Internationales Verkehrswesen
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Container- Planet Was die Welt zusammenhält POLITIK Zurück in die Zukunft: Ein Plädoyer für den Elektrobus INFRASTRUKTUR 60 Jahre Parkraumnot MOBILITÄT Herausforderungen an ein barrierefreies Verkehrssystem Was die Welt zusammenhält ystem www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 2 März/ April | 2011 | Einzelpreis 25 EUR logistic www.transportlogistic.de www.AirCargoEurope.com Kontakt Messe München GmbH 81823 München Tel. (+49 89) 9 49-1 13 68 info@transportlogistic.de Jetzt online Ihr Ticket buchen: www.transportlogistic.de/ tickets Dienstleistungen und Produkte für die gesamte Wertschöpfungskette Innovationen und Trends auf Weltniveau Präsenz internationaler Marktführer und Newcomer Einzigartiges Rahmenprogramm mit Foren, Konferenzen und Länder-Specials Fühlen Sie den Puls der Branche. Auf der internationalen Weltleitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management. Die ganze Branche im Blick. Neue Lösungen. Neue Impulse. Neue Wege. Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 3 EDITORIAL Frank Straube »Die Vorteile der Binnenschiffahrt müssen noch deutlicher kommuniziert werden« I hre positiven Reaktionen auf den Relaunch des Internationalen Verkehrswesen haben uns sehr gefreut und uns gezeigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Ihnen, an dieser Stelle, herzlichen Dank für Ihr zahlreiches Feedback. In dieser zweiten Ausgabe finden Sie nun eine weitere Neuerung. Viermal in diesem Jahr vertiefen wir eine unserer Fachrubriken, so dass ich an dieser Stelle einen Hinweis auf 21 spannende Artikel im Logistik-Spezial (ab Seite 29) geben möchte. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe ist die See- und Binnenschiffahrt. Die Herausforderungen der heutigen Binnenschiffahrt sind im Wesentlichen struktureller Natur. Es fehlt oftmals an einer klaren Kommunikation der Vorteile dieses Verkehrsträgers. Hier setzt die Europäische Kommission mit ihrem Forschungsprojekt PLATINA an. Dr. Gert-Jan Muilermann von der via donau- Österreichische Wasserstraßen-Gesellschaft mbH, Wien, et al. zeigen uns in ihrem Forschungsbericht „Auf Kurs in die Zukunft“ die Ansatzpunkte in der Förderung der europäischen Binnenschiffahrt auf und benennen die Zukunftsaufgaben in den Bereichen Märkte, Flottenmodernisierung, Infrastruktur sowie Aus- und Weiterbildung. Prof. Ulrich Holbach et al. von der Technischen Universität Berlin stellen sich dem Teilgebiet der Akustik im Schifsbau. In ihrem Wissenschaftsartikel „Viel Lärm um Schife“ beschreiben sie die Notwendigkeit im Schifsbau, Akustikprognosen bereits in frühen Konstruktionsphasen in Modellen abbilden zu können und somit den Anforderungen von Kunden in Bezug auf technische Ausführung und Kosten gerecht zu werden. „Das Prinzip Design für Alle“ führt uns hin zu der Fragestellung, wie Verkehrssysteme gestaltet werden müssen, um eine barrierefreie Mobilität, gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung, sicher zu stellen. Dieser Artikel von Prof. Christine Ahrend et al., Technische Universität Berlin, schließt mit vier Postulaten an die Verkehrsplanung, die den Schlüssel zu einer hohen Lebensqualität und selbstbestimmten Lebensweise darstellen. Je nach Verkehrsträger sind die Anforderungen an Infrastruktur unterschiedlich. So werden gerade an Flugbetriebsflächen besondere Anforderungen von unterschiedlichen Standardgebern gestellt. Dr.-Ing. Ulrich Häp vom Competence Center Aviation des TÜV Nord stellt in seinem Artikel „Zustandserfassung von Flugbetriebsflächen“ ein, teilweise aus dem Straßenbau bekanntes, kinematisches Messsystem vor. Bei diesem System werden auf ein Fahrzeug Laserscanner und Videokameras montiert und durch Überfahren der zu messenden Fläche umfassende hochgenaue Messdaten in kurzer Zeit generiert. So ist eine vollständige Abbildung eines Großflughafens innerhalb weniger Nächte, und somit ohne Flugbetriebseinschränkungen, darstellbar. Dieses vergleichsweise günstige Verfahren - 1,00 EUR pro lfd. Meter Messstrecke - wurde bereits in anderen Bereichen adaptiert. Große Teile des Madrider U-Bahn-Netzes wurden beispielsweise mit dieser Technik in einem Winkel von 360° vermessen. Ihnen wünsche ich viel Freude bei der Lektüre und neue Erkenntnisse aus den vorgestellten Artikeln. Ich freue mich auf Ihre Reaktionen. Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de »Auf Kurs in die Zukunft« Ihr Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 4 40 SEITEN EXTRA POLITIK 12 Zurück in die Zukunft Ralf Haase 16 Nachhaltige Mobilität gemeinsam gestalten Klaus Bonhof 18 Architektur für Verkehrstelematik in Deutschland Wissenschaftlicher Beirat BMVBS INFRASTRUKTUR 20 60 Jahre Parkraumnot Christoph Hupfer 26 Einparken und ausparken lassen Frido Stutz LOGISTIK 29 Auf Kurs in die Zukunft Gert-Jan Muilerman, Simon Hartl, Jörg Rusche, Katja Wenkel Welche künftigen Logistiktrends zeichnen sich ab? 7 Wie macht der Aktionsplan Güterverkehr und Logistik Sinn? 10 Wofür steht grüne Logistik? 16 Wie weit ist die Luftfracht vom papierlosen Transport entfernt? 24 Was macht Seetransporte sicherer? 26 Warum haben Einzelwagen- und Kombinierte Verkehre eine Zukunft? 30 LOGISTIK S pezial mit Antworten auf folgende Fragen: Heft 2 | 2011 »Ein Unternehmen muss authentisch sein, um glaubwürdig seine Wertvorstellungen vermitteln zu können.« Bernd Vögele, Geschäftsführer von Dunkel, Vögele & Associates LOGISTIKSpezial, Seite 14 INTERVIEW LOGISTIK Wechselwille ist Mangelware LOGISTIK Spezial mit Antworten auf folgende Fragen: Welche künftigen Logistiktrends zeichnen sich ab? Wie macht der Aktionsplan Güterverkehr und Logistik Sinn? Wofür steht grüne Logistik? Wie weit ist die Luftfracht vom papierlosen Transport entfernt? Was macht Seetransporte sicherer? Warum haben Einzelwagen- und Kombinierte Verkehre eine Zukunft? Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 5 INHALT März/ April 2011 MOBILITÄT 33 Das Prinzip Design für Alle Herausforderungen an ein barrierefreies Verkehrssystem Katrin Dziekan, Lisa Ruhrort, Christine Ahrend TECHNOLOGIE 38 Am Flüstergleis Axel Schuppe RUBRIKEN 03 Editorial 06 Momentaufnahme 08 Nachrichten 08 Stellenmarkt 1 1 Kurz + Kritisch 28 Bericht aus Brüssel 49 Veranstaltungen 56 Service 58 Beirat WISSENSCHAFT 41 Viel Lärm um Schife Gerd Holbach, Sebastian Ritz 46 Zustandserfassung von Flugbetriebsflächen Ulrich Häp DVWG-Nachrichten 51 Leitwort von Iris Götsch Hauptgeschäftsstelle DVWG 55 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Gastkommentar von Klaus Peters, Präsident des ZDS und Vorstandsvorsitzender der HHLA Seite 60 ➼ www. Sie finden „Internationales Verkehrswesen“ ab sofort im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: b umfangreichem Hefte-Archiv b aktuellen Branchennews und Terminen Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 6 MOMENTAUFNAHME Prof. Dr. Mirko Hornung Vorstand Wissenschaft und Technik Bauhaus Luftfahrt e.V. Asien 2030: Die Mittelklasse ist stark angewachsen. Ihr Mobilitätsbedarf und die zunehmende Urbanisierung verlangen nach eizienten Kurzstreckenflugzeugen mit hoher Kapazität für den Transfer zwischen den Megacities. Antworten auf diese sozioökonomischen Treiber, notwendige Technologien und deren Integration untersucht das Bauhaus Luftfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Mirko Hornung ganzheitlich und interdisziplinär. Mit Technologien wie einem Box-Wing, hoch eizienten Antrieben und einem widerstandsarmen Rumpf könnten Konzepte wie der Claire Liner im Jahr 2030 mehr als 300 Passagiere platzsparend, emissions- und lärmarm zwischen den Metropolen befördern. Weitere Informationen unter: www.bauhaus-luftfahrt.net Megacity Airliner Grafik: Bauhaus Luftfahrt Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 7 NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 8 Zur Unterstützung unseres Teams suchen wir ab sofort einen Verkehrsplaner mit 3-5 Jahren Berufserfahrung mit professioneller Teamfähigkeit, Präsentationssicherheit und sehr guten Deutsch- und Englischkenntnissen in Wort und Schrift für interessante Projekte im In- und Ausland verbunden mit zeitweise längeren Auslandsaufenthalten. AS&P - Albert Speer & Partner GmbH, Herr Michael Dinter, Hedderichstraße 108 - 110, 60596 Frankfurt am Main oder gerne digital an: m.dinter@as-p.de Weitere Infos finden Sie unter www.as-p.de/ aktuell/ jobs.html Brasilien Neue Verkehrsminister Die seit Jahresanfang regierende brasilianische Präsidentin Dilma Roussef hat einen neuen Hafen- und einen neuen Transportminister ernannt: José Leônidas de Menezes Cristino löst Pedro Brito als Hafenverantwortlicher ab. Cristino ist zuletzt Bürgermeister von Sobral und in Ceará Staatsminister für Transport gewesen. Brasiliens neuer Transportminister ist ein alter: Alfredo Pereira do Nascimento war bereits zweimal in dieser Position und wechselt nun Paulo Sérgio Passos ab, der das Amt ebenfalls schon mehrfach bekleidet hat. (zp) Rail Cargo Austria / Hungaria Führungswechsel Das Güterverkehrsunternehmen der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) hat ein neues Führungsduo: Erik Regter und Andreas Fuchs leiten seit Mitte Februar die Geschicke der Rail Cargo Austria AG (RCA). Regter übernimmt die Geschäftsbereiche Vertrieb und Marketing. Er wechselt vom französischen Energieversorger Poweo zu RCA. Fuchs übernimmt die Bereiche Produktion und Finanzen. Aufsichtsratsvorsitzender der RCA bleibt Christian Kern. An die Spitze der Tochter Rail Cargo Hungaria rückt Arnold Schiefer. Er kommt aus dem Vorstand der ÖBB-Infrastruktur GmbH. (ici/ zp) SBB Pilloud übernimmt Personenverkehr Bisher war sie Senior Vice President bei T-Systems, vom 1. April 2011 an leitet sie die Division Personenverkehr der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB): Jeannine Pilloud löst Urs Schlegel ab, der die Division interimistisch übernommen hatte. Stephan Pfuhl ist der neue Leiter Fernverkehr der Division Personenverkehr. Seine bisherige Funktion als Leiter Unternehmensentwicklung der SBB übernimmt Armin Weber, zuvor Leiter Unternehmensentwicklung in der Division Personenverkehr. (zp) BÖB Kluge soll den BÖB führen Neuer Geschäftsführer des Bundesverbands Öfentlicher Binnenhäfen (BÖB) wird zum 1. April Boris Kluge. Er ist seit drei Jahren geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr(SGKV)undfolgtaufKarl- Michael Probst, der bereits Ende September 2010 ausgeschieden ist. Zwischendurch hat Dr. Wilfried Schumacher die Geschäfte übernommen. (la/ zp) LHG Krüger führt Geschäfte Neuer Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) wird zum 1. April 2011 Ulfbenno Krüger. Er löst Hans- Gerd Gieleßen, einen der beiden Geschäftsführer, ab. Gieleßen verlässt das Unternehmen aus Altersgründen zum 30. April. Krüger ist für den kaufmännischen und administrativen Bereich zuständig, Heinrich Beckmann für die Bereiche Vertrieb und Betrieb. Krüger war zuvor Projektdirektor bei Arriva PLC für europaweite Projekte. (zp) Lufthansa Cargo Rupprecht für Operations Der Aufsichtsrat der Lufthansa Cargo AG hat über die Nachfolge von Vorstand Karl-Heinz Köpfle entschieden, der in Rente geht. Für das Ressort Operations ist vom 1. April an Dr. Karl-Rudolf Rupprecht zuständig, derzeit Leiter Hub-Management Frankfurt der Lufthansa Passage. Neben Rupprecht gehören Karl Ulrich Garnadt, Peter Gerber und Dr. Andreas Otto dem Vorstand der Lufthansa Cargo AG an. (zp) Hochtief Woltering aus Bremen Der bisherige Chef von Bremenports, der Hafengesellschaft des Landes Bremen, wechselt zum 1. April zum Baukonzern Hochtief. Dr. Stefan Woltering wird dort künftig als Mitglied der Geschäftsführung den Aufbau des neuen Gebiets Ofshore-Anlagen verantworten. Sein Nachfolger bei Bremenports ist Holger Barnik, bislang Prokurist der Gesellschaft und verantwortlich für die kaufmännischen Angelegenheiten. Ein weiterer Geschäftsführer wurde zum Redaktionsschluss noch gesucht. (zp) Dr. Stefan Woltering wechselt zu Hochtief. Foto: bremenports SNCB Pauwels für Logistik Im Zuge der vor drei Jahren gestarteten, umfassenden Restrukturierung der belgischen Staatsbahn SNCB ist die Frachtsparte zum 1. Februar in die selbstständige SNCB Logistics NV/ SA überführt worden. Gesellschafter sind SNCB mit 93,14 % und die SNCB Holding mit 6,86 %. Geschäftsführer ist Geert Pauwels, der das Frachtgeschäft der SNCB bereits seit Mitte 2008 leitet. SNCB Logistics soll sich mit ihren Töchtern Inter Ferry Boats (IFB, Kombinierter Verkehr), Rail Force (Chemie, Automobile, Holz) und Xpedys (Metallprodukte und trockene Massengüter) zu einem Logistikunternehmen entwickeln und von 2012 an schwarze Zahlen schreiben, gab SNCB bekannt. Die ehemalige Einheit B-Cargo Operations ging zum genannten Termin in SNCB Logistics (zentrale Services, Bahnbetrieb) und SNCB Freight Services (Rangierverkehr und Güterbahnhöfe) auf. (ri/ zp) Geert Pauwels Foto: B. Logistics AUA Antinori im Vorstand Der bisherige Lufthansa-Manager Thierry Antinori kommt Anfang April in den Vorstand der österreichischen Tochter Austrian Airlines (AUA). Damit wächst der AUA-Vorstand von zwei auf drei Mitglieder. Weitere Vorstände bleiben Peter Malanik und Andreas Bierwirth. (zp) Airbus Butschek für Weber Neuer Produktionsvorstand und gleichzeitig Chef von Airbus Deutschland ist seit dem 1. März Günter Butschek. Er folgt auf Gerald Weber. Beide kommen aus dem Fahrzeugbau, Butschek von der Daimler AG, wo er zuletzt Beijing Benz Automotive geführt hat. (zp) Galileo Testbetrieb gestartet Europäisches Satellitensystem Foto: Galileo industries Die erste Testregion für das europäische Satellitennavigationssystem Galileo ist Anfang Februar in Betrieb genommen worden. Während der Testphase erproben Entwickler unter realen Einsatz- und Umgebungsbedingungen die Anwendungsmöglichkeiten von Galileo. Der Echtbetrieb soll Anfang 2014 starten. (zp) Schweiz Verkehrsfinanzierung Litra, der Informationsdienst für den öfentlichen Verkehr in der Schweiz, hat einen Überblick über die Finanzierung des öfentlichen Verkehrs in der Schweiz zusammengestellt. Sowohl Mittelherkunft und -verwendung im Bereich Betrieb als auch im Bereich Infrastruktur werden auf Basis der Zahlen für 2009 dargestellt. (zp) Weitere Informationen: www.litra.ch Statistisches Bundesamt Güterverkehrszahlen 2010 noch unter 2008 Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer rechnet bis 2025 mit einer dramatischen Zunahme des Verkehrs. Allein der Güterverkehr werde um bis zu 80 % steigen, der Transitverkehr sogar um 150 %, sagte Ramsauer im Januar auf dem 49. Verkehrsgerichtstag in Goslar. Möglichst viel Güterverkehr solle auf Schiene und Wasserstraße verlagert werden. Dennoch werde die Straße der Verkehrsträger Nummer eins bleiben. Der Güterverkehr in Deutschland ist im Jahr 2010 gewachsen, allerdings sind die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht komplett überwunden. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts Destatis ist das Transportaufkommen im Jahr 2010 insgesamt voraussichtlich auf 4,1 Mrd. t und damit um 3,1 % gegenüber dem Jahr 2009 gestiegen. Zum Wachstum trugen alle Verkehrszweige bei: Straßen- und Eisenbahnverkehr, Binnen- und Seeschiffahrt, Rohrleitungen und Luftfahrt. (zp) www.internationales ➼ verkehrswesen.de EU-Forschungsprojekt Intermodal Routes Verbindungen zwischen 800 Terminals des intermodalen Verkehrs der 27 EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz und Norwegens lassen sich mit dem European Intermodal Route Finder (EIRF) ermitteln. Das E-Tool, das im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „Be Logic“ entwickelt wurde, zeigt alternative Transportmöglichkeiten über Schiene und Wasserstraße auf. Es ermöglicht auch eine Gewichtung und einen Vergleich der einzelnen Verkehrsträger nach Transportzeit, Flexibilität und Emissionen. (cd/ zp) Weitere Informationen: www.be-logic.info 11.- 12. Mai 2011 Wiesbaden, Rhein-Main-Hallen Fachausstellung und Fachtagung für Planung, Bau und Betrieb von Einrichtungen des ruhenden Verkehrs Veranstalter Mesago Messe Frankfurt GmbH Rotebühlstraße 83-85 70178 Stuttgart Tel. +49 711 61946-827 Fax +49 711 61946-90 Ideeller Träger Bundesverband Parken e.V . www.parken-messe.de NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 10 BAG Unternehmensstatistik Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), Köln, hat im Februar den Bericht „Struktur der Unternehmen des gewerblichen Güterkraftverkehrs und des Werkverkehrs“ für das Jahr 2009 herausgegeben. Rechtsformen, Verkehrsarten und Schwerpunkte der wirtschaftlichen Tätigkeit werden ebenso analysiert wie Betriebsgrößen, Zahl der Lkw und Anzahl der Mitarbeiter. Unter anderem geht aus dem Bericht hervor, dass im Jahr 2009 rund 2000 Unternehmen vom Markt verschwunden sind. Zum 31. Oktober 2009 waren noch 50 351 Betriebe registriert. 2008 waren ebenfalls etwa 2000 Unternehmen ausgeschieden. Kleinunternehmen dominieren sowohl von der Anzahl der Fahrzeuge als auch von der Zahl der Beschäftigten her den Markt. (zp) Weitere Informationen: www.bag.bund.de ɷ ADV Mehr Verkehr 2010 Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) hat Mitte Februar die Verkehrszahlen für das Jahr 2010 vorgestellt. Trotz starker Einschränkungen des Luftverkehrs infolge witterungsbedingter Ausfälle in den Wintermonaten, der Pilotenstreiks im vergangenen Jahr und des Vulkanausbruchs auf Island konnten die Flughäfen insgesamt deutliche Zuwächse verzeichnen. An den 23 internationalen Verkehrsflughäfen stieg die Zahl der Fluggäste im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 % auf 190 Mio. Passagiere. Die Luftfracht hat mit einem Plus von 21,4 % auf 4,4 Mio. t zugelegt. Die Flugzeugbewegungen an den Flughäfen gingen dagegen leicht um 0,3 % zurück und lagen ähnlich wie 2009 bei rund 2,3 Mio. Starts und Landungen. Für 2011 rechnet die ADV mit einem Zuwachs von bis zu 5 % im Passagierverkehr auf erstmals 200 Mio. Fluggäste in Deutschland. Allerdings erwarten die Flughäfen auch, dass das Wachstum durch die neue Luftverkehrsteuer spürbar gebremst wird. (zp) Grafik: Dynamar Containerumschlag Shanghai schlägt Singapur In Shanghai wurden 2010 mit 29,05 Mio. TEU (plus 16 % gegenüber dem Vorjahr) erstmals mehr Container umgeschlagen als in Singapur. Singapur führte bisher die Liste der umschlagstärksten Containerhäfen an, konnte aber nur um 10 % auf 28,4 Mio. TEU zulegen. Es folgen Hongkong, Shenzhen, Pusan, Los Angeles, Ningbo, Guangzhou, Qingdao und Dubai. Rotterdam liegt mit 11,1 Mio. t (plus 14 %) auf Platz elf. (wö/ zp) BMVBS Anti-Stau-Programm Um die Stau- und damit auch die Unfallgefahr zu reduzieren, legte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Mitte Februar den „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ vor. Das Papier enthält insgesamt 138 Projekte zum Bau von Verkehrslenkungsanlagen besonders auf hoch belasteten oder unfallträchtigen Autobahnabschnitten. Dazu gehören Strecken-, Netz- und Kontenbeeinflussung, Stauwarnanlagen, Ampelanlagen an Autobahnaufahrten sowie Anzeigen, die Fahrstreifen zuteilen oder Seitenstreifen freigeben. Die Maßnahmen sollen bis 2015 durch die Länder umgesetzt werden. Hierfür stellt das BMVBS insgesamt 300 Mio. EUR zur Verfügung. Ramsauer will mit dem Anti- Stau-Programm den Einsatz von Verkehrstelematik weiter vorantreiben. Intelligent gelenkter Verkehr laufe flüssiger und die Leistungsfähigkeit der Autobahnen steige deutlich mit der Folge von weniger Staus, Unfällen und CO 2 -Ausstoß. (zp) Ausführliche Informationen in den News auf www.internationales ➼ verkehrswesen.de. Foto: ADAC Ko"Hcejdgtgkej"Dcwkpigpkgwtygugp"fgt"Vgejpkuejgp"Wpkxgtukv“v"Mckugtuncwvgtp"kuv"¦wo" ht¯jguvo…inkejgp"¥gkvrwpmv"fkg" Y"4"/ "Rtqhguuwt"-XgtmgjtuygugpÐ *Pcejhqnig"Rtqh0"Ft0/ Kpi0"Octvkp"Jcci+ ykgfgt"¦w"dgugv¦gp0 Fkg"¦w"dgtwhgpfg"Rgtuqp"uqnn"fcu"Igdkgv"fgu"Xgtmgjtuygugpu"kp"Ngjtg"wpf"Hqtuejwpi" xgtvtgvgp0"Uejygtrwpmvg"uvgnngp"fkg"Xgtmgjturncpwpi."fkg"Tcwoqtfpwpi."Woygnvgkpykt/ mwpigp" uqykg" Rtqlgmvkgtwpi." 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Zur Erinnerung: Die Lkw-Maut für Fahrzeuge ab 12 t Gesamtgewicht wurde nur mit der Straßenbelastung und deren Wegekostenwirkungen begründet. Die gezahlten Verkehrssteuern wie Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer fanden ausdrücklich keinerlei Berücksichtigung. Warum sollte beim Busfernverkehr mit Fahrzeugen über 12 t Gesamtgewicht dies anders sein, obwohl er weitestgehend im Wettbewerb zum trassenpreispflichtigen Schienenverkehr fährt? Dass das Busgewerbe gegen eine solche Maut Sturm läuft, ist verständlich, aber nicht problemgerecht. Beim Lkw hat die Politik bei der Mauteinführung nicht gezögert! Auch sollten die Größenordnungen einer Bus-Maut nicht dramatisiert werden. Bei einem durchschnittlichen BAB-Anteil von 300 (400) km je Einfachfahrt ergeben sich Mautzahlungen von rd. 48 (64) EUR je Einfachfahrt. Bei einer Durchschnittsauslastung der Busse von 50 % sind dies Mautanteile am Fahrpreis in Höhe von etwa 1,90 (2,55) EUR je Fahrgast; bei höherer Auslastung entsprechend geringer. Die EU-Staaten haben im Personenverkehr die Gestaltungsfreiheit zur Mauteinführung. Allerdings handelt es sich, insbesondere in Deutschland, um ein Tabuthema. Aber dieses Tabu verliert angesichts der Finanzierungskrise bei der Verkehrsinfrastruktur und der Gleichbehandlungserfordernisse bei den verschiedenen Verkehrsarten an Stellenwert. Die Politik muss hier noch nachziehen, es sei denn, die Angst vor Kritik dominiert immer noch. ɷ D ie Novellierung des deutschen Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) rückt endlich näher. Nach langer und zähflüssiger vorbereitender Diskussion, einer kaum noch übersehbaren, geschweige denn zu verstehenden Zahl von rechtlichen Stellungnahmen mit sehr unterschiedlichen rechtlichen Positionierungen und zusätzlich voneinander abweichenden obergerichtlichen Entscheidungen liegt seit Januar dieses Jahres ein erster Entwurf des Bundesverkehrsministeriums vor. Die Situation ist aber immer noch mehr verwirrend als erleuchtend. Seit November 2007 liegt die Verordnung 1370/ 2007 EG vor, die mit sofortiger Wirkung und als Ersatz der VO 1191/ 69 EWG die Anpassung des PBefG in wichtigen Teilbereichen erfordert. Strittig und letztlich noch ofen sind u. a. die Fragen des Verhältnisses der VO 1370/ 2007 zum deutschen Vergaberecht, die Möglichkeiten der Direktvergabe von Nahverkehrsleistungen, der Zuweisung von Linienkonzessionen mit oder ohne Ausschließlichkeitsrechte, die Aufgabenabgrenzung zwischen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen im Rahmen des Nahverkehrsplans und der rechtlichen Ausgestaltung sog. kommerzieller Verkehre. Eine Veränderungsnotwendigkeit beim PBefG besteht auch hinsichtlich des noch sehr restriktiv behandelten Buslinienfernverkehrs (§ 13 Abs. 2 Satz 2). Inzwischen ist klar, dass diese Liberalisierung kommen wird; die Deutsche Bahn AG und auch zahlreiche Nahverkehrsunternehmen haben ihre grundsätzlichen Bedenken zumindest zurückgestellt - es blieb ihnen auch kaum etwas anderes übrig. Ein zum Schutz des Eisenbahnverkehrs geltender rigoroser Regulierungsrahmen für den Buslinienfernverkehr ist weder ordnungspolitisch vertretbar noch verkehrspolitisch begründbar. Die potenziellen Anbieter dieser Busleistungen, unter denen die DB AG eine bedeutende Mitspielerrolle einnehmen wird, positionieren sich bereits deutlich. Aber auch hier stehen sich noch zwei Liberalisierungsstrategien gegenüber: unbeschränkte Freigabe oder Freigabe mit ordnungspolitischen Stabilisatoren. Eine unbeschränkte Freigabe führt tendenziell, und das zeigen ausländische Erfahrungen, zur Gefahr eines preis- und qualitätspolitisch unbefriedigenden Wettbewerbs um den Fahrgast („wer zuerst die Busstation erreicht, greift die Fahrgäste ab“). Um dies zu verhindern, aber gleichzeitig einen funktionsfähigen Wettbewerb zu fördern, sollten auch für diese kommerziellen Buslinienfernverkehre diskriminierungsfreie Genehmigungen ausgegeben und die Einhaltung der Beförderungs-, Fahrplan- und Tarifpflicht für definierte Zeiträume sichergestellt werden. Dabei sollte die Ausgabe von mehreren zeitlich befristeten Genehmigungen für beantragte Linien möglich sein. »Die Situation ist aber immer noch mehr verwirrend als erleuchtend.« »Wie steht es mit einer Bemautung der Busfernverkehre bei der Autobahnbenutzung? « Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche »Neues PBefG: Ecken, Kanten, Tabus« POLITIK Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 12 Zurück in die Zukunft Der Hybridbus scheint noch immer das Non plus ultra zu sein, obwohl er bekanntermaßen nur eine Übergangstechnologie darstellt. Ein bedauerlicher Umweg auf dem Weg zum reinen Elektrobus und ofenbar ein Zugeständnis an die deutsche Automobilindustrie. D ie Bundesregierung nahm am 30.- November- 2010 den Zwischenbericht des Lenkungskreises der Nationalen Plattform Elektromobilität entgegen, in dem die bisherigen Ergebnisse auf dem Weg zur beschleunigten Marktfähigkeit innovativer Elektrofahrzeuge beschrieben werden. Im Fokus des Berichts stand erwartungsgemäß der Elektro-Pkw. Der Elektrobus kam nach wie vor nicht zur Sprache, weil hier ofensichtlich der Begrif „Innovation“ anders interpretiert wird. Der Hybridbus scheint noch immer das Non plus ultra zu sein, obwohl er bekanntermaßen nur eine Brückentechnologie darstellt. Anstatt von vornherein die beachtlichen Fördermittel des Bundes in die technologische Weiterentwicklung von reinen Elektrobussen auf innovativer Basis zu stecken, wird der Erwerb von mehr als 140- Hybridbussen in den Modellregionen über aufwendige Ausschreibungsverfahren favorisiert. Ein bedauerlicher Umweg, wie engagierte Forscher wissen, der ofensichtlich als Zugeständnis an die deutsche Automobilindustrie zu werten ist. Das Thema Elektromobilität zählt zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung in Richtung einer aktiven Klimapolitik und efektiven Ressourcenschonung unter dem Aspekt der postfossilen Mobilität. Es fokussiert sich in der Gegenwart vordergründig auf den motorisierten individuellen Straßenverkehr. Im Bereich der Städte und Ballungsräume korrespondiert es jedoch mit den öfentlichen Nahverkehrssystemen, welche einen ständig wachsenden Anteil an den Personenverkehrsleistungen verzeichnen. Während die schienengebundene Elektromobilität seit langem den Kern nachhaltigen Verkehrs darstellt, bleibt der Elektroantrieb in Bussystemen eindeutig hinter den Möglichkeiten zurück. Es besteht der Eindruck, dass die Politik dafür keine ofene Ohren besitzt oder fehlgeleitet wird. Erinnern wir uns: Im Jahre- 1882 erprobte Werner von Siemens im Berliner Grunewald das „Elektromote“, den weltweit ersten elektrischen Omnibus. Von Deutschland aus trat der Trolley- oder Oberleitungsbus seinen Siegeszug rund um die Welt an. Heute verkehren weltweit mehr als 40 000 elektrische Omnibusse in 371 Städten von insgesamt 47 Staaten. Doch in Deutschland, dem Mutterland dieser Technologie, sind nur drei Städte übrig geblieben. Während die deutsche Automobilindustrie den Dieselantrieb in Stadtbussen immer weiterentwickelte, blieben die Forschungsleistungen bei Elektrobussen auf der Strecke oder kamen über den Fahrzeugexport anderen Ländern zugute. In den Jahren 2007 und 2009 richtete der Bereich Verkehrsstudien Berlin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. in Zusammenarbeit mit Verkehrs- und Industriepartnern im In- und Ausland in Solingen bzw. Esslingen a. N. „Nationale Elektrobus- Foto: Mercedes-Benz Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 13 Abb. 2: 24 m-Doppelgelenkbus in Hybridbauweise von HESS/ Vossloh Kiepe, lieferbar auch als Trolleybus Foto: Vossloh Kiepe konferenzen“ aus. Die dritte Konferenz in Reihe wird nunmehr vom 5.- bis- 6.