevölkerung Chinas jedoch vergleichsweise wenig. Den Prognosen gemäß wird der Pkw-Bestand in den Reportländern bis 2025 um jahresdurchschnittlich 2 % auf 500 Mio. Pkw zunehmen. In China werden dann mehr als 91 Mio. Pkw zugelassen sein (das entspricht einem Zuwachs von 5,7 % pro Jahr), und damit mehr als in Deutschland und Italien zusammen, den heute wie in 2025 (mit dann gut 81 Mio. Pkw) absolut größten Pkw-Märkten in Europa. Durch das rasante Bevölkerungswachstum in Indien wird sich auch dort trotz eines niedrigen Motorisierungsgrads der Pkw-Bestand um gut 6 % pro Jahr erhöhen. Relativ betrachtet wird das Pkw-Wachstum in Osteuropa aufgrund des niedrigeren Ausgangsniveaus höher sein als in Westeuropa; absolut betrachtet fällt das Wachstum mit 13 Mio. zusätzlichen Pkw bis 2025 nur halb so groß wie in Westeuropa aus. Mobilitätsraten und Gesamtnachfrage nach Personenverkehrsleistungen Eine wichtige Grundlage der Personenverkehrsprognosen bilden neben den Motorisierungsgraden die Entwicklungstrends bei den entfernungsbezogenen Mobilitätsraten. Sie sind in den World Transport Reports 2010 / 2011 definiert als die Summe der spezifischen Personenverkehrsleistungen mit motorisierten Verkehrsmitteln in den jeweiligen Landverkehrsnetzen, also als territoriale gesamtmodale Personenkilometer je Einwohner und Jahr. Bei den nachfolgenden Ausführungen ist zu beachten, dass in den Angaben für China die Verkehrsleistungen der Busse (des Linien- und Gelegenheitsverkehrs) sowie des innerstädtischen Schienenpersonennahverkehrs (Stadt-, Straßen- und U-Bahnen o. ä.) nicht enthalten sind. Die spezifischen Personenverkehrsleistungen liegen in Westeuropa mit knapp 12 800 Pkm je Einwohner und Jahr am höchsten. Deutschland lag im Jahr 2008 geringfügig unter dem Mittel dieser Ländergruppe. Die Entwicklung in Osteuropa ist aufgrund des niedrigeren Ausgangsniveaus wesentlich dynamischer; dort wird die Mobilitätsrate bis 2025 auf rund 6 500 Pkm je Einwohner und Jahr steigen. Die niedrigsten spezifischen Personenverkehrsleistungen weist sowohl in 2008 als auch in 2025 China mit gerade einmal 1 500 bzw. 2 200 Pkm je Einwohner und Jahr aus. Dass China auch bei dieser Kennzifer ausgesprochen niedrige Werte zu verzeichnen hat, ist nur bedingt auf die fehlenden Verkehrsleistungen in unseren Basisdaten zurückzuführen: Die extrem niedrigen (Pkw-) Motorisierungsgrade einerseits und die hohe Bedeutung nicht motorisierter Fortbewegungsarten im chinesischen mobilen Alltag breiter Bevölkerungsgruppen andererseits sind vor allem dafür verantwortlich. Großen Teilen der Bevölkerung stehen keine alternativen Fortbewegungsmittel zur Verfügung, und auch die finanziellen Mittel sind häufig nicht gegeben. Die Projektion der gesamtmodalen Mobilitätsraten fällt in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus. Sie orientiert sich nicht allein an den Vergangenheitstrends und unterschiedlichen Ausgangsniveaus, sondern muss auch strukturellen Veränderungen der Bevölkerungsentwicklung Rechnung tragen. Gerade in westeuropäischen Ländern werden der demografische Wandel und dessen Auswirkungen auf die zukünftige Mobilitätsentwicklung seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Trotz der steigenden Anteile älterer Menschen und gleichzeitig sinkender Gesamtbevölkerung in einigen europäischen Ländern ist u.a. aufgrund der zunehmenden Altersmobilität noch mit einem weiterhin leicht ansteigenden Trend der Verkehrsleistungen je Einwohner zu rechnen. Abb. 5: Territoriale Personenverkehrsleistungen in ausgewählten Ländern und Regionen nach Verkehrszweigen 2000 - 2008 - 2025 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 17 1 DREWITZ, MARKUS ET AL.: World Transport Reports 2010/ 2011, Analyses and Forecasts, Basel 2010; weitere Informationen: www.progtrans.com. 2 Vgl. GREINUS, ANNE; ICKERT, LUTZ; ROMMERSKIRCHEN, STEFAN: Personenverkehr in Europa und Übersee - Wachstumsperspektiven bis 2020, in: Internationales Verkehrswesen, 1+2/ 2008, S. 10-14; ferner dies.: Güterverkehr in Deutschland, Europa und Übersee - Langfristige Perspektiven bis 2020, in: Internationales Verkehrswesen, 3/ 2008, S. 62-65. 3 Eine Besonderheit der deutschen Daten stellt beispielsweise der Sachverhalt dar, dass Deutschland - im Unterschied zu vielen anderen EU-Ländern - in der Güterkraftverkehrsstatistik nur für Fahrzeuge mit einer Nutzlast ab 3,5 t berichtet. In vielen anderen Ländern bezieht sich die Berichterstattung auf Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht (zGG) ab 3,5 t. 4 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.): Verkehr in Zahlen 2009/ 2010, Hamburg 2009, S. 245. 5 Die Analyse- und Prognosedaten stammen aus der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung der Vereinten Nationen vom Frühjahr 2008; vgl. Population Division of the United Nations Department of Economic and Social Afairs of the United Nations Secretariat (Hrsg.): World Population Prospects, The 2008 Revision, New York 2009. 6 Es fehlen somit von den 40 Reportländern Weißrussland, die Ukraine, Japan und die USA. LITERATUR Stefan Rommerskirchen, Dr. rer. pol. Geschäftsführer ProgTrans AG (Basel / Schweiz) stefan.rommerskirchen@progtrans.com Markus Drewitz, Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Berater ProgTrans AG (Basel / Schweiz) markus.drewitz@progtrans.com Das Produkt aus der spezifischen Personenverkehrsleistung und den jeweiligen Bevölkerungszahlen ergibt die absoluten gesamtmodalen Personenverkehrsleistungen, die für die Vergangenheitsjahre 2000 und 2008 sowie für das Prognosejahr 2025 in Abbildung 5 dargestellt sind. Erwartungsgemäß liegt das jahresdurchschnittliche Wachstum mit 2,9 bzw. 2,6 % pro Jahr in Indien und China am höchsten. Bis 2025 werden die in Indien erbrachten gesamtmodalen Personenverkehrsleistungen diejenigen der westeuropäischen Länder knapp übersteigen. Auch Brasilien hat mit 1,2 % pro Jahr ein starkes Wachstum zu erwarten und wird in 2025 mit rund 1,1 Mrd. Pkm nur noch knapp unter dem Niveau Osteuropas bleiben. Mit Ausnahme von China haben sich die Entwicklungen im Personenverkehr gegenüber vorherigen Prognosen nur leicht verändert. Für China sind geringfügig niedrigere Zuwachsraten zu erwarten, die jedoch aufgrund des starken Wachstums in den vergangenen Jahren absolut gesehen auf einem höheren Niveau enden werden. Aufteilung der Personenverkehrsnachfrage auf die Verkehrszweige Die unterschiedliche Bedeutung der Verkehrszweige in den verschiedenen Ländern bzw. Regionen ist in Abbildung 5 deutlich zu erkennen. Mit Ausnahme von Indien dominiert der Pkw in allen übrigen Reportländern bzw. -regionen das Verkehrsgeschehen. Am stärksten ist die Dominanz in den Ländern Westeuropas, in denen im Jahr 2008 rund 83 % aller motorisierten Personenverkehrsleistungen mit dem Pkw erbracht wurden; auch in Osteuropa ist der Pkw mit 72 % das bedeutsamste Verkehrsmittel. Während für Westeuropa ein leichter Rückgang des Pkw-Anteils bis ins Jahr 2025 zu erwarten ist, wird in Osteuropa der Pkw sogar noch stark an Bedeutung hinzugewinnen und Marktanteile von rund 76 % erreichen. Insgesamt sind die Modal-Split- Anteile der Verkehrszweige in den einzelnen Ländern Europas allerdings sehr unterschiedlich. Deutschland liegt wiederum im westeuropäischen Mittel: 84 % der Personenverkehrsleistung wurden im Jahr 2008 in Deutschland mit dem Pkw erbracht, 10 % auf der Schiene und nur 6 % mit dem Bus. Bei leicht steigender Verkehrsleistung bleiben die Marktanteile der Verkehrsträger bis 2025 jedoch konstant. In Russland sowie in Brasilien wurde der Modal-Split des Jahres 2000 noch mehrheitlich von den öfentlichen Personenverkehrsmitteln Bus und Bahn geprägt. Bereits in 2008 hat jedoch der Pkw-Marktanteil die 50 %-Marke übersprungen und wird auch bis 2025 weiter zulegen. In 2025 ist mit Marktanteilen des Pkws von rund 70 % in Russland und 60 % in Brasilien zu rechnen. Das starke Wachstum geht in Russland insbesondere zu Lasten der Busse, deren Marktanteile um 16 Prozentpunkte abnehmen. In Brasilien sinken die Marktanteile der Busse bei nahezu konstanter Verkehrsleistung; der Personenverkehr auf der Schiene ist dort mit deutlich unter 1 % Marktanteil vernachlässigbar. Indiens Personenverkehrsleistungen wurden in der Vergangenheit und werden auch in Zukunft mehrheitlich mit Bussen erbracht; jedoch geht auch dort der Trend zum (eigenen) Pkw. Durch ein überproportionales Wachstum der Pkw-Verkehrsleistungen im Vergleich zu den Bussen und der Schiene steigt der Marktanteil der Pkw zwischen 2008 und 2025 um rund 9 Prozentpunkte auf 21 %. Trotz steigender Verkehrsleistung der Busse sinkt deren Marktanteil auf 52 % in 2025. In China wird der Marktanteilszuwachs der Pkw (im bimodalen Split) bis 2025 mit 5 Prozentpunkten als vergleichsweise gering eingeschätzt. Resümee Die bisherigen und zukünftigen Entwicklungen der Güter- und Personenverkehrsleistungen in Europa und in ausgewählten überseeischen Ländern weisen teilweise erhebliche Unterschiede in ihrem absoluten Ausmaß, aber auch hinsichtlich ihrer strukturellen Ausgangslagen und Veränderungen auf. Im Güterverkehr machen sich die gegenüber früheren Prognosen deutlich zurückgenommenen Wachstumserwartungen der Gesamtwirtschaft und des Außenhandels stark bemerkbar: Vor allem in den europäischen Ländern erhalten die Wachstumsperspektiven einen viel stärkeren Dämpfer, als das bei Langfristprognosen vor der Wirtschafts- und Finanzkrise der Fall war. Im Personenverkehr ist der Anpassungsbedarf bei den Prognosen insgesamt geringer als im Güterverkehr. Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung sind seit Jahren ziemlich stabil, und die Dynamik des Wachstums wurde zumindest in Europa schon seit längerer Zeit als vergleichsweise moderat eingeschätzt. Die neuen „World Transport Reports 2010/ 2011“ zeigen stärker als die Vorgängerstudien auf, dass sich die Gewichte der Transportnachfrageentwicklungen zwischen Europa und anderen Kontinenten deutlich verschieben. Der Nachfragedruck lässt dadurch allerdings keineswegs nach, sondern wird sich im Gegenteil weltweit weiter erhöhen. Damit stehen Verkehrspolitik und Verkehrswirtschaft auch in nächster Zeit vor großen Herausforderungen. Die Entwicklungen im Güter- und Personenverkehr bleiben ein außerordentlich spannendes Betätigungsfeld für alle, die an deren Gestaltung mitwirken. Neben den inhaltlichen Aspekten soll im Resümee nicht der Hinweis fehlen, dass die quantitative Bedeutung der Neuberechnung der Güterverkehrsleistungen ausländischer Lkw in Europa für manche Länder nicht unterschätzt werden darf. Nach den Modellrechnungen geht es in Deutschland beispielsweise um über 50 Mrd. tkm pro Jahr. Selbst wenn neueste Erkenntnisse darauf hindeuten, dass der Unterschied zu den bisher publizierten Zahlen etwas geringer sein könnte, geht es hier um mehr als nur um „Zahlenkosmetik“. Daher ist eine baldige Abklärung dieses Themas unverzichtbar. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 18 Die Schwellenländer oder Emerging Markets gehören zu den Zukunftsmärkten des 21. Jahrhunderts. Hier paart sich ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum mit einer Aufholjagd im persönlichen Konsum und dem Wunsch, am globalen Handel teilzuhaben. Darauf müssen die global tätigen Logistikdienstleister reagieren. B ezogen auf die damit verbundene Abwicklung internationaler Warenströme und begleitender Informationsflüsse stellt sich die Frage: Gibt es in der Logistik überhaupt noch „Schwellenländer“ oder ist der Begrif hier deplatziert? Viele große Logistikdienstleister operieren heute nach eigenen Angaben in mehr als 100 Ländern, die großen Kurier- und Expressdienstleister geben sogar mehr als 200 Länder als ihre Märkte an. Sie sind hier teilweise seit Jahrzehnten vertreten. Weltweite Logistik ist so alt wie der weltweite Handel und Warenaustausch an sich. Was früher die Seidenstraße war, sind heute unzählige Transportverbindungen zu Wasser und in der Luft, per Bahn oder Lkw. Doch nicht zu Unrecht ist der Begrif der Emerging Markets umstritten, da sich die einzelnen Länder nach infrastrukturellen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten stark unterscheiden. Während in China derzeit sechsspurige Autobahnen wie Pilze aus dem Boden sprießen, haben in Indien mehr als 300 Mio. Menschen im Umkreis von 2 km keinen Anschluss an eine ganzjährig befahrbare Straße - im Gegensatz zu China mit nur 23,5 Mio. Betrofenen. Auch die logistischen Knotenpunkte verbinden andere Regionen auf der Welt und bedienen unterschiedliche Märkte. So wie Mexiko die Brücke zwischen Süd- und Nordamerika darstellt, verbindet die Türkei Europa und Asien. Was bedeutet dies für die Logistik der Schwellenländer und welchen Herausforderungen muss sich die globale Logistik in den nächsten Jahrzehnten stellen? Antworten auf diese Fragen, findet die dritte Zukunftsstudie „Transportation & Logistics 2030 Volume 3: Emerging Markets − New hubs, new spokes, new indsutry leaders? “ der Reihe Transportation & Logistics 2030 (T&L) von PwC und dem Supply Chain Management Institute der EBS Business School. Die Weltkarte globaler Warenströme wird neu gezeichnet Die Weltbank geht davon aus, dass sich der globale Handel mit Gütern und Dienstleistungen trotz Wirtschaftskrise bis zum Jahr 2030 mehr als verdreifacht. Mehr als die Hälfte des Wachstums wird von den Schwellenländern getrieben, zum größten Emerging Markets auf Wachstumskurs POLITIK Emerging Markets Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 19 Teil durch die Generation neuer, ökonomischer Bollwerke (China, Indien und Brasilien). Laut einer PwC Analyse werden die „Emerging 7“ (hier: China, Indien, Brasilien, Russland, Indonesien, Mexiko und Türkei) im Jahr 2030 bereits an den etablierten G7 vorbeigezogen sein und insgesamt ein Bruttosozialprodukt erwirtschaften, das um 30 % größer ist, als das der G7. Im Jahr 2030 wird Chinas Wirtschaft doppelt so groß sein, wie die der USA und diese auf Platz 2 verdrängen. Auf Platz 3 rangiert dann Indien. Die Relationen werden noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass Wirtschaftsmächte wie Deutschland, Brasilien, Russland, Großbritannien oder Frankreich dann nicht einmal zu einem Zehntel an Chinas Wirtschaftsgröße heranreichen. Diese Entwicklung der Schwellenländer wird den Welthandel bis 2030 grundlegend verändern und neu ordnen. China ist schon heute Brasiliens größte Exportregion. Gleichzeitig fungiert das Land mit seinen Rohstoimporten (z.B. Treibstof aus Indonesien, Holz aus Malaysia) aber auch als größte Exportnation für asiatische Nachbarländer. Die Exporte nach China haben sich im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Im weltweiten Vergleich sind sieben der zwanzig größten Häfen schon heute in China beheimatet. Aber nicht nur der Handel zwischen den Schwellenländern boomt. Unlängst haben diese den afrikanischen Kontinent als Handelspartner entdeckt; vor allem bei Rohstoffen steigt die Nachfrage dramatisch. Diese neuen Handelsbeziehungen werden auch neue, internationale Transportkorridore nach sich ziehen. Ein Vergleich der Handelsbeziehungen zwischen den Weltregionen in den Jahren 2000 und 2008 belegt diesen Trend (siehe Abbildung auf der nächsten Seite). Die Grafik zeigt nur die Handelsbeziehungen, die in diesem Zeitraum jährliche Wachstumsraten von über 20 % verzeichneten. Die traditionellen, nach wie vor bedeutsamen Routen, wie Nordamerika - Europa, Europa - Asien und Nordamerika - Asien gehören hier nicht mehr dazu. Diesem Trend folgen z. B. Reedereien schon heute und passen ihre Routen entsprechend an. Die wichtigsten Transportkorridore entstehen in Richtung Asien, Afrika und Südamerika. Die neuen Handelswege werden globale Lieferketten verändern. Derzeit wächst der Handel zwischen Asien und den früheren Sowjetstaaten jährlich um 42 %. Auch die Transportmengen auf der Süd-Süd-Route zwischen Südamerika und Afrika und weiter nach Asien legen deutlich zweistellig zu. In Zukunft werden auch Indien, Russland und Südafrika zu den „Logistik-Riesen“ zählen. Für internationale Logistikkonzerne eröfnen sich durch die Neuausrichtung der Warenströme erhebliche Chancen. Global agierende Unternehmen haben die stark wachsenden Logistikmärkte in den Schwellenländern bereits in den Fokus genommen. Daneben nutzen auch mittelständische Unternehmen den Wandel für weiteres Wachstum. Entscheidend für westliche Logistikdienstleister hierbei ist, neu entstehende Transportkorridore aktiv mitzugestalten und auszubauen. Wer seine Geschäftsmodelle, interne Strukturen und Preisgestaltung anpasst, wird profitieren. Logistiker müssen sich in Zukunft mehr als Gestalter verstehen, um in den Schwellenländern mit neuen Konzepten und örtlichen Partnerschaften Fuß zu fassen. Individueller Markteinstieg ist gefragt Der steigende Wohlstand in den Schwellenländern, vor allem in Asien, macht die Binnenmärkte auch für Logistiker attraktiv. Während der entwickelte Logistikmarkt in Industrienationen selten ein Wachstum von mehr als 5 % verspricht, wird den Logistikmärkten der Schwellenländer ein zweistelliges Wachstum prognostiziert. Andere Länder, wie z. B. afrikanische Staaten, sind teilweise noch unerschlossen und werden erst langsam in den Welthandel integriert. Ein zunehmender Einstieg multinationaler Konzerne in die Schwellenländer ist sehr wahrscheinlich. Dabei wird es nicht nur um eine Anbindung der Entwicklungsländer an den internationalen Handel gehen, sondern auch darum, sich die lokalen Märkte zu erschließen. Hierbei kommt es darauf an, sich auf lokale Gegebenheiten einzustellen. Eine Blaupause für den dortigen Markteinstieg wird es nicht geben. Denn obwohl die Schwellenländer gerne unter diesem Begrif zusammengefasst werden, hat doch jedes Land seine Spezifika, indi- Foto: Siemens Mumbai, Indien Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 20 POLITIK Emerging Markets viduelle Kundenwünsche und landestypische Besonderheiten. Gerade im Hinblick auf den technologischen Standard muss hier umgedacht werden. Absatzschlager in den neuen Märkten sind eher funktioneller Natur, High-tech-Logistikprodukte sind je nach Region weniger oder eventuell gar nicht gefragt. So funktionieren manche Logistikketten ganz ohne Scanner, RFID oder Datenbanken. Erwähnt sei nur ein Beispiel, das logistische Netzwerk der indischen „Dabbawallas“ in Mumbai. Ein Netzwerk aus 5 000 Menschen, das 200 000 Besteller täglich mit Essen versorgt. Das Essen wird dabei vom Haus des Bestellers abgeholt und noch warm an seinen Arbeitsplatz geliefert. Danach werden die Behältnisse durch eine ausgeklügelte Rückführlogistik wieder nach Hause zurückgebracht − ein perfektes Beispiel für funktionierende Logistik ohne große Technik. Es wird eng Parallel dazu wird die Privatisierung voranschreiten. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank treiben diesen Trend voran, indem sie Kredite an die Bedingung struktureller Veränderungen knüpfen. Die Logistik, mit historisch bedingt vielen staatlichen Unternehmen, z. B. Eisenbahn- und Postunternehmen sowie Flughäfen bietet viel Potenzial. China als eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen weltweit, hat den Wechsel von der Staatswirtschaft zu einer Mischwirtschaft mit einem hohen Privatanteil geschaft. Durch das von der Regierung initiierte Programm „Gaizhi“, übersetzt „Transformation des Systems“, wurden im Zeitraum zwischen 1996 und 2003 ungefähr zwei Drittel der Staatsbetriebe privatisiert. Experten sehen in der Privatisierung und der damit verbundenen grundlegenden Umstrukturierung der Wirtschaft den Treiber für Chinas Aufschwung. Doch auch andere Regierungen initiieren Programme, um die Privatisierung voranzutreiben. So waren z. B. in der Türkei zwei Bosporus-Brücken sowie acht Autobahnen auf der Angebotsliste für private Betreiber. Die Rolle des Staates wird sich bis 2030 in vielen Ländern vom großen Wirtschaftsakteur zum Regulator wandeln. Eine konsequente Privatisierungsstrategie wird hierbei der Logistikwirtschaft in diesen Ländern zusätzlichen Schub verleihen. Für Logistikdienstleister bedeutet dies eine Umstellung auf neue dynamische Marktstrukturen mit mehr privaten Akteuren. Demnach wird es durch den Einstieg multinationaler Logistikkonzerne in Schwellenländer sowie eine steigende Zahl privater Unternehmen im Zuge der Privatisierung einen starken Wettbewerbsdruck geben, gefolgt von einer Konsolidierungswelle. Die Zahl der Logistikanbieter wird stark zurückgehen. Die quartärliche M&A Analyse von PwC zeigt schon heute einen deutlichen Trend in Richtung Schwellenländer; im dritten Quartal 2010 lag die Hälfte der weltweit übernommenen Firmen in Asien und Ozeanien. Insgesamt betrift die Hälfte aller Akquisitionen lokale Transaktionsteilnehmer; dabei tritt China am häufigsten als Käufer auf. Logistikdienstleister aus den Schwellenländern werden sich weiterhin auf ihre heimischen Märkte konzentrieren. Zum einen wegen des attraktiven heimischen Wachstums getrieben, zum anderen, um ihre Marktanteile in dem zunehmenden Wettbewerb von lokalen Playern und Logistikdienstleistern aus den Industrienationen zu sichern. Logistikdienstleister aus den Industrienationen sollten, wenn noch nicht geschehen, das Marktpotenzial der Schwellenländer heben und versuchen, durch lokale Kooperationen und Partnerschaften Fuß zu fassen. Real Time Delphi Die Ergebnisse der Studienreihe T&L 2030 basieren auf einer globalen Delphi-Befragung. Die Delphi-Technik ist eine der bekanntesten Methoden der Zukunftsforschung. Sie ist ein systematisches, mehrstufiges Befragungsverfahren und wurde Ende der 1950er Jahre von der RAND-Corporation entwickelt, um allgemeine Probleme der Gruppendiskussion (Mitläuferefekt, Halo- Efekt) zu vermeiden. Heute ist die Delphi- Technik Standard in Wissenschaft und Praxis. Eine klassische Delphi-Befragung verläuft in mehreren Runden. Nach der Entwicklung von Zukunftsthesen, sogenannten Projektionen, wird in einer ersten Befragungsrunde eine Gruppe von zuvor ausgewählten Experten einzeln und anonym mit Fragen konfrontiert, die quantitative Schätzungen erfordern. Zusätzlich zu den Schätzungen kann jeder Experte seine Meinung mit Argumenten begründen. Vor der nächsten Runde erhält jeder Teilnehmer Einsicht in die Gruppeneinschätzung und die abgegebenen Kommentare. Darauhin hat der Teilnehmer die Möglichkeit, seine eigene Einschätzung zu modifizieren. Infolge dieses Delphi-Prozesses findet eine Konsensannäherung der Expertenmeinungen statt. Für die vorliegende Studie wurde ein in Echtzeit arbeitendes, webbasiertes Delphi- Tool entwickelt. Dieses eliminiert die Runden des klassischen Delphi-Verfahrens, indem die Teilnehmer unmittelbar über den aktuellen Stand der Befragung Auskunft erhalten. Jeder Teilnehmer kann jede Projektionsbewertung so oft überarbeiten, wie von ihm gewünscht und seine individuelle Einschätzung verändern. Im Rahmen der Delphi-Befragung diskutierten 90 Branchenexperten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft sowie Branchenverbänden aus 29 Ländern aller Kontinente über die Zukunft der Logistik in den Schwellenländern. Hierbei ist es ge- Vergleich der Handelbeziehungen zwischen den Weltregionen in den Jahren 2000 und 2008: Die Grafik zeigt nur die Handelsbeziehungen, die in diesem Zeitraum jährliche Wachstumsraten von über 20 % verzeichneten. Die Stärke der Pfeile repräsentiert den Wert der Exporte. Die wichtigsten Transportkorridore entstehen in Richtung Asien, Afrika und Südamerika. Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 21 Julia Reuter Business Development Transportation & Logistics Pricewaterhouse Coopers AG, Düsseldorf julia.reuter@de.pwc.com Peter Kauschke, Dr. Global Business Development Transportation & Logistics Pricewaterhouse Coopers AG, Düsseldorf peter.kauschke@de.pwc.com Inga-Lena Darkow, Prof. Dr. Research Director Logistics & Innovation EBS, Supply Chain Management Institute (SMI), Wiesbaden inga-lena.darkow@ebs.edu LITERATUR Hong Kong Trade Development Council, 2006: Asia Focus: Intra- Asia Trade Leads Growth PricewaterhouseCoopers, 2006: The World in 2050: How big will the major emerging market economies get and how can the OECD compete? PricewaterhouseCoopers, EBS Business School, 2010: Transportation & Logistics 2030 Volume 3: Emerging Markets New hubs, new spokes, new industry leaders? PricewaterhouseCoopers, 2010: Intersections Third-quarter 2010 global transportation and logistics industry mergers and acquisitions analysis The New York Times, Rai Saritha, 2007: In India, Grandma cooks, they deliver World Bank, 2009: Rural Access Index World Bank, 2007: Global Economic Prospects - Managing the next wave of globalization World Trade Organisation, 2010: Word Trade Report 2010 Trade in natural resources lungen, einen ausgeglichenen Expertenmix zwischen Industrie- und Schwellenländern (ca. 50: 50) herzustellen. Über einen Zeitraum von acht Wochen setzten sich die Experten mit den Themenschwerpunkten Wettbewerb, Regulierung, Transportkorridore und Konsolidierung auseinander und bewerteten 16 Zukunftsthesen hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit, ihrer Auswirkungen auf die Branche sowie ihrer Wünschbarkeit. Zudem wurden spezifische Expertenkommentare von den einzelnen PwC Vertretern zu den einzelnen Schwellenländern erstellt, die landestypische Schwerpunkte aufgreifen und vertiefen. Ein Gruppenvergleich zwischen den Experten aus den Industrie- und Schwellenländern ergab keine signifikanten Unterschiede im Antwortverhalten. Dieses Ergebnis kann als ein Indikator für die Expertise der Panelteilnehmer gewertet werden, da die Experten in der Lage waren, eine objektive Einschätzung zur Zukunft zu geben - unabhängig von ihrer regionalen Herkunft. Der Delphi-Prozess war sehr dynamisch. Während des Befragungszeitraumes hat jeder Teilnehmer ca. 2,1 Delphi-Runden absolviert, d. h. die erste und zweite Delphi-Runde plus ein weiteres Login zur Überprüfung der Ergebnisse. Die höchste gemessene Rundenanzahl betrug 7. Die statistische Gruppenmeinung wurde in einem Boxplot-Diagramm dargestellt, das eine Reihe univariater numerischer Daten (z. B. von 0 bis 100 %) sowie weitere Kenndaten, wie Durchschnitt, Verteilung und Ausreißer der Expertenmeinungen widerspiegelt. In Ergänzung zur statistischen Gruppenmeinung konnten die Kommentare und Argumente evaluiert werden, die bereits von anderen Experten in das Delphi-Werkzeug eingespeist wurden. Nach der Beendigung der ersten Delphi-Runde, d. h. der Bewertung aller 16 Thesen, wurde ein Konsens- Portal aktiviert, das einen Überblick über die eigene Abweichung (Konsens oder Dissens) zum Expertenpool gab. Ausgehend von dieser Datenlage konnte jeder Experte bis zum Ende der Delphi-Befragung jederzeit wieder Einsicht in das Konsensportal nehmen und seine Werte gegebenenfalls anpassen, wenn neue, für ihn überzeugende Argumente anderer Experten in das Delphi eingespeist worden sind. Die Gruppendiskussion hat insgesamt 840 Argumente ergeben, was einer durchschnittlichen Anzahl von 9,3 Argumenten pro Experte entspricht. Diese große Anzahl an qualitativen Daten unterstreicht die Güte dieser Delphi-Befragung. Ausblick Die globalen Lieferketten verändern sich, neue Transportkorridore entstehen. Das Wachstum der Schwellenländer bereitet auch Logistikdienstleistern jeder Größe eine große Anzahl von Geschäftsmöglichkeiten. Für Logistikdienstleister gilt es, diese zu nutzen und so von der weiteren Entwicklung des globalen Handels zu profitieren. Sie müssen ihre Strategien an die Märkte, in denen sie operieren, anpassen und dabei Marktzugangsmechanismen, Branchenregulierung, geänderte Zollregularien und die Chancen von Freihandelszonen im Auge behalten. In Zeiten zunehmender Volatilitäten wird es für die Politik, aber auch für Industrieunternehmen immer wichtiger, ihre Langfristplanungen auf Szenarien zu stützen. Die vorliegende Studienreihe soll einen Beitrag zur Diskussion über die Zukunft der Transport- und Logistikwirtschaft leisten. Technische Daten: Titel: Kurz+Kritisch, ISBN 978-3-87154-409-5, Format 170 x 240 mm Preis : € 19,50,inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten Verkehrsgeschichte pur, aktuell wie eh und je! Kurz + Kritisch, Gesammelte Editorials 1990 - 2009 von Gerd Aberle. Prof. Dr. rer. pol. Dr. h. c. Gerd Aberle hat die Verkehrswissenschaft in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten geprägt. Kein anderer hatte so umfassend wie er alle Verkehrsträger und alle Bereiche des Personen- und Güterverkehrs im Blickwinkel. Anlässlich seines Ausscheidens als Herausgeber und Chefredakteur hat der Verlag seine Editorials in dem vorliegenden Buch zusammengefasst. Weitere Informationen inden Sie unter www.eurailpress.de/ kk ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 22 INFRASTRUKTUR Fehmarnbelt Eine feste Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark ist eine lang gehegte europäische Vision. Die 18 km lange Querung soll ab 2020 Deutschland und Dänemark einander näher bringen. Die Entscheidung für einen Tunnel oder eine Brücke ist noch nicht gefallen. M it einer Festen Fehmarnbeltquerung geht der Traum einer festen Direktverbindung zwischen Skandinavien und Kontinentaleuropa entlang der kürzesten Strecke in Erfüllung. Durch ihren Beitrag zur stärkeren grenzüberschreitenden Integration in Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur fördert das weitere Zusammenwachsen Europas. Die Reisezeit zwischen Kontinentaleuropa und Skandinavien wird sich durch die neue Verbindung erheblich verkürzen. Während die derzeitige Fährüberfahrt 45 min dauert (plus ggf. Wartezeit), werden Zugpassagiere über die Feste Fehmarnbeltquerung nur sieben Minuten benötigen, Autofahrer etwa zehn. Die Dauer einer Zugfahrt zwischen Hamburg und Kopenhagen verkürzt sich von ca. 4,5 auf 3 h. Die feste Querung schließt eine Lücke zwischen den skandinavischen und europäischen Schienennetzen und wird daher als Teil eines der vorrangigen Schienenkorridore Europas von der EU gefördert. In Zukunft werden Güterzüge den 160 km langen Umweg über den Großen Belt vermeiden können. So wird ein starker Transportkorridor zwischen Hamburg auf der deutschen Seite und der Öresundregion in Dänemark/ Schweden geschafen und es entsteht eine neue, wettbewerbsfähigere Großregion - die Fehmarnbeltregion. Gründliche Planung für ein Rekordprojekt Der Staatsvertrag zur Festen Fehmarnbeltquerung sieht als technische Vorzugslösung eine Schrägkabelbrücke vor, lässt aber ausdrücklich ofen, ob das Projekt in Form einer Brücke oder eines Tunnels realisiert wird. Femern A/ S führt seit 2009 umfangreiche Untersuchungen durch, um das Projekt zu identifizieren und zu entwickeln, das in Bau und Betrieb die geringsten negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt hat. 2009 haben wir ein sehr umfangreiches, gut zweijähriges Umweltuntersuchungsprogramm gestartet, das Anfang 2011 abgeschlossen sein wird. Wir werden dann mehrere tausend Seiten an Bestandsanalysen vorlegen, die die Grundlage bilden für die im Frühjahr 2011 beginnende Erstellung der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) für die Varianten Absenktunnel und Schrägkabelbrücke. Weil die Bodenverhältnisse vor Ort naturgemäß eine Anschluss gesucht Die Schrägkabelbrücke im Überblick Gesamtlänge *) 17,6 km Brückenträger, Höhe 12,9 m Schrägseilbrücke 2 414 m Pylonen, Anzahl 3 Brückenpfeiler, Anzahl (Vorlandbrücken) 74 Brückenfeld, Länge (Vorlandbrücken) 200 m Aushubmenge ca. 1,0 Mio. m 3 *) Länge von Küste zu Küste Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 23 große Rolle spielen, führen wir seit Juli 2008 Baugrunduntersuchungen im Fehmarnbelt und an Land auf Fehmarn und Lolland durch. Diese Untersuchungen werden 2012 abgeschlossen und die Erkenntnisse fließen in die weitere Planung des Vorhabens und später in die Ausschreibungsunterlagen ein. Am 6. April 2009 hat Femern A/ S einen Vertrag mit zwei Beraterkonsortien über die Erstellung jeweils eine Entwurfsplanung für einen Tunnel und eine Brücke geschlossen. Die beiden Beraterteams haben vollständig unabhängig voneinander, aber vom gleichen Ausgangspunkt aus gearbeitet. Nach anderthalb Jahren Arbeit haben wir im November 2010 schließlich deren Entwurfsplanungen vorgestellt. Auf Grundlage dieser Entwürfe sowie des derzeitigen Stands der Voruntersuchungen hat Femern A/ S Ende November dem dänischen Verkehrsminister einen Absenktunnel als bevorzugte Lösung für die Feste Fehmarnbeltquerung empfohlen. Wir sind der Aufassung, dass ein solcher Absenktunnel sowohl in der Bauals auch in der Betriebsphase insgesamt weniger Risiken birgt als eine Schrägkabelbrücke. Besonders berücksichtigt wurden bei der Entscheidung die technischen Risiken während des Baus, der Umweltschutz, die Auswirkungen auf die Sicherheit des Schifsverkehrs und die Baukosten. Finanziell liegen die beiden Projekte mit kalkulierten Kosten von 5,1 Mrd. EUR für einen Absenktunnel und 5,2 Mrd. EUR für eine Schrägkabelbrücke sehr nah beieinander. Frühere Kostenschätzungen waren noch von etwa 1 Mrd. EUR Mehrkosten beim Bau eines Absenktunnels ausgegangen. Die Empfehlung für einen Absenktunnel basiert auf dem bisherigen Kenntnisstand vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung und ist daher noch vorläufig. Anfang 2011 wird eine Entscheidung des dänischen Verkehrsministers erwartet, welcher der beiden Projektentwürfe die Vorzugslösung für die weitere Arbeit bilden soll, einschließlich der anstehenden Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese Vorzugslösung bildet dann die Grundlage für das deutsche Planfeststellungsverfahren. Die endgültige Entscheidung für eine Variante wird in Verbindung mit dem Planfeststellungsbeschluss in Deutschland und der Verabschiedung des Baugesetzes in Dänemark voraussichtlich 2013 gefällt. Der Baubeginn der Festen Fehmarnbeltquerung ist für 2014, die Eröfnung für 2020 geplant. Es wurden neben den nun vorgestellten Lösungen Absenktunnel und Schrägkabelbrücke auch verschiedene Varianten eines Bohrtunnels und einer Hängebrücke untersucht. Mit den Entwurfsplanungen für Schrägkabelbrücke und Absenktunnel liegen nun sehr detaillierte Planungen für beide Varianten vor. Selten wurden bei einem Infrastrukturprojekt dieser Größenordnung zwei vollkommen unterschiedliche Bauwerksvarianten in dieser Tiefe analysiert und durchgeplant. Auch wenn nun eine erste Empfehlung für einen Tunnel auf dem Tisch liegt, ist die endgültige Entscheidung wie gesagt nach wie vor noch nicht getroffen - die Entwurfsplanungen zeigen aber, dass die Fehmarnbeltquerung in jedem Falle ein beeindruckendes technisches Bauwerk und das größte Infrastrukturprojekt in Nordeuropa werden wird. Der Absenktunnel Die Entwurfsplanungen für einen Absenktunnel wurden im Auftrag von Femern A/ S von einem Planungskonsortium der Firmen Rambøll-Arup-TEC durchgeführt. Im Entwurf verläuft der 17,6 km lange Tunnel in einer nahezu geraden Linie von Küste zu Küste. Auf der deutschen Seite fahren die Reisenden über eine kleine Anhöhe und anschließend in eine grüne Talsenke vor der Tunnelmündung. Nach einem allmählichen Der Absenktunnel im Überblick Gesamtlänge 17,6 km Anzahl Standardelemente 79 Anzahl Spezialelemente etwa 10 Maximales Elementgewicht 73.500 t Tunnelelementlänge (Standard und Spezial) 217 m Tunnelquerschnitt - Standardelement (Höhe x Breite) 8,9 m x 42,2 m Tunnelquerschnitt - Spezialelement (Höhe x Breite) 45,0 x 13,1 m Aushubmenge 15,5 Mio. m3 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 24 INFRASTRUKTUR Fehmarnbelt elementen untergebracht. Auf diese Weise können die Standardelemente technisch einfacher gestaltet werden und eignen sich somit besser für die Serienfertigung. Die Spezialelemente sind breiter als die Standardelemente, da sie neben dem Standstreifen auch Platz für Nischen bieten, in denen Service- und Rettungsfahrzeuge parken können, ohne dass der Straßenverkehr gestört wird. Die Bodenverhältnisse im Fehmarnbelt sind sehr unterschiedlich. Das macht das Ausheben des Tunnelgrabens zu einer Herausforderung, da für verschiedene Bodenarten verschiedene Ausrüstung eingesetzt werden muss. Um Platz für den Tunnel zu schafen, müssen große Mengen an Boden ausgehoben werden. Die vorläufigen Prognosen belaufen sich auf etwa 15,5 Mio. m 3 . Das Aushubmaterial kann beim Bau wiederverwendet werden, beispielsweise zum Aufschütten künstlicher Halbinseln oder Deiche. Der Aushub erfolgt voraussichtlich mit Baggern, die das Aushubmaterial auf Kähne verladen. Die Kähne befördern das Material zu den Stellen, an denen es gelöscht und verbaut werden soll. Der Boden im Fehmarnbelt ist prinzipiell für eine sichere Platzierung eines Absenktunnels gut geeignet. Der weiche Lehm in Nähe der deutschen Küste macht allerdings besondere Vorkehrungen notwendig. Die technische Lösung hierfür wird im Laufe des Jahres 2011 festgelegt. Die Schrägkabelbrücke Die Entwurfsplanung der Schrägkabelbrücke hat ein Planerteam des Konsortiums COWI-Obermeyer im Auftrag von Femern A/ S entwickelt. Der Projektentwurf sieht eine 17,6 km lange Brücke über den Fehmarnbelt vor (Länge von Küste zu Küste). Bei einer voraussichtlichen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 110 km/ h benötigt ein Autofahrer etwa 10 Minuten zum Queren des Belts, Zugfahrgäste sieben Minuten. Es handelt sich um eine zweistöckige Schrägkabelbrücke, vergleichbar mit der über den Öresund: Auf der oberen Ebene verlaufen vier Autobahnspuren und zwei Standstreifen, auf der unteren zwei elektrifizierte Bahngleise, und es ist ein durchsichtiger Windschutz über die gesamte Brückenlänge hinweg vorgesehen. Die Brücke folgt einer s-förmigen Kurve und bietet den Reisenden während der Fahrt eine gute Sicht auf die etwa 270 m hohen Pylonen, die etwa 6 km von der deutschen und etwa 9 km von der dänischen Küste entfernt sind. Auf der Autobahn wird mit einer mobilen Mittelleitplanke die Möglichkeit geschaffen, den Verkehr im Falle eines Unfalls oder bei Wartungsarbeiten auf andere Spuren Übergang zu künstlichem Licht wird die Reise durch den Tunnel mit hellen Wänden fortgesetzt. Der durchgängige Standstreifen verleiht dem Tunnel dabei einen breiten und geräumigen Eindruck. Auf der dänischen Seite ist die Verkehrsleit- und Überwachungszentrale in das Tunnelportal integriert. Um den Fahrern Abwechslung auf der Fahrstrecke zu bieten, besteht der Tunnel aus Zonen mit unterschiedlicher Beleuchtung und enthält zudem drei etwa 1,5 km lange Bereiche mit LED-Beleuchtung, in denen an den Tunnelwänden Bilder in langsamer Bewegung gezeigt werden, zum Beispiel fliegende Vögel. Der Projektentwurf sieht einen einstöckigen Absenktunnel aus wasserdichtem Beton vor, vergleichbar mit dem Öresundtunnel. Er besteht aus zwei Autobahnröhren an der Westseite und zwei Gleisröhren an der Ostseite. Zwischen den Straßenröhren befindet sich ein Mittelkorridor, der für Installationen und als Fluchtweg genutzt wird. Sicherheit im Absenktunnel Der Absenktunnel ist sicherer als eine entsprechende Autobahn- oder Eisenbahnstrecke an Land. Es gibt keinen Gegenverkehr und keine Ein- und Ausfahrten. Außerdem ist der Tunnel stets trocken, windstill und gut beleuchtet. Es wird ein umfassendes Kommunikationssystem mit u. a. dynamischen Schildern, Lautsprechern und Funk eingerichtet, so dass die Reisenden während der Fahrt oder bei Unfällen informiert werden können. Im Tunnel werden kontinuierlich Umweltmessungen vorgenommen, automatische Lüftungsanlagen gewährleisten eine gute Luftqualität und Sicht. Darüber hinaus wird der Tunnel rund um die Uhr überwacht. Die Entwurfsplanungen sehen Notausgänge zum Rettungskorridor oder zu einer sicheren benachbarten Röhre alle 108 m vor, dazu Notstationen mit Feuerlöschmitteln und direkter Telefonverbindung zur Verkehrsleitzentrale alle 54 m. Im Tunnel sind Brandschutzanlagen installiert: Die Sprinkleranlage kann einen Brand unter Kontrolle halten, bis die Rettungsmannschaft eintrift, Decke und Wände des Tunnels sind feuerisoliert. Während des normalen Betriebs sorgen die Autofahrer selbst bzw. die Geschwindigkeit ihrer Fahrzeuge für die nötige Frischluftzufuhr im Tunnel und eine gute Luftqualität. Bei Bedarf, beispielsweise im Brandfall, wird der Tunnel zusätzlich über große Ventilatoren unter der Decke belüftet. Nach der Fertigstellung liegt der Tunnel geschützt unter dem Meeresboden. Abgesehen von den Verfüllungen wird die Meeresumwelt nicht beeinträchtigt, es besteht keine Gefahr von Schifskollisionen. Bau eines Absenktunnels Ein Absenktunnel unter dem Fehmarnbelt stellt einen Weltrekord dar: Konstruktion und Bauverfahren sind bekannt, aber der Umfang und die Tiefe des Belts sind Herausforderungen für den Bau, dessen Dauer sich nach vorläufigen Prognosen auf sechseinhalb Jahre belaufen wird. Der Tunnel besteht aus 79 etwa 200 m langen Standard- und etwa 10 Spezialelementen, die ca. alle 1,8 km eingesetzt werden. Die Tunnelelemente werden in großen Produktionsstätten an Land unter kontrollierten Bedingungen gefertigt, wiegen jeweils etwa 70 000 t und sind damit gerade noch schwimmfähig. Sie werden zur Tunnellinie transportiert und dort nacheinander in einen zuvor ausgehobenen Graben versenkt und miteinander verbunden. Wenn die Elemente platziert sind, werden sie mit einer etwa 1,2 m starken Schicht aus Gestein und Sand abgedeckt, um sie vor Schäden durch sinkende Schife oder Schifsanker zu schützen. Nach einigen Jahren hat sich dann wieder ein natürlicher Meeresboden gebildet. Das Konzept der Spezialelemente ist neu in der Absenktunneltechnik. Das Verfahren hat mehrere Vorzüge: Die gesamte mechanische und elektrische Ausrüstung, die Platz und Wartung erfordert, ist in den Spezial- Brücken- und Tunnelvariante wurden auf derselben Grundlage entwickelt: ฀ Die Feste Fehmarnbeltquerung umfasst eine vierspurige Autobahn und eine zweigleisige elektrifizierte Bahnstrecke. Sowohl Brücke als auch Tunnel werden für eine technische Lebensdauer von mindestens 120 Jahren ausgelegt. Die Entwurfsgeschwindigkeit für die Straße beträgt 130 km/ h (Höchstgeschwindigkeit auf dänischen Autobahnen). Die von den Behörden vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit wird voraussichtlich 110 km/ h betragen. Die Entwurfsgeschwindigkeit für die Bahnstrecke beträgt 200 km/ h bei Personenzügen und 140 km/ h bei Güterzügen (europäische Norm für den Neubau von Bahnstrecken). Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer muss mindestens der auf den entsprechenden deutschen und dänischen Autobahn- und Bahnstrecken an Land entsprechen. Ausgangspunkt für die Projektentwürfe ist, dass die Sicherheit der Schiffahrt im Fehmarnbelt mindestens so hoch sein muss wie ohne Querung. GEMEINSAME GRUNDLAGE Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 25 umzuleiten und so die Kapazität maximal zu nutzen. Auf der Gleisebene sorgen Weichen auf der Brücke für eine entsprechende Kapazitätsmaximierung. Die Brücke wird in einer sogenannten Verbundbauweise aus Brückenträgern aus Stahl und einer Fahrbahndecke aus Beton errichtet. Bei der Hochbrücke werden sowohl die Brückenträger als auch die Träger für die Straße aus Stahl bestehen, um das Gewicht zu reduzieren. Die beiden Hauptfelder der Hochbrücke haben gemäß Projektentwurf eine lichte Spannweite von jeweils 724 m. Dies sind die längsten Brückenfelder, die bisher für eine Schrägkabelbrücke für den Auto- und Zugverkehr errichtet wurden. Die großen Spannweiten sind für die Sicherheit der Schiffahrt erforderlich. Die lichte Durchfahrthöhe beträgt 66,2 m. Ausgangspunkt ist die Querung des Großen Belts mit einer lichten Höhe von 65 m. 1,2 m wurden noch zusätzlich aufgeschlagen, um einen erwarteten Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels zu berücksichtigen. Sicherheit einer Schrägkabelbrücke Wie der Absenktunnel wird auch die Brücke den Nutzern mehr Sicherheit bieten als eine entsprechende Autobahn- oder Bahnstrecke an Land. So wird es u. a. keine Ein- und Ausfahrten im Straßenbereich und keine Nebengleise im Bahnbereich geben. Die gesamte Verkehrsanlage wird zudem kontinuierlich videoüberwacht, was das Risiko von Folgeunfällen reduziert. Die Erfahrungen mit den Querungen des Großen Belts und des Öresunds haben zudem gezeigt, dass auf diesen Strecken wesentlich weniger Unfälle passieren, als auf entsprechenden Strecken an Land. Das größte Risiko für die Schiffahrt, das eine Brücke birgt, sind die Kollisionen. Die vorläufigen Berechnungen zeigen aber, dass eine lichte Spannweite von zweimal 724 m eine ausreichende Sicherheit für die Schiffahrt bietet, die zudem weiter durch die Schafung eines kontinuierlichen VTS-Systems (Vessel Traic Service) erhöht wird, das Schife auf einem Kollisionskurs warnt. Die drei Pylonen (großen Brückenpfeiler) können aufgrund ihres Gewichts den starken Beanspruchungen durch eine Schifskollision standhalten. Die kleineren Brückenpfeiler in Nähe der Schiffahrtsrouten müssen mit Schutzvorrichtungen vor Schifskollisionen versehen werden. Eine Brücke mit zwei Durchfahrtsfeldern mit einer Breite von jeweils 724 m zusammen mit einem VTS- System und einer Kennzeichnung der Schiffahrtsroute stellt für den Schifsverkehr eine genauso sichere Lösung dar wie das Befahren des Fehmarnbelts ohne Brücke. Bau einer Schrägkabelbrücke Eine Schrägkabelbrücke nach der Beschreibung in der Entwurfsplanung ist eine technische Herausforderung. Brückentyp und Verfahren sind aus anderen Projekten bekannt, noch nie wurde aber in einer solchen Größenordnung gebaut. Es gibt Kräne, allerdings nur wenige, die die mehr als 6000 t, heben können, die zur Durchführung des Bauprozesses erforderlich sind. Die vorläufigen Berechnungen veranschlagen die Bauzeit für die Brücke auf etwa sechs Jahre. Alle Brückenteile, mit Ausnahme der großen Pylone, werden voraussichtlich an Land in großen Elementfabriken gebaut. Die Senkkästen (Fundamente) und Brückenpfeiler bestehen aus Stahlbeton. Die Brückenträger werden an Land geschweißt und zu langen Sektionen montiert. In der oberen Ebene der Brückenträger wird dann die Fahrbahndecke gegossen. Alle Teile werden zur Brückentrasse transportiert und dort montiert. Insgesamt soll der Transport (einschließlich der großen Baustofmengen für die Elementfabriken) größtenteils auf dem Seeweg erfolgen. Die Bodenverhältnisse im Fehmarnbelt sind für die Fundamente der Brückenpfeiler nicht durchgehend optimal. Daher untersucht Femern A/ S verschiedene Gründungsverfahren, beispielsweise die Pfahlgründung. Bei einer Pfahlgründung müssten für das gesamte Bauvorhaben ca. 1 Mio m 3 Material ausgehoben werden. Produktionsstätten Der Bau eines Tunnels bzw. einer Brücke von der Größe der Fehmarnbeltquerung erfordert tausende Arbeiter, gewaltige Mengen an Material und Ausrüstung sowie großflächige Produktionsstätten für die Brücken- und Tunnelelemente. Anfang 2010 hat Femern A/ S ein Anforderungsprofil für Produktionsstätten für Tunnel- und Brückenelemente veröfentlicht. Einige Standorte, in Deutschland zum Beispiel Lübeck, Rostock und Sassnitz, haben bereits Interesse an einer solchen Produktionsstätte bekundet. Femern A/ S legt in den Ausschreibungsunterlagen für Bauunternehmer Auftrag, Zeitrahmen und Leistungsstandards durch eine Reihe funktionaler Bedingungen sowie die Entwurfs- und Durchführungsbedingungen fest. Unabhängig davon, ob die Entscheidung zugunsten einer Tunnel- oder einer Brückenlösung ausfällt, werden wahrscheinlich mindestens drei Hauptverträge ausgeschrieben. Über Anzahl und Standorte der Produktionsstätten entscheiden dann die Bauunternehmer. Femern A/ S vertritt den Standpunkt, dass große Teile der Stahlkonstruktion für eine Brücke aus wirtschaftlichen Gründen im Fernen Osten, beispielsweise in China, gefertigt werden sollten. Die Produktionsstätten für die Tunnelelemente hingegen sollten aufgrund des hohen Gewichts der Elemente in der Nähe der Bauplätze liegen. Aufgrund der mit einer Verschifung von so großen Elementen verbundenen Risiken vertritt Femern A/ S die Aufassung, dass die Produktion von Betonelementen am besten in einem Abstand von höchstens 120 km zur Trassenführung erfolgen sollte. Ein Standort in einem größeren Abstand ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn die Bauunternehmer meinen, dass diese Lösung insgesamt wirtschaftlich tragfähig und wettbewerbsfähig ist. Peter Lundhus Technischer Direktor Planungsgesellschaft Femern A/ S, Kopenhagen plu@femern.dk. ɷ Tunneleinfahrt auf der dänischen Seite Alle Grafiken: Femern A/ S Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 26 INFRASTRUKTUR BVWP Bundesverkehrswegeplan 20XX Die wesentlichen Herausforderungen für den nächsten BVWP bestehen darin, die knappen Ressourcen gezielt einzusetzen und flexible Möglichkeiten zu schafen, um Projekte entsprechend ihrer Dringlichkeit gegenüber anderen Vorhaben abzugrenzen. Reicht hierfür eine einfache Fortschreibung des BVWP aus? I m Koalitionsvertrag vom 24. Oktober 2009 hat sich die Bundesregierung die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) zum Ziel gesetzt: „Der Bundesverkehrswegeplan muss an die aktuellen Bedürfnisse und Entwicklungen angepasst werden. Wir werden in dieser Legislaturperiode die Bedarfspläne in den Ausbaugesetzen überprüfen, kurzfristig alle gesetzlichen Spielräume für mehr Flexibilität nutzen und vorbereitend für den nächsten Bundesverkehrswegeplan (BVWP) eine neue Grundkonzeption erarbeiten […].“ Unterfinanzierung des BVWP Bereits mit dem aktuell geltenden BVWP 2003 hat die damalige Bundesregierung neue Akzente gesetzt. Auf Basis der vorliegenden Verkehrsprognosen wurden der Finanzbedarf neu berechnet, die Bewertungsmethodik modernisiert und die Einschätzung von Umweltrisiken aufgenommen. Dennoch ist auch der BVWP 2003, wie zuvor der BVWP 1992, stark unterfinanziert (siehe Grafiken). Um die Projektsumme des BVWP 2003 in Höhe von 150 Mrd. EUR im gegebenen Zeitraum von 15 Jahren finanzieren zu können, bedürfte es durchschnittlich 10 Mrd. EUR jährlich. Diese Summe wurde lediglich in den Jahren 2009/ 2010 aufgrund der außerordentlichen Mittel aus den Konjunkturprogrammen erreicht. Die Verteuerung von Infrastrukturbauleistungen um 18 % allein zwischen 2005 und 2010 und der Anstieg des Stahlpreises schränken den Spielraum des Verkehrshaushalts weiter ein. Dadurch ist ein erheblicher Umsetzungsstau bei den BVWP-Projekten entstanden. Zwischen 2000 und 2013 ergibt sich allein durch Gegenüberstellung von Ist- und Planwerten und unter Einbeziehung der Preissteigerung im Verkehrsinfrastrukturbereich eine Finanzierungslücke von mindestens 19,5 Mrd. EUR. Gleichzeitig stellt sich das Problem des mangelnden Erhalts der Verkehrsinfrastruktur. So ist der Modernitätsgrad der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland (Nettozu Bruttoanlagevermögen) von 1980 bis 2008 deutlich gesunken - von 78 auf 66 %. Die Unterfinanzierung setzt sich in den Bedarfsplänen für die Bundesfernstraßen und Bundesschienenwege fort. Führt man z. B. die durchschnittlichen jährlichen Schieneninvestitionen des Bundeshaushalts von rund 1,24 Mrd. EUR weiter, so verbleibt in den kommenden Jahren kaum Spielraum für neue Projekte aus Bundesmitteln: 2011 sind bereits 1,12 Mrd. EUR im Schienenbud- Fortschreibung oder Reform? Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 27 get fest verplant (verbleibender Spielraum 120 Mio. EUR), 2012 sind es 1,03 Mrd. EUR (210 Mio. EUR) und 2013 immerhin noch 0,88 Mrd. EUR (360 Mio. EUR). Reform des BVWP Somit besteht die wesentliche Herausforderung für den nächsten BVWP darin, einerseits die knappen Ressourcen gezielt einzusetzen und andererseits flexible Möglichkeiten zu schafen, um Projekte entsprechend ihrer Dringlichkeit gegenüber anderen Vorhaben abzugrenzen und entsprechend vorzuziehen oder zurückzustellen. Das Konzept des nächsten BVWP muss an drei Stellen ansetzen: ฀ Bedarfsermittlung: Vor dem Hintergrund der noch zu erarbeitenden Verkehrsprognose 2030 und der Bewertung der aktuellen Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur muss der BVWP den Aus- und Neubaubedarf neu bewerten und prüfen, welche baulichen Maßnahmen erforderlich sind. Definition Kernnetz: Aufteilung des Netzes entsprechend der derzeitigen und prognostizierten Versorgungsfunktion der einzelnen Netzbestandteile in ein vorrangiges Kernnetz mit eher fernräumlicher Erschließungsfunktion und ein nachrangiges Netz mit ergänzender Versorgungsfunktion. Priorisierung: Die strategische Planung muss die Infrastrukturmaßnahmen in eine klare Rangfolge bringen, so dass Projekte hinsichtlich der Dringlichkeit ihrer Umsetzung vorgezogen werden können. Bedarf ermitteln, Transparenz schafen Die Verkehrsprognose 2025 ist bereits erstellt, außerdem liegt eine Verflechtungsmatrix mit detaillierten Quelle-Zielbeziehungen vor. Die Erstellung der Verkehrsprognose 2030 ist im kommenden Verkehrshaushalt eingeplant und wird korrigierte Werte aufgrund der zuvor nicht eingerechneten Wirtschaftskrise liefern. Experten gehen jedoch davon aus, dass der bisherige Wachstumspfad von Verkehrsaufkommen und -leistung lediglich um zwei Jahre verschoben wird. In Ergänzung dieser langfristigen Perspektive gibt es jedoch Hilfsmittel, um im kurzbis mittelfristigen Bereich den Investitionsbedarf zu ermitteln. So leitet die Staustellenanalyse des ADAC den Handlungsbedarf pragmatisch über eine Analyse der Störungsmeldungen aus den heutigen Engpässen ab. Den Betreibern des Schienennetzes liegen Informationen über Verspätungen, Trassennutzungskonkurrenz und Langsamfahrstellen vor. Die Daten aus der Abrechnung der Lkw-Maut sollten ebenfalls genutzt werden. Diese Analysen müssen bei der Bewertung von Erhalt, Aus- und Neubau von Verkehrswegen einbezogen werden. Gleichzeitig gilt es, diese Berichterstattung regelmäßig mit anderen Informationen zusammenzuführen und in Form eines regelmäßigen Verkehrsinfrastrukturberichts des Bundes zu institutionalisieren. Nur so kann auch bedarfsgerecht investiert werden. Im Bereich der Bundesschienenwege wurde diese Berichtspflicht im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) bereits erfolgreich eingeführt. Kernnetz definieren, Kompetenzen aufteilen Eine Bundesverkehrswegeplanung muss sich im Sinne einer bedarfsgerechten Daseinsvorsorge an Bevölkerungsschwerpunkten und Entwicklungsachsen ausrichten. Im vordringlichen Bedarf des BVWP 2003 sind 871 Investitionsvorhaben aufgelistet: 800 Straßen-, 47 Schienen- und 24 Wasserstraßenprojekte. Darunter befinden sich alleine 717 Ortsumgehungen. Angesichts der großen Zahl von Projekten mit eher regionaler Bedeutung wird deutlich, dass im neuen BVWP eine Abgrenzung der Verkehrswege entsprechend ihrer fern- oder nahräumlichen Erschließungsfunktion dringend notwendig ist. In einem Kernnetz müssen künftig die Verkehrswege zusammengefasst werden, die überwiegend eine überregionale Bedeutung haben. Über diese Magistralen wird auf Bundesebene entschieden, auch Planung und Realisierung erfolgen länderübergreifend. Diese Hauptachsen können eindeutig anhand der Verflechtungsmatrix der Verkehrsprognose identifiziert werden. Auf der Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 28 INFRASTRUKTUR BVWP anderen Seite muss den Bundesländern bei den eher regionalen Verkehrswegen mehr Eigenverantwortung zugestanden werden. Ähnlich wie bei der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs könnten zweckgebundene Mittel an die Länder im Rahmen einer Länderquote übermittelt werden. Die Projektauswahl, Realisierung und Kofinanzierung würde regional erfolgen. Die Länderquote müsste dann um den Betrag gekürzt werden, der für die Ausgestaltung des Kernnetzes als notwendig erachtet wird. Diese Neuausrichtung des BVWP ist notwendig, damit nicht - wie bei der immer weiter zunehmenden Prioritätenliste der Transeuropäischen Netze - politisch motivierte Altlasten immer weitergetragen werden. Die Klassifizierung von Teilnetzen und Projekten erfordert allerdings den politischen Mut zur Abstufung und Zurückstellung bereits beschlossener Maßnahmen, die den neu getrofenen Anforderungen nicht gerecht werden. Nur ein solchermaßen klar gegliederter BVWP erlaubt in der Umsetzung die Hebung von Eizienzvorteilen durch eine länderübergreifende Planung, Realisierung und durchgehende Finanzierung des Kernnetzes. Gleichzeitig erhalten die Bundesländer mehr Gestaltungsspielraum bei der regionalen Verkehrserschließung. Ebenso wird die Priorisierung von Projekten entsprechend ihrer verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Bedeutung erleichtert. Und bei allem Pragmatismus erlaubt auch solch ein Modell ein strategisches, verkehrsplanerisches Leitbild, das den Netzgedanken und die ausgewogene Einbeziehung der einzelnen Verkehrsträger mitbestimmt. Kriterien entwickeln, Investitionen priorisieren Angesichts des aufgelaufenen Umsetzungsdefizits ist eine kurzfristige Lösung der Unterfinanzierung der Bundesverkehrswegeplanung nicht in Sicht. Daher müssen für die Abarbeitung der laufenden Bedarfspläne und die Entwicklung der neuen Projektlisten stringente Kriterien entwickelt werden, nach denen eine Priorisierung vorgenommen werden kann. Die Zahl der umzusetzenden Projekte muss in einem realistischen Verhältnis zum vorhandenen Budget stehen und flexibel der mittelfristigen Finanzplanung angepasst werden können. Über die Priorisierung im oben genannten Kernnetz wird auf Bundesebene nach objektiven Bewertungskritierien ohne Ansatz von Länderquoten entschieden. Bei Projekten außerhalb des Kernnetzes ist die regionale Entscheidungskompetenz der Länder dann entsprechend zu stärken. Entscheidend sind transparente und stringente Kriterien zur Abgrenzung und Priorisierung der Projekte innerhalb der einzelnen Verkehrsträger. Neben dem Nutzen-Kosten- Verhältnis muss bei der Bewertung das Kriterium der Verkehrsqualität mit herangezogen werden, d. h. die Größenordnung, in der eine Maßnahme die Verspätungssituation verbessert, Staustunden reduziert und die Zuverlässigkeit des Gesamtnetzes erhöht. Die Diferenzierung in ein Kernnetz mit Magistralen und eher regionalen Verkehrswegen ist ein weiteres Kriterium, um die knappen Ressourcen bedarfsgerecht zu steuern. Solchermaßen sind die Projekte des BVWP von Beginn an mit klaren Kriterien zur Priorisierung hinterlegt und können in eine objektive Rangfolge gebracht werden. Neue Projekte in den Investitionsplänen können dann auf die jeweilige Kassenlage der Öfentlichen Hand und die mittelfristigen finanziellen Perspektiven abgestimmt werden. Gleichzeitig wird durch die Sortierung der Projekte nach ihrer Wirkung auf Gesamtnetz und Verkehrsqualität transparent, wie Mehrausgaben verwendet werden können und welchen Nutzen sie stiften. Die Neuordnung des BVWP muss jedoch - neben einer Anhebung des Haushaltsansatzes für Verkehrsinfrastruktur - durch eine Reform der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung begleitet werden. Wesentliche Maßnahmen umfassen u. a. ฀ die überjährige Bindung von Mitteln für Erhaltungsmaßnahmen bei Straßen und Wasserstraßen analog zur LuFV-Schiene, ฀ die stufenweise Schafung budgetunabhängiger, geschlossener Finanzierungskreisläufe für die Verkehrsinfrastruktur, ฀ die haushalterische Abgrenzung von zusätzlichen Investitionspflichten außerhalb des BVWP, um mehr Transparenz hinsichtlich der Abfinanzierung des BVWP zu erreichen, ฀ ein obligatorischer, standardisierter Vergleich von ÖPP und herkömmlicher Beschafungsform bei neuen Projekten, ฀ die Erweiterung des Handlungsspielraums der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft. Zu beachten ist stets, dass der Bundesverkehrswegeplan bisher nur ein Investitionsrahmenplan und Planungsinstrument der deutschen Bundesregierung ist, jedoch kein Finanzierungsplan oder Investitionsprogramm. Um ihn zu einer soliden Grundlage für strategische, flexible Investitionsprogramme im 21. Jahrhundert umzugestalten, genügt eine einfache Fortschreibung des BVWP nicht - es bedarf einer grundlegenden Reform. Dies ist eine Aufgabe, an der Bundesregierung, Bundesländer und Verwaltung jetzt gemeinsam arbeiten müssen. Sarah Stark, Dipl.-Ing. Referentin Europaangelegenheiten, wissenschaftliche Projekte Deutsches Verkehrsforum e.V. stark@verkehrsforum.de Florian Eck, Dr. Stellvertretender Geschäftsführer Deutsches Verkehrsforum e.V. Lehrbeauftragter „Vernetzung der Verkehrsträger“, TU Berlin eck@verkehrsforum.de LITERATUR Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2003): Bundesverkehrswegeplan 2003 - Grundlagen für die Zukunft der Mobilität in Deutschland, Berlin Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2010): Bundeshaushalt 2010 und Finanzplanung bis 2013, Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2009): Verkehr in Zahlen 2009/ 2010, Hamburg Statistisches Bundesamt (2010): Preisindizes für die Bauwirtschaft, Fachreihe 17, Reihe 4, 3. Vierteljahresausgabe vom 06.10.2010, Wiesbaden Koalition CDU, CSU und FDP (26.10.2009): Wachstum, Bildung, Zusammenhalt - Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, Berlin ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 29 INFRASTRUKTUR Emerging Markets Zug um Zug nach vorn Die Wachstumsmotoren der weltweiten Eisenbahnmärkte sind China und Indien. Kennzeichen: stark steigende Nachfrage durch Wirtschaftswachstum und demografische Entwicklung, gleichzeitig massiver Ausbau des Angebots in Form von neuen Hochgeschwindigkeitstrassen, Stadtverkehrssystemen, aber auch Strecken für den Regional- und Güterverkehr. D ie weltweiten Schienenverkehrsmärkte sind im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise teilweise massiv eingebrochen. Diese in Vehemenz und regionaler Ausdehnung extreme Rezession hat viele Märkte so stark erschüttert, dass auch eine Neubewertung langfristiger Prognosen nötig geworden ist. SCI Verkehr hat vor diesem Hintergrund bereits im Sommer 2010 eine Aktualisierung der Studie „Weltweite Schienenverkehrsmärkte 2009-2019“ aus dem Winter 2009 herausgegeben. Die neue Studie „Schienenverkehrsmärkte - weltweite Entwicklungen 2010-2020“ hat sich einer Neubewertung der kurzbis langfristigen Prognosen gewidmet und, basierend auf den neuesten Marktentwicklungen und Wirtschaftsausblicken, eine Reevaluierung der Entwicklung der weltweiten Schienenverkehrsmärkte, diferenziert nach Eisenbahnpersonenverkehr, Stadtverkehr auf Schienen und Güterverkehr, vorgenommen. Auf vielen Märkten ließ sich bereits Ende 2009 eine Besserung erkennen, wobei der Abwärtstrend bei den Verkehrsleistungen in vielen Ländern gestoppt werden konnte, andere Länder haben sogar bereits wieder einen Wachstumskurs eingeschlagen. Unter der Voraussetzung, dass die noch fragile Weltwirtschaft keinen erneuten Einbruch erleben wird, werden sich die Verkehrsmärkte weiter erholen und bereits in den kommenden Jahren neue Höchststände erreichen. Obwohl aktuell globale Protektionismustendenzen, Geldentwertungen, die zu einem Währungskrieg führen können, und die drohende Zahlungsunfähigkeit von Nationalstaaten noch ernsthafte Bedrohungen für die wirtschaftliche Entwicklung in der nahen Zukunft darstellen, geht SCI Verkehr bei seinen aktuellen Prognosen nicht davon aus, dass die Weltwirtschaft zurück in eine Rezession rutschen wird. Eine erneute Weltwirtschaftskrise würde die Prognose, quantitativ nicht abschätzbar, negativ beeinflussen. Neben dem generellen positiven Einfluss aus verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird jede Verkehrsart von individuellen Treibern positiv beeinflusst. Schienenverkehr in China auf dem Wachstumskurs Foto: China HSR pics Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 30 Der konventionelle Eisenbahnpersonenverkehr profitiert insbesondere vom Neubau von Strecken des Hochgeschwindigkeitsverkehrs (HGV), vor allem in China. Der Stadtverkehr auf Schienen erlebt einen weiteren Aufschwung durch den Neu- und Ausbau von Metrosystemen weltweit. Die Aussichten für den Schienengüterverkehr werden kurz- und langfristig weiter durch die Ausweitung des Welthandels und eine Fortsetzung des Rohstobooms begünstigt. Der Schienengüterverkehr hat sich deutlich besser entwickelt, als noch vielfach zu Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise erwartet. Ausschlaggebend hierfür waren Rohstoftransporte, die in den großen Leitmärkten China, Indien, Australien und Südafrika die Schienengüterverkehrsleistung weiter, wenn auch gebremst, haben wachsen lassen. Gleichzeitig fiel hierdurch der Einbruch in Märkten wie Russland oder Brasilien deutlich geringer aus, als es die weltwirtschaftliche Entwicklung hätte erwarten lassen. Obwohl sich andere wichtige Schienengüterverkehrsmärkte, wie Deutschland und Polen, die im Zuge der Krise hohe Transporteinbußen hinnehmen mussten, bereits 2010 wieder stark erholt haben, weisen die weltweiten Märkte auch zu Beginn 2011 noch hohe Nachholefekte auf, sodass die mittelbis langfristige Prognose für den Schienengüterverkehr deutlich positiv ausfällt. Untersuchungsmodell Zur Evaluierung der zukünftigen Entwicklung der einzelnen Schienenverkehrsmärkte hat SCI Verkehr ein Treibermodell, basierend auf quantitativen und skalierten Parametern, entwickelt und implementiert, das sehr zuverlässige Vorhersagen erlaubt, solange sich die Einflussparameter nicht unerwartet verändern. Jeder Treiber besitzt eine Kenngröße und eine regionsabhängige Relevanz, mit der der Treiber in die Berechnung einfließt. Die Treiber sind Entwicklung BIP pro Kopf, demografische Struktur und Entwicklung, Urbanisierung und Siedlungsstruktur, Umfang und Qualität der Schieneninfrastruktur, intramodaler Wettbewerb und intermodale Wettbewerbsposition. Eisenbahnpersonenverkehr Nach einem verhaltenen Auftakt in den Jahren 2000 bis 2003 verzeichnete der Eisenbahnpersonenverkehr bis 2008 einen steilen Anstieg, bevor er 2009 aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit nur noch 1,1 % wuchs. Entgegen den Entwicklungen im Schienengüterverkehr und im Stadtverkehr auf Schienen ist die weltweite Verkehrsleistung im Eisenbahnpersonenverkehr damit aber selbst im Jahr 2009 weiter gewachsen. Im Jahr 2010 wurden rund 3,0 Billionen Personenkilometer (Pkm) im Eisenbahnpersonenverkehr erbracht und damit 4,0 % mehr als 2009. Angetrieben durch weltweite Megatrends wie Bevölkerungswachstum, Urbanisierung sowie den Klimaschutz und die Überlastung des Verkehrsträgers Straße wird die Verkehrsleistung im Eisenbahnpersonenverkehr im Jahre 2015 voraussichtlich noch einmal um 33 % höher liegen als 2010. Für das Jahr 2020 erwartet SCI Verkehr eine Verkehrsleistung von 4,8 Bil. Pkm und damit ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4,8 % im Zeitraum 2010 bis 2020. Einen steigenden Anteil an der Verkehrsleistung wird der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) haben, der insbesondere durch Infrastrukturprojekte im HGV deutliche Wachstumsimpulse erfährt. Westeuropa profitiert beispielsweise von neuen Strecken in Spanien, Italien und Frankreich. Allein in China sollen nach den aktuellen Plänen bis 2012 rund 13 000 km Hochgeschwindigkeitstrasse exklusiv für den Personenverkehr (Passenger Dedicated Lines) fertiggestellt sein. Stadtverkehr auf Schienen Der Stadtverkehr auf Schienen wuchs im Zeitraum 2000 bis 2010 nur moderat und weist im Gesamtbild eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 0,7 % auf. Diese geringe Wachstumsrate ergibt sich aus einer rückläufigen Verkehrsleistung in der Weltmarktregion GUS, die mit 83 Mrd. Pkm im Jahr 2000 noch auf dem ersten Platz lag und mittlerweile nur noch rund 62 Mrd. Pkm erbringt. Auf der anderen Seite trugen deutliche Nachfragesteigerungen in Nordamerika, Asien und Westeuropa zum Wachstum bei. Da der Stadtverkehr auf Schienen, ähnlich dem Eisenbahnpersonenverkehr, kurzfristig relativ unelastisch auf die wirtschaftliche Entwicklung reagiert, ist auch im Jahr 2009 die erbrachte Verkehrsleistung lediglich um 1,1 % von rund 289 Mrd. Pkm auf etwa 285 Mrd. Pkm gefallen. Da vor allem die noch immer wachsenden Megastädte in China und Indien neue Metrosysteme oder zusätzliche Linien planen, wird die weltweite Verkehrsleistung im Stadtverkehr auf Schienen in den Jahren bis 2020 um nahezu 50 % wachsen. Aktuelle Schwierigkeiten bei der Suche nach Investoren verzögern allerdings den Bau von Verkehrssystemen, vor allem in Indien. Schienengüterverkehr Das rasante Wachstum des weltweiten Schienengüterverkehrs in den Jahren seit der Jahrtausendwende hat 2009 mit einem Einbruch um ca. 8,4 % einen herben Rückschlag erlitten. Bereits 2010 hat der Schienengüterverkehr seinen nachhaltigen Wachstumspfad von vor der Krise jedoch wieder eingeschlagen und liegt prozentual nur noch geringfügig unter dem Spitzenwert von 2008. Das weltweite Transportvolumen von 2008 wird nach Einschätzung von SCI Verkehr daher bereits im Jahr 2011 erreicht werden und insgesamt weiter sehr dynamisch wachsen. Auf dem reifen europäischen Markt wird es jedoch voraussichtlich bis zum Jahr 2013 dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden kann. Aufgrund des entwickelten Ausbaus der Schienenverkehre sowie des geringen Anteils beförderter Rohstofe erholt sich hier die Transportnachfrage erfahrungsgemäß etwas langsamer. Auch in Deutschland musste der Schienengüterverkehr im Jahr 2009 infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise deutliche Einbußen hinnehmen. Die Verkehrsleis- Abb. 1: Entwicklung der Verkehrsleistungen im weltweiten Schienenverkehr 2000−2020 Quelle: MultiClient-Studie Schienenverkehrsmärkte 2010-2020; SCI Verkehr GmbH, 2010 INFRASTRUKTUR Emerging Markets Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 31 tung ging im Jahresvergleich um 17,1 % von 115,7 Mrd. tkm im Jahr 2008 auf 95,8 Mrd. tkm im Jahr 2009 zurück. In den ersten drei Quartalen 2010 ist die Transportleistung wieder um 14,2% gewachsen und liegt mit 79,7 Mrd. tkm nur um 9,3 Mrd. tkm unter dem bisherigen Höchststand der ersten drei Quartale 2008. Vor dem Hintergrund der starken Abhängigkeit der Gütertransportnachfrage vom jeweiligen Konjunkturzyklus ist die weltweite Entwicklung der Schienengüterverkehrsleistung in der Krise und den nun folgenden Jahren positiv zu betrachten. Vor allem wichtige Märkte wie Australien, Brasilien, Russland oder Südafrika sind deutlich geringer eingebrochen als Anfang 2009 erwartet oder konnten ihre Verkehrsleistung sogar noch steigern. Gleichzeitig deuten die bisher beobachteten Entwicklungen auf eine schnelle Erholung hin, wobei gerade Russland als weltweit drittgrößter Markt bereits 2010 wieder die Verkehrsleistung aus dem Jahr 2008 erreicht hat. China hat seine hohen Wachstumsraten auch in der Wirtschaftskrise fortgesetzt. Während 2010 eindeutig auch Auholefekte eine Rolle gespielt haben, die sich auch 2011 noch fortsetzen werden, hat der Wachstumstrend dennoch eine Niveauverschiebung erfahren und wird den Prognosen von vor der Krise auch langfristig hinterherhinken. Weltweit wird die Wachstumsrate, 2010 und 2011 noch geprägt von den Auholefekten, im Jahr 2012 wieder auf das Vorkrisenniveau von etwa 5 % zurückgehen und sich danach weiter leicht verringern. Im Durchschnitt ist von einem Wachstum von jährlich rund 5 % im Zeitraum bis 2015 auszugehen. Neben der verbesserten gesamtwirtschaftlichen Situation wird das Wachstum dabei insbesondere durch eine Belebung der Stahlindustrie getragen. China, die USA und Russland erbringen heute 73 % der weltweiten Verkehrsleistung und werden ihren Marktanteil bis 2020 leicht ausbauen können. Unter den Top-Five-Märkten wird neben China insbesondere Indien seine Verkehrsleistung steigern können und bis zum Jahr 2020 um insgesamt 70 % wachsen. Aufstrebende Märkte Weltweit finden politische und wirtschaftliche Machtverschiebungen statt. Schwergewichte wie die USA, Frankreich und Deutschland müssen ihren weltpolitischen Einfluss zunehmend mit aufstrebenden Nationen wie China, Indien, Brasilien oder Russland teilen. Diese vier Länder haben ein weitgehend konstant hohes Wirtschaftswachstum, ein großes Staatsgebiet, eine große, wachsende Bevölkerung und gigantische urbane Zentren gemeinsam. All diese Faktoren begünstigen die Entwicklung von modernen und eizienten Schienenverkehrssystemen. Während einzelne regionale Segmente des Schienenverkehrs in den aufstrebenden Märkten phänomenale Wachstumsraten aufweisen, wie der Stadtverkehr auf Schienen in Indien mit durchschnittlich fast 20 % in den nächsten fünf Jahren, können die verschiedenen Schienenverkehrsarten in Russland „nur“ ein Wachstum zwischen 2 und 4 % erreichen. Brasilien erreicht im Schienenpersonenverkehr Wachstumsraten von durchschnittlich 10 % pro Jahr und kann damit im konventionellen Schienenpersonenverkehr mit China und Indien mithalten. Die beiden asiatischen Giganten spielen insgesamt, sowohl was das relative Wachstum, aber auch das absolute Wachstum auf der Schiene angeht, in einer eigenen Liga. China Eisenbahnpersonenverkehr China hat sich im Eisenbahnpersonenverkehr in den vergangenen Jahren explosionsartig entwickelt und wird dieses Wachstumstempo voraussichtlich noch steigern. Das größte Wachstumspotenzial liegt in den steigenden Reiseweiten sowie dem Ausbau des Fernverkehrs. Hochgeschwindigkeitsverkehre, die auf sogenannten „Passenger Dedicated Lines (PDL)“ gefahren werden, sind das herausragende Wachstumssegment im Personenverkehr. Insgesamt will China in den kommenden zehn Jahren sein PDL-Netz auf 16 000 km ausbauen. Die Nachfrage im Inlandsflugverkehr ist auf Relationen, auf denen der HGV Abb. 2: Die fünf größten Märkte im Schienengüterverkehr 2010 und 2020 [in Mrd. tkm] Quelle: MultiClient-Studie Schienenverkehrsmärkte 2010-2020; SCI Verkehr GmbH, 2010 Abb. 3: Entwicklung der Verkehrsleistung im Eisenbahnpersonenverkehr in China 2000−2020 Quelle: MultiClient-Studie Schienenverkehrsmärkte 2010-2020; SCI Verkehr GmbH, 2010 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 32 INFRASTRUKTUR Emerging Markets in den Wettbewerb zum Flugzeug getreten ist, teilweise um bis zu 50 % eingebrochen. Zwischen 2010 und 2020 wird sich die Verkehrsleistung im konventionellen Eisenbahnverkehr etwa verdoppeln, wobei das Wachstum überwiegend durch die HGV- Strecken generiert wird. Die aktuellen Nutzungszahlen für die Hochgeschwindigkeitsstrecken liegen unter den Erwartungen, wobei allerdings zu beachten ist, dass sich das Netz trotz seiner Größe immer noch in der Einführungsphase befindet. Die zukünftige Nutzung und Auslastung der Hochgeschwindigkeitslinien wird vor allen Dingen durch die Preisgestaltung der Chinesischen Eisenbahn bestimmt werden, aktuell sind die Preise für große Teile der Bevölkerung nicht erschwinglich. Daher ist die Entwicklung der Verkehrsleistung mit einiger Unsicherheit belegt. Es ist aber davon auszugehen, dass sich die Preisgestaltung stärker an den potenziellen Nachfragern orientieren wird. In China sind die wenigen im Personenverkehr tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen fast ausschließlich im Staatsbesitz. Eine Marktöfnung hat bislang weder begonnen noch ist sie in den kommenden Jahren zu erwarten. Stadtverkehr auf Schienen Mit einer Verkehrsleistung von rund 17,2 Mrd. Pkm hat der Stadtverkehr auf Schienen im Moment noch eine untergeordnete Bedeutung. Die meisten Metropolen Chinas verfügen über kein eizientes ÖPNV-System. Die im Moment noch geringe Verkehrsleistung wird jedoch durch eine Vielzahl von