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Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
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Technik tickt jetzt grün GreenTech gibt den Takt vor POLITIK Herausforderung Elektromobilität: Handlungsempfehlungen vom Wissenschaftlichen Beirat des BMVBS MOBILITÄT Megatrends Verkehr: Wie werden innovative Fahrzeugkonzepte zu intelligenten Lösungen individueller Mobilität? INFRASTRUKTUR Eisenbahn- und Luftverkehr in China: Ansätze integrierter Verkehrsplanung G REEN T ECH Spezial 32 Seiten extra www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 4 Juli/ August | 2011 | Einzelpreis 25 EUR Ein Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Technische Daten: ISBN 978-3-87154-451-4, 364 Seiten, Format 135 x 180 mm, Broschur Preis : € 49,80 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Neu auflage Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ viz. Hier nden Sie auch eine Leseprobe! Das jährlich neu aufgelegte Statistik- Handbuch „Verkehr in Zahlen“ informiert über nahezu alle Aspekte des Verkehrs einschließlich seiner Stellung in der Volkswirtschaft. Es wird von politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen, Banken und der gesamten Transportwirtschaft seit mehr als 30 Jahren genutzt. Diese Informationsquelle gibt eine aktuelle und zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität und Verkehrswirtschaft. Verkehr in Zahlen bietet eine verkehrsstatistische Datengrundlage, mit der Strukturveränderungen der Verkehrsmärkte erkannt und Entwicklungen verfolgt werden können. Auf der CD be nden sich umfangreiche Daten, die sich direkt oder als Gra k leicht weiterverarbeiten lassen. Herausgeber ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 3 EDITORIAL Frank Straube »Virtuelle Sicherheit wird Kernthema internationaler Transportketten« A nfang Juli hat der Deutsche Bundestag den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie zur Erzeugung von Elektrizität beschlossen. Dieser Beschluss hat einen entscheidenden Einfluss auf den sog. Strom-Mix, und mithin auf die Frage, wie „grün“ die Elektromobilität im Hinblick auf ihren CO 2 -Ausstoß wirklich ist. Nach Angaben des Bosch Kraftfahrzeugtechnik- Leiters Bernd Bohr, liegt der CO 2 -Ausstoß eines Elektrofahrzeuges der Kompaktklasse heute bei einem Wert von ca. 120-g/ km, welcher durch Optimierungsmaßnahmen auf 100- g/ km gesenkt werden kann. Da dieser Wert mit konventionellen Verbrennungskraftmaschinen ebenfalls zu erreichen ist, stellt die Umstellung auf einen elektrischen Antrieb zurzeit keinen wesentlichen Beitrag zur CO 2 -Reduktion dar. Beim Ersatz der abgeschalteten Stromerzeugungskapazitäten kann nur auf regenerative Energien gesetzt werden, wenn die Elektromobilität aus klimapolitischer Sicht erfolgreich sein soll. Über die realen Nutzungspotenziale von Elektromobilität erfahren wir mehr im Artikel von Univ.-Prof. Dr.- Ing. Dirk Vallée et al. von der RWTH Aachen. Er analysiert die Datenlage aus der Erhebung Mobilität in Deutschland 2008 und identifiziert in Verbindung mit der zunehmenden Verstädterung ein besonderes Nutzungspotenzial im ländlichen Raum. Durch die Struktur der Haushalte, die i. d. R. über eigene Stellplätze verfügen, kann eine kontinuierliche Ladung des Fahrzeugs sichergestellt werden. Den technischen Aspekt der Elektromobilität nehmen Prof. Dr.-Ing. Matthias Busse et al. vom Fraunhofer IFAM, Bremen, mit ihrer neuesten Prototypenentwicklung auf. Das sportliche Concept Car „FreccO“ verfügt über zwei Radnabenmotoren mit je 55- kW Leistung und 700- Nm Drehmoment. Durch die platzsparende Einbauform sind zukünftig neue Gestaltungsmöglichkeiten für Stadtfahrzeuge gegeben. Dr.-Ing. Stefan Detering stellt uns in seinem Artikel, den er in Zusammenarbeit mit seinem Doktorvater, Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Schnieder, verfasst hat, die Ergebnisse seiner Dissertation vor. „Verkehrssimulationsmodelle - Kalibrierung und Validierung“ beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit mikroskopische Verkehrssimulationsmodelle in bestimmten Untersuchungsbereichen auch eine makroskopische Validität erfordern, um eine Übertragbarkeit auf die Realität zu gewährleisten. Von der Modellbildung in die Herausforderungen der Realität geht Henning Schaumann vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik. Nachfragestrukturen und Logistikkonzepte von Industrie und Handel erzeugen oft kleine Mengen, die hochfrequent geliefert werden müssen. In seinem Artikel hält er deshalb ein Plädoyer für einen flexiblen Einzelwagenverkehr, analysiert die Gründe, warum das Güterverkehrswachstum fast ausschließlich zugunsten des Verkehrsträgers Straße ausgefallen ist und wie mit einem neuen Produktionskonzept die Vorteile des Einzelwagenverkehres im europaweiten Schienengüterverkehr wieder stärker nutzbar gemacht werden können. Internationale Transportketten verlangen nicht nur ein hohes Maß an Koordination sämtlicher Akteure, sondern sind durch viele Schnittstellen auch anfällig für Störungen. Dr. Peter Kauschke et al. stellen in ihrem Artikel „Sicher ist sicher“ die Ergebnisse der mit der European Business School durchgeführten Studie zur Supply Chain Security vor. Neben physischen Gefahren durch Piraten oder Umweltkatastrophen wird explizit auf virtuelle Angrife auf die IT-Infrastruktur hingewiesen, die den reibungslosen Ablauf internationaler Transportketten stören können. Ihnen wünsche ich viel Freude bei der Lektüre unserer Juli/ August-Ausgabe des Internationalen Verkehrswesens und eine erholsame Sommerzeit. Ich freue mich wie immer auf Ihre inhaltlichen Anregungen und Diskussionsbeiträge. Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de Ihr Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 4 32 SEITEN EXTRA GREENTECH Spezial mit Antworten auf folgende Fragen: Welche Hürden hat die Elektromobilität in Deutschland noch zu nehmen? Wo liegen Einsparpotenziale bei Bussen und Lkw? Welche Möglichkeiten gibt es, die Ökobilanz von Eisenbahnfahrzeugen weiter zu verbessern? Wie sehen innovative Konstruktionsformen für Schife und Flugzeugtriebwerke aus? POLITIK 12 Herausforderung Elektromobilität Wissenschaftlicher Beirat BMVBS 16 Eine Vision für nachhaltigen Verkehr Wolfgang Schade Anja Peters Jonathan Köhler LOGISTIK 20 Sicher ist sicher Peter Kauschke Julia Reuter Heiko A. von der Gracht 23 Einzelwagennetz muss flexibler werden Henning Schaumann 60 Motor auf Rädern Felix Horch Hermann Pleteit Matthias Busse TECHNOLOGIE WISSENSCHAFT 62 Verkehrssimulationsmodelle Stefan Detering Eckehard Schnieder GREENTECH S pezial mit Antworten auf folgende Fragen: Welche Hürden hat die Elektromobilität in Deutschland noch zu nehmen? 6 Wie verändert sich die Automobilindustrie hierzulande? 12 Wo liegen Einsparpotenziale bei Bussen und Lkw? 14 Welche Möglichkeiten gibt es, die Ökobilanz von Eisenbahnfahrzeugen weiter zu verbessern? 19 Wie sehen innovative Konstruktionsformen für Schife und Flugzeugtriebwerke aus? 24 Heft 4 | 2011 »Deutschland hat sich als Technologieführer in der Elektromobilität positioniert« Andreas Tschiesner, Leiter der Automobil- und Maschinenbauberatung bei McKinsey GREENTECHSpezial, Seite 12 INTERVIEW TECHNOLOGIE Intensiver Wettbewerb aber gute Positionierung Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 5 INHALT Juli/ August 2011 MOBILITÄT 66 Nutzungspotenziale für den Elektro-Pkw Katja Johänning Dirk Vallée 70 Neue Beweglichkeit Andreas Knie 72 Perspektiven für die Eisenbahn bis 2025 Tom Reinhold Georg Kasperkovitz INFRASTRUKTUR 75 Autostadt Dubai setzt auf öfentlichen Verkehr Friedhelm Bihn 80 Ansätze integrierter Verkehrskonzepte Yuanfei Shi Peter Mnich DVWG-Nachrichten 87 Leitwort von Prof. Thomas Siefer, Vorsitzender der BV Niedersachsen-Bremen 91 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen RUBRIKEN 03 Editorial 06 Momentaufnahme 08 Nachrichten 1 1 Kurz + Kritisch 59 Bericht aus Brüssel 84 Veranstaltungen 86 Leserbriefe 92 Impressum / Termine 25 Besucher-Tickets für die IAA Pkw zu gewinnen! 93 Beirat Gastkommentar von Heinz Schulte, Chefredakteur der Griephan Publikationen der DVV Media Group Seite 94 ➼ www. Sie finden „Internationales Verkehrswesen“ im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: b umfangreichem Hefte-Archiv b aktuellen Branchennews und Terminen HINWEIS Dieser Ausgabe liegt eine Beilage des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein- Westfalen bei. Wir bitten um freundliche Beachtung. Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 6 MOMENTAUFNAHME Foto: Pelamis Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 7 Mike Woods Leitender Ingenieur Pelamis Wave Power, Edinburgh Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Pelamis Wave Power an der Entwicklung wirtschaftlich tragfähiger und umweltverträglicher Lösungen zur Erzeugung von elektrischem Strom aus Wellenenergie. Das Wellenkraftwerk P2 - eine 180 m lange Stahlkonstruktion bestehend aus scharnierartig miteinander verbundenen Zylindersegmenten, die Wellenbelastungen von bis zu mehreren hundert Tonnen standhalten - ermöglicht die kontinuierliche Energiegewinnung in der unruhigen, sich ständig verändernden Umgebung auf ofener See. Bis 2020 könnten laut EMEC (European Marine Energy Centre) in Orkney nördlich der schottischen Küste bis zu 2 GW Strom aus Wellen- und Gezeitenkraft erzeugt werden. Die Kraft der Meere NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 8 BMWi Kapferer aus BMG Stefan Kapferer hat am 1. Juni sein Amt als beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) angetreten. Der Verwaltungswissenschaftler war seit November 2009 Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Damit hat der ehemalige Gesundheits- und derzeitige Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler einen Vertrauten an seine Seite geholt. Kapferer übernimmt die Zuständigkeit für die Zentralabteilung, die Europapolitik, die IT-, Kommunikations- und Postpolitik sowie für die neu eingerichtete Leitungsabteilung. In dieser neuen Abteilung werden auch die Aufgaben des Ministers als Stellvertreter der Bundeskanzlerin wahrgenommen. Nachfolger von Kapferer im BMG ist Thomas Ilka vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Im DIHK wiederum sind Sabine Hepperle und Hermann Hüwels neu. Hepperle ist Europachefin, Hüwels leitet den Bereich Umwelt, Energie und Rohstofe. (zp) Alstom Mellier weg Nach acht Jahren als Präsident von Alstom Transport hat Philippe Mellier das Unternehmen zum 1.- Juli 2011 verlassen. Wie der Konzern mitteilte, wird Mellier als Group CEO zum Minenkonzern De Beers wechseln. Mit Wirkung zum 4.- Juli wurde der Alstom- Konzern umgebaut. So wurde an der Seite von Chairman und CEO Patrick Kron neu ein stellvertretender Geschäftsführer eingeführt. Diesen Posten erhielt Philippe Joubert, bisher Chef der Sparte Power. Der Konzern besteht künftig aus vier Bereichen: Alstom Thermal Power (Kraftwerke), Alstom Renewable Power (erneuerbare Energien), Alstom Grid (Energieübertragung) und Alstom Transport. Gleichzeitig sind die Führungspositionen der Bereiche neu besetzt worden. Die Transportsparte wird künftig von Henri Poupart-Lafarge geleitet, bisher Chef des Bereichs Grid. Poupart-Lafarge ist seit 1998 im Alstom-Konzern tätig, dabei lange als Vize-Chef der Finanzabteilung. (cm/ zp) Kühne + Nagel Zwei Neue in Führung Der Verwaltungsrat der Kühne + Nagel International AG hat mit Wirkung zum 1. September 2011 Horst-Joachim Schacht und Tim Scharwath in die Geschäftsleitung des Unternehmens berufen. Schacht wird für den Geschäftsbereich Seefracht und Scharwath für den Luftfrachtbereich verantwortlich sein, teilt Kühne + Nagel mit. Die beiden Führungskräfte übernehmen das Aufgabengebiet von Peter Ulber, der das Unternehmen aus persönlichen Gründen zum Ende des Jahres verlassen wird. Beide sind seit den 1990er Jahren im Unternehmen. Schacht verantwortet seit 1999 als Senior Vice President das globale Seefrachtgeschäft. Scharwath ist seit 2009 Regionaldirektor Luft Nordwesteuropa. (sm/ zp) ITF Coune neue Generaldirektorin Auf dem Weltverkehrsforum des International Transport Forums (ITF), das Ende Mai in Leipzig stattfand, gab das ITF auch eine wichtige Personalie bekannt: Die belgische Verkehrsexpertin Carole Coune ist Nachfolgerin des aus Altersgründen ausscheidenden Generaldirektors Jack Short. Das entschieden die Verkehrsminister auf ihrer Plenumssitzung. (hel/ zp) Volvo Persson für Johansson Beim schwedischen Lkw- und Bushersteller Volvo übernimmt der bisherige Spartenchef von Volvo CE, Olof Persson, im Spätsommer die Konzernleitung. Wie Volvo mitteilte, löst Persson zum 1.- September Leif Johansson ab, der den Aufsichtsratsvorsitz beim schwedischen Telekom-Ausrüster Ericsson übernimmt. Persson war bisher Chef von Volvo CE und wird seit dem 1.- Mai als Volvos Vizekonzernchef von seinem Vorgänger eingearbeitet. (zp) Initiative für Luftfahrt-Biokraftsto e Aireg gegründet 20 deutsche Forschungseinrichtungen, Unternehmen aus der Luftfahrtbranche und Bioenergieproduzenten haben am 8.-Juni in Berlin den Verein „Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany - aireg e.V." oiziell gegründet. Die Initiative will den Einsatz regenerativer Energien im Luftverkehr in Deutschland fördern und die nationalen Aktivitäten bündeln, um die anspruchsvollen Emissionsreduktionsziele der Luftfahrt zu erreichen. Bis Wasserstof oder Batterien für den Einsatz in der Luftfahrt die Antriebsenergie stellen werden, konzentriert sich das Interesse auf Kerosin aus nachwachsenden Rohstofen wie Jatrophanüssen oder Algen. Dr. Klaus Nittinger, Berater des Konzernvorstands der Deutsche Lufthansa AG, ist der erste Präsident des Vereins. Mitglieder sind Air Berlin, Bauhaus Luftfahrt e.V., Booz & Co., Condor Flugdienst GmbH, Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ), Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt e.V. (DGLR), Deutsche Lufthansa AG, Deutsche Post AG, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), EADS, Flughafen München GmbH, Forschungszentrum Jülich GmbH, ISCC System GmbH, JatroSolutions GmbH, Leuphana Universität Lüneburg, MTU Aero Engines GmbH, Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG, Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH), TUIfly und die Verbio Vereinigte BioEnergie AG. (zp) SGKV Arendt aufgestiegen, Eigenständigkeit bleibt Bisher war Thore Arendt bei der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. (DVWG) in der Zentralen Informationsstelle Verkehr (ZIV) und seit 2008 stellvertretender Geschäftsführer der Studiengesellschaft für den kombinierten Verkehr (SGKV). Nun ist er seit dem 1.- Juni Geschäftsführer und ersetzt Boris Kluge, der zum 1.- April zum Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) gewechselt ist. Die SGKV soll in ihrer bisherigen Form eigenständig weiterarbeiten, obwohl das Bundesverkehrsministerium Ende 2010 die institutionelle Förderung wegen Bedenken des Bundesrechnungshofs eingestellt hat. Vorstand und Verwaltungsrat lehnten eine Integration in die Fraunhofer Gesellschaft ab. Der Service der SGKV für die Mitglieder soll nun deutlich ausgeweitet werden. Im Gegenzug sind die Mitglieder gehalten, bei der Projektakquisition zu unterstützen oder ihre Beiträge freiwillig anzuheben. (kl/ zp) Unife Clausecker geht Zum 1. Juli hat Philippe Citroën als Generaldirektor die Spitze des Verbands der europäischen Bahnindustrie Unife übernommen. Michael Clausecker sucht stattdessen nach zehn Jahren in der Verbandsarbeit neue berufliche Herausforderungen, wird seinen Nachfolger aber im Juli noch einarbeiten. Citroën war zuvor neun Jahre Vorstandsvorsitzender bei Systra, einem führenden Anbieter im Bereich Planung und Organisation von Nahverkehrssystemen. Der Vorsitz der Unife ist von Hans-Jörg Grundmann, CEO Siemens Mobility, an Henri Poupart-Lafarge, Alstom, gegangen. (zp) Fiata-Kongress Im Herbst in Ägypten Der Weltkongress des Spediteurverbands Fiata wird in diesem Jahr wie geplant in der ägyptischen Metropole Kairo stattfinden, jedoch aufgrund der politischen Lage erst vom 16. bis 21.-Oktober. Im September sollen in Ägypten die Parlamentswahlen stattfinden. (zp) Michael Clausecker Foto: Unife Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 9 Kühne Stiftung Lehrstuhl bleibt Für weitere vier Jahre fördert die Kühne-Stiftung die Professur für Logistikmanagement an der ETH Zürich mit insgesamt umgerechnet 3,7- Mio.- EUR. Lehrstuhlinhaber ist Prof. Stephan Wagner. (zp) Honeywell / Safran Joint Venture für die Umwelt Um während der Bodenabfertigung den Treibstofverbrauch und die CO 2 -Emissionen zu senken, wollen Honeywell Aerospace aus den USA und die französische Safran-Gruppe im Rahmen eines Joint Ventures von 2016 an ein elektrisches Rollsystem für Flugzeuge vertreiben. Das System soll auch zur Nachrüstung geeignet und besonders für Kurzstreckenflieger interessant sein, da bei ihnen der Rollanteil höher ist als bei Langstreckenflugzeugen. Sie können nach Honeywell-Angaben bis zu 4 % ihres bisherigen Treibstofverbrauchs einsparen. Das Rollsystem nutzt die Auxiliary Power Unit (APU) als Antrieb für Elektromotoren im Hauptfahrwerk des Flugzeugs. Dadurch wird das Haupttriebwerk beim Rollen am Boden nicht eingesetzt. Auch das „Ziehen“ entfällt und damit die Kosten für das hierfür notwendige Equipment. Eine gesonderte Versorgungselektronik und entsprechende Steuergeräte erlauben dem Piloten die Steuerung der Geschwindigkeit, der Bremsen und der Richtung des Flugzeugs während des gesamten Rollens. (zp) Neues KV-Terminal in Ostrava Die deutsch-tschechische Intermodalgesellschaft Metrans hat im Juni ein neues Inlandterminal in Ostrava eröfnet. Damit verbindet die HHLA- Tochter eine der wichtigsten tschechischen Industrieregionen besser mit dem Hamburger Hafen. Bisher besteht eine tägliche Verbindung mit Prag und von dort mit Hamburg. Zwischen Prag und Hamburg Metrans in Prag Foto: HHLA verkehren 102 Züge pro Woche. Die Anbindung des Terminals an Duisburg, die Benelux-Staaten und Slowenien wird bereits geplant. In Ostrava können bis zu 150 000 TEU pro Jahr umgeschlagen werden. Das Terminal umfasst 30 000 m2 mit vier Reachstackern und einem Portalkran über 650 m langen Gleisen. (sm/ zp) Metrans Universität für Bodenkultur Wien Ausschreibung der Stelle einer Universitätsprofessorin / eines Universitätsprofessors für Verkehrswesen für eine nachhaltige Entwicklung (Nachfolge o.Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr.techn. Gerd Sammer) Am Institut für Verkehrswesen des Departments für Raum, Landschaft und Infrastruktur der Universität für Bodenkultur ist die Stelle einer Universitätsprofessur für „Verkehrswesen für eine nachhaltige Entwicklung“ nachzubesetzen. Die Stelle wird gemäß § 98 Universitätsgesetz 2002 idF des Universitätsrechtsänderungsgesetzes 2009 in Form eines zeitlich unbefristeten vertraglichen Dienstverhältnisses voraussichtlich ab 01.10.2012 besetzt. In der Lehre ist - zusammen mit dem übrigen wissenschaftlichen Personal am Institut - das gesamte Gebiet des Verkehrswesens abzudecken. Das Lehrangebot ist mit den relevanten Curricula an der Universität für Bodenkultur Wien abzustimmen. Die Lehre umfasst sowohl die Grundausbildung in den relevanten Bachelor-Studien in der vollen Breite des Verkehrswesens, von der Verkehrsplanung bis zum Entwurf und Betrieb von Verkehrsanlagen sowie der organisatorischen Maßnahmeninstrumente, als auch die vertiefende Ausbildung in spezialisierten Bereichen der Verkehrsplanung für die relevanten Master- und Doktoratsstudien. Bei Zustandekommen des in Planung befindlichen „Verkehrsclusters Wien“ ist an dessen Implementierung und Entwicklung mitzuwirken. Der „Verkehrscluster Wien“ ist eine geplante Kooperation dreier Wiener Universitäten - der Universität für Bodenkultur, der Technischen Universität Wien und der Wirtschaftsuniversität Wien - für Lehre und Forschung in den Fachbereichen Verkehrswesen, Umwelt und Logistik. Die Forschungs- und Lehrschwerpunkte der Professur liegen einerseits auf der ganzheitlichen Systembetrachtung des Verkehrswesens und andererseits auf der analytischen, vertieften Behandlung folgender Themenfelder: mit dem Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung, gestützt auf die Sicherstellung der ökonomischen, der ökologischen und sozialen Entwicklung, unter Berücksichtigung der dafür notwendigen methodischen Verfahren und Grundlagenforschung sowie des globalen Wandels Maßnahmenentwicklung, intermodales Verkehrsmanagement für alle Verkehrsmittel zur Raumplanung Von den Bewerberinnen und Bewerbern wird erwartet: Lehrbefugnis (venia docendi) oder eine der universitären Lehrbefugnis gleichzuhaltende wissenschaftliche Befähigung für Fachbereiche dieser Professur lichen Arbeiten sowie der Betreuung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern Fähigkeit zur Netzwerkbildung in der Forschung einen hohen Drittmittelanteil und drittmittelfinanziertes Forschungspersonal hat vanten PartnerInnen aus der öffentlichen Verwaltung und Wirtschaft insbesondere im Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit Ihr Bewerbungsschreiben richten Sie bitte in 6-facher Ausfertigung bis spätestens 30. September 2011 (Datum des Poststempels) an den Rektor der Universität für Bodenkultur Wien, Peter-Jordan- Straße 70, 1190 Wien. Bitte schließen Sie folgende Unterlagen Ihrer Bewerbung bei: Verkehrsforschung einstufen lichen wollen (max. 1 A4-Seite) Mit der Abgabe der Bewerbung stimmen Sie gleichzeitig der Mitwirkung einer Personalberatung im Rahmen des Auswahlverfahrens zu. Die Universität für Bodenkultur Wien strebt eine Erhöhung des Frauenanteils in ihrem Personalstand ein. Bei gleicher Qualifikation werden Frauen vorrangig aufgenommen, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Weitere Informationen zu dieser Ausschreibung, über das Institut, das Department und die Universität für Bodenkultur Wien können Sie dem Web entnehmen (www.boku.ac.at/ profes- Landschaft und Infrastruktur bzw. am Institut für Verkehrswesen erhalten. Der Rektor Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr.nat.techn. Martin H. Gerzabek Polen Elektronisches Mautsystem Polen hat zum 1. Juli 2011 das neue elektronische Mautsystem „viaTOLL“ eingeführt. Alle Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht sowie alle Busse müssen nun auf etwa 1600 km polnischen Autobahnen, Expressstraßen und ausgewählten Landstraßen kilometerabhängige Mautgebühren entrichten. Die Nutzung des polnischen Mautsystems setzt den Einbau eines mikrowellenbasierten Gebührenabbuchungsgeräts (via- BOX) voraus. Die Mautsätze bewegen sich abhängig vom Gesamtgewicht und der Schadstofklasse des jeweiligen Fahrzeugs sowie der Straßenkategorie zwischen 0,04 und 0,13- EUR pro Kilometer. (zp) NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 10 Externe Lkw-Kosten Keine Anlastung in D Das Europäische Parlament (EP) hat die Anlastung externer Kosten für den Schwerlastverkehr (Eurovignette-Richtlinie) im Juni gebilligt. Deutschland will die Richtlinie im Gegensatz zu Österreich vorerst aber nicht anwenden. Mauterhöhungen sind laut Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode ausgeschlossen. Künftig können in der Maut neben Bau- und Unterhaltskosten auch Umwelt- und Lärmkosten berücksichtigt werden. Staukosten dürfen hingegen nicht als feste Größe einfließen, sondern nur über eine Mautspreizung bis 175 %. (cd/ zp) Deutsche Post / DHL Express Fokus auf Asien Wegen des schrumpfenden Briefgeschäfts setzt die Post beim Wachstum auf das Expressgeschäft, das Frachtsegment und die Lieferkettenlogistik. Die im Unternehmenssegment DHL zusammengeschlossenen Sparten sollen ihren operativen Gewinn bis 2015 wie geplant jährlich im Schnitt um 13 bis 15 % steigern. DHL Express plant eine Erweiterung des Angebots insbesondere im asiatischen Raum und hat bereits zusätzliche Express- und Langstreckenflüge eingerichtet. Zudem soll 2012 ein neues nordasiatisches Luftdrehkreuz auf dem Shanghai Pudong International Airport eröfnet werden. DHL will eigenen Angaben zufolge 175- Mio.- USD (122- Mio.- EUR) in das neue Umschlagzentrum investieren. Besonders China gilt im Konzern als Wachstumsmarkt. (zp) Bahnverkehrsliberalisierung Druck wird erhöht Nationale Bahnkonzerne wie die Deutsche Bahn AG müssen Konkurrenten künftig freien Zugang zu ihrem Schienennetz und zu allen Serviceangeboten gewähren. Zudem sollen die Trassenpreise harmonisiert und die Kompetenzen der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt werden. Auf diese Liberalisierung des Bahnverkehrs haben sich die EU- Verkehrsminister Mitte Juni geeinigt. Ziel ist es, bisherige Monopolisten unter Druck zu setzen und den Kunden schnellere und pünktlichere Züge zu garantieren. Bisher gebe es zu viele Schlupflöcher für eine Verweigerungs- und Behinderungspolitik der nationalen Bahnen. Die EU will zudem Investitionen in das Bahnnetz anstoßen. Damit die geplante Neufassung des Eisenbahnpakets (Recast) Gesetz wird, muss das Europaparlament noch zustimmen. Die Regeln könnten dann von Anfang 2012 an gelten. Allerdings lagen bereits am 20. Juni nahezu 600 Änderungsanträge der Mitglieder des Verkehrsausschusses vor. EU-Kommissar Siim Kallas kündigte für das nächste Jahr ein zweites, noch weitergehendes Bahnpaket an. (cd/ zp) Wie die Ameisen Verkehrswege clever planen POLITIK Weißbuch Verkehr: Einheitlicher EU-Verkehrsraum LOGISTIK Ausgezeichnete Logistikstandorte MOBILITÄT Multi-Hub-Netzwerke europäischer Fluglinien INFRASTRUKTUR Spezial zum Thema Verkehrswege www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 3 Mai/ Juni | 2011 | Einzelpreis 25 EUR Kontakt: Sophie Elfendahl Tel.: 040 / 237 14 - 220 Sophie.Elfendahl@dvvmedia.com Fit für intelligente Mobilität Großes Themenspezial MOBILITÄT • Stadtverkehr der Zukunft • Fahrzeuge für den ÖPNV • Fahrgastinformationssysteme • Mobiles Ticketing • Haltestellenausrüstung Offizieller Medienpartner der Traffic Talks, Bonn Anzeigenschluss: 29.08.2011 Erscheinungstermin: 26.09.2011 Präsentieren Sie Ihr Unternehmen in diesem Themenspezial. Antwerpen Bei Umweltschutz niedriges Hafengeld Der belgische Seehafen Antwerpen arbeitet seit Anfang Juli 2011 nach dem „Environmental Ship Index" (ESI), den eine Initiative der „International Association of Ports and Harbours" (IAPH) formuliert hat. Nun zahlen Schife, die besonders hohe Umweltstandards erfüllen, bis zu 10 % weniger Hafengeld als bisher. Rotterdam hat den Index bereits eingeführt, Hamburg will noch in diesem Jahr nachziehen, ebenso die Bremischen Häfen und Le Havre. Um weniger zu bezahlen, müssen die Schife mit bestimmten Daten, die dann ausgewertet werden, unter www.environmentalshipindex.org angemeldet werden. (zp) Iata Gewinnprognose sinkt Der Dachverband der Fluggesellschaften Iata hat die Gewinnprognose für das laufende Jahr mehr als halbiert. Statt der noch im März erwarteten 8,6-Mrd.-USD rechnet die Organisation jetzt nur noch mit 4-Mrd.-USD Gewinn (umgerechnet 2,7- Mrd.- EUR). Gründe: das Erdbeben und der Tsunami in Japan, die politischen Unruhen im Nahen Osten und in Nordafrika sowie die hohen Ölpreise. Damit läge die Marge im Schnitt bei 0,7 %. Positive Impulse werden aus dem Asienverkehr erwartet. Das vergangene Jahr war dagegen noch erfolgreicher als bislang gedacht: Der Gewinn lag mit 18-Mrd.-USD rund 2-Mrd.-USD höher als bisher geschätzt. In der Iata sind 230 Fluggesellschaften organisiert, die nach Angaben des Verbands zusammen 93 % des globalen Flugverkehrs abwickeln. Ungeachtet der aktuellen Gewinnlage soll sich bis 2026 das Luftverkehrsaufkommen weltweit verdoppeln. Das geht aus der aktuellen Studie „Sustainable Aviation“ von Booz & Company und dem Weltwirtschaftsforum hervor. Sie gehen in den kommenden 15- Jahren von einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 4,5 % aus. Bis 2050 könnte sich die Luftverkehrsleistung so auf rund 3-Bio.-tkm versechsfachen. (zp) Russland Hafenausbau in Taman Der Schwarzmeerhafen Taman soll bis 2020 so ausgebaut werden, dass seine Kapazität mit dem bisher größten russischen Schwarzmeerhafen in Noworossijsk (Jahresumschlag: etwa 70- Mio.- t) vergleichbar ist. Noworossijsk hat aufgrund seiner stadtnahen Lage kaum noch Erweiterungsmöglichkeiten. Vor allem Frachten wie Kohle und Dünger sollen nach Taman verlagert werden. Gegenwärtig gibt es in Taman nur ein Flüssiggas- und Ölterminal mit 10,5-Mio.-t Jahresumschlagkapazität. (zp) Singapore Airlines / Virgin Australia Kooperation Die Fluggesellschaften Virgin Australia und Singapore Airlines wollen ihre Flüge künftig jeweils im Codesharing anbieten. Diese Kooperation gaben die beiden Unternehmen Ende Mai bekannt. Auf dem Weg nach Australien Foto: Singapore Airlines Singapore Airlines profitiert nach eigenen Angaben vom Verbindungsnetz der Virgin Australia in Australien und den Pazifik-Staaten, Virgin von den diversen internationalen Verbindungen von Singapore Airlines. (zp) ■ Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 11 KURZ + KRITISCH Gerd Aberle W ie jedes Jahr das gleiche Spiel: Kaum hat die DB-AG ihren Geschäftsbericht mit den Ergebniszahlen des Vorjahres vorgelegt, wird die These von hohen öffentlichen Zuschusszahlungen und der Verschleierung angeblicher Verluste anstelle der ausgewiesenen Gewinne aus der Argumentationskiste hervorgeholt. So auch dieses Jahr nach Veröfentlichung der Ergebnisse für 2010, etwa durch die Vereinigung „Bahn für alle“ und einige Verkehrspolitiker. Statt eines ausgewiesenen Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 1,86- Mrd.- EUR sei 2010 tatsächlich ein Konzernverlust von über 6- Mrd.- EUR entstanden. Begründet wird diese These insbesondere mit angeblichen Zuschüssen an DB- Regio und staatlichen Kostenübernahmen beim Netz wegen unterlassener Bilanzierung von Bundeszuschüssen. Dies bedeute: Statt des ausgewiesenen Gewinns des Konzerns sei in diesen beiden Geschäftsbereichen tatsächlich ein Milliardenverlust zu verzeichnen. Hierzu bedarf es einiger Anmerkungen. Bei den „Zuschüssen“ an DB Regio handelt es sich um von den Aufgabenträgern des öfentlichen Nah- und Regionalverkehrs eingesetzte Regionalisierungsmittel für die Finanzierung von in Fahrleistungsaufträgen vergebenen Zugleistungen des SPNV. Diese Finanzmittel kommen allen SPNV-Bahnen zugute. Für alle Bahnen stellen die Zahlungen der Aufgabenträger völlig normale Umsätze dar, denen entsprechende vertragliche Leistungen gegenüberstehen. Es handelt sich folglich nicht um eine Subvention der Verkehrsunternehmen, sondern um eine Vergünstigung für die Nutzer des ÖPNV, also die Bürger. Gerade die Regionalisierungsmittel haben seit 1996 schrittweise zu einem mittlerweile intensiven Wettbewerb im SPNV um Aufträge und damit Regionalisierungsmittel geführt. Dies äußert sich auch in fundamentalen Qualitätsverbesserungen. Es ist völlig unsinnig, hier einseitig von Zuschüssen an die DB-AG mit ergebnisverzerrender Wirkung zu sprechen. Natürlich ist es Fakt, dass die staatlichen Zahlungen an den Netzbereich für Neu- und Ausbaumaßnahmen und seit 2009 auch für Ersatzinvestitionen (Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung) als Investitionszuschüsse geleistet werden. Dies sind erhebliche Beträge: 2009 4,5- Mrd., 2010 4,7- Mrd.- EUR (Schienennetz und Stationen). Es erfolgt, entsprechend dem bilanziellen Charakter von Zuschüssen, generell keine Aktivierung. Folglich fehlen Abschreibungen und Zinsen, die den Nutzern der Investitionsobjekte, also den Bahnen und letztlich deren Nutzern, nicht in den Trassenpreisen angelastet werden. Basierend auf Art.-87e(4) und speziellen Folgegesetzen ist dies politisch ausdrücklich gewollt, um das Sys- »Es ist völlig unsinnig, hier einseitig von Zuschüssen mit ergebnisverzerrender Wirkung zu sprechen.« Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche »Bewusste Fehlinterpretationen« tem Schienenverkehr marktfähig zu halten. Die Verrechnung der vollen tatsächlichen Netzkosten würde die intermodale Position des Schienenverkehrs hochgradig gefährden. Von der Nichtaktivierung profitieren folglich alle das DB-Netz nutzenden Bahnen und deren Kunden im Personen- und Güterverkehr. Ergänzend ist anzumerken, dass die DB AG auch jährliche Investitionen in die Netze aus Eigenmitteln finanziert und sie als sog. Nettoinvestitionen (etwas irreführende Bezeichnung) ausweist (2010: 813-Mio.-EUR). Für diese Investitionen werden betriebswirtschaftlich notwendige Kapitalkosten verrechnet und Aktivierungen vorgenommen. Übrigens: Die gleiche Nichtaktivierung von Investitionszuschüssen wird auch von den ÖPNV-Unternehmen für U-Bahnstrecken, Rolltreppen, Betriebshöfe und teilweise auch Fahrzeuge praktiziert. Bei erforderlichen Ersatzinvestitionen und fehlenden öfentlichen Zuwendungen führt dies zu dramatischen Finanzierungsproblemen bei der Substanzerhaltung. Dies ist die aktuelle Situation bei vielen ÖPNV-Unternehmen. Der zunächst als Vorteil erscheinende Charakter von Investitionszuschüssen (Verzicht auf Kostenpositionen und damit optisch höhere Kostendeckungsgrade) erweist sich längerfristig als Fundamentalproblem. Da die Verfasser solcher eigenwilliger Alternativrechnungen zum Wirtschaftsergebnis der DB- AG höchstwahrscheinlich die erforderlichen Fachkenntnisse besitzen, sind solche „Korrekturen“ offensichtlich vor allem dazu bestimmt, die (mediale) Öfentlichkeit in Richtung negativer Beeinflussung des Images der DB- AG zu bedienen. Oder sollte daraus eine Auforderung an die Politik abgeleitet werden, die Regionalisierungsmittel einzusparen und die Investitionszuschüsse an den Schienenverkehr mit einer Verpflichtung zur Erwirtschaftung von Abschreibungen und Zinsen zu koppeln? ɷ POLITIK Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 12 Herausforderung Elektromobilität Ziel dieser Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist es, unterschiedliche Aspekte des Themas Elektromobilität zu beleuchten und verkehrspolitische Handlungsempfehlungen zur Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland im internationalen Kontext zu geben. D em Thema Elektromobilität kommt derzeit eine große Bedeutung in der Wirtschafts-, Verkehrs-, Innovations-, Forschungs- und Umweltpolitik sowie anderen Politikbereichen zu. Allerdings erfolgt die aktuelle Diskussion weitgehend unter dem Druck von Entscheidungen für bzw. wider kurzfristige finanzielle Maßnahmen der Absatzförderung („Kaufprämie“). Dagegen werden längerfristigere Aspekte, wie z. B. Technologieofenheit sowie infrastrukturelle und institutionelle Aspekte, nicht mit derselben Intensität verfolgt. Der Begrif Elektromobilität, der eigentlich alle elektrisch angetriebenen Fahrzeuge umfasst, wird in diesem Aufsatz auf (vollständig oder teilweise) batterieelektrisch betriebene Pkw sowie Fahrzeuge des straßengebundenen ÖPNV und des Wirtschaftsverkehrs eingegrenzt. Die deutsche Bundesregierung hat sich wiederholt für eine proaktive Politik zur Entwicklung der Elektromobilität ausgesprochen. Im Vordergrund stehen die Ziele, Deutschland als „Leitanbieter“ und „Leitmarkt“ zu profilieren; gewährleistet werden soll dieses durch 1- Mio. E-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen in 2020 bzw. 6-Mio. in 2030. Daher geht es bei der politischen Diskussion nicht mehr um das „Ob“, sondern darum, „wie“ die gesetzten Ziele am besten politisch flankiert werden sollten. Ziel dieser Stellungnahme ist es, unterschiedliche Aspekte des Themas Elektromobilität zu beleuchten und verkehrspolitische Handlungsempfehlungen zur Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland im internationalen Kontext zu geben. In der vollständigen Version 1 dieser Stellungnahme wird eingehend auf die Technik des Systemgutes Elektromobilität eingegangen, insbesondere auf Antriebssysteme, 1 Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011): Herausforderungen bei der Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland. Batterie und Ladeinfrastruktur. Des Weiteren werden Potenziale zur Erreichung der politischen Ziele aufgezeigt. In dieser vorab veröfentlichten Kurzversion werden die Handlungsempfehlungen der Stellungnahme gekürzt wiedergegeben. Kurzfristige Ziele nicht auf Kosten längerfristiger Ziele übergewichten Die Bundesregierung hat die Potenziale der Elektromobilität erkannt und die Grundlage für einen breiten Stakeholderprozess gelegt. Die in diesem Rahmen diskutierten Maßnahmen fokussieren derzeit stark auf kurzfristige Ziele, wie insbesondere die Erreichung von 1- Mio. E-Fahrzeugen bis 2020. Dabei besteht die Gefahr, dass politisches Kapital sowie finanzielle Mittel für die Erreichung dieses Teils aufgewendet werden und dies auf Kosten der längerfristigen Entwicklung der Elektromobilität geht. Zur vollständigen Ausschöpfung der Potenziale auch in Deutschland ist jedoch Foto: Siemens Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 13 ein längerfristiger Ansatz notwendig, welcher die Elektromobilität als ein Element zukunftsfähiger Verkehrskonzepte begreift. Maßnahmen sollten