- Mai- 2011 in Eberswalde stattfinden und damit den Kreis der deutschen Städte abrunden, die trotz mancher Schmähungen, künstlicher Hindernisse und unzureichender Förderung positiv zum elektrisch angetriebenen straßengebundenen ÖPNV stehen. Dass dies keine Notlösung ist, beweist in den genannten Städten die ungebrochene Akzeptanz des Oberleitungsbusses durch die Bevölkerung. Alle drei Städte investieren über Linienerweiterungen, Fahrzeugersatzprogramme und Mitwirkung an technologischen Verbesserungen mit Erfolg in dieses System. Sie unterstreichen damit auch für deutsche Verhältnisse, dass Trolleybusse moderne zukunftsträchtige Nahverkehrsmittel sind und die Kriterien von Umweltfreundlichkeit, Energieeizienz und fahrgastbezogener Attraktivität in hohem Maße erfüllen. Die Trolleybustechnologie ist ausgereift, technisch sicher und wirtschaftlich. Der weltweite Trend zu Elektrobussen mit unterschiedlichen Antriebskonfigurationen strafen diejenigen Lügen, welche Investitionen in diese „Dinosaurier-Technologie“ ablehnen. Dazu sind in der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ bereits mehrere wertende und kritische Beiträge erschienen [1]. Mit dem Thema Elektromobilität auf der politischen Agenda bekommt dieser Prozess eine neue Dynamik und wird mehr und mehr als Baustein einer künftigen Mobilitätsstrategie verstanden. Das alles hat jedoch noch nicht dazu geführt, dass der Elektrobus explizit als strategisches Ziel benannt und in technologischen Stufen in realistische Konzepte umgesetzt wird. Der „Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität“ kann in seiner Gesamtheit nur dann greifen, wenn es zu einem langfristigen und umfassenden Ansatz kommt, der systembezogen alle Anwenderbereiche einschließt. Mittels gezielter Forschungsförderung, regionaler Pilotprojekte und technologischer Vernetzungsangebote muss endlich auch der straßengebundene elektrische ÖPNV in den Mittelpunkt rücken. Auf den erwähnten Elektrobuskonferenzen wurde der wissenschaftliche Nachweis erbracht, dass der Elektrobus in traditioneller Version eine ausgereifte und sichere Technologie darstellt, welche ein enormes innovatives Weiterentwicklungspotenzial besitzt. Dass sich die deutsche Verkehrspolitik inzwischen in einem Sinneswandel befindet, unterstreicht die Tatsache, wonach Bundesminister Dr. Peter Ramsauer das Patronat für die dritte Elektrobuskonferenz übernommen hat und in seinem Kommentar zum oben erwähnten Statusbericht die Forderung nach Konzepten zur Integration von Mobilitätsansätzen auch für den elektrischen straßengebundenen ÖPNV erhoben hat. Postfossile Mobilität verlangt den Abbau von Denkbarrieren Das Finden einer neuen Position in Fragen elektrischer Antriebe für Stadtbussysteme in Deutschland muss sich auf breiter Ebene bewegen. Gefordert sind alle, welche hier Verantwortung tragen: die Automobilindustrie, die Interessenverbände in Wirtschaft und Verkehr, die politischen Entscheidungsträger auf allen Ebenen, die Stadt- und Abb. 1: Niederflur-Trolleybus in 19,50 m-Gelenkbauweise als elektrisches Bussystem für Saudi-Arabien Grafik: Viseon Bus GmbH POLITIK Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 14 Verkehrsplaner, die ÖPNV-Unternehmen u. a. Das Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft muss eizienter werden. In der Tat haben wir es, wie die bestehenden Arbeitskontakte beweisen, mit Denkbarrieren zu tun, welche den Elektrobus brandmarken. Wer in diesem Prozess den Vergleich „Henne - Ei“ bemüht, ist schwer auszumachen. Die deutschen Bushersteller verweisen seit Mitte der 1970er Jahre auf die mangelhafte Marktnachfrage in Deutschland, die ÖPNV-Unternehmen auf Finanzierungsprobleme in der Infrastruktur und die Kommunen mit ihren Stadt- und Verkehrsplanungen auf neue „moderne Verkehrskonzepte“, welche keinen Platz für den Trolleybus vorsehen. Eben diese schlugen dann im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung auch auf jene ostdeutschen Kommunen durch, welche überwiegend am Elektrobus festhalten wollten, jedoch Bushersteller lange gezögert hat, ehe sie den Bau von Trolleybussen für deutsche ÖPNV-Unternehmen einstellte. Aktuelle Parallelen zeichnen sich dabei wie beim Elektro-Pkw ab, bei dem Deutschland die Entwicklung in anderen Ländern ignoriert hat und nunmehr Schwierigkeiten hat, den technologischen Rückstand in möglichst kurzer Zeit aufzuholen. Somit stellt sich die Frage, wie wir mit dem Thema Elektrobussysteme in Einheit von Tradition und Innovation weiter umgehen sollten. Die Eberswalder Konferenz will auch darauf eine Antwort geben. Erhalt und Ausbau konventioneller Trolleybussysteme Die Entscheidungen der Städte Solingen, Esslingen und Eberswalde zum Ausbau der Elektrobussysteme verlangen uneingeschränkte Anerkennung und Unterstützung. Die Vorteile des Elektrobusses sind allseits bekannt und müssen in den laufenden Debatten nicht ständig neu strapaziert werden. Was allerdings wiederholungsbedürftig ist, sind die Warnungen vor einem radikalen Investitionsstopp in die bestehenden Nahverkehrssysteme. Davon würden sowohl konventionelle als auch innovative Elektrobuskonzepte betrofen sein, der Status quo würde verfestigt. Auch würde er vernünftige verkehrsplanerische Ansätze einer Reihe von Kommunen zunichte machen, welche einen umweltgerechten Systemwechsel im deutschen Personennahverkehr anstreben. Ergänzungs- und Erweiterungsnetze vor allem in Großstädten im Zubringerverkehr zu Stadt-, Regional- und Fernbahn stünden vor dem Aus und die gewollte Optimierung bestehender Bedienungsnetze im ÖPNV mittels reiner Elektrobusse bliebe eine Zukunftsvision. Wenn heute in Deutschland eine Renaissance von Elektrobussen in konventioneller Bauart (also Trolleys mit Fahrdraht) in öfentlichen Debatten und unternehmerischen Planungen wie in Leipzig wieder erwogen wird, dann ist bei allen erkennbaren Systemvorteilen der Zeitpunkt äusserst schlecht gewählt, weil sich erneut die Rahmenbedingungen verschoben haben. Es ist nicht nur die erwähnte Finanznot, sondern auch die Abwartehaltung im ÖPNV-Sektor in der Frage, wie und wann sich die innovativen Technologien im Rahmen der straßengebundenen Elektromobilität in Busflotten realisieren lassen. Hier bedarf es größter Anstrengungen im F- und E-Bereich, um einen Sinneswandel zu ermöglichen. Am Rande der Internationalen Fachmesse InnoTrans- 2010 in Berlin fand eine vom Autor moderierte Podiumsdiskussion mit dem Titel „Hybridbus, Elektrobus, Brennstofzellenbus - Perspektiven für den straßengebundenen ÖPNV der Zukunft“ statt, in der es aus Industrie-, Verkehrs- und Wissenschaftssicht zu einer Bewertung traditioneller (mit Oberleitung) wie auch innovativer Elektrobussysteme kam. Für die traditionellen Systeme herrschte klar die Meinung vor, dass vorhandene Netze nicht nur erhaltenswürdig, sondern ausbaufähig sind, auch wenn die relativ teure Stromversorgung (Oberleitung, Masten, Unterwerke usw.) den Investitionsaufwand erhöht. Doch die Langlebigkeit solcher Systeme bei hoher Wartungsfreiheit in Verbindung mit neuen Werkstofen und Steuerungssystemen rechtfertigt dies in jedem Falle. Was die Fahrzeuge betrift, erreicht der moderne Trolleybus eine im Durchschnitt um 80 % höhere Lebensdauer als der Dieselbus. Zudem entspricht der Trolleybus von heute im technischen Gesamtkonzept (elektrische Ausrüstung, zusätzliche Speichermedien, Fahrzeuggröße, Fahrkomfort usw.) keineswegs mehr jenen Fahrzeugen, hinten denen man sich bei der Argumentation gegenüber dem Elektrobus versteckt. Genauso einfallslos muss die Argumentation bewertet werden, wonach die Oberleitung in Stadtzentren (besonders in historischen Stadtquartieren) störend wirkt. Doch wen stört eigentlich derzeit die Oberleitung bei Stadt- und Straßenbahnen? Zwischenzeitlich ist auf europäischer Ebene ein Verbundprojekt in Gang gekommen, das unter dem Namen „EU-Trolley“ vom ERDF (Europaen Regional Development Fund) von 2010 bis 2013 kofinanziert wird. Das Netzwerk vereint neun Partner aus sechs europäischen Staaten und dient der Weiterentwicklung von Trolleybussystemen in konventioneller Technologie [2]. Von deutscher Seite sind die Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH und die Barnimer Busgesellschaft mbH (BBG) mit Sitz in Eberswalde involviert. Während Leipzig die Wiedereinführung eines Trolleybusnetzes schon seit längerer Zeit plant, erneuert die BBG gerade ihre Fahrzeugflotte mit 14- Solaris-Bussen des Typs „Trollino- 18“. Schwerpunkte des Arbeitsprogramms sind vor allem die Beschreibung der fortschrittlichen technischen Standards, die Erstellung eines Handbuchs für moderne Energiespeicherung, Intermodalitätsuntersuchungen für gemeinsame Netznutzung von Bahn und Bus, Umrüstungskonzepte von Dieselauf Trolleybusse, die Unterstützung bei der Erarbeitung von Machbarkeitsstudien sowie eine europaweite Kampagne zur Imageaufwertung von Trolleybussen. Schon die Laufzeit des Projekts macht deutlich, dass Brüssel den Trolleybussystemen in Europa eine Brücke bauen möchte. Abb. 3: Feierliche Übergabe des ersten 18 m-Trolleybusses (Trollino) von Solaris/ Cegelec am 6. November 2010 an den Betreiber Barnimer Busgesellschaft Foto: BBG die „westdeutsche Haube“ übergestülpt bekamen. Wir wissen heute jedoch, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht gestimmt haben, was zu falschen Managemententscheidungen in Wirtschafts- und Verkehrsunternehmen geführt hat. Den Elektrobus auszublenden war ein fataler Fehler. Inwieweit dabei die deutsche Automobilindustrie die zukünftigen technologischen Innovationen falsch eingeschätzt und uneingeschränkt auf die Dieseltechnologie gesetzt hat, kann nur vermutet werden. Allerdings muss korrekterweise auch vermerkt werden, dass eine Reihe deutscher Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 15 für seine Alltagstauglichkeit auf breiter nationaler oder gar internationaler Ebene. Allianz für den modernen Elektrobus in Deutschland Mit dem provokanten Titel des Beitrags ist gewollt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieser Verkehrstechnologie in einen schlüssigen Denkanstoß münden zu lassen. Es kann bei der vorhandenen Kompetenz nicht befriedigen, dass wir in Sachen Elektromobilität auf der Straße eine Politik der kleinen Schritte präferieren, obwohl in Deutschland alle Voraussetzungen für ein Gesamtverkehrskonzept im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise bestehen, welche den Elektrobus als Zukunftsmodell einschließen. Aus den gesammelten Erfahrungen und vorliegenden Erkenntnissen kann und muss in Deutschland erreicht werden, dass b konventionelle Systeme (Trolleybustechnologie) weiterentwickelt werden, in weiteren Städten zur Anwendung kommen und investiv vorrangig gefördert werden; b innovative Systeme (Technologie mittels Energiespeicher und Schnellladeprozessen, Brennstofzellentechnologie) forschungsseitig beschleunigt werden und eine schnellere Praxisreife erlangen. Es erscheint geboten, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in diesen Fragen stärker aufeinander zugehen, eine gemeinsame Strategie verfolgen und zu einer Allianz finden, welche den elektrischen straßengebundenen ÖPNV in eine zukunftsträchtige Position bringen. Aus diesem Grunde ist die Förderpolitik generell neu zu durchdenken. Die laufenden Förderprogramme müssen dringlich nach 2011 fortgeführt werden. Will Deutschland die weltweite Marktführerschaft für Elektromobilität im Straßenverkehr erreichen, bedarf es eines Gesamtkonzeptes, in dem auch der Elektrobus eine entscheidende Rolle spielt. ɷ Hybridbusse als Brückentechnologie Im Rahmen des Entwurfs zum Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität spielten Stadtbussysteme zunächst keine Rolle. Interventionen von verschiedenen Seiten, an denen sich auch der Autor im Auftrag der internationalen Arbeitsgruppe TrolleyMotion beteiligte, führten zu einem Umdenken in der Bundesregierung. Mit der Ausschreibung des Förderprogramms Modellregionen Elektromobilität gingen beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 176- Interessensbekundungen ein, aus denen letztlich acht Modellregionen (Berlin/ Potsdam, Bremen/ Oldenburg, Hamburg, Rhein/ Ruhr, Rhein/ Main, Stuttgart, Sachsen mit den Städten Dresden und Leipzig, sowie München) ausgewählt wurden. Schwerpunkt stellte hier vor allem die Förderung von Hybridbussen im Zeitraum 2009 bis 2011 dar. Parallel zum BMVBS verfolgen auch das Bundesumweltministerium sowie das Bundeswissenschaftsministerium diesen Technologieansatz weiter und stellen Fördermittel für Hybridbusse bereit. So erhält z. B. der Freistaat Sachsen für die Städte Dresden und Leipzig im Rahmen unterschiedlicher Förderprogramme insgesamt 51-Hybridbusse. Zurzeit existieren bundesweit insgesamt 15- Modellregionen, welche jeweils vom Verkehrs-, Umwelt- und Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen wurden. Die von Anfang an notwendige Clusterung bester Lösungen ist noch nicht in Sicht. Es muss auch festgestellt werden, dass bedauerlicherweise zwischen den Bundesministerien keine abgestimmte einheitliche Handhabung von Projektanträgen erfolgt. Es mangelt ofensichtlich an einem Gesamtkonzept der Bundesregierung, wie aus Stellungnahmen unterschiedlicher Gremien der Wirtschaft hervorgeht [3]. Damit erklärt sich auch, dass unterschiedliche Sichtweisen auf Zukunftstechnologien zu unefektiven Vorgehensmustern führen und somit die benötigten Forschungsgelder für innovative Technologieansätze noch weiter zersplittert werden. An dieser Stelle muss nochmals hervorgehoben werden, dass Hybridbusse zwar einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellen. Doch ihre Förderung ist verlorenes Geld, das dringend für die Forschungsarbeiten am vollelektrischen Bus fehlt. Serielle Hybridbusse werden gegenwärtig sowohl von deutschen als auch von ausländischen Busherstellern in Zusammenarbeit mit Elektro-Ausrüstern angeboten. Doch sie stellen nur eine Mittelfristlösung dar. Natürlich stopfen solche zusätzlichen Investitionsquellen des Bundes einige wenige Löcher bei einzelnen ÖPNV-Unternehmen. Doch sie dienen mehr dem gegenwärtigen Umsatz der deutschen Omnibushersteller, wenn man den Zahlen glauben darf. Das Kernproblem lösen sie aber nicht. Werden die Weichen zum reinen Elektrobus mittels Forschungsförderung jetzt nicht konsequent und langfristig gestellt, verschenken wir entscheidendes Forschungspotenzial für die strategische Gesamtausrichtung des zukünftigen straßengebundenen ÖPNV. Jetzt kommt es darauf an, die bis 2011 festgesetzte Förderrichtlinie in neuen innovativen Forschungsprojekten fortzuschreiben, die sich bei elektrischen Stadtbussystemen auf die Schwerpunkte Speicher- und Ladetechnologien, Energieübertragungssysteme, innovative Fahrzeugkonzepte und Verkehrsnetzintegration konzentrieren sollten. Elektrobustechnologie kommt in Deutschland nur langsam voran Die erwähnte Diskussionsrunde während der InnoTrans- 2010 zeigte mit aller Deutlichkeit, dass sich der Elektrobus in einem technologischen Wandel befindet. Dieser beginnt damit, dass konventionelle Elektrobusse mit Fahrdraht hinsichtlich ihrer Energieeizienz (z. B. mittels Rekuperation von Bremsenergie in Superkondensatoren) weiterentwickelt und technisch vervollkommnet werden. Und dieser Wandel setzt sich darin fort, dass neue Hybridbusse in rein elektrische Busse umgebaut werden, aber zu welchem Aufwand. Aktuell sollte die Aufgabe forschungsseitig darin bestehen, die Technologie für Elektrobusse in innovativer Richtung weiterzuentwickeln. Dies sollte mittels leistungsfähiger Energiespeicher (überwiegend auf Lithium-Ionen-Basis) definiert werden. Und Ladetechnologien zur punktuellen Energieübertragung aus einem elektrischen Netz (Docking-Stationen) bzw. über andere Formen induktiver Energieübertragung (z. B. System „Primove“ von Bombardier) sollten korrespondierend mit der Batterieentwicklung schneller vorangebracht werden. So würde der moderne elektrische Stadtbus im Flottenbetrieb seine innovative Stärke über eine Netzintegration in bestehende Mobilitätslösungen ausspielen und schrittweise die Dieselflotte ablösen können. Was generell für die Elektromobilität zutrift, gilt auch für den Elektrobus. Elektrische Antriebe müssen immer stärker aus regenerativer Energie gespeist werden. Gleichermaßen bedarf es größerer Anstrengungen, die wasserstofgestützte Brennstofzellentechnologie noch schneller voranzubringen. Der laufende Pilotbetrieb im Rahmen der Modellregionen Hamburg und Berlin erlaubt noch kein endgültiges Urteil [1] HAASE, RALF; Für eine Renaissance des O-Busses; in Internationales Verkehrswesen, Heft 5 / Mai 2007, S. 229 f; HAASE, RALF; Der „Maßanzug“ für den Stadtverkehr der Zukunft; in Internationales Verkehrswesen, Heft 7+8 / August 2009; S. 268 f. [2] Promoting electric public transport; unter www.trolleyprojekt.eu [3] Deutsches Verkehrsforum, Lenkungskreis Straßenverkehr; Positionspapier Elektromobilität - Technologie fördern - Chancen nutzen - Nachhaltigkeit sichern; Oktober 2009 LITERATUR Ralf Haase, Dr. oec. habil. Friedrich-List-Forum Dresden e. V. Technischen Universtät Dresden dr.ralfhaase@t-online.de POLITIK Umwelt Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 16 Nachhaltige Mobilität gemeinsam gestalten Die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und die notwendige Verminderung der klimaschädigenden CO 2 -Emissionen erfordern ein gemeinschaftliches Handeln von Politik, Industrie und Wissenschaft. Nur vereint können die drei Akteure ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht werden. D ie NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie hat die Rolle des Koordinators der Aktivitäten von Politik, Industrie und Wissenschaft übernommen. Sie verknüpft die strategische Initiative der Bundesregierung für nachhaltige, möglichst in der gesamten Energiekette emissionsfreie Mobilität mit Brennstofzelle und Batterie mit den zahlreichen Projekten von Industrie und Wissenschaft, die Technologie in einen kommerziellen Markt zu führen. Gemeinsame Plattform aller Akteure Ohne Unterstützung der öfentlichen Hand wird es der Industrie nicht gelingen, die Schlüsseltechnologien für künftige und zukunftsfähige Mobilität zur Marktreife zu bringen. Der Bund hat darum zwei umfangreiche Programme aufgelegt: Zum einen das Nationale Innovationsprogramm für Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie - kurz NIP als gemeinsames Programm von BMBF, BMU, BMWi und BMVBS; und zum anderen das Programm Modellregionen Elektromobilität des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Beide Programme haben das Ziel, die Marktvorbereitung der Technologien zu beschleunigen. Zu diesem Zweck stehen im NIP 1,4 Mrd. EUR bis 2016 für Forschung und Entwicklung und Demonstrationsprojekte im Bereich Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie zur Verfügung. Diese Summe setzt sich aus 700 Mio. EUR Fördermitteln (500 Mio. EUR des BMVBS und 200 Mio. EUR des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, BMWi) sowie 700 Mio. EUR Eigenmittel der Industrie zusammen. Das Programm Modellregionen Elektromobilität des BMVBS ist der wesentliche Baustein der Demonstrationsvorhaben des Bundes im Bereich Elektromobilität. Aus Mitteln des Konjunkturpakets II stehen hierfür 130 Mio. EUR Fördermittel für die Jahre 2010 und 2011 zur Verfügung. Aktuell diskutiert die Politik Möglichkeiten zur Fortführung des Ende 2011 auslaufenden Programms. Beide Programme - NIP und Modellregionen Elektromobilität - werden von der NOW koordiniert, wobei Erwähnung finden muss, dass insbesondere das NIP neben der Marktvorbereitung mobiler Anwendungen auch Brennstofzellenprojekte im Bereich der stationären Energieversorgung von Gebäuden und im Bereich der sogenannten speziellen Märkte - beispielsweise Brennstofzellentechnologie in der unterbrechungsfreien Stromversorgung, etwa Notstrom für Polizei- und Feuerwehrfunk - fördert. Alternative Antriebe und Kraftstofe für den Verkehrssektor Der Verkehrssektor verbraucht in Deutschland heute in seiner Bandbreite vom Straßen-, Schienen- und Luftverkehr bis hin zur Schiffahrt rund ein Drittel der Primärenergie der Bundesrepublik. Allein der Straßenverkehr verursacht circa 70 % des Kohlenstofdioxidausstoßes im Verkehrsbereich. Um bereits formulierte Umweltziele - beispielsweise den für die EU diskutierten CO 2 -Grenzwert von 95 g/ km ab 2020 - zu erreichen, müssen einerseits die bereits heute im Markt bestehenden Technologien im Sinne höherer Eizienz verbessert werden. Da dies allein aber nicht ausreichen wird, werden zudem alternative Antriebe und Kraftstofe benötigt. Dabei ist klar, dass aufgrund der individuellen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen keine Technologie die spezifischen Anforderungen aller Kunden allein erfüllen kann. Vielmehr wird sich ein ganzes Portfolio an Antriebsarten und Kraftstofen etablieren - von Hybridfahrzeugen, batterieelektrischen Abb. 1: Funktionsprinzip der Brennstofzelle: Die Brennstofzelle ist durch eine dünne Kunststoffolie, die Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM) in zwei Teile getrennt. Die Folie ist auf jeder Seite mit einem Katalysator und einer gasdurchlässigen Elektrode beschichtet. Durch die feinen Gaskanäle strömen Wasserstof und Sauerstof von einer Seite zur anderen. Der Katalysator zerlegt den Wasserstof in ein Elektron und ein Proton. Die positiv geladenen Protonen können durch die PEM-Folie hindurchschlüpfen, die negativen Elektronen aber nicht. Dadurch wird eine Spannung erzeugt. Verbindet man die Elektroden, fließt ein Gleichstrom. Als Resultat dieser elektrochemischen Reaktion entsteht reines Wasser (H 2 O). Grafik: Daimler Gasdiffusionselektrode (Kathode) Katalysator Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM) Gasdiffusionselektrode (Anode) Verteilerplatten Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 17 Antrieben bis hin zu Wasserstof- und Brennstofzellenfahrzeugen in unterschiedlichen Elektrifizierungsgraden. Die Schlüsseltechnologien Batterie und Brennstofzelle haben dabei das Potenzial für einen kohlendioxidfreien Straßenverkehr. Die Kraftstofstrategie des Bundes geht mit dem kontinuierlichen Anstieg der Elektromobilität Hand in Hand. Wasserstof spielt hierbei eine besondere Rolle, da er eine zusätzliche Lösung für die Zwischenspeicherung großer Energiemengen im Zusammenhang mit schwankenden erneuerbaren Energien darstellt. Wasserstof betriebene Brennstofzellenfahrzeuge sind aufgrund ihrer schnellen Betankungszeiten und großen Reichweite für Überlandfahrten geeignet. Hocheiziente batterieelektrische Antriebe in Kompaktwagen entfalten ihr Potenzial hingegen insbesondere im Stadtverkehr. CO 2 -freier Wasserstof - auch als Speicher von erneuerbaren Energien Zentrales Thema in dieser Diskussion ist die Verknüpfung von erneuerbarer Energie mit dem Verkehrsbereich über Wasserstof als Kraftstof. Derzeit rechnet man damit, dass schon ab 2020 Wind-Wasserstof-Systeme wettbewerbsfähig werden können. Die Idee ist, aus so genanntem ‚Überschuss‘- Windstrom per Elektrolyse Wasserstof herzustellen. Der Wasserstof dient als Speicher und schaltet die für Windstrom typische Fluktuation aus. Zudem wird der gespeicherte Wasserstof später für Verkehr, stationäre Stromversorgung oder Industrie genutzt. Für die Speicherung in großem Stil sind unterirdische Salzkavernen sehr gut geeignet. Clean Energy Partnership Im Rahmen der Clean Energy Partnership (CEP) - dem NIP-Leuchtturmprojekt im Verkehrsbereich - planen die Unternehmen TOTAL und ENERTRAG am Airport Berlin Brandenburg International die weltweit erste CO 2 -freie Tankstelle: Mit Strom aus einem Windpark soll sie ab Ende 2011 Wasserstof produzieren. In der CEP verbinden 13 führende Unternehmen (Daimler, BMW, GM/ Opel, VW, Toyota, Ford, Statoil, Linde, Shell, Total, Vattenfall, Hamburg Hochbahn, Berliner Verkehrsbetriebe) ihre Demonstrationsprojekte zur Verwirklichung einer wasserstofbasierten, emissionsfreien Mobilität. Neben der ständigen Verbesserung der Brennstofzellenfahrzeuge - erst im Januar 2011 hat Daimler die neueste Fahrzeuggeneration, auf Basis der Mercedes-Benz B-Klasse, unter anderem der NOW als Testkunden übergeben - wird der Aubau einer Wasserstoinfrastruktur immer wichtiger. Denn parallel zur geplanten Kommerzialisierung von Brennstofzellen-Fahrzeugen ab 2015 müssen ausreichend Tankstellen zur Verfügung stehen. Hier muss unter anderem noch intensiv über die unterstützende Rolle der öfentlichen Hand diskutiert werden. Experten beurteilen das Potential von Wasserstof im Verkehrsbereich positiv: Bis zum Jahr 2050 können etwa 70 % der Pkw und leichten Nutzfahrzeuge in Deutschland Wasserstof als Kraftstof nutzen. Die durchschnittlichen Flottenemissionen können mit Wasserstof auf 20 g CO 2 / km gesenkt werden, bei Kosten in der Größenordnung heutiger Mobilitätsaufwendungen. Globaler Wettbewerb Die Entwicklung und Marktvorbereitung alternativer Kraftstofe und Antriebe geschieht im internationalen Wettbewerb. Neben Deutschland sind hier vor allem Japan, die USA, Korea aber auch China in der Spitzengruppe vertreten. Ziel des Wirtschaftsstandorts Deutschland ist es, sich als Leitmarkt und als Leitzulieferer zu behaupten; und zwar als Teil einer europäischen Wirtschaftslandschaft. Das abgestimmte Zusammenspiel des Dreiklangs aus Politik, Industrie und Wissenschaft ist unabdingbar, um eine erfolgreiche volkswirtschaftliche Wertschöpfungskette vom Rohstof zum Endkunden zu ermöglichen. Derzeit besteht noch eine Lücke zwischen Forschung und Entwicklung bis zur Markteinführung. Neben der Alltagserprobung der Technologien wird daran gearbeitet, übergreifende Fragestellungen zu lösen und zusätzliche Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören Sicherheitsaspekte, die Entwicklung einheitlicher Standards, eine reibungslose Schnittstelle zwischen stationärer Energieversorgung und Verkehr, neue Marktmodelle oder rechtliche Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt ist die Akzeptanz in der Bevölkerung für eine neue Technologie notwendig für die erfolgreiche Markteinführung. E zienz für Mensch und Umwelt Alle Aktivitäten zielen auf eine nachhaltige Mobilität mit erneuerbaren Energien in der Breite ab - sogar mit einer Null-Emissionen-Perspektive. Kundenbedürfnisse, Marktanforderungen und industriesowie umweltpolitische Ziele stehen dabei im Vordergrund. Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz ebnen die Akteure den Weg für eine technologieofene und am realen Leben orientierte Markteinführung. Wenn jede Antriebstechnologie baldmöglichst ihren spezifischen Raum erhält, profitieren Mensch und Umwelt auf Dauer zugleich. ɷ Abb. 2: Gemeinschaftliches Handeln von Industrie, Politik und Wissenschaft V.l.n.r.: Dr. Thomas Weber, Vorstandsmitglied der Daimler AG und verantwortlich für Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung; Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Dr. Klaus Bonhof, Geschäftsführer der NOW GmbH Foto: NOW Klaus Bonhof, Dr. Geschäftsführer NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie, Berlin klaus.bonhof@now-gmbh.de POLITIK Telematik Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 18 Architektur für Verkehrstelematik in Deutschland Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sieht die dringliche Notwendigkeit zur Entwicklung einer Architektur für Verkehrstelematiksysteme in Deutschland. Diese soll die verkehrliche Weiterentwicklung und technische Systemführerschaft der Bundesrepublik Deutschland sichern. D er Einsatz der Verkehrstelematik ist für die Optimierung der Verkehrssysteme von unstrittig hoher Bedeutung. Die unter dem Begrif der Verkehrstelematik (auch bezeichnet als ITS - Intelligent Transport Systems oder IVS - Intelligente Verkehrssysteme) subsummierten Informations-, Leit- und Steuerungssysteme, sowohl mit kollektiven als auch mit individuellen Endgeräten, erhöhen nicht nur die Verkehrssicherheit und den Reisekomfort der Verkehrsteilnehmer, sondern sie stellen auch das wesentliche Instrumentarium für das dynamische Verkehrsmanagement dar. Sie erweitern somit erheblich den ansonsten durch Planung, Bau und Regelung bestehenden Gestaltungsspielraum der Verkehrsbeeinflussung durch die Einbeziehung kurz- und mittelfristiger, verkehrsadaptiver Maßnahmen zur Optimierung des Verkehrsablaufs und zur verbesserten Information der Verkehrsteilnehmer. Anlass In der europäischen Verkehrspolitik spielt die Telematik eine wesentliche Rolle. Auf europäischer Ebene gibt es bereits seit den frühen 1990er Jahren Forschungsprojekte zu einer europaweit harmonisierten ITS- Architektur. Mit KAREN wurde im Jahr 2000 die erste Version einer europäischen ITS-Rahmenarchitektur veröfentlicht. In den FRAME-Projekten, bis hin zum aktuellen Projekt E-FRAME, wurde und wird diese ITS-Rahmenarchitektur fortgeschrieben. Mit dem Aktionsplan zur Einführung von ITS in Europa (KOM(2008)886) und der im Juli 2010 verabschiedeten „Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern“ (2010/ 40/ EU) sind bereits gezielte Maßnahmen, auch im Hinblick auf eine europäische ITS-Architektur, umgesetzt worden. Sie sind eine wichtige Grundlage für nationale Spezifizierungen der ITS-Architektur. In Deutschland existieren bereits seit Jahren viele leistungsfähige Telematiksysteme und Referenzarchitekturen für Teilbereiche, z. B. TLS (BASt, 2002) und MARZ (BASt, 1999) zum Aubau von Verkehrsbeeinflussungsanlagen an Bundesfernstraßen. Zum Teil wurden diese Ansätze auch von anderen Ländern übernommen und sind dort erfolgreich implementiert. Bislang fehlt aber in Deutschland ein nationaler Orientierungsrahmen für den Aubau und die Vernetzung von Telematiksystemen im gesamten Verkehrsbereich, so dass viele Implementierungen als unvernetzte Insellösungen betrieben werden und mögliche Synergien ungenutzt bleiben. Die Vorteile einer übergreifenden ITS-Architektur wurden bereits durch zahlreiche Arbeiten seit den frühen 1990er Jahren belegt. Sie liegen im Wesentlichen in höherer Eizienz der Telematiksysteme und der Investitionen in diese Systeme, in Preissenkungen und in einer Stärkung der Marktentwicklung im Inland wie im Ausland. In anderen Ländern liegen solche nationalen Orientierungsrahmen bereits seit Jahren vor. Die USA hat als erstes Land im Jahr 1996 eine nationale ITS-Architektur (NI- TSA) veröfentlicht, die bis heute bereits zur sechsten Version fortgeschrieben wurde. Im Rahmen der Entwicklungen wurde in den USA ein ganzes Netz an Zuständigkeiten und Organisationseinheiten eingerichtet, um eine eiziente und nachhaltige Nutzung der NITSA zu gewährleisten. Auch rechtliche Maßnahmen wurden ergrifen, um eine Verbindlichkeit für die Anwendung der ITS-Architektur in Teilen zu erreichen und Fotomontage: DVZ Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 19 deren Verbreitung zu sichern. Viele andere Länder außerhalb und innerhalb Europas besitzen ebenfalls seit Jahren eigene nationale ITS-Architekturen. Deutschland nimmt im Angesicht dieser Entwicklungen bisher eine Sonderrolle ein, weil hier noch kein Orientierungsrahmen zum Aubau einer nationalen ITS-Architektur geschafen wurde. Dass solch ein Orientierungsrahmen anzustreben ist, wird von allen beteiligten Interessengruppen aus dem Bereich ITS gleichermaßen vertreten. Empfehlungen Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt daher, mit Nachdruck die Erstellung einer nationalen ITS-Architektur zu verfolgen. Zu erstellen ist als erster Schritt ein nationales ITS-Leitbild, das eine klar strukturierte, übergeordnete, langfristige politische Zielvorstellung im Hinblick auf den Einsatz von Verkehrstelematik formuliert und in einem konkretisierenden Rahmenplan Ziele und Nutzen darstellt, Festlegungen zu Zuständigkeiten, Rollen und Beteiligten sowie zu Strategien und Maßnahmen trift und einen Realisierungszeitplan enthält. Den Rahmen für die Umsetzung des ITS-Leitbilds liefert die Rahmenarchitektur, welche Funktionsabläufe und Organisationsformen zusammen mit Schnittstellendefinitionen für auf verschiedenen Ebenen arbeitende, verteilte, kommunizierende Anwendungen und Komponenten beschreibt. Referenzarchitekturen werden schließlich die Rahmenarchitektur für einen allgemeinen Anwendungsfall spezifizieren (z. B. für Lichtsignalsteuerungen oder für Parkleitsysteme), basierend auf abgestimmten und akzeptierten Begrifen sowie formalisierten Schnittstellenbeschreibungen zur interoperablen Kommunikation mit allen erforderlichen Randbedingungen und organisatorischen Maßnahmen, die erforderlich sind, damit das System dauerhaft funktioniert. Insgesamt sollte sorgfältig geprüft werden, wo im Einzelnen Vorgaben durch eine ITS-Architektur zweckmäßig sind. Die Federführung für den Prozess der Erstellung und späteren Fortschreibung der nationalen ITS-Architektur sollte im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegen. Andere relevante Bundesministerien, insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sind ebenso wie die Länder und Gebietskörperschaften, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft, einzubinden. Der wissenschaftliche Beirat empfiehlt, die nationale ITS-Architektur im Erstellungsprozess mit den Nachbarländern abzustimmen. Die funktionale und technische Kompatibi- Der Wissenschaftliche Beirat hält die Entwicklung einer nationalen ITS-Architektur für Deutschland für eine zentrale Herausforderung der laufenden Legislaturperiode. ɷ Wolfgang Stölzle, Prof. Dr. Vorsitzender seit 01.01.2011 Gerd-Axel Ahrens, Prof. Dr.-Ing. Herbert Baum, Prof. Dr. Klaus Beckmann, Prof. Dr.-lng. Vorsitzender bis 31.12.2010 Manfred Boltze, Prof. Dr.-Ing. Alexander Eisenkopf, Prof. Dr. Hartmut Fricke, Prof. Dr.-Ing. Ingrid Göpfert, Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, Prof. Dr. Günter Knieps, Prof. Dr. Andreas Knorr, Prof. Dr. Kay Mitusch, Prof. Dr. Stefan Oeter, Prof. Dr. Franz Josef Radermacher, Prof. Dr. Dr. Volker Schindler, Prof. Dr. Bernhard Schlag, Prof. Dr. Jürgen Siegmann, Prof. Dr.-Ing. Wissenschaftlicher Beirat beim BMVBS lität zu europäischen Initiativen ist zu gewährleisten. Nicht zuletzt, um die inhaltliche Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollten die Erstellung und die Fortschreibung der nationalen ITS-Architektur aus Steuergeldern finanziert werden. Es wird empfohlen, eine umfassende Intermodalität in der deutschen nationalen ITS-Architektur anzustreben; hierin würde auch ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den bisherigen Aktivitäten in anderen Ländern liegen. Neben funktionalen und technischen Aspekten sollten auch organisatorische Aspekte mitbehandelt werden. Die nationale ITS-Architektur sollte ofen, erweiterbar und anpassbar gestaltet, unter Nutzung gewonnener Erfahrungen, kontinuierlich fortgeschrieben sowie bei Bedarf erweitert werden. Bezüge zu anderen Anwendungsbereichen, z. B. zu Mobiltelefonstandards, sind zu beachten. Die Übertragbarkeit der nationalen ITS-Architektur, z. B. auf die Ebene von Bundesländern oder Ballungsräumen, sollte gewährleistet sein. Eine Verbindlichkeit der Anwendung der nationalen ITS-Architektur ist anzustreben, gegebenenfalls sollten finanzielle Förderungen hieran gekoppelt werden . * ) JETZT BUCHEN UND SPAREN Bis zum 31.05.2011 buchen und 15 % sparen unter: www.traffictalks.de INITIATIVE BAHN NRW www.traffictalks.de IHR TICKET LIEGT BEREIT * 13. - 14.09.2011 Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 20 60 Jahre Parkraumnot Von der Parkraumnot zu schreiben, hat Tradition. Es wurde vieles erforscht, vieles erfahren. Was kann heute Anderes dazu geschrieben werden, als das, was wir schon wissen? Aber vielleicht kann es anders geschrieben werden? Bitteschön: ein Essay! I n deutschen Städten herrscht Parkraumnot! Ein Umstand, der - in der Wahrnehmung - insbesondere in den vergangenen 25 Jahren entstanden sein muss. Das war die Zeit aukommender Untersuchungen zum Parkraum und der Entwicklung der Parkraumkonzepte. 