Infrastrukturprojekten, insbesondere im Metrobereich, sehr stark wachsen. Getrieben wird die Nachfrage dabei auch von einer stark wachsenden Bevölkerung und einem anhaltenden Trend zur Urbanisierung. Voraussichtlich wird China in den kommenden zehn Jahren fast 2 000 km neue Metrostrecken in Betrieb nehmen. Schienengüterverkehr Charakteristisch für Chinas Verkehrsinfrastruktur sind die vergleichsweise großen Entfernungen, die zurückgelegt werden müssen, um Städte in großen Teilen des Landes zu erschließen. Analog zur Industrie konzentriert sich das Streckennetz der Schiene auf die Ostküste. Mit dem anhaltenden Aufbau der Wirtschaft im Landesinneren kommen neue Verkehre hinzu. Die Krise hatte eine dämpfende Wirkung auf die Nachfrage, wird das Wachstum der Verkehrsleistung jedoch nicht nachhaltig schwächen. Der Schienengüterverkehr verzeichnete hohe Wachstumsraten in den vergangenen Jahren. Der Güterverkehr besteht zum größten Teil aus Kohletransporten, dahinter rangieren Stahl, Erz und landwirtschaftliche Erzeugnisse. Im Containerverkehr spielt die Schiene nur eine untergeordnete Rolle. Im Hinterlandverkehr liegt ihr Anteil unter 10 %. Neben dem Lkw nimmt hier das Binnenschif eine dominierende Funktion ein. Die Konzentration der chinesischen Industrie an der Ostküste führt dazu, dass rund 90 % der Versender und Empfänger von Containern hier angesiedelt sind. Die damit verbundenen relativ kurzen Transportwege begünstigen den Lkw. SCI Verkehr rechnet mittelfristig mit einer steigenden Bedeutung privater Betreiber in China. Mehrere Unternehmen haben sich bereits zusammengetan, um in eine 486 km lange Eisenbahnstrecke für Kohletransporte zwischen der Inneren Mongolei und der Provinz Liaoning zu investieren. Die Gesamtinvestitionssumme wird auf ca. 740 Mio. EUR bezifert. Indien Eisenbahnpersonenverkehr Die Eisenbahn spielt in Indien als öfentliches Personenbeförderungsmittel traditionell eine bedeutende Rolle. Das Wachstum der Verkehrsleistung wurde und wird durch die Infrastruktur begrenzt. Umfangreiche Investitionen und eine teilweise Trennung von Güter- und Personenverkehr in der Zukunft werden hier einen positiven Einfluss auf die Verkehrsleistung haben. Indien denkt zudem darüber nach, in den HGV zu investieren. Damit könnte die Schiene stärker am wachsenden Markt der Geschäftsreisen partizipieren. Eine Eröfnung von HGV-Strecken vor 2015 ist jedoch unwahrscheinlich. Der Eisenbahnpersonenverkehr wird ausschließlich durch Indian Railways erbracht. Mit zusätzlichen Nachfrageimpulsen durch Wettbewerb ist in den kommenden Jahren nicht zu rechnen. Stadtverkehr auf Schienen Die Verkehrssituation in den indischen Ballungsgebieten hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Durch den ungeregelten Zuzug aus den ländlichen Regionen und die steigenden Haushaltseinkommen wächst der Bedarf an innerstädtischen Transportmöglichkeiten. Die Großstädte waren bislang nicht in der Lage, mit integrierten Konzepten adäquat auf diese Herausforderungen zu reagieren. Die Verkehrssituation in den Agglomerationen dürfte sich deswegen in den kommenden Jahren weiter verschlechtern, wenngleich mehrere Großstädte den Bau von Metrolinien, Schnellbahnen und LRT-Systemen angekündigt haben. Die Verkehrsleistung im Stadtverkehr auf Schienen liegt in Indien bei ca. 1 bis 2 Mrd. Pkm, wird jedoch in den kommenden Jahren voraussichtlich deutlich steigen. Bereits im Jahr 2010 hat die Verkehrsleistung einen extremen Sprung gemacht, dieser liegt vor allem in der Eröfnung von neuen Linien und der Verlängerung bestehender Linien der Metro Delhi im Jahr 2010 und Ende des Jahres 2009 begründet. Auch zukünftig ist der Ausbau des Metronetzes der entscheidende Treiber für die positive Entwicklung der Verkehrsleistung im Stadtverkehr auf Schienen. Die positiven Erfahrungen bei der Metro Delhi hinsichtlich der eizienten Projektabwicklung und des hohen Kundenzuspruchs dienen als Push-Faktor und erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Folgeprojekte in weiteren Metropolen. Konkrete Planungen gibt es beispielsweise für Bangalore, Mumbai, Hyderabad und Chennai. Abb. 4: Entwicklung der Verkehrsleistung im Schienengüterverkehr in Indien 2000-2020 Quelle: MultiClient-Studie Schienenverkehrsmärkte 2010-2020; SCI Verkehr GmbH, 2010 Während kurzfristig leichte Schwankungen bei der Nutzungsrate und Auslastung der bestehenden oder neu zu eröfnenden Strecken zu kleinen Unsicherheiten bei der Voraussage der künftigen Verkehrsleistung führen, erweitert sich der Unsicherheitskorridor langfristig, da über einen längeren Zeitraum die Fertigstellung im Bau befindlicher Strecken und der Baubeginn an neuen Linien nicht absehbar ist, vor allem vor dem Hintergrund nicht gesicherter Finanzierungen. Aber auch in einer pessimistischen Betrachtung sind die künftigen Wachstumsraten noch beachtlich. Schienengüterverkehr Der indische Schienengüterverkehr wird sich aufgrund der Weltwirtschaftskrise zwar langsamer, aber immer noch mit überdurchschnittlich hohen Wachstumsraten, und sehr konstant, entwickeln. Neben umfangreichen Rohstoftransporten ist auch der Schienencontainertransport von Bedeutung. Das Wachstum der Verkehrsleistungen wurde und wird durch die Infrastruktur begrenzt. Eine Verkehrssteigerung wird hauptsächlich durch den Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur erzielt. Zahlreiche Kapazitätserweiterungsprojekte werden zum Wachstum beitragen. Die wichtigste Veränderung im indischen Güterverkehr ist der Bau der sogenannten „Dedicated Freight Corridors“. Kohle ist mit einem Anteil von 42 % an der Verkehrsleistung das wichtigste Transportgut, gefolgt von Erzen mit 9 %. Größter Anbieter von Schienenverkehrsleistungen in Indien ist die indische Staatsbahn Indian Railways (IR), ein vertikal integrierter Dienstleistungsanbieter in Staatseigentum. Hinzukommen zum Teil private Hafen- oder Industriebahnen, die häufig als Public Private Partnerships betrieben werden. Von derzeit 14 privaten Betreibern, die eine Lizenz besitzen, sind aber nur elf auch tatsächlich aktiv. Konklusion Über alle Regionen und Segmente bleibt der Schienenverkehr in den kommenden 20 Jahren ein Wachstumsmarkt mit stabil steigendem Volumen. Während jedoch die etablierten Märkte in Europa, Nordamerika und Japan nur noch moderat wachsen werden, machen die aufstrebenden Nationen in allen Verkehrsbereichen Boden auf den klassischen Eisenbahnmärkten gut, wobei China aufgrund seiner schieren Größe schon heute der absolut bedeu- Niklas Schüller SCI Verkehr GmbH n.schueller@sci.de Maria Leenen Geschäftsführende Gesellschafterin SCI Verkehr GmbH m.leenen@sci.de tendste Schienengüterverkehrsmarkt ist. Insbesondere China und Indien bauen ihre Infrastruktur und ihre Flotten in beachtlichem Tempo aus. Während Indien deutlich seinen Ausbau-Fokus auf den Stadtverkehr auf Schienen legt, ist China breiter über alle Segmente aktiv, wenn auch eine sehr starke Ausrichtung auf Hochgeschwindigkeitsprojekte festzustellen ist. Es bleibt spannend abzuwarten, wie der Schienenverkehrsausbau in den aufstrebenden Märkten weitergehen wird. Aber eines ist sicher: er wird weitergehen. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 34 LOGISTIK Transportkettensicherheit Trotz konstanter Verbesserung der Sicherheit im Luftverkehr gibt es weiterhin Anschlagsversuche von Terroristen. Durch die jüngsten Vorkommnisse in der Luftfracht werden die Bedingungen für Speditionen und Abfertiger härter: Der Anteil der zu kontrollierenden Fracht wird sich verdreifachen. Auf die Abfertiger kommen räumliche Probleme und zusätzliche Kosten zu. D ie Bombenfunde in Frachtflugzeugen im Oktober 2010 haben die Diskussion über Sicherheit in der Luftfracht neu entfacht. Die Komplexität der globalen Logistik erfordert jedoch eine genaue Analyse möglicher Maßnahmen. Um eine Gefährdung durch Luftfracht zu verhindern, müssen unsichere Sendungen an einem Punkt in dieser Transportkette kontrolliert werden. Die Entwicklung der Luftfrachtsicherheit Die Luftsicherheit hat sich in der Vergangenheit stark auf die Kontrolle von Passagieren und deren Gepäck konzentriert. Seit Ende der 1960er Jahre nuzten Terroristen Flugzeugentführungen als Druckmittel für die Durchsetzung ihrer politischen Forderungen. Um dies zu unterbinden wurden zunächst Kontrollen bei Passagieren und deren Handgepäck verschärft. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden zunehmend Sprengstofe im Gepäck versteckt. Ziel war es, Flugzeuge in der Luft zu zerstören. Als Konsequenz verschärften die Behörden die Kontrolle der aufgegebenen Gepäckstücke. Die Anschläge 2001 stellen eine neue Form des Terrorismus dar. Flugzeuge wurden als Wafen eingesetzt. Trotz weiterer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen unternahmen terroristische Gruppen auch im letzten Jahrzehnt weitere Anschlagsversuche, teilweise durch neue Angrifsmuster und selbsterstellte Sprengstofe. Seit 2001 sind auch die globalen Warenketten in den Fokus der Gefahrenabwehrmaßnahmen gerückt. Luftfracht könnten Terroristen auf zwei Arten nutzen: Zum einen als Transportmittel zur Versorgung der Terrorzellen mit Wafen. Zum anderen durch Bombenattentate, die eine Flugzeugzerstörung zum Ziel haben. Ein Anschlag, bei dem sich eine Person über eine Luftfrachtsendung in ein Flugzeug einschleust, kann aufgrund der Vorschriften zur Verpackung und Verladung von Luftfrachtsendungen ausgeschlossen werden. Die sichere Lieferkette Die sichere Lieferkette in der Luftfracht umfasst die Transportkette vom Versender bis zur Verladung ins Flugzeug, die in Abbildung 2 dargestellt ist. Versender konnten in der Vergangenheit von ihren Speditionen als Bekannte Versender (BekV) anerkannt werden. Hierfür unterzeichnete der Versender eine Sicherheiterklärung. Mit Inkrafttreten der EU-Verordnung 300/ 2008 am 30. April 2010 zertifiziert nun das Luftfahrtbundesamt (LBA) als zuständige Behörde alle neuen Bekannten Versender. Alle BekV, die vor diesem Datum bereits als sicher galten, haben nun eine Übergangszeit von drei Jahren, bis sie ihren Status verlieren oder vom LBA zertifiziert werden. Auf Basis der Vorgängerverordnung der EU300/ 2008 wurden bereits Speditionen und Abfertiger durch das LBA als Reglementierte Beauftragte (RegB) zertifiziert. Logistikdienstleister, die im Auftrag eines RegB oder BekV handeln, müssen eine Unterauftragnehmererklärung (UAN) unterzeichnen. Eine Sendung, die von einem BekV über mehrere RegBs bis zum Flugzeug transportiert wurde, ohne dass ein Unbefugter Zugrif darauf hatte und dies auch dokumentiert wurde, kann ohne Kontrolle verladen werden. Dies wird als sichere Lieferkette bezeichnet. Im Umkehrschluss müssen alle Sendungen, die nicht von Bekannten Versendern stammen oder deren sichere Lieferkette nicht dokumentiert oder unterbrochen wurde, sich einer physischen Sicherheitskontrolle unterziehen. In der Regel findet diese Kontrolle im Speditions-Hub oder beim Abfertiger statt. Die US-Amerikanischen Behörden beabsichtigen unabhängig von der sicheren Lieferkette für Flüge in Richtung USA die Kontrolle aller Sendungen, die in Unterflurladeräumen von Passagierflugzeugen Sicherheitsdebatte Luftfracht Abb. 1: Kontrolle mit Hilfe von Röntgengeräten zur Durchleuchtung von Fracht und Gepäck Foto: Dieter Schütz, pixelio.de Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 35 transportiert werden (Beiladung). Seit August 2010 ist die 100 %-Kontrolle von Beiladefracht im inneramerikanischen Flugverkehr vorgeschrieben. Zukünftige Entwicklung der sicheren Lieferkette Viele Versender nutzten die sichere Lieferkette in der Vergangenheit, so dass nur geringe Frachtmengen (etwa 10 %) kontrolliert werden mussten. Aus aktuellem Anlass wurden Stichprobenkontrollen bei den Beteiligten durchgeführt. Sie zeigten, dass einige Unternehmen die geforderten Standards nicht gewährleisten. Darauhin haben diese ihren Status als BekV oder RegB verloren. Die Zertifizierung als BekV ist für Unternehmen mit erheblichen Kosten für Schulungs- und Sicherungsmaßnahmen verbunden, so dass die Zahl der BekV nach Ablauf der dreijährigen Übergangsfrist deutlich niedriger liegen wird als heute. In anderen europäischen Ländern sank die Anzahl BekV auf einen dreibis niedrigen vierstelligen Bereich, nachdem eine behördliche Zertifizierung eingeführt wurde. Der Rückgang der Anzahl der BekV führt zu einer Erhöhung des Anteils unsicherer Fracht. 80 % des Luftfrachtaukommens stammt von Großversendern, für die eine Zertifizierung als wirtschaftlich ist. Für die anderen Versender wird eine Zertifizierung als BekV größtenteils nicht lohnenswert sein. Auch Großversender werden nicht alle Versandstellen zertifizieren lassen. Es ist somit zukünftig von über 20 % unsicher angelieferter Fracht auszugehen, die im Speditions-Hub oder beim Abfertiger zu kontrollieren ist. Hinzu kommt die Beiladefracht in Richtung USA, welche unabhängig von der Art der Anlieferung kontrolliert werden muss. In der Summe wird daher der Anteil der zu kontrollierenden Fracht von heute unter 10 % auf deutlich über 30 % steigen. Manche Experten und Marktteilnehmer gehen sogar von Kontrollquoten weit über 50 % aus. Logistische Auswirkungen Aufgrund des bisherigen geringen Aukommens unsicherer Fracht sind Kontrollgeräte in den Speditions-Hub und Abfertigeranlagen meist weit von der Rampe und der Frachtannahme entfernt. Die logistischen Abläufe sind auf die 90 % sichere Fracht optimiert. Für die restlichen 10 % nahmen die Abfertiger bislang Umwege und Zusatzkosten in Kauf. Steigt der Anteil der unsicheren Fracht jedoch künftig auf knapp ein Drittel, so erzeugen die langen Wege unnötige Staplerverkehre, binden Personal und Technik und behindern die Abfertigung in den angrenzenden Bereichen. Eine Verlagerung an die Quelle der unsicheren Fracht, also die Rampe, ist daher sinnvoll und reduziert die internen Logistikkosten. Weiterhin müssen die Kontrollkapazitäten sowie vor- und nachgelagerten Puferflächen stark ausgebaut werden. Ein Großröntgengerät benötigt etwa 25 m 2 . Hinzukommen Verkehrsflächen sowie Puferflächen im Einzelzugrif, so dass sich schnell ein Gesamtflächenbedarf von 100 m 2 und mehr je Gerät ergibt. Zukünftige Entwicklungen Seit den jüngsten Vorfällen wird eine Vielzahl von Ansätzen zur Verbesserung der Sicherheit in der Luftfracht diskutiert: Von organisatorischen Verschiebungen über eine Verkürzung der Übergangsfrist bis hin zur vollständigen Kontrolle der Fracht am Übergang in den Sicherheitsbereich des Flughafens. Viele dieser Vorschläge haben keine Auswirkungen auf die logistischen Abläufe wie beispielsweise häufigere Überprüfungen der BekV und RegB. Die 100 %-Kontrolle und die Überprüfung von Transferfracht ziehen jedoch massive logistische Auswirkungen nach sich und werden daher im Folgenden aus der logistischen Perspektive betrachtet. 100 %-Kontrolle Die absolute Kontrolle nach US-amerikanischen Vorbild ist langfristig denkbar, aber nicht kurzfristig umzusetzen. Durch die große Anzahl an Kontrollgeräten, an einem großen Hubflughafen ist insgesamt von einer dreistelligen Anzahl auszugehen, wird die Fläche in den Gebäuden der Abfertiger und somit die Produktivität drastisch reduziert. Logistisch eizienter ist eine Überprüfung größerer Einheiten wie der Unit Load Devices (ULDs) oder sogar der anliefernden Lkw. Ersteres könnte zusammenfallen mit dem Übergang in den Sicherheitsbereich des Flughafens (Critical Parts). Die zweite Option könnte auf dem Flughafengelände oder in unmittelbarem Umfeld erfolgen. Bisher fehlt jedoch eine Technologie, die eine Kontrolle inhomogen beladener Einheiten in der erforderlichen Qualität und Abb. 2: Die sichere Lieferkette in der Luftfracht Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 36 LOGISTIK Transportkettensicherheit einer kurzen Zeitspanne ermöglicht. Hinzu kommen die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Kontrollen, um die Anzahl der Fehlalarme zu minimieren. Die Kontrolle am Übergang in den Critical Part ist auf Grund begrenzter Flächenverfügbarkeit in diesem Bereich kritisch. Ergänzend tritt das logistische Problem hinzu, dass die aufwändigen sekundären Kontrollprozesse bei einem Fehlalarm dazu führen, dass die betrofene ULD mit großer Wahrscheinlichkeit den vorgesehenen Flug verpasst. Kontrolle von Transfer- und Transitfracht An einem Flughafen gibt es vier Transfer- und einen Transitstrom für Luftfracht wie in Abbildung 4 deutlich wird. Transitfracht bleibt an Bord des Flugzeugs, da dieses nicht wieder zu seinem Ausgangsflughafen zurückkehrt, sondern mindestens ein weiteres Ziel anfliegt (Multi-Leg-Flug). Zwischen zwei Flugzeugen können ULDs als direkter Transfer ausgetauscht werden. Ist dies nicht der Fall, wird die Fracht beim Abfertiger abgebaut, um zu neuen ULDs mit weiterer Fracht zusammengesetzt zu werden. Zwei weitere Transferströme betrefen die Anlieferung fertiger ULDs mit dem Lkw von anderen Flughäfen (RFS) oder den Speditions-Hubs (BUP). Wird die Transferkontrolle Pflicht, sind neue Technologien erforderlich, um eine schnelle und zuverlässige Kontrolle der Fracht-Einheiten zu ermöglichen. Der Ab- und Aubau von ULDs zur Kontrolle benötigt bei üblichen Gewichten mindestens zwei Stunden pro Einheit. Hinzu kommen Wegezeiten zu den Terminals der Abfertiger, wenn diese ULDs nicht mehr direkt und ohne Kontrolle von einem Flugzeug zum nächsten gebracht werden können. Für die Transferströme vom Lkw zum Flugzeug muss sichergestellt werden, dass eine vorgelagerte Kontrolle ihre Gültigkeit behält. Der Ab- und Wiederaubau der Einheiten ist logistisch nicht sinnvoll. Er führt dazu, dass Fracht in Einzelteilen zum Abfertiger am Abflughafen angeliefert würde. Da bereits über die Hälfte der Fracht der großen Speditionen als BUPs angeliefert werden, und sich die RFS-Netze europaweit ausgedehnt haben, ist zu erwarten, dass die vorhandene Abfertigungsfläche dann nicht mehr ausreicht, um diese Mengen zu bewältigen. Fazit Die Kontrollquote in der Luftfracht wird sich nach dem Auslaufen der Übergangsfrist der EU300/ 2008 deutlich erhöhen. Die Luftfrachtkontrollen haben in den vergangenen acht Jahren jedoch nicht das Niveau der über 40 Jahre kontinuierlich verbes- Benjamin Bierwirth, Dr.-Ing. hwup Consulting, Berlin bierwirth@hwup.de serten Passagier- und Gepäckkontrollen erreicht. Die Adaption von Technik und Prozessen vom Gepäck auf die Fracht sind auf Grund von technologischen Hürden und anderen Strukturen in der Luftfracht nicht machbar. Die Abfertiger und Speditionen müssen sich jedoch auch ohne neue Auflagen auf einen deutlichen Anstieg der zu kontrollierenden Fracht einstellen und ihre Prozesse daran anpassen. LITERATUR 1 Vgl. EUROPEAN COMMISSION - DG ENERGY AND TRANSPORT (2004): Study on Civil Aviation Security Financing. 2 Vgl. HAINMÜLLER, JENS und LEMNITZER, JAN MARTIN (2003): Why do Europeans fly safer? The politics of airport security in Europe and the US. 3 Eine Übersicht über die Beteiligten der Luftfrachttransportkette und deren Anforderungen geben SCHÜLLER, MICHAEL (2002): Strategieentwicklung airlinegeführter Supply Chains in Kapitel 2.5 und GRANDJOT, HANSHELMUT (2002): Leitfaden Luftfracht, S. 127f. 4 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 300/ 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2320/ 2002 (EU) (2008) sowie zugehörige Durchführungsverordnungen. 5 Vgl. BIERWIRTH, BENJAMIN (2009): Optimierung der Sicherheitskontrolle in der Luftfrachttransportkette. Abb. 4: Transit- und Transferströme im Luftverkehr Abb. 3: Veränderung der Prozesse beim Abfertiger: Die Luftfrachtkontrolle verschiebt sich in Richtung Rampe. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 37 LOGISTIK Intralogistik Die Intralogistik steht vor gewaltigen Herausforderungen. Als Enabler der Logistikprozesse bietet moderne Logistik-IT ein Fundament für eiziente Geschäftsprozesse, nachhaltiges „Green through IT“ sowie eine wirtschaftlich gute Positionierung im globalen Wettbewerb. M it der multipolaren Verschiebung der wirtschaftlichen Gravitationszentren in Richtung der Emerging Markets stehen die Marktplayer vor neuen Chancen, Herausforderungen, aber auch Wettbewerbern. War die Globalisierung in der Vergangenheit in der Regel ein Treiber für mehr Komplexität und Wachstum der Intralogistik, so wird sie in Zukunft einige tiefgehende Veränderungen der Logistik im Allgemeinen und der Intralogistik im Speziellen bringen. Vor diesem Hintergrund hat die Forschungsgemeinschaft Intralogistik, Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) gemeinsam mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) die Trendstudie „Zukunft der deutschen Intralogistikbranche 2020+“ erarbeitet. Ziel der Studie ist es, die Tätigkeitsfelder der Intralogistik und der wissenschaftlichen Forschung an den künftigen Bedarfen auszurichten, um auf diese Weise die know-how-führende Position der deutschen Intralogistik zu behaupten. Zukunft der Intralogistikbranche Mit der Trendstudie hat die IFL „drei Trends abgeleitet, die einen wesentlichen Einfluss auf die Zukunft der Intralogistik zeigen werden: Ressourceneizienz“, „Globalisierung“ und „Innovationen“. Bei ihren globalen Aktivitäten dürfen sich die deutschen Intralogistik-Unternehmen künftig nicht mehr nur als Technologielieferanten verstehen. Ihr Erfolg wird vielmehr davon abhängen, wie weit es ihnen gelingt, sich vor Ort als Wirtschaftspartner zu positionieren. Zielmarktspezifische Produktvarianten, zunehmende internationale Standardisierung und lokale Fertigungsstrukturen werden im globalen Wettbewerb zur Verlagerung von Produktionsstandorten führen und neue Lösungen für ein Global Engineering, globale Services und Support sowie produkthafte Einzelkomponenten fordern. Als absehbare Folge verbleibt die Entwicklung von Lösungen und Komponenten in Europa. Fertigung, Implementierung, Wartung und Support hingegen werden direkt vor Ort erbracht. „2020 ist die Wohlstandsentwicklung in Deutschland vor allem dadurch geprägt, das Designfunktionen und tertiäre Intelligente und zukunftsfähige Logistiksysteme Foto: Wintron Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 38 LOGISTIK Intralogistik Steuerungsfunktionen in Deutschland verbleiben“, fasst die Trendstudie zusammen. Dennoch wird die Intralogistik künftig nicht mehr automatisch eine Domäne deutscher Ingenieurskunst und Softwareentwickler sein. Konzentrationsprozess absehbar Diese Entwicklungen werden sich auf die Struktur der deutschen Intralogistik- Branche auswirken. Die mittelständische Prägung der Branche, ein Spezifikum der deutschen Intralogistik, gerät angesichts dieser globalen Herausforderungen auf den Prüfstand. Allein im Bereich der Software stehen 150 bis 200 Anbieter im Markt. Trotz ihrer hohen Bedeutung in der deutschen Wirtschaft sind die KMU für den globalen Wettbewerb allzu häufig kaum gerüstet. Die Innovationskraft vieler kleinerer Unternehmen der deutschen Intralogistik ist - sei es aus Unkenntnis, mangelnder eigener Finanzkraft, wegen zögerlicher Kapitalgeber oder einem Mangel an Know-how und Spitzenkräften - deutlich eingeschränkt. Wenn es nicht gelingt, marktgerechte Kooperationsmodelle zu entwickeln und umzusetzen, scheint es absehbar, dass es in diesem Marktsegment künftig entweder neue, zum Teil auch überraschende Partnerschaften oder - sei es durch Zusammenschlüsse, Kooperationen, Aukäufe oder (feindliche) Übernahmen - einen deutlichen Konsolidierungsprozess geben wird. Ressourcene zienz Zur Erschließung der Potenziale im Bereich der Material-, Energie- und Ressourceneffizienz fordert die Trendstudie „2020+“, Wissensdefizite im Bereich neuer Materialien und systemübergreifender Prozesse abzubauen. Die Unternehmen müssen ihre Veränderungsresistenz ablegen, bestehende Produktionsprozesse kontinuierlich hinterfragen und neue material- oder energieeizientere Verfahren auch einsetzen. Markantes Beispiel dafür, wie diese Aspekte zunehmend mehr Gewicht in den wirtschaftlichen Betrachtungen und der Gestaltung logistischer Netzwerke gewinnen, ist das Thema „Green Logistics“. War es früher das Hauptanliegen, Logistikprozesse kosten- und zeitoptimal zu gestalten, so zeigt die gegenwärtige Popularität des Begrifes „Green Logistics“, dass es weitere Optimierungsdimensionen in der Intralogistik zu berücksichtigen gilt. Ressourceneizienz umfasst diese Ansätze, geht aber noch weiter. Ein eizientes Ressourcenmanagement fokussiert nämlich alle für die Intralogistik relevanten Ressourcen wie Zeit, Fläche, Mitarbeiter, Energie, Materialien (im Herstellungswie auch im Nutzungsprozess). Green through IT Dabei fällt der Informationstechnologie (IT) eine entscheidende Rolle zu. Mit ihrer Integrationsfähigkeit, Flexibilität und Eizienz bilden moderne Softwaresysteme wie die der PSI Logistics die Basis dafür, die Innovationskraft der Unternehmen und ihre Geschäftsprozesse zu fördern. Mehr noch: Die Softwarefunktionen für intelligentes Ressourcenmanagement ermöglichen den Anwendern - von den innerbetrieblichen Optimierungsefekten über standort- und unternehmensübergreifende Optionen bis hin zur Gestaltung und Planung von (globalen) Supply Chains - die Realisierung von Lösungen unter den Aspekten der Nachhaltigkeit. So ermöglicht moderne Logistik-Software beispielsweise die Planung und Gestaltung mehrstufiger, multimodaler und unternehmensübergreifender Logistik-Netwerke unter Berücksichtigung ökologischer Efekte und ökonomischer Anforderungen - nach individuellen Notwendigkeiten und unter Einbindung aller Verkehrsträger. Damit erschließt moderne Logistik-Software ein „Green through IT“, das gleichermaßen Grundlage und Programmatik nachhaltiger Logistik-Lösungen umfasst. Praxisorientierte Lösungen Der Begrifswandel von „Lagerverwaltungssystem (LVS)“ zum „Warehouse Management System (WMS)“ zeigt deutlich, dass intelligente IT für die Intralogistik weit mehr umfasst, als die Verwaltung von Lagerbeständen. Herkömmliche Warehouse Management Systeme optimieren die Struktur und Transparenz eines Lagers. Darüber hinaus stellen sie dem Management wirksame Instrumente zur Materialflusssteuerung und einer eizienten Ressourcen(einsatz) planung zur Verfügung. Zukunftsfähige Logistik-Software ist überdies multisitefähig: Das WMS ermöglicht die Steuerung kooperativer Prozesse und einen eizienten Ressourceneinsatz über mehrere Läger hinweg. Mit ihren standorübergreifenden Funktionalitäten wird die Logistik-IT zum Instrument unternehmensstrategischer Planungen und Optimierungen. Die Entwicklung marktgerechter, zukunftsfähiger IT-Produkte erfordert allerdings eine enge Zusammenarbeit und kontinuierlichen Informationsaustausch der Hersteller sowohl mit der Wirtschaft als auch der Forschung und Wissenschaft. Technologien einbinden Parallel dazu erfordert die Entwicklung und Ausrichtung zukunftsfähiger Produkte die Einbindung neuer Theorieansätze und Technologien. Es gilt, die Integration moderner und künftiger Technologien und Instrumente wie etwa RFID zu berücksichtigen, die Software auf ganzheitliche Theorieansätze wie etwa dem „Internet der Dinge“ auszurichten und neue potenzielle Optionen wie beispielsweise das Szenario eines Smart Logistics Grid, auf ihre Praxisfähigkeit und -potenziale hin zu prüfen. Die englische Bezeichnung Smart Grid, übersetzt etwa „intelligentes Versorgungsnetz“, zielt ursprünglich auf die kommunikative Vernetzung und Steuerung von Energienetzen. Smart Grids, für deren IT-Basis der PSI-Konzern als einer der führenden Entwickler im Markt steht, gelten als Technologielösungen der Zukunft. Ziel eines solchen Netzes ist die sichere Versorgung auf Basis eines eizienten und zuverlässigen Systembetriebs. Ein derart cleveres Netz- Management ist technologisch möglich und wirtschaftlich erfolgreich. Erfahrungen, die sich durchaus in Denkansätze für die Logistik übertragen lassen. Künftig ließen sich so beispielsweise die Ressourcen eines Gesamtnetzes koordinieren und etwa in globalen Netzwerken die Logistikkapazitäten von Verkaufsstellen bis zu Zulieferunternehmen bei der Netzauslastung einbinden. Ergebnis: Höchste Logistikverfügbarkeit - ohne den üblicherweise erforderlichen Aubau von Reservekapazitäten. Fazit Die Logistik wird sich in der kommenden Dekade deutlichen Veränderungsprozessen stellen müssen. Als wichtigster Enabler der Logistik muss die Informations- und Kommunikationstechnik den Anwendern daher Systeme zur Verfügung stellen, die gleichermaßen die fortschreitende Globalisierung, ökologische Aspekte sowie Faktoren wie etwa den demografischen Wandel berücksichtigen. Dabei erwarten die Anwender einerseits langfristige Investitionssicherheit, die sowohl die Marktpräsenz des Anbieters als auch die technologische Updatefähigkeit ebenso wie eine nachhaltige Flexibilität der IT-Produkte umfasst. Andererseits soll die Software den Bedienern Wege für ein „Green through IT“ eröfnen und auf diese Weise ökonomische und ökologische Anforderungen nachhaltig miteinander verknüpfen. Wolfgang Albrecht, Dipl.-Ing. Geschäftsführer PSI Logistics GmbH, Berlin w.albrecht@psilogistics.com ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 39 LOGISTIK Intralogistik Innerbetriebliche Logistikprozesse wollen efektiv organisiert sein. Doch auch komplexe Automaten können den Menschen nicht vollständig ersetzen, sondern nur Teil der Gesamtorganisation einer intralogistischen Anlage sein. Beispiel Kommissionierung. D er erste Schritt in Richtung Automatisierung war die Einführung von automatischen Regalbediengeräten. Mittlerweile richtet sich der Automatisierungsgrad eines Distributionszentrums immer mehr nach den Anforderungen des Anwenders. Automatisierung - aber wie? Moderne Logistiksysteme bestehen aus zahlreichen unterschiedlichen Komponenten. Jeder einzelne Bestandteil erfordert eine konstante Überwachung, um die Eizienz der gesamten Anlage zu gewährleisten. Davon, dass Automaten die Arbeit des Menschen komplett übernehmen, ist man in der Intralogistik noch weit entfernt. Zu breitgefächert und unterschiedlich sind die Aufgaben, die in einem Logistikzentrum anfallen. Automaten sind vielmehr dazu geeignet, begrenzte Spezialaufgaben, bei denen hohe Reproduzierbarkeit und hohe Leistungen gefordert sind, zu übernehmen. Überschreiten die Durchsatzforderungen eine bestimmte Grenze, wird eine automatische Lösung unumgänglich. Um Leistungsfähigkeit und Flexibilität zu verbinden, kombiniert man deshalb in vielen Bereichen automatische Teilsysteme zu komplexen Einheiten. Beispiele für eine solche Clusterbildung sind Identifikation, Transport, Einlagerung und Auslagerung. Diese Cluster werden sukzessive durch neu entwickelte Spezialzellen ergänzt. So werden Aufgaben wie Palettieren, Depalettieren und Komissionierung Teil eines (teil-)automatisierten Prozesses. Kommissionierprozess Ein Beispiel für eine Spezialzelle innerhalb eines Clusters ist der Kommissionierprozess. Efektive und vor allem fehlerfreie Kommissionierung stellt an das Lagerpersonal höchste Anforderungen. Schnell vergreift sich der Kommissionierer mal am Lagerplatz oder entnimmt die falsche Stückzahl. Wird nach dem eigentlichen Kommissioniervorgang keine Warenausgangskontrolle durchgeführt, ist die Falschlieferung nicht zu vermeiden. Das verursacht unnötige Kosten. Das Schlimmste ist jedoch der verärgerte Kunde. Die Konkurrenzfähigkeit von Kommissioniersystemen beruht deshalb sowohl auf Leistung als auch auf Qualität. Die Leistung misst man an der Anzahl der Artikel-Entnahmen pro Stunde aus einer Ladeeinheit, die Qualität an einer fehlerfreien und artikelschonenden Kommissionierung. Ein herkömmliches Kommissionierungssystem funktioniert folgendermaßen: Dem Mitarbeiter wird mithilfe von Bildschirmen, Displays, Lichtanzeigen oder Papier die Menge, der Entnahme- und der Abgabeort der zu kommisionierenden Ware angezeigt. Danach ist dieser Vorgang am Warehouse Management System zu quittieren. High Performance Picking System Durch verschiedene (teil-)automatische Systeme werden Qualität und Leistungsfähigkeit weiter gesteigert. Jedoch steht hier immer noch der Mensch im Mittelpunkt. Das HPPS (High Performance Picking System) von viastore systems ist zum Beispiel ein Prinzip, um Aufträge besonders schnell und efektiv zu kommissionieren. Bis zu 40 % mehr Wirtschaftlichkeit ist erreichbar durch ein vollautomatisches Lagerbehälterhandling. Weitere Vorteile sind reduzierte Kommissionierwege, eine ergonomisch günstige Lagerbehälterposition zum Greifen der Ware sowie kurze Einlernzeiten für die Mitarbeiter. Im Vergleich zu manuellen Systemen können so bis zu 70 % der Lagerfläche eingespart werden. Hintergrund ist der integrierte, vollautomatische Nachschubpufer und die Verteilung der Kommissionierung auf mehrere Ebenen. Letztlich entfallen die Ver- und Entsorgungswege für Lagerware, kommissionierte Ware und Leerbehälter. HPPS ist eine intelligente Kombination von Mechanik und Software - eine ausgeklügelte Führung des Kommissionierers durch die Verbindung von Warehouse Management Software zum Beispiel mit Pick-by-light- Systemen. Die Durchlaukanäle der Pick-bylight-Anlage werden zum einen automatisch mit den benötigten Ladungsträgern befüllt. Zum anderen holt das Regalbediengerät diese Behälter oder Kartons auch wieder automatisch ab, wenn sie entweder leer sind oder die Ware in absehbarer Zeit nicht benötigt wird. Dafür wurde ein Lastaufnahmemittel für das Regalbediengerät entwickelt, das sich auf das Gefälle des Durchlaufregals Läuft wie von selbst Abb. 1: Der Mensch im Mittelpunkt des Kommissioniervorgangs - doch die Entnahmebehälter werden vollautomatisch bereitgestellt und entsorgt. Foto: viastore Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 40 LOGISTIK Intralogistik neigen kann, um so die Behälter perfekt zurückziehen zu können. Durch diese automatische Ver- und Entsorgung der Greifächer kann sich der Kommissionierer vollständig auf seine Arbeit konzentrieren und spart Zeit. Er muss die leeren Ladungsträger nicht zurückschieben oder herausnehmen, wie es bei anderen Systemen der Fall ist. HPPS lässt sich in jede Anlagenkonzeption integrieren. Alle Teilprozesse des Kommissionierens und Packens werden von der Software vorausberechnet und hocheizient gesteuert. Dies beginnt schon mit der Kartonvorberechnung. Je nach Artikelspektrum und -volumen wird die geeignete Kartongröße vorberechnet. Diese wird dem Mitarbeiter bei der Kartonaufrichtung angezeigt. Hierbei wird bereits die optimale Versandart berücksichtigt. Dies ist besonders beim Pick-Pack-Verfahren notwendig. Die Kommissionierladeeinheiten (KLE) durchlaufen verschiedene Kommissionierbahnhöfe. Die benötigte Ware wird zeitnah in Greifächern angeliefert und an jedem angesteuerten Bahnhof in die Kommissionierbehälter gepickt. Die aktuelle Auftragslage steuert dynamisch die Vergabe der benötigten Greifächer. Dabei sind die Auslagerung des alten Artikels, die Einlagerung des neuen Artikels und die Zusteuerung der Behälter zeitlich koordiniert. Die Befüllung der KLE wird über ein Pick-by-light-Subsystem, über Funk oder Listen gesteuert. Der gesamte Durchlauf der KLE durchs Lager wird anhand der Reihenfolge der Aufträge, der aktuellen Auslastung der Arbeitsplätze und der Artikelverfügbarkeit verbessert. Vollautomatisches Kommissionieren Das vollautomatische Kommissioniersystem viapick ermöglicht mehr als 600 kontinuierliche Entnahmen in der Stunde - die durchschnittliche Pickleistung eines Kommissionierers unter vergleichbaren Bedingungen liegt bei rund 300 Entnahmen pro Stunde. Gleichzeitig sinkt der Installationsaufwand für den Kommissionierplatz. Arbeitsplatz- Einrichtungen wie PC, Bildschirm, Tische und Kommissionierhilfen werden nicht mehr benötigt. So amortisiert sich das System schon nach sechs bis 18 Monaten. viapick kommissioniert erkennbare, geordnete und stapelbare Produkte ganz unterschiedlicher Größen und Geometrien. Dabei entnimmt das System analog zu einem Kommissionierer die Waren aus einem herkömmlichen Lagerbehälter und legt sie geordnet in einen beliebigen Auftragsbehälter oder Versandkarton. Auch schwere oder unhandliche Produkte können problemlos kommissioniert werden. Zudem kommissioniert das System kontinuierlich mit vernachlässigbarer Fehlerrate. Insgesamt wird so die Eizienz eines Distributionszentrums deutlich gesteigert. Christoph Hahn-Woernle, Dipl.