daher die kurz-, mittelsowie langfristige Perspektive ausgewogen berücksichtigen, um fehlerhafte und fehlleitende Mittelallokationen zu vermeiden. Dazu sind auch Stabilität und Verlässlichkeit politischer Ziele unerlässlich. Wirkungsorientierung statt Technikorientierung Elektromobilität soll gleichermaßen den Rahmenbedingungen einer Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger und dem Klimaschutz durch Reduktion der CO 2 - Emissionen genügen. Die Erreichung dieser Ziele - insbesondere auch unter verschärften Bedingungen („Standards“, „Grenzwerte“) und bei steigenden Energiekosten - steht im Vordergrund. Dabei muss es Hauptaugenmerk des BMVBS sein, die angestrebten Wirkungen zu erzielen - durch fahrzeugtechnische Entwicklungen, durch verkehrsplanerische Maßnahmen, durch ordnungsrechtliche Handlungsansätze oder informatorische Maßnahmen. Technischen Fortschritt gibt es nicht nur im Bereich von elektrischen Antrieben, sondern auch bei anderen Antriebskonzepten. Ein Beispiel mit ähnlichem Entwicklungsstand wie die batterieelektrische Antriebstechnik ist der Wasserstofantrieb. Der Fortschritt betrift sowohl den Schadstofausstoß als auch die primärenergetische Basis und den Wirkungsgrad. Konventionelle Antriebe werden mittelfristig für viele Nutzergruppen erste Wahl bleiben müssen, zumal speziell für den Langstreckenverkehr auf Straßen keine hinreichend entwickelten Alternativen bereit stehen. Auch langfristig wird für den auf der Langstrecke eingesetzten Lkw, Bus und Pkw ebenso wie für Flugzeug- und Schifsantriebe keine wirtschaftliche Alternative zum Verbrennungsmotor gesehen. Die Wirkungsorientierung - beispielsweise reduzierte CO 2 -Emissionen der Gesamtkette, verstärkte Nutzung regenerativer Energien, reduzierter Kraftstofverbrauch, lokale Emissionen und reduzierter Lärm - muss Maßstab sein, ohne technologische Vorfestlegungen zu trefen („Technikofenheit“). Ein solcher Ansatz könnte sich an der Belastung durch alle fossilen Kostenstofmengen orientieren, die in den jeweiligen Prozess der technischen Nutzung zur Mobilitätserzeugung eingebracht werden. Etablierung weniger, großer „Schaufensterprojekte“ Die derzeitigen Modellvorhaben erscheinen zum Teil als zu kleinteilig, um die Entwicklung der Elektromobilität als Syszahl potenzieller monetärer Anreize diskutiert, die diese Kostennachteile ausgleichen können und somit zu einem schnelleren Markthochlauf führen. Beispiele hierfür sind die bereits im Regierungsprogramm Elektromobilität beschlossenen Maßnahmen wie die Verlängerung der Kfz-Steuerbefreiung, der Nachteilsausgleich bei der Dienstwagenbesteuerung sowie die Beschafungsinitiative der Bundesregierung. Des Weiteren wären eine Kaufprämie (als Einmal- oder Ratenzahlung), zinsgünstige Kredite oder bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Gewerbekunden denkbare Maßnahmen. Auch wenn diese Instrumente grundsätzlich geeignet sind, E-Fahrzeuge kurzfristig zu fördern, sprechen derzeit die Gegebenheiten in Deutschland dagegen. Als Mittel zur Förderung der deutschen Automobilindustrie erscheinen direkte monetäre Anreize zumindest aktuell ungeeignet, um das Ziel „Leitanbieter“ zu fördern. Der indirekte positive Efekt, den eine solche Prämie durch die Beschleunigung der Difusion auch für deutsche Hersteller hätte, kann günstiger durch andere Instrumente erzielt werden. Auch der Hinweis auf andere Länder, die monetäre Anreize etabliert haben (wie z. B. USA oder Frankreich), begründet nicht, warum Deutschland diesem Beispiel folgen sollte. Aktuelle Modellrechnungen gehen für den Fall, dass keine monetären Anreize etabliert werden, bis 2020 von ca. 500 000 verkauften E-Fahrzeugen in Deutschland aus. Somit wird es auch ohne monetäre Anreize in Deutschland zu einer erkennbaren Markteinführung von Elektromobilität kommen. Zur Erreichung der mittelfristigen Ziele (6- Mio. in 2030) dürften monetäre Anreize für dieses Marktvolumen zu teuer sein, um Kostennachteile auszugleichen. Abwägung bei nicht-monetären Anreizen Neben monetären Anreizen, die auf eine Verringerung des Kostennachteils von E-Fahrzeugen abzielen, können auch nichtmonetäre Anreize diskutiert werden. Hierzu gehören insbesondere ordnungspolitische Maßnahmen, die E-Fahrzeuge gegenüber konventionellen Antrieben privilegieren oder konventionelle Antriebe bestrafen. Beispiele hierfür sind eine Verschärfung der zulässigen Abgasnormen in Umweltzonen, die Freigabe von Sonderfahrstreifen für E-Fahrzeuge oder auch Parkstände, die nur von E-Fahrzeugen genutzt werden dürfen (evtl. in Zusammenhang mit Ladeinfrastruktur). Auch diese Anreize erscheinen als geeignet, die Marktdurchdringung von Elektromobilität zu beschleunigen und köntemelement städtischer und regionaler Verkehrssysteme auf die Basis gesicherter Erkenntnisse zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die auslaufenden Vorhaben zu evaluieren und sich zukünftig auf möglicherweise weniger, aber dafür größere - in ideen- und umsetzungswettbewerblichen Verfahren ausgewählte - Praxistests („Schaufensterprojekte“) zu konzentrieren, um so innerhalb der Schaufenster zu einer höheren Zahl an Nutzern und entsprechendem Angebot an Fahrzeugen, Infrastruktur und Diensten zu kommen. Zügige internationale Standardisierung Beim Systemgut Elektromobilität existieren sogenannte Netzwerkefekte, die zu stärkeren Vorteilen eines Systems bei zunehmender Ausbreitung führen. Es ist davon auszugehen, dass bei einem flächendeckenden Zugang zu kompatiblen Lademöglichkeiten die Verbreitung der Elektromobilität beschleunigt werden kann. Um Kompatibilität zu gewährleisten, kommt einer Standardisierung eine hohe Bedeutung zu. Dabei spielen die Schnittstellen eine wichtige Rolle; aber auch für Zugang und Abrechnung müssen einheitliche Lösungen gefunden werden. Im Rahmen der laufenden Modellvorhaben kommt es zum Aubau einer Vielzahl unterschiedlicher Systeme. Beispielsweise existieren unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten (z. B. Power Line Communication, RFID, Kreditkarte, Mobiltelefon) oder unterschiedliche Steckverbindungen. Aber auch die institutionellen Lösungen zur Gestaltung der Abrechnung sind vielfältig. Somit erscheint es aktuell fraglich, ob sich ohne staatliche Lenkung entsprechende Standards rechtzeitig durchsetzen. Wichtig ist eine Evaluierung dieser zu Forschungszwecken angewandten Modelle. Die Bundesregierung sollte Anstrengungen unternehmen, schnell zu einheitlichen technischen Standards zu gelangen. Diese dürfen nicht auf Deutschland beschränkt bleiben. Im Idealfall kommt es zur Festlegung weltweiter Standards. Eine europaweite Vereinheitlichung ist in jedem Fall anzustreben und erscheint auch möglich. Zurückhaltung bei monetären Anreizen Für die Mehrzahl potenzieller Nutzer haben E-Fahrzeuge bei Betrachtung der Lebenszykluskosten deutliche Nachteile gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen. Je nach Modellannahmen und Fahrzeugkategorie haben diese eine Größenordnung von ca. 4000 EUR bis 10 000 EUR. Mittelfristig kann mit einem Rückgang dieser Diferenz gerechnet werden. Aktuell wird eine Viel- POLITIK Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 14 nen einen Teil der monetären Nachteile von E-Fahrzeugen ausgleichen. Ziel von Umweltzonen ist die Verringerung lokaler Emissionen. Somit kann ein uneingeschränkter Zugang von E-Fahrzeugen zu Umweltzonen bei gleichzeitiger Verschärfung der Regeln für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sinnvoll sein. Einige straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zielen auf die Verringerung negativer externer Efekte des MIV ab, die auch mit E-Fahrzeugen einhergehen. So sollen beispielsweise Busfahrstreifen die Alternativen zum MIV attraktiver machen. Eine Freigabe für E-Fahrzeuge ist vor diesem Hintergrund genau hinsichtlich negativer Auswirkungen auf den ÖPNV zu prüfen. Für besondere Parkmöglichkeiten gelten ähnliche Überlegungen. Auch vor dem Hintergrund der hohen institutionellen Kosten, die mit diesen Maßnahmen langfristig einhergehen, erscheinen diese zwar zur Schafung kurzfristiger Kaufimpulse geeignet, sind jedoch grundsätzlich hinsichtlich kontraproduktiver Efekte einer Privilegierung abzuwägen. Bedarf und Organisationsmodelle für Ladeinfrastruktur prüfen Besonderes Augenmerk verdient derzeit die Planung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Zwar liegen hierzu Bedarfsberechnungen aus der NPE vor, jedoch sind diese kaum durch entsprechende Finanzierungs- und Bereitstellungskonzepte unterlegt. Es zeichnet sich ab, dass sich im privaten und semi-privaten Bereich ein Angebot entwickelt, welches für die frühe Nutzung der Elektromobilität weitgehend ausreichen dürfte (Tankstellen, Parkhäuser, Bürogebäude, etc.). Ergänzend wird in einem gewissen Maß öfentliche Ladeinfrastruktur benötigt, deren Finanzierung und Bereitstellung derzeit unklar ist. Der notwendige Umfang sollte im Rahmen der Schaufensterprojekte quantitativ analysiert werden. Angesichts der gespannten Haushaltslage der Kommunen benötigen diese finanzielle Unterstützung, sofern ihnen die Bereitstellungsverantwortung auferlegt werden würde. Langfristige Stärkung der Forschung an mobiler Energiewandlung und -speicherung In Folge des verstärkten Interesses an elektrischen Energiespeichern generell und an Traktionsbatterien speziell ist die Bedeutung der elektrochemischen Forschung in Deutschland stark gewachsen. Der bestehende Rückstand in der Umsetzung in Produkte ist kurzfristig nicht auholbar, zumal die anwendungsnahe Forschung in Ländern wie China, Japan, Korea und den USA staatlich unterstützt massiv vorangetrieben wird. Daher kommen für Deutschland nur langfristige Maßnahmen in Frage. Ein Ziel sollte sein, zunächst verstärkt Know-how im Land aufzubauen, die Forschungstätigkeit auf universitärer und außeruniversitärer Ebene zu stärken und so Grundlagenwissen aufzubauen. Erst im zweiten Schritt könnten daraus wieder Wertschöpfungstätigkeiten in der Batterieproduktion entstehen. Diese Anstrengungen sollten durch eine Verstetigung gezielter Förderung von industrieller Forschung flankiert werden, wie dies bereits bei der Initiative LIB 2015 der Fall ist. Elektrofahrzeuge auch in anderen Einsatzbereichen fördern In der aktuellen Diskussion wird der Begrif Elektromobilität zumeist auf Pkw des motorisierten Individualverkehrs eingegrenzt. Es existieren jedoch eine Reihe anderer Anwendungsbereiche, für die sich E- Fahrzeuge grundsätzlich eignen. Vielerorts erprobt werden bereits batterieelektrisch betriebene Zweiräder, wie zum Beispiel in der Modellregion Stuttgart. Darüber hinaus gibt es auch außerhalb des Individual- und Personenverkehrs Bereiche, in denen das Potenzial batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge zum Tragen kommen könnte. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf den Güterverkehr in städtischen Gebieten zu verweisen, der für einen erheblichen Teil der dortigen lokalen Emissionen steht. In Zusammenhang mit induktivem Laden erscheinen perspektivisch auch weitere Einsatzgebiete im öfentlichen Verkehr geeignet (z. B. Batterie-Busse, Batterie-Taxen). Elektromobilität in neue Mobilitätskonzepte integrieren Es ist erforderlich, Elektroverkehr in den Systemzusammenhang von Infrastruktur, Fahrzeugen, ordnungs- und straßenverkehrsrechtlichen Regelungen und informatorischen Maßnahmen einzuordnen und zu entwickeln. Erfordernisse, Chancen, fördernde und hemmende Faktoren für Elektroverkehr werden erst aus dem Systemzusammenhang beurteilbar, der auch die Beurteilung der Wirkungen und der Eignung von Handlungskonzepten bzw. Maßnahmen ermöglicht. Allein durch den verstärkten Einsatz von E-Fahrzeugen wird kein Beitrag zur wesentlichen Verbesserung des Verkehrsgeschehens und zur Förderung neuer Mobilitätskonzepte geleistet. Da die Kostennachteile von E-Fahrzeugen mit steigender Fahrleistung abnehmen, erscheinen sie aber am ehesten für CarSharing-Angebote oder auch Taxen geeignet. Insbesondere feste Standplätze und Ausleihstationen können efektiv mit Ladestationen ausgerüstet werden. Institutionellen Wettbewerb zulassen, politischen Handlungsspielraum behalten Ein gewisser institutioneller Wettbewerb bei Politikmaßnahmen sowie Überschneidungen sind unerlässlich und unvermeidbar. Für die Sicherung einer hohen Wirksamkeit und Aussagefähigkeit ist es vor allem empfehlenswert, die Versuchs- und Förderprogramme vermehrt zwischen Bund und Ländern abzustimmen. Auch sollte der „Wettbewerb der Systeme“ nicht durch finanzielle und organisatorisch überfrachtete Fördermaßnahmen verzerrt werden. Es ist abzusehen, dass innerhalb der NPE zunehmend divergierende Interessen der beteiligten Akteure den inhaltlichen Fortschritt des Themas zu behindern drohen. So verfolgt die Automobilindustrie das Ziel einer möglichst hohen „Kaufprämie“ und sieht die Einbeziehung nicht-monetärer Maßnahmen eher zurückhaltend. Die Energieversorger wiederum sind an einer staatlichen Finanzierung des Aubaus von Ladeinfrastruktur interessiert, lehnen aber gleichzeitig Rahmenvorgaben seitens der öfentlichen Hand ab. Insgesamt ist bei der mittelfristigen Strategieentwicklung somit darauf zu achten, dass die starke Interessenvertretung von Partikularinteressen, insbesondere der Automobilindustrie und der Energieversorger, den politischen Handlungsspielraum nicht übermäßig einschränkt. Das BMVBS sollte dabei einen besonders langfristigen Horizont haben, welcher die Elektromobilität im Kontext der Transformation des gesamten Verkehrssystems im Auge hat. ■ Wolfgang Stölzle, Prof. Dr., St. Gallen Vorsitzender Axel Ahrens, Prof. Dr.-Ing., Dresden Herbert Baum, Prof. Dr., Köln Klaus J. Beckmann, Prof. Dr., Berlin Manfred Boltze, Prof. Dr.-Ing., Darmstadt Alexander Eisenkopf, Prof. Dr., Friedrichshafen Hartmut Fricke, Prof. Dr.-Ing., Dresden Ingrid Göpfert, Prof. Dr., Marburg Christian von Hirschhausen, Prof. Dr., Berlin Günther Knieps, Prof. Dr., Freiburg Andreas Knorr, Prof. Dr., Speyer Kay Mitusch, Prof. Dr., Karlsruhe Stefan Oeter, Prof. Dr., Hamburg Franz-Josef Radermacher, Prof. Dr. Dr., Ulm Volker Schindler, Prof. Dr., Berlin Bernhard Schlag, Prof. Dr., Dresden Jürgen Siegmann, Prof. Dr.-Ing., Berlin Wissenschaftlicher Beirat beim BMVBS Delivering solutions. Auf jedem Meter der Lieferkette CO 2 sparen - und zwar im richtig großen Maßstab. 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POLITIK Verkehr 2050 Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 16 Eine Vision für nachhaltigen Verkehr Die „Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland“ (VIVER) des Fraunhofer-ISI zeichnet ein realisierbares, normatives und anschauliches Bild für nachhaltigen Verkehr in Deutschland und beschreibt die Treiber einer solchen Veränderung hin zu einem nachhaltigen Verkehrssystem. M it der Rio-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung (Earth Summit) der Vereinten Nationen 1992 wurde das Konzept der Nachhaltigkeit in die politische und gesellschaftliche Debatte eingeführt. Grundsätzlich sollen danach unsere Bedürfnisse heute so befriedigt werden, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei sind sowohl die ökologische als auch die ökonomische und soziale Dimension relevant. Übertragen auf das Verkehrssystem müssen die Mobilitätsbedürfnisse heutiger und zukünftiger Generationen umweltschonend, volkswirtschaftlich eizient und gleichzeitig komfortabel mit einer Vielzahl von Optionen möglichst kostengünstig erfüllbar sein, ohne den menschlichen Lebensraum und die natürlichen Ressourcen heute und zukünftig negativ zu belasten. Trotz einer jahrzehntelang andauernden Diskussion über Maßnahmen, mit denen der heutige Verkehr nachhaltiger gestaltet werden soll, sind wir heute - nicht nur in Deutschland - immer noch mit einer Vielzahl von Problemen wie Lärm, Klimabelastung, Unfälle und der Zerschneidung der Städte durch heutige Verkehrsinfrastrukturen konfrontiert. Um den Ansprüchen der Nachhaltigkeit gerecht zu werden, muss sich unser Verkehrssystem somit deutlich wandeln. Das Fraunhofer-ISI hat sich in einem internen Projekt die Frage gestellt, wie dieser Wandel sich vollziehen könnte und ein qua- Foto: General Motors Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 17 Abb. 1: Zusammenfassung der Megatrends und Schlüsselfelder in der VIVER-Visualisierung [2] litatives Szenario für nachhaltigen Verkehr in Deutschland entworfen [1]. Dieses ist im Folgenden beschrieben. Megatrends - Treiber des Wandels Verkehr ist erheblich von den Rahmenbedingungen abhängig, unter denen er stattfindet, und eine Vision eines nachhaltigen Verkehrs kann nur Realität werden, wenn sie mit diesen im Einklang steht. Für die Ausarbeitung unserer Vision haben wir die Entwicklungen bestimmender Rahmenbedingungen bis 2050 - sogenannter Megatrends - identifiziert und definiert. Durch die Zielsetzung der Nachhaltigkeit wurden bewusst positive Entwicklungen angenommen, die bei konsequentem politischem Handeln realisierbar sind. So ist angesichts des demographischen Wandels von einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung bis 2050 auszugehen. Eine aktive Familienförderungs- und Einwanderungspolitik kann die zunehmende Alterung und das Schrumpfen der Bevölkerung zwar dämpfen, aber nicht verhindern, so dass ein Rückgang von heute rund 82- Mio. auf 70 bis 74- Mio. Personen realistisch erscheint. Die Erholung von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/ 2009 ging schneller vonstatten als während der Krise erwartet, und für die kommenden Jahre ist mit einem weiteren Wirtschaftswachstum zu rechnen. Aufgrund mittel- und langfristig dämpfender Efekte (z. B. den erwarteten Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung und weiter steigende Rohstofpreise) ist zukünftig von niedrigeren Wachstumsraten als in der Vergangenheit auszugehen (durchschnittlich noch 1 bis 1,5 %). Die Globalisierung wird sich aus unserer Sicht weiter fortsetzen, so dass die Handelsströme weiter zunehmen, allerdings mit verringertem Tempo. Für Deutschland und Europa werden die Ost-West-Achsen gegenüber den Nord-Süd-Achsen an Bedeutung gewinnen. Produktionsprozesse im Ausland werden zum Teil wieder zurückverlagert. Private Initiative und Liberalisierung von Märkten werden auch zukünftig die Wirtschaftsordnung prägen, die Regulierung der Märkte durch den Staat wird nach der Wirtschaftskrise 2008/ 2009 zunehmen. Eine wichtige Rolle für die zukünftige Mobilität spielt das hierfür verfügbare Einkommen der Haushalte, das stark zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen diferiert. Entgegen dem sich in den letzten Jahren abzeichnenden Trend gehen wir in unserer positiven Vision davon aus, dass erfolgreich Maßnahmen ergrifen werden, die ein weiteres Auseinanderdriften der Einkommensgruppen verhindern. Steigende Energiekosten durch zunehmende Knappheit fossiler Brennstofe bei gleichzeitig steigender globaler Energienachfrage sowie höhere Infrastruktur- und Nutzungskosten werden zu einem deutlichen Anstieg der Kosten für physische individuelle Mobilität bis ins Jahr 2025 führen. Wir erwarten, dass bis 2050 die bis dahin technologisch nicht reduzierten externen Efekte des Verkehrs bei allen Verkehrsträgern durch intelligente Gebührensysteme vollständig internalisiert werden. Der Anstieg der fossilen Energiepreise sowie eine ambitionierte globale Klimaschutzpolitik sind wichtige Treiber für eine forcierte Durchdringung der Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien, insbesondere im Stromsektor. Bis 2050 ist ein zunehmend spürbarer Einfluss des Klimawandels zu erwarten, insbesondere werden sich häufigere Extremwetterereignisse wie Stürme, Dürren, Überflutungen oder Hitzeperioden auf die Verkehrssysteme auswirken. Durch Anpassungsmaßnahmen können die Efekte des Klimawandels auf die Mobilität insgesamt aber gering gehalten werden. Zur Visualisierung der Vision VIVER wurden die identifizierten Megatrends und die Schlüsselfelder der Vision in Form von Piktogrammen graphisch dargestellt (siehe Abbildung-1). Vision eines nachhaltigen Personenverkehrs Für die Umsetzung einer nachhaltigen Mobilität spielen Veränderungen in verschiedenen Schlüsselfeldern, die vor dem Hintergrund der beschriebenen Megatrends zu sehen sind, eine entscheidende Rolle. Zum einen betrefen diese Schlüsselfelder Bereiche, welche die Mobilität beeinflussen, wie gesellschaftliche Werte, die Gestaltung von Arbeit und Freizeit sowie Raumplanung und Produktionsprozesse, zum anderen zentrale Elemente der Verkehrssysteme selber wie Mobilitäts- und Logistikkonzepte. Wertewandel, wie eine zunehmende Bedeutung von Klima- und Ressourcenschutz, ein Wandel weg vom Auto als Statussymbol hin zu einer flexibleren, vernetzten Mobilität sowie die Assoziation von frei verfügbarer Zeit und Entschleunigung mit wachsender »Ein nachhaltiges Verkehrssystem erscheint möglich, das die negativen Verkehrsefekte deutlich reduziert, wirtschaftlich realisierbar ist und gleichzeitig die Lebensqualität der Bevölkerung umfassend verbessert.