1 Doch die Not besteht schon deutlich länger. Erstmals in der Literatur erwähnt wird die Parkraumnot 1950. 2 Aber auch die Not mit der Bekämpfung der Not lässt nicht lange auf sich warten: „Kampf gegen die Parkplatzgebühren“ titelt die „Post reisender Kaufleute Deutschlands“ in ihrer Ausgabe 7/ 1950. Nur, dass keine Irritationen entstehen: Das war vor mehr als 60 Jahren. Wie alles begann Mit dem Titel „DIE PARKRAUMNOT“ 3 wurden erstmalig umfangreiche Analysen von Parkraumangebot und Nachfrage sowie Vorschläge zur Lösung dieses Problems 1951 veröfentlicht. Dabei hieß es, von den USA zu lernen, da die Motorisierung dort mit 1 Kraftwagen pro 3,5 Einwohner etwa 15 mal so hoch war wie zur selben Zeit in Westdeutschland. Mit dem Fokus auf die Innenstädte wurde damals der Dauerparker als derjenige identifiziert, der die Parkschwierigkeiten erheblich verschärfte. So verbrauch(t)en Dauerparker die meisten Parkstunden, mach(t)en aber die wenigsten Parkierungsvorgänge aus (vgl. Abbildung 1). Die Konsequenz für die Stadt Hamburg im Jahr 1951: eine Beschränkung der Parkdauer „an der Bordschwelle bestimmter Straßen“ auf 30 min und auf verschiedenen Parkplätzen auf 2 h. Die Parkdauerbegrenzung als Teil der Parkraumbewirtschaftung bzw. des Parkraummanagements war geboren. Die Idee kam an. Zumindest in den Städten. „Die Forderung, die ebenerdigen Parkflächen dem Kurzparker vorzubehalten, den Langparker jedoch in Parkgaragen unterzubringen, beginnt sich immer mehr durchzusetzen.“ 4 Dabei kündigte sich bereits an, dass das Problem weit größer werden könnte: „Die Parkraumnot als solche ist wie ein Nimmersatt. Sie kann wohl nie behoben, sondern bestenfalls gemildert werden.“ 4 Das Problem wurde tatsächlich mit der scheinbar unauhörlich steigenden Motorisierung noch dramatischer (beschrieben): „In den Zentren der Städte, auf den Vor- und Hinterhöfen der Hochhäuser und Abb. 1: Parkvorgänge am Straßenrand Quelle: Sill, 1951 INFRASTRUKTUR Parkraumkonzepte Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 21 Wohnblocks, in den Hotels und sogar bei Einzelhäusern ergibt sich für Zweitwagen das gleich ernste, auf eine Katastrophe hinsteuernde Problem der Parkraumnot.“ 5 Anfang der 60er Jahre war das Instrumentarium des Parkraummanagements komplett. Es umfasste den Neubau von Parkierungsanlagen, die Begrenzung der Parkierungsdauer und das Erheben von Parkgebühren. 6 Letzteres mit deutlichem Erfolg (vgl. Abbildung 2). Daran hat sich bis in unsere Zeit nichts verändert: „Das Parkraummanagement umfasst die Parkraumbewirtschaftung (zeitliche Begrenzung der Parkierungsdauer, Gebührenerhebung, Parkierungsberechtigung usw.) und Veränderungen im Parkraumangebot.“ 7 Parkierungsbauten als Lösungsansatz Als erstes nahm man sich der Möglichkeiten zum Bau von Parkierungsanlagen an. Dabei übten schon immer „Parkbauten mit mechanischen Fördereinrichtungen“ eine besondere Faszination aus. Sie ermöglichten eine hohe Anzahl Stellplätze auf minimalem Raum und hatten von Anfang an einen hohen Imagefaktor aufgrund der faszinierenden Technik. Außerdem waren konventionelle Parkierungsanlagen umständlich, denn „jeder Fahrer muss sein Fahrzeug selbst durch schleifenförmiges Aufwärts- und Abwärtsfahren auf eine der freien Parkstellen bringen und von dem betrefenden Stockwerk mittels Aufzug zum Ausgang gelangen.“ 8 Dabei ist die Garage mit Vertikalaufzug älter als die Parkraumnot. Bereits 1913 wurde sie in den USA zum Patent angemeldet. 9 So gesehen können wir demnächst 100 Jahre „Parkbauten mit mechanischen Fördereinrichtungen“ feiern. Eine Weiterentwicklung mit zentralem Aufzug, die im Grundprinzip den heutigen Angeboten ähnlich ist, folgte 1925 10 (vgl. Abbildung 3). In der Anfangszeit der Parkraumnot wurden Autosilos, Parktürme und Roto-Park-Parkhäuser entwickelt, die hohe Stellplatzkapazitäten aufwiesen. Eine Schwierigkeit zeigte sich dabei in den Abfertigungskapazitäten. Nach Dittrich (1964) 12 betrug das Ein- oder Ausparken eines Wagens bei der zulässigen Aufzugsgeschwindigkeit nur wenige Minuten. Demnach würde das komplette Befüllen oder Entleeren des von ihm beschriebenen Parkturmes mit 248 Stellplätzen mehr als 8 h dauern 13 . Die Abfertigungsanlage mit Chipkarte eines konventionellen Parkhauses schaft das in 45 min. 14 Für dieses Problem gibt es mittlerweile wohl Lösungen. Auch die Namen haben sich geändert. Von der schlichten Bezeichnung der „Auto- Park-Garage“ über das „Vater unser“ 15 zum „Himmelslinien-Parken“. Die Verwendung Abb. 2: Beanspruchung der Parkplätze durch Kurz- und Langparker vor und nach Einführung von Parkgebühren Quelle: Sill, 1961 vermeintlich trefenderer, auf jeden Fall schön klingender englischer Bezeichnungen hat mittlerweile - wie in anderen Bereichen - zugenommen. „Mobile parking“ 16 - den Begrif muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: mobiles Parken. Hört sich an wie eine Parkadaption der Verlagerung von Lagerkapazitäten mittels Lkw auf die Straßen: Wie hat man sich das vorzustellen? Ein rollender Stellplatz. Ein Fahrer oder Lastzug, der mit dem unparkbaren Fahrzeug solange um den Block fährt, bis die Aktivität beendet ist. Aber das ist nicht gemeint. Bei unserem Talent, englische Begrife zu verdeutschen, bekommt der Central Park eine ungeahnte Attraktivität. Auch in kleinem Maßstab wird mit mechanischen Parkierungsanlagen experimentiert. So gibt es erste Versuche mit dem Parkplatz auf dem Balkon vor der Wohnung. In dem System CarLoft® wird das Fahrzeug samt Insassen mit einem Aufzug vor die Wohnung transportiert. Dann steht es zumindest nicht mehr auf der Straße. 17 Während die automatischen Parkhäuser nicht häufig anzutrefen sind, wurde in der Zwischenzeit eine stattliche Anzahl an konventionellen Parkierungsbauten errichtet. 1968 standen in der Bundesrepublik 260 Parkhäuser mit 90 000 Stellplätzen zur Verfügung. 18 Heute verwaltet allein die APCOA Autoparking GmbH in Deutschland ca. 180 000 Stellplätze in 222 Parkierungsanlagen, davon ca. 165 000 in den alten Bundesländern. 19 Die Stiftung „lebendige Innenstadt“ erhob jüngst den Parkierungsbau zum Parkraumkonzept. Der Stiftungspreis im Jahr 2007 hatte Europas beste Parkraumkonzepte zum Thema: „Einstimmig entschied die Fachjury, den Stiftungspreis 2007 an die Parkgarage P23 in Amsterdam zu vergeben.“ 20 Als bestes Parkraumkonzept Europas wohlgemerkt. „Die besondere Idee der Parkgarage: Sie ist unter einer bestehenden Hochstraße platziert. […] Auch die Kostenseite fand bei den Juroren ungeteilte Zustimmung. […] Neben dem Konzept überzeugte aber auch die außergewöhnliche Gestaltung der Parkgarage […].“ Mit Anerkennungen wurden weiterhin ausgezeichnet: Das Parkhaus am Rathaus in Ulm, die Parkgarage unter dem Bowling Green in Wiesbaden, die Parkterrassen am Nordstrand in Göhren, eine automatische Anwohnertiefgarage in München und die Zentralgarage in Innsbruck. 21 Bei derzeit weniger als 300- 000 öfentlichen Stellplätzen in Parkierungsbauten 22 und über 40 000 000 23 zugelassenen Pkw in Deutschland, ein Konzept mit Potenzial - vorausgesetzt, die Parkierungsbauten werden genutzt. Die Parkhäuser und Tiefgaragen in den Stadtzentren, also den Bereichen mit der vermeintlich größten Parkraumnot 24 , sind meistens nicht ausgelastet. In Trier beispielsweise standen in der Altstadt an Werktagen mindestens 1000 Stellplätze in öfentlich zugänglichen Parkierungsanlagen leer. Das ergab eine Auswertung der Anzeigen des volldynamischen Parkleitsystems für September 2008. Im Dezember 2008 waren es - mit Ausnahme der Samstage - immer mehr als 400 Stellplätze. An den berüchtigten Adventssamstagen meldete das Parkleitsystem lediglich in der Zeit von 13 bis 16 Uhr keine freien Stellplätze mehr. 25 An 8748 von 8760 h im Jahr ist dort in den öfentlichen Parkierungsanlagen demnach Parkraum INFRASTRUKTUR Parkraumkonzepte Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 22 vorhanden, also zu 99,9 % der Zeit. In anderen Städten ist dies ähnlich. 26 Zumindest in den Parkierungsanlagen der Städte ist keine Parkraumnot erkennbar. Warum sollte dann jemand weitere Parkierungsanlagen in den Stadtzentren bauen? Für einen größeren Leerstand? Für 12 h im Jahr? Parkraumbewirtschaftung als Lösungsansatz Wir begrenzen doch zusätzlich die Parkdauer im Straßenraum oder glauben dies zumindest. Meistens jedoch wird die Parkierungshöchstdauer gar nicht ausgenutzt. Es gibt eine Stadt, da war an Markttagen das Parken in der Tiefgarage am Markt für 15 min kostenfrei, damit auch schwere Einkäufe vom Markt verladen werden konnten. Es ist wirklich erstaunlich, was in 15 min alles zu erledigen ist: einkaufen, Bankgeschäfte, Reinigung, Fotos abholen, usw. Einige sollen tatsächlich auch Waren verladen haben, die sie zuvor auf dem Markt kauften. Was ist dann erst alles in der auf 2 oder gar 4-h „begrenzten“ Zeit zu schafen? Bleiben noch die Parkgebühren als Steuerungsinstrument. Aber auch das nutzen wir oft nicht wirklich zur Beeinflussung des Parkverhaltens. Das Parken ist vielfach im Straßenraum nicht teurer als im Parkhaus. In 30% der deutschen Mittelzentren mit 80 000 bis 120 000 Einwohnern sind die Parkgebühren im Straßenraum niedriger, in 40% der Zentren gleich niedrig und in 30% höher als im Parkbau. Warum soll ich also mein Fahrzeug „durch schleifenförmiges Aufwärts- und Abwärtsfahren auf eine der freien Parkstellen bringen und von dem betrefenden Stockwerk mittels Aufzug zum Ausgang gelangen“ 9 , wenn es sogar noch teurer ist? Und welche Rolle spielen überhaupt die Parkgebühren bei der Entscheidung zum Abb. 3: Patent einer Automobile Garage von M. D. Murray (1925) 11 (links) und Automatischer Parkturm (1964) 12 Parken? Zwei einfache Fragen können helfen, dies für sich persönlich zu klären: b Wie oft habe ich mich im Vorfeld nach den Parkgebühren in der Stadt erkundigt, unterschieden nach Parkhausbetreiber, Straßenraum, Parkplatz? b Wie oft bin ich nicht in ein Parkhaus gefahren, weil mir das zu teuer war? Nie, denn die Gebührenhöhe spielt bei der Entscheidung, in die Stadt zu fahren, meist keine Rolle. In einer Stadt, um auf das Beispiel zurückzukommen, wurde um die Erhöhung der Parkhausgebühren der städtischen Parkhausgesellschaft heftig gerungen. 1,30- EUR/ h, zumindest für die drei ersten Stunden, schienen die Grenze des Akzeptablen zu markieren. Mit einer kleinen Inkonsistenz: Die vierte Stunde war mit 1,60-EUR die teuerste von allen. Ofensichtlich, damit man auf ein Vielfaches von 50- Cent kam, denn danach ging es in Schritten von 1,50-EUR/ h weiter. Allein während der Diskussion erhöhte ein privater Betreiber gleich zweimal kurz hintereinander die Parkgebühren seiner zentrumsnahen Garage auf aktuell 1,70-EUR/ h. Bleibt die Frage, ob das die Nutzer überhaupt wahrgenommen haben. Bei den Parkgebühren im Straßenraum werden ebenfalls Schmerzgrenzen ausgelotet Die Brötchentaste zum Beispiel, eine Taste, bei deren Betätigung ein Parkschein ausgedruckt wird, der nichts kostet. Für eine derart kurze Parkierungsdauer ist eine Gebühr nicht zuzumuten, der Einzelhandel verkraftet das nicht. Einmal Frühstücksgebäck für die fünköpfige Familie: 3,80-EUR. Zwei belegte Brötchen mit gekochtem Schinken auf dem Weg zur Arbeit: 5,20-EUR. Ohne Brötchentaste unbezahlbar! Warum dann nicht auch eine Biergartentaste (mindestens 7- min, das braucht ein gut gezapftes Pils) damit der Umsatz des Biergartens nicht leidet? Aber „umsonst ist noch zu teuer: […] Bei solch kurzen Aufenthaltszeiten verzichten viele Fahrer auf das Lösen eines ‚kostenlosen’ Parkscheins, da erstens die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sie kontrolliert werden, und zweitens der Weg zum Parkscheinautomaten und wieder zurück im Verhältnis zur gesamten Aufenthaltszeit zu lange dauern würde.“ 27 Unangenehme Wahrheiten Was also tun? Ein paar Dinge müssen wir den Politikern, den Entscheidungsträgern, den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Vertretern, sowie den Vertretern von Interessen vorweg klar machen: Verkehrsplanung tritt immer jemandem auf die Füße. Veränderung ist die Zielsetzung, das bedeutet, es soll sich was ändern, es soll jemand sein Verhalten ändern. Ein Parker soll beispielsweise in den Parkierungsanlagen parken und nicht mehr im Straßenraum. Für ihn eine Veränderung, vordergründig eine Verschlechterung, ein Anlass zur Klage. Dass dafür sechs andere Parker den Parkstand nutzen, fünf Fahrräder abgestellt werden oder acht Besucher Kafee trinken können, das muss ihn nicht kümmern. Veränderungen schafen immer Betrofenheiten. Wir können uns also nicht aussuchen, ob wir auf die Füße treten, sondern nur wem; und auch nicht, ob wir gescholten werden, sondern nur von wem. Das ist eine sehr unangenehme Tatsache, insbesondere für Entscheidungsträger. „Wunder gibt es immer wieder“ 28 , heißt es, aber diese sind nicht planbar! Es wird auch die Parkraumnot im Zentrum beklagt, obwohl dort in den Parkierungsanlagen noch Plätze frei sind. Das ist die Not an Lieblingsstellplätzen. Die sind nämlich Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 23 ofensichtlich unter freiem Himmel 29 , unmittelbar am Ziel, unbefristet und kostenlos − also nicht existent. Es ist noch nicht einmal theoretisch möglich, diese Stellplätze in dem gewünschten Umfang herzustellen (Parkierungsanlagen scheiden hier ja aus). Ein freier Stellplatz ist autoerreichbar, ein belegter nicht. Eine intensive Bewirtschaftung (insbesondere kurze Höchstparkdauer, angemessene Gebühren) stark nachgefragter Stellplätze sorgt zumindest dafür, dass der Lieblingsparkplatz für kurze Zeit zu mieten ist. Intensive Bewirtschaftung verbessert Erreichbarkeit. Dauerparker sind schlecht fürs Geschäft. Warum sonst wird in manchen Kauhaus-Parkhäusern nur für die ersten beiden Stunden ein vergünstigtes Parken angeboten und danach nicht mehr? Parken ist nicht ausschlaggebend für den Besuch einer Stadt. Wie sollte man sich das auch vorstellen? „Lass uns mal ’ne Runde parken? ” Oder: Erlebnisparken statt Erlebnispark oder Erlebniseinkauf? „Mit Internet und Handy auf Parkplatzsuche in Kiel” 30 hört sich nach einer Form von GeoCaching an, aber ansonsten? Gute Angebote in Einzelhandel und Gastronomie, Aufenthaltsqualitäten, Ambiente. Das sind Ziele. Parkplätze sind keine. Wir sollten uns endlich davon verabschieden, dass das Parken über Sieg oder Niederlage des Einzelhandels entscheidet. Und auch davon zu glauben, die Gesetze der Marktwirtschaft funktionierten nur in den Geschäften, aber nicht davor. Wo der Einzelhandel die Waren in seinem Laden so postiert, dass wir möglichst viel Geld ausgeben bzw. die Artikel mit der größten Marge kaufen, wo die Artikel so inszeniert werden, dass wir die weitesten Wege laufen und an vielen Artikeln vorbeikommen. Das Modell auf die Parkierung in der Stadt zu übertragen, würde bedeuten, dass wir den Besucher möglichst peripher das Fahrzeug abstellen lassen und ihn lange Wege durch die Innenstadt laufen lassen. An vielen Geschäften und Lokalen vorbei. Das wäre wohl im Sinne des Einzelhandels, nicht aber im Sinne einzeln Handelnder. Die Errichtung zusätzlichen Parkraums hat auch Nebenwirkungen: „Mit der Schafung zusätzlichen Parkraums lässt sich natürlich der Parksuchverkehr verringern, doch dies kann mit hohen Kosten verbunden sein und zu unerwünschten Rückkopplungen auf die Verkehrsnachfrage führen, indem das erweiterte Parkraumangebot zusätzlichen Pkw- Verkehr induziert.” 31 Ein teurer Teufelskreis! Konsequenz Was zu tun ist wissen wir längst. Wir müssen es nur tun - und zwar konsequent. Kurzes Parken im Straßenraum für kurze Erledigungen in unmittelbarer Nähe des Stellplatzes: In vielen Fällen reichen hier 30-min (schon seit mehr als 60 Jahren), 1-h allemal aus. 32 Alle anderen Parkierungsvorgänge gehören in die Parkierungsanlagen. Damit sind alle Stellplätze im Zentrum erfasst. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Das gilt auch vor dem Ladengeschäft. Dazu die passende Überwachung und Ahndung als Zeichen, dass es sich hier um die wirtschaftlich gesunde Beseitigung eines Notstands handelt. 33 „Viele Untersuchungen belegen, dass auch restriktive Parkraumkonzepte von einer großen Mehrheit akzeptiert werden. Leider ist diese Mehrheit oft schweigend." 34 Hören wir also auf, die Parkraumnot öfentlich in den Medien zu beklagen. Das suggeriert „dem Publikum”, eine schlechte Erreichbarkeit. Darüber hinaus unterstellt es den Entscheidungsträgern ein stadtfeindliches Verhalten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Zeigen wir, wie gut erreichbar die Städte sind, welche Qualitäten sie haben. Extended Version mit Alternativen Die Parkraumnot lässt sich einfach beschreiben: zu viele Pkw, zu wenig Parkraum. Wenn das mit dem Parkraumbauen nicht klappt, versuchen wir doch mal die andere Seite. Auch hier trefen wir alte Bekannte: den Umweltverbund zum Beispiel. 35 Ohne Auto in die Stadt. Leih-Fahrräder sind im Kommen, in Paris, New York, Mailand und weiteren 70 Städten weltweit. 36 In Rom beispielsweise bietet der kommunale Energieversorger Bike-Sharing an (vgl. Abbildung 4). Autoreduziertes Wohnen, ja sogar ein Leben ohne Auto entwickeln sich, z. B. in Freiburg Vauban 37 - einschließlich klimaneutralem, parkflächensparenden Fahrrad-Lieferservice bis 150 kg. Car-Sharing ist im Kommen. Freiwillig. Dagegen sind die Flächeneinsparungen von mechanischen Parkierungsanlagen ein Witz. Und nicht einmal ein besonders guter. In Bremen beispielsweise wurden durch 4000 „Autoteiler“ etwa 700 bis 900- Pkw ersetzt. Als Parkierungsanlage hätte das zwischen 8 und 20- Mio.- EUR gekostet. Ein Car-Sharing-Fahrzeug ersetzt dort in einzelnen Gebieten neun private Fahrzeuge 38 , eine Reduktion der erforderlichen Stellflächen um 89 %. Die E-Auto-Mobilität wird dann einen Beitrag zur Verbesserung der Parkierungssituation leisten können, wenn die Autos kleiner werden und die Parkstände auch. Aber das geht auch ohne „E-Auto“. Verhaltensänderungen sind am schwersten. Wir Ingenieure schafen das alleine nicht. Wir stellen die Werkzeuge bereit und sehen zu, wie sie nicht oder falsch angewandt werden. Ein letztes Mal eine Stadt. Dort wurde mit Beteiligung des Einzelhandels ein Parkraumkonzept mit klaren Strukturen beschlossen: Parkdauerbegrenzung auf 30-min in den innenstadtnahen Straßen mit Einzelhandel, in den übrigen Straßen auf 1-h. Die Parkgebühren wurden im Straßenraum erhöht (auch mit Blick auf die ÖPNV-Tarife) auf 1,60 EUR/ h. Das ist teurer als im Parkhaus. Jetzt kommen erste Klagen: „Hilfe, wir müssen unser Verhalten ändern! “ Der Abb. 4: Beispiel Rom: Mehr Parken auf weniger Raum (links) und Bike-Sharing (rechts) INFRASTRUKTUR Parkraumkonzepte Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 24 28 EBSTEIN, K. (1970): „Wunder gibt es immer wieder“, Liberty/ United Artists Records 29 „Ofenbar weisen Parkmöglichkeiten unter freiem Himmel - aus Sicht der Nutzer - eine besonders hohe Attraktivität auf. Dieser Sachverhalt hat erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Parkbauten." aus: SCHUSTER, A.; DOHMEN, R. (2007): Qualität des Parkens in Parkbauten - Gedanken zu einem Beurteilungsverfahren; Straßenverkehrstechnik 12/ 2007, S. 637 - 641 30 BOHN, R.; PROTSCHKA, H. (2001): Mit Internet und Handy auf Parkplatzsuche; Internationales Verkehrswesen 6/ 2001, S. 299 - 303 31 REINHOLD, T. (1999): Die Bedeutung des Parksuchverkehrs; Internationales Verkehrswesen 6/ 99, S. 250 - 255 32 Bewohnerparken ausgenommen 33 HEINRICHS, E. (2010): Wirtschaftlichkeit der Parkraumbewirtschaftung: Abzocke oder Verlustgeschäft; Straßenverkehrstechnik 7/ 2010, S. 405 - 413 34 HALLER, W.; v. Lübke, H. (1994): Parkraumkonzepte für Klein- und Mittelstädte; Straßenverkehrstechnik 5/ 94, S. 279 - 289 35 Füße, Fahrrad, ÖPNV 36 http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Fahrradverleih 37 www.vauban.de 38 GLOTZ-RICHTER, M.; LOHSE, W.; NOBIS, C. (2007): Car-Sharing als Beitrag zur Lösung von innerstädtischen Verkehrsproblemen; Internationales Verkehrswesen 7+8/ 2007, S. 333 - 336 39 SCHÄFER, K.-H. (2000), Parkraumbewirtschaftung schaft Parkchancen; Straßenverkehrstechnik 12/ 2000, S. 630 - 635. 40 Simon Petrus (33 n. Chr.) Konsens kommt ins Wanken. Einknicken wäre - vorsichtig ausgedrückt - sehr schade! Dann aber bitte keine Klagen mehr von wegen Parkraumnot! „Die aktuelle Entwicklung einer sukzessiven Rücknahme von Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen in vielen Städten macht allerdings deutlich, dass das in den Untersuchungen festgestellte Verkehrslenkungs-, Verkehrssicherheits- und Gestaltungspotenzial solcher Maßnahmen bei örtlichen Entscheidern und in der Öfentlichkeit weder bekannt ist noch erkannt wird und damit weitgehend ungenutzt bleibt bzw. derzeit wieder verspielt wird. Dies ist aus stadt- und verkehrsplanerischer Sicht auch insofern verwunderlich, als Besucher und Konsumenten Innenstädte vorrangig nach Attraktivitätsgesichtspunkten bewerten“ 39 (vgl. Abbildung 5). Helfen wir also den Politikern, den Entscheidungsträgern, den Vertretern der Bürgerinnen und Bürgern sowie den Vertretern von Interessen das Instrumentarium zur Bekämpfung der vermeintlichen Parkraumnot anzuwenden. Helfen wir ihnen gegenüber dem ständigen Beklagen der Parkraumnot und der Existenzgefährdung der Innenstädte aufgrund von Parkraummanagement gelassen zu reagieren. Das ist ein alter Hut, der noch nicht einmal passt. Doch Veränderungen zeichnen sich ab - von scheinbar unerwarteter Seite: So holen sich in den Städten die Gastronomen und Besucher die Flächen vom Parken zurück. In kleinen Stücken. Einfach. Preiswert. Wo gestern noch Pkw parkten, sitzen heute die Menschen und essen und trinken, unterhalten sich. In diesem Sinne darf es nicht mehr heißen: „Parkraumnot - Quo vadis? 40 “ sondern „I move! “ ɷ Christoph Hupfer, Prof. Dr.-Ing. Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Vorsitzender des Prüfungsausschusses Bauingenieurwesen Universität Karlsruhe christoph.hupfer@hs-karlsruhe.de Abb. 5: Bad Mergentheim 2010: Auf den ehemaligen Längsparkständen entstehen Flächen für die Gastronomie. Auf einem ehemaligen Parkstand sitzen bis zu acht Gäste. QUELLEN UND ANMERKUNGEN 1 vgl. z.B. APPEL, H.-P.; BAIER, R.; WAGENER, A. (1993): Leitfaden Parkraumkonzepte unter besonderer Berücksichtigung von Mittelstädten, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik V1 2 Goltz, H. (1950): Helft die Parkraumnot bannen; in: norddeutsches Baublatt 6/ 1950 3 Sill, O. (1951): Die Parkraumnot - Umfang des ruhenden Kraftfahrzeugverkehrs und Bedarf an Stellraum in Städten; Bundesministerium für Wohnungsbau, Hansestadt Hamburg Baubehörde, Schriften zum Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen, Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e.V., Forschungsarbeiten aus dem Straßenwesen, Neue Folge Heft 7/ 1951 4 FEUCHTINGER, M.-E. (1957): Analysen des ruhenden Verkehrs als Grundlage der Parkraumplanung, Straßenverkehrstechnik 5/ 1957 (1. Jahrgang), S. 29 - 37 5 BELLINGER, B. (1967): Berichte: Zweietagige Parkplätze mit Selbstbedienung, Straßenverkehrstechnik 11/ 12/ 1967, S. 160 6 SILL, O. (1961): Parkbauten - ein wichtiges Mittel zur Behebung der Verkehrsnöte in den Stadtkernen; in: Sill, O. Hrsg. (1961) Parkbauten. Handbuch für Planung, Bau und Betrieb der Parkhäuser und Tiefgaragen, Bauverlag, Wiesbaden, Berlin 7 PORCHET, A.; INDERBITZIN, U.-P. (2000): Parkraumbewirtschaftung zur Verkehrsreduktion? ; route et tra c No. 2, S. 48 - 51 8 DITTRICH, R. (1964) Automatische Parktürme; Straßenverkehrstechnik 8/ 1964, S. 310-312 9 VARIAN, J. A. (1913), USA Pat. 1102828 10 MURRAY, M. D. (1925), USA Pat. 1539761 11 Quelle: www.Google.de/ Patents 12 DITTRICH, R. (1964): Automatische Parktürme; Straßenverkehrstechnik 8/ 1964, S. 310 - 312 13 Bei 2 min pro Abfertigung 14 vgl. FGSV (Hrsg., 2005) Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs - EAR 05. 15 Lat.: pater noster 16 Bezeichnung für das Entrichten von Parkgebühren mittels Mobiltelefon, vgl. z.B. www.it-solutions.siemens.com 17 www.carloft.de 18 BELLINGER, B. (1968): Berichte: Entlastung für die Innenstadt - BP bautes größtes Parkhaus in München. Straßenverkehrstechnik 5/ 6/ 1968. S. 83 - 84. 19 www.apcoa.de 20 www.living-city.org 21 Aber es wurden dann doch noch „Sandy, die Parksanduhr“ ausgezeichnet, die den Besitzern einer ÖPNV-Monatskarte an bestimmten Stellen 15 min kostenfreies Parken ermöglicht. Und noch ein städtisches Parkraumkonzept erhielt eine Anerkennung, nämlich das von Graz, welches auf Grund seines übergreifenden Parkraumanagements gewürdigt wurde. „Die Jury hatte sich zur Vergabe einer gesonderten Anerkennung für gesamtstädtische Parkraumkonzepte entschieden, um dem komplexen Thema 'Parken in der Stadt' gerecht werden zu können." 19 22 www.parken.net, Stand 02/ 2011 23 www.destatis.de, Jahrbuch 2010 24 Auf die besondere Problematik von durch Bewohner überlasteten Quartieren kann hier leider nicht eingegangen werden. 25 GERDES, M.; HUPFER C.; HUPFER, S. (2010): Integriertes Parkraumkonzept Trier - Fortschreibung 2010 26 In Köln z. B. sind auch an den Adventssamstagen die Parkraumkapazitäten an den Ringen nur zu maximal 80 % ausgelastet. (Kochs, A. (2001): Neue Untersuchungen zur Parkraumsituation in der Kölner Innenstadt, Straßenverkehrstechnik 8/ 2001, S. 373-379). In der westlichen Berliner Innenstadt existieren für 25 000 gemeldete Pkw 15 000 Parkstände am Straßenrand und 10 000 Stellplätze in Parkierungseinrichtungen. Dabei sind die Parkierungseinrichtungen tagsüber nur zu 60% ausgelastet, der Straßenraum überparkt. vgl. Dörnemann, M.; Grüber, B.: Brauchen Innenstädte mehr Parkraum? oder: vgl. Appel, H.P.; Baier, R.; Wagener, A. (1993): Leitfaden Parkraumkonzepte; Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik Heft V1 uvm. 27 KOCHS, A.; STOLTE-NEUMANN, A. (2002): Umsonst ist noch zu teuer - Akzeptanz und Wirksamkeit des kostenlosen Parkens für 15 Minuten in Köln, Straßenverkehrstechnik 11/ 2002, S. 589 - 593 Der Vizepräsident der Bundesarbeitsgemeinschaft SPNV-Aufgabenträger (BAG-SPNV), Thomas Geyer, erläuterte den mehr als 200 Teilnehmern der Tagung am 23. und 24. Februar in Fulda, dass bis zum Jahr 2015 bundesweit rund 325 Mio. Zug-km neu vergeben würden. Die BAG-SPNV habe mit ihrem Wettbewerbsfahrplan jetzt eine Übersicht über alle geplanten Ausschreibungen vorgelegt (ÖPNV aktuell 11/ 11). Danach kommt auf die wenigen großen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in den nächsten Jahren ein großer Ausschreibungsaufwand zu. Für diese Netze würden etwa 1.500 bis 2.000 Neufahrzeuge mit einem Investitionsvolumen von 8 bis 10 Mrd. EUR benötigt. Die Finanzkrise habe die Finanzierung dieses Volumens deutlich erschwert. Geyer, Chef des Zweckverbands SPNV Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord), appellierte an die Kollegen, sich bei Vertragslaufzeiten künftig abzustimmen, damit nicht wieder eine solche Massierung von Ausschreibungen auftritt. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), Martin Husmann, hält Netzgrößen von 4 bis 6 Mio. Zug-km für marktfähig. Man müsse heute Elektro-Neufahrzeuge bestellen, um 2025/ 2030 auf einen funktionierenden Gebrauchtfahrzeugmarkt zurückgreifen zu können. Den Einfluss auf den Vertrieb bezeichnete Husmann als wesentliche Stellschraube für die Aufgabenträger. Um den Wettbewerb anzuregen, hat der VRR ein Fahrzeugfinanzierungsmodell entwickelt, das den EVU Kommunalkreditkonditionen eröffnet (ÖPNV aktuell 15/ 11). Außerdem arbeite der Verbund jetzt mit modular aufgebauten Mustervergabeformularen. Der Leiter SPNV-Vergaben von DB Regio, Oliver Koch, berichtete, dass die Anzahl der Bieter in den Vergabeverfahren tendenziell abgenommen habe. Es gehe zunehmend um die Fragen: Sind Ausschreibungen attraktiv? Wie sind die Erfolgsaussichten bei Beteiligung? Koch erläuterte, dass erste im DB-Regioforum 2009 angekündigte Maßnahmen umgesetzt bzw. auf dem Weg seien: So sei bei der Weitergabe von Erlösdaten ein erster Anwendungsfall bei der Ausschreibung Netz Mitte Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft (LVS) Schleswig-Holstein realisiert. Im Bereich Tarif/ Einnahmenaufteilung/ Vertrieb laufe die Weiterentwicklung des TBNE-Tarifes seit Mitte 2010 als gemeinsames Projekt von nichtbundeseigenen Eisenbahnen und DB. Der Präsident des Wettbewerberverbandes Mofair, Wolfgang Meyer, beklagte, dass das Bundesverkehrsministerium bei der Deutschen Bahn (DB) stark auf eine eigentümerorientierte Politik setze, wobei die Allgemeinwohlorientierung deutlich zurückstehe. Er forderte eine Überarbeitung des Regulierungsrechts. Meyer nannte etwa eine Anreizregulierung bei den Trassen- und Stationspreisen, um weniger Diskriminierung zu erreichen. Axel Sondermann, Geschäftsführer der Veolia Verkehr Regio und Vizevorsitzender des VDV-Ausschusses für Wettbewerbsfragen des Eisenbahnpersonenverkehrs, plädierte für den Erhalt von Direktvergaben, als Ausnahme neben der Regel förmlicher www.oepnvaktuell.de Spezial ISSN 2190-4820 € 15,- / Juni 2010 Öffentlicher Personenverkehr in der Fläche OEPNV-Spezial_Titel_2652.indd 1 Ab und an blitzte Tagespolitik bei der Fachveranstaltung durch, zu der das Umwelt- und Verkehrsministerium Baden-Württemberg (UVM) von Dienstag bis Donnerstag dieser Woche nach Freiburg geladen hatte. Die Vizelandrätin im Landkreis Calw, Claudia Stöckle, bezog sich in einer Podiumsdiskussion auf „Stuttgart 21“. Es gebe bei Nahverkehrsinitiativen immer wieder emotionale Hemmnisse bei den Nutzern. „Aus Stuttgart 21 haben wir gelernt: Wir müssen die Bevölkerung … frühzeitig in die Diskussion hineinnehmen.“ Und Ministerin Tanja Gönner (CDU) bescheinigte der südbadischen Verbund-Kooperation Fanta 5, ihr Name sei die Abwandlung einer Popgruppe. „Das ist aber jetzt kein Plagiat.“ Die Politikerin machte Bürgerorientierung zu einem Schwerpunkt ihrer ÖPNV-Rede. Bei der Neuvergabe der 15 Regionetze (Übersicht: ÖPNV aktuell 54/ 10) strebe das Land nicht nur günstigere Preise an, sondern vor allem auch wesentliche Verbesserungen für die Kunden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Vertrieb. „Trotz vieler anders lautender Lippenbekenntnisse wurde diesem Bereich in der Vergangenheit nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt“, konstatierte die Ministerin. „Wir werden deshalb bei unserem Vergabefahrplan den Verkauf von Fahrausweisen vom Betrieb entkoppeln.