-Ing. Geschäftsführender Gesellschafter viastore systems GmbH, Stuttgart Abb. 2: Durch Pick-to-light-Anzeigen können mehrere Aufträge parallel kommissioniert werden. Foto: viastore ɷ B U S I N E S S Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 41 Konzeptpapier ohne Konzept F ast ein Jahr ist EU-Verkehrskommissar Siim Kallas nun im Amt. Eine Analyse, ob der Este die Erwartungen erfüllt hat oder nicht, käme jedoch zum jetzigen Zeitpunkt zu früh. Zumindest muss aber festgestellt werden, dass Kallas hinter seiner eigenen Erwartung zurückgeblieben ist. Eigentlich sollte spätestens bis Ende 2010 das neue Weißbuch zur EU-Verkehrspolitik 2020 vorliegen. Angesichts der langwierigen Entscheidungsprozesse zwischen EU-Ministerrat und Europäischem Parlament sowie der mit fünf Jahren sehr kurz bemessenen Amtszeit eines Kommissars sind die neuerlichen Verzögerungen wahrlich kein gutes Omen. Hier geht unnötig Zeit verloren. Vor allem vor dem Hintergrund, dass bereits seit August 2010 ein erster Entwurf − als Testballon sozusagen − kursiert. Doch seitdem - nichts! Kein Wunder, dass nicht nur die Mitglieder des EP-Verkehrsausschusses ungeduldig werden. Um zumindest diese zu beruhigen, hat Kallas ein „Konzeptpapier“ verfasst, wie er es selbst nennt. Alte Hüte Darin erläutert er die großen Leitlinien der europäischen Verkehrspolitik von morgen. Doch ist das acht Seiten starke Dokument nicht mehr als eine Auflistung einzelner Maßnahmen, von denen die meisten nicht gerade neu sind. So ist seit langem bekannt, dass Kallas im Straßengüterverkehr gern die Kabotagebeschränkungen endgültig auheben will. Und dass die Kommission die Nutzung alternativer Treibstofe fördern will, dürfte einige freuen, jedoch niemanden vom Hocker reißen. Genauso wenig dürften die europäischen Seehäfen verwundert sein, dass eine neue Initiative zur Öfnung der Hafendienste nicht ausgeschlossen wird. Im Schienenverkehr steht die Vollendung der Marktliberalisierung im Mittelpunkt. Zur Förderung der Binnen- und Seeschiffahrt soll der EU-Aktionsplan Naiades verlängert, beziehungsweise die Meldeformalitäten von Schifen sollen erleichtert werden. Im Luftverkehr gelte es, den einheitlichen Luftraum schnellstmöglich umzusetzen. Neugier weckt Kallas zumindest mit seiner Ankündigung, dass die Kommission künftig die Vermeidung von Verkehren ins Visier nehmen will. Als Maßnahmen werden die Einrichtung von sogenannten Paketstationen sowie von Güterverkehrszentren an Stadträndern genannt. Auch will Kallas seinen Amtskollegen Algirdas Semeta in die Pflicht nehmen, die Steuerpolitik mit Blickpunkt auf die Vermeidung von CO 2 -Emissionen auszurichten, beispielsweise über Anreize zum Kauf umweltfreundlicher Fahrzeuge. Nicht zum ersten Mal taucht die Idee auf, dass in dem angestrebten integrierten europäischen Transportsystem der Gütertransport ab 300 km hauptsächlich auf der Schiene oder mit Schifen abgewickelt werden soll. Was fehlt, sind jedoch jegliche Andeutungen, welche Voraussetzungen, geschweige denn Investitionen notwendig sind, um dieses Ziel zu verwirklichen. Wenn im Weißbuch auf diese Fragen schlüssige Antworten gegeben werden, könnte sich das Warten gelohnt haben. Doch solange dies nicht der Fall ist, hat Kallas nicht mehr zu bieten als ein Konzeptpapier ohne Konzept. Ofene Fragen Bleibt der Blick in den Weißbuch-Entwurf: So hat die Kommission ofenbar die Absicht, bis 2020 alle EU-Mitgliedstaaten zu verpflichten, Mautgebühren für den schweren Lkw-Verkehr zumindest auf den Hauptverkehrsachsen zu erheben. Langfristig sollen auch Transporter zur Kasse gebeten werden. Langzeitziel ist es, allen gewerblich genutzten Fahrzeugen die Kosten für Infrastruktur, Staus, Lärm und Luftverschmutzung auf dem Straßennetz der EU anzulasten. Die Begründung: Die Anlastung externer Kosten könne nur efektiv sein, wenn dies auch für Transporter und Pkw gelte. Deshalb will die Kommission die Staaten ermutigen, auch Pkw einzubeziehen. Ein Schwerpunkt der EU-Verkehrspolitik 2020 wird in dem verbesserten Zugang zu den Transportmärkten gesehen. Zu den ins Auge gefassten Maßnahmen gehört im Straßengüterverkehr die vollständige Freigabe der Kabotage, wie Kallas dies in seinem Konzeptpapier bestätigt hat. Im Schienengüterverkehr wird insbesondere die strikte Trennung von Netz und Betrieb als Ziel genannt. Zudem soll ein EU-Netzwerk der nationalen Regulierungsbehörden eingerichtet und die Koordination unter den Schieneninfrastrukturbetreibern verbessert werden. In der Hafenpolitik plant die EU-Kommission, die Transparenz von öfentlichen Zuwendungen zu verbessern. So soll die Richtlinie 2006/ 111 auch auf Häfen mit einem jährlichen Umsatz von unter 40 Mio. EUR ausgeweitet werden. Zudem wird ein drittes Port Package zur Öfnung der Hafendienstleistungen nicht ausgeschlossen. Ein weiterer Pfeiler der EU-Verkehrspolitik soll der Abbau administrativer und technischer Hindernisse sein. Für den Straßengüterverkehr ist eine Harmonisierung von Verstößen und deren Ahndung angedacht. Im Seeverkehr wird weiter an einfacheren Melde- und Zollformalitäten gearbeitet. Im Luftverkehr plant die Kommission ein kommerzielles Slot-Vergabesystem. Im Schienenverkehr soll die Zulassung von Rollmaterial erleichtert werden. Ziel sind einheitliche Zulassungsprozeduren, so dass am Ende eines Verfahrens in einem Mitgliedstaat ein EU-weit gültiges Sicherheitszertifikat steht. Bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Maßnahmen tatsächlich im Weißbuch wiederfinden, dessen Veröfentlichung für Februar 2011 angekündigt wurde. Weitere Verzögerungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Christian Dahm EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung in Brüssel B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON CHRISTIAN DAHM Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 42 LOGISTIK Wissenschaft E in systemorientierter Ansatz im kontinentalen Verkehr zeigt die Möglichkeiten auf, die Grundlast der Speditionsverkehre von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dies ist nur realistisch, wenn sämtliche Beteiligte an der Prozesskette, einschließlich der Verlader, an unternehmensübergreifenden Nutzerplattformkonzepten u. a. für die gemeinschaftlich betriebenen Lagerflächen sowie die Abholung und Zustellung am Terminal mitwirken. Produktivitätsreserven für den kontinentalen Verkehr liegen insbesondere in der Einsparung des Flächenverbrauchs, auch der beteiligten Verlader, und der eizienten Nutzung einer vergleichsweise verkleinerten Lkw- Flotte. Damit reagiert die Branche auf steigende Umweltauflagen und strikte Anforderungen an die Sozialstandards bei den Lkw-Fahrern. Insgesamt besteht Anlass zu der Annahme, dass es zu einer Annäherung an die maritimen Konzepte kommen wird. Eine Systembetrachtung im maritimen Bereich zeigt ebenfalls Weiterentwicklungsperspektiven auf, u. a. Produktivitätsreserven im Hinblick auf die Etablierung von standardisierten Informationsketten. Bündelungsmöglichkeiten zwischen kontinentalen und maritimen Systemen sind noch nicht ansatzweise erschlossen. Dabei stehen „gemischte Züge“ aus maritimen und kontinentalen Mengen mit insgesamt deutlich verbesserter Auslastung ebenso im Vordergrund wie die gemeinsame Nutzung von modernen Terminalanlagen und Abstellflächen. Neben den bereits dargestellten Vorteilen dürfte ein höherer Containerisierungsgrad für sämtliche Verkehre noch einmal deutlich verbesserte Ressourceneinsätze hervorrufen. Insofern haben die Verlader ein hohes Eigeninteresse an der Standardisierung der Lieferketten. Innerhalb des einheitlichen Systems mit deutlich gestiegener Dispositionsmasse eröfnen sich ihnen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für moderne Standardisierung von Lieferketten Der Industriestandort Deutschland benötigt eine Industrialisierung seiner Verkehrsströme, insbesondere im wachstumsorientierten unbegleiteten Kombinierten Verkehr. Die traditionellen Geschäftsmodelle der beiden Segmente kontinentale Verkehre mit dem Operateursangebot Terminal-to-Terminal und maritime Verkehre mit einem Port-to-Door-Konzept müssen weiterentwickelt werden. Abb.1: Prozesskette im maritimen und kontinentalen Kombinierten Verkehr Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 43 »Bündelungsmöglichkeiten zwischen kontinentalen und maritimen Systemen sind noch nicht ansatzweise erschlossen« Logistikkonzepte wie Just-in-time Belieferung. Die Frage bleibt: Wer ergreift die Initiative? Die heutige Landschaft des unbegleiteten Kombinierten Verkehrs 1 kann im Folgenden aufgrund der historischen Entwicklung der wesentlichen Operateursgesellschaften und der Interessenlage ihrer jeweiligen Gesellschafter erklärt werden. Darauf beruhen die unterschiedlichen Geschäftsmodelle Terminal-to-Terminal für den kontinentalen Bereich und Port-to-Door für den maritimen Bereich. 2 Im Anschluss an die Darstellung der wesentlichen Charakteristika der beiden Segmente werden in diesem Beitrag systemimmanente Produktivitätsverbesserungspotenziale aufgezeigt. Zahlreiche Bündelungsmöglichkeiten bei wesentlichen Teilen der intermodalen Wertschöpfungskette dienen als Konvergenztreiber für die Geschäftsmodelle beider Segmente. Daraus lassen sich möglichst weitgehende Standardisierungen der Lieferketten ableiten, die dem Nutzer des Systems zugute kommen. Schließlich werden substantielle Veränderungsnotwendigkeiten der Beteiligten am Kombinierten Verkehr aus den Erkenntnissen zur Konvergenz der Geschäftsmodelle hergeleitet. Interessenlagen der Gesellschafter der Operateure - zwei Geschäftsmodelle mit unterschiedlichen Optimierungsansätzen Vor etwa 40 Jahren sind die ersten Operateursgesellschaften gegründet worden. 3 Im Kontinentalen Verkehr mit Wechselbrücken, Sattelaufliegern und Tankcontainern haben sich Spediteure mit signifikanten Lkw-Flotten an den beiden großen europäischen Operateuren Kombiverkehr und HUPAC beteiligt, um in Ergänzung zu ihren Lkw- Verkehren den Kombinierten Verkehr anbieten zu können. Damit erhalten sie die Möglichkeit, ihr Equipment entweder im Fernverkehr auszulasten oder im Nahbereich die Abholung oder Zustellung möglichst im Selbsteintritt zu organisieren und auf diese Weise ihre Lkw-Flotte optimal auszulasten. Zahlreiche Spediteure befördern demnach die Grundlast auf der Straße im Fernverkehr und speisen die Überlaufmengen in den Kombinierten Verkehr ein. Aber selbst für die Spediteure, die zu einem erheblichen Anteil den Kombinierten Verkehr benutzen, 4 steht die Auslastung der eigenen Ressourcen im Vordergrund. 5 Von „ihrem“ Operateur erwarten sie ein hochleistungsfähiges Terminal-to-Terminal-Angebot. Die Eisenbahnverkehrsdienstleister (EVU) müssen mit dem durchgehenden Lkw-Verkehr vergleichbare Pünktlichkeitswerte sicherstellen, um die Logistikanforderungen der Kunden zu erfüllen. Die Anlieferung in den Terminals erfolgt häufig am Tag des Schienengütertransports bis kurz vor der Abfahrt des Zuges, die Abholung unmittelbar im Anschluss an die Ankunft im Terminal. Verspätungen im Schienengüterverkehr verursachen Kosten für nicht geplante Wartezeiten der Fahrer oder zumindest in der Disposition. Die Terminals werden im Wesentlichen auf die Funktion von reinen Umschlagsanlagen reduziert. 6 Die kontinentalen Operateure sind ihren Dienstleistern gegenüber häufig als Einkaufsgemeinschaften aufgetreten. 7 Dadurch fanden sich die EVUs und Terminals in der Rolle der Dienstleister mit nachgeordneten Optimierungsmöglichkeiten. Vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten bei den Operateuren, die Auslastungsverantwortung bei kurzfristigen Anlieferungen zu übernehmen, sind diese bestrebt, zunehmend ihre Kunden über entsprechende Buchungs- und Stornierungsreglungen in die wirtschaftliche Verantwortung für den Betrieb von Ganzzugprodukten zu nehmen. Damit wird ein Teil der Dispositionshoheit im System faktisch wieder an die Speditionen zurück übertragen und deren Stellung im Intermodalsystem noch einmal gestärkt. Darüber hinaus ist bei sehr großen KVorientierten Spediteuren ein Trend zum Einkauf von Ganzzugleistungen zu erkennen. Im Zusammenhang mit ihrer Stellung als Anteilseigner erhalten die Spediteure und Transporteure damit auf der einen Seite einen weiteren Hebel zur Optimierung ihres Straßenequipments. Auf der anderen Seite werden dadurch unternehmensübergreifende Optimierungen zusätzlich erschwert. Die Nutzung systemübergreifender Optimierungsmöglichkeiten ist nahezu unmöglich. Zahlreiche maritime Operateure, die sich auf den Port-to-Door-Transport von Containern spezialisiert haben, sind von Anfang an unter signifikanter Beteiligung von EVUs und der Seehafenterminals entstanden. 8 Die Spediteure im Falle der Merchants´ Haulage 9 oder die Reeder im Falle der Carriers´ Haulage 10 haben im Regelfall kein eigenes Equipment auf der Straße oder der Schiene im Einsatz. Bei den Spediteuren sind die Seefrachtvon den Landverkehrsbereichen so weit getrennt, dass die Spediteure den Selbsteintritt im Containerverkehr überwiegend nicht aufgenommen haben. Daher wird im maritimen Segment, insbesondere auf der attraktiven langen Strecke, häufig die Grundlast im Kombinierten Verkehr gefahren. 11 Ferntransporte auf der Straße erfolgen nur für Überlaufmengen. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Ressourcen auf der Schiene zu optimieren. Die EVUs haben die Qualitätsanforderungen des kontinentalen Verkehrs möglicherweise unreflektiert auf den maritimen übertragen. Auf diese Weise sind zahlreiche Möglichkeiten in der Glättung der Zugangslinien bisher nicht genutzt worden. Aufgrund der weitgehenden Festlegung der Operateure auf einen Schienengüterverkehrsdienstleister stellt sich die Frage nach den optimalen Einkaufskonditionen im Bahnsektor. 12 Die Zustellung und Abholung der Container erfolgt durch Unternehmen, die auf das Container- Trucking spezialisiert sind. Die Lkw-Unternehmer können von einer hohen Auslastung ihres Equipments ausgehen, da die Wartezeiten am Terminal nicht mehr von der Ankunft der Züge abhängen, sondern die Dispositionsmasse in den Anlagen einen regelmäßigen Auftragsfluss er- Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 44 zeugt. In der Transportkette werden die Terminalanlagen als Lager, d.h. in Verbindung mit Last- und Leerdepotflächen, benutzt. Die Lagerfläche dient mithin mehreren Kunden. Die Voraussetzungen für beispielsweise eine Just-in-time-Lieferung sind damit geschafen. Der wesentliche Begrenzungsfaktor für Produktivitätssteigerungen mit Hilfe von durchgehenden Lieferketten liegt im Regelfall in den Abhol- und Zustellzeiten beim Verlader. Die auf maritime Verkehre ausgerichteten Terminalanlagen, wie sie vor allem in Süd-Osteuropa entstanden sind, verfügen darüber hinaus über signifikante Abstellflächen unter dem Kran. Damit wird kurzfristig Dispositionsmasse bei der Beladung von Zügen zur Verfügung gestellt. Die Zugauslastung kann weitgehend von den Operateuren bestimmt werden. Aus der Darstellung der zahlreichen Beteiligten ergibt sich, dass kein Akteur im maritimen System eine dominante Position eingenommen hat. Im Hinblick auf die angestrebten Produktivitätsverbesserungen sind die zahlreichen Spieler unternehmensübergreifend noch besser zu koordinieren. Daraus ergibt sich, dass die zahlreichen Beteiligten am maritimen System im Hinblick auf die angestrebten Produktivitätsverbesserungen exzellent zu koordinieren sind. Vordergründig werden die Segmente im Hinblick auf die unterschiedlichen standardisierten Ladebehälter und die Vorläufe mit Schif oder Lkw unterschieden. Daraus werden die Geschäftsmodelle Terminal-to-Terminal oder Portto-Door abgeleitet. Eine nähere Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Operateursgesellschaften verdeutlicht jedoch den Einfluss der Eigentümerinteressen auf Produktionsabläufe. Daraus konnte ein Überblick über wesentliche Stärken und Schwächen der Systeme hergeleitet werden. Die Stärken des einen Systems können auf ihre Übertragbarkeit auf das jeweils andere überprüft werden. Darüber hinaus ist zu klären, ob eine Beseitigung der Schwächen zu einer Produktivitätsverbesserung führen könnte. Weiterentwicklungsansätze für den kontinentalen Kombinierten Verkehr − Plattformlösungen Im Rahmen der Standardisierung der Prozessabläufe sind Plattformlösungen für die Zustell- und Abholverkehre als Treiber für Produktivitätsverbesserungen im gesamten System vorstellbar. Die aktuellen Entwicklungen zwingen zahlreiche Spediteure zu einer Neubewertung ihres Selbsteintritts im Lkw-Verkehr. Die digitalen Tachographen und andere Kontrollmechanismen zu den Einsatzzeiten der Fahrer - verbunden mit konsequenten Sanktionen - führen zunehmend zu einer Gleichbehandlung der Verkehrsträger. Auf diese Weise nimmt die Attraktivität der Schienengüterverkehre zu. Eine zusätzliche Unterstützung erhält die Entwicklung durch steigende Mautsätze und zusätzliche Anforderungen an Lkw-Unternehmen im Hinblick auf die Reduktion von Schadstofemissionen. Daraus ergeben sich Perspektiven für den Kombinierten Verkehr als Ersatz für den Lkw-Fernverkehr, bis hin zur Verlagerung der Grundlast auf die Schiene bei zahlreichen Spediteuren. Die ständig steigenden Volumina 13 bei den kontinental geprägten Spediteuren führen zu einem erhöhten Dispositionsaufwand im Rahmen der Zustell- und Abholverkehre. Damit müssen wachsende Mengen durch das Nadelöhr der maßgeschneiderten Übergabeprozesse zwischen Schiene und Straße. Unter den dargestellten Bedingungen werden sich die Spediteure in absehbarer Zeit die Frage nach einer unternehmensübergreifenden Optimierung der Zustell- und Abholverkehre stellen müssen. Der eigene Fuhrpark kann nur noch marginale Verbesserungsmöglichkeiten bieten. Der Selbsteintritt muss daher weitgehend einer Plattformlösung weichen. Hierfür gibt es die Möglichkeit, dass die Spediteure ihre Fuhrparks gemeinsam nutzen. Einige Spediteure betreiben bereits gemeinsame Zustell- und Abholverkehre mit einem Partner außerhalb ihres eigenen Einsatzgebietes. Eine flächendeckende Lösung nach dem Muster des maritimen Segments, in dem einzelne Unternehmen sich auf die Zu- und Abfuhr von Wechselbrücken, Sattelaufliegern und Tankcontainern weitgehend − unabhängig vom beauftragenden Spediteur − in einem bestimmten Gebiet spezialisieren, steht allerdings noch aus. Insofern ergibt sich die Frage, ob nicht einzelne Unternehmen nach dem Vorbild der Container-Trucking-Unternehmen die Zustellung und Abholung zu einem eigenen Geschäftsmodell entwickeln könnten. Aufgrund ihres standardisierten Leistungsangebots muss es in ihrem Interesse liegen, möglichst zahlreiche Auftraggeber mit hohen Qualitätsstandards, günstiger Kostenstruktur und einem Höchstmaß an Vertraulichkeit bezüglich kundenbezogener Daten an sich zu binden. Damit kommt es zu einer möglichst optimalen Auslastung der Fahrer und Fuhrparks und im Ergebnis zu einer Produktivitätssteigerung entlang der Prozesskette. Um die entsprechenden Zwischenabstellungen und Puferlösungen in den Terminals sicherzustellen, bedarf es zusätzlicher Abstellkapazitäten in den Hinterlandanlagen. Die Kunden aus Industrie und Handel planen Pufer bei den Lieferketten ein. Die dafür notwendigen Lagerflächen befinden sich jedoch zum großen Teil bei den Kunden und teilweise noch beim speditionellen Dienstleister. Für die gesamte Lieferkette wäre jedoch eine gemeinschaftlich genutzte Lagerfläche für zahlreiche Beteiligte wesentlich eizienter. Ein Teil der Flächenbevorratung für Puferlösungen könnte zusammengefasst werden. Daher werden auch von Seiten des kontinentalen Verkehrs seit einigen Jahren neu geschafene Abstellflächen unter dem Kran in Anspruch genommen. »Es ergeben sich Perspektiven für den Kombinierten Verkehr als Ersatz für den Lkw-Fernverkehr, bis hin zur Verlagerung der Grundlast auf die Schiene bei zahlreichen Spediteuren.« LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 45 »Die Plattformlösungen, die in den Bereichen der Zustellung und Abholung, des Umschlags und der Lagerung sowie der Equipmentorganisation möglich sind, vergrößern die Dispositionsmasse im System. « Eine Zusammenlegung der Puferkapazitäten im kontinentalen Bereich bietet für die Industrie- und Handelsunternehmen darüber hinaus die Möglichkeit, sich dem Druck verlängerter Öfnungszeiten bei der An- und Ablieferung zu widersetzen. Die stetig wachsenden Mengen - verbunden mit den aktuell niedrigen Lagerkapazitäten in den Terminals - führen zu einer erhöhten Nachfrage nach einer Ausdehnung der Öfnungszeiten bei den Industrie- und Handelsunternehmen. Damit werden für deren Abläufe zusätzliche Arbeitskräfte und Schichtsysteme benötigt. Dieser Entwicklung können die Verlader durch ein Outsourcing der eigenen Puferkapazitäten im räumlichen Zusammenhang mit einer Terminalanlage begegnen. Voraussetzung für die Umsetzung derartiger Verbesserungsmöglichkeiten ist jedoch die Einbeziehung der Kunden in die veränderten Abläufe. Es ist eine sorgsame Abwägung zwischen den Zufriedenheitskriterien Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu trefen. Speziell im Gefahrgutbereich, der zum Teil aufgrund der Vorschriftenlage im Kombinierten Verkehr transportiert wird, und bei lang laufenden grenzüberschreitenden Transporten ist die Geschwindigkeit häufig nicht allein das entscheidende Kriterium. 14 Die Veränderungen der Lieferketten führen zu einer Optimierung der Bahntransporte. Die Dispositionsmasse bei der Befüllung der Züge steigt. Es ist nicht mehr dringend geboten, die Ware im zeitkritischen Bereich zu transportieren. Damit können für den Schienengüterverkehr freie Trassen - ggf. auch häufiger tagsüber - genutzt werden. Auf diese Weise ergeben sich im kontinentalen Verkehr neue Möglichkeiten der Optimierung im Hinblick auf die teuren Ressourcen Loks und Güterwagen. Die Plattformlösungen, die in den Bereichen der Zustellung und Abholung, des Umschlags und der Lagerung sowie der Equipmentorganisation möglich sind, vergrößern die Dispositionsmasse im System. Daraus ergeben sich zahlreiche Bündelungsefekte, die in enger Abstimmung mit den Kunden des Kombinierten Verkehrs zu realisieren sind. Aufgrund des deutlich ansteigenden Standardisierungsgrades bieten sich wiederum zusätzliche Möglichkeiten, in einem wachsenden System individuelle Liefervorgaben noch detaillierter zu berücksichtigen. Damit steigen Produktivitäten und Kundennutzen gleichermaßen. Bevor noch weitergehende Verknüpfungsmöglichkeiten mit den maritimen Kombinierten Verkehren analysiert werden können, sind zunächst deren systemimmanente Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Weiterentwicklungsansätze im maritimen Kombinierten Verkehr - Systemförderung Verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren im maritimen Kombinierten Verkehr sind in den vergangenen Jahren initiiert worden. Die von der Deutsche Bahn AG ins Leben gerufenen Abb. 2: Systemskizze für Konzept eines integrierten KV-Terminals Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 46 Hafenkonferenzen haben konzeptionelle Neuerungen angestoßen. Hervorzuheben sind insbesondere eine vereinheitlichte, verbesserte Prognose, der durchgängige Informationsfluss und die Abstimmung der Hinterlandterminalprozesse mit den Öfnungszeiten der Kunden. 15 Hinterlandterminalprojekte, die den Systemansatz des maritimen Kombinierten Verkehrs mit Hilfe integrierter Anlagen für Depot- und sonstige Serviceleistungen unterstützen, werden nach dem Vorbild einiger osteuropäischer Anlagen inzwischen flächendeckend geplant und teilweise bereits umgesetzt. 16 Darüber hinaus sind erste Ansätze erkennbar, einen standardisierten Prozess bei der Zustellung und Abholung standortübergreifend im Hinterland zu implementieren. 17 Die dargestellten systemorientierten Ansätze sind jedoch überwiegend noch in der Konzeption oder in der frühen Phase der Umsetzung. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass aufgrund des hohen Einflusses der EVUs auf zahlreiche Operateure im maritimen Kombinierten Verkehr besonderes Augenmerk auf die optimale Verhandlung der Einkaufskonditionen gelegt werden muss. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Produktivitätsfortschritte in den schienenbezogenen Assets erreicht werden, auch wenn dies im Einzelfall zur Stilllegung von nicht mehr benötigtem Material, welches nicht mehr den Anforderungen der Branche entspricht, führen kann. Das Design der Hinterlandterminals, insbesondere in Deutschland, entspricht nicht den wesentlichen Anforderungen des maritimen Verkehrs. 18 Die Förderung der Terminalinfrastruktur wurde von der Politik bisher noch nicht auf das System des maritimen Kombinierten Verkehrs zugeschnitten. Gleichzeitig sind die zahlreichen Terminalanlagen des Marktführers DUSS 19 in den vergangenen Jahren vornehmlich im Hinblick auf die Möglichkeiten des Bundesschienenausbaugesetzes (BSchWAG) ausgebaut worden, dessen Vorgaben hinsichtlich der Anlagenkonfiguration aus Zeiten mittlerweile überholter Bahnbetriebskonzepte stammen. Vor diesem Hintergrund bestehen Handlungsnotwendigkeiten für einen öfentlichen Diskurs zwischen Politik und Wirtschaft bezüglich der Umsetzung entsprechender Anlagen. 20 Im Rahmen der Planung der geförderten Anlagen besteht die Notwendigkeit, den Ausbau der entsprechenden Schienenkorridore voranzutreiben, um das maritime Netzwerk im Hinterland optimal zu verbinden. Hierzu ist eine Überarbeitung des TEN-Konzeptes 21 mit entsprechender politischer Begleitung erforderlich. Für den maritimen Kombinierten Verkehr besteht mithin die wesentliche Herausforderung, die Systemansätze unternehmensübergreifend und mit politischer Unterstützung weiterzuentwickeln. Voraussetzung hierfür ist, dass die zahlreichen Beteiligten an der Transportkette ein weitgehend einheitliches Bild vom Zielsystem haben. Bündelungspotenzial im kontinental-maritimen Mischsystem Aufgrund der heutigen weitgehenden Trennung der Systeme sind die Bündelungsmöglichkeiten noch nicht untersucht worden. Es ergeben sich entlang der Lieferkette Anknüpfungspunkte in nahezu sämtlichen Bereichen. Die Möglichkeiten der Realisierung von Bündelungspotenzialen steigen mit dem Eintritt der in den jeweiligen Systemen beschriebenen Entwicklungen. Dieses setzt voraus, dass sich die Systeme in zentralen Bereichen annähern. Zunächst werden die Bündelungsmöglichkeiten entlang der einzelnen Teile der Prozesskette beschrieben. Im Anschluss daran werden weitere Potenziale im Zusammenhang mit einer weitergehenden Standardisierung der Behältnisse aufgezeigt. Ausgangspunkt in der Prozesskette für eine synergetische Behandlung von Behältern sind die integrierten Terminalanlagen. An den modernen, maritim geprägten Terminalstandorten, z. B. in Süd-Osteuropa, können vielfältige Lagerkonzepte eingeführt werden. Die Abstellung der Behälter unter dem Kran und die Nutzung von Flächen für Last- und Leercontainerdepots gehören heute schon zum Basisangebot dieser Anlagen. Zusätzlich lassen sich erweiterte Abstellflächen für Wechselbrücken, Sattelauflieger und Tankcontainer konstruieren. Auf diese Weise ergibt sich eine optimale Flächennutzung der integrierten Terminalanlage. Da im Gefahrgutbereich des kontinentalen Verkehrs ebenso wie bei einigen anderen Geschäften noch logistische Zusatzleistungen angeboten werden können, sollte in einer Gesamtbetrachtung einer optimalen Anlage ein Konzept für einen Logistikpark aufgestellt werden. In der Abholung und Zustellung beim Terminal können Synergien beim Einsatz von Lkw-Zugmaschinen oder -Fahrern untersucht werden. Aufgrund der unterschiedlichen Behälterstruktur sind die Chassis weitgehend für die Systeme vorgegeben. Eine Weiterentwicklung könnte in der Disposition der Zugmaschinen und Fahrer durch das Hinterlandterminal selbst bestehen. Der Terminal hat ein hohes Interesse an Neutralität und hoher Leistungsfähigkeit der Anlage. Verbesserungspotenziale liegen insbesondere seit der Einführung der strengeren Lenkzeitkontrollen im Bereich der Personalproduktivitäten. Im Fall einer Terminalausrichtung, die den Anforderungen sämtlicher Beteiligter optimal gerecht wird, können Synergien bei der Beladung von gemischten kontinentalen und maritimen Zügen entstehen. Dadurch könnten Zugauslastungen erhöht werden. Die Gefahr besteht jedoch in zusätzlichen Unproduktivitäten beim Wageneinsatz. Die optimierten Shuttle-Verkehre lassen die Wagengarnituren mit dem niedrigst möglichen Rangieraufwand weitgehend geschlossen im Einsatz. Jedes zusätzliche Einstellen von Wagen könnte zu einer Aufwandsmehrung und einer zeitlichen »Im Fall einer Terminalausrichtung, die den Anforderungen sämtlicher Beteiligter optimal gerecht wird, können Synergien bei der Beladung von gemischten kontinentalen und maritimen Zügen entstehen.« LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 47 Verzögerung führen. Insofern sind die möglichen Gewinne bei der zusätzlichen Auslastung von Zügen jeweils im Einzelfall ins Verhältnis zu setzen mit dem erforderlichen Mehraufwand. Bei den neu im Aubau befindlichen Relationen im intermodalen Bereich, insbesondere bei den Ost-West-Verkehren, ist erkennbar, dass überwiegend Container als Behälter zum Einsatz kommen. 22 Damit ist die Frage des zukünftigen Behältereinsatzes aufgeworfen. 23 Auf der etablierten Nord-Süd-Achse ist ein Trend zur Vereinheitlichung noch nicht zu erkennen. Da die Transportdienstleister in signifikantem Maße in entsprechende Behälter investiert haben, wird bei einer möglichen Veränderung der Struktur ein langer Zeitraum anzusetzen sein. Trotzdem lassen die Erfahrungen mit einem erhöhten Containeranteil erkennen, welche Synergiepotenziale bei einer zunehmenden Vereinheitlichung zwischen den Systemen entstehen können. Auf den Terminalanlagen können Flächenoptimierungen durchgeführt werden. Kontinentale Ladungsträger sollten dann ebenso wie maritime stapelbar sein. Der zum Teil heute nicht ausreichend transparente Flächenverbrauch, der aufgrund der geringen Lagerkapazitäten in den Terminals vielfach dezentral beim Spediteur oder Kunden zur Verfügung anfällt, kann vermindert werden. Gleichzeitig sind einheitliche Lagersysteme nach dem Vorbild maritimer Terminals vorstellbar. In der Zustellung und Abholung wäre eine entsprechend erhöhte Dispositionsmasse gegeben. Gleichzeitig könnte die Vielfalt an Chassis eingeschränkt werden. Die Zugmaschinen würden weitgehend mit den jeweiligen Chassis verbunden bleiben und durchgehend eingesetzt. Zeitkritische Ladung könnte in einem derartigen standardisierten System aufgrund der hohen Frequenzen von einheitlichen Transportaufträgen maßgeschneidert eingetaktet werden. Produktivitätsfortschritte ergeben sich aufgrund der Möglichkeiten des sogenannten „Container- Drehens“ im Lkw-Bereich. Dabei werden die Lastcontainer nicht - wie üblich - nach der Entladung vom Lkw in das Leerdepot verbracht, sondern direkt zum nächsten Kunden zur Beladung gefahren. In diesem Bereich liegen noch signifikante Synergien 24 zwischen den Systemen, da die Inhaber der Container im Regelfall ein hohes Interesse am optimalen Einsatz ihres Equipments haben, gleichzeitig aber vermeiden möchten, dass ein Wettbewerber mit ihren Behältern zum Kunden kommt. Damit sind die neutralen Dienstleister, die bereits heute das Container-Trucking übernommen haben, prädestiniert für eine erweiterte Funktion im kontinentalen Bereich. Die teuren Transportressourcen Loks und Güterwagen ließen sich ebenfalls produktiver einsetzen, da in den gemischten Systemen der Rangieraufwand nahezu vollständig auf das minimal notwendige und sinnvolle Maß reduziert werden kann. Die Königsdisziplin wäre in dem Fall eine übergeordnete Optimierung im Hinblick auf den optimalen Einsatz der teuersten Ressourcen und die Beseitigung von Engpassfaktoren. Der Einsatz eines standardisierten Equipments für beide Systeme ist zu untersuchen. Für das Gesamtsystem würde sich der analytische Aufwand lohnen zu untersuchen, ob die Vereinheitlichung des Ladungsträgers zu einer Verbesserung der übergreifenden Kostenposition gegenüber dem Mehraufwand der Vereinheitlichung führt. Im Zweifelsfall sind solche Kalkulationen im Zusammenhang mit Business-Plänen bei beabsichtigten Neuanschafungen vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen des Outsourcings der Produktion in den Überseebereich dieselben Warengruppen heute den Kunden im Container erreichen, die vorher mit Paletten, Wechselbrücken und Sattelaufliegern transportiert werden mussten. 25 Es wird zahlreiche Gründe für eine Diferenzierung geben. Diese sind jedoch zu bewerten und dem dargestellten Nutzen gegenüberzustellen. Abschließend sind die Veränderungsnotwendigkeiten der Beteiligten in der intermodalen Lieferkette im Hinblick auf die dargestellten Optimierungsmöglichkeiten zu analysieren. Neuausrichtung der Beteiligten am Intermodalverkehr Um die dargestellten Synergien zu realisieren, bedarf es einer signifikanten Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten. Große Spediteure könnten von den Synergien unmittelbar profitieren. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass sie ihre getrennten Land- und Seeverkehrsabteilungen im Hinblick auf eine einheitliche Organisation der Hinterlandverkehre neu organisieren. Die großen Spediteure haben jedoch insgesamt im intermodalen Verkehr nicht die Marktmacht, um eine Umsteuerung gesamter Systeme zu veranlassen. Die Reeder als signifikante Ladungsbringer im maritimen Bereich haben kein im Geschäft begründetes Interesse, sich mit kontinentaler Ladung auseinanderzusetzen. Die Kooperationsimpulse, die für derartige Netzwerklösungen erforderlich sind, können innerhalb von Zusammenarbeitsplattformen gefunden werden. Hierfür eignen sich die wenigen Operateure im intermodalen Verkehr, sofern sie bereit sind, ihre etablierten Geschäftsmodelle grundlegend zu diskutieren. Der notwendige Druck kann von den Gesellschaftern im Hinblick auf eine Ergebnisverbesserung und von den Ladungsbringern über Diskussionen zur Kostensenkung kommen. Die EVUs, die z. T. an mehreren Operateuren oder an unterschiedlichen Teilen der Wertschöpfungskette beteiligt sind, können eine zentrale Moderatorenrolle in diesem Prozess einnehmen und ihre Stellung im Gesamtsystem durch die Vorstellung und Umsetzung eigener Lösungsvorschläge nachhaltig sichern. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie Gestaltungsfunktion im Hinblick auf eine dauerhafte Verbesserung des »Der zum Teil heute nicht ausreichend transparente Flächenverbrauch, der aufgrund der geringen Lagerkapazitäten in den Terminals vielfach dezentral beim Spediteur oder Kunden zur Verfügung anfällt, kann vermindert werden.« Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 48 ANMERKUNGEN 1 Der unbegleitete Kombinierte Verkehr hat sich gegenüber dem begleiteten aufgrund der niedrigeren Fördernotwendigkeiten bei geringerer Totlast als überlegen herauskristallisiert. Dies spiegelt sich auch in den jeweiligen Marktanteilen wider. War der Anteil des begleiteten Kombinierten Verkehrs an der Beförderungsmenge im Jahr 2004 noch 10 %, so sank dieser in 2008 auf 1,2 %, während der unbegleitete Kombinierte Verkehr von 90 % auf 98,8 % wuchs. Vgl. WALTER, K. (2006): „Kombinierter Verkehr 2004 - Motor aller Verkehrsträger“ in Wirtschaft und Statistik 5/ 2006. Statistisches Bundesamt. Wiesbaden, S. 540 und WALTER, K. (2009): „Eisenbahnverkehr 2008 - Wachstum des Güterverkehrs verlangsamt sich - Personenverkehr verzeichnet Zuwächse“ in Wirtschaft und Statistik 5/ 2009. Statistisches Bundesamt. Wiesbaden, S. 444. 2 In 2005 betrug der Anteil des kontinentalen Kombinierten Verkehrs 52,1 % und der maritime Kombinierte Verkehr erreichte ca. 47,9 % an der Summe der nationalen und internationalen unbegleiteten Kombinierten Verkehre, vgl. KombiConsult (2005): AGENDA 2015 für den Kombinierten Verkehr in Europa. Anlass: 6. Hessischer Mobilitätskongress am 04.11.2008 in Fulda. 3 Gründung Kombiverkehr GmbH & Co KG am 11.02.1969; Gründung TFG Transfracht Internationale Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr mbH & Co. KG am 14.04.1969. 4 Bei den Dienstleistern für die chemische Industrie nimmt die Nahbereichsbedienung eine größere Rolle ein, da Gefahrgüter z.T. zwingend im Kombinierten Verkehr befördert werden müssen 5 Neben ihren eigenen Produktionsvorteilen können sie dem Kunden einen ökologisch überlegenen Transportmodus anbieten. 6 Der traditionsreiche und größte Terminaldienstleister heißt daher bereits „Deutsche Umschlagsgesellschaft Schiene Straße (DUSS)“, gegründet im November 1982. Gesellschafter der DUSS sind die DB Netz Intermodalsystems einnehmen und sich nicht über kurzfristige Erfolge bei der Zugbestellung selbst zu Lasten des Gesamtsystems optimieren. Den Terminalbetreibern könnte ebenfalls eine Schlüsselrolle in der Prozessoptimierung zukommen. Sie haben einen neutralen und häufig systemübergreifenden Blick auf die Optimierungspotenziale. Sie könnten daher selbst eine Kooperationsplattform organisieren oder Anreize für alle Beteiligten bieten, wenn sie selbst in der Lage sind, den Prozess neu zu gestalten. Im Hinblick auf den Flächenverbrauch in den Anlagen haben sie einen hohen eigenen Anreiz, die Systeme in ihrem Sinne zu beeinflussen. Eine neutrale systemübergreifende Trucking- Plattform könnte sich als unabhängiges Geschäftsmodell konstituieren. Sollte es zu einer Liaison zwischen Terminalbetreiber und Trucking-Unternehmen im Bereich der Abholung und Zustellung kommen, wäre die Neutralität gesichert. Ein derartiges Konstrukt könnte weite Teile der intermodalen Kette koordinieren. Die Politik müsste ihr Anreizsystem für die intermodalen Verkehre im Hinblick auf die Förderung der Terminalinfrastruktur überdenken. Sie müsste Infrastrukturen für eiziente Intermodalsysteme fördern und systemübergreifende Ansätze ausdrücklich unterstützen. 26 Den Handels- und Industrieunternehmen, die sich in zunehmendem Maße auf die intermodale Lieferkette verlassen müssen, sollte eine Treiberfunktion für Verbesserungen der Produktivitäten zukommen. Maßgeschneiderte Lösungen sind möglich, sollten sich jedoch in die Produktionsabläufe einer systemübergreifenden standardisierten Lieferkette so weit wie möglich integrieren lassen. Es wurde dargestellt, dass eine JIT-Lieferung nur in den Ausnahmefällen eine Abweichung vom produktionellen Regelprozess erfordert. Bei verlässlichen Planungsvorläufen kann eine Qualitätsregelung in den Zustellverkehren die Kundenbedürfnisse weitgehend abdecken. Damit ist die Anfälligkeit der Lieferkette deutlich reduziert. Im Falle der Instabilität einer standardisierten Lieferkette bestehen häufig ausreichend Möglichkeiten, im Rahmen des hohen Dispositionsvolumens von einheitlich behandelten kontinentalen und maritimen Systemen die zeitkritischen Mengen noch im Rahmen der eingeschwungenen Prozesse abzuarbeiten. Individuallösungen sind demgegenüber nur in seltenen Fällen kurzfristig substituierbar. Insofern ergibt sich ein zusätzliches Wachstumspotenzial für den Kombinierten Verkehr, wenn die Lieferketten im Hinblick auf die Synergiepotenziale ausgerichtet werden. Industrie- und Handelsunternehmen sollten ein Interesse daran haben, dass nicht nur ihre eigenen Produktionsprozesse einen hohen Standard halten und weiterentwickelt werden, sondern dass darüber hinaus die vorgelagerten Lieferprozesse ebenfalls einen hohen Standard haben. Auf diese Weise wird die Entwicklung hin zu einer industriellen Produktion des Intermodalverkehrs nicht nur ein gern benutztes Schlagwort, sondern ein gemeinsames Anliegen der Ladungsbringer und ihrer Dienstleister. ɷ AG (75 %), Kombiverkehr GmbH & Co KG (12,5 %) und die DB Mobility Logistics AG (12,5 %). 