« POLITIK Verkehr 2050 Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 18 Lebensqualität sind heute schon in Ansätzen erkennbar. Durch die zunehmende Knappheit fossiler Energieträger und eine konsequente Energie- und Klimapolitik werden diese Entwicklungen an Dynamik gewinnen. Sie sind wichtige Faktoren für ein fortschreitendes Umdenken im Mobilitätsbereich. Im Folgenden wird das Ergebnis einer Umgestaltung unserer Verkehrssysteme hin zu einem nachhaltigen Verkehr für den Personenverkehr und anschließend für den Güterverkehr anschaulich beschrieben. Dazu nehmen wir eine Sicht aus dem Jahr 2050 ein, ohne den genauen Zeitpfad festzulegen. Im Jahr 2050 wird es als bedeutender Bein urbanen Regionen, nutzt im Jahr 2050 ein Großteil der Bevölkerung ÖV, Car-Sharing, das Fahrrad und andere motorisierte Kleinstfahrzeuge. Auch zu Fuß werden wieder mehr Wege zurückgelegt. Dabei hat ein Trend zum Nutzen-statt-Besitzen stattgefunden, da vermehrt Vorteile wie Kostenersparnis, Entlastung von Wartungs- und Reparaturarbeiten, Nachhaltigkeitsaspekte sowie Flexibilität durch vielfältige Wahlmöglichkeiten erkannt und attraktive Mobilitätsangebote geschafen wurden. Die Zahl der autofreien Haushalte im urbanen Raum hat in unserer Vision seit 2010 stark zugenommen, so dass die Zahl der Parkplätze drastisch reduziert werden Mobilitätsmanagement dazu bei, Verkehr zu vermeiden oder zu verlagern. Die Nutzung von modernen Kommunikationstechnologien als Alternative zu Dienstreisen über große Distanzen wird von den Unternehmen, nicht zuletzt wegen des gestiegenen Kostendrucks, deutlich gefördert, erfährt aber auch aufgrund der möglichen Zeiteinsparungen zunehmende Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Ein beträchtlicher Teil der Geschäftsreisen konnte somit ersetzt werden. „Echte“ soziale Kontakte haben aber auch im Geschäftsbereich eine große Bedeutung behalten, vielfach ist sogar durch einen stärkeren interkulturellen Austausch und komplexere Geschäftsbeziehungen neuer Verkehr über weitere Distanzen entstanden. Die Konsumstrukturen sind 2050 deutlich lokaler geworden. Gestiegene Transportkosten und ein wachsendes Qualitäts- und Umweltbewusstsein bewirkten seit 2010 ein Umdenken bei den Konsumenten und in der Folge bei den Produzenten. Zusammen mit ausgereiften Recycling-Technologien hat dies zu einer Stärkung regionaler und lokaler Produkte und Dienstleistungen geführt. Daneben wurden Internet-Einkaufsangebote, unter anderem bei Lebensmitteln, ausgeweitet und werden zunehmend genutzt. Durch eine Bündelung und Optimierung der Wege ermöglichen sie weitere Einsparpotenziale. Fernreisen sind 2050 - auch durch die stark gestiegenen Kosten im Flugverkehr - die Ausnahme. Ein mit dem Regionalverkehr gut vernetztes Angebot an Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecken, macht Bahnreisen innerhalb Europas deutlich attraktiver. Moderne Technologien ermöglichen die eiziente und komfortable Nutzung aller Verkehrsmittel einschließlich einer übergreifenden Abrechnung sowie eine Optimierung des Verkehrsflusses und eine höhere Sicherheit. Informationen über Unfälle und Staus sowie über alternative Verkehrsmittel und Routen und deren Auswirkungen auf Fahrzeit, Kosten und Ressourcenverbrauch stehen den Verkehrsteilnehmern uneingeschränkt und rechtzeitig zur Verfügung. Standardmäßig eingeführte Abstandswarn-, Brems- und Spurhaltesysteme sowie Car2Car-Kommunikationselemente erhöhen die aktive Sicherheit in allen Straßenfahrzeugen und ermöglichen eine eiziente Fahrweise. Eiziente Technologie kommt 2050 im Personenverkehr umfassend und in unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten zum Einsatz, sei es in Personenwagen, Kleinstfahrzeugen oder im öfentlichen Verkehr. Die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen der gesamten Pkw-Flotte sind bis 2030 auf 90-g/ km Abb. 2: Vision vom entschleunigten, multimodalen Stadtverkehr mit elektrischen Kleinfahrzeugen, Segways und Fahrrädern Grafik: VIVER-Studie standteil der Lebensqualität angesehen, seine alltäglichen Bedürfnisse durch kurze Wege zu erfüllen und flexibel mobil zu sein, ohne viel motorisierten Verkehr zu verursachen. Durch eine nachhaltige Stadt- und Verkehrsplanung sind die Städte für alle Bevölkerungsgruppen attraktiver und das tägliche Leben ortsbezogener geworden. Innerstädtische Alternativen zum Einfamilienhaus auf dem Land erfahren aufgrund des geringeren Flächen- und Energieverbrauchs, durch ein lebenswertes und grünes Wohnumfeld, durch bequeme, kurze Wege sowie der damit verbundenen Flexibilität und Unabhängigkeit zunehmende Beliebtheit. Durch vernetzte Mobilitätsangebote und attraktive Infrastrukturen, insbesondere konnte. Neben attraktiven urbanen Rad- und Fußwegenetzen wurde so Platz für neue Grünflächen sowie zentral gelegenen Wohnraum geschafen. Zusammen mit neuen Antriebs- und Kommunikationstechnologien haben diese Entwicklungen zu einer um ein vielfaches eizienteren Mobilität geführt. Multimodalität, d. h. die flexible Kombination verschiedener Verkehrsmittel je nach Wegetypen und -zwecken, gehört zum Alltag. Flexible öfentliche Mobilitätsangebote werden auch im ländlichen Raum zunehmend genutzt, auch wenn dort der motorisierte Individualverkehr immer noch eine sehr große Rolle spielt. In der Arbeitswelt tragen moderne Technologien und ein konsequentes betriebliches Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 19 gesunken. Es existiert eine Vielfalt von Antriebsenergien, die für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. Pkw mit Wasserstof-Brennstofzellen eignen sich für die Nutzung auf Langstrecken. In urbanen und verdichteten Regionen sind reine Elektroautos im Einsatz, die klein, leicht und kostengünstig ausgelegt sind. Insbesondere in bergigem Gelände machen Fahrräder mit zuschaltbaren Elektromotoren das Radfahren deutlich attraktiver. Die begrenzte Reichweite von reinen Elektrofahrzeugen ist kein Problem, da die Fahrzeuge in umfassende multimodale Mobilitätskonzepte eingebunden worden sind. So stehen öfentliche Elektrofahrzeuge wie auch herkömmliche Fahrräder auf zugewiesenen Parkplätzen überall an Knotenpunkten des ÖV. Moderne Car- und Bike-Sharing-Technologie erlaubt einen einfachen Zugang auch ohne Vorbuchung und das Abstellen an jedem anderen freien Parkplatz. Mobilitätsanbieter liefern Informations-, Buchungs-, Nutzungs- und Abrechnungsdienstleistungen zu den verschiedenen Verkehrsmitteln aus einer Hand. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix kann bis 2050 auf über 90 % gesteigert werden. Alternative nicht-fossile Treibstofe reduzieren die CO 2 -Emissionen der wenigen Hybridautos mit Verbrennungsmotoren, die noch im Einsatz sind, weiter. Zudem sind 2050 viele technische Verbesserungen zur Nutzung der Eizienzpotenziale, wie eine optimierte Motorsteuerung, Leichtbau, Leichtlauföle oder Reifen mit niedrigem Rollwiderstand, für Pkw Standard. Das Personenverkehrsaukommen auf deutschen Straßen ist insgesamt bis zum Jahre 2050 deutlich zurückgegangen − zum einen bedingt durch kürzere Wege und eine geringere Anzahl von motorisierten Wegen pro Person, zum anderen durch den Rückgang und eine veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung infolge des demografischen Wandels. Vision eines nachhaltigen Güterverkehrs Die angesprochenen Veränderungen der Rahmenbedingungen wirken sich auch im Güterbereich aus und unterstützen zusammen mit konsequenten Maßnahmen die Entwicklung hin zu einem nachhaltigen Güterverkehr. Organisatorische Verbesserungen, neue Fahrzeug- und Umschlagstechnologien sowie moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen 2050 eine ökonomisch wie auch ökologisch optimierte Nutzung aller beteiligten Verkehrsträger im Güterverkehr sowie eine Verbesserung des Verkehrsflusses. Verlade- und Rangierterminals arbeiten 2050 weitgehend ohne menschliche Eingrife, was die Kosten und Umschlagzeiten erheblich senkt. Auf ausgewählten Schienenstrecken verkehren fahrerlose Gütershuttles. Insgesamt haben sich die Gütermengen von Straße und Binnenschiffahrt deutlich Richtung Bahn verlagert. Der kombinierte Verkehr Straße/ Schiene, und eingeschränkt auch Straße/ Schiene/ Wasserstraße hat einen hohen Marktanteil gewonnen. Im Bereich der Straßen-Nutzfahrzeuge haben viele Eizienztechnologien aus dem Pkw-Bereich Einzug gehalten, insgesamt dominieren im Jahr 2050 Hybridtechnologien sowie rein elektrische leichte Lkw im Bereich des urbanen Lieferverkehrs. Der Schienenverkehr ist 2050 nahezu vollständig elektrifiziert worden. Beeinträchtigungen durch Lärm und Schadstofe konnten durch technische Verbesserungen der Schienenwege, Güterzüge und Lkw weitestgehend reduziert werden. Einzig die CO 2 -Emissionen spielen 2050 noch eine signifikante Rolle, sind aber soweit gesenkt worden, dass das nationale Ziel einer Reduktion der Treibhausgase um mindestens 80 % erreicht wurde. So ist die Stromerzeugung für den Schienengüterverkehr weitgehend CO 2 -neutral gestaltet worden. Im schweren Lkw-Verkehr spielen Verbrennungskraftstofe nach wie vor eine wichtige Rolle, werden jedoch zu großen Teilen aus Biomasse oder komplett synthetisch hergestellt. Flugzeuge der neuesten Generation sind durch konsequenten Leichtbau und neue Konstruktionsformen wesentlich eizienter, werden allerdings nach wie vor mit Kerosin bzw. Bio-Kerosin betrieben. Insgesamt führen die beschriebenen Veränderungen bis 2050 zunächst zu einer Stabilisierung des Verkehrsaukommens im Güterbereich und schließlich zu einer leichten Abnahme aufgrund des Übergangs zu regionalen Wirtschaftskreisläufen in zahlreichen Sektoren und bei lokalen Dienstleistungen. Schlussfolgerungen und Ausblick Visionen und Szenarien, die so weit in die Zukunft reichen, sind naturgemäß mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Sie haben jedoch eine wichtige Funktion bei der ganzheitlichen Betrachtung von Systemen und ihren Einflussfaktoren sowie der Entscheidung über Ziele und Maßnahmen. Sie erleichtern den Diskurs über mögliche oder notwendige Veränderungsprozesse. Durch eine anschauliche und umfassende Vermittlung möglicher Konsequenzen wird der Einbezug relevanter Zielgruppen in notwendige Entscheidungsprozesse möglich. LITERATUR [1] SCHADE, W.; PETERS, A.; DOLL, C.; KLUG, S.; KÖHLER, J.; KRAIL, M. (2011): VIVER - Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland. Fraunhofer ISI Working Paper Sustainability and Innovation, no. S 3/ 2011, Karlsruhe. Download: http: / / isi. fraunhofer.de/ isi-de/ e/ download/ working-papers-sustainability-and-innovation/ WP3-2011_VIVER.pdf. [2] KOZINSKI, J.; Fraunhofer-ISI (2010): Graphische Visualisierung der Vision VIVER. Öl auf Leinwand, Fraunhofer-ISI, Karlsruhe. Wolfgang Schade, Dr. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe wolfgang.schade@isi.fraunhofer.de Anja Peters, Dr. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe anja.peters@isi.fraunhofer.de Jonathan Köhler, Dr. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe jonathan.koehler@isi.fraunhofer.de Mit den in der Vision dargestellten Veränderungen und Trendbrüchen in mobilitätsrelevanten Schlüsselfeldern bis 2050 erscheint ein nachhaltiges Verkehrssystem möglich, das die negativen Efekte des Verkehrs deutlich reduziert, wirtschaftlich realisierbar ist und gleichzeitig die Lebensqualität der Bevölkerung umfassend verbessert. Dabei wird ofensichtlich, dass ein solches System nur durch gleichzeitige und konsistente Veränderungen in vielen Bereichen, die miteinander in Wechselwirkung stehen, erreicht werden kann. Zentrale Bausteine der Vision bilden die neue vernetzte, multimodale Mobilität in urbanen Räumen, die sich dadurch ergebenden Chancen für eine attraktive „grüne“ Stadtplanung und -gestaltung, sowie der durch Energieverteuerung, Klimapolitik und Klimawandel unterstützte Wertewandel. Die Beschreibung notwendiger Politiken und Maßnahmen zur Umsetzung der Vision sowie eine Quantifizierung der Veränderungen wurden hier bewusst ausgeklammert und sind für einen nächsten Schritt vorgesehen, um die Entwicklung der Vision durch implizite Annahmen zu praktischen Details nicht einzuschränken. Bei der Bearbeitung dieses Vorhabens haben weitere Kollegen des Fraunhofer-ISI mitgewirkt. Insbesondere waren dies Claus Doll, Stefan Klug und Michael Krail. ɷ LOGISTIK Supply Chain Security Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 20 Sicher ist sicher Terrorangrife sind kein neues Phänomen: IRA, RAF und ETA waren schon in den 1970er Jahren aktiv. In den letzten zehn Jahren verschob sich der Terror von der nationalen auf die internationale Ebene. Die Angrife vom 11. September waren ein Schlüsselereignis. Heute rücken gerade logistische Knotenpunkte zunehmend als Anschlagsziele ins Visier. N ichts deutet momentan darauf hin, dass die Terrorgefahr nachlässt. So berichtete der Leiter der nationalen Behörde zur Transportüberwachung in Russland von einer Verdoppelung der Anschläge auf die russische Transportinfrastruktur im Jahr 2010, verglichen mit 2009. 1 Und deutet man den Anschlag am Moskauer Flughafen Domodedovo im Januar 2011 als ein Vorzeichen, so wird dieser Trend anhalten. 2 Auch die aus dem Jemen über Europa nach Amerika verschickten Paketbomben standen vor kurzem im Fokus der internationalen Presse. Nicht nur die Sicherheit öfentlicher Personentransportsysteme erfordert somit Wachsamkeit - auch der Transport von Gütern kann ein Vehikel für Terroranschlä- Die 39 weltweit größten logistischen Schlüsselregionen Grafik: PWC ge und Angrife auf Menschenleben sein. Die Gefahrenabwehr in Lieferketten ist daher essenziell. Maßnahmen zum Schutz menschlichen Lebens und der Infrastruktur müssen fester Bestandteil der Planung von Transportsystemen und Lieferketten sein. Frachtdurchleuchtung, die Erstellung von Risikoprofilen und die ausschließliche Nutzung vertrauenswürdiger Speditionsunternehmen sind nur einige der möglichen Maßnahmen. Werden Handel, Tourismus oder Geschäftsreisetätigkeit eingeschränkt, kann eine substanzielle Belastung der Wirtschaft entstehen. 3 Die Schließung des Flughafens in Bangkok 2008 aufgrund politischer Proteste führte zu Folgeschäden in Höhe von 8,5- Mrd. USD für die thailändische Wirtschaft. Dabei wurden nicht nur die Tourismus- und Luftfahrtbranche getrofen, sondern auch sensible Exportindustrien, wie beispielsweise der Handel mit Orchideen. Hier belief sich der Schaden auf über 9-Mio. USD. 4 Um die Risiken besser zu verstehen, haben wir Daten zu Anschlägen auf Einrichtungen der Transport- und Logistikwirtschaft aus den Jahren 2004 bis 2010 analysiert. Eine umfangreiche und öfentliche Datenbank im Internet - das Worldwide Incidents Tracking System (WITS) - listet mehr als 68 000 weltweite Vorfälle seit der Einrichtung am 1.- Januar 2004 bis zum 30.- April 2010. Die Datenbank wird vom US National Counterterrorism Center (NCTC), einer amerikanischen Regierungsbehörde Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 21 zur Sammlung und Analyse von Daten zu Terrorismus und Terrorabwehr, nach dem Open-Source-Prinzip betrieben und ständig aktualisiert. 5 Wir haben die NCTC-Daten hinsichtlich der Anzahl der Attacken auf die Sektoren Luftfahrt, Schiffahrt, Straßenverkehr, Schienenverkehr und Transportinfrastruktur analysiert. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der Anschläge in den vergangenen zehn Jahren stetig zugenommen hat. 2010 wurden trotz der seit dem 11.- September 2001 deutlich verstärkten Sicherheitsmaßnahmen 3299 Vorfälle registriert. Sowohl Sicherheitsbehörden als auch Unternehmen haben noch immer Probleme, sich auf die veränderte Gefahrensituation für Lieferketten einzustellen. Die momentanen Vorkehrungen sind mithin nicht ausreichend, um einen sicheren Warentransport zu gewährleisten. Wir gehen davon aus, dass der ansteigende Trend von Angrifen auf Lieferketten in den kommenden Jahren anhalten wird und es zunehmend zu Störungen im weltweiten Warenaustausch kommen wird. Logistische Knotenpunkte als bevorzugte Anschlagsziele Angrife auf Supply Chains verfolgen oftmals das Ziel, einen möglichst großen Schaden mit einem vergleichsweise geringen Aufwand zu erzielen. 