“ Unter anderem will das Land dem Trend entgegenwirken, den personenbedienten Vertrieb stark einzuschränken oder sogar ganz aufzugeben. Es gehe darum, Kundenfreundlichkeit im ÖPNV zurück zu gewinnen. Nach Gönners Worten sind auch der Tarifdschungel und komplizierte Fahrscheinautomaten immer wieder Anlass für Beschwerden. Trotz der erkennbaren Kritik an der Geschäftspolitik der Deutschen Bahn (DB) lässt sich aus der Trennung von Be- und Vertriebsverträgen keine Abkehr vom Marktführer DB herauslesen. Gönner lobte die DB ausdrücklich für ihre Innovationskraft, insbesondere im Internetvertrieb. Der übrige Nahverkehr scheine sich damit noch schwerzutun. Angesichts des Bis zu 12.000 km haben die fünf Volvo vom Typ B 7700 Hybrid bereits abgespult, welche Veolia Rhein-Main („Alpina“) seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2011 im Regelbetrieb einsetzt. Am Mittwoch, 16. Februar, hat Igor Hildebrandt von Volvo Busse Deutschland die kleine Flotte auf dem Frankfurter Alpina-Betriebshof offiziell an den Regionalleiter Süd- West von Veolia Verkehr, Axel Sondermann, und den Alpina-Geschäftsführer Frank Silzer übergeben. Zwei Busse sind für Traffiq in den Frankfurter Linienbündeln E und A unterwegs. Dewegen war der Geschäftsführer von Traffiq, Hans-Jörg von Berlepsch, ebenso zugegen wie der Chef des Rhein- Main-Verkehrsverbundes (RMV), Knut Ringat. In dessen Auftrag setzt Alpina drei Busse im (topographisch wenig anspruchsvollen) Bündel Landkreis Offenbach-West auf den Linien OF-95, 662 und 663 ein. Beide Besteller arbeiten aus Überzeugung und auf Wunsch der Aufgabenträger intensiv in Projekten zur Elektromobilität mit. Man sei bestrebt, dem öffentlichen Verkehr seinen Umweltvorteil zu erhalten, betonte Ringat. „Da sind neue Fahrzeug- und Antriebskonzepte ein Innovationsbaustein, neben Datendrehscheiben, E-Ticketing und anderem.“ Auch von Berlepsch erkennt in Hybridbussen eine gute Entwicklungsperspektive in Richtung einer größeren Nachhaltigkeit. Zunächst müssten sie ihre Alltagstauglichkeit beweisen, zum Beispiel beim ständigen An- und Abfahren. Für den Veolia-Konzern sind die Frankfurter Hybridbusse nicht die ersten. In Skandinavien und den USA sammelt man bereits länger Erfahrungen mit der neuen Technik. Für Veolia in Deutschland ist es dagegen eine Premiere. „Wir werden uns konzernintern intensiv austauschen“, kündigte Sondermann an. Zusätzlich hofft er auch auf den Anschluss an eines der deutschen Hybridbus-Programme und damit den Quervergleich mit Kollegen aus anderen Unternehmen. Auch für Volvo sei es ein Pilotptojekt, betonte der für Veolia zuständige Verkäufer Hildebrandt. Allerdings hat Volvo bereits letzten Sommer einen B 7700 Hybrid an TRD Fischer in Dortmund geliefert (ÖPNV aktuell 73, 39/ 10). Die Schweden sind hochgradig am großen deutschen Absatzmarkt interessiert, den sie für sehr anspruchsvoll, aber auch sehr wettbewerbsintensiv halten (ÖPNV aktuell 76/ 10). Ein Großkunde, der für anerkannt anspruchsvolle Besteller fährt, gibt dem Hersteller nun die Möglichkeit, sich auf dem wichtigen deutschen Markt mit der Zukunftstechnik Hybrid zu profilieren. Diese Eintrittskarte hat Volvo sich offensichtlich etwas kosten lassen: Drei Jahre lang garantiert der Hersteller Veolia ein „Vollwartungskonzept zur Fixrate“. Näheres wollte Hilde- DVV Media Group GmbH | Nordkanalstr. 36 | 20097 Hamburg | Tel. +49 40/ 237 14-292 | vera.hermanns@dvvmedia.com Sichern Sie sich jetzt Ihr Probeabo: www.oepnvaktuell.de Heute schon wissen, worüber Ihre Branche morgen spricht! 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Leseproben das ÖPNV aktuell Archiv exklusiv für Abonnenten Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 26 Einparken und ausparken lassen Mit der weltweit rasanten Zunahme der Anzahl an Pkw wächst der Bedarf an Parkplätzen, während der vorhandene Raum, besonders in den Innenstädten, knapper und teurer wird. Deshalb sind Lösungen gefragt, welche die Flächen optimal nutzen und mehr Raum für Fußgänger und Grünflächen schafen. Vollautomatisches Parken gehört dazu. Z ur Kehrseite der weltweiten Mobilität gehört ein immenses Verkehrsaukommen, verstopfte Straßen, zunehmende Umweltverschmutzung und steigende Parkprobleme, insbesondere in Stadtzentren. Ein Ausweg aus dieser misslichen Lage geht nicht an einer Infrastruktur vorbei, welche den Verkehr eizienter, ökologischer, sicherer und zielgerichteter abwickelt und steuert. Die vorhandenen Ressourcen an Verkehrswegen, Energie, aber auch Parkraum müssen optimiert werden. Roboter übernehmen das Parken Automatische Parksysteme sind an sich nichts Neues. Erste Anlagen wurden schon Abb. 1: Schnitt durch ein vollautomatisches Parkhaus Abb. 2: Das Auto wird auf einer Einfahrtbox in der Parkanlage abgestellt. Alles Weitere übernimmt die vollautomatische Parkmaschine. vor über 50 Jahren errichtet. Diese waren meist aus der Regallagertechnik hervorgegangen und transportierten die Autos mit Hilfe von Paletten. Palettensysteme ermöglichen jedoch keine hohe Förderleistung und bedingen einen hohen Wartungsaufwand. Damit kann die Lagerdichte im Vergleich zu konventionellen Anlagen maximal verdoppelt werden. Trotzdem haben sich solche Systeme in den dicht besiedelten Städten im Fernen Osten, besonders in Japan, Korea und Taiwan durchgesetzt, meist für kleinere Parkanlagen mit weniger als 100 Autos. Die bisherigen Lösungen überzeugen aber gerade im Bereich der Raumnutzung noch nicht. Diesem Problem hat sich das Unternehmen Skyline Parking angenommen und ein automatisches, intelligentes Parksystem entwickelt, das Raumeizienz, hohe Transportleistung, INFRASTRUKTUR Parkraumkonzepte Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 27 Abb. 3: Platzsparendes Parkhaus im Viererpack Alle Grafiken: Skyline Parking Zuverlässigkeit, Qualität und einfache Benutzerführung vereint. Einfach, komfortabel und sicher Der Fahrer stellt sein Auto einfach auf eine von mehreren großzügig gestalteten Einfahrtboxen in der Parkanlage ab. Alles Weitere übernimmt die vollautomatische Parkmaschine. Während das Auto vom Lenker in die Einfahrtrampe gefahren wird, erfasst und vermisst ein Scanner das gesamte Fahrzeug. Danach wird der Fahrer mit moderner Zeichensprache und einer sanften Computerstimme angewiesen, den Motor abzustellen und die Bremse anzuziehen, was unmittelbar von den Sensoren überprüft wird. Ist dieser Vorgang bestätigt, wird der Lenker gebeten, sich mit seinen Mitfahrern aus der Einfahrtbox zu entfernen. Von außen können die Insassen nun durch die Glasscheiben beobachten, wie ihr Auto behutsam zentriert und dann von einem Roboter unten an den Reifen erfasst, angehoben und auf einen der Hochgeschwindigkeitslifte befördert wird. Mit Hilfe dieses Lifts werden die Fahrzeuge nach Kriterien der Raumeizienz auf eine der kreisförmig angeordneten Stellplatten transportiert. Für jedes Auto errechnet der Computer den geeigneten Platz, so dass nur ein Minimum des Raumes verwendet wird. Mühsames Suchen nach freien Parklücken, umständliches Manövrieren in den engen, düsteren Parkhäusern und das Risiko von Parkschäden gehören damit der Vergangenheit an. Darüber hinaus kann beispielsweise eine Waschanlage ins System integriert werden, was dem Nutzer die Entscheidung ermöglicht, sein Auto nicht nur schnell, sondern auch noch blitzblank zurückzuerhalten. Ein automatisches Parksystem kann mit offenen, übersichtlichen und hellen Einfahrtboxen, einen Beitrag leisten, Städte sicherer zu machen. Die erhöhte Sicherheit betrift nicht nur die Autofahrer, sondern auch die Fahrzeuge und die darin enthaltenen Gegenstände. Die geparkten Autos sind nur für das Wartungspersonal zugänglich. Einbrüche, Diebstähle oder Sachbeschädigungen sind somit ausgeschlossen und jeder kann angstfrei parken. In einer Skyline-Anlage ist jeder Platz ein „Frauenparkplatz“. Platzsparend und umweltschonend Die Vorteile der neuen Technologie kommen vor allem dort zum Tragen, wo der Raum knapp, teuer oder für konventionelle Anlagen extrem begrenzt ist, wie z. B. in Innenstädten, an Flughäfen, Bahnhöfen, Hotels oder Spitälern. Denn Skyline Parking bietet mit den patentierten Innovationen, welche den Roboter, die Stellplatzanordnung, die computergestützte Vermessung und das Dual-Liftsystem umfassen, eine verbesserte Raumnutzung von bis zu 400 % gegenüber herkömmlichen Parkhäusern. Bei konventionellen Parkanlagen werden nur etwa 10 % des umbauten Raumes für die Autos genutzt. Auf- und Abfahrtrampen, Manövrierflächen, Personenlifte, Treppen und Lüftung benötigen Raum und hohe Investitionen. Bereits ein Grundstück von nur 20 x 20 m ermöglicht den Bau eines Skyline-Turms oder eines unterirdischen Schachts mit bis zu 320 Parkplätzen. Doch nicht nur die Fahrzeuglenker profitieren von solchen modernen Parkanlagen, sondern auch die Umwelt. Denn gerade der parkplatzsuchende Individualverkehr verursacht immense CO 2 -Emissionen. Beim Manövrieren in Parkhäusern laufen die Motoren mit einer tiefen Motorendrehzahl und produzieren dabei mehr Abgase und CO 2 als im Normalbetrieb. Dabei werden über das Jahr gerechnet rund 20 t CO 2 pro Parkhaus der Größe einer Skyline-Anlage ausgestroßen. Darüber hinaus entstehen neben dem Feinstaub auch Emissionen wie NOX und CO, da der Katalysator bei diesen Betriebstemperaturen nicht sehr wirksam ist. Ein ofensichtlicher Vorteil von automatischen Parkanlagen ist, dass der Fahrer nur bis in die Einfahrtbox fahren muss. Das Parkieren geschieht anschließend mit elektrischer Energie bei abgeschaltetem Verbrennungsmotor. Das Suchen eines freien Parkplatzes mit den entsprechenden Fahrten entfällt. Der Verbrauch an elektrischer Energie ist dabei nicht höher als bei einem konventionellen Parkhaus, da Lüftung, Beleuchtung und Personenaufzüge entfallen. Zudem können ökologische Features integriert werden, wie der Einsatz von Energierückgewinnungstechniken, die Nutzung der kompletten Außenfassade für Solarzellen oder auch die Integration von Ladestationen für Elektroautos. Die vollautomatischen Systeme sind außerdem wie bei einem Flugzeug redundant ausgelegt: Jedes System ist mit einem Doppellift, zwei Liftplattformen, zwei Robotern, einem als Cluster ausgelegten Server sowie mehreren Ein- und Ausfahrtrampen mit den jeweiligen Mess- und Zentriersystemen ausgestattet. Das Auge parkt mit Dank der integrierten Gebäudestatik bietet das vollautomatische System den Architekten und Städtebauern mehr Möglichkeiten und Varianten als konventionelle Anlagen. Die Anlagen können nahezu unsichtbar in Hinterhöfen, Baulücken oder im Tiebau, aber auch als attraktive Hochbauten mit aufallender Optik ausgelegt werden. Da die Fassade kein Bestandteil der tragenden Struktur ist, bieten sich bei deren Gestaltung und Materialwahl diverse kreative Möglichkeiten; Glas, Kunststof, Metall, sogar Textilien sind denkbar. ɷ Frido Stutz Vorstandsvorsitzender Skyline Parking AG, Winterthur (Schweiz) f.stutz@skyline-parking.com Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 28 Streit um TEN-Subventionen V iel vorgenommen hatte sich die Europäische Kommission mit der Revision der Leitlinien zum Ausbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN). Angesichts der Tatsache, dass vor allem die 30 vorrangigen TEN-Projekte nur schleppend vorangekommen sind und zudem die Haushaltsmittel immer knapper werden, war dies auch unbedingt notwendig. Doch nach Jahren der Diskussion folgte nun beim informellen EU-Verkehrsministerrat in Gödöllö/ Budapest Anfang Februar endgültig die Ernüchterung. Die Mitgliedstaaten sind noch meilenweit von einer gemeinsamen Linie entfernt, wie die europäischen Verkehrsachsen zu einem Netz zusammenwachsen sollen. Grundsätzlich unterstützt wird zwar der Ansatz der Kommission, künftig neben dem TEN-Gesamtnetz auch ein TEN- Kernnetz zu definieren. Doch da hört das Einvernehmen auch schon auf und der Streit an. Kommt Osteuropa zu kurz? Nur wenige Mitgliedstaaten sind mit der Kommission einig, dass die TEN-Mittel in Zukunft einen europäischen Mehrwert generieren und deshalb vor allem in grenzüberschreitende Teilstücke des Kernnetzes fließen sollen. Außerdem ist geplant, die Vergabe der TEN-Mittel besser mit den Zuschüssen aus Struktur- und Kohäsionsfonds der EU abstimmen. Doch vor allem die EU-Länder aus Osteuropa befürchten, dass sie bei diesem Ansatz zu kurz kommen werden. Um diese Länder zu besänftigen, hat die Kommission bereits angekündigt, dass die EU-Gelder aus den Struktur- und Kohäsionsfonds auch weiterhin für Projekte des TEN-Gesamtnetzes verwendet können. Doch hinter dieser Ankündigung verbirgt sich eine weitere Initiative von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, die den osteuropäischen Mitgliedstaaten erst recht ein Dorn im Auge ist. Kallas will insbesondere erreichen, dass, wenn Mittel aus dem EU- Kohäsionsfonds für Verkehrsprojekte ausgegeben werden, sich diese auf dem TEN-Netz befinden müssen. Entsprechende Leitlinien arbeitet der Este derzeit mit seinem für Regionalpolitik zuständigen Amtskollegen, Johannes Hahn, aus. Ein solches Diktat aus Brüssel wollen die osteuropäischen Mitgliedstaaten aber nicht hinnehmen, war es ihnen doch bislang die Wahl der Verkehrsprojekte weitgehend freigestellt, die aus EU-Töpfen gefördert wurden. Aber auch Deutschland will seinen eigenen (TEN-)Weg gehen. Beim Ausbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes privilegiert Deutschland einen nationalen und nicht den europäischen Ansatz der Kommission. Mit den Worten: „Was nützen grenzüberschreitende Projekte, wenn das Binnennetz für den Transit nicht tauglich ist? “ zeigte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die Marsch- Christian Dahm EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung in Brüssel B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON CHRISTIAN DAHM route auf, die Deutschland bei der Revision der TEN-Leitlinien verfolgt. Ramsauer will vor allem erreichen, dass das Attribut „grenzüberschreitend“ nicht das entscheidende Kriterium für die Bewilligung von TEN-Mitteln wird. „Unter dem Diktat der leeren Haushaltskassen müssen sich einige Länder von Traumprojekten verabschieden“, betonte Ramsauer. Der Minister warnte davor, die Interessen der Transitländer wie Deutschland zu vernachlässigen. Ein unverhältnismäßiger Ausbau von Verkehrsprojekten in Randländern der EU könne zu einer unhaltbaren Belastung des Transitverkehrs in Zentraleuropa und insbesondere Deutschland führen. Ramsauer verwies darauf, dass der Gütertransit in Deutschland bis 2025 um 150 % ansteigen werde. Grundsätzlich ist es für Ramsauer unerlässlich, dass für die Definition vor allem transportbezogene Kriterien wie Verkehrsströme, Streckenbelastungen, Verkehrsprognosen und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen herangezogen werden. Deshalb sei es auch nicht nachzuvollziehen, dass im Gegensatz zu Hamburg, Bremerhaven und Rostock der Jade-Weser- Port und Lübeck vom Kernnetz ausgeschlossen werden sollen. Dafür war sich in einer EU-Studie ausgesprochen worden. Zudem wehrte sich Ramsauer gegen Planungsvorgaben aus Brüssel. „Dafür gibt es keine Notwendigkeit“, so der Minister, der auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bei der Infrastrukturplanung verwies. Ablehnen will Ramsauer auch einen europäischen Finanzrahmen, der nationale Investitionen präjudiziert. Gleiches gelte auch dafür, dass nationale Verkehrseinnahmen in einen EU-Fonds fließen. Um die erhitzten Gemüter sowohl der Transitals auch der Randstaaten zu beruhigen und einen Kompromiss zu finden, kündigte Kallas an, bilaterale Gespräche mit den einzelnen Mitgliedstaaten führen zu wollen, bevor die EU-Kommission voraussichtlich vor Ende Juni die neuen TEN-Leitlinien vorschlagen wird. Bei den Gesprächen will Kallas aber ebenfalls ausloten, zu welchen Investitionszusagen die nationalen Regierungen in welchem Zeitraum bereit sind. Denn die Integration von Projekten ins Kernnetz und die Aussicht auf üppigere EU-Mittel möchte die Kommission in Zukunft verstärkt an finanzielle Verpflichtungen seitens der Mitgliedstaaten knüpfen. ɷ »Die Aussicht auf üppigere EU-Mittel möchte die Kommission in Zukunft verstärkt an finanzielle Verpflichtungen seitens der Mitgliedstaaten knüpfen« Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 29 Auf Kurs in die Zukunft Im Jahr 2008 gab die Europäische Kommission den oiziellen Startschuss für das europäische Projekt Platina. Diese Plattform bündelt das Know-how von 23 Organisationen aus neun verschiedenen Ländern und setzt Maßnahmen zur Förderung der Binnenschiffahrt um. Zeit für einen Rückblick auf bereits Erreichtes und eine Vorschau auf kommende Aktivitäten. D ie Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Staus auf Europas Straßen zu reduzieren, den Energieverbrauch einzuschränken und nachhaltige Logistiklösungen zu unterstützen. Sie sieht in der Förderung der Binnenschiffahrt einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines wettbewerbsfähigen und nachhaltigen europäischen Verkehrssystems. Folglich veröfentlichte die Europäische Kommission bereits im Januar 2006 das Aktionsprogramm zur Förderung der Binnenschiffahrt Naiades (Navigation and Inland Waterway Action and Development in Europe). 1 Das Programm umfasst Empfehlungen für gemeinsame Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft, der Mitgliedsstaaten und maßgebender Entscheidungsträger des Sektors wie der Flusskommissionen und der jeweiligen Interessenvertretungen für den Zeitraum 2006 bis 2013. Das Naiades-Aktionsprogramm gibt den strategischen Rahmen für eine umfassende europäische Binnenschiffahrtspolitik vor und empfiehlt Maßnahmen in fünf Themenbereichen: b Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschiffahrt und Erschließung neuer Märkte b Flottenmodernisierung und Innovation b Rekrutierung von neuen Arbeitskräften und Förderung von Humankapital b Bewusstseinsbildung und Vermarktung von Binnenschiffahrtsservices b Bereitstellung einer leistungsfähigen Wasserstraßeninfrastruktur. Am 5.- Dezember- 2007 präsentierte die Europäische Kommission den ersten Naiades- Fortschrittsbericht und stellte zugleich zusätzliche finanzielle Mittel für die technische und organisatorische Unterstützung der weiteren Umsetzung in Aussicht. Dieses Versprechen wurde mit dem Start des Platina-Projektes (Plattform zur Umsetzung von Naiades) im Juni-2008 eingelöst. Plattform Platina Das Projekt Platina (Platform for the implementation of Naiades) unterstützt in den Foto: Arndt LOGISTIK Binnenschi fahrt LOGISTIK Binnenschi fahrt Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 30 Jahren 2008 bis 2012 die Europäische Kommission, die Mitgliedsstaaten und Drittstaaten, die Flusskommissionen und den Binnenschiffahrtssektor bei der Umsetzung des Aktionsprogramms Naiades. Die Plattform wird von 23- Partnern aus neun europäischen Staaten getragen und von der Europäischen Union im Rahmen des 7.- Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration gefördert. Das Kernkonsortium besteht aus via donau (Österreich) als Koordinator, Voies navigables de France (Frankreich), dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifahrt (Deutschland), Promotie Binnenvaart Vlaanderen (Belgien) und dem Rijkswaterstaat Dienst Verkeer en Scheepvaart (Niederlande). Ein aus Vertretern der nationalen Behörden, Interessensvertretungen und Flusskommissionen zusammengesetzter Lenkungsausschuss begleitet Platina auf strategischer Ebene während der vierjährigen Projektlaufzeit. In Anlehnung an die Struktur des Aktionsplans Naiades umfasst Platina fünf Arbeitspakete, welche die Strategiebereiche aus dem Naiades Aktionsplan abdecken: Märkte, Flotte, Arbeitsplätze & Fachkenntnisse, Image und Infrastruktur. Märkte: Die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschiffahrt steigern Fakten zu den Vorteilen der Binnenschiffahrt sind sowohl im Sektor als auch bei Interessensverbänden und staatlichen Behörden in ganz Europa vorhanden. Trotzdem sind jene Informationen, die beim potenziellen Kunden ankommen, oftmals unvollständig oder im schlimmsten Fall sogar falsch. Aus diesem Grund ist eines der vorrangigen Ziele von Platina die Sammlung, Aubereitung und Verbreitung von maßgeschneiderten Informationen und Daten. Als interdisziplinäres Expertennetzwerk konzipiert, verfolgt Platina eine nach allen Seiten ofene Kommunikationsstrategie. Alle Projektaktivitäten und Ergebnisse können über die Website www.naiades. info mitverfolgt werden. Die auf der Website präsentierten Inhalte umfassen einen Pressedienst mit Beiträgen zu neuen Logistiklösungen und technischen Innovationen, aktuellen Informationen zum Umsetzungsstand von Infrastrukturprojekten bis hin zu neuen politischen Initiativen aus ganz Europa sowie einen laufend aktualisierten Kalender mit Hinweisen zu binnenschiffahrtsrelevanten Veranstaltungen. Bereits im März- 2009 hat Platina eine Online-Datenbank veröfentlicht, welche einen kompletten Überblick über europäische und nationale Förderprogramme in der Binnenschiffahrt gibt (z. B. Programme zur Flottenmodernisierung, Ausbildungsbeihilfen, KV-Förderung, Motorenförderprogramme etc.). Die Datenbank wird laufend aktualisiert und ist in den Sprachen Englisch, Niederländisch, Französisch und Deutsch verfügbar. Platina veröfentlicht eine Serie von Good- Practice-Berichten. Die in dieses Handbuch aufgenommenen Projekte zu den fünf Platina Themenbereichen stellen Erfolgsgeschichten aus ganz Europa dar und wurden speziell aufgrund deren Vorzeigecharakter ausgewählt. Ein Nachahmungsefekt ist dabei also ausdrücklich erwünscht. Die ersten beiden Ausgaben des Good Practice Berichts sind im Internet verfügbar. Ab Frühjahr 2011 wird Platina zusätzlich ein Good Practices Portal im Internet anbieten. Somit werden in Zukunft per Mausklick Informationen und Daten zu erfolgreichen Binnenschiffahrtsprojekten verfügbar sein. Flotte: Flottenmodernisierung und Innovationen vorantreiben Das übergeordnete Ziel dieses Arbeitsbereiches ist es, die europäische Binnenschiffahrt auf die technologischen und logistischen Herausforderungen des 21.- Jahrhunderts vorzubereiten. Um dieses Ziel zu erreichen wurde eine 21-köpfige Expertengruppe gegründet, die Innovationen im Binnenschiffahrtsbereich hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzbarkeit untersucht. Eines der ersten Resultate dieser Expertengruppe ist eine Innovationsdatenbank, welche den Technologietransfer innerhalb Europas beschleunigen und den Innovationsgrad der Flotte erhöhen soll. In dieser Datenbank werden derzeit knapp 50 Innovationen zu verschiedenen Themenbereichen, wie z. B. Schifskörper, Antriebssysteme oder Ausrüstungsgegenstände vorgestellt. Die verfügbaren Informationen basieren auf dem Fachwissen und den Erfahrungen von führenden Experten aus dem europäischen Binnenschiffahrtssektor. Die bereitgestellten Unterlagen sollen Praktikern und Forschungstreibenden gleichermaßen ein Bild verschafen, welche Innovationen derzeit in den EU-Mitgliedsstaaten bereits zur Anwendung kommen und welche Forschungsthemen als vielversprechend eingeschätzt werden. Auf diese Weise sollen der Technologie- und Wissensaustausch innerhalb der Europäischen Union angeregt und Innovationen schneller in die Praxis übergeführt werden. Im Zuge des Platina-Projektes wurde auf Basis dieser Innovationsdatenbank bereits eine Forschungsagenda für die europäische Binnenschiffahrt formuliert. Die im Dokument beschriebenen 17- Forschungsthemen wurden den drei übergeordneten Säulen POLITIK Emerging Markets in Asien www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 1 Jan/ Feb | 2011 | Einzelpreis 25 EUR +++Premiere+++ NEUE Struktur NEUES Layout POLITIK Emerging Markets in Asien NEU Struk Stru t out Emerging Markets in As Stru out Fit für Innovative Verkehrswege Großes Themenspezial im Mai: Schiene, Straße, Wasser • Planung • Finanzierung • Bau • Instandhaltung • PPP-Projekte Hier sollte Ihr Unternehmen nicht fehlen! Anzeigenschluss: 02.05.2011 Erscheinungstermin: 30.05.2011 Kontakt: Sophie Elfendahl Tel.: 040 / 237 14 - 220 Sophie.Elfendahl@dvvmedia.com Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 31 „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit”, „Ökologische Nachhaltigkeit” und „Management von Wachstum und Strukturwandel” zugeordnet. Die europäische Forschungsagenda hilft maßgeblichen Entscheidungsträgern bei der Festlegung von Forschungsprioritäten und soll damit zu einer abgestimmten Vorgehensweise innerhalb der Europäischen Union beitragen. Sie wird in Zukunft zudem als Grundlage für die Ausgestaltung nationaler und europäischer Forschungs- und Entwicklungsprogramme (z. B. EU- Forschungsrahmenprogramme) dienen. Dadurch kann verhindert werden, dass in jedem EU-Mitgliedsstaat das viel zitierte Rad neu erfunden werden muss. Im Platina-Projekt wird auch eine europäische Schifszulassungsdatenbank erarbeitet. Diese Datenbank ist ein wichtiger Schritt zu europaweit harmonisierten Zulassungsverfahren. Sie hilft bei der Sicherstellung eines nahtlosen Datenaustausches und ist damit eine wichtige Grundvoraussetzung für den Aubau hochwertiger River Information Services (RIS). Platina koordiniert den technischen Aubau der Schifszulassungsdatenbank und deren Pilotbetrieb. Arbeitsplätze & Fachkenntnisse: Karrieremöglichkeiten schafen Hoch qualifiziertes Personal ist ein unersetzbarer Faktor für eine wettbewerbsfähige Binnenschiffahrt auf europäischen Wasserstraßen. Der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften stellt eine der größeren Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung des Sektors dar. Eine der ersten Aktivitäten in diesem Bereich war daher eine umfassende Erhebung bestehender Aus- und Weiterbildungsinstitute in der Binnenschiffahrt sowie die Sammlung der gesetzlichen Grundlagen inklusive Berufsprofile, Ausbildungs- und Lehrpläne. Im Zuge der Identifizierung der bestehenden Bildungsinstitute und zur Gewährleistung eines effizienten europäischen Aus- und Weiterbildungssystems unterstützt Platina eine enge Kooperation und Koordination zwischen den bestehenden Bildungseinrichtungen durch die Gründung eines europäischen Bildungsnetzwerks Edinna (Education in Inland Navigation). Die Mitglieder reichen dabei von spezialisierten Sekundarschulen über Berufsschulen zu Fachhochschulen und Universitäten sowie Weiterbildungsanbietern. Edinna besteht mittlerweile aus 24 Binnenschiffahrtsinstituten aus dreizehn europäischen Staaten (AT, B, BG, CZ, D, F, HR, IT, NL, PL, RO, SR, SK) sowie diversen Fördermitgliedern. Ein Überblick ist unter www.edinna.eu zu finden. Im Rahmen einer Förderung durch ein Partnerschaftsprogramm von Leonardo da Vinci arbeitet Edinna derzeit an einem Lehreraustausch zwischen Fachkräften aus Polen, Belgien und Frankreich. Diese Arbeitsgruppe befasst sich außerdem mit der Sammlung und Entwicklung von Standardphrasen für die Kommunikation zwischen Schif-Schif, die aus verschiedenen nationalen Sprachen ins Englische übersetzt werden sollen, dem sogenannten „Riverspeak.“ Das Hauptaugenmerk von Edinna im Rahmen von Platina liegt jedoch auf der Entwicklung einer Strategie zur Harmonisierung der europäischen Aus- und Weiterbildungsstandards. Eine europaweite Inventarisierung der allgemeinen Logistikbildungsinstitute mit Bezug zur Binnenschiffahrt wurde im Projekt erarbeitet ebenso wie eine Strategie zur verstärkten Integration der Binnenschiffahrt in die generelle Logistikausbildung. Neben vereinzelten nationalen Leuchtturmprojekten, wie z. B. die Entwicklung eines Wahlfachs Binnenschiffahrt an niederländischen Fachhochschulen oder ein Seminar zur Binnenschiffahrt für Mitglieder des Vereins der Speditionslehrer in Deutschland, war deutlich zu erkennen, dass es an geeigneten Lehrmaterialien und themenspezifisch geschulten Fachkräften europaweit mangelt. Hier besteht großer Handlungsbedarf für die Zukunft, möchte man die Entscheidungsträger von morgen auf alternative Transportmöglichkeiten hinweisen. Um dem demographisch bedingten Fachkräftemangel zu begegnen, wird derzeit mithilfe des deutschen Shortseashipping Inland Waterway Promotion Centers (SPC) in Kooperation mit einer logistikerfahrenen Kommunikations- und Arbeitgebermarketingagentur eine länderübergreifende Personalrekrutierungsstrategie zur stärkeren Wahrnehmung des nassen Verkehrsträgers als attraktiver Arbeitgeber entwickelt. Image: Die Vorteile der Binnenschiffahrt besser kommunizieren Eine angesehenen Marktforschungsagentur wurde vom Platina-Team mit der Durchführung einer Studie zum Image der Binnenschiffahrt beauftragt. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass ein Großteil der öfentlichen und privaten Entscheidungsträger eine positive Meinung von der europäischen Binnenschiffahrt hat. Die Vorteile des Verkehrsträgers sind potenziellen Kunden jedoch nur unzureichend bekannt. Platina sieht daher zielgerichtete Kommunikationsaktivitäten vor, die genau diesen Mangel beheben sollen. So wurden in einem Seminar für Kommunikationsverantwortliche aus ganz Europa verschiedene Wege aufgezeigt, mit welchen Argumenten der nasse Verkehrsträger zielgerichtet bei politischen Entscheidungsträgern, Nicht-Regierungsorganisationen, Pressevertretern oder potenziellen Verladern beworben werden kann. Im Rahmen einer zweitägigen Konferenz „BargetoBusiness“ in Brüssel konnten sich im Dezember 2010 etwa 600 Teilnehmer durch Podiumsdiskussionen, Präsentationen und Vorträge über Praxisbeispiele des Gewerbes sowie aktuelle politische Entwicklungen informieren. Bei dieser Konferenz informierte der Vize-Präsident der EU- Kommission und Komissar für Verkehr, Siim Kallas, darüber, dass sein Kabinett derzeit an einem realisierbaren Fortführungsprogramm von Naiades arbeite. Im Rahmen des Projektes wurde ein europäisches Netzwerk der Promotions- und Entwicklungsagenturen gegründet, das in Zukunft europaweite Kommunikations- und Marketinginitiativen koordinieren und umsetzen soll. Durch die Gründung neuer Agenturen - vor allem in (Süd-) Osteuropa - soll ein flächendeckendes Netz von Promotions- und Entwicklungsexperten für den Binnenschiffahrtsbereich geschafen werden. Basierend auf einer Kommunikationsagenda werden von Platina praktische Werkzeuge für Kommunikationsaktivitäten entwickelt. Diese werden unter anderem Informationsmaterialien, Fotosammlungen, topographische und thematische Karten sowie aubereitete statistische Daten umfassen. Abb. 1: Europäisches Informationsportal für die Binnenschiffahrt www.naiades.info LOGISTIK Binnenschi fahrt Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 32 Infrastruktur: Eine leistungsfähige und ökologisch verträgliche Wasserstraßeninfrastruktur bereitstellen Platina erstellt für die Europäische Kommission einen Überblick über Infrastrukturausbauvorhaben im Wasserstraßenbereich durch Bereitstellung von Grundlagendaten und einer Statusübersicht zu bestehenden Projekten in EU-Mitgliedsstaaten und Drittstaaten. Aufgrund der Sensiblität von Flussökosystemen erfordern Wasserstraßen-Infrastrukturprojekte einen interdisziplinären und behutsamen Zugang. Infrastrukturplanung für Wasserstraßen stellt daher keine eindimensionale Aufgabe dar, sondern erfordert die Einbindung unterschiedlicher Fachdisziplinen und die Berücksichtigung ökologischer Anforderungen. Platina möchte zu einer Steigerung der Planungskompetenz in diesem Bereich beitragen. Dies soll durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen zwischen den Planungsbehörden und durch die Verbreitung von Good Practices erreicht werden. Im Rahmen des Platina-Projekts wurde daher ein „Handbuch zur nachhaltigen Planung von Wasserstraßen“ veröfentlicht. Dieses Handbuch bietet einen Leitfaden und gute Beispiele für die Planung von Entwicklungsprojekten an Wasserstraßen. Es soll organisatorische und technische Anregungen zum Planungsprozess liefern und dadurch in Folge Win-Win-Lösungen für Ökologie und Schiffahrt ermöglichen. Es richtet sich sowohl an Projektbetreiber als auch an Interessensgruppen, die sich in den Planungsprozess einbringen wollen. Im Hinblick auf River Information Services (RIS) hat Platina eine gemeinsame Arbeitsstruktur für die auf europäischer Ebene bestehenden RIS Experten Gruppen geschafen, auf Basis derer die Standardisierung von RIS vorangetrieben werden kann. Ein im Dezember 2009 veröfentlichtes Online-RIS-Portal (www.ris.eu) unterstützt diesen Prozess. Auf dieser Website wird über alle relevanten europäischen Entwicklungen im Bereich der River Information Services berichtet. Das Portal umfasst die Websites der vier bestehenden RIS Expertengruppen: Nachrichten für die Binnenschiffahrt (NtS), Verfolgung und Aufspürung von Schifen (VTT), Internationale Elektronische Meldungen (ERI) sowie Elektronische Navigationskarten und Informationssysteme (Inland ECDIS). Harmonisierung der Aus- und Weiterbildung Unter Leitung des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifahrt (BDB) wird im Platina-Arbeitspaket „Jobs and Skills“ eine Strategie für eine europaweite Harmonisierung der Aus- und Weiterbildung in der Binnenschiffahrt erarbeitet. Im Zuge einer von Platina durchgeführten Grundlagenrecherche wurde festgestellt, dass die europäischen Binnenschifer sehr unterschiedliche Bildungshintergründe aufweisen, obwohl sie auf allen europäischen Wasserstraßen zum Einsatz kommen können. Während beispielsweise in Rumänien und Belgien Sekundarschulen mit einer technischen Spezialisierung für die Binnenschiffahrt identifiziert wurden, gibt es neben dualen Ausbildungsangeboten in Deutschland, Österreich und den Niederlanden verstärkte theoretische Ausbildungen bis hin zum Universitätsabschluss, z. B. in Polen oder Rumänien. In Kroatien wurde erstmalig im Jahr 2009 eine eigene Klasse für Binnenschifer an einer Berufsschule eröfnet, während es vorher nur seeschiffahrtsbezogene Ausbildungen gab. Eine Harmonisierung dieser heterogenen Bildungsstandards käme einer Quadratur des Kreises nahe. Daher verfolgt Platina eine neue Herangehensweise und hat in Anlehnung an die Seeschiffahrt einen eigenen Ansatz entwickelt, in dem einheitliche Mindeststandards für die Ausbildung der Kernfunktionen an Bord eines Binnenschiffes festgelegt werden sollen. Ziel ist, dass sich die jeweiligen nationalen Bildungsinstitute an diesen Mindeststandards orientieren und ihre Lehrpläne daran ausrichten können. Eine Vermittlung gemeinsamer Mindestanforderungen könnte damit europaweit unter Berücksichtigung der Besonderheiten der nationalen Bildungssysteme gewährleistet werden. Der Entwurf der sogenannten „Standards of Training and Certification Inland Navigation” (STCIN) enthält derzeit Berufskompetenzen für zwei verschiedene Verantwortungsebenen an Bord - die Betriebs- (operational level) und die Führungsebene (management level): Diese Kompetenzen sind in sieben verschiedene Bereiche untergliedert: b Schifsführung; b Ladungsumschlag und -stauung sowie Fahrgastbeförderung; b Überwachung des Schifsbetriebs; b Schifsbetriebstechnik, Elektrotechnik, Elektronik und Leittechnik; b Wartung und Instandhaltung; b Kommunikation und Sozialverhalten; b Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz. In einem zukünftigen STCIN sollen u. a. Aussagen über die Qualität der Ausbilder, der praktischen Lehrmittel sowie zur Zertifizierung der Bildungsinstitute getrofen werden. Zur Förderung des Informationsaustauschs über die Entwicklung dieser berufsbezogenen Kompetenzen wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet. Zu den Teilnehmern gehören Vertreter der Arbeitgeber, die in den europäischen Dachverbänden „Europäische Binnenschiffahrts Union (EBU)” und „Europäische Schiferorganisation (ESO)” organisiert sind sowie Arbeitnehmervertreter der „Europäischen Transportarbeitergewerkschaft (ETF)”. Ebenfalls vertreten sind neben den Sekretariaten der „Zentralkommission für die Rheinschiffahrt (ZKR)” sowie der „Donaukommission” der Vorstand von Edinna, dem europäischen Aus- und Weiterbildungsnetzwerk. Eine erste Empfehlung für berufliche Kompetenzen für die Betriebs- und Führungsebene wurde von Edinna vorgeschlagen, im konstruktiven Dialog durch die Mitglieder der gemeinsamen Arbeitsgruppe angepasst und verabschiedet. Danach wurden die Berufskompetenzen an die europäischen Sozialpartner im Rahmen des „Sektoralen Sozialen Dialogs” mit der Bitte um Rücksprache bei den einzelnen Mitgliedern übermittelt. Diese Rückmeldungen fließen in das dynamische, noch zu entwickelnde Dokument „STCIN“ ein. ɷ 1 In der griechischen Mythologie sind die Najaden Süßwassernymphen, die über Flüsse, Teiche, Quellen, Seen und Sümpfe wachen. Katja Wenkel Referentin der Geschäftsführung Arbeitgeberverband der deutschen Binnenschifahrt e. V., Duisburg bdb-wenkel@binnenschif.de Jörg Rusche Geschäftsführer Bundesverband der Deutschen Binnenschifahrt e. V. (BDB), Duisburg bdb-rusche@binnenschif.de Simon Hartl, DI via donau - Österreichische Wasserstraßen-Gesellschaft mbH, Wien simon.hartl@via-donau.org Gert-Jan Muilerman, Dr. via donau - Österreichische Wasserstraßen-Gesellschaft mbH, Wien gert-jan.muilerman@via-donau.org MOBILITÄT Barrierefreiheit Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 33 Abb. 1: Temporäre Mobilitätseinschränkungen trefen (fast) jeden mal Foto: K. Dziekan Das Prinzip Design für Alle Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird barrierefreie Mobilität zu einem der Schlüsselfaktoren zur Sicherung einer hohen Lebensqualität und selbstbestimmten Lebensweise. Barrierefreie Mobilität bedeutet, dass sowohl die bauliche Umwelt als auch das Verkehrssystem für alle Menschen ohne fremde Hilfe benutzt werden können. D esign für Alle bezeichnet einen Ansatz in Planung und Gestaltung, der seit den 1990er weltweit in der Diskussion ist. Er fungiert als zentraler Grundgedanke für eine erweiterte Perspektive auf barrierefreie Mobilität, die sich nicht nur auf das Abbauen von Barrieren für einige Zielgruppen fokussiert, sondern Zugänglichkeit „für Alle“ zum grundlegenden Gestaltungsprinzip erklärt. Barrierefreiheit immer mitdenken Laut den Prinzipien des Design für Alle soll die Gestaltung von Produkten und Herausforderungen an ein barrierefreies Verkehrssystem Dienstleistungen nicht länger an den Eigenschaften und Fähigkeiten eines fiktiven „Normmenschen“ (Durchschnittsgröße, Rechtshänder, im mittleren Lebensalter etc.) orientiert sein, sondern die „menschliche Vielfalt“ berücksichtigen. Die Idee des Design für Alle fordert eine Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen so, dass sie b „für einen möglichst großen Nutzerkreis ohne Anpassung verwendbar sind, b leicht auf verschiedene Anforderungen einstellbar sind, b die Nutzung individueller Hilfsmittel möglich sein muss und b die potenziellen Nutzer an (möglichst) allen Entwicklungsphasen beteiligt sind.“ (aus Leidner 2007, S. 11). International sind auch andere Konzeptnamen gebräuchlich, hinter denen sich jedoch ähnliche Ziele wie beim Design für Alle verbergen, z. B. Universelles Design (USA, Japan), Inklusives Design (Großbritannien), Barrierefreiheit (Deutschland) oder Hindernisfreiheit (Schweiz). Allen gemeinsam ist der Grundsatz, dass die Endnutzer in alle Schritte des Gestaltungsprozesses einbezogen werden (Aragall et al. 2008, www. design-fuer-alle.de). Der Grundsatz des Design für Alle betont, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Räumen, Angeboten und Dienstleistungen nicht nur einer relativ kleinen Zielgruppe von Personen mit bestimmten körperlichen Einschränkungen zugutekommen, sondern einen Mehrwert für alle Menschen erzeugen. „Eine barrierefreie Umwelt ist für ca. 10 % der Bevölkerung unentbehrlich, für 40 % notwendig und für 100 % der Bevölkerung ist es komfortabel und ein Zugewinn an Lebensqualität“ (vgl. Neumann und Reuber 2004). Der Begrif der Barrierefreiheit ist demgegenüber enger gefasst und fokussiert auf die Zugänglichkeit von Infrastrukturen, Angeboten und Dienstleistungen speziell für Menschen mit körperlichen, sensorischen oder mentalen Behinderungen. Barrieren sind Hindernisse, die einen Menschen an der Erreichung eines Zieles hindern (Leidner 2007, S. 12). Barrieren können, müssen aber nicht physische Hindernisse sein, z. B. eine Bordsteinkante, die ein Rollstuhlfahrer nicht ohne Hilfe überwinden kann. Andere Barrieren können in fehlender oder unzugänglicher Information bestehen. Aber auch z. B. bauliche Infrastrukturen oder Verkehrsmittel, die für MOBILITÄT Barrierefreiheit Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 34 einige Nutzergruppen als „Angsträume“ wahrgenommen werden, können Barrieren schafen. Barrieren können demnach im Bereich der Information liegen, physischer oder sozialer/ psychischer Natur sein. Barrierefreie Mobilität im Sinne des Design für Alle bedeutet, dass sowohl die bauliche Umwelt als auch das Verkehrssystem für alle Menschen ohne fremde Hilfe und ohne besondere Anstrengungen genutzt werden können. Dabei ist es entscheidend, die gesamte Wegekette von „Haustür zu Haustür“ gestalterisch im Blick zu behalten. Gerade für mobilitätsbehinderte Menschen ist eine wichtige Voraussetzung zur Nutzung von Verkehrsmitteln die behindertengerechte Gestaltung des gesamten öfentlichen Raumes oder zumindest von geschlossenen Wegeketten (Blennemann, Girnau & Grossmann 2003). Letztlich führen z. B. blindengerecht gestaltete „sprechende Haltestellen“ nur dann zu mehr Mobilität für blinde und sehbehinderte Menschen, wenn auch der Straßenraum ein efektives Blindenleitsystem bietet, um zu den Haltestellen zu gelangen. Elemente von Nutzerprofilen Um die Spannbreite der Anforderungen an einen barrierefreien Verkehrsraum und barrierefreie Verkehrsangebote auszuloten, unterscheiden wir verschiedene „Nutzerprofile“ bzw. verschiedene Formen der Mobilitätseinschränkung (Tabelle 1). Viele Menschen sind von Mobilitätseinschränkungen betrofen, einige dauerhaft, andere nur temporär. Für manche beginnen die Schwierigkeiten beim Einsteigen in die Fahrzeuge, u. a. in Busse und Bahnen, andere trefen bereits bei einem kurzen Fußweg auf schwer oder gar nicht überwindbare Barrieren. „Behinderung“ ist nicht auf eine Eigenschaft einer Person zu reduzieren, sondern kann nur sinnvoll als Verhältnis zwischen den Fähigkeiten einer Person und den Eigenschaften der (Mobilitäts-)Umwelt definiert werden. Eine Person kann demnach mehr oder weniger in ihrer Mobilität eingeschränkt sein, je nachdem wie z. B. die bauliche Umwelt gestaltet ist. Der populäre Slogan „Behindert ist man nicht, behindert wird man“ trift den Kern dieses Sachverhalts. Wichtig ist dabei zu beachten, dass jeder Mensch unterschiedliche Fähigkeiten hat. Aus den Formen der Mobilitätseinschränkung lassen sich demnach keine einheitlichen Nutzergruppen mit jeweils gleichen Anforderungen bilden (Bundesministerium für Verkehr 2001). So gibt es beispielsweise Menschen mit der Unfähigkeit zu gehen. Einige davon benutzen einen elektrischen Rollstuhl, andere einen eher „sportlichen“ Handrollstuhl. Die Bedürfnisse von blinden Menschen unterscheiden sich z. T. sehr stark von den Bedürfnissen von Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit usw. Entscheidend ist, dass das Design für Alle sowohl dauerhafte als auch temporäre Mobilitätseinschränkungen einbezieht (synonym wird häufig auch die Unterscheidung von Mobilitätsbehinderungen im engeren bzw. im weiteren Sinne verwendet). (Fast) jeder ist gelegentlich von Mobilitätseinschränkungen betrofen, sei es durch die Mitnahme von Gepäck, eines Kinderwagens oder durch ein gebrochenes Bein. Auch von altersbedingten Einschränkungen ist ein Großteil der Menschen im Laufe des Lebens betrofen. Gerade ältere Menschen leiden häufig unter einer Vielzahl verschiedener Beeinträchtigungen, sind z. B. in ihrer Fähigkeit zu sehen und zu hören eingeschränkt, haben Schwierigkeiten längere Wege oder Treppen zu überwinden und komplexe Tarifsysteme zu verstehen (Gerlach et al. 2007). Design für Alle muss auch berücksichtigen, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Nutzergruppen miteinander in Konflikt geraten können. Im Bereich der Straßenraumgestaltung gilt dies u. a. für die Bedürfnisse von blinden Menschen gegenüber denen von Rollstuhlfahrern: Blinde sind auf „taktile Kontraste“ angewiesen, um sich mit dem Langstock zu orientieren. Bordsteine und profilierte Bodenplatten bieten solche leicht ertastbaren Orientierungsinformationen. Rollstuhlfahrern kommen hingegen eine glatte Gehwegoberfläche und möglichst auf Nullniveau abgesenkte Bordsteine entgegen (Blennemann et al. 2003). Ein weiteres Beispiel bietet der Einsatz von Glastüren, etwa in Fahrzeugen oder im Bahnhofsbereich. Gehörlose Menschen sind zu ihrer Orientierung in komplexen Bahnhofsumfeldern fast ausschließlich auf das Sehen angewiesen. Glastüren helfen dabei, große Räume überblickbar zu gestalten. Für sehbehinderte Menschen können Glastüren dagegen zu einem Hindernis werden, da sie von diesen Personen nicht immer als Barriere wahrgenommen werden können (Becker, Hollborn & Schramm 2004). Zwei zentrale Konfliktdimensionen lassen sich dabei aus der Fülle der Beispiele abstrahieren. Einerseits der Konflikt zwischen „Nivellierung“ und „Profilierung“: Gestaltungselemente, die dem Einen zu Stolperstein und Barriere werden, dienen häufig der Anderen zur Orientierung (Beispiele: Bordstein, Glastür, Haltestangen). Andererseits der Konflikt zwischen „Freiräumen“ und „strukturierten Räumen“: Einige NutzerInnen sind auf großzügige Freiräume als Stellfläche und Manövrierspielraum angewiesen, während andere von vielfältig ausgestatteten Räumen profitieren (Beispiele: Sitzplätze, Haltestangen). Die genannten Beispiele illustrieren, wie wichtig die Einbeziehung verschiedener (potenzieller) Nutzergruppen in den Gestaltungsprozess ist. Konflikte zwischen den Anforderungen unterschiedlicher Nutzer lassen sich nicht „am Reißbrett“ vorauskalkulieren. Erst der konkrete Nutzertest kann zeigen, ob eine entwickelte Lösung wirklich für alle Nutzer praktikabel ist oder ggf. für einzelne Nutzergruppen zusätzliche Barrieren schaft. Beispiel barrierefreie Verkehrsinformation Im Folgenden wird beispielhaft das Feld der barrierefreien Verkehrsinformation betrachtet, um Innovationspotenziale für barrierefreie Mobilität zu illustrieren und zugleich auf Herausforderungen hinzuweisen. Im Bereich Verkehrsinformation lässt sich eine besonders hohe Innovationsdynamik verzeichnen. Es gibt eine Fülle von Projekten, die sich damit befassen, Verkehrsinformationen barrierefrei zu gestalten oder durch spezielle Informationsangebote Mobilitätsbarrieren abzubauen. Am Anfang Tab. 1: Beispiele für dauerhafte und temporäre Mobilitätseinschränkungen Bewegung (Motorik) Wahrnehmung (Sensorik) Verstehen (Kognition) Weitere Temporäre Einschränkungen ● Kinderwagen ● Krankheit/ Verletzung (z.B. Beinbruch) ● Begleitung von Kleinkindern ● Alkohol-/ Drogengebrauch ● Krankheit/ Verletzung ● Ortsfremdheit ● Mangelnde Routine (z. B. im Umgang mit öfentlichen Verkehrsmitteln) ● Fremde Sprache ● Altersbedingte Einschränkungen (z. B. kleinere Körpergröße bei Kindern) Dauerhafte Einschränkungen ● Gehbehinderung ● Stehbehinderung ● Greifbehinderung ● Sehbehinderung ● Blindheit ● Hörbehinderung ● Taubheit ● Geistige Behinderung/ Lernschwierigkeit ● Chronische Erkrankungen ● Kleinwüchsigkeit Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 35 der Reisekette stehen Informationen über Zugänge, Wege, Verkehrsmittel, Abfahrtszeiten, räumliche und andere Barrieren. Während der Reise gilt es u. a. sich im Verkehrsraum zu orientieren, die richtige Haltestelle und das richtige Fahrzeug zu finden sowie Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Abbildung 3 bietet eine Übersicht wichtiger Entwicklungsfelder innerhalb des Themenfelds ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Im Problemfeld Wahrnehmungseinschränkungen, speziell Sehbehinderung und Blindheit, reichen beispielsweise die Lösungsansätze von dem in Braille-Schrift gedruckten Fahrplan über Blindenleitsysteme in Form von Bodenindikatoren (profilierte Gehwegplatten) bis hin zu mobilen Informations- und Navigationsdiensten für Mobiltelefone. Verkehrsinformation ist nur durch ein Zusammenspiel vieler gestalterischer Elemente barrierefrei transportierbar, neue Technologien können dabei unterstützen. Besondere Entwicklungsimpulse gehen von der rasanten Entwicklung und Verbreitung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, wie Internet, Mobiltelefonie, Ortungstechnologien u. Ä. aus. In aktuellen Projekten und Praxisbeispielen im Bereich barrierefreie Verkehrsinformation werden zwei Schwerpunkte gegenwärtiger Entwicklungsansätze deutlich: Zum einen werden die Möglichkeiten einer individuellen Online-Routenplanung für bar- Abb. 2: Zugabfahrtstafel im Bahnhof Bern Foto: K. Dziekan Abb. 3: Beispielhafte Elemente der barrierefreien Reisekette Straßenraum Verkehrsinformation Barrierefreie Mobilität Öfentliche Gebäude Verkehrsangebote (z. B. Fahrzeuge des ÖV, Bahnhöfe, Haltestellen) MOBILITÄT Barrierefreiheit Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 36 rierefreies Reisen ausgelotet. Zum anderen wird an der Entwicklung mobiler Navigationsassistenten gearbeitet. Die Basis beider Technologien ist in der Regel eine umfangreiche Datensammlung, die z. B. auf einer Internetseite bereitgestellt werden kann. Die räumliche Umgebung wird „kartographiert", indem etwa für einen touristisch interessanten Ort möglichst detaillierte Informationen über Zugänge, Angebote und mögliche Barrieren zusammengestellt werden. So können z. B. Wegeketten von zuhause aus detailliert geplant werden. Ein nächster Innovationsschritt kann darin bestehen, die Informationen dort abrubar zu machen, wo sie unmittelbar gebraucht werden, nämlich unterwegs. Dies kann z. B. durch mobile Endgeräte erreicht werden, die über einen Internet-Zugang verfügen. In einem weiteren Schritt kann die Technologie eine echte Navigationsfunktion übernehmen, wenn die Umgebungsinformationen mit einer Ortungsfunktion verknüpft werden. „Kennt“ das Empfangsgerät den jeweiligen aktuellen Standort des Nutzers, kann es diesen durch unmittelbare Wegweisungen leiten. Beispiele aus dem Bereich der Online-Routenplanung bieten die Projekte „BAIM - Barrierefreie Verkehrsinformation für mobilitätseingeschränkte Menschen“ (http: / / www.baim-info.de/ projekt-baim) und „London Direct Enquiries“ (vgl. http: / / www.directenquiries.com). Bei beiden Projekten geht es darum, möglichst detaillierte Informationen über die Zugänglichkeit von Nahverkehrsangeboten zu sammeln und direkt in ein Online-Routenplanungsangebot einzuspeisen. Dadurch wird es möglich die Routenplanung zu individualisieren. Vor der Abfrage einer bestimmten Verkehrsverbindung kann z. B. eine Nutzerin ihr individuelles Profil von Mobilitätseinschränkungen (Gehbehinderung, Sehbehinderung, Mitnahme eines Kinderwagens u. ä.) einstellen, sodass nur Verbindungen ausgegeben werden, die für sie barrierefrei zugänglich sind (Becker, von Grumbkow, Pilz & Wahlster 2007; Wahlster 2008). In Übereinstimmung mit den Prinzipien des Design für Alle nimmt dieser Ansatz Abstand von Spezialangeboten für einzelne Zielgruppen und bemüht sich um ein Angebot „für alle“, das zugleich die Vielfalt der individuellen menschlichen Fähigkeiten und Mobilitätseinschränkungen berücksichtigt. Allerdings basieren diese Lösungen auf einer aufwendigen Datensammlung: Nur mit detaillierten und aktuellen Informationen, beispielsweise über die Innenraumgestaltung von Bahn- oder U-Bahnhöfen, können lückenlose barrierefreie Wegeketten geplant werden. Gerade in Bezug auf die Funktionsfähigkeit von Aufzügen u. ä. sind Echtzeitinformationen nötig. Im Rahmen des Projekts BAIMplus werden gegenwärtig die Möglichkeiten erforscht, solche Echtzeitinformationen in der Routenplanung zu berücksichtigen. Ähnliche Herausforderungen stellen sich im Bereich der Entwicklung individueller mobiler Navigationshilfen. Beispiele für solche Dienste sind etwa Nav4Blind und e-Adept (vgl. http: / / www.nav4blind. de, http: / / www.eadept.se). Im Rahmen des Projekts Nav4Blind erfolgen Entwicklung, Umsetzung und Verbreitung eines Navigationssystems für blinde, sehbehinderte oder ortsfremde Menschen. Dabei erfolgt auf Basis satellitengestützter Ortung die Leitung durch einen 30 - 50 cm breiten virtuellen Korridor zu einem gewählten Ziel, und es werden umgebungsbezogene Informationen vermittelt. Auch bei diesen Diensten hängt die Nutzungsqualität vor allem von der Erhebung und Bereitstellung detaillierter und stets aktueller Umfeldinformationen ab. Zum Teil müssen unterschiedliche Datenbestände miteinander vernetzt werden, beispielsweise Informationen über die öfentlichen Verkehrsmittel, die Umfeldbedingungen im Straßenraum sowie Informationen über die Zugänglichkeit von (öfentlichen) Gebäuden. Hinzu kommt bei mobilen Navigationshilfen auf Basis von Ortungstechnologien wie GPS die Herausforderung einer hinreichend präzisen und punktgenauen Positionsbestimmung. Die Anforderungen an ein Navigationsgerät für FußgängerInnen und noch mehr für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen (v. a. Blinde und Sehbehinderte) sind deutlich höher als beispielsweise bei Navigationsgeräten für Autofahrer. Ein weiteres Problem- Abb. 4: Übersicht Themenfeld barrierefreie Verkehrsinformation Abb. 5: Taktiles Leitsystem am Bahnsteig Foto: BAGSO Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 37 ARAGALL, FRANCESC ET AL. (2008): European Concept for Accessibility (ECA) für Verwaltungen. BECKER, JOSEF, HANS-JOACHIM HOLLBORN & ELKE SCHRAMM (2004). Barrierefreie Stationen im Schienenverkehr. Rechtlicher Rahmen und Handlungsbedarf in Deutschland. Internationales Verkehrswesen, 56(5), S. 206-210. BECKER, JOSEF, PETER VON GRUMBKOW, ALEXANDER PILZ & MICHAEL N. WAHLSTER (2007). Informationsdienste für mobilitätseingeschränkte Menschen. Projekt BAIM: ÖV-Nutzung mit Hilfe moderner Techniken erleichtern. Der Nahverkehr, 25(11), S. 12-18. BLENNEMANN, FRIEDHELM, GÜNTER GIRNAU & HELMUT GROSS- MANN (EDS.). (2003). Barrierefreier ÖPNV in Deutschland = Barrier-free public transport in Germany. Düsseldorf: Alba- Fachverlag. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2001). Computergestützte Erfassung und Bewertung von Barrieren: bei vorhandenen oder neu zu errichtenden Gebäuden, Verkehrsanlagen und Umfeldern des öfentlichen Bereiches. Bad Homburg vor der Höhe: FMS, Fach-Media-Service-Verl.- Ges. GERLACH, J., P. NEUMANN, D. BOEHNKE, F. BRÖCKLING, W. LIP- PERT, B. RÖNSCH-HASSELHORN (2007). Mobilitätssicherung älterer Menschen im Straßenverkehr. LEIDNER, RÜDIGER (2007). Von Barrierefreiheit zum Design für Alle - Erfahrungen aus Forschung und Praxis. Münster: Arbeitsgemeinschaft Angewandte Geographie. NEUMANN, PETER, & PAUL REUBER (EDS.). (2004). Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für Alle. Langfassung einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Münster. WAHLSTER, MICHAEL N. ET AL. (2008). Barrierefreie ÖV-Information für mobilitätseingeschränkte Personen. Abschlussbericht zum Forschungsprojekt BAIM. LITERATUR feld liegt in der Navigation innerhalb von Gebäuden, in denen kein Empfang von Sattelitensignalen möglich ist. Für diesen Bereich müssen eigene technische Lösungen entwickelt werden. Im Sinne der Philosophie des Design für Alle können zwei Aspekte unterschieden werden: Einerseits müssen Informationen über barrierefreie Wegeketten und Zugangsmöglichkeiten bereitgestellt werden; andererseits müssen diese Informationen selbst wiederum "für alle" barrierefrei zugänglich sein. Zugleich muss ein solches Informationsangebot aber auch möglichst vielen speziellen Zielgruppen zugänglich sein: Z. B. erlauben eine kontrastreiche und einfache Gestaltung der Internetplattform sowie Audio-Versionen von Lageplänen und Stationsbeschreibungen auch sehbehinderten Menschen die sinnvolle Nutzung des Informationsangebots. Fazit Der Blick auf das Spektrum aktueller Projekte und Produktinnovationen im Bereich barrierefreie Mobilität zeigt, dass bedeutende Innovationspotenziale bestehen. Gerade im Bereich Verkehrsinformation wird an vielfältigen Angeboten gearbeitet, die mehr Freiräume auch für Menschen mit dauerhaften Mobilitätseinschränkungen schafen können. Dieses Feld profitiert besonders von der rasanten Entwicklung technischer Möglichkeiten. Über diese Entwicklungen hinaus besteht jedoch weiterhin in vielen Bereichen Handlungsbedarf. Unbehinderte Mobilität ist noch nicht für alle Menschen Realität. Die folgenden vier Thesen benennen zentrale Herausforderungen und liefern Impulse für eine erweiterte Diskussion zum Thema barrierefreie Mobilität im Sinne des Design für Alle. b Im Bereich der barrierefreien Verkehrsinformation werden vielfältige Dienste entwickelt, die helfen, vorhandene Barrieren zu erkennen und zu umgehen. Trotz dieser Hilfsmittel muss aber auch weiterhin daran gearbeitet werden, die eigentlichen (physischen) Barrieren möglichst weitgehend zu beseitigen. So ist es gut, wenn die Online-Fahrplanauskunft eines Nahverkehrsanbieters erlaubt, die Routenplanung auf rollstuhlgerechte Routen einzuschränken; wirklicher Nutzungskomfort ergibt sich aber erst, wenn auch tatsächlich genügend solcher barrierefreien Routen vorhanden sind. Dies schließt beispielsweise barrierefreie Zugänge zu den Haltestellen und Fahrzeugen des öfentlichen Verkehrs ein. Hierzu gehört etwa, dass Aufzüge, Hublifte und Rampen vorhanden und auch funktionsfähig sind. Lisa Ruhrort, Dipl.-Soz.-Wiss. Ehem. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Technische Universität Berlin Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung lisa.ruhrort@googlemail.com Christine Ahrend, Prof. Dr.-Ing. Fachgebietsleitung Technische Universität Berlin Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung christine.ahrend@tu-berlin.de Katrin Dziekan, Dr. phil. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Technische Universität Berlin Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung katrin.dziekan@tu-berlin.de b Usability, d. h. einfache Nutzbarkeit, Bedienbarkeit und barrierefreie Zugänglichkeit werden in Zukunft entscheidende Aspekte bei der Gestaltung von Mobilitätsräumen und -angeboten sein. Gerade im Bereich des öfentlichen Verkehrs wird Barrierefreiheit von zentraler Bedeutung sein, um die wachsende Zielgruppe älterer Menschen zu binden bzw. überhaupt als Kunden zu gewinnen. Mit dem Ansatz des Design für Alle werden einfache Bedienbarkeit und Zugänglichkeit des Verkehrssystems in den Fokus gerückt. Damit steigen auch die Chancen, Hemmschwellen bei Nichtnutzer- Innen abzubauen. b Design für Alle heißt, den Nutzer/ die Nutzerin in den Mittelpunkt zu stellen. Entscheidend für den Erfolg ist, dass dies nicht nur in der Theorie geschieht, sondern in Form der konkreten Einbeziehung der NutzerInnen in den Gestaltungsprozess. Dabei sollte ein möglichst breites Spektrum an unterschiedlichen Fähigkeiten und Mobilitätseinschränkungen repräsentiert sein. b Barrierefreie Mobilität braucht geschlossene, zugängliche Wegeketten. Deshalb ist Vernetzung verschiedener Akteure in diesem Bereich besonders wichtig. Dazu gehören z. B. Unternehmen, Betrofenenverbände, Nahverkehrsanbieter, kommunale Akteure und viele mehr. Ziel ist der Aubau von Netzwerken, in denen Kompetenzen und Know-how gebündelt werden. Das Transfernetzwerk easy.going 1 zeigt, wie Vernetzung zwischen Forschung, Anwendung und Betrofenen systematisch zur Innovationsgenerierung genutzt werden kann. Mit der Online-Datenbank easy. going.wiki (siehe www.easy.going-network. de/ wiki) wurde zudem eine interaktive Wissens-Plattform geschafen, auf der Innovationen, Good Practice Beispiele und Praxiserfahrungen im Bereich barrierefreie Mobilität für alle zugänglich präsentiert werden. Diese interaktive Plattform kann dabei unterstützen, der zukünftigen Herausforderung zu begegnen, Barrierefreie Mobilität im Sinne des Design für Alle zu gestalten. ɷ 1 easy.going TransferNetzwerk Barrierefreie Mobilität wurde vom Beauftragten des Bundes für die neuen Bundesländer im Rahmen des Innovationswettbewerbs „Wirtschaft trift Wissenschaft“ gefördert (Förderkennzeichen: 03WW- BE057A). Mehr Information unter www.easy.going-network.de TECHNOLOGIE Lärmschutz Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 38 Am Flüstergleis Der Schienenverkehr ist der Verkehrsträger, der die Herausforderungen des Klimaschutzes am ehesten erfüllt. Wachsende Lärmemissionen, insbesondere an vielbefahrenen Güterverkehrstrassen, gefährden jedoch die gesellschaftliche Akzeptanz des Schienenverkehrs. Für die im Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen, die auf die Entwicklung und Fertigung von Schienenfahrzeug- und Infrastrukturkomponenten spezialisiert sind, ist Lärmschutz daher ein Thema von zentraler Bedeutung. I m Rahmen des Konjunktur- und Lärmsanierungsprogramms hat die Bundesregierung in den letzten drei Jahren mehrere 100-Mio.