7 Kombiverkehr verzeichnete Ende der 1970er Jahre 169 Kommanditisten bei ca. 240,000 Sendungen pro Jahr. Ende der 1980er Jahre stieg die Anzahl auf 242 Kommanditisten bei ca. 648 000 Sendungen p.a. und 1999 wurde das Maximum von 260 Kommanditisten bei ca. 893 000 Sendungen p. a. erreicht. Nach einer kurzen Korrektur nach unten zu Beginn des Jahrtausends lag am Ende des ersten Jahrzehnts die Anzahl der Sendungen mit über einer Million bei 236 Kommanditisten am höchsten. HUPAC hat ca. 100 Aktionäre (Kapitalstruktur: 72 % Logistik- und Transportunternehmen, 28 % Bahnen) und nutzt seit 2003 mit Rail4Chem und seit 2004 mit SBB Cargo, Stinnes Intermodal (Railion), Trenitalia Cargo, Ferrovie Nord Cargo fünf Bahnunternehmen für grenzüberschreitende Traktionsleistungen in durchgehender Leistungsverantwortung. 8 Hier ist insbesondere der größte europäische Spieler, die TFG Transfracht Internationale Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr mbH & Co. KG (50 % DB Mobility Logistics AG und 50 % HHLA Intermodal GmbH) mit 795 000 TEU in 2009 aber auch die POLZUG Intermodal GmbH (33,3 % DB Mobility Logistics AG, 33,3 % HHLA Intermodal GmbH, 33,3 % PKP Cargo S.A.) mit 100 000 TEU in 2009 sowie boxXpress.de (47 % ERS Railway B.V., 38 % Eurogate Intermodal GmbH, 15 % TX Logistik AG) mit 385 000 TEU in 2009 zu nennen. Vgl. Richter, K. A. (2010): Markübersicht Operateure. In: RailBUSINESS Spezial - Kombinierte Verkehre in Europa. 1/ 2010. DVV Media Group GmbH | Eurailpress, Hamburg. 9 Bei der Carrier’s Haulage organisiert ein Reeder (Carrier) den Vor- und Hauptlauf, also den Transport zum und vom Seehafen. 10 Wird der Vor- und Hauptlauf durch einen Seefrachtspediteur (Merchant) oder sogar vom Verlader in Eigenregie organisiert, handelt es sich um Merchant’s Haulage. »Die Politik müsste ihr Anreizsystem für die intermodalen Verkehre im Hinblick auf die Förderung der Terminalinfrastruktur überdenken. Sie müsste Infrastrukturen für e ziente Intermodalsysteme fördern und systemübergreifende Ansätze ausdrücklich unterstützen« LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 49 11 Auf der Relation Hamburg - Österreich betrug im Jahr 2005 mit geschätzten 1,42 Mio. t der Anteil Schiene-Straße ca. 19,6 % vom gesamten internationalen Seehafenhinterlandverkehr von/ nach deutschen Seehäfen (eigene Berechnungen). 12 Durch die Einbindung mehrerer EVUs ist es der HUPAC gelungen, ihre Dienstleister in einen Preiswettbewerb zu bringen und sie übt somit rückwirkend Einfluss auf Kombiverkehr aus. Ein vergleichbares Modell ist im maritimen Bereich in dieser Größenordnung nicht erkennbar. 13 Für den Zeitraum 2005 bis 2015 wird für den kontinentalen Kombinierten Verkehr eine Wachstumsrate von 6,1 % p. a für das nationale und 7,8 % p. a. für das internationale Segment prognostiziert, vgl. KombiConsult, 2005. 14 Die grenzüberschreitenden Transporte im kontinentalen Kombinierten Verkehr hatten 2005 bereits einen Anteil von 29,8 % (vgl. KombiConsult, 2005) an der Gesamtleistung. Es ist aus Kundensicht schwer nachzuvollziehen, warum Transporte aus Spanien oder Italien mit höchsten Geschwindigkeitsanforderungen geleistet werden sollten, während die maritimen Mengen aus dem Mittelmeerraum substantielle Zeitpufer beinhalten können. 15 Vgl. Deutsche Bahn AG (2008): Dritte Nordhafenkonferenz: Austausch und abgestimmte Prognosen erhöhen E zienz in der Transportkette. Pressemitteilung vom 02.07.2008 und Deutsche Bahn AG (2009): DB Intermodal bringt Akteure des Seehafenhinterlandverkehrs an einen Tisch. Pressemitteilung vom 13.07.2009 sowie JÜRGENS, S.; STRAUBE, F. (2008): Containerverkehr der Nordrange − Konzeption eines Planungsmodells für den see- und landseitigen Verkehr. In: Internationales Verkehrswesen 4/ 2008. DVV Media Group GmbH | Eurailpress, Hamburg, S. 120-126. Im Hinblick auf den verbesserten Datenaustausch ist inzwischen ein Forschungsprojekt „Vernetzung Sebastian Jürgens, Dr. Vorstandsmitglied der Hamburger Hafen und Logistik AG, Segmente Intermodal und Logistik, Lehrbeauftragter an der TU Berlin juergens@hhla.de von Seehäfen und schienengebundenen Hinterlandverkehren zur Erhöhung der Transportleistung auf der Schiene“ (VESUHV) im Rahmen der Forschungsinitiative Innovative Seehafentechnologien II (ISETEC II) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aufgesetzt worden. 16 Vgl. JÜRGENS, S.; ELBERT, R.; TRUSCHKIN, E. (2010): Maritime KV-Terminals: „Blaupause“ für die Weiterentwicklungliegt in Ost-Europa. In: WOLF-KLUTHAUSEN, H. (Hrsg.): Jahrbuch Logistik 2010. Korschenbroich 2010 und JÜRGENS, S.; GRIG, R.; ELBERT, R.; STRAUBE, F. (2010): Data Flow across the maritime value chain - Case study on a successful integration of sea ports and hinterland players. In: BÖSE J.W. (Hrsg.): Handbook of Terminal Planning. New York. 17 Vgl. HHLA (2010): CTD knüpft mit EKB flächendeckendes Netz für Zustellverkehre. Pressemeldung vom 10.06.2010. Hamburg. 18 Vgl. ADEN, D. (2010): Zur Kooperation von See- und Binnenhäfen - Eine Vision für alle Häfen. In: Themendienst des Bundesverband Öfentlicher Binnenhäfen e. V. (BÖB). 09/ 2010. Berlin. Detthold Aden ist Präsident des Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Zusammen mit dem BÖB gründetete der ZDS im März 2009 eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Namen „Konzeptionelle Vernetzung von See- und Binnenhäfen“. 19 Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene Straße (DUSS) mbH 20 Vgl. ConTraiLo (2010): Rahmenbedingungen optimieren. In: ConTraiLo 1/ 2010, S. 26f. 21 Die Transeuropäischen Netze (TEN) sind ein Beitrag der Europäischen Union (EU) zur Umsetzung und Entwicklung des Binnenmarktes und zur Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes der Gemeinschaft im Bereich der Verkehrsinfrastruktur (abgekürzt TEN-V und auf Englisch: TEN-T), Telekommunikationsinfrastruktur (abgekürzt eTEN) und Energieinfrastruktur (TEN-Energie) zusammen. Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS): Gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes. 22 Nach Befragung der marktführenden Operateure in den Korridoren Ost- und Südosteuropa beträgt der Anteil containerisierter Ladung auf dem Korridor Polen ca. 95 %, auf dem Korridor Tschechien/ Slowakei ca. 90 %. 23 Der zukünftige Behältermix im Bereich der standardisierten Ladungsträger kann in diesem Zusammenhang nur im Hinblick auf die Darstellung möglicher Synergien zwischen den Systemen angerissen werden. Eine detaillierte aktuelle Prognose unter Berücksichtung möglicher Synergiepotenziale steht noch aus. 24 Es werden zumindest die Depotkosten und die Transportleistung zum Depot eingespart. 25 Container mit Palettenbreite sind grundsätzlich verfügbar, vgl. REESE, C. (Hg.) (2003): Jahrbuch der Schifbautechnischen Gesellschaft. 97. Bd. Berlin: Springer, S. 179. Damit gibt es stapelbares Equipment, das eine geringere Totlast als ein Sattelauflieger hat. Zurzeit haben sich derartige Behälter im kontinentalen Verkehr noch nicht durchgesetzt. 26 ELBERT, R.; JÜRGENS, S.; TRUSCHKIN, E. (2011): Maritime KV-Terminals: „Blaupause“ für die Weiterentwicklung liegt in Osteuropa. In: WOLF-KLUTHAUSEN, H. (Hrsg.): Jahrbuch Logistik 2011. Korschenbroich 2011 (Publikation angenommen). Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 50 MOBILITÄT Umwelt Wieviel tragen „klassische“ Luftschadstofe zur globalen Erwärmung bei? „Die Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels“ ist Ziel der Staatengemeinschaft. Im Kyoto-Protokoll haben die Signatarstaaten erste Schritte vereinbart, um Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Reglementiert werden sechs langlebige Gase, worunter Kohlendioxid das für den Verkehr mit Abstand wichtigste Gas ist. Allerdings stören auch andere, kürzerlebige Spurenstofe das atmosphärische Gleichgewicht. Wie wichtig ist deren Minderung? D ie kürzerlebigen Spurenstofe, darunter Stickoxide, Kohlenwasserstofe, Schwefelverbindungen und Ruß, entstehen als unerwünschte Beiprodukte bei den Verbrennungsprozessen in den Motoren der Fahrzeuge. Weil diese Spurenstofe reaktiv sind, hängt ihr Beitrag zur Erderwärmung wesentlich von den chemischen und meteorologischen Verhältnissen, speziell am Emissionsort ab, anders als beim reaktionsträgen CO 2 . Daher lässt sich die im Titel gestellte Frage auch nicht eindeutig beantworten, sondern hängt vom Betrachtungszeitraum ab. Die verschiedenen Klimawirkungen des Verkehrs wurden im europäischen Forschungsprojekt QUANTIFY untersucht und mehrere ATTICA-Sachstandsberichte fassen den Wissensstand zusammen. Hier präsentieren wir, welcher Verkehrsträger wie stark die bodennahe Lufttemperatur im globalen Mittel verändert und welche Rolle die klassischen Luftschadstofe spielen. Die Berechnungen erfolgten für Emissionen des weltweiten Verkehrs aus dem Jahr 2000 (für Details vgl. Berntsen & Fuglestvedt 2008, Borken- Kleefeld et al. 2010, Skeie et al. 2009). Die Betrachtung nur eines Jahres ist nützlich, um die verschiedenen Efekte unterscheiden zu können. Inzwischen sind die Verkehrsmengen in den Regionen mit starkem Wirtschaftswachstum deutlich angestiegen; dadurch stiegen auch der weltweite Kraftstofverbrauch und der CO 2 -Ausstoß (vgl. IEA 2009). Die Emissionen der hier diskutieren Luftschadstofe sind in den Industriestaaten im Straßenverkehr tendenziell rückläufig, in den übrigen Staaten noch im Wachstum begrifen. Im Flug- und Schifsverkehr überwiegt das starke Mengenwachstum die dortigen fahrzeugseitigen Emissionsminderungen. D. h. in der Summe hat es leichte Verschiebungen gegeben, die aber für die hier grundsätzlich diskutierten Efekte keine wesentliche Einschränkung bedeuten (vgl. IEA 2009 und Uherek et al. 2010). Vergleich auf der Basis von Kohlendioxid Betrachten wir zunächst die Erwärmung, die allein auf die CO 2 -Emissionen der einzelnen Verkehrsträger zurückzuführen ist. Diese ist im Kyoto-Protokoll erfasst, wobei wir hier aber auch die internationalen Flugverkehre und die Hochseeschiffahrt einbeziehen (vgl. die schwarzen Balken in Abbildung 1a). Der Verkehr aus dem Jahr 2000 führt auch nach 50 Jahren noch zu einer Erwärmung von etwas mehr als 2,5 mK ; davon sind etwa 40 % auf die CO 2 -Emissionen der Pkw zurückzuführen, ca. 20 % auf die schweren Lkw, 10 % auf die Hochseeschiffahrt, 9 % bzw. 3 % auf den Passagierbzw. Frachtflugverkehr, etwa 8 % auf die leichten Lkw, 6 % auf den weltweiten Busverkehr und etwa je 2 % auf Personen- und Güterverkehr mit der Eisenbahn sowie schließlich Fahrten mit motorisierten Zwei- und Dreirädern. Zum Vergleich: Alle anthropogenen CO 2 -Emissionen des Jahres 2000 führen nach 50 Jahren zu einer Erwärmung von ca. 15 mK. Die globalen CO 2 -Emissionen des Pkw-Verkehrs werden zu mehr als einem Drittel von den USA bestimmt. Die hohe Fahrleistung mit großen Pkw, SUVs, Vans und Pick-ups treiben den durchschnittlichen Verbrauch, und damit die CO 2 -Emissionen, in die Höhe. Dagegen sind Busse, Zwei- und Dreiräder und in einem geringeren Maße die Eisenbahn die Hauptverkehrsmittel in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Emissionen des Flugverkehrs werden vor allem durch die Langstreckenflüge (> 3000 km) bestimmt. Deren Anteile für Personen- und Frachtverkehr sind hier entsprechend ihrem Gewicht aufgeteilt. Die CO 2 -Emissionen der Eisenbahn stammen zum Teil von dieselbetriebenen Zügen, zum größeren Teil aber von der Stromerzeugung in Kraftwerken. Der entsprechende Emissionsfaktor hängt stark vom verwendeten Primärenergieträger ab und sinkt in dem Maße, in dem Atomstrom, Wasserkraft oder regenerative Energieträger genutzt werden; er steigt mit dem Anteil an Kohle in der Verstromung. CO 2 , das einmal emittiert ist, bleibt für Jahrhunderte in der Atmosphäre. Daher klingt die Erwärmung aus dem Jahr 2000 nur langsam ab. Die relativen Anteile der verschiedenen Verkehrsträger bleiben auch zu den anderen dargestellten Zeitschnitten gleich (schwarze Balken in Abbildung 1b und c). Aufgrund der früheren CO 2 -Emissionen, die ja gleichfalls für Jahrhunderte wirksam sind, und der zukünftigen Emissionen, steigt die Erwärmung immer weiter. Vergleich mit allen klimarelevanten Gasen, Aerosolen und Wolkenprozessen Berücksichtigen wir nun auch die Klimawirkungen der Luftschadstofe, Aerosole und Wolken (farbige Balken in Abbildung 1). Je nach Verkehrsträger ergibt sich nun eine höhere oder auch eine niedrigere Erwärmung. Weil zusätzlich die atmosphärische Lebensdauer der Nicht-CO 2 -Efekte kürzer als die von CO 2 ist, hängen Größe und relative Bedeutung noch vom betrachteten Zeithorizont ab. Daher lässt sich auch kein konstanter Multiplikationsfaktor angeben, um die Wirkung der Nicht-CO 2 -Efekte relativ zu CO 2 zu erfassen. Besonders stark sind die Nicht-CO 2 -Efekte beim Luftverkehr und bei der Schiffahrt: Die Stickoxid-Emissionen der Flugzeuge in größerer Höhe sind besonders eizient bei der Bildung von Ozon, und Ozon hat in diesen Höhen eine größere Strahlungswirkung als in Bodennähe. Zudem führen durch den Luftverkehr angeregte Wolken (z. B. Kondensstreifen, Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 51 Kondensstreifenzirren oder Ruß-Zirren) zu einer zusätzlichen Erwärmung, wie man sie in diesem Maße beim Landverkehr nicht findet. Die Erwärmung, die auf diese Efekte zurückgeht, ist in den ersten fünf Jahren um ein Mehrfaches größer als die Erwärmung aufgrund der CO 2 -Emissionen allein (vgl. Abbildung 1c). Damit führt der Luftverkehr kurzfristig zur stärksten Erwärmung aller hier betrachteten Verkehrsträger. Mit der Zeit werden aber die Sekundärwirkungen von Ozon wirksam, die in der Summe abkühlend wirken. Die Ozonbildung geht mit einem Abbau von Methan einher. Dadurch wird ein starkes Treibhausgas reduziert, was als Kühlung betrachtet werden kann. Da die Lebensdauer von Ozon erheblich kürzer ist als die von Methan, nimmt der erwärmende Ozonbeitrag mit der Zeit schneller ab als der kühlende Methanbeitrag (vgl. Abbildung 1b, besonders deutlich bei schweren Lkw und Flugzeugen. Man beachtete die unterschiedlichen Temperaturskalen für verschiedene Zeithorizonte.). Zum Dritten wird auf mittlere Zeitskala zusammen mit dem reduzierten Methan auch Ozon wieder abgebaut, allerdings in geringerem Umfang als anfänglich aufgebaut wurde (vergleiche den Beitrag von Ozon und reduziertem Methan fünf bzw. 20 Jahre nach der Emission in Abbildung 1). Schwefel- und Partikel-Emissionen führen zu einem weiteren wichtigen Efekt, sie tragen nämlich zur Bildung von niedrigen Wolken bei. Diese Wolken kühlen die Erde. Besonders ausgeprägt ist das beim Schifsverkehr, weil hier helle Wolken, die Sonnenlicht reflektieren über einem dunklen Hintergrund, nämlich den Ozeanen, gebildet bzw. so modifiziert werden, dass sie Sonnenstrahlung noch besser reflektieren. Beim Schifsverkehr überwiegen diese kühlenden Nicht-CO 2 -Efekte die CO 2 bedingte Erwärmung noch für Jahrzehnte: Nach fünf Jahren führen die Emissionen der Hochseeschiffahrt zu einer Abkühlung von 3,5 mK (Abbildung 1c). Auch nach 20 Jahren dominiert noch der abkühlende Efekt bei den Schifen (Abbildung 1b). Früher oder später aber verschwinden alle kurzlebigen Gase, Aerosole, Wolken und ihre Temperaturefekte. Auf lange Sicht bleibt schliesslich die Erwärmung durch das zuvor ausgestoßene CO 2 (Abbildung 1a), wie bei allen Verkehrsträgern. Beim Straßenverkehr werden die Nicht-CO 2 - Efekte durch die Emissionen von Ruß und Schwefel, vor allem aber durch Vorläufersubstanzen von Ozon bestimmt. Dabei sind die Mischungsverhältnisse der Emissionen bei den Lkw, die fast ausschließlich mit Dieselkraftstof angetrieben werden, anders als etwa bei den Pkw, die überwiegend mit Otto- Kraftstof fahren. In der Konsequenz führen die Emissionen der Lkw zu einer wesentlich stärkeren Ozonbildung, aber auch zu einem erhöhten Methanabbau (genau wie oben beschrieben); die Abkühlung durch erhöhte Schwefelemissionen wird in etwa durch eine Erwärmung infolge von Rußemissionen kompensiert. Fünf Jahre nach den Transporten führen diese Efekte zu einer deutlichen Erwärmung (ca. 40 % relativ zum CO 2 -Efekt), nach 20 Jahren führen sie zu einer deutlichen Abkühlung (um etwa zwei Drittel relativ zum CO 2 -Efekt) und noch 50 Jahre später ist eine leichte Abkühlung berechenbar. Bei den Pkw führt vor allem die Ozonbildung kurzfristig zu einer Erhöhung der CO 2 -bedingten Erwärmung um fast 50 %; nach 20 Jahren ist diese Erhöhung nur noch gering und der Klimaeffekt wird ab dann fast ausschließlich durch die Menge CO 2 , also im Wesentlichen durch die Menge an verbrauchten Treibstof bestimmt. In Europa sind die Nicht-CO 2 -Efekte des Straßenverkehrs wesentlich geringer als im globalen Mittel, weil die Flotte der Kfz mit besseren Abgasreinigungstechniken ausgestattet ist und die Kraftstofe schwefelarm sind. In dem Maße, in dem die Emissionsstandards der Fahrzeuge hier und weltweit weiter verschärft werden, gehen auch die Klimawirkungen der klassischen Luftschadstofe zurück . Die Berechnung der Klimawirkungen der Nicht-CO 2 -Efekte ist deutlich unsicherer als die von CO 2 , weil viel mehr lokale Faktoren einfließen. Das gilt insbesondere für die verschiedenen Wolkenefekte, die Wirkung der Schwefelemissionen und auch für die Ozon- Methan-Wechselwirkungen. Diese Unsicherheiten sind besonders bedeutsam auf den kürzeren Zeitskalen (siehe Abbildung 1c). In der Konsequenz sind die Zahlenwerte und die daraus abgeleiteten Verhältnisse nicht exakt, aber die dargestellten Efekte und die Schlussfolgerungen sind als robust anzusehen. Konsequenzen für Politik Ergeben sich durch die Nicht-CO 2 -Efekte neue Möglichkeiten oder Handlungserfordernisse für Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr? Wie viel könnte eine verstärkte Minderung dieser kurzlebigen Stofe zum Klimaschutz beitragen? Auf kurzen Zeitskalen bestimmen die klassischen Luftschadstofe und die Wolkeneffekte die Temperaturänderung besonders stark. Werden sie nicht gemindert, tragen sie jedes Jahr von neuem zur Erwärmung bei. Wenn sie gemindert werde ohne gleichzeitig den Kraftstofverbrauch und damit die CO 2 - Emissionen zu erhöhen, ist das gut für den Klimaschutz. Die Wirkung der Minderungen wäre darüber hinaus schon kurzfristig spürbar. Wenn allerdings derartige Minderungen nur mit einer Erhöhung der CO 2 -Emissionen zu realisieren sein sollten, hängt der Nutzen der betrachteten Maßnahmen davon ab, wie viel CO 2 zusätzlich emittiert wird und welchen Zeithorizont man betrachtet. Die langfristige Erwärmung wird durch die Höhe der CO 2 -Emission bestimmt, weil Foto: Science blog Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 52 MOBILITÄT Umwelt dessen Lebensdauer so lang ist (vgl. Abb. 1a). Wenn also die Klimawirkungen des Verkehrs reduziert werden sollen, dann müssen primär die Emissionen von CO 2 gemindert werden. Je früher das erfolgt, desto geringer die langfristige Erwärmung. Für die einzelnen Verkehrsträger stellt sich das unterschiedlich dar: Neue Kraftfahrzeuge werden in den Industriestaaten ohnehin nur noch zugelassen, wenn sie bestimmte Emissionsstandards einhalten, die primär zum Schutz von Umwelt und Gesundheit erlassen wurden. Zum Klimaschutz ist es wünschenswert, insbesondere die Emissionen von Ruß und Ozonvorläufersubstanzen zu reduzieren. Und weil es die globale Erwärmung verringern hilft, ist es auch in unserem Interesse, dass solche Emissionsstandards weltweit eingeführt bzw. verschärft werden. Für Europa ist konkret eine wirksamere Reduktion der NO x - und Partikel-Emissionen von Diesel-Fahrzeugen wünschenswert. Darüber hinaus ist es zum Klimaschutz nötig, den Verbrauch der Fahrzeuge und den Anteil an fossilem CO 2 in den Kraftstofen zu verringern. Beim Schifsverkehr könnte man verführt sein, im kühlenden Efekt der schifsinduzierten Wolken einen Ausweg zu sehen, quasi ein unfreiwilliges, aber willkommenes Geoengineering. Diese Wolken sind vor allem eine Folge der Schwefelemissionen der Schiffahrt. Der Schwefel hat jedoch eine Verschlechterung der Luftqualität (Asthma, saurer Regen etc.) zur Folge. Auch hier sollten aus Gründen des Klimaschutzes Verbrauchsminderungen, u. a. durch operative Maßnahmen (z. B. auf Reedezeiten abgestimmte Fahrtenplanung und verringerte Schifsgeschwindigkeiten) oder technische (z. B. Einsatz von LNG), im Vordergrund stehen. Der Flugverkehr bildet eine besondere Herausforderung sowohl hinsichtlich einer Verbrauchsreduktion als auch hinsichtlich seiner besonders starken Nicht-CO 2 -Efekte. Wünschenswert sind eine Minderung der NO x -Emissionen, um die starke Ozonbildung zu reduzieren, sowie eine Unterdrückung der Wolkenbildung. Zum einen sollen technische und operative Maßnahmen (eizientere Flugzeuge und höhere Auslastung), der Einsatz alternativer Treibstofe aus regenerativen Quellen und eine geänderte Flugführung zu geringeren CO 2 -Emissionen führen. Zum anderen werden zurzeit Verfahren zur klimaoptimierten Flugroutenplanung entwickelt (z. B. im Forschungsprojekt REACT4C). Weil die Nicht-CO 2 -Efekte in der Regel kürzerlebig sind, spielen Ort, Höhe, Tages- und Jahreszeit der Emission und meteorologische Bedingungen bei der Emission eine große Rolle. Damit bietet sich ein Hebel, um die Wirkung der Nicht-CO 2 -Efekte zu reduzieren. Angesichts des hohen prognostizierten Wachstums des Flugverkehrs sind hier besondere Anstrengungen nötig, seinen Klimaefekt zu begrenzen oder, wenn möglich, zu reduzieren. Danksagung Dieser Beitrag beruht auf Ergebnissen des Integrierten Forschungsprojektes QUANTIFY, das von der Europäischen Kommission von 2005 bis 2010 gefördert wurde. Wir danken Markus Amann und Fabian Wagner vom IIASA − International Institute for Applied Systems Analysis (Laxenburg) sowie Jan Fuglestvedt und Terje Berntsen von CICERO - Center for International Climate and Environmental Research (Oslo) für hilfreiche Diskussionen. Dieser Beitrag stellt keine Meinungsäußerung von IIASA oder seinen Mitgliedsorganisationen dar. Robert Sausen, Prof. Dr. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Physik der Atmosphäre, Oberpfafenhofen Robert.Sausen@dlr.de Jens Borken-Kleefeld, Dr. Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg Borken@iiasa.ac.at LITERATUR BERNTSEN, T. AND J. FUGLESTVEDT (2008). „Global temperature responses to current emissions from the transport sectors.“ Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 105: 19154-19159. BORKEN-KLEEFELD, J., T. BERNTSEN, et al. (2010). "Specific Climate Impact of Passenger and Freight Transport." Environmental Science & Technology 44(15): 5700-5706. EUROPEAN ASSESSMENT OF TRANSPORT IMPACTS ON CLIMATE CHANGE AND OZONE DEPLETION, s. http: / / ssa-attica.eu FUGLESTVEDT, J.S. , K.P. SHINE, T. BERNTSEN, J. COOK, D.S. LEE, A. STENKE, R.B. SKEIE, G.J.M. VELDERS, I.A. WAITZ (2010). „Transport impacts on atmosphere and climate: Metrics.” Atmospheric Environment 44 (37) 4648-4677. HOUGHTON, J.T., L.G. 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QUANTIFYING THE CLIMATE IMPACT OF GLOBAL AND EUROPEAN TRANSPORT SYSTEMS, s. http: / / ip-quantify.eu REACT - Reducing Emissions from Aviation by Changing Trajectories for the benefit of Climate, http: / / www.react4c.eu Abb. 1: Temperaturänderung infolge der Emissionen der verschiedenen Verkehrsträger aus dem Jahr 2000, diferenziert nach den Efekten der verschiedenen Gase, Aerosole und Wolken. Temperaturänderung in a) 50 Jahren, b) 20 Jahren und c) 5 Jahren nach der Emission. Die Fehlerbalken repräsentieren eine Standardabweichung um den Nettowert. Man beachte die unterschiedlichen Skalen zwischen a) und b) einerseits und c) andererseits. P/ G: Personen-/ Güterverkehr. Datenquelle: Borken-Kleefeld et al., 2010. a) b) c) ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 53 MOBILITÄT E-Carsharing Multimodales Mobilitätsmanagement Aufgabe im Projekt BeMobility ist der Betrieb einer Elektrofahrzeugflotte als integraler Bestandteil des Öfentlichen Verkehrs in der Modellregion Berlin-Potsdam. Technische Defizite wie kurze Reichweiten und lange Ladezeiten werden durch kundengerechte Integrationsformen an der Nahtstelle zwischen Individual- und Kollektivverkehr kompensiert. Diese neue Mobilität soll es mit den Vorteilen des Privatautos aufnehmen und die multimodale Nutzungsform attraktiv machen. I m Zusammenhang mit E-Carsharing als Vervollständigung des Öfentlichen Verkehrs ist ein Nutzertyp von Interesse, den die Mobilitätsforschung seit einigen Jahren als möglichen Trendsetter ausgemacht hat: den sogenannten „Multimodalen“ (Canzler et al. 2007). Hierzu zählen Personen, in deren Verkehrsmittelwahl das Auto nur eine Fortbewegungsoption neben anderen darstellt und keine dominante Position mehr einnimmt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der jeweilige Nutzer keinen Privat-Pkw besitzt oder ihn vor Ort nicht zur Verfügung hat, so dass der finanzielle wie auch gedankliche Spielraum entsteht, alternative Verkehrsmittel zu nutzen. Eine Voraussetzung zur Herausbildung derartiger Nutzungstypen ist allerdings grundlegend das Bestehen von attraktiven Alternativen, wie einem funktionierenden und dichten Netz im Öfentlichen Verkehr. Daher ist der Typ des "Multimodalen" in erster Linie in Metropolen anzutrefen, in denen die Voraussetzungen für einen vielfältigen Öfentlichen Verkehr günstiger sind als in ländlichen Regionen. Eine Verbindung aus Mietsystemen und Elektromobilität macht gerade in der heutigen Situation Sinn. Vermietkonzepte mit Elektrofahrzeugen können nämlich in vielerlei Hinsicht vorteilhaft sein: ฀ Erstens besteht die Möglichkeit, durch eine intensive Nutzung eine höhere Auslastung zu erreichen. Im Gegensatz beispielsweise zum Sharingfahrzeug wird das durchschnittliche Privatauto nur für ca. 10 % der Zeit am Tag überhaupt genutzt. In der übrigen Zeit verbraucht es aber Platz, vielerorts auch öfentlichen Raum. Dabei liegt die mittlere Weglänge der Fahrten im motorisierten Individualverkehr nach den statistischen Angaben von „Mobilität in Deutschland“ nur bei rund 15 km und die mittlere Wegedauer - ohne Berufswege - bei gut 20 min (Infas/ DLR 2010: 89). Das E- Carsharing verspricht hier seinem Prinzip nach eine höhere Nutzungseizienz. ฀ Zweitens können im Vermietgeschäft bereits heute Kunden mit der neuen Technik in Berührung kommen und erste Erfahrungen sammeln. Auch Fahrzeughersteller, Mobilitätsdienstleister, Ladesäulenhersteller und Energiedienstleister können wertvolle Hinweise auf zukünftige Geschäftsmodelle sowie Anwendungsformen erproben und ihre Angebote weiterentwickeln. Derzeit sind elektrische Straßenfahrzeuge u. a. aufgund der hohen Batteriekosten bei geringen Reichweiten aber noch nicht in der Lage, zu konkurrenzfähigen Preisen ähnliche Leistungen wie konventionelle Autos zu bieten. Daher werden sie in absehbarer Zeit ohne zusätzliche staatliche (Kauf )anreize voraussichtlich nicht sonderlich attraktiv für Privatkunden sein. ฀ Drittens führt ein ausschließlicher Wechsel des Antriebsaggregats nicht automatisch zu neuen Nutzungsformen. Antriebstechnik und Nutzungsvorstellung stehen dabei in einem engen Zusammenhang. Die herkömmliche Technik dient gleichsam als Gradmesser für die als ausreichend erachtete Geschwindigkeit, Reichweite und Annehmlichkeit, die zusammen das Leitbild der sogenannten „Rennreise-Limousine“ ergeben (Canzler/ Knie 1994). Diese technischen Größen wirken zurück auf die soziale Vorstellungswelt und Verhaltensweisen des Anwenders (Knie 1998). Die Etablierung neuer integrierter Mobilitätsformen mit automobilem Bestandteil erscheint somit leichter im Rahmen von Mietmodellen umsetzbar, als dies mit privat besessenen Fahrzeugen möglich wäre. Abb. 1: Smart an RWE-Ladesäule an der Carsharingstation der Erprobungsplattform Elektromobilität auf dem EUREF-Campus Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 54 MOBILITÄT E-Carsharing Herausforderungen zukünftiger Mobilität in Metropolen Die Gewährleistung von Mobilität steht weltweit vor drei wesentlichen Herausforderungen, die ihrerseits bei der technischen, aber auch nutzungsbezogenen Weiterentwicklung des Autos sowie von Mobilitätsangeboten zu berücksichtigen sind. Erstens entzieht die Verknappung und Verteuerung des Erdöls insbesondere dem Straßenverkehr langfristig die Energiegrundlage. Zweitens schaft der Zusammenhang zwischen zunehmender Motorisierung und Urbanisierung in Metropolen - auch in den neuen Wirtschaftsmetropolen Asiens - Emissions- und Platzprobleme durch den rasch zunehmenden Individualverkehr. Drittens ist der CO 2 -Ausstoß von konventionellen Kraftfahrtzeugen eine zentrale Ursache des Klimawandels, der nur bei einer deutlichen Reduktion von Kohlendioxid kontrollierbar bleibt. Diese drei Herausforderungen lassen sich nicht allein durch technische Ansätze lösen, sondern erfordern auch Änderungen in der Mobilitätskultur bzw. im Verkehrsverhalten. Die Engpässe liegen somit sowohl in der Gestaltung von geeigneten Rahmenbedingungen und Anreizsystemen als auch in der Entwicklung innovativer Angebote für ökologisch wie ökonomisch nachhaltige Nutzungsformen im Straßenverkehr (Brake 2009). Besonders erfolgversprechend erscheinen dabei Innovationen, die dem technischen Fortschritt und dem sozialen Wandel gleichermaßen Rechnung tragen. Die deutsche Bundesregierung hat sich 2009 mit dem Entwicklungsplan Elektromobilität das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2020 etwa eine Millionen Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen und Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln. Dieses Ziel kann auf mehreren Wegen erreicht werden. Zum einen kann die Leistungsfähigkeit der Fahrzeugbatterien und der Ladeinfrastruktur so weit gesteigert werden, dass die Nutzungsqualität eines Elektrofahrzeuges das Niveau konventioneller Straßenfahrzeuge erreicht. Hierzu sind allerdings erhebliche Investitionen in die Grundlagenforschung sowie Zeit notwendig. Zum anderen besteht die Möglichkeit, ein Nutzungsumfeld zu finden, das einen sinnvollen und kundenorientierten Einsatz der Elektroautos mit der heute verfügbaren Technik ermöglicht. Beide Wege schließen sich dabei nicht zwingend aus. Angesichts der spezifischen Mobilitätsbedürfnisse in Stadt und Land sowie der Notwendigkeit mit Batteriefahrzeugen und Ladeinfrastruktur erste Praxiserfahrungen zu sammeln und eine massenhafte Markteinführung vorzubereiten, erscheinen Bemühungen in beide Richtungen notwendig. Die Modellregion Berlin-Potsdam Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat im Jahr 2009 das Förderprogramm Modellregionen Elektromobilität aufgelegt. Es wird mit insgesamt 130 Mio. EUR aus dem Konjunkturpaket II gefördert. Ziel des Programms, welches acht Modellregionen umfasst, ist die Förderung von Elektromobilität im öfentlichen Raum. Die Koordination liegt auf Bundesebene bei der Nationalen Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie (NOW). Eines der Förderprojekte aus dem Förderprogramm des BMVBS ist BeMobility - BerlinelektroMobil. In der Modellregion Elektromobilität Berlin-Potsdam hat es die Integration von Elektrofahrzeugflotten in den Öfentlichen Verkehr zum Ziel. Regional werden BeMobility und weitere Elektromobilitätsprojekte durch die TSB Innovationsagentur Berlin GmbH/ Forschungs- und Anwendungsverbund Verkehrssystemtechnik (FAV) betreut. Dass BeMobility ausgerechnet im Großraum Berlin angesiedelt ist, ist kein Zufall. Berlin verfügt über ein sehr gut ausgebautes öfentliches Verkehrsnetz. Darüber hinaus gilt Berlin als relativ verkehrsträgerofen, eine Grundvoraussetzung für den Projekterfolg. Die Mobilitätsforschung zeigt, dass ein Auto nicht nur ein technisches Konsumgut darstellt, sondern auch einen unterschwelligen Nutzungsanreiz für seinen Besitzer. So halten einmal die Fixkosten, z. B. die Kfz-Versicherung und Steuern, zu einem regen Gebrauch des Autos an, um den Pkw-Besitz lohnenswert und eizient zu machen. Beim direkten Verkehrsträgervergleich werden zudem oft nur die direkten Out-of-pocket-Kosten (u. a. Kraftstokosten) berücksichtigt, ohne beispielsweise den anteiligen Verschleiß und Wertverlust mit einzurechnen. Alternative Mobilitätsoptionen geraten so schnell aus dem Blickfeld, selbst wenn sie in der Gesamtrechnung günstiger ausfallen. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese autogeprägte Sichtweise in Metropolen wie Berlin weniger stark verbreitet ist als in den ländlichen Regionen Deutschlands. Mit einer durchschnittlichen Autodichte von rund 320 Fahrzeugen pro 1 000 Einwohner liegt Berlin weit unter dem deutschen Bundesdurchschnitt von etwa 500 Pkw je 1 000 Einwohner. Damit hat Berlin die geringste Pkw-Dichte aller Bundesländer. Durch den geringen Verbreitungsgrad von Privatautos denkt und handelt Abb. 2: Elektro- und Hybridfahrzeuge bei BeMobility Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 55 ein bedeutender Teil der Einwohner Berlins jenseits der Relevanzkriterien, die ein privat besessenes Automobil vorgibt. Die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel gilt in der Stadt als „gelebter Alltag“. Dementsprechend haben sich bereits einzelne Angebote etablieren können, welche die Benutzung anstelle des Besitzes von Individualverkehrsmitteln in den Vordergrund rücken. So existieren u. a. bereits seit mehreren Jahren das Mietradsystem Call a Bike oder das Leihwagenangebot Flinkster/ DB Carsharing, die von der Deutschen Bahn betrieben werden. Ziele des Projekts BeMobility Das Forschungsprojekt BeMobility - BerlinelektroMobil umfasst zehn Konsortialpartner, die unter Führung der Deutschen Bahn gemeinsam an der Integration von Elektrofahrzeugen in den Öfentlichen Verkehr arbeiten. Die Bandbreite der Projektbeteiligten reicht von den Unternehmen der Energiewirtschaft RWE, Solon, Vattenfall und DB Energie über den Automobilzulieferer Bosch, den Parkhausbetreiber Contipark, die Informationsdienstleister HaCon sowie das DAI-Labor der TU Berlin bis zu Verkehrsdienstleistern. Sowohl der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg als auch die Deutsche Bahn mit ihrem Tochterunternehmen DB Fuhrpark sind Projektpartner. Wissenschaftlich begleitet und Abb. 3: Standorte von e-Flinkster koordinativ unterstützt wird das Projekt durch das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ). Das Ziel von BeMobility ist, Elektrofahrzeuge in den Öfentlichen Verkehr zu integrieren und damit eine Kombination aus Technologie- und Nutzungsalternative zum Privatfahrzeug mit klassischem Verbrennungsmotor zu schafen. Das Ziel besteht ganz bewusst nicht aus der Fortführung des Privatautos mit anderen, nämlich elektrischen, Mitteln. Vielmehr soll die Praxistauglichkeit bereits vorhandener Elektrofahrzeuge und entsprechender Ladeinfrastruktur demonstriert werden. So sollen ein nachhaltiger Lösungsbeitrag zu den vielfältigen Herausforderungen im Verkehr in Ballungsräumen geleistet und die industrie- und wettbewerbspolitischen Ziele der Bundesregierung im Kontext der Elektromobilität unterstützt werden. Aufgabe im Projekt BeMobility ist der Betrieb einer Elektrofahrzeugflotte als integraler Bestandteil des ÖV unter Echtbedingungen. Elektroautos und -fahrräder sollen in der Modellregion Berlin-Potsdam den ÖV ergänzen. Dabei werden die technischen Defizite der Elektrofahrzeuge wie kurze Reichweiten und lange Ladezeiten durch hierauf abgestimmte Nutzungsszenarien kompensiert. So kann der bereits existierende akku- und elektrotechnische Stand im entsprechenden Einsatzkontext erprobt und für die breite Öfentlichkeit schon heute erfahr- und erlebbar werden. BeMobility als Bestandteil des Öfentlichen Verkehrs Ein derart adäquater Kontext ist aus der Perspektive der Projektentwickler das Carsharing bzw. Leihradsystem, mit dem breite Nutzergruppen zeitnah erreichbar sind. Konkret geschieht dies durch öfentlich zugängliche Elektrofahrzeuge, die an elektrifizierten Carsharing- und Mietrad-Stationen geladen werden. Der Öfentliche Stadtverkehr soll dabei die Basismobilität im Alltag sicherstellen, während Elektroautos und Pedelecs die Flexibilität der Kunden weiter erhöhen. Der Öfentliche Regional- und Fernverkehr auf der Schiene dient wiederum als natürliche Reichweitenverlängerung der Elektroautos. Je nach Mobilitätsanlass soll der Nutzer fallbezogen auf das jeweils am besten geeignete Verkehrsmittel bzw. eine Kombination von Verkehrsmitteln zurückgreifen. Die Nutzung von verschiedenen elektrisch betriebenen Verkehrsträgern auf der Schiene und der Straße senkt die lokalen Verkehrsemissionen. Alle Ladestellen an den Carsharing-Stationen liefern zertifizierten Ökostrom aus regenerativen Quellen. Der Einsatz regenerativer Energien zur Stromgewinnung trägt perspektivisch dazu bei, die Abhängigkeit vom Erdöl und den CO 2 -Beitrag des Verkehrssektors zu senken. Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 56 MOBILITÄT E-Carsharing Fahrzeugflotte und Standorte Die im Rahmen des Projektes nutzbare elektrische Fahrzeugflotte besteht derzeit aus dem Smart ed und dem Citroën C1 (Umbaufahrzeug). In Kürze werden weitere Elektrofahrzeuge verfügbar sein und das Angebot ergänzen. Neben dem i-MiEV von Mitsubishi werden auch Fahrzeuge von Peugeot (iOn) und Citroën (C-Zero) hinzukommen. Außerdem befindet sich das Hybridfahrzeug Prius Plug-In von Toyota im Einsatz, ein Hybridauto, das an der Steckdose geladen wird und bis zu 20 km rein elektrisch zurücklegen kann. Dieses Fahrzeug ist ein Pilotfahrzeug, das voraussichtlich erst ab 2012 in den regulären Handel kommt. Im Frühjahr 2011 soll so die Elektro- und Hybridflotte auf mindestens 40 Fahrzeuge angewachsen sein. Neben den Pkw werden auch Elektrofahrräder, sogenannte Pedelecs, das Angebot ergänzen. Pedelecs besitzen eine elektrische Tretunterstützung, die durch einen Lithium-Ionen-Akku im Fahrradrahmen versorgt wird. Dieser kann entweder an der Steckdose oder per Rückspeisung durch zusätzliches Treten aufgeladen werden. Die Zweiräder können zurzeit tageweise am Berliner Hauptbahnhof entliehen werden. 2011 sollen erste Pedelec-Stationen - vergleichbar den festen Stadtrad-Stationen - errichtet werden, an denen die Elektroräder entliehen und kabellos geladen werden können. Die Ausleihstationen für die Autos befinden sich bevorzugt an den Verkehrsknoten und Umsteigepunkten zum Öfentlichen Verkehr. In Berlin sind dies neben den größeren Fernbahnhöfen Haupt- und Ostbahnhof sowie Südkreuz auch Stationen in der Nähe von ÖPNV-Knoten wie in Schöneberg, Adlershof, der Französischen Straße und am Potsdamer Platz. Dies zielt auf eine kombinierte Benutzung von Elektrofahrzeugen und öfentlichen Verkehrsmitteln ab. Geschäftsleute, die entweder mit der Bahn aus anderen Städten angereist sind und einen Pkw für Kundenbesuche benötigen, oder lokal ansässige Geschäftsinhaber und Gewerbetreibende für Liefer- und Besorgungsfahrten, sind mögliche Zielkunden. Weiterhin können auch Privatkunden, die Besorgungen oder Einkäufe beispielsweise nach der Arbeit nach Hause bringen wollen und den Pkw am Folgetag auf dem Weg zur Arbeit wieder abgeben, eine mögliche Zielgruppe darstellen, die bei der Entwicklung des Produktbildes „Berlin Mobil“ Pate stand. Ergänzend sollen ausgewählte Wohngebiete mit öfentlichen Ausleih- und Ladepunkten ausgestattet werden. So sind weitere Leih- und Ladestationen in den Bezirken Abb. 4: Daten zum Elektroauto C1 wie aktueller Stellplatz und Reichweite in der BeMobility-Suite Alle Bilder: BeMobility Mitte und Prenzlauer Berg beantragt. Hier wohnen Menschen, die als aufgeschlossen gegenüber neuen Techniken und Verhaltensformen sowie ökologischen Themen gelten. Die Autobesitzer in diesen Bezirken können zumeist nicht auf eine private Garage für ihren Pkw zurückgreifen, sondern parken am Straßenrand im öfentlichen Raum (sogenannte „Laternenparker“). Die Parkplatzsituation in diesen Trendbezirken ist zumeist sehr angespannt. Neben den Bewohnern wollen eine Vielzahl von Besuchern der reichen Kultur- und Gastronomieszene hier parken. Die generell gute Anbindung an den Öfentlichen Verkehr erlaubt es grundsätzlich, auf einen eigenen Pkw zu verzichten bzw. den Besuch im Bezirk mit den öfentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen. Die Besucher werden dazu seit Kurzem auch durch die Parkraumbewirtschaftung verstärkt angehalten. Um den Bewohnern einen Anreiz zum Umstieg auf den Öfentlichen Verkehr und zur Kurzzeitmiete von Elektrofahrzeugen zu geben, sollen ab Frühjahr 2011 hier Lade- und Leihstationen in vergleichsweise hoher Dichte errichtet werden. Die Präsenz im direkten Wohnumfeld soll eine weitgehend spontane Nutzung ohne längere Voranmeldung erlauben und damit ein ähnliches Flexibilitätsgefühl wie der eigene Pkw erzeugen. Das Produktbild wurde „Spontanmiete“ genannt. Integrationsansätze Die Umsetzung dieser Produktbilder und die damit verbundene Integration der Elektrofahrzeuge in den Öfentlichen Verkehr erfordert mehr als das Angebot der Elektrofahrzeuge in Vermietsystemen wie Carsharing und Fahrradverleihsystemen. Die Flotten- und Raumintegration besteht bei BeMobility bereits durch die Standortwahl der Verleihstellen bzw. Standorte für das Flinkster-Carsharing bzw. die Pedelec- Stationen der Deutschen Bahn. Ohne Einbindung in ein zusammenhängendes Energie- und Mobilitätskonzept kann das elektrische Leihfahrzeug allerdings seine ökonomische wie ökologische Eizienz nicht entfalten. Es bedarf kundengerechter Integrationsformen an der Nahtstelle zwischen Individual- und Kollektivverkehr, um eine Mobilität zu gewährleisten, die es mit den Vorteilen des Privatautos aus Kundensicht aufnehmen kann und die die multimodale Nutzungsform über den bestehenden Kundenkreis hinaus attraktiv macht. Eine Integration der Informations-, Kommunikations- und Buchungssysteme ist ein weiterer notwendiger Bestandteil der Angebote. Dies betrift u. a. auch telematische Anwendungen. Durch die zunehmende Verbreitung des Internets und leistungsfähiger, mobiler Endgeräte, wie etwa dem iPhone, können die Umstiegshürden zwischen den Verkehrsträgern gesenkt werden. Nutzer können in einem Auskunftssystem gleichzeitig mit aktuellen Hinweisen zu verschiedenen Verkehrsmitteln versorgt werden. So werden im Projektkontext auch Applikationen für mobile Endgeräte entwickelt, die beispielsweise einen Wegevergleich mit Angaben zur Wegeführung und Fahrzeit über öfentliche Verkehrsmittel gegenüber der Fahrt mit dem Auto beinhalten. Weiterhin werden Anwendungen zum Anzeigen verfügbarer Fahrzeuge im Umkreis sowie von Park- und Lademöglichkeiten im öfentlichen Raum oder in Parkhäusern programmiert. Umfangreiche Park- und Ladestellen im öfentlichen Raum wurden durch die Energieunternehmen DB Energie, RWE und Vattenfall installiert. Der Projektpartner Contipark stellt für den Nutzer kostenfreie Parksowie in ausgewählten Parkhäusern Ladeflächen bereit. Die grundsätzliche Nutzbarkeit von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge mit ihren unterschiedlichen Ladevorrichtungen bzw. Steckern - hier gibt es noch keine Normung, so dass nicht jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt laden kann - und ihre Verfügbarkeit sind wichtige Informationen für die Fahrzeugnutzer. Zu den elektronischen Telematik- und Softwarelösungen tragen das DAI-Labor der TU Berlin, HaCon, Bosch sowie die DB Fuhrpark bei, um die Informationen im Internet und auf mobilen Endgeräten beim Nutzer zusammenzuführen. Diese Applikationen und Anwendungen werden derzeit entwickelt und sollen im Frühjahr 2011 den Nutzern im Rahmen der BeMobility-Suite mit statischen, aber auch dynamischen Echtzeitdaten zur Verfügung stehen. Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 57 Die tarifliche Integration ist aufgrund von gewachsenen Strukturen in unterschiedlichen Vertriebssystemen sowie der notwendigen Abstimmungen von Tarifen im Verkehrsverbund eine längerfristige Aufgabe. Als Rahmenbedingung gilt hierbei, dass der Öfentliche Verkehr gestärkt wird und keine nennenswerte Verlagerung vom Öfentlichen Verkehr auf das Auto stattfindet. Bisherigen Autofahrern ohne ÖPNV-Monatskarte sollte ein „Schnupperangebot“ zum Elektro-Carsharing angeboten werden. Um dieser Zielgruppe neben dem Autobaustein auch den ÖPNV näher zu bringen und neue, integrierte Mobilitätsroutinen zu etablieren, sollte ein entsprechendes Testangebot im Carsharing nur in Verbindung mit einer Zeitkarte im Öffentlichen Verkehr angeboten werden. Der Öfentliche Verkehr soll perspektivisch zur Befriedigung der Basismobilität genutzt werden. Zusätzliche Flexibilität über Elektroautos und Pedelecs kann dann bedarfsgerecht hinzugekauft werden. Diese Flexibilität ist extra zu bezahlen, während eine Fahrt mit dem Öfentlichen Verkehr über eine monatliche Grundgebühr bereits abgegolten ist und somit als kostenfrei im direkten Verkehrsträgervergleich empfunden werden soll. Inhabern eines Verbund-Abonnements könnten wiederum vergünstigte Konditionen für die Nutzung der Elektromobilität angeboten werden. So kann auch tariflich verdeutlicht werden, dass die Elektrofahrzeuge den Öfentlichen Verkehr ergänzen und die Flexibilität seiner Nutzer steigern sollen. Aktuell werden solche Tarifmodelle entwickelt und mit den Verbundpartnern im Öfentlichen Verkehr abgestimmt. Zielsetzung ist auch hier, im Frühjahr 2011 zusammen mit den oben erwähnten Informationsdiensten dem Nutzer entsprechend attraktive Angebote unterbreiten zu können. Ergänzend läuft im Rahmen des Forschungsprojektes die Begleitforschung, die sich den Erwartungen und Erfahrungen der Nutzer widmet. Es wurden bereits zur Jahreswende 2009 auf 2010 Befragungen zu den Produktbildern durchgeführt, die in die Auswahl und Ausgestaltung eingeflossen sind. Weiterhin werden interessierte Testkunden bereits vor der ersten Nutzung der elektrischen Carsharing- und Leihradangebote via Internet zu ihrem Mobilitätsverhalten und ihren Erwartungen an Elektromobilität als Bestandteil des Öfentlichen Verkehrs befragt. Mit Beginn der ersten Testfahrten durch Nutzer haben auch die ersten Nutzerbefragungen begonnen. Hier stehen Erfahrungen mit den Fahrzeugen und dem Handling mit BRAKE, MATTHIAS (2009): Mobilität im regenerativen Zeitalter - Was bewegt uns nach dem Öl? Hannover: Heise. CANZLER, WEERT; KNIE, ANDREAS (1994): Das Ende des Automobils - Fakten und Trends zum Umbau der Autogesellschaft. Heidelberg: C.F. Müller. CANZLER, WEERT; KNIE, ANDREAS (2009): Grüne Wege aus der Autokrise - Vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister, in: Forum Nachhaltig Wirtschaften, Nr. 4, 2009, S. 16-24. CANZLER, WEERT; HUNSICKER, FRANK; KARL, ASTRID; KNIE, ANDREAS; KÖNIG, ULRICH; LANGE, GÜNTER; MAERTINS, CHRISTIAN; RUHRORT, LISA (2007): DB Mobility − Beschreibung und Positionierung eines multimodalen Verkehrsdienstleisters. InnoZ- Baustein Nr. 1, Berlin: Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. Online unter: http: / / www.innoz.de/ fileadmin/ INNOZ/ pdf/ Bausteine/ innoz-baustein-01.pdf Infas/ DLR (2010): Mobilität in Deutschland (MiD) 2008 - Ergebnisbericht. Online unter: http: / / www.mobilitaet-in-deutschland.de/ pdf/ MiD2008_Abschlussbericht_I.pdf (letzter Zugrif 05.12.2010). KNIE, ANDREAS (1998): Die Macht der Gewohnheit - 'Schließen', 'Leitbilder' und 'Institutionen' als Kategorien einer sozialwissenschaftlichen Technikforschung, in: Esser, Josef; Fleischmann, Gerd; Heimer, Thomas (Hrsg.); Soziale Schließung im Prozeß der Technologieentwicklung - Leitbild, Paradigma, Standard. Frankfurt am Main/ New York: Campus, S. 36-50. LITERATUR Frank Wolter, Dr. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH frank.wolter@innoz.de Christian Scherf, Dipl.-Soz.tech. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH christian.scherf@innoz.de dem Thema „Laden“ im Vordergrund. Nach vollständiger Umsetzung der Produktbilder, also der Informations- und Buchungsapplikationen sowie entsprechender integrierter Tarifangebote, wird eine weitere Befragungswelle voraussichtlich im Sommer 2011 folgen. Neben der Befragung nach den zusätzlichen Angebotsbestandteilen und dem Tarif wird auch erneut das aktuelle Mobilitätsverhalten befragt werden. So sollen unter anderem auch Rückschlüsse auf einen Verkehrsverlagerungsefekt, den Attraktivitätsgewinn des Öfentlichen Verkehrs sowie auf weitere Verbesserungen des Angebots gezogen werden. Die Plattform Elektromobilität in Berlin-Schöneberg Die Integration von Elektrofahrzeugen in den Öfentlichen Verkehr verlangt zudem eine enge Kooperation aller Beteiligten. Das Projekt BeMobility hat deshalb eine zentrale Anlaufstelle zum Test von Komponenten und der gemeinsamen Lösungsentwicklung etabliert. Diesen Ort bildet die Plattform Elektromobilität auf dem EU- REF-Campus am ehemaligen Gasometer in Berlin-Schöneberg. Betrieben wird die Plattform vom InnoZ. Gefragt war ein Ort, an dem sich eine neue Art der Zusammenarbeit entwickeln kann. Die Projektpartner bringen unterschiedliche Unternehmens- und Forschungskulturen mit, deren Synergien und Spielräume sich in der jungen gestaltbaren Plattform voll entfalten können. Die Plattform erfüllt im Wesentlichen drei Funktionen: ฀ Sie dient als Erklärzentrale, in der Fachleuten und der interessierten Öfentlichkeit die komplexen Projektzusammenhänge der integrierten Elektromobilität vermittelt werden. Auch Probefahrten, Erklärungen zu Fahrzeugen und Ausleihmöglichkeiten sowie der Ladeinfrastruktur sind Aufgabe der Erklärzentrale. ฀ Sie ist ein Praxislabor, in dem gemeinsam Lösungen entwickelt, der Gebrauch von Einzelkomponenten, wie beispielsweise Ladeanschlüssen oder auch der Informationstechnologie, zusammen mit Testnutzern erprobt und dokumentiert werden. Das InnoZ, das im gleichen Gebäude angesiedelt ist, führt die Begleitforschung von BeMobility durch. ฀ Die Plattform bildet ein Forum, das die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen angrenzender bzw. verwandter Themenbereiche wie Energieforschung, Stadtentwicklung und Verkehrsplanung aubereitet und ihr Zusammenwirken diskutiert. Diese Funktion weist über den engeren Projektrahmen hinaus und stiftet die thematische Anknüpfung zu einem interdisziplinären und internationalen Wissensnetzwerk, in dem der integrative Ansatz weitergedacht wird. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Plattform Elektromobilität, als sie im November 2010 der Minister für Wissenschaft und Technologie der Volksrepublik China, Prof. Dr. Wan Gang, besuchte. In seiner Rede unterstrich Prof. Dr. Gang, ein Auto zu besitzen sei der Traum eines jeden Chinesen, aber wenn jeder Chinese ein Auto besäße wäre dies ein Albtraum. In China bricht sich bereits die multimodale Sichtweise bahn. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 58 TECHNOLOGIE Interview Michael Schenk »Komplexe Gegenwart, spannende Zukunft« Über den Stand der RFID-Technik und künftige Möglichkeiten sprach Professor Michael Schenk mit Kerstin Zapp, Redaktion „Internationales Verkehrswesen“. Herr Professor Schenk, die einen loben RFID in den höchsten Tönen, die anderen bezeichnen die Technik allenfalls als Nischenlösung. Warum? RFID ist sicher kein Allheilmittel für alle Probleme in der Logistik. Aber die Technologie birgt immense Vorteile und verschaft uns eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten für wesentlich mehr Eizienz, Transparenz und damit auch Sicherheit in logistischen Prozessen. Allerdings ist sie nur dann erfolgreich und nutzbringend, wenn man sie auch richtig einsetzt. Das ist heute leider nicht immer der Fall. Nicht jede Anwendung ist für diese kontaktlose Informationstechnologie geeignet. Dazu kommt, dass es auf dem Anbietermarkt Integratoren gibt, die mit falschem Equipment nicht die optimale Anpassung an den Einsatzfall erzielen. So sind unterschiedliche Einschätzungen der Technologie nicht ungewöhnlich. Was kann RFID? Mit RFID können Objekte identifiziert und lokalisiert werden. Zudem lassen sich in gewissem Maß Zusatzinformationen auf den Chips speichern. In der Ableitung daraus kann eine Steuerung dieser Objekte in logistischen Prozessen und ggf. eine Optimierung der dortigen Abläufe erfolgen. Warum gibt es bisher nicht mehr Anwendungen? Das ist schwer zu beurteilen. Sicher aber spielen die große Heterogenität des Anbietermarkts und die verschiedenen Technologien mit ihren unterschiedlichen Eizienzgraden eine Rolle. Möglicherweise auch der Preis. Obwohl der am Ende des Tages durch den erzielten Mehrwert weniger ins Gewicht fällt. Vielen fehlt aber ofenbar auch eine kompetente Beratung und Begleitung bei der Umstellung auf RFID-gestützte Prozesse, die gelegentlich grundlegend verändert werden müssen, um einen adäquaten Nutzen zu erzielen. Welche Arten von RFID-Einsätzen halten Sie heute für umsetzbar? Prinzipiell ist sehr vieles möglich, von Anwendungen im Niedrigfrequenzbereich, also kHz, bis hin zu Einsätzen im GHz-Bereich, bei denen Entfernungen von mehreren hundert Metern überwunden werden. Wir setzen heute Verfahren ein, mit denen wir auch passive Transponder mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit lokalisieren. Welche Einsätze sind praxiserprobt? Anwendungen im Niedrigfrequenzbereich sind als Ladendiebstahlschutz in jedem Bekleidungsladen im Einsatz. Auch im industriellen Rahmen gibt es eine Reihe erfolgreicher Anwendungen im Bereich der Supply-Chain-Optimierung. Derzeit entwickeln wir am Fraunhofer IFF sehr erfolgreich Anwendungen für den Bereich um 868 MHz. Nennen lässt sich hier beispielsweise die kartonbezogene Inventarisierung von RFID-markierter Bekleidung. Hierfür wird ein von uns neu entwickeltes und patentiertes RFID-Gate eingesetzt, mit dem bereits am Produktionsstandort per sicherer Pulk-Auslesung eine genaue Wareninventur durchgeführt wird. Der Hersteller Gerry Weber etwa bekommt damit in Echtzeit den genauen Lagerbestand nun bereits beim ersten Umschlag noch im Herstellerland übermittelt. Welcher Mehrwert lässt sich erzielen? Der Mehrwert hängt von der einzelnen Anwendung, der eingesetzten Technologie und der richtigen Einbindung in den Prozess ab. Generell kann man aber sagen, dass wir bei korrekter Integration immer eine deutliche Zunahme der Prozesstransparenz erreichen. Daran schließen sich die unterschiedlichsten Erfolge an, je nach dem, was der Anwender bezweckt. Zum Beispiel lassen sich Durchlaufzeiten in der Produktion optimieren. Die Prozesssicherheit nimmt erheblich zu, etwa bei der durchgängigen Warenverfolgung von Produktion über Distribution bis zum Verkauf an der Kasse oder dem Moment, wenn der Kunde den Laden verlässt. Auch die Arbeitssicherheit profitiert. Beispielsweise, wenn für alle Prozessbeteiligten, wie den Spediteur, den Lageristen oder den Instandhalter, neben den Ortungsinformationen auch Detailinformationen zum Umgang mit dem entsprechenden Objekt oder ähnlichem auf den Chips stehen. Bei der Einbindung weiterer Sensoren lassen sich zusätzlich warenzustandsbezogene Informationen wie die Temperatur via Satellit übermitteln. Das ist ein riesiger Vorteil etwa für die Qualitätskontrolle in der Lebensmittel- und Frischelogistik. Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 59 Wie sieht die Konkurrenz zwischen Barcode und RFID, auch kostenmäßig, aus? Wenn Sie allein die Anschafungskosten für Papier und Chips betrachten, ist Barcode derzeit ganz klar immer noch das preiswertere System auf der Seite der Ware. RFID-Chips sind teurer, aufgrund ihrer Vorteile für viele Anwendungen aber sicher die Lösung der Zukunft. Überall dort, wo es auf Sicherheit, Prozessoptimierung und Zustandsüberwachung ankommt, ist RFID vorteilhafter. RFID ist zudem robuster. Anders als Barcode lassen sich die Chips auch in verschmutztem Zustand oder nach mechanischer Einwirkung immer noch sicher lesen. Zudem können sie neu beschrieben werden und sind damit wiederverwendbar. Anders als mit Barcode können mit RFID auch große Warenmengen gleichzeitig und - mit der richtigen Technologie - auch sicher ausgelesen werden. So wird immens viel Zeit gespart. Viele Prozesse lassen sich damit weitgehend automatisieren, wie etwa die Kommissionierung, Warenannahme oder Inventuren. Durch die bessere Warenverfolgung steigt auch der Diebstahlschutz. Die Organisationskosten für die Einführung der Technik sind ebenfalls zu relativieren. Denn im Optimalfall handelt es sich dabei um einen begleiteten Prozess, bei dem es auch um eine logistische Optimierung der Unternehmensabläufe geht. Das führen Sie in der Regel nicht ohne entsprechende vorherige Prüfung durch. Eine angemessene Amortisierung der Kosten nach Ihren Vorstellungen sollte daher schon vor Einführung gewährleistet sein. Gibt es eine 100%ige Datenlesequote? Nein. Wie es bei Barcode keine 100%ige Sicherheit gibt, wird es die auch bei RFID nicht geben. Aber wir arbeiten daran. Das derzeit größte Problem bei vielen Anwendern ist die Falsch-Gut-Lesung. Noch allzu häufig identifizieren nämlich RFID-Reader Am Fraunhofer IFF wird derzeit intensiv an neuen Anwendungen des selbst entwickelten intelligenten Wechselbehälters und des RFID-Tunnelgates geforscht. Zudem bietet das Institut unter anderem das LogmotionLab und das Anfang 2010 eingeweihte Galileo- Testfeld an. Beide gehören zu den europaweit modernsten Einrichtungen für die Entwicklung von RFID- und Telematiktechnologien. auch Transponder, die sich außerhalb des beabsichtigten Lesebereichs befinden. Hier helfen spezielle Abschirmungen und natürlich ausgefeilte Logistikkonzepte. Unser neuentwickeltes RFID-Gate arbeitet nach dem Prinzip der Modenverwirbelungskammer. Damit erreichen wir nun in der Regel eine sichere 100%-Lesequote. Wie steht es um die Sicherheit der Daten auf den Transpondern? Es gibt verschiedene Ansätze, Unbefugten die Verwendung der Daten auf den Transpondern nicht zu ermöglichen. Entweder Sie verschlüsseln die Daten auf dem Transponder oder Sie schützen den kritischen Speicherbereich. Wie viel RFID-Know-how muss ein Unternehmen mitbringen, das prüfen möchte, ob sich ein Prozess mit Hilfe der RFID-Technik optimieren lässt? Das Wichtigste ist das physikalische Verständnis für RFID-Technik. Wir haben bisher immer nur allgemein über RFID gesprochen. Doch RFID im LF-Bereich etwa funktioniert komplett anders als im UHF-Bereich oder darüber. Sie müssen also die Eigenschaften dieser vielfältigen Technologie kennen und können dann nach einer genauen Untersuchung besonderer Anwendungsfälle entscheiden, wie und mit welcher RFID-Technologie der Prozess optimiert werden kann. Sollen Standardanwendungen mit RFID-Technik ausgestattet werden, muss natürlich kein Test mehr durchgeführt werden. Darüber hinaus: Schalten Sie einen unabhängigen, versierten Berater wie ein Fraunhofer-Institut ein. Er kennt den Stand der Technik und hilft auch bei der Partnersuche. Wie schätzen Sie die RFID-Zukunft ein? Spannend. Ich bin sicher, dass RFID-Technologien in Zukunft einen weit größeren Anteil an Logistikprozessen haben werden, als es heute absehbar ist. Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Dr. h.c. mult. Michael Schenk ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. ZUR PERSON ZUM FRAUNHOFER IFF ɷ Fotos: Fraunhofer IFF Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 60 TECHNOLOGIE Intralogistik Zellulare Intralogistik ist die logische Konsequenz des Internets der Dinge (IdD) nach dem Motto: Wenn die Dinge schon wissen, wo sie hin müssen, können sie auch gleich dorthin fahren. Sie bietet die Möglichkeit des vollständigen Ersatzes klassischer Materialflusstechnik durch autonome, interagierende fahrerlose Transportfahrzeuge. W as ist zellulare Intralogistik? Nach Prof. Dr. Michael ten Hompel, Institutsleiter des Fraunhofer IML in Dortmund, wird ein physischer Raum vorgegeben, dessen Grenzen den Grenzen der betrachteten Domäne entsprechen. Der ideale logistische Raum ist zunächst leer und wird entsprechend der logistischen (Gesamt-)Aufgabe mit Stationen und autonom interagierenden „Entitäten“ gefüllt. Diese können stationär (stetige Fördertechnik), beweglich oder mobil (unstetige Fördertechnik) sein. Zellulare Transportsysteme ermöglichen es logistischen Objekten, insbesondere „Smart- Items“, sich innerhalb einer Domäne zu bewegen. Hierzu fordern sie bzw. die durch sie instanziierten Agenten die Dienste an, die zur Überbrückung einer (Teil-) Strecke dienen. Die hierzu notwendige Ressourcenallokation erfolgt typischer Weise ebenfalls durch agentenbasierte Verhandlung. Zellulare Transportsysteme sind „topologieflexibel“. Die Anordnung der transporttechnischen Entitäten im Raum (das fördertechnische Layout) kann jederzeit geändert werden. Werden den (bewegten) logistischen Objekten „Missionen“ und Strategien bzw. entsprechende Koeizienten implantiert, so verfolgen deren Agenten in der Kommunikation mit der Umgebung und untereinander ein Ziel. Die letztendlich gewünschte Emergenz im Sinne einer Ressourcen schonenden Zielerfüllung des Gesamtsystems ergibt sich durch Interaktion zwischen den intelligenten logistischen Objekten und der durch die transporttechnischen Entitäten gebildeten (serviceorientierten) Umgebung. Eine mögliche Realisierung: Multishuttle move Das Multishuttle® hat sich als revolutionäres Konzept für ein automatisiertes Lager durchgesetzt. Der innovative Charakter dieser Lösung liegt in der Nutzung einfacher Shuttle-Fahrzeuge, die unabhängig voneinander auf den Ebenen eines Lagers arbeiten können, und durch leistungsfähige Lifte an die weitere Intralogistik angebunden sind. Das Multishuttle move geht darüber insofern hinaus, als es nicht mehr nur das Ein- und Auslagern, sondern auch den kompletten innerbetrieblichen Transport übernimmt. Die Fahrzeuge bewegen sich frei in der Halle und fahren bis ins Regal hinein. Dadurch werden sämtliche Transporte im Regal und auf der davor liegenden Fläche durch nur eine einzige Fördertechnik, einen Fahrzeugschwarm, abgedeckt. Die Fahrzeuge können sich zwischen Start- und Zielpunkt auf dem direkten, durch keinerlei Einbauten und andere Hindernisse verstellten Weg bewegen und dadurch im Vergleich mit traditioneller Stetigfördertechnik erhebliche Transportzeiten einsparen. Die Technik: Multi-Sensor-System plus Highend-Bordrechner Die Fahrzeuge basieren weitgehend auf den Komponenten des regalgebundenen Multishuttle I, welches 2004 mit dem VDI-Innovationspreis für Logistik ausgezeichnet wurde. Neu sind die Verfahren zur Lokalisierung außerhalb des Schienen- und Regalsystems, die Kommunikation der Shuttle untereinander zwecks Koordination der Transportfahrten sowie das Energiekonzept und -management. Das Gesamtsystem ist dadurch in der Lage, seine Transportkapazität etwa an saisonale oder Tagesschwankungen, aber auch an veränderte Auftrags-, Kunden- oder Artikelstrukturen anzupassen sowie Leistung zwischen dem Lager- und Transportprozess oder auch innerhalb einzelner Teilbereiche, beispielsweise den Lagergassen, beliebig zu verschieben. Die Gesamtsystemleistung ist über die Fahrzeuganzahl, die zugleich eine hohe Redundanz und damit Systemverfügbarkeit ermöglicht, sehr gut skalierbar. Genaue Leistungsdaten wird ein Versuch ergeben: In einer eigens dafür in Dortmund errichteten ca. 1 000 m 2 großen Versuchshalle sollen in wenigen Monaten 50 Shuttles gemeinsam in einem Lager- und Kommissionierszenario eingesetzt werden, das in der Spitze 2 000 Behälter pro Stunde fördern kann. Damit soll außerdem der Beweis angetreten werden, dass die Zellulare Fördertechnik sowohl klassische Fördertechnik als auch Regalbediengeräte technisch und ökonomisch sinnvoll ersetzen kann. Ins Schwärmen geraten Thomas Albrecht, Dipl.-Ing. Leiter Abteilung Autonome Transportsysteme Fraunhofer IML, Dortmund. thomas.albrecht@iml.fraunhofer.de Guido Follert, Dipl.-Ing. Leiter Abteilung Maschinen und Anlagen Fraunhofer IML, Dortmund. guido.follert@iml.fhg.de Schwarm einer sich selbst organisierenden Gruppe fahrerloser Transportfahrzeuge (FTF) Grafik: Fraunhofer IML ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 61 TECHNOLOGIE RFID Die Nutzdatenspeichersemantik funktioniert in der Praxis und eröfnet neue Perspektiven. Mitarbeiter kümmern sich künftig hauptsächlich noch um Störungen im automatischen Prozess. Ein Beispiel. J edem Objekt oder Produkt seine eigene Homepage. Unter diesem Slogan marschierte das MIT in Boston und später die ETH in Zürich, um die Idee des Internets der Dinge in Verbindung mit RFID-Technologie zu erläutern. Nach zehn Jahren kann konstatiert werden, dass die Technologie in der Praxis nun bereits weiter ist und auch semantische Informationen zur Ware mitführen kann (wer bin ich, wo muss ich hin etc.), ohne einen Datenbank- oder einen Netzzugrif zu benötigen, um diese Daten zu referenzieren. Das Thema RFID in der Logistik ist immer noch in aller Munde, obwohl der Peak der „Life Cycle-Kurve“ lange überschritten ist. Nun sind große Logistikunternehmen auf dem Weg zur pragmatischen Nutzung und Einführung der designierten Schlüsseltechnologie. Eines der umfassendsten Integrationsprojekte wurde in der SKF (Svenska Kugellagerfabriken) Gruppe bereits im Jahr 2009 gestartet und immer weiter ausgebaut. SKF hat gemeinsam mit dem Fraunhofer IML an der RFID-basierten Erfassung von global eingesetzten Ladungsträgern in Prozessen der weltweiten Logistik gearbeitet. Da SKF unter anderem Wälzlager für Automobilindustrie, Maschinenbau und Windkraft herstellt und vertreibt, ergaben sich für den RFID-Einsatz auch hier große Herausforderungen. Die Erzeugung einer elektromagnetischen Wechselwirkung zwischen Transponder und Lesegerät ist in einer metallischen Umgebung grundsätzlich technisch gelöst, stellt aber immer noch größere Anforderungen im Vergleich zur Anwendung auf nicht leitfähigen Produkten und Oberflächen. Die im Metall vorhandenen freien Elektronen erzeugen ein reziprokes Mikrowechselfeld, das die Funkeigenschaften der Transponder beeinflusst. Nachdem im OpenID-Center von Fraunhofer IML eine entsprechende Hardware im Zusammenspiel mit Transpondern und den GSP (Global Supplier Packages) ermittelt worden war, nahm das Team des Centers die Integration in einer Fabrik der SKF Österreich AG in Steyr und im Lager von SKF Logistics Services in Schweinfurt vor. In erster Linie wurden die Bereiche Wareneingang, Hochregallager, Kommissionierung und Warenausgang berücksichtigt. Der Start des Logistikkreislaufs mit RFID-Unterstützung von Zulieferteilen aus Schweinfurt nach Steyr und Fertigware von Steyr nach Schweinfurt inklusive Einlagerungen in das Hochregallager erfolgte 2010 standardmäßig mit der RFID-basierten Lösung. Dezentrale Datenhaltung Erstmalig wurde in diesem Projekt erfolgreich der praktische Einsatz von passiven UHF-Transpondern mit mehr als 96 Bit Speicherkapazität nachgewiesen. Dezentrale Datenhaltung war die Lösung, um komplexe IT-Systeme und Netzwerke zwischen zwei Unternehmensstandorten zu umgehen und eine Optimierung des Informationsflusses zu erzielen. An jedem GSP-Ladungsträger wurden zuvor als Barcode verschiedene Informationen wie Produktnummer, Produktbezeichnung, Charge, Gewicht, Anzahl Kugellager und Produktionslinie mitgeführt. Also nicht nur die Referenznummer für das ERP-System, sondern auch semantische Daten auf Einzelstückebene. Die Mitarbeiter im Wareneingang scannten bisher alle Barcodes jeder Kiste manuell ein. Bei ungefähr 50 Kisten je Lieferung war dies mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Ein UHF-Tag ersetzt heute alle Barcodes, der manuelle Scannvorgang entfällt komplett. Die Ladeeinheiten werden im Pulk von bis zu acht Stück entladen und mit sämtlichen Informationen vollständig erfasst, ohne auch nur im Tor stehenbleiben zu müssen. Vergleich mit Barcode Ein seit acht Monaten laufender Betrieb in Redundanz zur Barcodelösung zeigt im Echtzeit-Online-Abgleich eine 100%ige Leserate der entwickelten Lösung. Zum Einsatz kommen IT-Lösungen aus dem OpenID-Center, um Transponder an einzelnen Packstationen zu beschreiben und im Wareneingang wieder zu lesen. Mitarbeiter steuern die Middleware über eine grafische Oberfläche auf einem Staplerterminal am Versandplatz. Die Mitarbeiter dirigieren das System mit Hilfe der Technologie und sind nicht mehr selbst Schnittstelle zwischen Objekt und IT. Ist der Transponder richtig angebracht, holt sich die Middleware den erforderlichen Datensatz aus einer SKF-Datenbank und beschreibt den Transponder. Rückmeldung über den Ausgang des Schreibvorgangs erhält der Mitarbeiter wieder über das Terminal. Im Wareneingang erfolgt eine Erfassung über ein Gate. Auch hier ist die Middleware dafür da, die gelesenen Tagesdaten richtig aufzubereiten und an das bei SKF eingesetzte Lagerverwaltungssystem weiterzuleiten. Darüber hinaus protokolliert jeder I-Punkt in der Prozesskette seine durchgeführten Aktionen und die daraus resultierenden Ergebnisse an ein Online-Tracking-System. Hier kann jederzeit der aktuelle Warenfluss verfolgt und das unternehmensübergreifende Gesamtsystem überwacht werden. Das Online-Logistikcockpit schneidet zwar alle Bewegungen mit, meldet sich aber nur noch, wenn ein Prozess zu schwächeln scheint. Hier entsteht ein neues Paradigma der Prozesssteuerung. „Complex Event Processing“ ist der Ansatz, nach welchem wir künftig nicht mehr im Wald den einzelnen Baum suchen. Vielmehr abstrahiert und kapselt die Software alle Standardvorgänge für die Mitarbeiter. Der Mitarbeiter konzentriert sich somit nur noch auf die Schwachstellen, die er in einem Logistikcockpit dezidiert betrachtet. Die SKF-Gruppe konnte mit dem RFID- Projekt einen Basisbaustein entwickeln, um künftig Prozesse noch besser zu gestalten. Dieses Know-how ist im Unternehmen etabliert und gewachsen. Viele Kunden der SKF-Gruppe sind an einer Zusammenarbeit auf dieser Basis interessiert. RFID Update Alexander Hille Wirtschaftsinformatiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer IML, Dortmund; alexander.hille@iml.fraunhofer.de Niko Hossain Leitthemenverantwortlicher für „Wandelbare Logistiksysteme“ im Eizienzcluster LogistikRuhr, Leiter des internationalen Geschäfts des Fraunhofer IML, Dortmund; niko.hossain@iml.fraunhofer.de RFID-Gates im Verladebereich in Steyr Foto: Fraunhofer IML ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 62 TECHNOLOGIE Güterverkehr Ladungsträgereinheit für den intermodalenVerkehr Innerhalb des Projekts TelliBox (Intelligent MegaSwapBoxes for advanced intermodal freight transport) wird eine neue Ladungsträgereinheit entwickelt, die für den intermodalen Transport auf Straße, Schiene sowie auf Binnen- und Kurzstreckenseeschiffahrtswegen einsetzbar ist. Sie vereint die Vorteile von Containern, Wechselbrücken und Semitrailern in einer integrierten Transportlösung. A ufgrund der stetig wachsenden globalen Transportleistung und des damit verbundenen Anstiegs des Transportaukommens muss sich der europäische Gütertransport großen Herausforderungen stellen, um insbesondere dem übermäßigen Straßenverkehrsaukommen entgegenzuwirken. Zur Entlastung des Straßenverkehrs kann eine gleichmäßigere Verteilung der transportierten Güter auf die verschiedenen Transportmodi Straße, Schiene und Wasserwege beitragen. Der intermodale Verkehr profitiert von den Vorteilen der einzelnen Transportmodi und kombiniert sie mittels einer kostenefektiven und zukunftsfähigen Ladungsträgereinheit. Dabei sind Wasserwege und Schiene zum Beispiel günstiger auf langen Distanzen als die Straße, die aber bei Vor- und Rücklauf meist notwendig ist. Die Planung einer Route bzw. eines Transports mit allen drei Verkehrsmodi wird flexibler, auf Störungen bei einzelnen Verkehrsmodi kann besser reagiert werden. Die bisher erhältlichen und genutzten Ladungsträgereinheiten weisen lediglich unzureichende Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern auf und können oft nicht vollständig trimodal (Straße, Schiene, Binnen- und Kurzstreckenseeschiffahrt) eingesetzt werden. Darüber hinaus ist eine mangelnde Eizienz beim Ver-, Be- und Entladen zu beobachten, ebenso wie ein größtenteils zu kleiner und daher nur ineizient nutzbarer Laderaum. Derzeitige Transportsysteme sind zudem in ihren Eigenschaften, wie z. B. ihrer Länge (20 Fuß, 40 Fuß, 45 Fuß etc.), Vorhandensein von Eckbeschlägen, Ausrüstung mit Greikanten etc., zu unterschiedlich und bieten nicht das notwendige Maß an Standardisierung und Harmonisierung für den intermodalen Transport. Vor diesem Hintergrund beschloss das Europäische Parlament und der Europäische Rat 2003 eine Richtlinie für die Standardisierung und Harmonisierung internationaler Ladungsträgereinheiten mit dem Ziel, die Unzulänglichkeiten im intermodalen Transport zu reduzieren, die auf die verschiedenen in Europa kursierenden Containerarten zurückzuführen sind (EC 2006). Im Zuge dessen wurden von der Europäischen Kommissionen innerhalb des 7. Forschungsrahmenprogramms spezielle Programme zur Förderung des intermodalen Transports eingerichtet, um den zuvor genannten Zielen Rechnung zu tragen. Ladungsträger im Überblick Zurzeit sind zahlreiche Ladungsträgereinheiten in Europas Güterverkehr im Umlauf. Die drei prominentesten Konzepte, ISO-Container, Wechselbrücken und Semitrailer, wurden jeweils für bestimmte Anforderungen und Bereiche auf den Markt gebracht. Semitrailer werden bevorzugt im Straßenverkehr eingesetzt. Ihr vereinfachter An- und Abkopplungsprozess vom Trägerfahrzeug ist dabei von Vorteil. Verglichen mit Containern und Wechselbrücken verfügen sie über ein großes Ladevolumen. Während der letzten Jahre wurden vermehrt vergrößerte Semitrailer, die sogenannten „Mega- Trailer“ oder „Jumbos“ mit einer Innenhöhe von 3 m eingesetzt. Verglichen mit Containern oder Wechselbrücken sind Semitrailer jedoch nur bedingt in intermodalen Transportketten einsetzbar, da sie nicht stapelbar sind und eine spezielle Umschlagstechnik benötigen. Allgemein sind weniger als 3 % der Semitrailer für den intermodalen Transport geeignet (EUROSTAT 2006). Container hingegen sind Ladungsträgereinheiten, die in allen Transportmodi eingesetzt werden können. Die Vorteile von Containern (insbesondere ISO-Containern) liegen in der einfachen und eizienten Handhabung an Terminals sowie einem kostengünstigen intermodalen Einsatz. Die Abb. 1: Die neue Ladungsträgereinheit (TelliBox) vereint die Vorteile von Containern, Wechselbrücken und Semitrailern in einer integrierten Transportlösung. Foto: TelliBox Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 63 Stabilität und Stapelbarkeit der Container gewährleistet einen sicheren Transport- und Ladeprozess sowie einen guten Schutz vor Warendiebstahl. Von Nachteil ist allerdings ihre häufig viel kleinere und nur von hinten zugängliche Ladefläche im Vergleich zu Semitrailern und Wechselbrücken. Wechselbrücken sind in der Regel für Europaletten optimiert und kommen überwiegend im Straßen- oder Schienenverkehr im intrakontinentalen Gütertransport zwischen EU-Ländern zum Einsatz. Ihr Vorteil ist, dass sie vom Chassis abnehmbar sind. Außerdem entspricht der vermehrte Einsatz von volumenoptimierten Planen- Wechselbrücken der Nachfrage der Lader nach sich weit öfnenden Seiten und einer optimierten Ladefläche. Durch den Planenaubau halten diese Wechselbrücken jedoch nur geringen horizontalen Kräften im Kurzstreckenseeverkehr stand, sie sind weder krannoch stapelbar. Darüber hinaus können die Planen von Wechselbrücken leichter aufgeschlitzt werden als feste Seitenwände. Generell sind Wechselbrücken nicht für den intermodalen Transport geeignet. Die fehlende Standardisierung der intermodalen Ladungsträgereinheiten verhindert die Verbindung der verschiedenen Transportmodi und verursacht Kosten durch zusätzlich benötigte Verladetechnologien und durch das Umladen der Ware in andere Ladungsträger bei der Nutzung trimodaler Relationen. Inovative Ladungsträgereinheit Vor diesem Hintergrund wurde im Projekt “TelliBox - Intelligent MegaSwapBoxes for advanced intermodal freight transport” (grant agreement n° 217856) innerhalb des 7. Rahmenprogramms der EU ein Prototyp einer universellen 45 Fuß-Ladungsträgereinheit entwickelt. Sie bietet aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten (Straße, Schiene, Binnen- und Kurzstreckenseeschiffahrt) einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Straßenverkehrsnetzes. Die Trimodalität der Ladungsträgereinheit ermöglicht die Nutzung verschiedener Transportmodi und macht sie auf Straße, Schiene und Binnen sowie Kurzstreckenseeschiffahrtswegen gleichermaßen einsetzbar. Durch ihre Laderaumhöhe von 3 m, eine Gesamtlänge von 45 Fuß und eine Breite von 2,55 m bietet sie ein Laderaumvolumen von insgesamt 100 m3 und kann auch die besonders in der Automobilindustrie weitverbreiteten Racks (gestapelt 3 m Höhe) aufnehmen. Die Anhebbarkeit des Daches unterstützt dabei den einfachen Be- und Entladeprozess und gewährleistet die vollständige Ausnutzung der Laderaumhöhe auch unter Berücksichtigung des Einsatzes eines Staplers. Zur Vereinfachung und Eizienzsteigerung des Be- und Entladeprozesses kann dieser bei der neuen Ladungsträgereinheit durch das Heck erfolgen, aber auch durch die weit zu öfnenden Seitentürsegmente. Dadurch kann die Ladungsträgereinheit so eizient wie eine Wechselbrücke mit Planenaubau be- und entladen werden, vermindert dabei aber aufgrund ihrer festen Seitenwandkonstruktion das Risiko des Ladungsdiebstahls. Zur Steigerung der Einsetzbarkeit dieser Ladungsträgereinheit orientiert sich die Auslegung an bisherigen Standards. Die Ladungsträgereinheit bietet dabei Eckbeschläge bzw. Anbindungspunkte an der 40- und 45 Fuß-Position in der Bodengruppe, was die Nutzung bisheriger Waggons ermöglicht, sowie Eckbeschläge im Dach an der 45 Fuß-Position, was die einfache Kranbarkeit mit einem Terminalkran, von oben ermöglicht. Zusätzlich ist es möglich, die Ladungsträgereinheit über Greikanten in der Bodengruppe umzuschlagen. Zur Reduzierung des Platzbedarfs im Terminal oder auch auf dem Schif kann die Einheit dreifach gestapelt werden. Nach der erfolgreichen Zertifizierung für den Einsatz im realen Güterverkehr (UIC, CSC und DIN EN 12642 Code XL) ist die neue Ladungsträgereinheit auf einer über 5 000 km langen Demonstrationsfahrt getestet worden. Innerhalb der ersten von insgesamt zwei Demonstrationsphasen legten die TelliBox und ein ebenfalls speziell entwickeltes Chassis typische Strecken zurück, auf denen gegenwärtig Güter der Automobilindustrie transportiert werden. Bis- Abb. 2: Der Be- und Entladeprozess kann sowohl durch das Heck als auch durch die weit zu öfnenden Seitentürsegmente erfolgen. Foto: TelliBox Commission of the European Communities (2006): Keep Europe moving - Sustainable mobility for our continent, Brussels. DVZ (2010): Mittelfristprognose für den Güterverkehr - Ramsauer: Transportaufkommen wächst, Ausgabe 12.08.2010. European Commission (2006): Midterm-review of the White Paper on European transport policy, Brussels. EUROSTAT (2006): EU Energy and Transport in Figures, Brussels, 2006. Verkehrs Rundschau (2005): Kombinierter Verkehr: 205 Millionen Tonnen befördert, Wiesbaden. LITERATUR Eckart Hauck, Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Bereichsleiter Product Engineering, IMA der RWTH Aachen Sabina Jeschke, Prof. Dr. rer. nat. Direktorin des Institutscluster IMA/ ZLW & IfU der RWTH Aachen Sebastian Jursch, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Product Engineering, IMA der RWTH Aachen Projektkoordinator TelliBox her konnten diese Transportstrecken ohne Ladungsträgerwechsel lediglich über den Straßen und Binnenbzw. Kurzstreckenseeverkehr genutzt werden, eine zusätzliche Nutzung der Schiene war jedoch ohne Umladen der Ware nicht möglich. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 64 TECHNOLOGIE Umwelt Bereits im Jahr 2030 sollen 50 % des Energieverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Strom aus Ofshore-Windenergieanlagen kann einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Energie- und Klimapolitik leisten. Mit der Weiterentwicklung der Technologie, die sich an Land als zuverlässig und kostengünstig erwiesen hat, lassen sich diese Potenziale erschließen. B is zum Jahr 2020 sollen 10 000 MW vor der deutschen Küste installiert sein. Dann werden sich in deutschen Gewässern 2 000 bis 3 000 Anlagen drehen. Dazu kommen noch allein in Großbritannien 7 000 Anlagen bis 2020. Bis zum Jahr 2020 werden in Deutschland ca. 50 Mrd. EUR investiert werden, bis zum Jahr 2030 weitere 75 bis 100 Mrd. EUR. In ganz Europa wird sich diese Summe vermutlich vervierfachen. Zur Zeit ist in Europa das Vereinigte Königreich führend in diesem Segment. Das liegt an der höheren Förderung auf der Insel mit ca. 18 € ct je Kwh im Vergleich zu 15 € ct in Deutschland. Das internationale Kapital sucht sich natürlich zuerst den Weg zu den besseren Renditen. Deutschland ist aber sicherlich der Markt mit den größten Wachstumsprognosen in den kommenden zehn Jahren. Die Märkte sind ofen und die Branche auf ein großes Wachstum eingestellt. Jetzt sind die Herausforderungen einer neuen Industrie zu meistern. Der Nordwesten der Republik ist bereits heute ein einmaliges Cluster der Windindustrie. Insbesondere im Dreieck zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Oldenburg befinden sich eine ganze Reihe von Firmen, die sich in dem Feld der Ofshore-Windindustrie bewegen. Bremerhaven und Cuxhaven sind ein weltweit führendes Cluster mit einer Häufung von Produzenten der verschiedenen Komponenten für Windenergieanlagen. Dieses auszubauen muss das Ziel der deutschen Wirtschaft sein. Heute betragen die gesamten Logistikkosten für einen Windpark mit 80 Anlagen in der deutschen Nordsee ca. 250 bis 300 Mio. EUR. Das sind 25 bis 30 % der gesamten Investitionen. Ziel dieser Branche ist es, diese Kosten um mindestens 20 % zu senken. Hierfür werden neue Konzepte und insbesondere die Erfahrungen aus anderen Bereichen benötigt. Wetterunabhängige Errichtungsplanung und Supply-Chain Steuerung Eine hohe Prozesstransparenz in der Supply-Chain-Steuerung ist − wie in der Automobilindustrie - auch in der Windenergie von hoher Bedeutung. Mögliche Prozessfehler, wie z. B. falsche Komponenten, führen ebenfalls zu hohen Folgekosten. Bestehende IT-Lösungen bilden einen Großteil der Prozesse innerhalb der Supply-Chain ab, können jedoch nicht nicht alle Störgrößen im Materialfluss bis zur Errichtung auf See abdecken. Die gesamte Materialzulaufsteuerung zu einem Ofshore-Windpark, umfasst unter anderem die Festlegung von Bestandszielen in zentralen Lägern oder Verschifungshäfen, aber auch die Harmonisierung von Fertigungs- und Lieferzeiten mit den witterungsabhängigen Errichtungsphasen. Die Durchführbarkeit von Errichtungs- und Wartungsarbeiten ist stark von den Strömungsverhältnissen und Wetterbedingungen auf See abhängig. Eine logistikorientierte Softwarelösung für die Montage von Ofshore-Windenergie- Anlagen (OWE), die Witterungseinflüsse berücksichtigt, befindet sich in der Entwicklung. Die Umsetzung dieses Konzeptes des Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH (BIBA) soll mit den Industriepartnern BLG Logistics Group und BHT (Beluga Hochtief ) erfolgen. Die Anlagen haben eine Höhe von 150 m, stehen in 30 m tiefem Wasser und sind bis zu 60 m tief in den Meeresboden gerammt; die Rotoren haben einen Durchmesser von 120 m. Die Technik auf dem Meer ist neu und viele Herausforderungen noch gar nicht bekannt. Zur Eröfnung des deutschen Testfeldes Alpha Ventus sprach eine norwegische Zeitung gar von Germany´s Moonlanding. Bei der Errichtung des Ofshore-Testfeldes haben die Investoren EWE, Vattenfall und E.ON teures Lehrgeld gezahlt. Ohne funktionierende Liefer- und Transportketten hatten sie die Einzelkomponenten aus drei Himmelsrichtungen zum Baufeld transportieren müssen. „Ohne einen solchen; Komponententourismus’, mit nur einem Basishafen, wo auch Produktion und Montage erfolgten, ließen sich Millionensummen einsparen. Auf mindestens 130 Mrd. EUR wird der Ofshore-Markt in der Nordsee in den kommenden zehn Jahren geschätzt. Die Logistikkosten werden derzeit auf ein Viertel der gesamten Installationskosten eines Windparks geschätzt, das macht in der Regel einen hohen dreistelligen Millionenbetrag aus. Mit unserer Hilfe soll es gelingen, die Ausgaben um 10 bis 15 % zu senken“, stellte der Geschäftsführer für Ofshore Wind der BLG Logistics Group Andreas Wellbrock Ende des Jahres 2010 im Weser-Kurier fest. Ausbau der Hafeninfrastruktur Ende Mai 2011 findet die nächste Nationale Maritime Konferenz in Wilhelmshaven statt. Hier wird sich die Bundesregierung entscheiden müssen, inwieweit sie den notwendigen Ausbau auch kurzfristig unterstützen will. Es wird einen Ausbau der Häfen an der Nord-und Ostseeküste geben müssen, um die nationalen Energieziele erreichen zu können. Hierzu gehört ein Masterplan, der von der Bundesregierung auch finanziell unterstützt werden muss. Mindestens 1 Mrd. EUR muss in drei Häfen fließen, die an der Nordseeküste liegen, und in einen Hafen an der Ostseeküste. Vier Häfen sind mindestens erforderlich, um die beschriebenen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung auch erreichen zu können. Aber neben dem Ausbau der Hafeninfrastruktur sind auch gerade hier neue Logistikkonzepte erforderlich. Ein Beispiel hierfür ist die Wind Feeder Barge als Umschlaginnovation. Für die hafeninterne Logistik von Containern wurde ursprünglich die Port Feeder Barge entwickelt. Das selbstfahrende Fahrzeug mit eigenem Umschlaggerät wurde für den Einsatz als „schwimmendes Terminal“ Frischer Wind für die Energieversorgung Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 65 in der Containerumfuhr, Feeder Operation und Binnenschiffahrt geplant. Die Gemeinschaftsstudie „Wind Feeder Barge“ der Port Feeder Barge GmbH, der Bremer Unterweser Reederei GmbH und der Bremer Logistikdienstleister BLG Logistics Group sieht die Erweiterung des Einsatzbereiches um den Transport und selbständigen Umschlag von Ofshore-Windenergie Komponenten, wie z. B. Rotorblättern und Turmsegmenten im Rahmen der Montagelogistik im küstennahen Transport für die Ofshore-Windenergie vor. Neben den erwähnten Größen sind auch völlig neue Schwergewichte bei den Ofshore Komponenten mit im Spiel. Die Trafoplattformen der neuen Generation werden bis zu 4500 t wiegen und müssen auf das Wasser gebracht werden. Hierzu bedarf es neuer Ideen und Konzepte. Ein Beispiel ist hier der Ponton mit innovativem Schienensystem zum standardisierten Umschlag von Superschwerlastkomponenten. Der Nearshore-Transport von OWE- Komponenten ist mit vorhandenen Transportmitteln an Land und Wasser sehr zeitintensiv und führt aufgrund fehlender Standardisierung zu aufwendigen Individuallösungen. Um das Übersetzen und die Befestigung der Komponenten auf dem Ponton wirtschaftlich und sicher zugleich zu gestalten, wurde ein Schienensystem entwickelt, das verbunden mit einem neuartigen Sea-Fastening-System zu einer deutlichen Beschleunigung des Umschlagvorgangs führen wird. Dasselbe System soll entsprechend auf den Errichterschifen zum Einsatz kommen, so dass ein durchgängiger Standard etabliert wird. Für das Umsetzen und den Transport der Superschwerlast- Komponenten hat die BLG Logistics Group zusammen mit Partnern ein Ballastsystem für den Ponton entwickelt, das dem Prozess maximale Stabilität verleiht. Mit neuen Konzepten haben die deutschen Häfen eine große Chance auch Aufträge vor der britischen Küste von Deutschland aus zu beliefern. Es ist in der Vergangenheit häufig vorgekommen, dass Siemens-Anlagen aus Esbjerg in Dänemark direkt vor der britischen Küste aufgebaut wurden, ohne dass ein Schif jemals britische Gewässer erreicht hat. Ein weiterer Schwerpunkt in den nächsten Jahren soll der Bereich von Service und Wartung sein. Hier wird es spezielle Konzepte geben, die von Windpark zu Windpark variieren werden. Wichtig ist hier ein möglichst kurzer Weg von Servicehafen zum Park. Die Wind MW in Bremerhaven, die z. B. den Park Meerwind konzipiert, der vor der Küste von Schleswig-Holstein liegt, hat ein Servicekonzept auf der Insel Helgoland vorgesehen. Ebenfalls wird es unterschiedliche Konzepte geben, die entweder per Helikopter oder mit dem Schif die Wartung übernehmen werden. Entscheidend dabei ist die Entfernung zum jeweiligen Park und das damit verbundene Servicekonzept. Im Bereich der Windanlagen an Land gibt es mittlerweile eine Exportquote von über 80 %. Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Bereich der Ofshore-Anlagen erwartbar. Hier braucht Deutschland geeignete Häfen, um den wachsenden Weltmarkt zu bedienen. In Europa werden dieses neben Deutschland und Großbritannien die Länder Schweden, Frankreich und Italien sein. Weltweit bereitet sich die USA auf den Einstieg in die Ofshore-Branche vor. Ebenfalls sind in Asien diverse Länder vor dem Sprung ins Wasser. Deutschland braucht also mindestens vier Basishäfen und diverse Service- und Exporthäfen. Hier liegt die Aufgabe der Bundesregierung, diesen Ausbau finanziell auf den Weg zu bringen und die neuen Standorte entsprechen zu koordinieren. Multipurpose-Schife Neben dem Ausbau der Häfen ist auch eine ganze Reihe von neuen Schifen erforderlich. Hier gibt es zur Zeit unterschiedliche Konzepte für die Montage der Anlagen auf hoher See. Die Erfahrungen von Alpha Ventus zeigen hier eine eindeutige Tendenz: Die Arbeiten auf hoher See sollten auf ein Minimum konzentriert werden. Dieses erfordert neue Logistikkonzepte an Land. Ebenfalls wird der Ofshore-Bereich die Schifslandschaft in der Welt verändern. Die Bremer Reederei Beluga hat hier einige innovative Konzepte in den letzten Jahren vorgestellt. Montage des Ofshore-Windparks Horns Rev II Foto: Siemens Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 66 TECHNOLOGIE Umwelt Wichtig sind Multipurpose-Schife, die Aufbau, Wartung und Kabelanschlüsse in einem Arbeitsgang erledigen können. Neben den Errichterschifen gibt es besondere Service- und Wartungsschife, die auf die spezifischen Anforderungen zugeschnitten sein müssen. Einen Ansatzpunkt bieten hier die Erfahrungen der Öl- und Gasindustrie. Erfahrungen zeigen, dass durch eine Kooperation deutlich Kosten eingespart werden können. Die Windenergieagentur WAB e.V., das führende deutsche Netzwerk der Ofshorebranche mit mehr als 300 Mitgliedern, hat aus diesem Grund im letzten Jahr eine Studienreise nach Norwegen durchgeführt. Die norwegische Industrie hat ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt. Für die deutsche Werftindustrie wird der Ofshore-Sektor zu einer Art Überlebensfrage. Bisher sind fast alle Neubauaufträge im Ausland bestellt worden. Im Dezember 2010 ist es der SIETAS Werft mit Sitz in Hamburg gelungen, einen Neubauauftrag für dieses attraktive Segment für Deutschland zu gewinnen. Der Auftrag kam aus den Niederlanden. Ein weiterer Beweis, wie international das Geschäft geworden ist. Die Bundesregierung muss sicherlich prüfen, welche Unterstützungsmöglichkeiten sie hat, um diesen Teil des Schifsbaus in Deutschland zu halten. 2011 − ein wichtiges Jahr für die Windindustrie Trotz aller Chancen für die Ofshore-Windindustrie gibt es einige Risiken, die nicht unerwähnt bleiben sollen. In diesem Jahr soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz überarbeitet werden. Es muss gelingen, die bisherige Förderung mindestens zu erhalten, und durch eine zeitliche Konzentration der Förderung auf weniger Jahre eine bessere Rendite zu erzielen. Darüber hinaus brauchen die Projektentwickler eine langfristige Sicherheit für ihre Projekte, so dass eine Begrenzung auf wenige Jahre für die Laufzeit der nächsten EEG-Novelle sicherlich wenig hilfreich ist. Ein weiterer Schwerpunkt soll ein neues Testfeld mit dem Namen Beta Ventus sein. Die Branche ist neu und innovativ, aber sie braucht auch Plätze und Vorhaben, bei denen sie sich weiter entwickeln kann. Hierzu gehört die Erprobung der neuesten Technologien im Echtbetrieb. Das Testfeld könnte die neuen Anlagen der 6 MW-Klasse beheimaten, ebenso die Betonfundamente der Strabag Ofshore und darüber hinaus neue Aubaumöglichkeiten testen. Wir sind ofen für neue Ideen und freuen uns auf Vorschläge, wie die Branche Kosten einsparen kann. Kontaktieren Sie die Stiftung, wenn Sie Vorschläge haben oder an einer Mitarbeit interessiert sind. Als Ansprechpartner stehen der Vorstand und der Geschäftsführer zur Verfügung. Jens Eckhof Präsident der Deutschen Stiftung zur Förderung der Ofshore-Windindustrie Geschäftsführer Ihoch5 GmbH, Bremen eckhof@ihochfuenf.de ɷ Wind Feeder Barge für den Transport und selbstständigen Umschlag von Ofshore-Windenergie-Komponenten Foto: BLG Fit für Transport und Logistik Großes Themenspezial LOGISTIK zur Messe transport logistic: Vernetzung der Verkehrsträger Einzelwagenverkehre Schiene Sea-Air-Konzepte Umschlagtechnologien Logistikdienstleistungen KEP Megatrucks Präsentieren Sie hier Ihr Unternehmen! Anzeigenschluss: 28.02.2011 Erscheinungstermin: 28.03.2011 Kontakt: Sophie Elfendahl Tel.: 040 / 237 14 - 220 Sophie.Elfendahl@dvvmedia.com Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 67 Wrightbus Brennstofzellenbusse in London Die Bussparte der irischen The Wright Group hat an die Firstgroup plc zwei von insgesamt acht geplanten Wasserstof-Hybrid-Bussen ausgeliefert. Die Fahrzeuge sind in London auf der Linie RV1 zwischen Covent Garden und Tower Hill unterwegs und die erste Null-Emission-Linie in Großbritannien. Die Technik stammt vom ISE aus den USA. Wrightbus hat Brennstofzellen als Antrieb mit der Rückgewinnung von Bremsenergie kombiniert. Die Speicherung erfolgt in Supercaps. Insgesamt hat Transport for London (TfL) umgerechnet 21 Mio. EUR in die neue Flotte investiert, ein Teil stammt aus dem EU-Projekt „Cleaner Hydrogen in Cities“ (CHIC). (zp) Funkwerk Infosysteme für Finnland Für die finnische Eisenbahn VR hat die Hörmann Funkwerk Kölleda GmbH, Kölleda, ein multilinguales Informationssystem entwickelt, das nun an rund 200 finnischen Bahnhöfen und in den Betriebszentralen der finnischen Verkehrsgesellschaft installiert wird. Die Information erfolgt in Echtzeit. Darüber hinaus übernimmt das System einen Großteil der täglichen Routinearbeiten der Betriebszentralen. Der Auftrag aus Finnland ist die bislang umfangreichste Einzelinstallation des neuen Informationssystems von Funkwerk. (cm/ zp) Deutsche Bahn ICE-T und ICE 3 mit ETCS Level 2 Die Deutsche Bahn AG will 71 ICE-T Neigezüge und 50 ICE 3 mit dem Zugsicherungssystem ETCS Level 2 ausrüsten. Der Auftrag im Wert von rund 60 Mio. EUR ging an Alstom. Die ETCS- Ausrüstung Atlas wird in den Alstom-Werken Charleroi (Belgien) und Villeurbanne (Frankreich) hergestellt. Die Integration der Systeme in die Züge erfolgt in Krefeld und Nürnberg. (cm/ zp) Kockums Industrier Neues für die RoLa Einen innovativen Wagen für die Rollende Landstraße (RoLa) hat das schwedische Unternehmen Kockums Industrier AG, Malmö, auf der Innotrans präsentiert. Ähnlich dem Modalohr-Wagen schwenken bei jedem Waggon die Ladeflächen seitwärts aus. Damit ist der gesamte Zug schneller zu be- und entladen. Der Verschub der Ladefläche erfolgt hydraulisch, die Anschlüsse für die E-Pumpe finden sich in allen vier Waggonecken. Der Megaswing wird künftig sowohl als Vierachser als auch als sechsachsiger Gelenkwagen mit zwei Ladeflächen angeboten. (cm/ zp) Der vierachsige Waggon wiegt knapp 24 t. Foto: Kockums Industrier Railpool 42 Loks bestellt Die Münchner Railpool GmbH baut ihre Lokomotivflotte weiter aus, um den steigenden Bedarf an Mieteinheiten zu bedienen. Mitte Dezember hat der Vermieter von Schienenfahrzeugen bei Bombardier und Siemens insgesamt 42 Loks bestellt, die bis Mitte 2013 auf die Schiene gebracht werden sollen. 36 Einheiten sind verschiedene Traxx-Modelle von Bombardier, Siemens Mobility liefert sechs Lokomotiven der neu entwickelten Vectron-Linie in der Version AC mit 6,4 MW Leistung und einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/ h. Dies ist der erste Vectron-Auftrag für Siemens. Neben Fahrzeugen für den Schienenpersonennahverkehr umfasst das Portfolio von Railpool mittlerweile 100 Elektro-Loks. (zp) Bertocco / Shell Umkippschutz für Lkw Den „Eurotra Safety and Innovation Award“ hat Ende 2010 ein System von Shell Chemicals und dem Bremsenhersteller Bertocco erhalten. Es soll verhindern, dass Lkw umkippen. Das System besteht aus einem Sensor an der Hinterachse des Aufliegers oder Anhängers und einem Empfänger im Fahrerhaus. Der Sensor überwacht die seitlichen Bewegungen des Aufliegers und warnt den Fahrer mit akustischen und optischen Signalen, wenn sich das Gespann ungewöhnlich verhält und der Lkw umzukippen oder sich zu überschlagen droht. Es lässt sich gut bei älteren Lkw, die nicht über eine elektronische Stabilitätskontrolle (ESP) verfügen, nachrüsten. Eurotra ist ein Netz von Schulungsorganisationen im Transport- und Logistikgewerbe. (gm/ zp) Höft & Wessel Überregionales E-Ticketing Eine erste interoperable Lösung in Deutschland nach der VDV-Kernapplikation für E-Ticketing hat der Geschäftsbereich Almex der Höft&Wessel-Gruppe, Hannover, für zwei Verkehrsverbünde realisiert. In den beiden baden-württembergischen Landkreisen Schwäbisch Hall und Ostalbkreis können Fahrgäste mit ihrem E-Ticket nun in beiden Regionen mit den Linienbussen unterschiedlicher Verkehrsunternehmen fahren. - Und das, obwohl beide Systeme unterschiedlich funktionieren: Während im Ostalbkreis der Fahrpreis beim Einstieg in den Bus sofort abgebucht wird, setzt Schwäbisch- Hall ein Check-in/ Check-out-System ein. Die Kosten für die Fahrt werden dann zum günstigsten Preis berechnet. (zp) Das System besteht aus zwei Komponenten. Foto: Volvo Trucks China Rekord auf der Schiene Auf einer Testfahrt hat Anfang Dezember 2010 ein Zug des Typs CRH380A auf Chinas Gleisnetz eine Geschwindigkeit von 486 km/ h erreicht. Nach chinesischen Angaben ist dies nicht nur ein Rekord für das Land, sondern auch ein Rekord für einen „nicht modifizierten, konventionellen“ Hochgeschwindigkeitszug. Die Fahrt fand auf einem Teilstück der noch nicht eröfneten 1300 km langen Strecke Peking - Shanghai statt, die 2012 in Betrieb gehen soll. (cm/ zp) Airbus Showroom in Hamburg Ein eigenes Kabinendesignzentrum für den geplanten Airbus A350 errichtet der Flugzeugbauer Airbus in Hamburg. Im 3000 m2 große Showroom können Kunden diverse Gestaltungsmöglichkeiten im Original begutachten und im Rahmen einer 3D-Simulation auch virtuell durch ein dreidimensionales Modell des schon fertig nach eigenen Wünschen ausgebauten kompletten Flugzeuginnenraums gehen. (zp) Traxx Cargo-Lok E186 103 Foto: Richter INDUSTRIE + TECHNIK Internationales Verkehrswesen (62) 4 | 2010 68 INDUSTRIE + TECHNIK Internationales Verkehrswesen (62) 4 | 2010 68 Handbuchwissen zu Technik und Management moderner Bahnen Jahrbuch für Schienenverkehr Der EISENBAHNINGENIEURKALENDER (EIK) vermittelt auch in der neuesten Aulage wieder Handbuchwissen zu Technik und Management moderner Bahnen. Aktuelle Themen aus wichtigen Bereichen, wie z.B. Bahnanlagen + Instandhaltung, Fahrzeuge + Instandhaltung, IT-Technologie + Systeme, Projekt- + Baumanagement, Arbeitsschutz + Umwelt oder Forschung + Entwicklung werden in ausführlichen Darstellungen und Fachbeiträgen behandelt. Zusätzlich erhalten Sie eine Übersicht über die aktuellen Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Schienen- und Bahnverkehr an deutschsprachigen Hochschulen, wichtige Informationen für den Eisenbahningenieur sowie ein Bezugsquellen-Verzeichnis zu Produkten und Dienstleistungen für Bahnen. Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ eik. Hier inden Sie auch eine Leseprobe. NEUERSCHEINUNG Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0412-6, Format 148 x 215 mm, Broschur Preis : € 39,80 inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten Adresse: DVV Media Group GmbH | Eurailpress · Telefon: +49 40/ 2 37 14-440 · Fax: +49 40/ 2 37 14-450 · E-Mail: buch@dvvmedia.com Weitere Informationen unter www.eurailpress.de/ eik Herausgeber: Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure e.V. (VDEI) Elektromobilität Transporter für Berlin — Potsdam Die Spedition Meyer & Meyer Transport Logistics GmbH & Co KG, Osnabrück, setzt zwei Verteiler-Lkw vom Typ MAN TGL ein, die durch den niederländischen Elektrospezialisten AGV zu vollelektrischen Fahrzeugen umgebaut wurden. Dieselmotor, Getriebe und Kühlung sind gegen Elektroantriebstechnik und Batterie getauscht. Die Reichweite der beiden Fahrzeuge beträgt nach Angaben des Unternehmens 120 bis 220 km, das Fahrzeugmehrgewicht liegt bei 700 kg. Die Moderzeit noch stark verlustbehaftet, der efektive Wirkungsgrad der Solaranlage sinkt. Entsprechendes gilt auch bei anderen elektrotechnischen Anlagen. Das Einsparpotenzial durch den Einsatz neuartiger, hocheizienter Leistungselektronik wird auf weit mehr als 20 % des gesamten Bedarfs an elektrischer Energie geschätzt. (zp) Helmholtz-Institut Batterieforschung in Ulm Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat Anfang Januar mit der Universität Ulm das neue Forschungszentrum „Helmholtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung“ (HIU) gestartet. Assoziierte Kooperationspartner sind das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstof-Forschung (ZSW) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das jährliche Budget beträgt 5 Mio. EUR. (zp) Einer der umgerüsteten 12-t- Elektro-Lkw mit Wechselbrücke für die Textillogistik. Foto: Roeser Fraunhofer IAF E ziente Leistungselektronik Hocheiziente Leistungswandler auf der Basis des innovativen Halbleitermaterials Galliumnitrid (GaN) sind eine neue Schlüsseltechnologie für die regenerative Energieerzeugung und Elektromobilität. Transistoren aus Galliumnitrid sind bei hohen elektrischen Spannungen und Strömen wesentlich energieeizienter als Silizium. Forscher erwarten ein Einsparpotenzial von mehr als 50 % durch den Einsatz dieser neuen Technologie. Zur praktischen Erprobung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Galliumnitrid-Technologie will ein Forschungskonsortium zwei Demonstratoren realisieren, unter anderem einen Leistungswandler zum eizienten Laden der Batterien eines Elektrofahrzeugs. Im Rahmen des Förderprogramms „IKT2020“ (Informations- und Kommunikationstechnologien) fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Forschungsvorhaben zum Thema „Leistungselektronik zur Energieeizienzsteigerung (LES)“. Im Rahmen dieses Förderprogramms wurde ein Verbundprojekt mit der Bezeichnung „Power GaN Plus“ unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF in Freiburg mit einem Gesamtvolumen von knapp 2,8 Mio. EUR für einen Zeitraum von drei Jahren bewilligt. Die geringe Gleichspannung bei gleichzeitig hoher Stromstärke, die beispielsweise eine Photovoltaikanlage liefert, muss für die Einspeisung in das öfentliche Netz in Wechselstrom mit hoher Spannung umgesetzt werden. Dieser Umwandlungsprozess ist Leistungstransistoren aus Galliumnitrid für Systemtests Foto: Fraunhofer IAF Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 69 tes Containerschif für Binnengewässer vorgestellt. Der Leichter verfügt über einen eigenen Antrieb, muss also nicht von anderen Schifen gezogen oder geschoben werden. Ein 550 PS starker externer Bugstrahlmotor soll für gute Manövrierfähigkeit sorgen. Die Duisburger Triton-Werft A. Mause GmbH & Co. KG hat das 83 m lange und 9,5 m breite Schif gebaut, das bei voller Auslastung bis zu 144 TEU befördern kann. Der Leichter namens „Franc“ soll in der Flotte der Elbe Container Linie 18 Monate lang in einem Großversuch getestet werden. (zp) Lufthansa Biosprit im Linienverkehr Von April 2011 an will die Deutsche Lufthansa AG als erste Fluggesellschaft weltweit Biotreibstof im Regelbetrieb einsetzen. Ein Triebwerk eines Airbus A321 soll zunächst sechs Monate lang mit einem Kerosingemisch versorgt werden, das zur Hälfte aus Biosprit besteht. Untersucht wird, wie sich der Treibstof auf die Wartung und Lebensdauer des Triebwerks auswirkt. Experten des Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) messen Schadstofdaten. Erwartet wird, dass bei der Verbrennung des Biokraftstofs deutlich weniger Rußpartikel entstehen. Das Projekt kostet 6,6 Mio. EUR, von denen die Bundesregierung 2,5 Mio. übernimmt. Geflogen wird zwischen Hamburg und Frankfurt. Lufthansa will spätestens in 15 Jahren dem Flugbenzin generell einen Anteil von 5 bis 10 % Biokraftstof beimischen. Der synthetische Treibstof ist etwas leichter als Kerosin aus Erdöl und hat bei gleicher Menge einen um 4 % höheren Energiegehalt. Für den Test wird ein Gemisch verwendet, das zu 60 % aus dem Öl der subtropischen Jatropha- Pflanze sowie aus Rapsöl und tierischen Fetten besteht. Hersteller ist das finnische Unternehmen Neste Oil. (zp) Airbus A321 Foto: Lufthansa Elektroauto Nissan Leaf Foto: Peachygreen.com torleistung der 12-t-Lkw liegt bei 120 kW. Zum Einsatz kommen sollen die beiden Lkw zunächst zwischen dem Meyer & Meyer-Distributionszentrum in Potsdam und der C&A-Filiale am Ku'damm. Die Umrüstung der Fahrzeuge und der Aufbau der Elektrotankstelleninfrastruktur wird vom Bund im Rahmen der nationalen Förderung der E-Mobilität in der Modellregion Berlin/ Potsdam mit bis zu 50 % finanziell gefördert. Ebenfalls gefördert wird die Deutsche Post DHL, die in derselben „Modellregion Elektromobilität“ des BMVBS drei Iveco Daily Electric einsetzen will, die von Iveco selbst in Kleinserie produziert werden. Sie haben eine Reichweite von 90 km bei einer Leistung von maximal 60 kW. Zum Einsatz kommen Natriumnickelchlorid-Hochtemperatur-Batterien mit Vakuumisolation. In Kirchheim unter Teck ist ein von Dieselauf Elektroantrieb umgerüstetes Zustellfahrzug für UPS unterwegs. Den Umbau übernahm Elektrofahrzeuge Schwaben (EFA-S). Seit 2009 sind bereits sechs Elektro-Einheiten des britischen Unternehmens Modec für UPS in Deutschland im Einsatz. (zp) Nissan / Mitsubishi E-Autos kommen an Erstmals gewann ein Elektroauto den Preis „Auto des Jahres 2011“ , der Nissan Leaf. 4,45 m lang, maximal 145 km/ h schnell, 160 km Reichweite und mehr als 30 000 EUR teuer lag er knapp vor dem Alfo Romeo Guiletta. Die 250 kg schwere Lithium-Ionen-Batterie ist im Zentrum des Fahrzeugbodens angebracht und sorgt für einen tiefen Schwerpunkt. Die Jury bestand aus 58 Motorjournalisten aus 23 europäischen Ländern. Das erste in Großserie gefertigte Elektroauto bringt Mitsubishi mit dem Viersitzer i-Miev auf den deutschen Markt. (zp) Inotec Robuste RFID-Etiketten Unversehrt bleibt nach Herstellerangaben das neue RFID-Etikett der Inotec Barcode Security GmbH, Neumünster, in automatischen Behälterwaschstraßen. Zudem sei es kratzfest, UV-beständig und halte Temperaturen zwischen minus 32 und plus 90° C stand. Damit ist es besonders für stark beanspruchte Mehrwegbehälter und Kunststofpaletten geeignet. (zp) CEN-Norm CO 2 -Berechnung im Transport Der aktuelle Entwurf der Europäischen CEN-Norm zur Berechnung von Energieverbräuchen und Treibhausgasemissionen in der Transportlogistik ist im Dezember 2010 erstmals öffentlich vorgestellt worden auf einer Veranstaltung der „Verkehrsrundschau“. Kern des Papiers, das im Februar vom Deutschen Institut für Normung (DIN) in einer Vorversion veröfentlicht wird, sind Leitlinien zur konkreten Berechnung der CO 2 -Emissionen bei Güter- und Personentransporten. Stationäre Prozesse wie Lagerhaltung oder Umschlag werden hingegen nicht berücksichtigt. Das deutsche DIN-Gremium ist an der Erarbeitung der CEN-Norm beteiligt. Die Norm enthält vier Grundformeln, nach denen der Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen bei Transporten verkehrsträgerunabhängig ermittelt werden. Die Norm schreibt vor, dass nicht nur Energieverbrauch und Emissionen berechnet werden müssen, die bei der Verbrennung des Treibstofs während des Transports entstehen (Tank-to- Wheel), sondern auch jene Emissionen und Energieaufwände ausgewiesen werden müssen, die bei der Herstellung und Verarbeitung des Treibstofs anfallen (Well-to- Wheel). Basis für die Berechnung ist der tatsächliche Kraftstofverbrauch während eines Transports, wobei auch Leerfahrten und der komplette Rundlauf eines Fahrzeugs berücksichtigt werden. Erstmals werden einheitliche Umrechnungsfaktoren geliefert, mit denen aus dem Verbrauchswert die Treibhausgasemissionen berechnet werden können. So sind Zahlen von Unternehmen künftig international vergleichbar. Die endgültige Fassung der CEN- Norm wird voraussichtlich erst im Sommer 2012 erscheinen. Zuvor können Unternehmen und Verbände noch Änderungswünsche einbringen. (zp) New-Generation Stift spart Sprit Ein Metallstift, angebracht im Tank eines Fahrzeugs oder and der Treibsto eitung, sorgt für eine verbesserte Treibstofverbrennung und spart so Sprit. Das österreichische Unternehmen New-Generation Bio, Burgkirchen, hat einen Metallstift entwickelt, der wie ein Schwingungsträger wirkt und so zur Anregung der Plasmabildung im Treibstof führt. Das wiederum bereitet den Kraftstof für eine optimale Verbrennung vor. Erprobt hat das die Wiener Lokalbahn-Verkehrsdienste GmbH in mehreren Fahrzeugen und eine Reduktion je nach Fahrzeug zwischen 10 und 15 % erzielt. (zp) Vollert Anlagenbau Robots für Hansaport Die Hansaport Hafenbetriebsgesellschaft mbH, Hamburg, bekommt zwei neue Rangierrobots der Vollert Anlagenbau GmbH, Weinsberg, zum automatischen Rangieren von Zügen zur Be- und Entladung mit Kohle und Eisenerz. Anfang Februar 2011 sollen die beiden Maschinen in Deutschlands größtem Seehafenterminal für Schüttgüter ihren Betrieb aufnehmen. Die diesel-elektrischen Robots können ein Zuggewicht bis 6000 t bewegen. Hansaport besitzt einen eigenen Bahnhof mit 15 Gleisen. Rund 15 Mio. t werden jährlich gelöscht und geladen. Zwei Drittel davon gehen zum Weitertransport auf die Schiene. (zp) Triton-Werft Leichter mit Antrieb Die Magdeburger Hafen GmbH und die Deutsche Binnenreederei AG haben ein neu entwickel- For further information and order form please visit www.progtrans.com or contact directly: ProgTrans AG Email: info@progtrans.com Gerbergasse 4 Phone: +41 (0)61 / 560 35 00 CH - 4001 Basel Fax: +41 (0)61 / 560 35 01 It focuses on transport demand in terms of passengerand tonne-kilometres between 2000 and 2025, for land transport modes and types of transport. The development of modal split is also analysed. In addition the mileage of road and rail transport is shown as well as the road vehicle stock. Air transport covers loaded and unloaded freight and departed passengers. For the fifth time ProgTrans AG issues long-term forecasts now for 40 countries all over the world covering almost 60 % of the world’s population. The ProgTrans World Transport Reports provide comprehensive data analyses and forecasts of the most important indicators of passenger and goods transport, as well as their socio-economic determinants. World Transport Reports Edition 2010 / 2011 Volume I: 27 EU Member States + Switzerland Volume II: 13 countries of Europe and Overseas Ü analyses and forecasts for goods and passenger transport up to 2025 Ü for 40 countries world wide covering about 60 % of world's population prog trans Most comprehensive study covering all transport sectors Now available! Taking into account the economic and financial crisis Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 71 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. Gestärkt in das Jahr 2011 L iebe Mitglieder und Freunde der DVWG, zu allererst wünsche ich Ihnen ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2011! Das vergangene Jahr war für die DVWG ein gutes Jahr. Die mit Ihnen erarbeitete neue Satzung ist seit Sommer 2010 rechtsgültig und konnte so auf der am 24.11.2010 in Frankfurt am Main stattfindenden Mitgliederversammlung schon Anwendung finden. In Verbindung mit der Finanz- und Geschäftsordnung bildet die neue Satzung die Grundlage für unsere weitere Arbeit in der DVWG. Besonders möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie uns, dem kompletten Präsidium, für weitere zwei Jahre Ihr Vertrauen schenken. Die Möglichkeiten, die die neue Satzung bietet, haben wir genutzt, um das Präsidium um vier Beisitzer zu erweitern. Es ist uns gelungen, Personen zu gewinnen, die besondere Leistungen erbracht haben und deren damit verbundenes Wissen für die DVWG langfristig zu sichern, aber auch die wissenschaftliche Ausrichtung in ihrer Vielfallt zu stärken. Nicht zuletzt sollte eine regionale Ausgewogenheit gegeben sein. Mit der Wahl von Stefan Tritschler, Sebastian Belz, Dr. Jan Ninnemann und Prof. Dr. Arnd Stephan ist uns das in besonderer Weise geglückt. Die Arbeit der Europäischen Plattform ist mit dieser Wahl noch stärker im Präsidium verankert und kann weiter ausgebaut werden. Ich gratuliere nochmals herzlich allen zu ihrer Wahl und freue mich auf die gemeinsame Arbeit mit vielen spannenden Herausforderungen in unserem nun erweiterten Präsidium. Im Jahr 2011 werden wir unseren eingeschlagenen Weg zur Neuausrichtung der DVWG fortsetzen. Dabei wird die gemeinsame Diskussion und Entscheidungsfindung zu wichtigen Themen weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Ein Schwerpunkt für das kommende Jahr wird die Entwicklung des Internationalen Verkehrswesens sein, zu dem wir einen Arbeitskreis einrichten. Darüber hinaus haben wir wieder eine Klausurtagung mit anschließendem Sommerfest sowie ein Trefen der Geschäftsführer geplant. Der Höhepunkt des kommenden Jahres wird die Jahrestagung sein, welche 2011 in Dresden stattfinden wird. Schon heute freue ich mich, Sie an meiner langjährigen Wirkungsstätte begrüßen zu dürfen und bedanke mich bei der gastgebenden Bezirksvereinigung Sachsen für die gute Zusammenarbeit und Vorbereitung der Tagung. Unser Jahresthema „Infrastrukturen für die Mobilität von morgen - Kommunizieren und finanzieren“ wird die Ausrichtung unserer Veranstaltungen bestimmen. Beginnen werden wir das Jahr mit der oiziellen Präsentation unseres Jahresbandes 2009/ 2010 in Berlin. Mit dieser Veranstaltung bestreiten wir einen völlig neuen Weg, unseren hochwertigen Jahresband auch einer breiteren Öfentlichkeit zu präsentieren. Sie ist aber auch das Ergebnis der vertrauensvollen und erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in den vergangenen Jahren. 