6 Aufgrund ihrer enormen Bedeutung für die globalen Handelsströme stellen logistische Knotenpunkte wie Flug- oder Seehäfen ideale Ziele dar. Mögliche Konsequenzen einer Störung eines solchen zentralen Knotenpunktes kann man erahnen, wenn man beispielsweise den Hafenstreik von 2002 betrachtet, bei dem 29- Häfen an der Westküste der USA durch einen Streik von 10 500 Hafenarbeitern lahmgelegt wurden. Der Verlust betrug Schätzungen zufolge rund 1- Mrd. USD pro Tag und es dauerte mehr als sechs Monate, bis die Auswirkungen dieses Streiks überwunden waren. Zu diesem Zeitpunkt wurden jährlich rund 60-% des amerikanischen Frachtverkehrs mit einem Warenwert von mehr als 300- Mrd. USD an den Häfen der Westküste umgeschlagen. Da die USA an rund 20 % des globalen Seehandels beteiligt sind, waren die Auswirkungen dieses Streiks nicht nur auf die USA begrenzt, sondern beeinflussten die Wirtschaftsaktivitäten auf dem gesamten Globus. 7,8 Bei Angrifen auf Flug- und Seehäfen könnten die Auswirkungen auf die globalen Warenströme noch weitaus schlimmer sein, als im oben skizzierten Fall eines Streiks. Die Abbildung zeigt die 39 weltweit größten logistischen Schlüsselregionen, über die insgesamt rund 90 % des Welthandels abgewickelt werden. Diese verfügen meist über mehrere Häfen, Flughäfen und andere logistische Infrastruktur im Großraum einer Metropole. 9 Sie bilden zentrale Knotenpunkte für den Güterumschlag und sind somit von entscheidender Bedeutung für globale Lieferketten. Aber nicht nur die Flug- und Seehäfen sind gefährdet, auch während des Transports sind Risiken zu beachten. Die meisten der großen Seefrachtrouten verlaufen durch Meerengen wie z. B. den Suezkanal oder die Straße von Malacca, die natürlichen Kapazitätsgrenzen unterliegen und teilweise durch politisch instabile Regionen verlaufen - nicht auszuschließen, dass eines dieser Nadelöhre zeitweise unpassierbar ist und lange Ausweichrouten in Kauf genommen werden müssen. Auch verlaufen viele Routen durch Pirateriegebiete, wie den Golf von Aden oder den Golf von Guinea. Das führt schon heute zu erheblichen Mehrkosten aufgrund von Sicherheitseinrichtungen, erhöhten Versicherungsprämien, aber in manchen Fällen auch durch das „Umrouten“ von Schifen. Sollten die Angrife auf Supply Chains weiterhin zunehmen, welche Maßnahmen müssten Unternehmen dann ergreifen, um sich angemessen zu schützen? Wo wären die kritischen Stellen in einer Lieferkette und wie können Unternehmen flexibel bleiben, wenn sich die Situation zuspitzen sollte? Wie können Firmen sicherstellen, dass sowohl ihr Personal als auch ihre Technologie auf dem nötigen Stand sind, um auch in den kommenden Jahrzehnten die Supply Chain zu sichern? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir im Rahmen unserer Studie Transportation & Logistics, Volume 4: Securing the supply chain 80 Experten aus 25 Ländern eingeladen, an unserer Befragung teilzunehmen und ihr Wissen, ihre Vorstellungen und ihre Einschätzungen der zukünftigen Sicherheitssituation zu teilen und zu diskutieren. 10 Sichere Transportwege gewährleisten Transport- und Logistikunternehmen müssen in Zukunft stärker als bisher Sicherheitsthemen in ihrer Routenplanung berücksichtigen. Sie müssen analysieren, inwieweit sie zwingend auf bestimmte Transportrouten angewiesen sind und wie sie mit möglichen Zwischenfällen umgehen. Ebenso wichtig: Transport- und Logistikunternehmen müssen sich darauf vorbereiten, schnell auf mögliche Veränderungen des Risikolevels in bestimmten Regionen reagieren zu können. Supply Chain Manager aller Branchen müssen Lösungen finden, wie mit höheren Transportkosten und längeren Transportzeiten zu verfahren ist, wenn sie auf alternative Transportrouten ausweichen müssen. Und selbst wenn Zwischenfälle ausbleiben: Mehr Sicherheit bedeutet oft mehr Transportzeit. Das gilt für die Schiffahrt, wenn zum Beispiel aufgrund der Piratengefahr bestimmte Meerengen nicht mehr befahren werden können. Aber auch andere Transportmodi sind betrofen, so die Luftfahrt infolge strengerer Sicherheitsvorschriften. In manchen Fällen könnte dies sogar soweit führen, dass Geschäftsmodelle, die auf zeitkritischen Lieferungen basieren, gänzlich aus dem Markt verschwinden. Sicherung des Cyberspace Schon heute hängt der Erfolg von Transport- und Logistikunternehmen stark von efektiven Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ab. Daher müssen virtuelle Gefahren genauso ernst genommen werden wie physische. Cyberattacken, die darauf ausgerichtet sind, physische Schäden zu verursachen, stellen eine zunehmende Gefahr für die Transport- und Logistikbranche dar. So könnten Manipulationen von Steuerungssystemen für Flughäfen, den Luftraum oder Eisenbahnnetze zu verheerenden Unfällen führen. Investitionen in Sicherheitsinitiativen zum Schutz der IT-Systeme in Supply Chains vor Cyberattacken sind daher zwingend erforderlich. Die jüngsten Angrife auf die IT-Systeme von Technologieführern wie Sony oder Lockheed Martin verdeutlichen, wie ernst diese Gefahr zu nehmen ist. Investitionen in eine sichere Zukunft Bedeuten höhere Ausgaben für Sicherheit gleichzeitig auch weniger Gewinn? Nicht unbedingt. Gezielte Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen können vielfältige, geldwerte Vorteile nach sich ziehen, so z. B. höhere Transparenz in der Supply Chain, Verbesserungen des Bestandsmanagements, eizientere Zollabwicklung, Vermeidung von Diebstahl und nicht zuletzt verbesserte Kundenbeziehungen. Dabei kommt es auf die richtige Kombination von präventiven und reaktiven Maßnah- »Aufgrund ihrer enormen Bedeutung für die globalen Handelsströme stellen logistische Knotenpunkte wie Flug- oder Seehäfen ideale Angrifsziele dar.« LOGISTIK Supply Chain Security Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 22 men an, um das optimale Supply Chain-Sicherheitslevel zu realisieren. Unternehmen sollten wahrscheinliche, aber auch weniger wahrscheinliche Zukunftsszenarien von Störungen in ihren Lieferketten durchspielen, deren Folgen und Folgekosten abschätzen und auf dieser Grundlage Präventions- und Krisenpläne aufstellen. Strengere Standards Staatliche Organe werden in Zukunft weiterhin regulierend in die Ausgestaltung der Sicherheit von Lieferketten eingreifen. Es ist aber davon auszugehen, dass sie den Vollzug zunehmend den Unternehmen selbst oder privaten Drittanbietern überlassen werden. Transport- und Logistikunternehmen sollten in Zukunft intensiv mit staatlichen Institutionen zusammenarbeiten, um Sicherheitsstandards (weiter) zu entwickeln, die nicht nur efektiv, sondern auch in der betrieblichen Praxis eizient umsetzbar sind. Sicherheitsaudits entlang der gesamten Supply Chain werden zur Notwendigkeit werden. Aber selbst mit strengeren Standards und besseren Technologien werden Supply Chains nie zu 100 % sicher sein. Technologien können helfen, Sicherheitslevel zu verbessern. Jedoch bleibt der Mensch das kritische Glied. Sicherheit in Supply Chains bleibt eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Unternehmen, die in der Lage sind, flexible und agile Systeme zu schafen, mit denen sie schnell und gezielt Krisen bewältigen und Gefahren möglichst schon im Vorfeld verhindern können, werden Wettbewerbsvorteile erlangen. ɷ 1 English News CN. (2011). Terror attacks at Russian transport double in 2010. 2 BBC News (24 January 2011. Moscow bombing: Carnage at Russia‘s Domodedovo airport. Aufgerufen unter: http: / / www.bbc.co.uk/ news/ world-europe-12268662 3 RUDD, M. (2011). Terrorist attack on global supply chain could threaten food, medical and fuel supplies. 2011 4 Voice of America News, Central Bank Says Bangkok Airport Closure Cost Economy $8 Billion, January 12, 2009 5 National Counter Terrorism Center. (2011). Worldwide Incidents Tracking System (WITS); Retrievd 07, June 2011 from https: / / wits.nctc.gov/ FederalDiscoverWITS/ index. do? t=Records&N=0 6 MELNIK, R.; ELDOR, R. (2007). Intelligence and Terrorism Information Center at the Israel Intelligence Heritage & Commemoration Center (IICC); Small investment, large returns: Terrorism, Media and the Economy 7 Department of Homeland Security (2007) STRAT- EGY TO ENHANCE INTERNATIONAL SUPPLY CHAIN SECURITY, Peter Kauschke, Dr. Global Business Development Transportation & Logistics Pricewaterhouse Coopers AG, Düsseldorf peter.kauschke@de.pwc.com Julia Reuter Business Development Transportation & Logistics Pricewaterhouse Coopers AG, Düsseldorf julia.reuter@de.pwc.com Heiko A. von der Gracht, Dr. Managing Director Supply Chain Management Institute Wiesbaden heiko.vondergracht@ebs.edu http: / / www.dhs.gov/ xlibrary/ assets/ plcy-internationalsupplychainsecuritystrategy.pdf 8 http: / / www.pbs.org/ newshour/ bb/ economy/ july-dec02/ docks_09-19.html 9 THE GEOGRAPHY OF TRANSPORT SYSTEMS; SECOND EDI- TION Jean-Paul Rodrigue, Claude Comtois and Brian Slack (2009), New York: Routledge, 352 pages. ISBN 978-0-415- 48324-7 10 PricewaterhouseCoopers, EBS Business School: Transportation & Logistics 2030 Volume 4: Securing the supply chain „Management der Betriebsqualität bei alternden Anlagen und knappen Kassen“ Fachtagung am 27./ 28. September 2011 Programm Anmeldungen ab sofort über die Website tu-dresden.de/ vsys Plenarvortragsreihe mit Herrn Jürgen Fenske, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen MDir Michael Harting, Leiter der Abteilung Landverkehr im BMVBS Prof. Ronald Pörner, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie Deutschland Podiumsdiskussion Moderation Prof. K. Ringat, Geschäftsführer des RMV, Vizepräsident des VDV, Präsident der DVWG Ausgewählte Fachvorträge von Vertretern aus Verkehrsunternehmen, Industrie und Forschung Hamburger Hochbahn AG, Verkehrs-AG Nürnberg, VerkehrsGesellschaft Frankfurt am Main, Wiener Linien, Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg BOMBARDIER, SIEMENS, VDEI, VVO, ETH Zürich, TU Delft, TU Dresden Technisches Besuchsprogramm Dresdner Verkehrsbetriebe AG, Projekt Messstraßenbahn unterstützt durch Professur für Verkehrssystemtechnik Professur für Verkehrssystemtechnik Prof. Dr. Jörg Schütte Technische Universität Dresden Tel. +49 351 463-37823 E-Mail: QSYS2011 @ tu-dresden.de http: / / tu-dresden.de/ vsys LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 23 Einzelwagennetz muss flexibler werden Der Gütertransport in Europa wies in den vergangenen Jahrzehnten starke Wachstumsraten auf. Der Modal Split zeigt einen Zuwachs beim Straßentransport, die Schiene hat ihren zunächst hohen Anteil deutlich verloren - auch im zugehörigen Einzelwagenverkehr. Ein neues Produktionssystem für den EWV kann flexibler auf Auslastungsschwankungen reagieren und die Laufzeiten der Wagen verringern. D er Einzelwagenverkehr (EWV) der verschiedenen EU-Staaten ist untereinander vernetzt, jedoch sind die Netzwerke historisch gewachsen und dienen eher nationalen Belangen. Wird eine Sendung grenzüberschreitend per EWV versendet, so sind mindestens zwei Einzelwagennetzbetreiber am Transport beteiligt und es liegen getrennt voneinander operierende Transportnetze der Betreiber vor. Dies ist aus Sicht von global agierenden Unternehmen problematisch und auch im Sinne des Informationsflusses und der Transportqualität gibt es Probleme in der internationalen Zusammenarbeit. Es scheint somit nicht verwunderlich, dass nur der Straßentransport in der Vergangenheit vom starken Mengenwachstum im Gütertransport profitieren konnte und damit zeitgleich den EWV stärker unter Handlungsdruck setzt. Abbildung-1 zeigt den Modal Split der EU27. Der grenzüberschreitende EWV hält derzeit einen Anteil von ca. 10 % am gesamten EWV [2]. Da sich erste europäische Staatsbahnen oder deren Nachfolgeorganisationen aus dem Einzelwagenverkehr zurückziehen, wie in Spanien, Dänemark oder Großbritannien, sinkt die Auslastung der EWV-Netze durch die weggefallenen Mengenströme weiter [3]. Dies ist gerade im EWV kritisch, da der Fixkostenanteil bei ca. 90 % liegt und sinkende Auslastung somit starken wirtschaftlichen Druck auf die verbliebenen Netze ausübt. Zur Verbesserung der europäischen Zusammenarbeit im EWV wurde daher die Allianz Xrail gegründet. Diese baut auf dem Trans European Transport Network (TEN-T) der EU auf und soll ein flächendeckendes europäisches Qualitätsnetzwerk für den EWV aubauen. Die Partner aus Belgien, Deutschland, Luxemburg, Österreich, Schweden, Schweiz und Tschechischen Republik arbeiten hier enger zusammen und stehen auch in Zukunft fest zum EWV [4]. Eine andere Meinung über die Zukunft des EWV vertritt die Interessengemeinschaft der Bahnspediteure, die mit großer Unzufriedenheit sieht, wie der bestehende Einzelwagenverkehr „immer weiter kollabiert“, und eine Umorientierung fordert [5]. Daher erscheint es sinnvoll, über das verwendete Netz für den EWV nachzudenken, das einen großen wirtschaftlichen Druck auf die Betreiber ausübt. Foto: DB AG LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 24 Abb. 1: Modal Split der EU27, eigene Darstellung, Datengrundlage [1] Abb. 2: Das Knotenpunktsystem der Schweiz im Detail, eigene Darstellung angelehnt an [6] Das Einzelwagensystem in Europa Im EWV werden die Wagen aus dem Anschlussgleis des Verladers abgeholt und über verschiedene Hierarchiebebenen des Transportnetzes zum Rangierbahnhof verfahren. Hier werden sie nach ihren verschiedenen Zielen sortiert und anschließend zum Rangierbahnhof nahe des Empfangsortes verfahren. Dort werden die Züge wieder zerlegt und in umgekehrter Reihenfolge den Anschlussgleisen des Empfangsortes individuell zugestellt. Der EWV ist damit zeit- und kostenintensiv. Abbildung-2 zeigt den prinzipiellen Aubau des EWV-Netzes am Beispiel Schweiz. Eine Besonderheit ist hier, dass durch Auslassen eines Rangierbahnhofs ein Expressfrachtnetz innerhalb des EWV-Netzes angeboten werden kann. Die starre Hierarchie des Knotenpunktsystems wird nicht mehr eingehalten. Seit der Weiterentwicklung in den 1970er Jahren hat sich das sog. „flexible Knotenpunktsystem“ für EWV-Netze durchgesetzt, das in jedem Nationalstaat individuell und nebeneinander betrieben wird. Je nach Transportaukommen einer Relation können Wagen im Netz umgeleitet werden und so aukommensschwache Relationen zwischen zwei Rangierbahnhöfen nicht bedient, sondern in stärker ausgelasteten Zügen über einen dritten Rangierbahnhof umgeleitet werden. Aukommensstarke Relationen zwischen zwei Knotenpunktbahnhöfen oder zwischen einem Knotenpunktbahnhof und einem Rangierbahnhof werden dagegen als Direktverkehre realisiert, ohne den Umweg über weitere Hierarchieebenen zu gehen [6]. Die unter Kostendruck stehenden Netze wurden landesindividuell stetig verbessert. So wurde in Deutschland beispielsweise im Jahr 2001 mit dem Projekt „Marktorientiertes Angebot Cargo“ (MORA-C) versucht, den defizitären Einzelwagenverkehr zu sanieren. Um Kosten einzusparen, wurden durch MORA-C von 2100 Güterverkehrsstellen in 2003 anschließend noch 1400 bedient [7]. Die Strategie war es hierbei, Gleisanschlüsse nicht mehr zu bedienen, die zu geringe Mengen in das Netz einspeisten, um wirtschaftlich tragbar zu sein. Zur Prozesskostenermittlung wurde das Projekt „Prozess Redesign Produktion“ (PRP) in 2003 durchgeführt. PRP ermöglichte eine deutlich eizientere Ressourcenplanung und Kostensenkungen in der Produktion und im Angebot von Verkehren [8, 9]. Die Produktivitätsefekte reichten jedoch nicht aus, um ein positives wirtschaftliches Ergebnis im EWV zu erzielen. In 2006 entschloss man sich zum neuen „Produktionssystem 200X“, das Züge des Fernbereichs auf zentrale Korridore und große Zugbildungsanlagen konzentriert. Das Kernnetz verbindet Deutschlands Ballungsräume mit verstetigten Zugfolgen gleichmäßiger über den Tag verteilt. Der Großteil des Aukommens wird jedoch weiterhin in der Nacht abgewickelt, aufgrund der Kundengewohnheiten, am Nachmittag zu verladen und am Morgen empfangen zu wollen [10]. Der Weiterbetrieb des EWV ist für DB Schenker Rail alternativlos. Die sieben Xrail-Partner wollen weiterhin den Einzelwagenverkehr in Europa fortentwickeln und haben bereits in Frankreich, Polen und Italien Einzelwagenbedienungen aufgenommen, dort wo sich andere Bahnen zurückgezogen haben [11]. Dies ist vor allem in Italien und Frankreich derzeit stark der Fall. Soll zukünftig ein europäisches Qualitätsnetzwerk aufgebaut werden, so sollte auch darüber nachgedacht werden, wie die momentan verschiedenen Netze besser vernetzt werden können. Konzeption eines alternativen Einzelwagennetzes für Europa In einer Betrachtung von alternativen Produktionsverfahren, Ergänzungskonzepten, innovativen Entwicklungen und autonomisierten Güterwagen wurde eine Bewertung auf die Eignung und auf Verbesserungspotenziale für einen zukünftigen EWV durchgeführt. Dieses wurde in den Bereichen Bahnbetrieb, Logistik und Wirtschaftlichkeit durchgeführt. Im Bereich Bahnbetrieb wurde der Betriebsaufwand für Zug- und Rangierfahrten für die Disposition, Steuerung und Überwachung geprüft. In der Logistik wurde der Zeitaufwand im Material- und Infor- Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 25 mationsfluss geprüft, der in den Prozessen Transport, Umschlag und Lagerung auftritt. Die Wirtschaftlichkeit wurde ebenso bewertet wie die Kapazität für Güterwagen. Letztlich führte dies zu einer Gesamtbewertung-[12]. Auf Grundlage dieser vergleichenden Bewertung wurden alternative Einzelwagensysteme erarbeitet. Im Folgenden wird ein System vorgestellt, das mittelfristig umsetzbar erscheint. Daher wurde auf Konzepte verzichtet, die auf autonomisierte Güterwagen zurückgreifen bzw. innovative Entwicklungen benötigen, die nicht flächendeckend verfügbar sind, wie z. B. ETCS (European Train Control System) oder eine gänzlich neue Terminalausstattung. In Tabelle- 1 sind daher nur relevante Verfahren, Konzepte und Entwicklungen als Auszug aufgeführt. Der EWV muss für die verladenen Unternehmen vor allem in deren Logistikprozesse integrierbar sein. Das hier vorgestellte Konzept soll daher im Bereich der Logistik Vorteile gegenüber dem derzeitigem System bieten. Als Produktionsverfahren eignet sich besonders das Hub-and-Spoke-System. Wird das Hub-and-Spoke-System mit den Linien-, Direkt- und Shuttlezügen aus dem Bereich Bahnbetrieb kombiniert, können diese zur Verbindung der Knoten in das Hub-and-Spoke-System integriert werden. Des Weiteren bietet das Railportkonzept die größten Vorteile gegenüber dem konventionellen EWV zur Handhabung in der Fläche. Auch zur Einbindung des Informationsflusses ist dieses Konzept geeignet. Da nur ein Hub von den Ausmaßen nicht sämtliche Verkehre bewältigen kann und zu große Umwege von nahe gelegenen Start- und Zielrelationen in Kauf genommen werden müssten, basiert das Netzwerk auf mehreren Hubs. Im Rahmen des Projekts „Diskrete Optimierungsmodelle und Algorithmen zur strategischen Planung von Transportnetzen im Einzelwagenverkehr“ wurden weiterhin Lösungsverfahren zur optimalen Ausgestaltung eines solchen Netzes entwickelt [12]. Exemplarisch wird hier ein System mit mehreren Hubs vorgestellt, die über Europa verteilt sind. Vor einer Umsetzung muss die Hubstruktur durch geeignete Verfahren jedoch abschließend ermittelt werden. Durch die schlankere Produktion der Verkehre entfallen die Knotenpunkt- und Satellitenbahnhöfe und tragen so gleichzeitig zur Beschleunigung des Materialflusses bei. Die exemplarische Darstellung geht grundsätzlich von zwei angebundenen Railports aus. Diese Darstellung wurde zur Veranschaulichung gewählt und wäre real deutlich umfangreicher. Die wirtschaftlich sinnvolle Verteilung und die Zuordnung der Railports zu einem Hub ist in der Darstellung ebenfalls nur exemplarisch zu sehen. Abbildung-3 zeigt stark vereinfacht den Aufbau des Einzelwagennetzes. Für die Zustellung, bzw. die Bereitstellung der Wagen in die Haltepunkte ist das Vorhalten zahlreicher Verbrennungstriebfahrzeuge in der Fläche zu vermeiden, da diese die Wirtschaftlichkeit der Verkehre gegenüber dem konventionellen Einzelwagenverkehr verschlechtern, siehe speziell hierzu auch [13]. Ein Zustellen durch die elektrisch angetriebene Streckenlok selbst, ist aus zeitlichen Gründen nicht möglich, da der Linienzug relativ kurze Fahrzeiten aufweisen soll, um den Materialfluss nicht unnötig zu verlangsamen. Zur Verteilung bzw. Sammlung in der Fläche bietet sich ein selbstangetriebener Güterwagen an. Das Konzept FlexCargoRail bietet hier spezielle Vorteile, da keine zusätzlichen Totlasten im Hauptlauf durch die Antriebe verursacht werden und ein Fahren im Anschlussgleis ohne Fahrdraht möglich ist. Weiterhin können die Railports für die Anlieferung per Lkw genutzt werden. Somit ist es Kunden ohne Gleisanschluss möglich, die Bahn für den Hauptlauf zu nutzen. Im Folgenden wird der Lauf eines selbstangetriebenen Wagens durch das Netz dargestellt: Tabelle 1: Vergleichender Auszug möglicher Verbesserungen/ Verschlechterungen zum EWV, eigene Darstellung LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 26 1. Der Wagen wird durch eigene Kraft vom Gleisanschluss zum nächstgelegenen Haltepunkt eines Linienzugs gefahren, der von einem Railport aus ringförmig bzw. linienförmig verkehrt. 