- EUR für die Lärm- und Erschütterungsminderung dem Verkehrsträger Schiene bereitgestellt. Dabei sollen diese Maßnahmen gezielt an der Quelle des Lärms ihre Wirkung entfalten. Die infrastrukturellen Maßnahmen wie beispielsweise Lärmschutzwände oder auch die kontinuierliche Schienenpflege sind dabei der wichtigste Baustein. Aber auch ein umfangreicher Satz von technischen Lösungen für Schienenfahrzeuge wurde erarbeitet. Flüsterbremsen Dabei hat sich Ausrüstung von Güterwagen mit sogenannten Verbundsto remssohlen (K- und LL-Sohle) als eine efektive und wirtschaftliche Methode zur Lärmminderung herausgestellt. Diese „Flüsterbremsen“ reduzieren den Schalldruckpegel beim Bremsen um bis zu 10 dB gegenüber den herkömmlichen Graugussbremssohlen, die zurzeit noch bei Güterwagen zum Einsatz kommen. Bei neugebauten Güterwagen ist die K-Sohle einfach einsetzbar, bei bereits im Betrieb befindlichen Güterwagen ist die Umrüstung jedoch deutlich aufwendiger. Dieser Nachteil wird bei der LL-Sohle aufgehoben, da die Montage bei Bestandsgüterwagen wesentlich unkomplizierter erfolgen kann. Diese Erkenntnisse sollen durch das Pilotprojekt „Leiser Rhein“ verifiziert werden. Hierbei werden bis zu 5000 vorhandene Güterwagen mit K-Sohlen oder LL-Sohlen umgerüstet. Zudem sollen mit diesem Pilotprojekt Erfahrungen für die Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems gesammelt werden. Neben der Umrüstung von Güterwagen mit neuen Bremssohlen hat die Bahnindustrie noch eine Vielzahl von weiteren eizienten und angemessenen Möglichkeiten für den Lärmschutz entwickelt. Unter Federführung der DB AG haben sich Hochschulen, Forschungseinrichtungen und zahlreiche VDB-Mitgliedsunternehmen im Forschungsprojekt „Leiser Zug auf realem Gleis“ (LZarG) engagiert. Die Mitwirkenden haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Auftreten von Geräuschen direkt an der Quelle ihres Entstehens möglichst zu verhindern, zumindest aber deutlich einzudämmen. Quelle, das heißt dort, wo Stahl auf Stahl aufeinandertrift, an der Schiene und dem Rad und deren gemeinsamem Berührungspunkt. Bis zum Jahre 2020 soll damit ein Beitrag zur Reduzierung des Schienenverkehrslärms um 50 % erreicht werden. Untersuchungs- und Entwicklungsschwerpunkte des Kooperationsprojekts bilden der Rad- Abb. 1: Schienenstegdämpfer der Firma Vossloh Foto: Vossloh Werke GmbH Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 39 Schiene-Kontakt, Radschwingungen, die Abstrahlung des Schalls sowie die akustische Optimierung des Gleises. Bei den Lösungsansätzen von LZarG wurden solche favorisiert, die zu nachrüstbaren Komponenten führen und sich kurzfristig in die Serienreife überführen lassen. Insbesondere mittelständischen Bahntechnikherstellern von Systemen und Komponenten gibt dieses Projekt die Chance, die Wirksamkeit und Einsatzreife ihrer Innovationen zu demonstrieren. Technologien zur Lärmreduzierung So werden mit strukturoptimierten Rädern und Radschallabsorbern die Schallemissionen von Radscheiben deutlich verringert. Dies ist besonders für Güterwagen relevant, da deren Räder wegen der heute üblichen Bremstechnik zu einer verstärkten Rifelbildung und damit hohen Laufgeräuschen neigen. Der schalloptimierte Oberbau, auch „Flüstergleis“ genannt, umfasst den Einsatz dissipativer Elemente für die Schallabsorption (Schienenstegdämpfer) sowie weitere elastische Komponenten, mit denen die Körperschalleinleitung in den Oberbau und angrenzende Bauteile wie Brücken deutlich verringert werden kann. Dazu gehören besohlte Betonschwellen und hochelastische Schienenauflagerungen für Brücken (Lizzard). Das geräuschoptimierte Drehgestell LZarG- DRRS für Güterwagen lässt neben der weiteren Verringerung des Rollgeräusches aufgrund der Winkeleinstellbarkeit der Radachsen einen geringeren Energiebedarf und weniger Verschleiß an Rad und Schiene erwarten. Emissionsschutz verbindet sich hier mit Wirtschaftlichkeit. Die Kompaktbremse (compact fright car brake) stellt eine Optimierung der Güterwagenbremstechnik dar. Durch ihre Konstruktion in geschlossener Bauweise und den Verzicht auf das herkömmliche Bremsgestänge entfallen störende Schallquellen. Das Gewicht wird um rund 1 t reduziert und die Wartungskosten gesenkt. Zusätzlich wird der Wirkungsgrad der Bremse verbessert. Diese Bremstechnik soll in Kombination mit den genannten lärmreduzierenden Komponenten zu einer Gesamtlösung integriert werden, mit der dem Betreiber ein umweltverträgliches und wirtschaftlich attraktives Paket für seine Investitionsentscheidung an die Hand gegeben wird. Kombination von Maßnahmen Zu den Forschungsschwerpunkten von LZarG gehörten weiterhin: b Verringerung der Geräuschentstehung und -abstrahlung durch Lärmminderung bei der Oberbauinstandhaltung b Identifikation und Selektion störender Geräusche und Geräuschkomponenten des Schienenverkehrs b Simulation und Evaluation von Geräuschszenarien b Untersuchung der Efektivität von Lärmminderungsmaßnahmen. Wichtig ist festzuhalten, dass eine höchstmögliche Wirkung bei der Lärmminderung nur durch die vernünftige Kombination mehrerer Maßnahmen erfolgen kann. Dadurch sind Einsparpotenziale von bis zu 20 dB zu realisieren. Die bewilligten Finanzmittel aus dem Konjunktur- und Lärmsanierungsprogramm sind ein erster wichtiger und sinnvoller Schritt zur Verringerung des Schienenlärms. Denn vom Schienengüterverkehrslärm abgesehen, ist die Eisenbahn der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Anreizsysteme Aus Sicht der Bahnindustrie ist das jedoch noch nicht genug. Innovative Lärmschutzmaßnahmen müssen die Chance bekommen, sich am Markt durchsetzen und zu Abb. 2: Lärmminderungspotenziale in der Übersicht Abb. 3: Radschallabsorber am Güterwagenrad der Bochumer Verein Verkehrstechnik GmbH Foto: Bochumer Verein Verkehrstechnik GmbH TECHNOLOGIE Lärmschutz Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 40 behaupten. Doch dieser Prozess ist nicht von heute auf morgen zu bewältigen. Hier könnte die Unterstützung der Politik beschleunigend wirken, entweder durch gesetzliche Vorgaben - was in einem liberalisierten Markt immer die nachteiligere Lösung ist - oder durch die Einführung von Anreizsystemen. Regulierung durch neue gesetzliche Vorgaben birgt jedoch stets die Gefahr, einzelne Marktsegmente zu benachteiligen und so in diesen Bereichen am Ende auch nachteilig für einen umweltfreundlichen Verkehrsträger zu wirken. Hingegen ist die Einführung von Anreizsystemen ein wirksames Instrument im Schienenverkehr, um den wirtschaftlichen Nutzen von Innovationen zum Umwelt- und Klimaschutz deutlich zu erhöhen, darunter auch die zum Lärmschutz. Solche Instrumente würden im Schienenverkehr schnell ihre Wirkung zeigen und schließlich sowohl den regionalen als auch den globalen Anstrengungen zum Umwelt- und Klimaschutz zugute kommen. Um Innovationen nicht zu behindern sei angemerkt, dass es von besonderer Wichtigkeit ist, diese Anreizsysteme technologieofen zu formulieren. Motivation zu Investitionen Gegenwärtig sind die direkte Förderungen der Umrüstung von Güterwagen als auch ein lärmabhängiges Trassenpreissystem in der Diskussion. Im ersten Modell gibt es bereits Förderbescheide. Das ist sehr zu begrüßen, jedoch sind immer auch beihilferechtliche Fragen und Fragen nach der Wirksamkeit der Maßnahmen in den vom Schienenlärm betrofenen Regionen ein kritischer Punkt. Das zweite Modell muss dafür sorgen, dass die Anreize auch wirklich zu Investitionen motivieren. Gleichzeitig darf die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs nicht durch hohe Verwaltungskosten und systeminternen Ausgleich von gewährtem Trassenpreisbonus leiden - eine nahezu herkulische Aufgabe. Deshalb ist der Hinweis darauf angebracht, dass die informationstechnischen Infrastrukturen für das nationale und europäische Fahrzeugregister ohnehin im Aubau begrifen sind. Ein Eintrag zur lärmtechnischen Ausrüstung kann sicher einfach vorgesehen und später durch geeignete Schnittstellen auch für operative Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Und Trassenpreis-Mindereinahmen durch gewährten Bonus können auch anders als durch zusätzliche Belastung der nicht bonusfähigen Verkehrsteilnehmer kompensiert werden. Beispiele dafür gibt es genug. Zur eizienten Verringerung von Lärmemissionen ist in jedem Fall die gemeinsame Anstrengung und der gemeinsame Wille aller Beteiligten erforderlich: Staat, Betreiber und die Bahnindustrie sind somit aufgefordert, die neuen Technologien, wo immer es möglich und sinnvoll ist, anzuwenden - damit Schienenverkehr künftig nur noch „flüstert“. ɷ Fit für die grüne Zukunft Großes Spezial im Juli: • neue Technologien • alternative Antriebe • erneuerbare Energien • nachhaltige Verkehrstechnik • umweltschonende Verkehrsgestaltung Hier sollte Ihr Unternehmen nicht fehlen! Anzeigenschluss: 20.06.2011 Erscheinungstermin: 25.07.2011 Kontakt: Sophie Elfendahl Tel.: 040 / 237 14 - 220 Sophie.Elfendahl@dvvmedia.com POLITIK Emerging Markets in Asien www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 1 Jan/ Feb | 2011 | Einzelpreis 25 EUR +++Premiere+++ NEUE Struktur NEUES Layout POLITIK Emerging Markets in Asien NEU Struk Stru t out Emerging Markets in As Stru out Abb. 4: geräuschoptimiertes gummigefedertes Drehgestell mit radial einstellbaren Radsätzen der Firma DB Waggonbau Niesky GmbH mit der CFCB-Kompaktbremse der Firma KNORR- BREMSE Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH Axel Schuppe, Dipl.-Ing. Geschäftsführer Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V., Berlin schuppe@bahnindustrie.info Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 41 TECHNOLOGIE Wissenschaft D ie Ermittlung von Verkehrslärm und dessen Reduzierung war und ist Gegenstand zahlreicher auch öfentlich geförderter Forschungsarbeiten. Dies verwundert nicht, wenn man davon ausgeht, dass etwa 80 Mio. Menschen in Europa unter Verkehrslärm leiden. Die prognostizierten Steigerungsraten allein in Deutschland bis 2015 im Personenverkehr mit ca. 20 %, im Güterverkehr mit ca. 64 % und im Transitverkehr mit ca. 105 % machen das Problem Lärmreduzierung immer dringlicher [1, 2]. Ein weiterer Anstieg des Umgebungslärms durch den Zuwachs der Transportleistungen ist auch aus lärmmedizinischer Sicht für die Bevölkerung und die auf den Verkehrsträgern Arbeitenden nicht tragbar. Im Juni 2009 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Direktive 2002/ 49 angenommen, die auch als „European Noise Directive (END)“ [3] bezeichnet wird. Der weiterhin wachsende Forschungsbedarf zur Lärmminderung in Verkehrsträgern resultiert einerseits aus diesen verschärften gesetzlichen Bestimmungen und andererseits aus den dramatisch gestiegenen Anforderungen an den Komfort. Lärmminderung wird somit auch immer stärker zu einem bedeutenden Wettbewerbsfaktor. Schiffahrt und Schifbau Die Lärmbelastungen durch den Schifsbetrieb sind vielfältig. Die Belastungen betrefen Passagiere, an Bord arbeitende Personen, Anwohner an Flüssen und Häfen, aber auch massiv die Tierwelt, wie in letzter Zeit immer deutlicher wird. Ähnlich sind auch die Lärmquellen vielfältig. Sie sind einerseits im eigentlichen Schifsbetrieb, d. h. im Fahr- oder Bereitschaftsbetrieb zu suchen und anderseits im Be- und Entladebetrieb. Die Lärmquellen reichen von langsam drehenden 2-Takt-Motoren mit bis zu 100 000 kW, kavitierenden Propellern über schnell drehende Kompressoren und Lüftermotoren oder dem Lärm aus Be- und Entladeprozessen (auf Rampen aufahrende Fahrzeuge, auf den Boden auf- Viel Lärm um Schife Grenzwerte der zulässigen Lärmbelastung und deren Einhaltung sind z. B. im Bereich der Passagierschiffe und Luxusyachten vermarktungs- und kaufentscheidende Kriterien. Es gilt also, neben den erreichten Verbesserungen hinsichtlich Lebensdauer, Vibrationsarmut und Materialeinsparung durch Leichtbau, mit beschleunigten und verbesserten Vorhersagen der akustischen Eigenschaften von Schifen ein weiteres Aufgabenfeld zu erschließen. Foto: E. R. Schiffahrt TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 42 setzende Container) bis hin zu Trittschallproblemen in Korridoren und Kabinen. Schife sind immer Einzel-/ Unikatanfertigungen, das heißt, die entwerfenden und bauenden Werften haben nicht die Möglichkeit Prototypen zu perfektionieren, wie es in anderen Branchen üblich ist. Ist z. B. der dem Vortrieb dienende Schifsdiesel in der Kapitänskabine über ein erträgliches Maß zu hören, müssen teure und zeitintensive Nachbesserungen vorgenommen werden, um die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten. Eine weitere Besonderheit des Schi aus sind die relativ kurzen Entwicklungszyklen. Zu Zeiten als die Entwicklung eines neuen Autos 60-Monate dauerte, wurden 300 m lange Containerschife bereits in weniger als 36-Monaten ausgeliefert. Aufgrund der hohen Komplexität eines Schifes müssen oft in den ersten Wochen Grundsatzentscheidungen getrofen werden [4], die die akustischen Eigenschaften des Gesamtsystems maßgeblich bestimmen (Abbildung 1). Um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, müssen also möglichst frühzeitig akustische Prognosen vorliegen. Hierbei ist die Zeitdauer, bis die ersten verlässlichen Ergebnisse vorliegen, der entscheidende Faktor und nicht deren absolute Genauigkeit. Die derzeit verfügbaren Methoden erreichen eine relativ hohe Genauigkeit (Abbildung 2), deren Ergebnisse liegen aber erst zu einem späten Zeitpunkt vor, so dass meist nur noch Sekundärmaßnahmen getrofen werden können, d. h. der Lärm ist nicht mehr an der Quelle zu vermeiden. Dies liegt zum einen am Arbeitsaufwand bei der Modellerstellung und der benötigten Rechenzeit und zum anderen daran, dass diese Methoden ein detailliertes Konstruktionsmodell benötigen, welches im Schi au erst vorliegt, wenn die Fertigung bereits begonnen hat. Je weiter der Konstruktionsprozess vorangeschritten ist, desto aufwendiger und schwieriger sind Maßnahmen, mit denen akustische Aufälligkeiten beeinflusst und gemindert werden können. Oft zeigen sich die Probleme erst bei der Fertigstellung oder Inbetriebnahme des Schifes. Die Berücksichtigung akustischer Einflüsse erfolgt im Schi au meist erst in einem eher späten Stadium der Erzeugnisentwicklung, so dass, wie bereits erwähnt, nur sekundäre Maßnahmen zur Minderung der Schallemission ergrifen werden können. Diese sind mit einem höheren Material- und Konstruktionsaufwand und entsprechenden hohen Kosten, sowie häufig auch unter dem Aspekt des Umweltschutzes (Recycling) mit ungünstigeren Konditionen, verbunden. Diese Maßnahmen führen zusätzlich durch ihre teilweise erhebliche Massezuführung meist zu einem erhöhten Energie-/ Brennsto edarf bzw. zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers. Im Schi au wird heute überwiegend nach den klassischen Kriterien der Festigkeit entworfen und konstruiert. In den letzten Jahren wurden zusätzlich Aspekte wie z. B. die Dauerfestigkeit, die fertigungsgerechte Gestaltung und der schifbauspezifische Leichtbau erforscht und realisiert. Die Lärmreduktion wird jedoch nach wie vor allenfalls durch nachgeschaltete Sekundärmaßnahmen erreicht. Neue Grenzwerte seitens der Gesetzgeber, aber auch höhere Anforderungen seitens der Schiffahrtbetreiber, machen es notwendig, sich dem Thema des lärmgerechten Entwerfens und Konstruierens zu stellen und entsprechende Prognoseverfahren zu entwickeln. Die Auslegung der schi aulichen Stahlstruktur eines Schifes hinsichtlich der strukturdynamischen Anforderungen im niedrigen Frequenzbereich unter 20 Hz wird von modernen Werften heute weitgehend beherrscht. Dem akustisch relevanten Frequenzbereich kann bereits Rech- Abb. 1: Wissenszuwachs [5] zu Entwicklungsbeginn durch das F&E-Vorhaben EPES* Abb. 2: Schallprognose für das Deckshaus einer RoRo-Fähre bending wave velocity level [dB] at 1000 Hz 35 30 25 10 5 0 -5 -10 55 60 65 70 75 80 85 90 95 0 - 10 - 20 - 30 - 40 - 50 - 60 * EPES = E ziente Prognose vibroakustischer Eigenschaften in der Schifsentwurfsphase Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 43 TECHNOLOGIE Wissenschaft Lärmpegel veröfentlicht. Darauf folgten Berichte über Lärmpegelstatistiken von Norwegen, Schweden, Großbritannien und anderen Ländern. Die Wahrnehmung dieses Problems hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verstärkt. Unterstützt durch medizinische Studien und aufgrund von Forderungen des Schifspersonals haben die nationalen Behörden diverser Länder Richtlinien oder Empfehlungen hinsichtlich zulässiger Lärmpegel auf Schifen veröfentlicht. Diese basieren im Wesentlichen auf den Erfahrungen aus den vorher erwähnten Studien. Lärmprobleme auf Schifen sind schwierig vorherzusagen und zu beheben, nicht zuletzt, weil nung getragen werden, jedoch kommen für die Schifsentwurfsarbeit verwertbare Ergebnisse aufgrund der extrem aufwendigen und langwierigen Modellierung (Abbildung 2) wie bereits angeführt, häufig deutlich zu spät. So können diese Erkenntnisse den globalen Entwurf aufgrund der zeitlich stark beschleunigten Entwurfsprozesse und der zunehmenden Komplexität und Vernetzung der konkurrierenden Entwurfsdisziplinen nicht mehr beeinflussen. Es ist festzuhalten, dass die Schifsakustik als Teildisziplin des Schifsentwurfs aufgrund ihrer Komplexität nicht mit den heute auf der Werft üblichen klassischen Auslegungsmethoden beherrscht werden kann. Die Einhaltung der Grenzwerte wird bislang oft erst nach der Integration sämtlicher Aggregate durch Messungen bei Inbetriebnahme und Probefahrt endgültig beurteilt. Die Überschreitung der vertraglich definierten Grenzwerte kann neben hohen Konventionalstrafen im schlimmsten Fall zum Rücktritt des Auftraggebers vom Auftrag mit immensen wirtschaftlichen Konsequenzen für die Werft führen. Zurzeit müssen daher oft nachträglich zeit- und kostenintensive Zusatz- oder Umbaumaßnahmen am fertigen Schif in Kauf genommen werden. Dieses stellt jedoch für die Werften ein nicht kalkulierbares finanzielles Risiko dar. Die heutigen mit großem technischen und finanziellen Aufwand schwingungs- und lärmberuhigten Schife haben einen hohen wirtschaftlichen und technologischen Stellenwert. Grenzwerte der zulässigen Lärmbelastung und deren Einhaltung sind z. B. im Bereich der Passagierschife und Luxusyachten vermarktungs- und kaufentscheidende Kriterien. Es gilt also, neben bereits erreichten Verbesserungen hinsichtlich Lebensdauer, Vibrationsarmut und Materialeinsparung durch Leichtbau, mit beschleunigten und verbesserten Vorhersagen der akustischen Eigenschaften von Schifen ein weiteres Aufgabenfeld zu erschließen. Das Vorhaben EPES Verschiedene Forschungsorganisationen haben von Zeit zu Zeit Übersichten über existierende Eckdaten des Projektes EPES Projektname: Eiziente Prognose vibroakustischer Eigenschaften in der Schifsentwurfsphase Mittelgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Projektträger Forschungszentrum Jülich GmbH Fördervolumen: TUB-Anteil 800 000,- EUR vom Gesamtvolumen von 3,2 Mio. EUR Laufzeit: 01.12. 2010 - 30.11.2013 Projektpartner: - TU Berlin - Technische Akustik, TU Berlin - Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme - Flensburger Schifbau Gesellschaft mbH & Co KG - Fr. Lürssen Werft GmbH - Howaldtswerke-Deutsche-Werft GmbH - Blohm und Voss Naval GmbH - Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit - Novicos GmbH - TU Darmstadt FG Systemzuverlässigkeit und Maschinenakustik - TU Hamburg-Harburg - Institut für Modellierung und Berechnung Abb. 3: Existierendes Deckshaus Mockup und Raum Mockup als CAD-Modell Weitere Informationen zum Projekt und dem aktuellen Entwicklungsstand: www.marsys.tu-berlin.de www.akustik.tu-berlin.de TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 44 rie und Praxis des Schifsentwurfs und Schifsbetriebs widerspiegeln. Das Fachgebiet Technische Akustik - Körperschall bearbeitet vor allem den Themenkomplex, der der Theorie der Schallprognose und der Entwicklung entsprechender Ansätze dient. Die Aufgaben der TU Berlin innerhalb dieses Vorhabens werden im Folgenden kurz beschrieben. Die Erarbeitung und Überprüfung der Bewertungskriterien für die akustische Qualität im schi aulichen Entwurf bildet zusammen mit der Katalogisierung der Erregerquellen in Form eines „Schallquellatlanten“ die Basis für die weiteren Arbeiten. Nach der Analyse der existierenden Verfahren zur Schallquellcharakterisierung sowie Schallausbreitung und -abstrahlung werden diese weiterbzw. neuentwickelt. Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung einer Methode zur Charakterisierung von Körperschallquellen, da, im Gegensatz zum Luft- oder Fluidschall, den Ingenieuren keine physikalisch konsistente und praktisch attraktive Methode hierfür zur Verfügung steht. Die aus diesen Methoden entstehenden theoretischen Berechnungsansätze werden durch verschiedene experimentelle Untersuchungen validiert. Die Spanne der Versuchsträger reicht von einfachen Stahlrohren mit einem Durchmesser von 0,5 m, über ein ganzes Deckshaus als Mockup bis zu Megayachten von 100 m und 200 m langen Fährschifen auf der Probefahrt. Das Vorhaben untersucht in einem weiteren Schritt auch den Einfluss der Sekundärmaßnahmen auf die Schallabstrahlung. Am Ende steht zum einen ein Leitfaden, mit dem die deutschen Werften schnelle und gute Aussagen über die akustische Qualität ihrer Schife trefen können. Zum anderen werden für die Zukunft neue Richtungen aufgezeigt, wie mit schi aulichen Entwürfen zu verfahren sein wird. Die beteiligten Fachgebiete Die Fachgebiete Technische Akustik - Körperschall (ISTA) und Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme (EBMS) der Technischen Universität Berlin (TUB) besitzen eine umfangreiche technische Ausrüstung in Form von Prüfständen für vibroakustische Messungen und Signalverarbeitung sowie eine dazugehörige DV-Ausstattung. Für eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte zum Thema Köperschall, finanziert von europäischen Forschungsgesellschaften und der EU, wurden beispielhaft folgende Forschungsthemen mit direktem Bezug zum Antragsprojekt seitens des Fachgebiets Technische Akustik bearbeitet und geleitet: Nordisch kooperatives Projekt "Structure borne sound in ships from propellers and diesel engines", "Procedures for sound path quantification" und "Prediction models for structural acoustics in ships". Ferner werden und wurden in letzter Zeit u. a. folgende studentische Arbeiten in diesem Zusammenhang am Fachgebiet EBMS durchgeein Schif eine sehr komplexe Struktur und eine extreme räumliche Ausdehnung im Vergleich z. B. zu einem Kraftfahrzeug hat. Hinzu kommt, dass die große Anzahl an unterschiedlichen Luft- und Körperschall-Geräuschquellen die experimentelle und theoretische Untersuchung von Geräuschübertragung sehr störanfällig macht. Das vom BMWi geförderte Vorhaben EPES (Eiziente Prognose vibroakustischer Eigenschaften in der Schifsentwurfsphase) hat als wesentliches Ziel die „Entwicklung eines Simulations- und Anwendungswerkzeuges zur Prognose der Schallausbreitung auf Schifen und Beurteilung dimensionierungs- und entwurfsrelevanter akustischer Eigenschaften“. Mit diesem Werkzeug wird es Ingenieuren in Zukunft möglich sein, bereits in der frühen Entwurfsphase von Schifen verbesserte Aussagen über die Schallbelastung an verschiedenen Orten im Schif zu trefen. Diese Fähigkeit sichert den deutschen Werften ihren internationalen Vorsprung vor allem im Bereich des Spezialschi aus, wie z. B. bei Forschungs- oder Kreuzfahrtschifen. Für jede Komponente in der gesamten Prozesskette „Schallerregung - Übertragung - Ausbreitung - Abstrahlung - resultierender Empfangsraumschallpegel“ werden prototypenhaft Berechnungsfunktionalitäten entwickelt und getestet. Der Schwerpunkt der Technischen Universität Berlin im Vorhaben EPES ist die Methodenentwicklung für die Beschreibung der Schallquellen und deren Schalltransmission, sowie der darauffolgenden Ausbreitung und Abstrahlung. Dabei sind Konzeption und Strukturierung dieses Prognosewerkzeuges auf den Anwendungsbereich im praktischen Schifsentwurf gerichtet. Dazu gehört, dass die entwickelten theoretischen Prognoseansätze und weitere Systemkomponenten bei Großausführungsmessungen und/ oder eigens zu entwickelnden Testaubauten (siehe Abbildung 3) [6] dem Abgleich der Ergebnisse im Hinblick auf Genauigkeit, Funktionalität und Anwendbarkeit in der schi aulichen Entwurfspraxis dienen. Im Rahmen des Vorhabens werden sowohl umfangreiche theoretische als auch praktische Untersuchungen an eigens gefertigten Modellen, aber auch auf im Bau und im Betrieb befindlichen Schifen realisiert. Die schnelle und umfassende Übertragung des in EPES gewonnenen Wissens und des besagten Prognosewerkzeugs in die Wirtschaft ist für die Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsposition der deutschen Werften von entscheidender Bedeutung. Nicht zuletzt ist dies ein Grund für die enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen der maritimen Industrie und wissenschaftlichen Einrichtungen innerhalb des Forschungsvorhabens. Im Rahmen des bewilligten Vorhabens EPES bearbeitet das Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme (EBMS) vor allem Themengebiete, die die Verbindung der Theorie der Schallprognose und deren Ansätze mit der Theo- »Der Schwerpunkt der Technischen Universität Berlin im Vorhaben EPES ist die Methodenentwicklung für die Beschreibung der Schallquellen und deren Schalltransmission, sowie der darau olgenden Ausbreitung und Abstrahlung. « Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 45 TECHNOLOGIE Wissenschaft führt. Die Arbeit „Körperschallübertragung via Hauptmaschinenlagerungen an Bord von Megayachten“ [7] wurde in Zusammenarbeit mit der Werft Abeking & Rasmussen und dem Fachgebiet Technische Akustik der TU Berlin durchgeführt. Sie umfasst den Schwerpunkt der Schallerregung durch die Hauptmaschinen für den speziellen Schifstyp Yacht und steht somit in engstem Zusammenhang mit dem Produktportfolio des Mitantragstellers Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG. Die mit dem Clara-von- Simson-Preis ausgezeichnete Arbeit „Spezifikation und prototypenhafte Realisierung einer Toolbox für die Prognose akustischer Kennwerte im frühen Entwurfsstadium von Schifen“ [8] entstand mit Unterstützung des Mitantragstellers Flensburger Schi au Gesellschaft sowie dem Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der TU Berlin. Zusammenfassung und Ausblick Sowohl in wissenschaftlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht stärkt das Forschungsprojekt EPES den Standort Deutschland. Völlig neue Wege zur schnellen Prognose akustischer Eigenschaften schlagen die Brücke zwischen den „hochgenauen“ Simulationsverfahren, die eher Gerd Holbach, Prof. Dr.-Ing. Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme Institut für Land- und Seeverkehr TU Berlin holbach@naoe.tu-berlin.de Sebastian Ritz, Dipl.-Ing. Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme Institut für Land- und Seeverkehr TU Berlin s.ritz@naoe.tu-berlin.de LITERATUR [1] ISENSEE, S.: (BMBF, Forschungsverbund leiser Verkehr): Fighting Tra c Noise at the Source. EURONOISE 2003, 19-21 May 2003, Naples [2] WURZEL, D.: (DLR, Forschungsverbund leiser Verkehr): More Tra c - Less Noise An Interdisciplinary Approach to Reduce Transportation Noise. INTER-NOISE 2006, Dec. 3-6, 2006, Honolulu, Hawaii, USA [3] RASMUSSEN, S.: EU Noise Policy - Strategic Noise Mapping around Europe. Joint Baltic-Nordic Acoustics Meeting 2008, 17- 19 August 2008, Reykjavik, Iceland [4] FISCHER, J. O., HOLBACH, G.: Cost Management in Shipbuilding - Planning, Analysing and Controlling Product Cost in the Maritime Industry, GKP Publishing, Köln - Berlin, 2011 [5] HARRIES, S., ABT, C., HOCHKIRCH, K.: Modelling Meets Simulation - Process Integration to improve Design, IST-Sonderkolloquium zu Ehren von Professoren Hagen, Schlüter und Thiel, Duisburg 23. Juli 2004 [6] KRÜGER, H.; HOLBACH, G.: Konstruktionsakustik im Schifbau. Abschlußbericht zum FuE-Teilvorhaben D 3.1 im Verbundprojekt WIPS-”Wettbewerbsvorteile durch informationstechnisch unterstützte Produktsimulation im Schifbau, März 2004 w" Deutsche Werften: Aufträge und Ablieferungen w" Schiffsbeschreibung: Notschlepper „Nordic“ w" Schifffahrtsjahr 2010: Märkte und Fahrtgebiete | Seit über 60 Jahren informieren sich in Schif & Hafen Schifbauingenieure, Fach- und Führungskräfte aus Reedereien, Häfen, Werften und maritimen Zulieferirmen über die gesamte Bandbreite moderner Schifbautechnologie, die neuesten Innovationen der maschinenbaulichen und nautischen Schifstechnik und Schifsbetriebsführung sowie Ofshore-Technologie. Ergänzt werden die Ausgaben durch Specials anlässlich wichtiger maritimer Ereignisse wie Kongresse, Messen und Firmenjubiläen. www.schifundhafen.de Fachzeitschrift für Schifffahrt, Schiffbau & Offshore-Technologie Exklusiv für Abonnenten: Das Schif&Hafen-Archiv! Recherchieren Sie in allen Ausgaben seit Erscheinen von Schif & Hafen. DVV Media Group GmbH | Nordkanalstr. 