2011 können wir uns voll auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren und uns auch aktuellen, gesellschaftspolitischen Fragen stellen. Weitere Bausteine unseres Jahresprogramms sind unsere traditionellen Foren und die ein oder andere neue Veranstaltung. Seien Sie gespannt auf das Jahr 2011. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam die DVWG auch 2011 wieder ein gutes Stück voranbringen können, und verbleibe mit herzlichen Grüßen. Ihr Prof. Knut Ringat Präsident DVWG »Im Jahr 2011 werden wir unseren eingeschlagenen Weg zur Neuausrichtung der DVWG fortsetzen.« 1. Heft Januar 2011 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 72 Neue Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen Z u Beginn des Jahres 2011 geht die neue Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen an den Start. Wie kam es dazu und was sind die Vorteile der Fusion? Die strukturellen und finanziellen Probleme der DVWG in den letzten Jahren brachten es mit sich, dass ein beträchtlicher Teil des Engagements der ehrenamtlichen Funktionsträger und auch der finanziellen Ressourcen der Bezirksvereinigungen für vereinsinterne Aktivitäten aufgewandt wurden, die den Mitgliedern keinen unmittelbaren Nutzen brachten. Dies machte sich insbesondere bei kleinen Bezirksvereinigungen bemerkbar. Im Norden gab es daher schon länger Gespräche zwischen verschiedenen Bezirksvereinigungen, ob durch Zusammenschlüsse Synergieefekte realisiert werden könnten. Anfang 2010 haben dann nach mehreren Vorgesprächen die Mitgliederversammlungen der Bezirksvereinigungen Niedersachsen und Weser-Ems eine Fusion zur neuen Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen beschlossen. Das Präsidium hat satzungsgemäß seine Zustimmung zu der Fusion erteilt. Mit der Fusion werden Kapazitäten für intensivere Programmarbeit frei. Die Mitglieder haben künftig ein breiteres Themenspektrum und ein größeres Veranstaltungsangebot zu Auswahl. Möglichen Fahrtkosten-Widerständen für den Veranstaltungsbesuch soll durch die Organisation durch die BV-Geschäftsstelle von Fahrgemeinschaften, wie etwa dem Niedersachsenticket, begegnet werden. Dies hat sich schon bei zwei im letzten Quartal 2010 erfolgreich durchgeführten gemeinsamen Veranstaltungen bewährt. Starke Bezirksvereinigungen sind aber nicht nur für die Region wichtig, sondern auch für den Fortbestand der bundesweiten DVWG. Ob die regionalen Organisationen als eigenständiger Verein oder als Teil der Bundesvereinigung geführt werden, ist dabei nachrangig. In Verwaltung und Gremienarbeit werden Synergieefekte realisiert, was auch zu einer deutlicheren Wahrnehmung der Interessen des Nordwestens in der DVWG führen kann. Die neue BV hat eine klare geographische Abgrenzung, die vorher nicht bestand, der Name „Bremen“ wird wieder sichtbar und die niedersächsische Landesregierung hat für das ganze Land einen Ansprechpartner bei der DVWG. Der Anfang des Jahres neu zu wählende Vorstand der BV Niedersachsen-Bremen wird sich der Aufgabe stellen, ein attraktives Prof. Dr. Thomas Siefer und Prof. Dr. Klaus Harald Holocher Angebot an Veranstaltungen nicht nur in den beiden größten Städten der Metropolregionen Bremen/ Oldenburg und Hannover/ Braunschweig/ Göttingen, sondern soweit wie möglich auch in den anderen regionalen Clustern in der Fläche zu organisieren. Dies ist eine Absichtserklärung der beiden bisherigen BV-Vorstände, die aber auch durch örtliche bzw. regionale Initiativen zur Realisierung unterstützt werden muss. Die zukünftige Wahrnehmung der DVWG als verkehrsträgerübergreifende Plattform kann nur gelingen, wenn sie vor Ort präsent ist. Die von der Hauptgeschäftsstelle veranstalteten Kongresse und Seminare sind zwar wichtig. Für eine große Anzahl der Mitglieder sind die Veranstaltungen „vor Ort“ aber das Bindeglied zur DVWG. Nur wenn diese Veranstaltungen häufig und mit hoher Qualität organisiert werden, können die Mitglieder gehalten werden. Hier sieht die neue BV Niedersachsen-Bremen ihre wichtigste Aufgabe für die nächste Zeit. In einer gemeinsamen Sitzung beider Vorstände mit dem Programmausschuss in Hannover wurde für 2011 ein inhaltlich, regional und fachlich vielfältiges Veranstaltungsprogramm für das Jahr 2011 beschlossen. Auch für 2012 gibt es schon einen Programmpunkt: Bei der Inbetriebnahme des JadeWeserPort am 5. August 2012 will die Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen ihre gebündelte verkehrswissenschaftliche Kompetenz mit einer Fachtagung in Wilhelmshaven präsentieren. niedersachsen@dvwg.de B 335 „Qualitätsanforderungen an Verkehrsnachfragemodelle“ Innerhalb einer integrierten Verkehrsplanung ist der Einsatz hochwertiger Verkehrsnachfragemodelle zur Modellierung von Analysezuständen und Wirkungszusammenhängen sowie zur anschließenden Berechnung ausgewählter Szenarien- und Prognosezustände mittlerweile unumgänglich. So nehmen auch Größe und Ausdehnung der untersuchten Gebiete und Zeiträume heutzutage stetig zu, was den Einsatz leistungsfähiger praxisorientierter Modelle erfordert. Die dabei entstehenden Modellergebnisse, welche stets im Spannungsfeld der geforderten Planungsaufgabe, der verfügbaren Eingangsdaten und der Modellhandhabung bzw. -kalibrierung zu betrachten sind, müssen entsprechenden Qualitätsanforderungen genügen, gerade bei der in nächster Zeit zu erwartenden Haushaltssituation. Im Rahmen des DVWG-Symposiums stellten Wissenschaftler, Ingenieurbüros und Kommunen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre aktuellen Forschungsergebnisse, Standpunkte und Anschauungen vor. Das Symposium diente sowohl zur Wissensvermittlung als auch zum Wissensaustausch. Darüber hinaus verstand sich das Symposium auch als Impuls für die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Qualitätsmanagements für Verkehrsnachfragemodelle auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite, da gerade deren Wünsche und Anforderungen meist diametral sind. Prof. Dr. Thomas Siefer Prof. Dr. Klaus Harald Holocher ɷ DVWG-NEUERSCHEINUNG 2010 (B-REIHE) DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 73 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Umsetzung von Infrastrukturvorhaben in Zürich A m 15./ 16. Oktober 2010 führte die diesjährige Jahresexkursion der Bezirksvereinigung Oberrhein nach Zürich. Das Programm begann bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) mit einer Führung durch die Zentralwerkstätten. Beim Rundgang durch die verschiedenen Bereiche konnten wir uns einen groben Überblick über die Vielseitigkeit einer Fahrzeugwerkstatt verschafen. Der Fuhrpark der VBZ umfasst etwa 250 bis 280 Fahrzeuge, wovon sich jederzeit etwa 10 % in der Werkstatt befinden. Interessant ist, dass ein Teil der Gleisanlagen nicht nur mit der ortsüblichen Meterspur, sondern auch in Normalspur angelegt ist. Letztere kamen aber niemals zum Einsatz, denn die Zürcher Stimmbürger hatten 1973 in einer Volksabstimmung gegen die U-Bahn und für die Straßenbahn gestimmt, womit weiterhin nur deren Meterspurgleise benötigt werden. Direkt daran anknüpfend folgte die Präsentation des Projekts „Cargo-Tram“ durch Michael Laux, für welches die VBZ bereits im Jahr 2003 einen Innovationspreis erhielt. Das Konzept sieht eine stationäre Sperrmüllsammlung vor, welche einmal im Monat an neun unterschiedlichen Standorten, verteilt über das gesamte Stadtgebiet, stattfindet. Da etwa 50 % der Zürcher Haushalte über keinen eigenen Pkw verfügen und das Sperrgut ohnehin nur per Handkraft mittels Handkarren zu den jeweiligen Standorten angeliefert werden darf, hat sich dieses System mittlerweile sehr etabliert. Neben der Verringerung des illegal abgelegten Abfalls hat die VBZ eine Ersparnis von ca. 37 500 l Dieseltreibstof pro Jahr errechnet. Die Finanzierung des Cargo-Tram-Konzeptes erfolgt durch eine vorgezogene Recyclinggebühr, welche bereits beim Kauf entsprechender Geräte vom Endverbraucher bezahlt wird. In einem weiteren Programmpunkt wurde das Stadtbahnprojekt „Tram Zürich-West“ vorgestellt, welches vom stellvertretenden Leiter Netzerweiterung/ Unternehmensbereich Infrastruktur, Roland Schilling, vorgetragen wurde. Hierbei handelt es sich um die Verlängerung der Tramlinie 4 ab Escher- Wyss-Platz bis zum Bahnhof Altstetten. Durch die Streckenverlängerung wird ein sich rasant entwickelndes Gebiet, das Quartier Zürich-West, erschlossen. Innerhalb von zehn Jahren nahm die Einwohnerzahl in diesem Quartier um 120 % zu. Über die Finanzierung und damit die Realisierung eines solch großen Verkehrsvorhabens entscheidet in der Schweiz bekanntermaßen das Volk Matthias Kuhnt, Bezirksvereinigung Oberrhein Auf dem Züricher Hauptbahnhof Foto: Günter Koch - beim Projekt Zürich-West mit einer deutlichen Mehrheit von 70 % zugunsten des Projekts. Die Streckenverlängerung wird Ende 2011 in Betrieb genommen werden, der Realisierungszeitraum erstreckt sich dann einschließlich der Genehmigungsphase sowie der Abwicklung der Beschwerden auf neun bis zehn Jahre. Die Kosten betragen für die Neubaustrecke Tram sowie die begleitenden Straßenbaumaßnahmen etwa 300 Mio. CHF, davon jeweils die Hälfte für Straßenbahn und Straßenbau. Durch die Attraktivitätssteigerung des neu erschlossenen Quartiers wurde mittlerweile ein Gesamtbauvolumen von derzeit etwa 3,5 Mrd. CHF ausgelöst. Den fachlichen Abschluss des ersten Tages bildete der Besuch bei der Verkehrsleitzentrale der Stadt Zürich, Dienstabteilung Verkehr (DAV). Leiter Joos Bernhard führte in die Thematik der Verkehrssteuerung ein. Das Zürcher System schaltet die gesamte Signalisierung im Stadtgebiet in automatisierten Abläufen selbsttätig, und zwar die Anlagen für IV und ÖV gleichermaßen. Der öfentliche Verkehr wird konsequent bevorrechtigt, was mit einer Zuverlässigkeit von 99 % funktioniert. Eines der zur hohen Leistungsfähigkeit führenden Kriterien ist die Form der im Straßenverkehr zum Einsatz kommenden Knoten, welche in Zürich in der Regel sehr kompakt gestaltet sind. Die Umlaufzeiten sind auf 60 Sekunden begrenzt bei gleichzeitig hoher Leistungsfähigkeit. Nach dieser Fülle von fachlichen Informationen ging es zum gemeinsamen Abendessen auf den Uetliberg, den Hausberg Zürichs. Auf den Berg hinauf führt die Uetlibergbahn, mit 79 ‰ die steilste Normalspur-Adhäsionsbahn Europas. Am Samstagmorgen ging es dann zum Hauptbahnhof, wo wir vom Chebauleiter des Ingenieurbüros Basler&Hofmann, Jürg Preisig, erwartet wurden. Für diesen Vortrag stand die Durchmesserlinie Altstetten- Zürich HB-Oerlikon auf dem Programm. Das seit dem Jahr 2001 in Bau befindliche Projekt der schweizerischen Bundesbahnen hat doch eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem derzeitigen Großprojekt in Stuttgart. Das Ziel hierbei ist es, den bestehenden Kopbahnhof in Zürich um einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu erweitern und somit eine beachtliche Kapazitätserhöhung der heute vorhandenen Infrastruktur ebenso wie einen Fahrzeitgewinn zu erreichen. Das Bauvolumen beträgt ca. 2 Mrd. CHF wovon der Bund, der Kanton sowie die SBB jeweils ein Drittel tragen. Interessant ist das Projekt vor allem aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Zwangspunkte in der sehr beengten Innenstadt. Einer dieser Zwangspunkte in der Höhe ist der Sihldurchlass, welcher heute quer unter der vorhandenen Bahnsteighalle verläuft. Bemerkenswert, jedoch eine für ein derartiges Bauprojekt in der Schweiz übliche Vorgehensweise ist die Nutzung der Eisenbahn für einen Großteil des erforderlichen Materialtransports. So werden die Rohstofe für den Beton ebenso wie der gesamte Abraum aus dem Tunnel per Eisenbahn an- und abtransportiert. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass auch die Exkursion 2010 von allen Teilnehmern als ein voller Erfolg gesehen wurde. Dabei konnte ein Einblick gewonnen werden, wie die Planung von großen Infrastrukturvorhaben bei unseren Nachbarn umgesetzt wird. Es geht dort auch nicht unbedingt schneller, wenn das Volk aber über die Finanzen entschieden hat, wird zügig und ohne Murren weitgehend unabhängig vom politischen Tagesgeschäft bis zum Ende gebaut. oberrhein@dvwg.de ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 74 Aktuelles aus der Seeschi fahrt Europäische Luftverkehrspolitik − immer noch spannend! A m 7. Dezember 2010 wurde in Warnemünde eine gemeinsam von der BV Mecklenburg-Vorpommern, vom Bereich Seefahrt der Hochschule Wismar und vom Ostseeinstitut der Universität Rostock getragene Vortragsveranstaltung zu aktuellen Problemen der Seeschiffahrt durchgeführt. Als Referent stand Christian Bubenzer von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft zur Verfügung. Er referierte im ersten Vortrag zum Thema: „Einflaggung unter die deutsche Flagge: Rahmenbedingungen und praktische Umsetzung“. Er skizzierte die Entwicklung der deutschen Handelsflotte seit 1970, zu der er Handelsschife deutscher Eigner in deutschen Schifsregistern unter deutscher und ausländischer Flagge zählte. Die Zahl dieser Schife ist seit dem Jahr 2000 stark angestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Schife unter ausländischer Flagge aus Kostengründen sehr deutlich. Im Jahr 2000 bestand die deutsche Handels- Prof. Uwe Laue, BV Mecklenburg-Vorpommern Dr. Karin Jäntschi-Haucke, DVWG Südbayern Flaggschif „Christophe Colomb“ Foto: CMA CGM D r. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH, unterstrich angesichts der erheblichen Tragweite für die Wettbewerbs- und Zukunftschancen des Münchner Airports die Bedeutung einer „Europäischen Luftverkehrspolitik“. Die meisten politischen Weichenstellungen würden schließlich in Brüssel vorgenommen. Zur von der DVWG Südbayern am 12. Oktober 2010 zur Diskussion gestellten Frage, ob ein Spannungsfeld zwischen EU-Kommission und Luftverkehrsbetreibern besteht, verwies Kerkloh auf die insgesamt sehr intensive und gute Zusammenarbeit, nicht zuletzt durch ein eigenes Büro in Brüssel. Als aktuelles Thema benannte er das sogenannte „Airport Package“, das die Europäische Kommission im Juni 2011 veröfentlichen möchte. Mit diesem Paket sollen eine Revision der geltenden Slot-Verordnung, eine DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten flotte aus knapp 900 Schifen unter ausländischer Flagge und nicht ganz 700 Schifen unter deutscher Flagge. Seitdem ist die Schere zwischen ausländischer und deutscher Flagge immer weiter auseinander gegangen. Im Oktober 2010 gehörten 2993 Schife mit ausländischer Flagge und 566 Schife mit deutscher Flagge zur deutschen Handelsflotte. Als Hauptfremdflaggen der deutschen Reeder wurden Liberia (70 %), Antigua/ Barbuda (15 %) und Marshall-Islands (11 %) genannt. Seit mehreren Jahren soll diese Entwicklung politisch durch das Maritime Bündnis mit der Tonnagesteuer als seinem ganz wesentlichen Kernstück gestoppt werden. Die auch in anderen europäischen Ländern übliche Tonnagesteuer erlaubt den Reedern eine Gewinnermittlung auf Basis der Nettotonnage und zwar unabhängig von Gewinn oder Verlust der Schiffahrtsgesellschaft. Mit einem fiktiven Berechnungsbeispiel zeigte der Referent deutlich, dass auf diese Weise deutliche Kosteneinsparungen für die Reeder möglich sein können. Trotzdem halten sich die Einflaggungen derzeit in Grenzen, was einerseits der weltweiten Wirtschaftskrise, andererseits aber auch der Zersplitterung der deutschen Flaggenstaatenverwaltung geschuldet sein soll. Die Reedereien müssen sich bei Rückflaggungen derzeit mit über zehn Behörden auseinandersetzen, was das Verfahren natürlich sehr verkompliziert. An einer Verbesserung dieser Situation wird derzeit gearbeitet. In seinem zweiten Vortrag befasste sich Bubenzer mit den Arbeitsbedingungen an Bord der Seeschife. Obwohl die meisten Schife heute modern gebaut und ausgerüstet sind, gibt es international noch immer einzelne Reeder, die Schife betreiben, auf denen die Arbeits- und Lebensbedingungen stark kritikwürdig, zum Teil sogar als katastrophal zu bezeichnen sind. Mit dem internationalen Seearbeitsübereinkommen, kurz MLC (nach seiner englischen Bezeichnung als „Maritime Labour Convention“), wurde nunmehr eine Grundlage für die Durchsetzung weltweiter Standards für die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Seeschifen geschafen. Der Referent bezeichnete dieses Übereinkommen als Meilenstein für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Seeleute. Der Regelungsinhalt ist sehr umfassend und befasst sich u.a. mit Befähigung von Seeleuten, Beschäftigungsverträgen, Arbeits- und Ruhezeiten, Unterkünften, Verpflegung, Gesundheit und sozialer Sicherheit. Mit dem 2006 beschlossenen MLC werden 40ILO(InternationaleArbeitsorganisation)- Übereinkommen bzw. Empfehlungen zu einem einzigen Dokument neu zusammengefasst. Es wird 12 Monate nach Ratifikation durch 30 ILO-Mitgliedstaaten mit mindesten 33 % der Welthandelstonnage in Kraft treten. Von besonderer Bedeutung sind die Durchsetzungsmechanismen für die neuen Regelungen auf der Grundlage erweiterter Flaggenstaaten- und Hafenstaatenkontrollen und eines abgestuften Sanktionssystems bei Regelverstößen. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass das MLC auch für die Staaten gelten wird, die es selbst nicht ratifizieren werden. Nach beiden Vorträgen kam es zu interessanten Meinungsäußerungen, Fragen und Diskussionen. Im Mittelpunkt standen dabei Fragen zum Maritimen Bündnis, zu Ausflaggungs- und Rückflaggungsgründen, zu den Vor- und Nachteilen der Tonnagesteuer einerseits sowie zu Detailregelungen des MLC und zur Wirksamkeit der vorgesehenen Durchsetzungsverfahren für das MLC andererseits. mecklenburg-vorpommern@dvwg.de ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 75 Planen − Beraten − Betreiben: Mobilitäts- und Transportlösungen weltweit Referent: Martin Bay, Vorsitzender der Geschäftsführung der DB International GmbH, Berlin 24.02.2011, 17.00 Uhr IHK-Akademie, Orleansstraße 10-12, 81669 München Verkehrsgroßprojekte in Deutschland ohne Chance? Referenten: Ferdinand Fäth, Investor Hauptbahnhof Aschafenburg, Aschafenburg, Günther Pichler, Leiter Regionalbereich Bayern, DB Station & Service AG, München Dr. Hilmar Sturm, Geschäftsführer der gfb Gesellschaft für Bürgergutachten, München/ Berlin Dieter Wellner, Ministerialdirigent a.D., ehem. Leiter der Abteilung Verkehr im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, München 15.03.2011, 17.00 Uhr IHK München/ Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München Im Anschluss: ordentliche Mitgliederversammlung 2011 suedbayern@dvwg.de DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Südbayern Nordbayern Fulda Dresden Frankfurt/ Main Freiburg DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 5 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Führung Museum für Kommunikation Nürnberg Referent: Dr. Stefan Kley, Leiter Museum für Kommunikation 17.02.2011, 16.00 Uhr Verkehrsmuseum Lessingstraße 6,Nürnberg Im Anschluss Mitgliederversammlung 2011 Einsatz der Gigaliner in Bayern Referent: Ministerialrat von Rimscha, Referatsleiter Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, München 17.03.2011, 16.00 Uhr Verkehrsmuseum Lessingstraße 6, Nürnberg nordbayern@dvwg.de 02./ 03.März 2011 Klausurtagung Internationales Verkehrswesen 4.-6.Mai 2011 Jahrestagung mit Bundesdelegiertenversammlung 28.Oktober 2011 Geschäftsführertrefen 21.November 2011 Bundesdelegiertenversammlung Bezirksversammlung (nur für Mitglieder) anschließend Vortrag „Neuere Entwicklungen in der Binnenschiffahrt“ Referent: Hans-Peter Mösch, Hafendirektor, Weil am Rhein 15.02.2011, 18.15 Uhr Universität Freiburg, Kollegiengebäude I, Hörsaal 1098 freiburg@dvwg.de Zentrale Veranstaltungen Novellierung der Bodenverkehrsrichtlinie und eine Standortbestimmung zum Thema „Airport Capacity“ vorgenommen werden, womit der Betrieb der europäischen Flughäfen neu geregelt wird. Als Beispiel für eine überzeugende gemeinsame Lösung nannte er die Flüssigkeitsregelung, die in zwei Phasen aufgehoben werden soll. Ab 2011 sollen zunächst die Transfer-Passagiere ausgenommen werden, ab 2013 alle Fluggäste. Allerdings müssen bis dahin adäquate technische Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Diskutiert würde auch das „Weißbuch Verkehr“, das die Leitlinien der künftigen Verkehrspolitik formuliert und konkrete Umsetzungsmaßnahmen vorgibt. Die in der Initiative Luftverkehr zusammengeschlossenen Unternehmen, Deutsche Lufthansa AG, die DFS, die Fraport AG und die FMG, fordern hier, dass Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden, der dringend benötigte Kapazitätsausbau unterstützt wird, einseitige Belastungen des europäischen Luftverkehrs vermieden werden und die Einführung des Single European Sky im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung des Luftverkehrs entschlossen vorangetrieben wird. Kerkloh unterstrich dabei die Verkehrsvernetzung, die für den Münchner Airport wegen der nach wie vor unzureichenden Fernbahnanbindung besonders wichtig sei. Ulrich Schulte-Strathaus, Generalsekretär des Verbandes Europäischer Luftverkehrsgesellschaften, AEA, benannte die Vulkanasche- Krise als Beispiel, wie wenig europäische Institution auf derartige Situationen eingestellt sind. Er mahnte strukturelle Konsequenzen an, um die europäische Meinungsfindung zu strafen und damit besser auf künftige vergleichbare Krisen gerüstet zu sein. Sowohl die Behörden, als auch die Luftverkehrsbranche an sich seien noch zu fragmentiert. Insoweit könnten Bemühungen in Deutschland, zu einer klareren Ordnung der Verbandslandschaft zu gelangen, mittelfristig Vorbildcharakter für die Organisation der europäischen Verbände haben. Trotz der Vielfalt der Stimmen habe die Luftverkehrswirtschaft mittlerweile gemeinsame Ziele formuliert, die diese auf allen Ebenen mit der EU-Kommission ansprechen. Notwendig sei, innereuropäisch verstärkt in die Infrastruktur zu investieren und international Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zu schafen. Aus Sicht eines europäischen Verbandes bestünde das „Spannungsverhältnis“ weniger mit der EU-Kommission, die ihrerseits in ihrer derzeitigen Besetzung aktiv an einer Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit arbeite, als vielmehr mit den Mitgliedsstaaten. Sie achten laut Schulte-Strathaus verständlicherweise auf die Wahrung ihrer nationalen Souveränität und schafen damit ungewollt eine Komplexität, die die Umsetzung einer europäischen Luftverkehrspolitik erschwert. suedbayern@dvwg.de V.l.n.r.: Ulrich Schulte-Strathaus, Ulla Rüdenholz, Dr. Karin Jäntschi-Haucke, Dr. Michael Kerkloh Foto: DVWG ɷ Ort noch ofen SERVICE Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, Straße des 17. Juni 135, D-10623 Berlin, straube@logistik.tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas haas@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Mitarbeit: Kerstin Zapp kerstin.zapp@dvvmedia.com Dr. Karin Jäntschi-Haucke (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 48 vom 1. Januar 2011. Vertrieb Riccardo di Stefano Bezugsgebühren: Inland EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.), Ausland EUR 154,00 (inkl. Porto). Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 25,00 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Bezugsbedingungen: Die Laufzeit eines Abonnements beträgt mindestens ein Jahr und kann danach mit einer Frist von sechs Wochen jeweils zum Ende einer Bezugszeit gekündigt werden. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlags oder infolge höherer Gewalt kann der Verlag nicht haftbar gemacht werden. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layout: Helmut Ortner Herstellung / Titelbild: Karl-Heinz Westerholt Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 Internationales Verkehrswesen Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Iberian Rail Development 2011 Info: Russell Publishing Ltd, Kent-United Kingdom, Tel: 0044/ 1959 563 311, Fax: 0044/ 959 563 123 E-Mail: info(at)russellpublishing.com, Internet: www.europeanrailwayreview.com 10. VDA-Logistikkongress 2011 Info: Verband Deutscher Automobilindustrie VDA, Berlin, Tel.: 030/ 897 842-0, Fax: 030/ 897 842-600 E-Mail: info@vda.de, Internet: www.vda.de 27. Internationale Gefahrgut-Tage Hamburg Info: Storck Verlag, Tel. 040-79713140, gth@storck-verlag.de, www. storck-verlag.de/ gth Elektrobusse - Markt der Zukunft? ! Info: VDV-Akademie, Tel. 0221-57979170, eckert@vdv.de, www.vdv-akademie.de 5. ÖPNV Innovationskongress Info: Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg, Tel. 0711-23157, helmut.hakius@uvm.bwl.de, www.innovationskongress-bw.de 5. Landshuter Leichtbau-Colloquium Info: Hochschule Landshut, Tel. 0871 506134, leichtbaucolloquium@leichtbau-cluster.de. www.leichtbau-cluster.de IATA World Cargo Symposium Info: IATA, Genf (CH), Tel.: 0041/ 22 770 2525, Internet: www.iata.org HEUREKA Info: Universität Stuttgart, Tel. 0711-685-66367, fovus@fovus.uni-stuttgart.de Tagung: Empirische Verkehrsforschung für eine wissensbasierte Politik und Praxis Info: DVWG, Tel. 07131/ 504-253, vb-event@hs-heilbronn.de, www.dvwg.de Rail-Tech Europe Info: Europoint, Tel. +31 (0)30-6981800, www.railtech-europe.com Intermodal South America Info: Intermodal Organizacao de Eventos, Brasil, Tel.: 0055/ 11/ 4689-1935, Fax: 0055/ 11 4689-1926 Internet: www.intermodal.com SMM India 2011 Info: Hamburg Messe und Congress GmbH, Tel. 040-3569-2148, info@smm-india.com, www.hamburg-messe.de/ smm_india Fachtagung Wirtschaftsverkehr 2011 Info: TU Dortmund, Tel. 0231-7557333, wiver2011@vsl.mb.tu-dortmund.de, www.vsl.mb.tu-dortmund.de CeMAT 2011 - Sustainability in Intralogistics Info: Deutsche Messe, info@messe.de, www.messe.de ibus - Internationale Busmesse Info: planetfair GmbH, Tel. 040-71007000, info@planetfair.de, www.ibus-expo.com Asphaltstraßentagung 2011 Info: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV), Tel. 0221-935830, koeln@fgsv.de, www.fgsv.de Parken (Fachausstellung und Fachtagung) Info: Mesago Messe Frankfurt GmbH, Tel. 0711-61946-0, annette.holtmann@mesago.com, www.parken-messe.de Sicherheit von Häfen und Internationalen Seewegen im Fokus Info: Hamburg Messe, Tel. 040-3569-2476, carin.steinbach@hamburg-messe.de, www.msd-hamburg.com Public Transport / Interiors 2011 Info: Messe Berlin GmbH, 030 3038-2212/ -2032, pti@messe-berlin.de, www.publictransport-interiors.de Tra c Talks 2011 Info: Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Tel. (0)211 3843-2232, susanne.foltis@mwebwv.nrw.de, www.tra ctalks.de 6. Internationaler VDV-Eisenbahnkongress Info: VDV-Akademie, Tel. 0221-57979170, eckert@vdv.de, www.vdv-akademie.de 16.-17.2.11 Lissabon (P) 21.-22.2.11 Wolfsburg (D) 20.-22.2.11 Hamburg (D) 21.-22.2.11 Berlin (D) 22.-24.2.11 Freiburg/ Br. (D) 23.-24.2.11 Landshut (D) 8.-10.3.11 Istanbul (TR) 16.-17.3.11 Stuttgart (D) 24.3.11 Heilbronn (D) 29.-31.3.11 Amersfoort (NL) 5.-7.04.11 S-o Paulo (BR) 7.-9.4.11 Mumbai (IND) 12.-13.4.11 Dortmund (D) 2.-6.5.11 Hannover (D) 4.-6.5.11 Kassel (D) 10.-11.5.11 Nürnberg (D) 11.-12.5.11 Wiesbaden (D) 15.-17.6.11 Hamburg (D) 22.-24.6.11 Berlin (D) 13.-14.9.11 Bonn (D) 5.-6.10.11 Frankfurt/ M. (D) TERMINE + VERANSTALTUNGEN 16.2.2011 bis 5.10.2011 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.dvz.de, www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 77 HERAUSGEBERBEIRAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Stephan Anemüller Fachstellenleiter Veranstaltungen und Veröfentlichungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrieund Handelskammertag (DIHK), Berlin Michael P. Clausecker MBA, Generaldirektor des Verbandes der europäischen Bahnindustrie UNIFE, Brüssel Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann Sprecherin des Bereichs Marketing, Vertriebsunterstützung und Gremien der Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Leiter Konzernstrategie/ Verkehrsmarkt der Deutsche Bahn AG, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Hans-Jürgen Hahn Dipl.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, München Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Heiner Hautau Prof. Dr., ehem. Präsident der DVWG, Geschäftsführer des Instituts für Stadt- und Raumplanung Instara GmbH, Bremen Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information O cer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Hans-Joachim Welsch Dipl.-Kfm., Geschäftsführer der Rogesa Roheisengesellschaft Saar mbH und der ZKS, Zentralkokerei Saar GmbH, Dillingen, sowie Ehrenbeirat des VBW, Duisburg Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrat der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Werner Lundt Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Klaus Milz Prof. Dr., Chief Country Representative European Union bei Bombardier Transportation, Machelen Der Kunde im Mittelpunkt Herausgeberbeirat Prof. Knut Ringat nimmt die Kundenperspektive ein S achverhalte aus Kundensicht zu sehen und nicht von außen auf den Kunden zu schauen, ist für ein Unternehmen nicht nur im Öfentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) heute unerlässlich, um am Markt zu bestehen. Doch ist es von der Einsicht, es tun zu müssen, bis zur unternehmensweiten Umsetzung oft ein langer Weg. Der einzelne Mitarbeiter, egal in welcher Funktion, muss in seinem täglichen Handeln verinnerlichen, dass der Markt und damit der Kunde über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Bei der Ihnen vorliegenden ersten Ausgabe 2011 des Internationalen Verkehrswesens haben sich viele Menschen über die Wünsche und Bedürfnisse der Leser Gedanken gemacht. Mit dem neuen Layout sind sie sich sicher, diese zu erfüllen. Ob sie Ihren Geschmack getrofen haben, entscheiden aber nur Sie. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und freuen uns auf zahlreiche Rückmeldungen. »Über Erfolg und Misserfolg entscheiden allein der Markt und der Kunde.« Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 78 GASTKOMMENTAR Frank Sennhenn »Mehr als die Hälfte des SPNV-Markts zu vergeben« I m deutschen SPNV-Markt wird es spannender denn je. 110 Vergabeverfahren mit einem Volumen von rund 350 Mio. Zugkilometern werden in den kommenden fünf Jahren erwartet. Das ist weit mehr als die Hälfte des gesamten deutschen SPNV- Markts. Für unsere Branche bedeutet das eine enorme Herausforderung. Und dies nicht nur aus quantitativen Gründen: Auch das Marktumfeld hat sich deutlich gewandelt. Manchen Aufgabenträger treibt bereits die Frage um: Werden sich in Zukunft nicht mehr die Besteller die Verkehrsunternehmen aussuchen, sondern die Verkehrsunternehmen die Besteller? Die Anfangsphase der Liberalisierung des deutschen SPNV ist unwiderruflich vorbei. Lokale mittelständische Unternehmen sind längst eine Ausnahme. Stattdessen prägen große, leistungsfähige Anbieter das Bild. Und sie befinden sich, wie die DB Regio AG, ganz überwiegend in öfentlichem Eigentum. Veolia ist durch die Fusion mit Transdev zur mehrheitlichen Tochtergesellschaft der staatlichen französischen Caisse de Dépôts geworden. Keolis Deutschland gehört mehrheitlich zur französischen Staatsbahn SNCF, Abellio zur Niederländischen Staatsbahn, VIAS zur Dänischen Staatsbahn. Arriva war Ziel eines Übernahmeversuchs durch die SNCF, wurde aber mittlerweile von der DB übernommen. Die deutschen Arriva-Aktivitäten wurden an die italienische Staatsbahn Trenitalia verkauft. BeNEX als Tochter der Hamburger Hochbahn ist wie die Hessische Landesbahn im Eigentum der jeweiligen Bundesländer. Das heißt: Die großen „Player“ im deutschen Markt sind miteinander vergleichbar - sowohl im Hinblick auf ihre Größe im internationalen Maßstab, als auch hinsichtlich ihrer Finanzierungsmöglichkeiten als Unternehmen in öfentlichem Eigentum. Der deutsche Markt ist auf leistungsfähige Akteure angewiesen, gerade angesichts der bevorstehenden Vergabewelle. Jede Ausschreibung bindet bei den Unternehmen und den Bestellern erhebliche personelle Kapazitäten und bedeutet auf der Kostenseite ein Volumen von durchschnittlich 2 Mio. EUR. Immens ist zudem der mit jeder Neuvergabe einhergehende Investitionsbedarf, insbesondere im Fahrzeugbereich. Geht man konservativ von 20 Mio. EUR Investitionsvolumen pro Mio. Zugkilometer aus, ergibt sich in den nächsten Jahren insgesamt ein Finanzbedarf von 7 Mrd. EUR. Dabei ist der Finanzbedarf nur ein Aspekt. Von der Vergabewelle betrofen ist auch die Fahrzeugindustrie. Sie muss sich auf eine zyklische Marktentwicklung einstellen, ihre Kapazitäten in kürzester Frist hochfahren und wieder reduzieren - und liefert schon heute vielfach nicht die von Betreibern und Bestellern geforderte Qualität. Unter diesen Rahmenbedingungen wird es zunehmend schwierig, den Markt attraktiv zu gestalten. Davon zeugt eine stark schwankende Bieterbeteiligung bei Ausschreibungen, die wir in der Vergangenheit mehrfach gesehen haben. Die Unternehmen gehen dazu über, ihre Ressourcen auf ausgewählte Vergaben zu konzentrieren. Die Aufgabenträger muss diese Tendenz beunruhigen. Für sie wäre es fatal, würden sich die Verkehrsunternehmen künftig tatsächlich die Besteller aussuchen statt umgekehrt. Allerdings: Es gibt Gegenmittel. Zum einen können attraktivere Bedingungen den Wettbewerb stimulieren. Notwendig sind dafür vor allem unternehmerische Spielräume, die in den vergangenen Jahren leider vielfach reduziert worden sind. Die Verkehrsunternehmen wollen jedoch Verkehrslösungen mitgestalten. Sie wollen unternehmerische Verantwortung übernehmen und am Erfolg ihrer Angebote partizipieren. Und zum anderen: Das Instrument der Direktvergabe bietet die Möglichkeit, die negativen Begleiterscheinungen der Vergabewelle unter Kontrolle zu halten, die Wettbewerbsfahrpläne zu entzerren und für einen geordneten Übergang auslaufender Verkehrsverträge in den Wettbewerb zu sorgen. Hierzu zählen Harmonisierungsmaßnahmen, also Direktvergaben zur Angleichung der unterschiedlichen Laufzeiten von Verträgen. Unverzichtbar ist sie auch, wenn aufgrund spezifischer Verkehrssituationen volkswirtschaftlich sinnvoll nur ein Unternehmen als Betreiber in Frage kommt. Die Bedeutung der Direktvergabe für die Gestaltung der deutschen Wettbewerbsfahrpläne lässt sich im EU-Amtsblatt ablesen. Vergaben von rund 240 Mio. Zugkilometern sind hier derzeit angekündigt. Rund 70 Mio. Zugkilometer sollen davon direkt vergeben werden. Für weitere rund 67 Mio. Zugkilometer sind Wettbewerbsverfahren außerhalb des deutschen Vergaberechts (sog. „Fünf- Schritte-Verfahren“) vorgesehen. Hier kommt es darauf an, dass die Direktvergabe - im EU-Recht durch die EU-VO 1370/ 2007 seit 2009 ausdrücklich gestattet und in Europa gängige Vergabepraxis - auch in Zukunft in Deutschland rechtssicher genutzt werden kann. Dipl. Kfm. Frank Sennhenn (46) ist seit 2000 für die DB Regio AG in Frankfurt am Main tätig, war ab 2003 Vorstand Produktion und ist seit Juni 2009 Vorsitzender des Vorstandes der DB Regio AG. Bis 2000 war er für die DEG-Verkehrs-GmbH tätig. ɷ Third edition of World Rail Market Study Now available! World Rail Market Study 2010 Based on a survey c ondu c ted in the 50 l argest rai l markets wor l dwide, the study provides an update on the insta ll ed base and market vo l umes. Unique market growth predi c tions are disp l ayed for the short-term and 2020 time horizon per produ c t segment and regions. O n top of that, the UNIFE R ai l Market Study e l aborates strategi c c on cl usions for the industry and re e c ts on market deve l opments taking into a cc ount the impa c t of the e c onomi c downturn and severa l possib l e po l itic a l and e c onomi c s c enarios. A study conducted by UNIFE, the European rail industry in co-operation with Boston Consulting Group (BCG) published by Eurailpress It is the largest study of its kind and a major reference for the rail community. www.eurailpress.de l www.railwaygazette.com Contact: DVV Media Group GmbH l Eurai l press More information (incl. executive summary) at www.eurailpress.de/ wrms Lokale Gastgeber