2. Am Haltepunkt übernimmt der Linienzug den Wagen und verfährt diesen in den Railport. An jedem Haltepunkt eines Linienzugs werden Wagen angekuppelt und gleichzeitig aus dem Zugverband abgekuppelt. Kann die Zielrelation durch dieselbe Linie angefahren werden, wird direkt Punkt 6 durchgeführt. 3. Durch den Railport verkehrt ein Linienzug als Verbindung zwischen Hub und Railport. Dieser kuppelt vom Hub kommend Wagen für den Railport ab und auf der Rückfahrt Wagen für den Hub an. Der betrachtete Wagen wird auf der Rückfahrt an einen Linienzug angekuppelt und in den Hub verfahren. Falls der Zielbahnhof vom selben Railport mit einem anderen Linienzug erreicht werden kann, wird direkt Punkt 6 durchgeführt. 4. Im Hub wird der Linienzug aufgelöst und die Wagen zu Ausgangszügen rangiert. Falls der Ziel-Railport dem derzeitigen Hub zugeordnet ist, wird der Wagen direkt zu einem Linienzug zum entsprechenden Railport rangiert. Ansonsten wird der Wagen zuvor über einen Direktzug zum entsprechenden Hub verfahren. 5. Der Linienzug in die Railports verlässt den Hub und kuppelt den Wagen im entsprechenden Railport ab. 6. Der Wagen wird durch einen Linienzug im Railport angekuppelt und im entsprechenden Haltepunkt abgestellt. 7. Der Wagen wird aus eigener Kraft in den entsprechenden Anschluss verfahren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dankenswerterweise die Untersuchung „Diskrete Optimierungsmodelle und Algorithmen zur strategischen Planung von Transportnetzen im Einzelwagenverkehr“ unterstützt. ɷ LITERATUR [1] European Commission: Directorate-General for Energy and Transport in co-operation with Eurostat, in: Energy and Transport Figures, Chapter 3.2, 2010 [2] Bahnen sollen Erlöse wieder steigern, in: DVZ - Deutsche Logistik Zeitung, 014 (2011), 01.02.2011 [3] HEINRICI, T.: Kombi kontra Konventionell, in: DVZ - Deutsche Logistik Zeitung, Ausgabe BTLO/ 11, 10.05.2011 [4] Xrail Allianz: Presentation: The European wagonload Alliance, in: Panel session transport logistic, München, Mai 2011 [5] HEINRICI, T.: Speditionszüge statt Einzelwagen, in: DVZ - Deutsche Logistik Zeitung, 122 (2010), 12.10.2010 [6] BRUCKMANN, D.: Containerisierung des Einzelwagenverkehrs, Dissertation Universität Duisburg-Essen (2007) [7] BERNDT, T.: Eisenbahngüterverkehr, Teubner-Verlag (2001) [8] SILL, F.; PRAUSCHKE, C.: Kostendruck und Kostensenkung: Anwendung von Kostenmanagementmethoden in der Praxis - Beispiel Deutsche Bahn AG, in: Controlling & Management 1 (2005) [9] HEYDT, D.: PRP - Einfach clever produzieren, in: Deine Bahn 10 (2003) [10] FRICKE, E.; PENNER, H.: Der Takt der Zukunft - Das neue Produktionssystem 200X im Einzelwagenverkehr von Railion, in: Eisenbahntechnische Rundschau (ETR) 12 (2006) [11] HEINRICI, T.: Wir bieten unseren Kunden dauerhaft ein Einzelwagennetz, in: Rail Business 20/ 11 S. 12, 16.05.2011 [12] CLAUSEN, U.; SENDER, J.; SCHAUMANN, H.: Diskrete Optimierungsmodelle und Algorithmen zur strategischen Planung von Transportnetzen im Einzelwagenverkehr, TU Dortmund unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) [13] DOBESCHINSKY, H.; BITTER, S.: Untersuchungen zum Güterbahnkonzept an einer Hauptstrecke, in: Eisenbahntechnische Rundschau (ETR) 3 (2004) Henning Schaumann, Dipl.-Logist. Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Dortmund Abteilung Verkehrslogistik henning.schaumann@iml.fraunhofer.de Abb. 3: Vereinfachte Darstellung des Ersatzkonzepts, eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 59 Klassenziel nicht erreicht M it der Einigung in erster Lesung hat der EU-Verkehrsministerrat die Weichen für den Recast des ersten Eisenbahnpakets gestellt, durch den der Zugang zu Serviceeinrichtungen erleichtert, die Trassenpreise harmonisiert und die Kompetenzen der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt werden sollen. Unter dem ungarischen Vorsitz hat der Rat seine Hausaufgaben gemacht − nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. So darf bezweifelt werden, dass der Rat letztlich eine gute Note für seinen Recast erhalten wird. Denn interne Verhandlungsdokumente belegen, dass viele Mitgliedstaaten noch immer nicht im Geiste des Richtlinienpakets zur Liberalisierung des Schienengüterverkehrs in der EU handeln. Vielmehr stehen die eigenen nationalen Interessen im Vordergrund. Und da bildet Deutschland keine Ausnahme − ganz im Gegenteil. Beobachter waren überrascht, dass Deutschland Vorbehalte dagegen vorbrachte, dass die nationalen Regulierungsbehörden gestärkt werden sollen. Bauchschmerzen bereitete Deutschland insbesondere, dass den Behörden künftig alle relevanten Informationen erteilt werden müssen, wenn sie Beschwerden nachgehen. Dass die deutsche Seite diese Vorbehalte letztlich fallen ließ, lag ofensichtlich einzig und allein daran, dass die Bundesregierung am Ende isoliert dastand. Nicht verhindern konnte Berlin zudem, dass die Unabhängigkeit der Behörde gesichert wird. Diese Vorbehalte passen gar nicht zusammen mit der Ankündigung, dass in Berlin an einem umfassenden Regulierungsgesetz gearbeitet wird, mit dem die Kompetenzen der Bundesnetzagentur gestärkt werden sollen. Deutschland wolle nicht auf die EU warten, hatte der Leiter der Abteilung Landverkehr im Bundesverkehrsministerium, Michael Harting, kürzlich angekündigt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland derzeit im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) dafür verantworten muss, dass die Bundesnetzagentur nicht ausreichend mit Kompetenzen ausgestattet ist, stellt sich die Frage, wer auf wen wartet. Keine Einwände hatte Deutschland dagegen, dass mit dem Recast die aufschiebende Wirkung von Einsprüchen gegen Entscheidungen des Regulierers aufgehoben wird. Diese sind künftig direkt vollziehbar. Eine Ausnahme wird nur noch bei Entscheidungen gemacht, die nicht wiedergutzumachende Konsequenzen für den Beschwerdeführer haben. Erfolgreich wehrte sich Berlin − sehr zum Unwillen der Gemeinschaft Europäischer Bahnen CER − gegen eine Verpflichtung, mehrjährige Finanzierungsverträge abzuschließen. Christian Dahm EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung in Brüssel B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON CHRISTIAN DAHM Nichts abgewinnen konnte Deutschland auch dem Kommissionsvorschlag, dass die Betreiber von Serviceeinrichtungen stärker von marktbeherrschenden Bahnunternehmen unabhängig sein müssen. Der Rat hat diesen Kommissionsvorstoß aufgeweicht. Für die Wettbewerber der alt eingessenen Bahnen ergibt sich damit kein Fortschritt gegenüber der gegenwärtigen Situation; er wird damit zur Makulatur. Die Beispiele zeigen, dass es Deutschland mittlerweile vor allem darum geht, die Besitzstände der Deutschen Bahn (DB) zu zementieren. Die Verhandlungen im Rat haben den Beweis dafür geliefert, dass es nicht mehr weit her ist mit der gerne von Deutschland und der DB beanspruchten Vorreiterrolle bei der Bahnliberalisierung in Europa. Gekehrt wird am liebsten vor der Tür der anderen. Der Grund: Die DB fühlt sich insbesondere angesichts schwacher Regulierer in anderen EU-Ländern benachteiligt. Darum sollen diese Länder zuerst einmal ihren Rückstand auholen, bevor die Marktposition der DB weiter geschwächt und insbesondere an deren Holdingstruktur gekratzt wird. Nachhilfeunterricht in Sachen Marktöfnung könnten Deutschland und der gesamte Rat indes vom Europäischen Parlament (EP) bekommen. Dort bemühen sich die Liberalisierungsbefürworter unter Führung der EP-Berichterstatterin Debora Serracchiani, die Lücken bei der Bahnliberalisierung ein für alle Mal zu schließen. Dabei ist noch ofen, ob sich die italienische Sozialistin mit ihrer Forderung nach umgehender strikter Trennung von Netz und Betrieb vor allem gegen deutsche Abgeordnete wird durchsetzen können. Unterdessen haben die Mitglieder des EP-Verkehrsauschusses − gegen den erklärten Willen ihrer Berichterstatterin − die Abstimmung über den Recast erstmal verschoben. Das ursprünglich für Mitte Juli angesetzte Votum soll nun frühestens im Oktober stattfinden. Somit dürfte das EP-Plenum erst im November abstimmen. Die Gründe: Angesichts der Rekordzahl von rund 600 Änderungsanträgen und der Unstimmigkeiten innerhalb der Fraktionen über Kernpunkte des Recast benötigen die Europaabgeordneten mehr Zeit, um Kompromisse zu finden. Hingegen hätte Serracchiani gerne aufs Gaspedal gedrückt, damit der Recast so schnell wie möglich in Kraft treten kann. Die eiserne Verfechterin der strikten Trennung zeigt sich indes ungewohnt kompromissbereit. Und dies nicht nur, um eine Einigung nicht weiter zu verzögern, sondern auch um mit einer möglichst breiten Mehrheit in die anschließenden Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat gehen zu können. Wie dem auch sei, zeichnet sich in jedem Fall ab, dass die Europaabgeordneten über den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ im Rat hinausgehen werden. Denn das EP will seine hart erkämpfte Position als Ko-Gesetzgeber nicht so ohne weiteres aufgeben, indem auf die Entscheidung des EuGH in den Verfahren zum ersten Eisenbahnpaket gewartet wird. Da macht es auch nichts, dass sich diese Diskussionen noch einige Monate hinziehen werden. »Das Europäische Parlament muss dem EU-Ministerrat Nachhilfeunterricht in Sachen Bahnliberalisierung erteilen.« TECHNOLOGIE Radnabenmotor Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 60 Motor auf Rädern Ein mögliches Konzept, um Elektroautos alltagstauglich zu machen, ist der Radnabenmotor. Dabei ist der komplette Motor ins Rad integriert. Dieser Direktantrieb bringt gegenüber dem Verbrennungsmotor zahlreiche Vorteile, aber auch einige technologische Herausforderungen mit sich. I n Anbetracht der steigenden Kraftstofpreise, der begrenzten Ölreserven sowie der Auswirkungen des Individualverkehrs auf Umwelt und Klima mit daraus folgenden, immer schärferen Emissionsgesetzgebungen bieten Automobilhersteller zunehmend Fahrzeuge mit Elektroantrieb in verschiedenen Ausprägungen an. Während bei Hybridfahrzeugen der Hauptantrieb nach wie vor meist mit dem Verbrennungsmotor dargestellt wird, ist bei vollelektrischen Fahrzeugen der Elektromotor allein für den Antrieb zuständig. In den letzten Jahren wurden dementsprechend vermehrt Prototypen und erste Serienfahrzeuge mit Elektroantrieb vorgestellt. Zwar wird es keinen disruptiven Technologiewandel in den nächsten Jahren geben, sondern vielmehr eine parallele Entwicklung und Optimierung sowohl der verbrennungsmotorischen als auch der elektrischen Antriebstechnik in Fahrzeugen. Die Bedeutung des Verbrennungsmotors als alleinige Lösung zur Erzeugung von Antriebsenergie wird jedoch sinken. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Verkehrsaukommens insbe- Abb. 1: Demonstratorfahrzeug Frecc0 mit montiertem Radnabenmotor sondere im bevölkerungsreichen und hochdynamischen asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum ist dies unbedingt erforderlich, wenn die lokalen Emissionen in Megacities und Agglomerationen weltweit nicht weiter zunehmen sollen. Antriebskonzepte für Elektrofahrzeuge Konventionelle Fahrzeugkonzepte mit Verbrennungsmotor unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich der Art und der Zahl der angetriebenen Achsen. Bis auf einige Ausnahmen befindet sich zudem der Motorraum klassisch im Vorderwagen, während der Fahrgastraum in der Mitte und der Gepäckraum im Heck des Fahrzeugs untergebracht sind. Bei Elektrofahrzeugen sind die unterschiedlichen Konfigurationsmöglichkeiten hinsichtlich des Antriebskonzepts deutlich größer, was grundsätzlich eine bessere Anpassung des Fahrzeugs an die Kundenanforderungen ermöglicht. Üblich sind heute Zentralantriebe, die in der Regel als Asynchron- oder Synchronmaschinen mit hohen Drehzahlen (meist bis 15 000 min -1 ) ausgeführt sind. Um das erforderliche Antriebsmoment bereitzustellen und auf die anzutreibenden Räder zu verteilen, sind ein Untersetzungsgetriebe und ein Diferenzial erforderlich. Radnabenmotoren bieten als Direktantrieb die Möglichkeit, auf einen klassischen Motorraum und alle mechanischen Übertragungselemente im Antriebsstrang zu verzichten. Dadurch bieten sich größere Freiheiten und Spielräume bei der Gestaltung, Konstruktion und Umsetzung neuartiger Fahrzeugkonzepte. Die bisher existierenden Konzepte basieren auf konventionellen Antriebstopologien, da Direktantriebe und insbesondere Radnabenmotoren noch nicht in serientauglicher Reife marktverfügbar waren. Dies bildete die Ausgangslage für die Entwicklung des FhG-Radnabenmotors, der diese Lücke schließen soll. Technologische Herausforderungen für Radnabenmotoren Bei Fahrzeugen mit Radnabenmotoren sitzt der Antrieb im reifengefederten Teil des Fahrwerks. Daher ist es notwendig, das erforderliche Drehmoment durch einen Motor mit möglichst geringer Masse aufzubringen, um die Auswirkungen auf das Fahrverhalten zu reduzieren. Außerdem muss der Radnabenmotor gegen alle auftretenden Umwelteinflüsse geschützt, d. h. insbesondere gegen eindringende Flüssigkeiten abgedichtet sein, was neuartige Dichtungskonzepte für die besonders hohen Umfangsgeschwindigkeiten an der Dichtstelle erfordert. Weiterhin müssen die Radnabenmotoren geeignet in das Gesamtfahrzeug integriert werden. Der völlig unabhängige Antrieb jedes einzelnen Rades ermöglicht ein „Torque Vectoring“, also das gezielte Anpassen des jeweiligen Antriebsmoments am Rad, damit ein zusätzliches Giermoment um die Hochachse des Fahrzeugs zur Stabilisierung des Fahrzeugs im jeweiligen fahrdynamischen Zustands aufgebracht wird. Dies bietet eine erhebliche Erweiterung der Möglichkeiten existierender Fahrdynamikregelungen und Assistenzsysteme. Hierbei stellen sich bei Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 61 Abb. 2: Explosionsdarstellung des Fraunhofer-Radnabenmotors Fahrzeugen mit Mehrmotorenantrieben gegenüber Fahrzeugen mit Zentralantrieb und mechanischem Diferenzial deutlich erhöhte Anforderungen an die funktionale Sicherheit des Motors, des Steuergeräts und der gesamten Fahrzeugsteuerung. Letztlich müssen die Radnabenmotoren für ein entsprechendes Fahrzeugkonzept auch wirtschaftlich herstellbar sein, damit sich der aktuell noch höhere Aufwand z. B. gegenüber einem Zentralantrieb bei vergleichbarer Leistung sowohl aus einer Nutzenals auch aus einer Kostenbetrachtung heraus tatsächlich lohnt. Fraunhofer-Radnabenmotor Vier Institute der Fraunhofer-Gesellschaft haben im Rahmen der »Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität FSEM« unter diesen Randbedingungen gemeinsam einen Radnabenmotor mit integrierter Leistungselektronik und hoher Drehmomentdichte entwickelt und als Prototyp umgesetzt. Im ebenfalls innerhalb der FSEM aufgebauten Demonstratorfahrzeug »Fraunhofer e-concept car type 0 - Frecc0« (vgl. Abbildung 1) werden zwei Radnabenmotoren an der Hinterachse dargestellt und getestet. Beim Fraunhofer-Radnabenmotor handelt es sich um eine permanentmagneterregte Synchronmaschine (PMSM) in Außenläuferbauweise (vgl. Abbildung 2). Die aus Aluminium gefertigte Rotorglocke überträgt das erzeugte Antriebsmoment auf die Räder. Sie trägt einen weichmagnetischen Blechring, in den die Permanentmagnete eingeklebt werden. Das Statorgehäuse trägt das Blechpaket mit den Spulen und verfügt über integrierte Kanäle für die Flüssigkeitskühlung des Statorblechpakets und der ebenfalls im Motorbauraum integrierten Leistungselektronik. Die statischen und dynamischen Radlasten werden durch eine Lagereinheit mit im Hinblick auf möglichst geringe Lagerreibung optimierten Wälzlagern bei gleichzeitig hoher Steifigkeit getragen und an den Radträger bzwdas Fahrwerk weitergeleitet. Auf der Innenseite des Radträgers ist im Demonstratorfahrzeug weiterhin eine konventionelle Bremsanlage appliziert. In dieser Konfiguration ist der Radnabenmotor im Dauerbetrieb auf eine Leistung von ca. 55 kW und ein Drehmoment von ca. 700 Nm ausgelegt. Innerhalb der FSEM wurden Arbeiten zur Gefahren- und Risikoanalyse und zur ASIL- Einstufung gemäß ISO-26262 durchgeführt und in einem übergreifenden Sicherheitskonzept umgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist der Fraunhofer-Radnabenmotor kurzschlussfest ausgelegt und sechsphasig ausgeführt, was eine Redundanz durch zwei unabhängige Teilmaschinen in jedem Rad bedeutet. Daher ist auch bei Ausfall einer Teilmaschine ein sicheres Anhalten und sogar eine Weiterfahrt des Fahrzeugs bis zur nächsten Werkstatt möglich sowie die Fahrsicherheit stets gewährleistet. Fazit Im Rahmen der »Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität FSEM« wurde ein Radnabenmotor mit integrierter Leistungselektronik und hoher Drehmomentdichte entwickelt und als Prototyp umgesetzt, der am Demonstratorfahrzeug »Fraunhofer e-concept car type 0 - Frecc0« appliziert und getestet wird. Hierbei wurden sowohl die technischen als auch die sicherheitsrelevanten Fragestellungen betrachtet und unter Berücksichtigung einer serientauglichen Fertigung Lösungen entwickelt, die den Einsatz von Radnabenantreiben an künftigen Elektrofahrzeugen ermöglichen. Damit eröfnen sich neue Perspektiven für nutzungsoptimierte Fahrzeugkonzepte beispielsweise für platzsparende Stadtfahrzeuge, bei denen der gestalterisch nutzbare Raum bei minimalen Abmessungen deutlich vergrößert ist. Somit bietet die Entwicklung des Radnabenmotors neue Freiheiten zur Umsetzung innovativer Fahrzeugkonzepte und eröfnet ein breites Spektrum elektromobiler Anwendungen. ɷ Felix Horch, Dipl.