36 20097 Hamburg Tel. + 49 40/ 237 14-114 service@schifundhafen.de Bestellen Sie Ihr kostenloses Probeabo unter www.schifundhafen.de Prognose akustischer Eigenschaften beim Schifsentwurf deutlich steigern. Gleichzeitig stellt es die Basis für die beschleunigte Untersuchung von konstruktiven Varianten dar und bildet somit die Grundlage für weitere Entwicklungen. ɷ [7] LANDSBERG, N.: Körperschallübertragung via Hauptmaschinenlagerungen an Bord von Megayachten. Studienarbeit TU-Berlin 2008 [8] SOMMER, S.: Spezifikation und prototypenhafte Realisierung einer Toolbox für die Prognose akustischer Kennwerte im frühen Entwurfsstadium von Schifen. Diplomarbeit, TU-Berlin 2008 von „akademischem Interesse“ sind und den sehr groben aber schnellen halbempirischen Überschlagsformeln aus der Wirtschaft. Das begonnene Vorhaben wird die Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 46 B eim Neubau oder bei der Sanierung von Flugbetriebsflächen sind allgemeine Zustandserfassungen für die Abnahme zur Betriebsaufnahme nach § 44 LuftVZO und zur baulichen Abnahme nach VOB/ B erforderlich. Weiterhin müssen als Basis für das kontinuierliche Erhaltungsmanagement allgemeine Zustandserfassungen in Abhängigkeit von der Intensität des Flugbetriebs bzw. von der allgemeinen Nutzung durchgeführt werden. Die bauliche Abnahme einer Flugbetriebsfläche erfolgt durch den Auftraggeber (Flughafenbetreiber) und bildet den Rahmen für sämtliche Zahlungs- und Gewährleistungsmodalitäten gegenüber dem Auftragnehmer (ausführende Firma) [5 - 9]. Im Gegensatz dazu erfolgt die Abnahme zur Betriebsaufnahme von der Genehmigungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes und ermöglicht nach positivem Bescheid die bestimmungsgemäße Nutzung der Flugbetriebsfläche und die entsprechende Veröfentlichung im Luftfahrthandbuch (engl. aeronautical information publication, AIP). In der Regel entsprechen die vertraglich festgelegten baulichen Anforderungen den Standards und Empfehlungen des ICAO Annex 14 oder sie liegen sogar darüber, so dass im Anschluss an eine bauliche Abnahme ohne nennenswerte Beanstandungen die Abnahme zur Inbetriebnahme unproblematisch ist. Werden jedoch im Zuge der baulichen Abnahme Ausführungsmängel, beispielsweise nicht erreichte Oberflächeneigenschaften, festgestellt, so stellt sich meist die Frage, inwieweit einerseits diese Mängel betrieblich überhaupt relevant sind und ob andererseits die Verhältnismäßigkeit der Mängelbehebung zur zeitlichen Verzögerung und zum finanziellen Aufwand eine 100 %ige Mängelbeseitigung überhaupt rechtfertigt. Weiterhin werden in den Regelwerken der ICAO für Flugbetriebsflächen andere Messsysteme und -verfahren als bei Straßenverkehrsanlagen sonst üblich gefordert, so dass oftmals für die bauliche Abnahme nur Messwerte vorliegen, die aus dem Straßenwesen stammen [1 - 2]. Ein direkter Vergleich mit den Anforderungen der ICAO für Flugbetriebsflächen ist deshalb nur bedingt möglich. Aufgrund dieser Tatsache und der meist erheblichen Dimensionen von Flugbetriebsflächen ist eine umfassende Messung und Dokumentation von aussagekräftigen und detaillierten diskreten Einzelkriterien wie Längs- und Querebenheit, Längs- und Querneigung, Griigkeit usw. von grundlegender Bedeutung. Einsatz eines kinematischen Vermessungssystems Um die beschriebene Problematik zu lösen, haben bislang verschiedene Unternehmen kinematische Messsysteme erfolgreich im Bereich der Vermessung und Zustandserfassung von Straßenverkehrsanlagen eingesetzt [10 - 12]. Abbildung 1 zeigt als Beispiel das Mobile-Straßen- Erfassungs-System „MoSES“ der Firma 3D Mapping Solutions GmbH. Bei der Oberflächenvermessung wird durch das kinematische Vermessungssystem, im Folgenden „Fahrzeug“ genannt, ein sog. Befahrungskorridor digital erfasst. Die aufgenommenen Daten wer- Zustandserfassung von Flugbetriebsflächen Bislang existiert kein standardisiertes Verfahren für eine allgemeine Zustandserfassung von Flugbetriebsflächen. Eine innovative und aussagekräftige Lösung stellt die Oberflächenvermessung mit einem kinetischen Vermessungssystem in Kombination mit Videokameras und Laserscannern dar. Anhand der Datenerfassung können Modelle generiert werden, die exakte Vergleiche mit den Sollwerten der genehmigten Ausführungsplanung ermöglichen. Abb. 1: Mobile-Straßen-Erfassungs-System (MoSES) Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 47 Abb. 2: Laserscanner-Messdaten einer Flughafen-Erfassung Abb. 3: Laserscanner-Messdaten: Detailansicht S/ L-Bahn-System den gespeichert und stehen somit für die nachfolgende Auswertung sämtlicher Messfahrten zur Verfügung. Die Auswertung kann einerseits auf ein spezielles technisches Zustandskriterium zugeschnitten, andererseits aber auch schrittweise verfeinert werden. Naturgemäß hängt die Präzision der Messdaten im Wesentlichen von den verwendeten Hochleistungs-Laserscannern ab. Grundlage für die visuelle Zustandserfassung sind die erfassten Bilddaten der am Fahrzeug installierten Dokumentationskameras (Multikamerasystem). Die Bilddaten werden für die Auswertung georeferenziert aubereitet. Die Erfassung vom Fahrzeug aus hat den Vorteil, dass die Aufnahme der Flugbetriebsflächen in relativ kurzer Zeit und auch bei Nacht stattfinden kann, so dass es in der Regel zu keinerlei flugbetrieblichen Einschränkungen kommt. Die vollständige Erfassung eines Großflughafens kann deshalb innerhalb weniger Nächte erfolgen. Messprinzip und Leistungsdaten [10] Zu jedem Zeitpunkt der Messung werden die 3D- Positionen (Lage und Höhe) und der Lagewinkel (Nick-, Roll- und Azimutwinkel) des Fahrzeugs mit Hilfe eines sich selbst kalibrierenden Systems kontinuierlich ermittelt. Die eingesetzten Hochleistungs-Laserscanner können einen Entfernungsbereich von bis zu 80 m abdecken. Pro Messprofil werden dabei bis zu 10 000 Punkte gemessen. Dies entspricht ca. 1 bis 4 Mio. Punkte pro Sekunde. Die Wiederholgenauigkeit der lasergescannten Einzelpunkte liegt bei ca. 0,5 mm, so dass detaillierte Plausibilitätskontrollen der Messdaten möglich sind. Die Diferenz der Messpunkte relativ zum Fahrzeug beträgt lediglich wenige Millimeter. Für hoch genaue Messungen, beispielsweise von der vorhandenen Textur, werden in der Regel maximale Breiten von 15 bis 20 m gemessen. Bei breiteren Flächen werden die Messergebnisse mehrerer Befahrungen zu einem homogenen Ergebnisbild zusammengesetzt. Die visuelle Erfassung erfolgt mit Kameras variabler Ausrichtung (Multikamerasystem). Es kommen dabei infrarotempfindliche Grauwertkameras sowie Farbkameras zum Einsatz. Die unmittelbar auf die Oberfläche ausgerichteten Kameras dienen der visuellen Dokumentation des jeweiligen Befahrungskorridors. Sämtliche Kameras sind photogrammetrisch kalibriert und werden analog zu den gescannten Messdaten präzise örtlich referenziert. Mit Hilfe photogrammetrischer Messungen in den Aufnahmen können Objekte in dreidimensionalen Koordinaten inklusive einer Objekttypisierung erfasst werden. Auf diese Weise erhält man zusätzlich zu der allgemeinen Zustandserfassung infrastrukturelle Bestandsdaten, z. B. von der Beschilderung einer Flugbetriebsfläche, die in ein Verwaltungssystem integriert werden können. In der Regel sind Messgenauigkeiten von 1 bis 5 cm erreichbar. Analyse der Messwerte und Zustandserfassung Für die exakte Analyse der Laserscanner-Messdaten müssen die Messpunkte zunächst in ein Oberflächenmodell umgesetzt werden. Dieses Modell wird in Form von Querprofilen entlang einer Bestandsachse erzeugt (siehe Abbildung 5). Zur Gewährleistung der Genauigkeit und zum Anschluss an ein lokales Koordinatensystem werden Passpunkte verwendet, die bei der Aufnahme von Flugbetriebsflächen ca. 100 bis 250 m auseinanderliegen. Aus den Daten des digitalen Oberflächenmodells lassen sich Zustandsgrößen der Längs- und Querebenheit ableiten. Die Abweichungen gegenüber einem Regelquerschnitt bzw. einem „Idealprofil“ können dargestellt werden (Mulden, Senken usw.). Weiterhin ist die Erfassungstiefe so detailliert, dass Markierungen, Unterflurbefeuerungen u. Ä. ersichtlich werden. Zusammenfassend kann eine exakte allgemeine Zustandserfassung diskreter Bereiche von Flugbetriebsflächen bis hin zu einer einzelnen Betonplatte der Verkehrsflächenbefestigung durchgeführt werden. Ein direkter Vergleich verschiedener Verfahren zur Aufnahme von einzelnen Zustandskriterien (ICAO, FGSV usw.) ist nicht notwendig. TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 48 Abb. 6: Erfassung von Luftfahrthindernissen [1] International Civil Aviation Organization (ICAO): Aerodrome Design Manual - Part 3 - Pavements, 2 nd Edition, Montreal, 1983 [2] International Civil Aviation Organization (ICAO): Aerodromes - Annex 14, Volume I, Aerodrome Design and Operations, 5 th Edition, Montreal, 2009 [3] HORONJEFF, MCKELVEY, SPROULE, YOUNG: Planning & Design of Airports, 5 th Edition, McGraw-Hill, USA, 2010 [4] WALKER D.: PASER-Manual - Asphalt Airfield Pavements/ Concrete Airfield Pavements, University of Wisconsin-Madison, FAA, 2004 [5] Technische Prüfvorschriften für Gri gkeitsmessungen im Straßenbau; Teil: „Seitenkraftmessverfahren (SKM)“, TP Grif-StB 07 (SKM), FGSV, 2007 [6] Technische Prüfvorschriften für Gri gkeitsmessungen im Straßenbau; Teil: „Messverfahren Skid Resistance Tester (SRT)“, TP Grif-StB 04 (SRT), FGSV, 2004 [7] Technische Prüfvorschriften für Gri gkeitsmessungen im Straßenbau; Teil: „Messverfahren Skid Resistance Tester (SRT)“, TP Grif-StB 04 (SRT), FGSV, 2004 [8] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton, ZTV Beton-StB 07, FGSV, 2007 [9] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigung aus Asphalt, ZTV Asphalt-StB 07, FGSV, 2007 [10] www.3d-mapping.de: 3D Mapping Solutions GmbH, Oberhaching [11] www.schnierig.com: SCHNIERIG Ing.-GmbH, Essen [12] www.iwsmesstechnik.de: IWS Messtechnik GmbH, Celle QUELLEN Abb. 4: Laserscanner-Messdaten: Detailansicht Parallelrollweg Abb. 5: Oberflächenmodell der S/ L-Bahn (vgl. Abb. 3) Zusammenfassung Die Oberflächenvermessung mit einem kinematischen Vermessungssystem zur allgemeinen Zustandserfassung von Flugbetriebsflächen bietet umfassende Möglichkeiten für eine Detailauswertung. Parallel dazu kann die erforderliche ICAO-Konformität nachgewiesen werden, so dass die Ergebnisse als Grundlage für ein Erhaltungsmanagement von Flugbetriebsflächen geeignet sind. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Zustandserfassungsmethoden aus dem Bereich der Straßenverkehrsanlagen kann eine kinematische Vermessung kurzfristig, schnell, ganzheitlich und mit vergleichsweise geringem Aufwand erfolgen. Alles in allem stellt sie damit eine kostengünstige und gleichzeitig eiziente Methode dar. Der Kostenrahmen für eine kinematische Vermessung beläuft sich - je nach Größe des S/ L-Bahn-Systems und je nach gewünschter Erfassungstiefe - auf ca. 1 EUR pro lfd. Meter Messstrecke bei einer Messbreite von ca. 15 - 20 m. Die Ergebnisse sind präzise und können bei Bedarf durch Wiederholungsmessungen bestätigt werden. Nachträgliche Diskussionen werden somit minimiert. Als zusätzliches „add on“ können von den befahrenen Korridoren aus angrenzende Luftfahrthindernisse (Gebäude, Masten, Bewuchs usw.) mit aufgenommen und vermessen werden, so dass alle relevanten Abstände und Hindernisfreiflächen gleichermaßen ausgewertet und dokumentiert werden (siehe Abbildung 6). Unabhängig von dem Einsatzgebiet auf Flugbetriebsflächen wird die Oberflächenvermessung mit kinematischen Vermessungssystemen bereits erfolgreich im Bereich von Straßen- und Schienenverkehrsanlagen eingesetzt. Hier können als Beispiele die Vermessung des gesamten Straßenkorridors sowie die Bestimmung der Bestandsachsen und -daten in Teilbereichen der Autobahnen A3, A6, A9 genannt werden. Weiterhin wurden beispielsweise große Bereiche des U-Bahn-Systems der Millionenstadt Madrid in einem Winkel von 360° gescannt und vermessen [10]. Dass die Integration der Oberflächenvermessung mit einem kinematischen Vermessungssystem in die entsprechenden Vorschriften für die Zustandserfassung von Verkehrsflächen sollte deshalb angestrebt werden. ɷ Ulrich Häp, Dr.-Ing. ö.b.v. Sachverständiger für Flugplätze TÜV NORD Cert GmbH, Abt. Aviation, Berlin uhaep@tuev-nord.de VERANSTALTUNGEN Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 49 iaf Kongress BahnBau 17.-19. Mai 2011, Münster Mobilitätswandel und Energiee zienz im Fokus Fachmesse PARKEN 11.-12.05.2011 Wiesbaden neue Fahrzeug- und Geschäftsmodelle für die Branche haben, führt Prof. Dr.-Ing. Gernot Spiegelberg, Leiter Konzeptentwicklung Elektromobilität der Siemens AG sowie Rudolf-Diesel-Industry Senior Fellow der Technischen Universität München, aus. „Jugend und Mobilität“ heißt es im Beitrag von Prof. Dr. Claus Tully, Privatdozent an der Freien Universität Berlin, Prof. an der Freien Universität Bozen sowie Wissenschaftlicher Referent am Deutschen Jugendinstitut e.V., München. Tully analysiert Anzeichen für einen Wandel künftiger Mobilitätsmuster. Dipl.-Ing. Johannes Auge, Geschäftsführer der B.A.U.M. Consult GmbH, präsentiert das Thema „Energieeizienz in Betrieben als Beitrag zum Klimaschutz − Betriebliche Eizienzpotenziale in Dienstleitung und Mobilität“. PD Dr. Key Pousttchi, Leiter der Forschungsgruppe wimobile an der Universität Augsburg, referiert über „M-Parking im Kontext mobiler Zahlungssysteme“. www.parken-messe.de Bereits 70 Aussteller haben ihre Teilnahme zugesagt Foto: Mesago Veränderungen in der Mobilität und Energieeizienz zählen zu den Schwerpunkten der Fachtagung PARKEN 2011 in den Wiesbadener Rhein-Main-Hallen. Auf der parallelen Fachausstellung werden neue Produkte, Technologien sowie Beratungsangebote für die Praxis in der Parkraumbewirtschaftung vorgestellt. Die Fachtagung findet unter der Leitung des Bundesverbandes Parken e. V. am ersten Veranstaltungstag statt. Welche Konsequenzen Elektromobilität, Internationaler Mobilitätskongress Tra c Talks 13.-14.09.2011 World Conference Center Bonn Auf dem international besetzten Kongress sollen althergebrachte Sichtweisen aufgebrochen und neue Perspektiven entwickelt werden. Deshalb werden nicht nur bekannte Branchenvertreter wie CER-Präsident Mauro Moretti oder Lufthansa-Chef Dr. Christoph Franz in Bonn zu Wort kommen, sondern auch Referenten aus anderen Disziplinen, Querdenker aus der Kultur, von Umweltverbänden oder auch Bürgerinitiativen. Einer der renommiertesten Branchenfremden wird Peter Sloterdijk sein, der im Eröfnungsforum von Traic Talks die „Grenzen der Mobilität“ analysieren wird. Tickets für Frühbucher − bis zu 15 % ermäßigt! Frühbucherkonditionen* bis 31. Mai 2011: Ticketpreise* ab 1. Juni 2011: Kongressticket (2 Tage): 250 EUR 290 EUR Kongressticket (1 Tag): 165 EUR 190 EUR Festabendticket: 84 EUR 100 EUR Kombiticket (beinhaltet Kongress und Festabend): 310 EUR 360 EUR Anmeldung unter www.traictalks.de * Alle Preise verstehen sich zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Der europäische Branchentref Traic Talks findet in Bonn statt Foto: WCC Bonn VERANSTALTUNGEN Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 50 F ür das Zukunftsthema Öfentlicher Personenverkehr gibt es künftig einen neuen Termin im Messekalender: Mit einem speziellen Fokus auf die Innovationen der Branche geht die Public Transport/ Interiors, Internationale Fachmesse für den Öffentlichen Personennah- und -regionalverkehr sowie Innenausstattung, an den Start. Sie findet vom 22. bis 24. Juni in Berlin statt, geplant ist ein Zweijahresrhythmus. An allen Messetagen sind geführte Fachbesucherrundgänge geplant, mit einem Neuheitenreport erhalten die Produktpremieren der Veranstaltung eine weitere öfentlichkeitswirksame Bühne. Internationales Designforum Dem Design kommt in der Mobilität eine zentrale Bedeutung zu - als Vermittler zwischen Unternehmen, Produkt und Konsument. Ökonomie, Ökologie und soziale Aspekte spielen dabei eine wichtige Rolle. Materialien sind gefragt, die energieeizient, leicht wieder- und weiterverwertbar und dabei sinnlich ansprechend sind. Mit der sich daraus ergebenden spannenden Wechselbeziehung zwischen „Material &Creativity“ befasst sich im Rahmen der PTI am 22. Juni das eintägige Internationale Designforum. Die Federführung für diese fachliche Rahmenveranstaltung der PTI hat das Internationale Design Zentrum Berlin e.V. (IDZ) übernommen. Hochkarätig besetztes ÖPNV-Forum Namhafte Wissenschaftler, Verkehrsexperten, Zukunftsforscher, Wirtschaftsberater und Verkehrspolitiker aus dem In- und Ausland werden sich beim ÖPNV-Forum im Rahmen der Public Transport/ Interiors 2011 mit der „Zukunftsfrage Verkehr“ befassen. Die ersten Referenten stehen bereits fest: So berichtet Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer von der Universität Kassel über die technologischen Herausforderungen für den Öfentlichen Verkehr der Zukunft. Dávid Vitézy, Generaldirektor des Budapest Transport Centre (Ungarn), wird auf die speziellen Probleme eines kommunalen Aufgabenträgers in einer Metropole eingehen. Regula Herrmann-Kummer vom Berner Bundesamt für Verkehr (Schweiz) erläutert dies aus Sicht eines landesweiten Aufgabenträgers. Die PTI im Überblick Dauer: 22. - 24. Juni 2011 Öfnungszeiten: 10: 00 - 18: 00 Uhr Veranstalter und Veranstaltungsort: Messe Berlin GmbH, Messedamm 22, 14055 Berlin Eingang Süd (Jaféstraße) www.publictransport-interiors.de Save the Date! Öfentliche Personenbeförderung im Wandel D e r Fa c h k o n g r e s s z u r P B e f G - N o v e l l i e r u n g Lernen Sie die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen und Spielregeln für Unternehmen, Verbünde, Auftraggeber und Genehmigungsbehörden kennen. Diskutieren Sie mit anerkannten Experten und dem Chefredakteur von ÖPNV aktuell, Markus Schmidt-Auerbach, über Auswirkungen, Problemfelder und Chancen. 19. - 20. Mai 2011 Maritim proArte, Berlin Partner: Veranstalter: Das vollständige Programm nden Sie ab 25. März 2011 unter: www.oepnvaktuell.de Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 51 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. Jahrestagung 2011 in Dresden Iris Götsch Hauptgeschäftsstelle DVWG »Ein wissenschaftlich anspruchsvolles und interessantes Programm erwartet Sie.« 2. Heft März 2011 Ihre L iebe Mitglieder und Freunde der DVWG, in diesen Tagen erhalten Sie wichtige Post aus der Hauptgeschäftsstelle. Ihre persönliche Einladung zur diesjährigen Jahrestagung - von vielen Mitgliedern schon mit großer Spannung erwartet - wird Ihnen druckfrisch zugestellt. Vom 4. bis 6. Mai trefen wir uns in Dresden. Die Jahrestagung hat sich als besonderer Höhepunkt im Vereinsleben der DVWG etabliert; die Bezirksvereinigung Sachsen übernimmt diesmal die Rolle der „Gastgeberin“. Ich habe in alten Aufzeichnungen gestöbert und so zurückverfolgen können, dass dies die 62. Jahrestagung sein wird. Wir waren schon in 30 verschiedenen Städten zu Gast, darunter u. a. in Konstanz, Lübeck, Bremen, Braunschweig, Essen, Nürnberg, Halle, Karlsruhe, Münster, Würzburg, Schwerin und Bielefeld. Einige Bezirksvereinigungen haben sogar schon mehrmals eine Jahrestagung erfolgreich ausgerichtet. Klare Spitzenreiter sind hier Berlin und München mit jeweils vier Tagungen. Was können Sie in diesem Jahr erwarten? Die Mitarbeiter der Hauptgeschäftsstelle arbeiten gemeinsam mit den Vertretern der Bezirksvereinigung Sachsen bereits seit Monaten mit viel Engagement daran, damit Sie ein wissenschaftlich anspruchsvolles und interessantes Programm erwartet. Dabei war es uns wichtig, diese drei Tage in der bewährten Mischung von Tradition und Innovation für Sie zu gestalten. Tagungsort wird das Kulturrathaus in der Königstraße sein, es ist der Sitz des Kulturbürgermeisters und des Amtes für Kultur und Denkmalschutz sowie gleichzeitig eine gute Dresdner Adresse für vielfältige Veranstaltungen. Den Auftakt bildet die Bundesdelegiertenversammlung am Mittwochnachmittag. Danach lädt die gastgebende Bezirksvereinigung zu ihrem Begrüßungsabend ein. Der Jahresverkehrskongress, das wissenschaftliche Kernstück unserer Jahrestagung, findet am Donnerstag und Freitag statt und steht unter dem Thema: „Verkehrsinfrastrukturen im Spannungsfeld zwischen ö entlicher Akzeptanz und Finanzierungsbedarf“. Er setzt in spannender Form das wissenschaftliche Jahresthema der DVWG um und wird geleitet von Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan. An beiden Kongresstagen stehen interessante und hochaktuelle Themenblöcke auf der Tagesordnung; u. a. ist es Ziel des Kongresses, ausgehend vom Widerspruch zwischen dem notwendigen Infrastrukturbedarf sowie den erforderlichen Investitionen in Erhalt, Aus- und Neubau von Verkehrsanlagen einerseits und den zunehmenden Finanzierungsschwierigkeiten anderseits die Veränderungen der Verhaltensmuster in der Mobilität zu analysieren und auf das sich verändernde öfentliche Bewusstsein bezüglich infrastruktureller Großprojekte einzugehen. Bestandteil des im Rahmen eines Projekts durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geförderten Kongresses sind mehrere Fachexkursionen zu verkehrlichen Schwerpunkten der Region Dresden. Auch das angebotene touristische Begleitprogramm wird zu einem gelungenen Aufenthalt in der sächsischen Metropole beitragen. Die Abendveranstaltung im liebevoll restaurierten Barocksaal des Four Points by Sheraton Königshof wird mit der Verleihung der DVWG-Nachwuchspreise einen ansprechenden Rahmen für persönliche Gespräche und fachlichen Austausch bieten. Wir hofen, dass diese Jahrestagung mit ihrem abwechslungsreichen Programm viele von Ihnen nach Dresden lockt und die umfangreichen Vorbereitungs- und Organisationsarbeiten, die wir HGS-Mitarbeiter „hinter den Kulissen“ ausgeführt haben, zu einer erfolgreichen Veranstaltung beitragen werden. So waren nicht nur die Suche nach geeigneten Veranstaltungsorten, die Organisation von Hotelkontingenten, Catering und Kongressprogramm, die Ausschreibung des „Henry-Lampke-Preises“ und des „Carl-Pirath-Preises“ und nicht zuletzt die Gestaltung des Programmheftes, das Ihnen nun vorliegt, Herausforderungen, denen wir uns mit viel Spaß und Engagement gestellt haben. Seien Sie also gespannt. Ich freue mich auf Ihre zahlreichen Anmeldungen und verbleibe mit herzlichen Grüßen bis zum Wiedersehen in Dresden ɷ DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 52 DVWG-Jahresband 2009/ 2010 erschienen D ie Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. steht seit vielen Jahren mit ihrem Engagement und den verkehrswissenschaftlichen Aktivitäten im Fokus des fachlichen Dialogs zu aktuellen und Grundlagenthemen des Verkehrs. Neben den Fachtagungen, Kongressen, Foren und Workshops stoßen in der Fachwelt vor B 336 8. Europäischer Verkehrskongress „Mobile Gesellschaft - Sicher im Verkehr“ Der Trend stetig wachsender Mobilitätsansprüche ist sowohl im Personenals auch im Güterverkehr ungebrochen und gesellschaftlich notwendig. Den daraus erwachsenden Anforderungen müssen sich alle Bereiche, die an der Verkehrssystementwicklung beteiligt sind, stellen. Friedrich List erkannte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass ein modernes leistungsfähiges und eizientes Verkehrssystem eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein nationalstaatlich vereinigtes Deutschland bildet. Diese Erkenntnis ist heute aktueller denn je, wenngleich sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert haben. Der Erfolg eines vereinten Europas hängt in ganz entscheidendem Maße von der Etablierung adäquater, aufeinander abgestimmter Verkehrssysteme ab. Die praktische Nutzbarkeit dieser Verkehrssysteme und damit die Erfüllung der wachsenden Mobilitätsansprüche sind jedoch unmittelbar an die Garantie entsprechender Standards der Verkehrssicherheit gebunden. Die Forderung nach einer hinreichend sicheren Gestaltung der Verkehre als Grundlage einer mobilen Gesellschaft ist allgemein akzeptiert. Die praktische Umsetzung dieser berechtigten Forderung zeigt jedoch eine Vielschichtigkeit der damit verbundenen Aufgabenstellungen, die triviale Lösungsansätze schnell an unüberwindbare Grenzen stoßen lassen. Beispielhaft seien die Zumutbarkeit und Akzeptanz aus wirtschaftlicher Sicht, die nach wie vor deutlichen Unterschiede der Sicherheitsstandards und historisch gewachsenen Rechtssysteme mit den darauf aufbauenden Sicherheitskulturen in den einzelnen Ländern Europas, die Grenzen, welche durch die öfentliche Infrastrukturfinanzierung gesetzt werden, die kontinuierliche dynamische Weiterentwicklung der Sicherheitsanforderungen sowie der objektive Wirksamkeitsnachweis einzelner Maßnahmen genannt. DVWG-NEUERSCHEINUNG 2010 (B-REIHE) allem die Veröfentlichungen der B-Reihe der DVWG auf großes Interesse. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat die DVWG in ihrem Jahresband 2009/ 10 „Ansprüche einer mobilen Gesellschaften an ein verlässliches Verkehrssystem“ ausgewählte verkehrswissenschaftliche Beiträge veröfentlicht. In übersichtlicher Form werden herausragende Ergebnisse wissenschaftlicher Veranstaltungen der letzten beiden Jahre zu aktuellen Themen auf insgesamt 250 Seiten präsentiert. Die publizierten Beiträge zeichnen sich durch hohe verkehrs- und gesellschaftspolitische Aktualität aus. Die Verkehrsleistungen pro Kopf steigen weiter kontinuierlich an, gleichzeitig aber erhöhen sich die gesellschaftlichen Ansprüche gegenüber den Verkehrsangeboten, denn diese sollen zuverlässig, ökologisch verträglich, leise, komfortabel, finanzierbar und sicher sein. Verkehr soll Lebensqualität nicht einschränken. Gleichzeitig jedoch sind Mobilität, Verkehr und Logistik für das Wachstum und den Wohlstand in Deutschland unverzichtbar. Die Sensibilisierung der Bürger für mehr Akzeptanz von Transport, Mobilität und Verkehrsinfrastruktur stellt deshalb zweifelsohne eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe dar. Mit einer erhöhten Akzeptanz könnten die finanziellen Grundlagen für die erforderlichen Investitionen in Verkehr und seine Infrastrukturen erheblich verbessert werden. Insgesamt 40 Autoren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehrsunternehmen stellen ihre Sicht auf Ansprüche an ein verlässliches Verkehrssystem dar. Die Beiträge sind in sechs Kapiteln zusammengefasst, die sich mit dem Thema aus dem Blickwinkel von Sicherheitsaspekten, europäischem Kontext, Ökologie, Verkehrsmodellierung sowie Schienen- und Stadtverkehr auseinandersetzen. Mit dieser Publikation dokumentiert die DVWG erneut ihre hohe verkehrswissenschaftliche Kompetenz, die auf interdisziplinären und verkehrsträgerübergreifenden Denkansätzen beruht. ɷ Nachruf Dr. Hans Böhme A m 16. November 2010 verstarb unser aktives Mitglied, Dr. Hans Böhme, im 79. Lebensjahr. Hans Böhme leitete von 1970 bis zu seiner Pensionierung 1997 die Forschungsgruppe „Verkehrswirtschaft“ im Institut für Weltwirtschaft. Mit Begeisterung, hoher Professionalität und Hingabe widmete er sich vor allem der Entwicklung des Weltseeverkehrs. Seine umfassende Expertise und die profunden Analysen des Zusammenspiels von Weltwirtschaft, Welthandel, Seeverkehr und Wirtschaftspolitik erwarben ihm hohen Respekt und große Anerkennung in der internationalen Fachwelt, der Politik wie auch in der maritimen Wirtschaft. Seine guten Kontakte zu Reedereien ermöglichten es ihm, viele Reisen auf Frachtschifen zu unternehmen und so die Seefahrt hautnah mitzuerleben. Die BV Schleswig-Holstein, für die er lange Jahre im Vorstand tätig war, wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Für die DVWG Schleswig-Holstein veranstaltete er in regelmäßigen Abständen das „Kieler Seminar zu aktuellen Fragen der See- und Küstenschiffahrt“, welches in diesem Jahr am 1. und 2. Dezember in Kiel von Prof. Dr. Thomas Pawlik durchgeführt wird. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 53 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Der SPNV in Nordrhein-Westfalen zwischen Bonus und Malus A m 30.11.2010 referierte Holger Plötz, Leiter der Unternehmensentwicklung der DB Regio NRW GmbH, Düsseldorf zum o.g. Thema. Plötz stellte zunächst das Unternehmen vor: Die DB Regio NRW GmbH ist auch nach Durchführung von insgesamt 33 Wettbewerbsverfahren im Land der deutlich größte Anbieter von SPNV-Dienstleistungen. Sie hat 15 Verkehrsverträge auch in Ausschreibungen gewonnen und fährt weiterhin die bislang noch nicht im Wettbewerb vergebenen Leistungen. Mit 3 700 Mitarbeitern werden täglich 3 400 Zugfahrten durchgeführt und 1 Mio. Fahrgäste befördert. Der Jahresumsatz liegt bei rd. 1 Mrd. EUR. Das Unternehmen ist aufgeteilt in vier Verkehrsbetriebe: S-Bahn Rhein-Ruhr Essen, Verkehrsbetrieb Rheinland Köln, Westfälische Regionallinien Dortmund und Express-Netz NRW Düsseldorf. Die Bestellung von SPNV-Leistungen obliegt in NRW nunmehr nur noch drei Aufgabenträgern statt bisher neun Zweckverbänden, welche die Vertragsgestaltung unterschiedlich handhaben. Ein Anreizsystem ist jedoch in vielen Verträgen enthalten: Bei den Bruttoverträgen (z. B. im VRR üblich) verbleiben zwar zunächst alle Einnahmen bei den Bestellern, es wird jedoch für jede einzelne Linie die Reisendenentwicklung beobachtet. Liegen diese mehr als 1 % über dem Durchschnitt aller Linien im Verbund, erhält das Unternehmen einen Bonus von 0,5 % auf den Grundanspruch Fahrbetriebskosten. Für den Fall von rückläufigen Reisendenzahlen besteht eine spiegelbildliche Malus- Regelung. Die Netto-Verträge werden nach einem „Kick-back-Modell“ gestaltet. Ausgehend von dem Jahr 2007 wird ein jährliches Einnahmeplus von 2,75 % gegenüber dem Vorjahr unterstellt. Darüber hinausgehende Mehreinnahmen teilen sich Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen zur Hälfte. Für die Qualität des Angebots existieren ebenfalls Bonus-Malus-Regelungen. Die Aufgabenträger überwachen die Qualität mit Hilfe eines EDV-gestützten Controllingsystems (QuMa), wobei 13 Kriterien (z. B. Pünktlichkeit, Fahrzeuge, Stationen) insgesamt und linienbezogen ermittelt werden. Das System ist internetbasiert, die Aufgabenträger in NRW, aber auch in Rheinland-Pfalz können über einen passwortgeschützten Zugang jederzeit auf den Datenbestand zugreifen. Axel Sindram, Bezirksvereinigung Rhein-Ruhr Doppelstock-Steuerwagen Foto: DB AG Insgesamt hält Plötz die Einhaltung des Qualitätskriteriums Pünktlichkeit gerade in NRW für besonders anspruchsvoll, da das Netz dort mit 1,80 Zügen pro Streckenkilometer die mit Abstand dichteste Belegung aufweist. Der bundesweite Vergleichswert liegt nur bei 1,15 Zügen. Das NRW-Netz stellt sich bereits heute als wesentlicher Engpass im Gesamtnetz dar, insbesondere vor dem Hintergrund einer zu erwartenden Zunahme des SGV um 65 % bis zum Jahr 2025. Besonders dringlich erscheint der vollständige dreigleisige Ausbau der Strecke Emmerich-Oberhausen als Fortsetzung der „Betuwe-Linie“, die bereits heute mit 215 täglichen Zugfahrten belegt ist, und für welche in 2015 293 und im Endausbauzustand 388 Züge täglich erwartet werden. Von Seiten der Zuhörer wurde - wie bereits mehrfach auf vorangegangenen Veranstaltungen geschehen - eine deutliche Benachteiligung des größten Ballungsraumes bei Infrastrukturmaßnahmen des Bundes beklagt, die aktuell z. B. in der Sperrung der Müngstener Brücke einen traurigen Höhepunkt findet. Abschließend erläuterte er die Unternehmensphilosophie und künftigen Ziele. Hauptwettbewerber des SPNV sei weiterhin der IV, so dass alle Schienenverkehrsunternehmen eine besondere Verantwortung für das Funktionieren des Gesamtsystems hätten. DB Regio NRW versteht sich hier als Dienstleister mit umfassender Angebotspalette, die von der Beratung der Aufgabenträger bis zur Stellung von Ersatzfahrzeugen für Wettbewerber reicht. Der Wettbewerb im SPNV werde künftig ausschließlich von solchen Gesellschaften weiter betrieben werden, welche eine Staatsbahn als Partner/ Miteigentümer „im Rücken“ hätten. Die Anbieterlandschaft in NRW sei bereits entsprechend ausgestaltet. Nicht tarifgebundene Tochtergesellschaften von DB Regio lägen in der Entgelthöhe immer noch über dem Niveau der Wettbewerber, gleichwohl bleibt auch für DB Regio der Abschluss eines Branchen-Tarifvertrages die gerechteste Lösung. ɷ rhein-ruhr@dvwg.de DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 54 Problemfall Güterkraftverkehr über die Alpen Bringt eine Alpentransportbörse die Lösung? D r. Adolf Zobel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BGL, referierte dieses spannende Thema auf einer Veranstaltung der BV Freiburg am 30.11.2010. Das Schweizer Verkehrsverlagerungsgesetz von 1999 schreibt vor, die Zahl der alpenquerenden Transitfahrten durch die Schweiz auf 650 000 Lkw pro Jahr zu begrenzen. Diese Zahl entspricht einer Halbierung der 1,3 Mio. Lkw, die im Jahr 1999 die Alpen via Schweiz querten, ist also eine rein willkürliche Größe. Diese Halbierung sollte ursprünglich bis spätestens 2009, also zwei Jahre nach Eröfnung des Lötschberg-Tunnels, realisiert werden. Allerdings haben, so der Referent, die von der Schweiz ergrifenen Verlagerungsinstrumente, insbesondere die Einführung und Erhöhung der LSVA, das Ziel der Verlagerung von Straßengüterverkehren auf die Schiene deutlich verfehlt. Eine Verlagerung habe lediglich im Sinne der Verlagerung von Verkehrsströmen auf andere Länder (vor allem Österreich) stattgefunden. Vor diesem Hintergrund wurde in der Schweiz das Ziel von 650 000 Lkw- Fahrten auf das Jahr 2019, zwei Jahre nach der geplanten Eröfnung des neuen Gotthard-Tunnels, verschoben. Dipl.-Ing. Klaus Füsslin/ Prof. Dr. Michael Drude, BV Freiburg Transitverkehr in den Alpen Foto: Asfinag Rund 3 200 Lkw-Fahrten pro Tag werden am Gotthard derzeit gezählt. Das ist deutlich weniger als im Durchschnitt auf dem deutschen Autobahnnetz (6 900 Lkw-Fahrten). Zudem hat sich der Schadstofausstoß pro Lkw-Fahrt stark verringert dank der verschärften EU-weiten Emissionsgrenzwerte. Gemessen in Tonnen nimmt der alpenquerende Güterkraftverkehr seit Jahren zu, während die Güterverkehrsanteile der Bahn prozentual zurückgehen. Angesichts der Qualitätsstandards sind die von der Bahn angebotenen Kombinierten Verkehre für Spediteure/ Transporteure vielfach keine Alternative. So werden auch nach Eröfnung des Gotthard-Tunnels dessen Zulaufstrecken im Süden und Norden noch keineswegs ertüchtigt sein (z. B.: Eckhöhenproblematik in Tunnels, Rangierbahnhöfe usw.). Angesichts dieses Dilemmas wird insbesondere in der Schweiz darüber nachgedacht, die Fahrtenanzahl auf der Straße über eine spezielle Börse (die Alpentransitbörse) zu regeln. Der BGL sieht in einer solchen Börse allerdings alles andere als ein „marktwirtschaftliches System“. So müsste sichergestellt werden, dass der allgemeine Handel sogenannter „Alpentransiteinheiten“ nicht durch Aukäufe monopolorientierter Nutzer beeinträchtigt wird. Der Preis würde sich über Angebot und Nachfrage gestalten lassen, wobei in Verbindung mit der Anerkennung von Emissionsqualitäten der Fahrzeuge noch gewisse Unterschiede gemacht werden könnten, bis hin zu moderaten Steigerungen der Fahrtenzahl emissionsarmer Lkw. Nachteilig für die betrofene Wirtschaft wird sich auswirken, dass sich über das Instrument Börse mit Sicherheit der Preis für den Transit gegenüber heute verteuern wird (Bürokratie). Der BGL sieht darüber hinaus große Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Transporteure. Noch ist diese, von der Schweiz in die Diskussion gebrachte Idee „Zukunftsmusik“, aber der „Zürich-Prozess“ (Trefen der Verkehrsminister der durch den Alpenquerverkehr betrofenen Länder A, CH, D, F, I, Slo im Beisein der EU-Kommission) sucht intensiv nach einer geeigneten „Lösung“, die es den betrofenen Staaten erlaubt, ihr Gesicht zu wahren und gleichzeitig den Ansprüchen an Flexibilität im alpenquerenden Transportwesen auf der Straße gerecht zu werden. freiburg@dvwg.de ɷ B 337 „Klimaneutraler Luftverkehr in 2030 - Illusion oder realistisches Ziel? “ 17. DVWG-Luftverkehrsforum Gemessen am gesamten Schadstofeintrag in die Atmosphäre ist der Beitrag des Luftverkehrs gering. So beträgt der Anteil an der globalen anthropogenen CO2-Emission etwa 2 %, weitere Klimawirkungen entstehen z. B. durch Kondensstreifen. Aufgrund der stetig wachsenden Transportleistung nimmt der Einfluss des Luftverkehrs jedoch zu. In der letzten Dekade betrug das jährliche Wachstum etwa 5 %, so dass bis 2030 mit einer Verdreifachung der Transportleistung zu rechnen ist. Alle Beteiligten sind sich deshalb einig, dass das Wachstum von den Emissionen entkoppelt werden muss. Nur so kann dauerhaft eine nachhaltige Entwicklung des Luftverkehrs sichergestellt werden, die sowohl ökonomischen als auch ökologischen Zielen gerecht wird. Die Selbstverpflichtung der Branche sieht vor, die CO2-Emissionen ab 2020 einzufrieren und bis 2050 auf den Wert von 2005 zurückzuführen. Dieses Ziel wird unterstützt durch die Preisentwicklung am Ölmarkt und die endliche Verfügbarkeit von fossilen Brennstofen. Welches Entwicklungsszenario für den Luftverkehr 2030 ist wahrscheinlich? Welche Klimawirkungen sind zu erwarten? Wie entwickeln sich der Ölmarkt, das Angebot von Ersatztreibstofen und die Flugzeugtechnologien? Welche Strategien verfolgen die Operateure des Luftverkehrs, insbesondere die Airlines? Die CD gibt Antworten auf diese und weitere Fragen, die namhafte Experten aus den Fachrichtungen Verkehr, Wirtschaft und Technik diskutierten. DVWG-NEUERSCHEINUNG 2010 (B-REIHE) Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 55 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Südbayern suedbayern@dvwg.de 08.04.2011, 14.00 Uhr Exkursion des Jungen Forums: Die neue Tram nach St. Emmeram Referent: Gunnar Heipp, Leiter Bereich Strategische Planungsprojekte der Münchner Verkehrsgesellschaft (SWM/ MVG), München Ort: München vor Ort 17.05.2011, 17.30 Uhr Buslinien-Fernverkehr - Konkurrenz für die DB AG? Referenten: Martin Friewald, Leiter der Unterabteilung Straßenverkehr im BMVBS, Berlin Heinrich E. Gilmer, Leiter Fernbus Veolia Verkehr GmbH, Berlin Peter Heider, Leiter der Regionen Bayern und Sachsen der DB Stadtverkehr GmbH, Geschäftsführer der Omnibusverkehr Franken GmbH (OVF), der Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO) und Regionalbus Ostbayern GmbH (ROB), Nürnberg Ort: StMWIVT, Prinzregentenstraße 28, 80538 München 26.05.2011, 17.00 Uhr Exkursion: Verkehrskonzept Pasing Zentrum Referenten: Stadtbaurätin Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk, Leiterin des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München, München Günther Pichler, Leiter Regionalbereich Bayern, DB Station & Service AG, München Ort: München Pasing vor Ort Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen 21.05.2011, 10.00 Uhr Exkursion in die Fränkische Schweiz Schmetterling Reisen Geschwand − Präsentation und Besichtigung Referent: Elmar Singer Nordbayern nordbayern@dvwg.de Württemberg wuerttemberg@dvwg.de 04.04.2011, 17.30 Uhr Erfolgsmodell Schweizer Bahn: Managementsysteme am Beispiel der SBB GmbH Referent: Dipl.-Kfm. Frank von Meißner, Leiter Betrieb und Personal, Eisenbahnbetriebsleiter, SBB GmbH, Konstanz Ort: IHK Stuttgart, Jägerstraße 30 02.05.2011, 17.30 Uhr Mobilitäts-Modell „Better Place“: Idee, Technik, aktuelle Entwicklung Referent: MSc. Rolf Schumann, Projektleiter Deutschland und Europa, Beter Place, Berlin 23.05.2011, 17.30 Uhr Die Liberalisierung des nationalen Buslinien-Fernverkehrs Referent: Prof. Dr. Alexander Eisenkopf, Zeppelin University, Friedrichshafen Hamburg hamburg@dvwg.de 05.04.2011 18.00 Uhr car2go − ein revolutionäres Mobilitätskonzept für Hamburg Referent: Andreas Leo, Corporate Communications Manager car2go GmbH Ort: HVV, Steindamm 94; 19.30 Uhr Mitgliederversammlung 9.05.2011, 18: 00 Uhr Hafenentwicklung auf Helgoland im Kontext der Ofshore-Aktivitäten Referenten: Hans-Jürgen Lamla, Geschäftsführer der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg Jörg Singer, Bürgermeister Helgoland Ort: wird noch bekannt gegeben 07./ 08.07.2011 Forum Notfallmanagement in Frankfurt/ Main WORST CASES IN LOGISTICS & MOBILITY − Herausforderungen an das Notfallmanagement Frankfurt/ Main ➼ DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Fulda 2.04.2011 5. Verkehrswissenschaftliches Zukunftsforum des Jungen Forums Karlsruhe 14./ 15.04.2011 Fachforum auf der Nutzfahrzeugmesse NUFAM in Karlsruhe Berlin 23.06.2011 ÖPNV-Forum Zukunftsfrage Verkehr public transport/ interiors Berlin München 10.05.2011 4. Europaforum auf der transport logistic in München Ost-Kanada 30.06.-9.07.2011 Fachexkursion nach Ost-Kanada (Toronto, Quebec, Montreal) Zentrale Veranstaltungen 4.-6.05.2011 Jahrestagung 2011 in Dresden mit Jahresverkehrskongress „Verkehrsinfrastrukturen im Spannungsfeld zwischen öfentlicher Akzeptanz und Finanzierbarkeit“ Dresden Berg & Mark berg-mark@dvwg.de 14.04.2011, 16.00 Uhr Die neuen Richtlinien für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an Straßen Referent: Michael M. Baier, BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH, Aachen 12.05.2011 16.00 Uhr Trefsicherheit von Verkehrsprognosen Referent: Prof. Michael Schreckenberg, Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Physik, Physik von Transport und Verkehr Ort: Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich D, Abt. Bauingenieurwesen, Eugen-Langen-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7, Wuppertal mwulf@Uni-wuppertal.de SERVICE Entdeckungen Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 56 BVL-Studie zu Bescha ungsstrategien Challenges and Opportunities in Emerging Markets DVV Media Group | Deutscher Verkehrs-Verlag Frank Straube Arzum Özgen Ouelid Ouyeder Ihnen und dem Team herzlichen Glückwunsch zum neuen Layout des Internationalen Verkehrswesens. Ich denke, es ist hervorragend gelungen und stellt in seiner Klarheit und Übersichtlichkeit einen „neuen Wind“ dar. Weiter so! Annegret Reinhardt-Lehmann, Fraport AG Als ich das Kouvert mit dem gewohnten Absender öfnete, wollte ich es gar nicht glauben. Das neue Layout für das Internationale Verkehrswesen ist rundherum ein gelungener Wurf. Herzlichen Glückwunsch! In so einer Umgebung fühlt man sich wohl, wenn man einen Fachaufsatz veröfentlichen will. Univ.-Prof.-Dr.-Ing. Wolfgang Wirth, Neubiberg Ich gratuliere zum neuen Erscheinungsbild von Internationales Verkehrswesen. Das alte war nicht schlecht, aber das frische Aussehen und die bessere Übersicht sind angenehm. Der Kurzkommentar von Prof. Aberle zu Stuttgart 21: „[…] alte Menschen wollen möglichst nichts ändern.“ Ja, Prof. Aberle hat recht, das gibt es; nein, es gibt aber gerade bei den Erfahrenen der DVWG genügend „Alte“, die Veränderungen, wenn sie denn auch Verbesserungen bedeuten, gutheißen. Andreas Demmig, Emskirchen Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Relaunch. Das Heft erscheint in einer zeitgemäßen Aufmachung, ist inhaltlich strukturierter und lädt zum Lesen ein! RA Jens Schwanen, BDB, Duisburg Ein großes Kompliment für die erste Ausgabe des Internationalen Verkehrswesens mit neuem Layout! Sieht sehr gut aus und ist leserfreundlich. Barbara Tresch, Basel Zunächst herzlichen Glückwunsch zum neuen Layout von IV, wirklich gut gelungen! Jetzt, wo ich die erste „neue Ausgabe" in die Hände bekommen habe, ist mein Eindruck weitaus besser als bei unserer Beiratssitzung − noch einmal: Gratulation (natürlich allen Beteiligten). Ing. Rainer Wenty, Plasser & Theurer, Wien Die Umstellung von Internationales Verkehrswesen auf sechs Ausgaben pro Jahr kommt für mich überraschend. Diese Angebotsreduktion wird jedoch mit einem Internetauftritt, E-Mail-Newsletter und Archiv mehr als kompensiert. Die optischen Änderungen finde ich weniger gelungen. Sieht eher aus wie ein Wirtschafts- oder Finanzjournal. Das alte Design hatte einen höheren Wiedererkennungswert. Da konnte man eine Ausgabe auch auf 50 m im Altpapiercontainer erkennen. Alles in allem eine gelungene Aufrischung. Daniel Friedrich, Seeheim-Jugenheim LESERSTIMMEN zu Heft 1/ 2011 Strategies International Procurement Challenges and Opportunities in Emerging Markets Straube, F. / Özgen, A. / Ouyeder, O. 2011, 84 Seiten, kt. DIN A 4, EUR 36,für BVL-Mitglieder EUR 28,80: www.dvz.de/ shop/ bvl.html A siatische Regionen, Osteuropa und die Türkei spielen bei Beschafungsstrategien eine zunehmende Rolle. Das rasante Wachstum der Wirtschaft innerhalb dieser Wachstumsmärkte hat ihren Wert, sowohl als Beschafungsals auch Absatzmarkt, im Welthandel gesteigert. Beschafungsgesellschaften, die in den erwähnten Regionen tätig sind, erkennen die großen Möglichkeiten und den sich bietenden Wettbewerbsvorteil. Allerdings sehen sie sich auch Herausforderungen und Risiken der Wachstumsmärkte gegenüber. Um erfolgreich zu sein, ist Grundlagenwerk zur Fahrzeugkostenrechnung Transportkostenmanagement im Straßengüterverkehr Grundlagen − Optimierungspotenziale − Green Logistics Wittenbrink, P. 2011, XVII, 198 Seiten, 17,2 x 24,2 cm, kartoniert, Gabler, ISBN: 9783834923943, EUR 37,95 D ieses Buch bietet eine umfassende und anwendungsorientierte Darstellung des Straßengüterverkehrsmarktes. Im Vordergrund steht die Analyse der Akteure, Produkte und Kostenstrukturen, ergänzt um zahlreiche aktuelle Best-Practice-Fallstudien. Beispielsweise werden beim Thema Green Logistics die Möglichkeiten und Grenzen einer Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene anschaulich aufgezeigt. Ein ideales Nachschlagewerk sowohl es für die Unternehmen wichtig, adäquate Beschafungs- und Logistikstrategien zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu entwickeln. Erfahren Sie mehr über die Chancen und Risiken der Wachstumsmärkte als Beschafungs- und Absatzmarkt. Diese Studie bietet Einblicke in die logistischen und strategischen Ansätze herausragender Unternehmen und analysiert, was diese Unternehmen in Bezug auf ihre Aktivitäten von den Mitbewerbern abhebt. für Transport- und Logistikunternehmen und Logistikeinkäufer als auch für Logistik-Studenten an Hochschulen. Prof. Dr. Paul Wittenbrink lehrt Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, führt wissenschaftliche Untersuchungen durch und berät Transport-/ Logistikunternehmen in der Strategieentwicklung. Zuvor war er Mitglied der Geschäftsleitung bei SBB Cargo AG, Basel. SERVICE Leserbriefe Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 57 Umdenken erforderlich Heft 1/ 2011, S. 11: G. Aberle: „Stuttgart 21: Welche Folgen? Kundensicht fraglich Heft 12/ 2010, S. 11-16: Friedrich/ Schlaich/ Schleupen „Bewertung des ÖPNV aus Kundensicht“ B ahnanlagen werden erweitert, um mehr Kunden zu gewinnen. Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre erfordern ein Umdenken. Trotz der neuen teuren Hochgeschwindigkeitsstrecken Nürnberg - München und Frankfurt/ M. - Köln fuhren von 1995 bis 2010 in Deutschland im Fernverkehr ca. 20 % weniger Fahrgäste und im Nah- und Regionalverkehr etwa 33 % mehr Fahrgäste. Rund 90 % aller Reisenden fahren im Nah- und Regionalverkehr. Der DB-Nahverkehr erwirtschaftete 2009 einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 558 Mio. EUR, DB Regio sogar 870 Mio. EUR. Das sind 85 % des Konzerngewinns. [1, 2] Die Schweiz geht einen anderen Weg. Zuverlässig eingehaltene Reisezeit und Reisegüte sowie gute Anschlüsse zwischen allen vorhandenen Verkehrsmitteln im Land gewinnen über verkürzte Reisezeiten viele neue Fahrgäste und Frachten. Das führt über sinkende Gesamtkosten zu wirtschaftlicherem Betrieb. Diese Zunahme der öfentlichen Verkehre spart Energie, vermeidet Unfälle, schont das Klima und entlastet den Straßenverkehr. Die dafür erforderlichen I n Heft 12/ 2010 wurde der vom ADAC in Auftrag gegebene und vom Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik der Universität Stuttgart durchgeführte ÖPNV-Test zum Vergleich des öfentlichen Nahverkehrs in 24 europäischen Großstädten beschrieben. Tatsächlich sind wir von der methodischen Genauigkeit und der gut durchdachten Operationalisierung besonders der Angebotsqualität durchaus überzeugt. Allerdings erscheint uns die in der Überschrift und auch im Text betonte „Kundensicht“ fraglich. Man hat sich ofensichtlich darauf geeinigt, vor allem das in die Bewertung des ÖPNV einzubeziehen, was zwischen den europäischen Städten vergleichbar ist. So wurde zugegebenermaßen auf Kriterien wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Komfort, Sicherheit verzichtet, weil diese nicht objektiv vergleichbar seien. Stattdessen wurde die „theoretische“ ÖPNV-Qualität bewertet. Wichtigstes Kriterium mit 35 % Gewicht ist die Reisezeit. Es ist sicherlich richtig, dass die Angebotsqualität zum Teil durch das Netz (also die Qualität der Linien und Strecken) und durch die Taktfrequenz bestimmt wird. Aus Kundensicht aber ebenso wichtig und mit diesen Krite- Baumaßnahmen sind im Vergleich zu Hochgeschwindigkeitsstrecken gering. Anstelle des bisher geplanten „Hauptbahnhof Stuttgart Tief“ (S 21) und der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm (NBS) könnten die Altstrecke Stuttgart - Ulm verbessert sowie Verbund- Takt-Fahrpläne) und Verbund-Takt-Verkehre) in ganz Baden-Württemberg eingerichtet werden. Das führte nach Erfahrungen auch in Bayern zu Tausenden neuer Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr [3, 4, 5, 6, 7, 8]. Ob S 21 wegen der Gleisneigung von 15,14 % genehmigt werden kann, ist fraglich. Die NBS verstößt wegen der Länge ihrer Steigungsstrecke gegen die Technischen Spezifikationen für Interoperabilität.[9] Beide Maßnahmen erreichen mit geschätzten Kosten von 7 Mrd. EUR nur noch einen Nutzen-Kosten-Quotienten von 0,92 < 1. Der Bund darf sie als unwirtschaftliche Maßnahmen nicht mehr finanzieren (§ 7 (2) BHO) [10, 11, 12]. S 21 und NBS können die Verkehrs- und Umweltprobleme der Zukunft nicht lösen. Ob sie überhaupt gebaut werden können, ist ofen. [1] BODACK, K.-D., Bahnzukunft für Baden-Württemberg: Alternativen zu Stuttgart 21, Eisenbahn-Revue International 02/ 2011, S. 93 [2] BUND, K., TATJE, D.: Neben der Spur, Die Zeit Nr. 5, S. 19 v. 27.01.2011 [3] GÖBERSHAHN, R., Der Integrale Taktfahrplan, Die Deutsche Bahn 5/ 1993, S. 357 [4] SCHULZ, A., Der „Allgäu-Schwaben-Takt“, Die Deutsche Bahn 5/ 1993, S. 363 [5] BREUER, S., ITF Bayern 21 − Ein Schienenverkehrskonzept für ganz Bayern, Eisenbahn-Revue International 3/ 2010, S. 146 [6] BREIMEIER, R., Wirtschaftliche Aspekte des Schienenschnellverkehrs, Die Deutsche Bahn 3/ 1993, S. 241 [7] PFUHL, SCHENK, BUTTLER, MARTINONI, SCHÜRCH, SPIEGEL, STERENBERGER, Die nächste Optimierungsstufe im Schweizer Bahnsystem, Eisenbahn-Revue International 10/ 2010, S. 508 [8] BREUER, S., ITF Bayern 21 − Ein Schienenverkehrskonzept für ganz Bayern, Eisenbahn-Revue International 2/ 2010, S. 93 [9] ANDERSEN, S., Problempunkte bei Stuttgart 21 und NBS Wendlingen-Ulm, Eisenbahn-Revue International 12/ 2010, S. 637 [10] ABERLE, G., Nutzen-Kosten-Analysen ohne Aussagekraft? Internationales Verkehrswesen (62) 4/ 2010, S. 6 [11] JUNG, V., Wie ein hoher Nutzen-Kosten-Quotient unter 1 rutschen kann, Internationales Verkehrswesen (62) 5/ 2010, S. 47 [12] JUNG, V., Schuldenlast der öfentlichen Hand und Großprojekte im Schienenverkehr, Beispiel Stuttgart 21 + Neubaustrecke Stuttgart - Ulm, Internationales Verkehrswesen (58) 4/ 2006, S. 159 Dipl.-Ing. Ingo Uttech, Reinbek rien zusammenhängend sind die Pünktlichkeit und die Anschlusssicherheit. Weitere Kriterien, die mit den gegebenen Methoden durchaus bewertbar sind, sind die Umsteigequalität, die Informationsqualität sowie ein Vergleich der Preise. Insgesamt ist eine Bewertung der Qualität durchaus gut umgesetzt, und wenn der Test beschrieben worden wäre als ein Versuch eines möglichst objektiven Qualitätsvergleichs des ÖPNV, würden wir durchaus zustimmen (wenngleich wichtige Aspekte fehlen). Aber Qualität ist nicht dasselbe wie Kundenzufriedenheit! Bemerkenswert ist, dass man eine Bewertung des ÖPNV aus Kundensicht geschafen hat, ganz ohne einen einzigen Kunden zu fragen. Kriterien wie Pünktlichkeit, Anschlusssicherheit, Komfort, Sicherheit wurden somit aus Machbarkeitsgründen bewusst ausgelassen. Gerade diese Merkmale zeigen sich aber in Kundenbefragungen als durchaus maßgeblich und entscheidend für eine Kundenzufriedenheit mit dem ÖPNV - natürlich neben den objektiven Aspekten wie Angebotsqualität. Im ÖPNV-Kundenbarometer stellt sich z. B. heraus, dass die Zufriedenheit mit dem Preis- Leistungsverhältnis innerhalb eines Tarifsystems durchaus unterschiedlich ausfällt, unter anderem sicherlich dadurch, dass nicht überall die gleiche Erwartung an die Preise herrscht und man mit ein und demselben Preis durchaus unterschiedlich zufrieden sein kann. Aber Kundenzufriedenheit ist - per definitionem - subjektiv, weil Kunden dann zufrieden sind, wenn sie das (oder mehr) bekommen, was sie erwarten. Daher ist es durchaus möglich, auch solche Merkmale - aus Kundensicht - zu erheben, ganz einfach, indem man die Kunden danach fragt. Wir als Marktforscher machen dies jedenfalls so. Besonders wichtig ist die Befragung von „echten“ Kunden auch allein schon deshalb, weil zufriedene Kunden ja schließlich den ÖPNV wieder nutzen werden. Und ein (repräsentativ gemessener) Wert für die Globalzufriedenheit mit dem ÖPNV in Deutschland von 2,85 im Jahr 2010 zeigt, dass sicherlich noch Luft nach oben ist. Dr. Adi Isfort und Dr. Daniel Metzler, TNS Infratest Verkehrsforschung »90% aller Reisenden fahren im Nah- und Regionalverkehr« Die Redaktion behält sich vor, Leserzuschriften zu kürzen. SERVICE Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, Straße des 17. Juni 135, D-10623 Berlin, frank.straube@tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas haas@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Mitarbeit: Kerstin Zapp kerstin.zapp@dvvmedia.com Dr. Karin Jäntschi-Haucke (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 48 vom 1. Januar 2011. Vertrieb Riccardo di Stefano Bezugsgebühren: Inland EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.), Ausland EUR 154,00 (inkl. 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Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: Titellayout: Klaus Friese Karl-Heinz Westerholt Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Herstellung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf, www.tz-verlag.de Internationales Verkehrswesen Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 5.-7.4.11 S-o Paulo (BR) Intermodal South America Info: Intermodal Organizacao de Eventos, Brasil, Tel.: 0055/ 11/ 4689-1935, Fax: 0055/ 11 4689-1926 Internet: www.intermodal.com 7.-9.4.11 Mumbai (IND) SMM India 2011 Info: Hamburg Messe und Congress GmbH, Tel. 040-3569-2148, info@smm-india.com, www.hamburg-messe.de/ smm_india 12.-13.4.11 Dortmund (D) Fachtagung Wirtschaftsverkehr 2011 Info: TU Dortmund, Tel. 0231-7557333, wiver2011@vsl.mb.tu-dortmund.de, www.vsl.mb.tu-dortmund.de 2.-6.5.11 Hannover (D) CeMAT 2011 - Sustainability in Intralogistics Info: Deutsche Messe, info@messe.de, www.messe.de 4.-6.5.11 Kassel (D) ibus - Internationale Busmesse Info: planetfair GmbH, Tel. 040-71007000, info@planetfair.de, www.ibus-expo.com 5.-6.5.11 Eberswalde (D) 3. Nationale Elektrobuskonferenz Info: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. Telefon: +49 (0)30 67 05 52 88, Internet: www.dlr.de/ vs/ , sandra.zache@dlr.de 10.-11.5.11 Dresden (D) Mobilität in Städten - SrV 2013 Auftaktkonferenz in Dresden Info: TU Dresden, Telefon: +49 (0)351 46 33 66 68 Internet: www.tu-dresden.de/ srv/ SrV_Web/ , frank.liesske@tu-dresden.de 10.-13.5.11 München (D) transport logistic International Exhibition for Logistics, Mobility, IT and Supply Chain Management Info: Messe München, Tel.: 089/ 9 49-113 68, Fax: 089/ 949-113 69 Internet: www.transportlogistic.de, info(at)transportlogistic.de 11.-12.5.11 Wiesbaden (D) Parken (Fachausstellung und Fachtagung) Info: Mesago Messe Frankfurt GmbH, Tel. 0711-61946-0, annette.holtmann@mesago.com, www.parken-messe.de 19.-20.5.11 Steyr (A) 11. Internationale VDI-Tagung „Nutzfahrzeuge“ Info: VDI-Wissensforum GmbH, Telefon: +49 (0)211 62 14-4, Fax: +49 (0)211 62 14-154 Internet: www.vdi.de, kraft@vdi.de 20.5.2011 Hamburg (D) Fachtagung Klimaschutz und Schienenverkehr Info: Hochschule für Angewandte Wissenschaften Telefon: +49 (0)40 42 875-6324, Fax: +49 (0)40 42 875-6079 Internet: www.haw-hamburg.de, franziska.mannke@haw-hamburg.de 25.-27.5.11 Leipzig (D) International Transport Forum 2011 Info: OECD, Telefon: +33 (0)1 45 24 94 35 Internet: www.internationaltransportforum.org/ 2011, itf.contact@oecd.org 31.5.-1.6.11 Darmstadt (D) VDV Jahrestagung Info: VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Telefon: +49 (0)221 57979-0, Fax: +49 (0)221 57979-8138 Internet: www.vdv.de, uhlemann@vdv.de 15.-17.6.11 Hamburg (D) Sicherheit von Häfen und Internationalen Seewegen im Fokus Info: Hamburg Messe, Tel. 040-3569-2476, carin.steinbach@hamburg-messe.de, www.msd-hamburg.com 22.-24.6.11 Berlin (D) Public Transport / Interiors 2011 Info: Messe Berlin GmbH, 030 3038-2212/ -2032, pti@messe-berlin.de, www.publictransport-interiors.de 13.-14.9.11 Bonn (D) Tra c Talks 2011 Info: Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Tel. (0)211 3843-2232, susanne.foltis@mwebwv.nrw.de, www.tra ctalks.de 14.-16.9.11 Turin (I) EPA (European Parking Association) Congress Info: AIPARK - Italian Parking Association Telefon: +39 06 95 76 245 Internet: www.epacongress.eu/ epacongress.torino2011@aipark.org 5.-6.10.11 Frankfurt/ M. (D) 6. Internationaler VDV-Eisenbahnkongress Info: VDV-Akademie, Tel. 0221-57979170, eckert@vdv.de, www.vdv-akademie.de 12.-14.10.11 Straßburg (F) 23. Rencontres nationales du transport public Info: GIE Objectif transport public Telefon: +33 (0)1 48 74 04 82, Internet: www.rencontres-transport-public.fr sophie.bochereau@objectiftransportpublic.com TERMINE + VERANSTALTUNGEN 5.4.2011 bis 12.10.2011 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schifundhafen.de, www.dvz.de Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 59 HERAUSGEBERBEIRAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrieund Handelskammertag (DIHK), Berlin Michael P. Clausecker MBA, Generaldirektor des Verbandes der europäischen Bahnindustrie UNIFE, Brüssel Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Leiter Konzernstrategie/ Verkehrsmarkt der Deutsche Bahn AG, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Hans-Jürgen Hahn Dipl.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, München Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Heiner Hautau Prof. Dr., ehem. Präsident der DVWG, Geschäftsführer des Instituts für Stadt- und Raumplanung Instara GmbH, Bremen Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information O cer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Hans-Joachim Welsch Dipl.-Kfm., Geschäftsführer der Rogesa Roheisengesellschaft Saar mbH und der ZKS, Zentralkokerei Saar GmbH, Dillingen, sowie Ehrenbeirat des VBW, Duisburg Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrat der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Werner Lundt Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Klaus Milz Prof. Dr., Chief Country Representative European Union bei Bombardier Transportation, Machelen Schi fahrt ist global Herausgeberbeirat Ralf Nagel nimmt die internationale Perspektive ein D ie deutsche Handelsflotte ist führend in der Welt. Die deutsche Containerflotte transportiert mehr als ein Drittel der Boxen, die die Elektronikwaren, die Kleidung und andere Konsumgüter um die Welt bewegen. Die unternehmerische Leistung der deutschen Reeder ist eindrucksvoll. Zweimal ist im 20. Jahrhundert die Flotte zerstört worden. Heute sind die Schife, die aus Deutschland betrieben werden, der Treibriemen der Globalisierung. Damit werden Arbeitsplätze auf See und an Land geschaffen, damit kommen große Investitionen nach Deutschland. Aber mehr als das: Auch Visionen kommen so zu uns, denn globale Zusammenarbeit kann nur funktionieren, weil die Welt durch Informationstechnik und die Schiffahrt vernetzt ist. Es ist unsere Aufgabe, die politischen Rahmenbedingungen zu schafen, damit die Schiffahrt weiter so erfolgreich aus Deutschland heraus betrieben werden kann. »Heute sind die Schi e, die aus Deutschland betrieben werden, der Treibriemen der Globalisierung« GASTKOMMENTAR Klaus-Dieter Peters Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 60 Intermodales Netzwerk für Deutschland D ie schnelle und kräftige Erholung des Güterverkehrsaukommens in Deutschland nach der einschneidenden Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass ein Grundtrend der Verkehrsentwicklung unverändert Gültigkeit besitzt: Das Transportvolumen wächst schneller als das Sozialprodukt. Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung sind zunehmend auf eine überregionale Arbeitsteilung und damit auf überproportional steigende Verkehrsleistungen angewiesen. Für Deutschland mit seinem hohen Außenhandelsvolumen und seiner zentralen verkehrsgeografischen Lage ist die zukunftsweisende Gestaltung leistungsfähiger Transport- und Logistikketten nicht nur eine enorme Herausforderung, sondern auch eine große Chance. Diese Herausforderung ist von der deutschen Verkehrspolitik und den Logistikunternehmen längst erkannt. Sowohl der Aktionsplan Güterverkehr und Logistik des Bundes vom September 2010 als auch das Nationale Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen vom Juni 2009, ein Umsetzungsbaustein des Aktionsplans, formulieren Ziele, Strategien und Maßnahmen, mit denen „die Spitzenstellung Deutschlands bei Güterverkehr und Logistik dauerhaft zu sichern und auszubauen ist“. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die deutschen Seehäfen. Damit sie ihre Funktion als Drehscheiben der maritimen Logistik für die transkontinentalen Transportketten weiter erfolgreich erfüllen können, muss ihre see- und landseitige Anbindung quantitativ wie qualitativ erheblich verbessert werden. Die Zeit drängt: Der Hinterlandverkehr auf Schiene und Straße hat heute schon wieder das Rekordniveau von 2008 erreicht. Die erheblich verzögerte Fahrrinnenanpassung von Außen- und Unterelbe hindert die neuen Großcontainerschife mit mehr als 10 000 Standardcontainern (TEU) daran, die Elbe voll ausgelastet zu befahren. Die schnelle Realisierung der prioritären Projekte in der sogenannten „Ahrensburger Liste“ zum Ausbau der seewärtigen Zufahrten und Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen ist dringend geboten und unverzichtbar. Mit dem Ausbau von Verkehrswegen allein ist das aktuelle und künftige Verkehrswachstum allerdings nicht zu bewältigen. Erforderlich ist ein integriertes Verkehrssystem für den Güterverkehr, in welchem alle Schnittstellen, Verkehrswege und Verkehrsträger in aufeinander abgestimmten Prozessketten mit durchgängigem Informationsfluss optimal miteinander vernetzt sind. Oder, anders formuliert: Der Weg zur weiteren „Industrialisierung der Transportkette“ muss konsequent fortgesetzt werden. Es gilt große Mengen unter der Ausnutzung von Bündelungsefekten in standardisierten Prozessen in intermodalen Logistikketten zu organisieren, die den jeweils besten Verkehrsweg und den jeweils besten Verkehrsträger einsetzen. Der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und der Bundesverband Öfentlicher Binnenhäfen (BÖB) haben dafür im Rahmen des Nationalen Hafenkonzepts eine Arbeitsgruppe „zur konzeptionellen Vernetzung von See- und Binnenhäfen“ gebildet, die zunächst für den Containerverkehr Potenziale für eine stärkere Vernetzung von See- und Binnenhäfen ermittelt. Parallel dazu haben die beiden größten deutschen Hafenlogistikunternehmen, die Eurogate-Gruppe und die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), im Jahr 2010 das Gemeinschaftsunternehmen Inland Port Network (IPN) gegründet. Ziel ist der Aubau eines Netzwerks von intermodalen „Full-Service-Terminals“ an Aukommensschwerpunkten in Deutschland. Mit integrierten Depots, Flächen für die Containerlagerung, Abstellgleisen und umfangreichen Serviceangeboten verbessern derartige Inlandterminals die Voraussetzung für die Bildung eizienter Shuttle-Systeme. Darüber hinaus lassen sie sich einbinden in die Strategie der Bildung von Binnenhäfenclustern. ZDS und BÖB empfehlen in diesem Zusammenhang in einem gemeinsamen Positionspapier, die Förderung des Kombinierten Verkehrs in Deutschland fortzusetzen und dabei weiterzuentwickeln: von der bisherigen punktuellen Standortförderung zu einer Förderung der Terminalinfrastruktur unter Berücksichtigung der Netzbildungsefekte intelligenter Systeme des Kombinierten Verkehrs. Die konsequente Weiterentwicklung des Kombinierten Verkehrs mit einem Netzwerk intermodaler Terminals und Logistikketten würde nicht nur den Standort Deutschland und seine führende Position bei Logistik und Güterverkehr stärken. Diese Systeme können entscheidende Impulse zur Verlagerung von Verkehren von der Straße auf die Schiene und Binnenschif geben. Eine Chance, die es zu nutzen gilt: So lässt sich das künftige Verkehrswachstum gerade auch unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes vorbildlich meistern. ɷ »Für Deutschland ist die zukunftsweisende Gestaltung leistungsfähiger Transport- und Logistikketten eine große Chance« Klaus-Dieter Peters (57) ist Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hafen und Logistik AG. Zuvor war er Mitglied des Vorstands der internationalen Spedition Schenker und dort unter anderem verantwortlich für die Europaverkehre und die Eurologistik. ZUR PERSON Ein Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Technische Daten: ISBN 978-3-87154-438-3, 364 Seiten, Format 135 x 180 mm, Broschur Preis: € 49,80 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Neu auflage Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ viz. Hier inden Sie auch eine Leseprobe! Das jährlich neu aufgelegte Statistik- Handbuch „Verkehr in Zahlen“ informiert über nahezu alle Aspekte des Verkehrs einschließlich seiner Stellung in der Volkswirtschaft. Es wird von politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen, Banken und der gesamten Transportwirtschaft seit mehr als 30 Jahren genutzt. Diese Informationsquelle gibt eine aktuelle und zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität und Verkehrswirtschaft. Verkehr in Zahlen bietet eine verkehrsstatistische Datengrundlage, mit der Strukturveränderungen der Verkehrsmärkte erkannt und Entwicklungen verfolgt werden können. Auf der CD beinden sich umfangreiche Daten, die sich direkt oder als Graik leicht weiterverarbeiten lassen. Herausgeber ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Vossloh Fastening Systems ist ein weltweit führendes Unternehmen für Schienenbefestigungssysteme. Highspeed-, Schwerlastverkehr-, Nahverkehrs- oder Standardstrecken sind mit unseren technologisch führenden Produkten ausgestattet und stehen für: extreme Belastbarkeit, Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Mit unseren Lösungen leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Mobilität von Menschen und Wirtschaftsgütern. Besuchen Sie den Vossloh Transportation Systems Messestand: Halle B 6, Stand 421. Transport Logistic, München, 10.-13. Mai 2011. www.vossloh-fastening-systems.com Wir finden für jede Schiene die Lösung