-Ing. Fraunhofer IFAM, Bremen felix.horch@ifam.fraunhofer.de Hermann Pleteit, Dr. rer. nat. Fraunhofer IFAM, Bremen hermann.pleteit@ifam.fraunhofer.de Matthias Busse, Prof. Dr.-Ing. Fraunhofer IFAM matthias.busse@ifam.fraunhofer.de TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 62 M ikroskopische Verkehrssimulationsmodelle werden u. a. für die Untersuchung von geänderten Straßenführungen, von geänderten Lichtsignalanlagensteuerungen sowie für die Auswirkungsanalyse von Wechselverkehrszeichen eingesetzt. Um wirklichkeitstreue Simulationsergebnisse zu erhalten, ist es notwendig, für jeden einzelnen Anwendungsfall die Gültigkeit der gewählten Parameter des verwendeten Simulationsmodells nachzuweisen [1]. Daher ist sowohl die Kalibrierung (das Einstellen der Parameter der verwendeten Modelle anhand eines Vergleichs von Simulationsergebnissen mit Realdaten) als auch die Validierung der Parameter (die Kontrolle der Gültigkeit anhand eines zweiten Messdatensatzes) notwendig. Nur ein ausreichend validiertes Modell erlaubt es, quantitative Aussagen aus der Simulation auf die Realität zu übertragen. Stand der Technik Bisherige Ansätze der Kalibrierung und Validierung von mikroskopischen Verkehrssimulationsmodellen können in zwei Ansätze unterschieden werden. b Die erste Möglichkeit ist eine Kalibrierung und Validierung einer mikroskopischen Simulation mit empirischen mikroskopischen Daten. Da bei diesem Ansatz lediglich isolierte Fahrer-Fahrzeug-Einheiten betrachtet werden, kann eine Validität nur auf mikroskopischer Ebene erreicht werden. In diesem Ansatz wird nicht deutlich, welchen Efekt das Einzelfahrzeugverhalten auf die makroskopischen Eigenschaften mit ihren Variablen Verkehrsfluss und Verkehrsdichte hat. b In einem alternativen Ansatz erfolgt eine Kalibrierung einer mikroskopischen Simulation mit empirischen makroskopischen Daten. Durch die alleinige Validation des Modells auf makroskopischer Ebene kann nicht auf die Validität der Verkehrssimulationsmodelle Mikroskopische Verkehrssimulationsmodelle sind die am häufigsten verwendeten Simulationsmodelle. Der Beitrag zeigt auf, dass neue Untersuchungsbereiche sowohl die mikroskopische als auch die makroskopische Validität dieser Modelle erfordern. Nur dann ist die Übertragbarkeit quantitativer Aussagen auf die Realität möglich. Grafik: DLR Kalibrierung und Validierung Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 63 TECHNOLOGIE Wissenschaft »Es ergibt sich die Notwendigkeit, die wirklichkeitsgetreue Abbildung des individuellen Fahrzeugverhaltens durch eine mikroskopische Kalibrierung und Validierung sicherzustellen und das makroskopische Verhalten durch eine makroskopische Validierung zu bestätigen.« det werden, ist die nur makroskopisch validierte Simulation nicht ausreichend, da die Kollisionswahrscheinlichkeit stark vom detaillierten Fahrzeugverhalten abhängig sind. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die wirklichkeitsgetreue Abbildung des individuellen Fahrzeugverhaltens durch eine mikroskopische Kalibrierung und Validierung sicherzustellen und das makroskopische Verhalten durch eine makroskopische Validierung zu bestätigen [4]. Zwei-Ebenen Ansatz zur Kalibrierung und Validierung Um die Eignung oder Nicht-Eignung bisheriger Modelle zur Untersuchung der oben genannten Beispiele zu belegen, ist es notwendig, die Modelle auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene zu betrachten. Hierzu ist es erforderlich, empirische Messdaten sowohl von der mikroskopischen (Einzelfahrzeugdaten) als auch der makroskopischen (Verkehrsablauf ) Ebene zu erheben, um diese mit den Simulationsergebnissen zu vergleichen. In einem ersten Schritt ist es notwendig, das mikroskopische Verkehrsmodell für den menschlichen Fahrer auf mikroskopischer Ebene zu kalibrieren und validieren. Nachdem auf mikroskopischer Ebene das Modell validiert wurde, werden auch die makroskopischen Simulationsergebnisse mit den empirischen makroskopischen Ergebnissen verglichen. Liegt auch bei diesem Vergleich die Abweichung zwischen makroskopischen Simulationsergebnissen und makroskopischen empirischen Daten unterhalb eines zuvor festgelegten Grenzwertes, kann das validierte Modell zur Untersuchung angewendet werden. Erhebung von Messdaten von Empirie und Simulation Zur Erhebung der notwendigen empirischen mikroskopischen Einzelfahrzeugdaten, die das Fahrzeugfolge- und Fahrstreifenwechselverhalten beschreiben, können vier Ansätze unterschieden werden [2]. Als besonders geeignet hat sich die Verwendung eines Versuchsfahrzeugs mit Sensorik, die meist auf Radar- oder Lidartechnologie basiert, zur Bestimmung des Abstands und der Relativgeschwindigkeit zum vorausfahrenden und insbesondere zum nachfolgenden Fahrzeug, erwiesen. Diese Daten werden zusammen mit der Geschwindigkeit des Versuchsfahrzeugs aufgezeichnet. Vorteile dieses Verfahrens sind die große Flexibilität und die Möglichkeit, längere Streckenabschnitte zu untersuchen. Die Aktionen des Fahrers und das Fahrzeugverhalten können direkt beobachtet werden und müssen nicht aus Videoaufnahmen extrahiert oder aus GPS-Positionsdaten abgeleitet werden. Bei der Beobachtung der nachfolgenden Fahrzeuge kann aufgrund der großen Anzahl an beobachteten Fahrern die Inter-driver-Variabilität bestimmt werden. Da der Fahrer des nachfolgenden Fahreinzelnen Submodelle auf mikroskopische Ebene geschlossen werden. Es ist unter Umständen möglich, dass unterschiedliche Kombinationen mikroskopischer Verhaltensweisen zum gleichen makroskopischen Verhalten führen. Die ausführliche Untersuchung bisheriger Ansätze der Kalibrierung und Validierung hat aufgezeigt, dass die mikroskopische und makroskopische Betrachtungsebene bislang nur getrennt behandelt werden [2]. Es findet entweder eine ausschließliche Betrachtung mikroskopischer Messgrößen oder eine ausschließliche Betrachtung makroskopischer Messgrößen während der Kalibrierung und Validierung statt. Die bisherigen Ansätze lassen damit ofen, ob eine Übereinstimmung auf beiden Ebenen zu erreichen ist oder ob diese Modelle wichtige Aspekte zur Erreichung dieser Übereinstimmung vernachlässigen. Neue Anforderungen an Verkehrssimulationsmodelle Die Anforderungen an die Kalibrierung und Validierung sind stark vom Anwendungsfall abhängig. Bei unterschiedlichen Untersuchungen der letzten Jahre zeigt sich bei detaillierter Betrachtung die Notwendigkeit der gleichzeitigen Betrachtung von mikroskopischen und makroskopischen Kenngrößen in der Simulation. Beispiel 1 sind moderne Verkehrsassistenzsysteme (VAS) [3], welche die Längsdynamik einzelner Fahrzeuge regeln, um insgesamt den Verkehrsfluss zu optimieren. Da das VAS das mikroskopische Fahrzeugfolgeverhalten verändert, ist es zwingend notwendig, ein mikroskopisch valides Simulationsmodell zu nutzen, um die Unterschiede zwischen menschlicher und geregelter technischer Fahrzeugdynamik abzubilden. Eine Validierung des Modells nur auf mikroskopischer Ebene ist nicht ausreichend. Durch die Interaktion der einzelnen Fahrzeuge auf mikroskopischer Ebene ergibt sich ein beobachtbares makroskopisches Verhalten. Um die Auswirkungen des Verkehrsassistenzsystems auf die makroskopischen Verkehrskenngrößen (z. B. Verkehrsstärke, Reisezeit) bewerten zu können, ist es daher notwendig, die Simulation sowohl auf mikroskopischer Ebene zu kalibrieren als auch auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene zu validieren. Beispiel 2 ist die Simulation des Verkehrsablaufs an einer lichtsignalgesteuerten Kreuzung. In der Regel wird für diese Untersuchung eine mikroskopische Simulation mit makroskopischen Daten kalibriert und validiert. Dieses ist für eine Vielzahl von Anwendungsfällen auch hinreichend, da die Anzahl an Fahrzeugen, die die Kreuzung passieren von Bedeutung ist. Die detaillierte Einzelfahrzeugbewegung hingegen ist oftmals wenig relevant. Soll diese Simulation nun aber zur Analyse der Verkehrssicherheit, z. B. zur Bestimmung der Kollisionswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Lichtsignalsteuerung verwen- TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 64 Erhobene Messdaten Als Versuchsstrecke wurde der Streckenabschnitt der Autobahn A2 Braunschweig-Nord bis Hannover-Langenhagen ausgewählt. Es wurden insgesamt 45 Messfahrten mit einer Gesamtstrecke von mehr als 2 500 km durchgeführt. Für die weitere Auswertung hat die Verkehrsrechnerzentrale (VRZ) Hannover archivierte Datensätze von 20 ausgewählten Messquerschnitten für den betrachteten Streckenabschnitt zur Verfügung gestellt. Mikroskopische Kalibrierung Im Rahmen der Kalibrierung wurden die Parameter des im Verkehrssimulationstool AIM- SUN verwendeten Gipps-Fahrzeugfolgemodells [6] optimiert. Für die Parameteridentifikation wurden 85 Datensätze - jeweils einer Folgefahrt eines nachfolgenden Fahrzeugs − verwendet. Das verwendete Fehlermaß basiert auf dem hoch sensiblen Fehlermaß Theil’s U, wurde aber erweitert, sodass sowohl der zeitliche Verlauf von Fahrzeuggeschwindigkeit als auch der Fahrzeugabstand berücksichtigt werden. Das betrachtete Fehlermaß nimmt im Idealfall der vollständigen Übereinstimmung des zeitlichen Verlaufs von Geschwindigkeit und Abstand den Wert 0, im schlechtesten Fall den Wert + 2 an. Bei Verwendung der vom Simulationstool gelieferten Standardparameter beträgt der mittlere Wert des Fehlermaßes 0,712. Die Optimierung der Parameterwerte des Gipps Fahrzeugfolgemodells wurde mit Hilfe eines genetischen Algorithmus umgesetzt. Der Mittelwert der Fehlerwerte liegt bei Verwendung der optimierten Parameterwerte nur noch bei 0,078. Die Kalibrierung hat damit eine Verbesserung um etwa eine Zehnerpotenz gebracht! Dies zeigt sowohl das Potenzial, aber auch die Notwendigkeit der mikroskopischen Kalibrierung. zeugs keine Kenntnis von der Untersuchung hat, ist eine Beeinflussung des Fahrerverhaltens ausgeschlossen. Um nicht nur die Sichtweise eines einzelnen Versuchsfahrzeugs zu berücksichtigten, ist es notwendig, dass mehrere gleichartig ausgestattete Fahrzeuge gleichzeitig in einem definierten Erfassungsbereich am Verkehr teilnehmen. Mit einer geeigneten Orts- und Zeitreferenz unter Einschluss und Erfassung der nachfolgenden Fahrzeuge im Straßenverkehr wird es damit möglich, einen größeren Streckenabschnitt und eine größere Anzahl an Versuchsfahrern, an unterschiedlichen Versuchsfahrzeugen sowie beobachteten nachfolgenden Fahrzeugführern und Fahrzeugen zu betrachten. Für die Erhebung empirischer makroskopischen Daten können die in Verkehrsmanagementzentralen (VMZ) vorhandenen Messdaten von Verkehrsstärke und mittlerer Fahrzeuggeschwindigkeit jeweils für die zwei Fahrzeugklassen Pkw und Lkw, die mit Induktionsschleifen ermittelt werden, eingesetzt werden. Ein Vergleich der erhältlichen Sensorsysteme in [5] hat für ggf. zusätzlich notwendige Sensorik die Installation seitlich der Fahrbahn mit Radarsensor als auch den passiven Infrarotsensor als geeignet eingestuft. Die auf dem Markt erhältlichen Simulationswerkzeuge erlauben bereits die Erhebung einer Vielzahl an Messgrößen. Weitere notwendige Messgrößen können in der Regel über eine Programmierschnittstelle des Simulationswerkzeugs erhoben werden. Ergebnisse Am Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik wurden in den Jahren 2009 und 2010 umfangreiche Messdaten auf der hoch frequentierten Autobahn A2 mit einem Versuchsfahrzeug erhoben. Die Kalibrierung und Validierung auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene wurde exemplarisch durchgeführt. Abb. 1: Mittlere lokale Geschwindigkeit in der Empirie Abb. 2: Mittlere lokale Geschwindigkeit in der Simulation (Fahrzeugfolgemodell kalibriert) Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 65 TECHNOLOGIE Wissenschaft Simulationskonzept entwickelt. Der Beitrag hat exemplarisch Ergebnisse der mikroskopischen Kalibrierung und makroskopischen Validierung dargestellt. Die Notwendigkeit der Kalibrierung konnte dabei belegt werden. Die Validierung hat die Notwendigkeit aufgezeigt, beide Ebenen zu betrachten, da die mikroskopische Validität keine makroskopische Validität bedingt. Konsequenterweise ist geplant, diese Messfahrten auf mehrere entsprechend ausgestattete Fahrzeuge auszuweiten und die Messdaten gemeinsam mit den Messungen makroskopischer Größen durch lokale Sensorik zu erfassen. Diese Daten sind notwendig, um anschließend die Kalibrierung und Validierung vollständig auf zwei Ebenen bestreiten zu können. Überdies können die bei vollständiger Umsetzung des Messkonzepts erhobenen Messdaten, die eine Datenbasis bislang nicht erreichten Ausmaßes darstellen werden, Bedeutung bei der Neu- oder Weiterentwicklung von Verkehrssimulationsmodellen erlangen. Die vorgenommene Betrachtung des mikroskopischen Einzelfahrzeugverhaltens zusammen mit dem makroskopischen Verkehrsablauf wird zu einem besseren Verständnis auf den beiden Ebenen sowie deren Zusammenhänge führen. ɷ Makroskopische Validierung Für die makroskopische Validierung scheint es zielführend, eine zeitlich-räumliche Auflösung der Kenngrößen zu wählen. Abbildung- 1 und Abbildung- 2 zeigen für einen ausgewählten Zeitabschnitt die mittlere lokale Geschwindigkeit entlang der Strecke Hannover-Langenhagen bis Hannover-Lahe in Empirie und Simulation. Es ist zu erkennen, dass ein Stau gegen 8.30- Uhr ca. bei km- 219 entsteht und sich langsam bis km- 228 um ca. 9.45- Uhr ausbreitet. Die Analyse der Messdaten ergab, dass ursächlich hierfür die große Anzahl an ausfahrenden Fahrzeugen bei Hannover-Lahe auf den Messeschnellweg war. Bei genauer Betrachtung der Abbildung- 1 ist zu sehen, dass ca. bei km-225 bereits vor 9-Uhr und vor dem Eintrefen des stromabwärts liegenden Staus die mittlere lokale Geschwindigkeit abnimmt. Ursache hierfür ist die große Anzahl an einfahrenden Fahrzeugen an der Einfahrt Hannover-Langenhagen. Bislang stand nur ein Versuchsfahrzeug zur Verfügung; außerdem wurden keine Messdaten der Verkehrsstärke an den Autobahneinfahrten und -ausfahrten erhoben. Für die Durchführung einer realitätsnäheren Simulation sind diese Messdaten zwingend erforderlich. Um die geplante Vorgehensweise trotzdem zu verfolgen, wurde der betrachtete Streckenabschnitt simuliert, indem für die fehlenden Messdaten Annahmen getrofen wurden. Bei der Durchführung des vollständigen Messkonzepts kann dann auf diese Annahmen verzichtet werden. In der Abbildung-2 ist zu erkennen, dass in der Simulation die auffahrenden Fahrzeuge bei Hannover-Langenhagen (km 225) zu einem ausgeprägteren Stau führen als in der Empirie. Dementsprechend erreichen um ca. 8.30 Uhr weniger Fahrzeuge die Abfahrt Hannover-Lahe (km 219), sodass sich hier vorerst kein Stau ausbildet. Der Einfluss der Abweichung zwischen getrofenen Annahmen und Realität sowie die fehlende Kalibrierung des Fahrstreifenwechselverhaltens sind sicherlich Ursachen hierfür. Die weitere detaillierte Untersuchung auf makroskopische Validität ist in [2] beschrieben. Der Vergleich zeigt aber bereits deutlich, dass die mikroskopische Kalibrierung des Fahrzeugfolgeverhaltens nicht mit einer makroskopischen Validität des Gesamtverkehrsablaufs einhergeht. Fazit In diesem Beitrag wurde mit dem Zwei-Ebenen- Ansatz zur Kalibrierung und Validierung eine Vorgehensweise aufgezeigt, wie die Aussagekraft von mikroskopischen Verkehrssimulationsmodellen für neue Anwendungsfälle bewertet werden kann. Die Herausforderung des vorgeschlagenen Konzeptes liegt darin, die notwendigen Daten auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene zu erfassen. Hierbei ist insbesondere der Zeit- und Ortsbezug der Daten von Bedeutung. Zu diesem Zweck wurde ein Mess- und LITERATUR [1] TRAPP, R.: Hinweise zur mikroskopischen Verkehrsflusssimulation. Arbeitsgruppe Verkehrsführung und Verkehrssicherheit, Ed. FGSV Verlag, 2006 [2] DETERING, S.: Kalibrierung und Validierung von Verkehrssimulationsmodellen zur Untersuchung von Verkehrsassistenzsystemen, Dissertation, Technische Universität Braunschweig, Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik, Februar 2011 [3]Volkswagen AG: Umweltbericht 2001/ 2002 - Mobilität und Nachhaltigkeit. Wolfsburg 2001 [4] ABU FARHA, A.: Modelling and Optimization of Traic Safety and Operation in Urban Networks. Dissertation, Technische Universität Braunschweig, Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik, Februar 2010 [5] SCHNEIDER, T.: Sensorsysteme zur Verkehrslageerfassung auf Bundesautobahnen, Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik, Technische Universität Braunschweig, Bachelorarbeit, 2010 [6] GIPPS, P. G.: A behavioural car-following model for computer simulation. In: Transportation Research Part B: Methodological 15 (1981), April, Nr. 2, S. 105-111 Stefan Detering, Dr.-Ing. Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik, Technische Universität Braunschweig Detering@iva.ing.tu-bs.de Eckehard Schnieder, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik, Technische Universität Braunschweig E.Schnieder@tu-bs.de Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 66 Nutzungspotenziale für den Elektro-Pkw Die Entwicklung der Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen ist sowohl für stadt- und verkehrsplanerische Fragen als auch für Fragen der innerstädtischen Umweltqualität von maßgeblicher Bedeutung. Im Hinblick auf eine eiziente Markteinführung ist es daher notwendig, die Nutzungspotenziale und den Infrastrukturbedarf für unterschiedliche räumliche Gegebenheiten frühzeitig abzuschätzen. T rotz eines kontinuierlichen Anstiegs der Pkw-Fahrleistung und einem Trend zu leistungsfähigeren und schwereren Fahrzeugen konnte der durch den Straßenverkehr verursachte CO 2 -Emissionsanteil von 1990 bis zum Jahr 2007 durch technische Neuerungen um rund 4 % auf insgesamt 19 % gesenkt werden [vgl. Knoll, M., Marwede, M. (2010) und Umweltbundesamt (2010)]. Vor dem Hintergrund der Endlichkeit der Erdölressourcen, der bestehenden Abhängigkeit von erdölfördernden Ländern und der heutigen Klimaproblematik ist es dennoch notwendig, den Kraftstofverbrauch und damit verbunden die CO 2 -Emissionen weiter zu senken. Die Elektromobilität kann hier einen innovativen und nachhaltigen Lösungsansatz bieten, sofern der dafür benötigte Strom aus regenerativen Quellen gewonnen wird. Da jedoch die heutigen technischen Rahmenbedingungen der Elektro-Pkw (begrenzte Reichweite und lange Ladedauern), der hohe Anschafungspreis sowie die fehlende flächendeckende Ladeinfrastruktur eine einfache und schnelle Substitution der konventionellen Pkw nicht ermöglicht, ist eine erste Identifizierung der potenziellen E-Fahrzeug-Nutzer sinnvoll [vgl. u. a. Fojcik, T.-M. (2010), Varesi, A. (2009)]. Für die Marktdurchdringung der Elektrofahrzeuge ist neben den oben beschriebenen Nutzungspotenzialen die sichtbare und auf die Nutzungsmuster abgestimmte Ladeinfrastruktur von Relevanz. Lademöglichkeiten zuhause und am Arbeitsplatz stellen geeignete Maßnahmen dar, die Akzeptanz und Nutzungsmöglichkeiten zu steigern. Zudem können unmittelbar erkennbare wirtschaft- INFRASTRUKTUR Elektrofahrzeuge Grafik: Siemens AG Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 67 Abb. 1: Motorisierungsgrad nach Gemeindegröße (eigene Auswertung MiD 2008) Abb. 2: Pkw-Stellplatznutzung nach Gemeindegröße (eigene Auswertung MiD 2002 und 2008) liche Vorteile, wie geringe Betriebskosten oder finanzielle Fördermaßnahmen, die Marktdurchdringung beschleunigen. Weitere planerische, ordnungspolitische oder fiskalische Maßnahmen (z. B. Bevorrechtigung von E-Pkw in bestimmten Gebieten, besondere Parkzonen, etc.) können die Marktdurchdringung und Akzeptanz zusätzlich positiv beeinflussen. Die Entwicklung der Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen ist sowohl für stadt- und verkehrsplanerische Fragen (z. B. wirtschaftlichen Aubau einer Ladeinfrastruktur, Ertüchtigung der vorhandenen Stromversorgungsinfrastruktur oder Umgang mit den sehr leisen Elektro-Pkw im Straßenverkehr) als auch für Fragen der innerstädtischen Umweltqualität von maßgeblicher Bedeutung. Derzeit leiden viele Städte unter hohen Schadstof- und Lärmbelastungen, die überwiegend vom Verkehr hervorgerufen werden [vgl. u. a. Umweltbundesamt (2004), Umweltbundesamt (2007)]. Durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen könnten hier Entlastungen erwartet werden. Allerdings sind diese Entlastungen nicht durch einzelne Fahrzeuge erreichbar, sondern werden erst dann spürbar, wenn ein ausreichend großes Kollektiv im Einsatz ist. Dies kann jedoch nicht allein durch eine politische Maßgabe, wie die Forderung der Bunderegierung, bis zum Jahr 2020 in der Bundesrepublik 1- Mio. Elektrofahrzeuge in Betrieb zu haben [vgl. Bundesregierung (2009)], erreicht werden. Die genannte Forderung macht, bezogen auf den Kfz-Bestand von 41 Mio. Fahrzeugen im Jahr 2008 [vgl. BMVBS (2008)], nur einen geringen Anteil aus. Dieser führt flächendeckend noch zu keinen mess- und spürbaren Umweltentlastungen. Mit einer solchen Vorgabe ist allenfalls ein Benchmark für eine spätere Erfolgskontrolle gesetzt. Datenanalyse Bevor eine Potenzialabschätzung durchgeführt werden kann, müssen Kriterien zur Identifizierung der potenziellen Nutzer von Elektro-Pkw bestimmt werden. Hierzu werden zunächst ausgewählte Merkmale der deutschen Haushalte sowie die derzeitige Pkw-Nutzung näher betrachtet. Mit Hilfe einer Auswertung der Daten „Mobilität in Deutschland 2008“ (MiD 2008) lässt sich feststellen, dass der Pkw-Besitz und damit einhergehend auch die Pkw- Nutzung in ländlichen Räumen eine höhere Bedeutung hat als in Ballungsräumen. Mit steigender Einwohnerzahl der Wohnstandorte gibt es mehr Haushalte ohne und weniger Haushalte mit mehreren Pkw (vgl. Abbildung- 1). Aufgrund des attraktiven öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und der starken Nutzungsverflechtungen sind Bewohner in Ballungsräumen weniger auf den Pkw angewiesen. Hier könnten potenzielle Nutzer eines Elektro-Pkw z. B. für längere Autofahrten, für die ein Elektro-Pkw nicht geeignet ist, auf den ÖPNV bzw. den öfentlichen Fernverkehr ausweichen. In ländlichen Räumen gestaltet sich dagegen der Umstieg auf die öfentlichen Verkehrsmittel aufgrund einer deutlich geringeren Netzdichte schwieriger. Es ist anzunehmen, dass hier Pkw-Nutzer in kritischen Situationen eher auf einen noch im Haushalt vorhandenen konventionellen Pkw ausweichen würden. Im Hinblick auf die notwendige Ladeinfrastruktur lässt sich über die Datenauswertung feststellen, dass Pkw in ländlichen Räumen überwiegend auf einem festen Pkw-Stellplatz auf dem eigenen Grundstück abgestellt werden (vgl. Abbildung-2). Allerdings ermöglichen die Daten der MiD 2008 keine Aussage zur Garagennutzung bzw. -verfügbarkeit, weshalb dazu auf die Daten der MiD 2002 zurückgegrifen werden muss. Diese lassen erkennen, dass die Garagenverfügbarkeit nahezu analog zur Pkw-Stellplatznutzung mit steigender Einwohnerzahl abnimmt [vgl. auch Topp, H.- H. (2010)]. Wird davon ausgegangen, dass eine Garage i. d. R. über einen Stromanschluss zur Aufladung einer Batterie verfügt, so lässt sich für Ballungsräume ein wesentlich höherer Bedarf an Ladeinfrastruktur im öfentlichen Raum oder an definierten Stellen wie z. B. Parkhäusern oder Quartiersgaragen ableiten. INFRASTRUKTUR Elektrofahrzeuge Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 68 Die Pkw-Nutzer stehen u. a. aufgrund der geringeren Reichweite dem Elektro-Pkw bisher skeptisch gegenüber [vgl. u. a. Fojcik, T.-M. (2010), Varesi, A. (2009)]. Die Analyse der Pkw-Tagesfahrleistung zeigt jedoch, dass 95 % aller Pkw nicht mehr als 150 km und 90 % nicht mehr als 100 km am Tag fahren (vgl. Abbildung 3), weshalb die Zweifel zumindest im Hinblick auf die Alltagsmobilität eher unberechtigt sind. In der aktuellen Diskussion wird immer wieder davon gesprochen, dass sich vor allem Zweitwagen aufgrund einer geringeren Fahrleistung als substituierbar erweisen. Die Auswertungsergebnisse machen deutlich, dass die Fahrleistungsverteilungen der Pkw aus einfach-motorisierten Haushalten („einziger Pkw“) und der Zweitbzw. Drittwagen sehr ähnlich sind, weshalb beide Pkw-Ränge im Hinblick auf die Fahrleistung das gleiche Substitutionspotenzial bieten. Zudem wird deutlich, dass auch die Erstwagen trotz der höchsten durchschnittlichen Tagesfahrleistung ebenfalls ein großes Substitutionspotenzial aufweisen. Potenzialabschätzung Auf Basis der beschriebenen Analyse ergeben sich als potenzielle Nutzer zum einen diejenigen mehrfach-motorisierten Haushalte, die mindestens über einen Pkw verfügen, der eine maximale Tagesfahrleistung von 100 km/ Tag aufweist (Nutzergruppe-1). In Sondersituationen (z. B. Urlaubsfahrt etc.) kann dann auf einen vorhandenen konventionellen Pkw ausgewichen werden. Zum anderen sind jedoch auch einfach-motorisierte Haushalte geeignet, deren Pkw ebenfalls eine maximale Tagesfahrleistung von 100 km/ Tag aufweist, und die über einen ausreichenden Zugang zum ÖV-Netz verfügen (Nutzergruppe- 2). Werden diese Haushalte in der MiD- 2008 identifiziert, und wird davon ausgegangen, dass zu Beginn der Markteinführung von Elektro-Pkw maximal ein Pkw je motorisiertem Haushalt ersetzt wird, so ergibt sich für die Nutzergruppe- 1 ein hochgerechnetes Substitutionspotenzial von rund 8- Mio.- Pkw und für die Nutzergruppe- 2 von 1,4- Mio.- Pkw in Deutschland (vgl. Tabelle 1). In der Nutzergruppe 1 sind die Anteile der Erst- und Zweit-/ Drittwagen nahezu ausgeglichen. Dies verdeutlicht nochmals, dass neben den Zweitwagen auch die Erstwagen durchaus durch Elektro-Pkw ersetzbar sind. Wie zu erwarten war, sind aufgrund der Bedingung der Mehrfachmotorisierung hier deutlich mehr Haushalte in kleineren Gemeinden (< 20 000- EW) und weniger Haushalte in größeren Gemeinden (≥ 100 000-EW) angesiedelt. Zusammenfassend ergibt sich für beide Nutzergruppen ein Gesamtpotenzial von 9,5- Mio.- Pkw. 81 % der potenziellen Nutzerhaushalte (7,7- Mio.- Haushalte) verfügen über einen Pkw-Stellplatz auf dem eigenen Grundstück und könnten daher über eine eigene Steckdose den Elektro-Pkw laden. Es zeigt sich, dass der Bedarf an zusätzlicher Ladeinfrastruktur im öfentlichen Raum in größeren Gemeinden deutlich höher ist. Rund 46 % der Haushalte, die keinen Stellplatz auf dem eigenen Grundstück haben, wohnen dort (0,8 Mio. Haushalte). Entwicklungsszenarien zur Marktdurchdringung In der StädteRegion Aachen sollen im Rahmen des vom BMVBS geförderten Projektes „E-Aix“ u. a. die Einsatzmöglichkeiten von Elektrofahrzeugen im stadtregionalen Umfeld untersucht werden. Dabei steht insbesondere die Frage im Vordergrund, wie sich unterschiedliche Markdurchdringungen von Elektrofahrzeugen auf die Stromversorgungsinfrastruktur in den Orts- und Stadtteilen auswirken. Hierzu wurde in verschiedenen Szenarien die Marktdurchdringung in der StädteRegion Aachen grob abgeschätzt. Im Basisszenario werden die auf Bundesebene geforderten 1 Mio. Elektrofahrzeuge ohne Berücksichtigung von konkreten Einsatzfeldern mit Hilfe der Kfz- Zulassungszahlen der StädteRegion anteilig und gleichmäßig über alle Hubraumbzw. Leistungsklassen der Pkw in den einzelnen Kommunen der StädteRegion und den Stadtbezirken der Stadt Aachen verteilt (vgl. Abbildung 4). Weitere Szenarien, z. B. unter der Annahme einer höheren Marktdurchdringung bei Zweitwagen, lassen sich analog berechnen. Über die MiD-Daten kann hierzu eine Zweitwagenquote, ggf. auch diferenziert nach spezifischen Raumtypen, bestimmt werden. Grundsätzlich ermöglichen diese einfachen Abschätzungen einen ersten Eindruck darüber, mit welcher Anzahl an Elektro-Pkw in einer Region gerechnet werden kann. Für die Dimensionierung der lokalen Stromversorgungs- und Ladeinfrastruktur im sogenannten Ortsnetzstrang ist eine weitere Diferenzierung der durchgeführten Abschätzung auf Straßenzüge erforderlich. Da die Mobilitäts- und Verkehrsforschung davon ausgeht, dass der Pkw-Besitz in erster Linie an die Haushalte als eine wirtschaftliche Einheit gekoppelt ist, ist hierzu eine Bestimmung der Anzahl an Haushalten je Abb. 3: Pkw-Tagesfahrleistung (eigene Auswertung MiD 2008) Tabelle 1: Substitutionspotenziale (eigene Berechnung MiD 2008) Nutzergruppe 1 Nutzergruppe 2 Beschreibung Mehrfach motorisierte Haushalte Einfach motorisierte Haushalte Tagesfahrleistung > 100 km/ Tag ausreichende Erreichbarkeit notwendiger Ziele mit ÖV Subsitutionspotenzial (max. 1 Pkw je Haushalt) 8 Mio. Pkw 1,4 Mio. Pkw 9,5 Mio. Pkw * Die Zuordnung des Pkw-Ranges erfolgt über die Jahresfahrleistung. In einem mehrfach motorisierten Haushalt wird der Pkw mit der höchsten Jahresfahrleistung als Erstwagen bezeichnet. Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 69 Katja Johänning, Dipl.-Ing. Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr (ISB), RWTH Aachen University johaenning@isb.rwth-aachen.de Dirk Vallée, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr (ISB), RWTH Aachen University vallee@isb.rwth-aachen.de Abb. 4: Marktentwicklungsszenarien für Stadt und StädteRegion Aachen Straßenzug erforderlich. Dies kann jedoch nicht über die Daten des Melderegisters erfolgen, da hier jede einzelne Person mit einer Adresse verbunden ist, und eine weitere Zuordnung der Personen zu Haushalten fehlt. Aus der Stadtentwicklungsforschung ist bekannt, dass eine ausreichend zuverlässige Näherung der Bestimmung der Anzahl an Wohnungen z. B. über die Anzahl von Wasseruhren oder Stromzählern je Haushalt geschehen kann [vgl. Dennhardt,- H., Ziegler,- K. (2006)]. So lassen sich dann mit Hilfe von Daten der örtlichen Versorgungsträger die mögliche Anzahl von Elektrofahrzeugen je Straßenzug und damit der Bedarf an Ladepunkten sowie der resultierenden Belastung der Versorgungsinfrastruktur abschätzen. Falls die Daten der Versorgungsträger nicht zur Verfügung stehen, kann alternativ eine Abschätzung der Haushaltszahlen auch über eine Auswertung von Luftbildern und den darauf zu erkennenden Gebäudetypologien erfolgen. Diese Vorgehensweise ist jedoch sehr aufwendig. Im Rahmen des Projektes wurde die Anzahl von Elektro-Pkw je Straßenzug über die Niederspannungszählpunkte der Stadtwerke Aachen AG (STAWAG), dem örtlichen Versorgungsträger, ermittelt. So lässt sich zudem der Bedarf an öfentlicher Ladeinfrastruktur z. B. für Gründerzeitviertel, in denen die Bewohner i. d. R. nicht über einen Stellplatz auf dem eigenen Grundstück verfügen, räumlich bestimmen. Dieser kann dann als Grundlage für die Installation von Ladesäulen oder die Dimensionierung von Quartiersgaragen mit Ladeinfrastruktur dienen. Fazit und Ausblick Die Entwicklung der Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen ist sowohl für stadt- und verkehrsplanerische Fragen als auch für Fragen der innerstädtischen Umweltqualität von maßgeblicher Bedeutung. Im Hinblick auf eine eiziente Markteinführung ist es daher notwendig, die Nutzungspotenziale und den Infrastrukturbedarf für unterschiedliche räumliche Gegebenheiten frühzeitig abzuschätzen. Trotz einiger positiver Aspekte im Hinblick auf die Einführung von Elektromobilität in städtischen Gebieten (z. B. Reduzierung der Luft- und Lärmproblematik, Verknüpfungsmöglichkeit mit dem ÖV), gibt es in diesem Zusammenhang auch problematische Aspekte. Dies betrift vor allem die Nutzung von Elektro-Pkw als Zweitwagen (Mehrfachmotorisierung nimmt mit zunehmender Verstädterung ab) sowie die Möglichkeiten zur Aufladung der Batterie (feste Pkw-Stellplatzverfügbarkeit auf eigenem Grundstück nimmt mit zunehmender Verstädterung ab). Vor diesem Hintergrund ergibt sich im Endergebnis der Potenzialabschätzung ein nicht zu verachtender Anteil an potenziellen Nutzern aus ländlichen Räumen. Grundsätzlich sollte sich daher die Einführung der Elektromobilität nicht auf einen speziellen Raum beschränken. Es sollten vielmehr die jeweiligen räumlichen und infrastrukturellen Vorteile der Gebiete sinnvoll genutzt werden. In Bezug auf die Ballungsräume bedeutet dies vor allem die Einbindung der Elektro-Pkw in ein multimodales Verkehrskonzept und die Substitution des einzigen Pkw. Im ländlichen Raum sollte dagegen mehr die Substitution des Zweitbzw. Drittwagens angestrebt werden, so dass in Sondersituationen auf den konventionellen Erstwagen zurückgegrifen werden kann. Der Bedarf an zusätzlicher Ladeinfrastruktur im öfentlichen Raum kann über die Identifizierung der potenziellen Nutzer sowie über eine grobe Abschätzung der Marktdurchdringung bestimmt werden. ɷ LITERATUR BMVBS (2008). „Verkehr in Zahlen 2008/ 2009.“ Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Hamburg Bundesregierung (2009). „Nationaler Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung.“ Berlin DENNHARDT, H., ZIEGLER, K. (2006). „Strategien zur Ermittlung, Bewertung und konzeptionellen Weiterentwicklung von leerstehender Bausubstanz im ländlichen Raum.“, Diplomarbeit von Frau Nicole Kippenberger am Fachgebiet „Ländliche Ortsplanung“, 2006, TU Kaiserslautern FOJCIK, T. M. (2010). „CAMA-Studie - Elektromobilität 2010 - Wahrnehmung, Kaufpräferenzen und Preisbereitschaft potenzieller E-Fahrzeug-Kunden.“ Lehrstuhl für ABWL & Internationales Automobilmanagement, Universität Duisburg-Essen KNOLL, M., MARWEDE, M. (2010). „Dossier Elektromobilität und Dienstleistungen.“ Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin TOPP, H. H. (2010). „Elektro-Mobilität - Auch auf dem Land? “ Straße und Autobahn 8.2010: 566-570 Umweltbundesamt (2004). „Lärmwirkungen von Straßenverkehrsgeräuschen - Auswirkungen eines lärmarmen Fahrbahnbelages.“ Geschrieben von: WENDE, H., ORTSCHEID, J., HINTZSCHE, M. Umweltbundesamt (2007). „Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstaub und Sticksto dioxid.“ Texte 22/ 07 Umweltbundesamt (2010). „Emissionen des Verkehrs.“ http: / / www.umweltbundesamt-umweltdeutschland.de/ umweltdaten/ public/ theme.do? nodeIdent=3577 VARESI, A. (2009). „Kurz-und mittelfristige Erschließung des Marktes für Elektroautomobile Deutschland - EU.“ Technomar GmbH, TÜV SÜD, Energie & Management Verlagsgesellschaft MOBILITÄT Zukunft Personenverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 70 Neue Beweglichkeit Der Bedarf an individueller Mobilität bleibt weiterhin hoch. Doch die alleinige Umstellung auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge löst weder das Raum-, noch das Eizienzproblem in Städten. Erst durch die sinnvolle Kombination mit öfentlichen Verkehren werden moderne Fahrzeugkonzepte auch zu intelligenten Lösungen. W er etwas über die Zukunft erfahren will, muss Jugendliche beobachten. Jungen und Mädchen im Alter von 16 bis 19 Jahren sind in den letzten Jahren von vielen Institutionen oft und gerne befragt worden - auch zum Verkehr. Ob in Los Angeles, San Francisco, New York, Paris, London, Berlin, Moskau, Peking oder Shanghai, die jungen Menschen dieser Altersklassen tragen nicht nur die gleiche Kleidung, hören nicht nur die gleiche Musik, sondern haben auch sehr ähnliche Wertemuster: Die Welt muss zukünftig in erster Linie gerecht sein, die Prinzipien der Wirtschaft müssen auf den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ruhen. Die Herausforderung Beim Verkehrsverhalten zeigen die Jugendlichen ähnlich konvergente Meinungen: Bewegung und Beweglichkeit ist wichtig, man neigt zu pragmatischen Lösungen. Man wählt das Verkehrsmittel aus, das einem gerade passend erscheint; allerdings müssen die angebotenen Lösungen auch auf der Höhe der Zeit sein und die Erfordernisse der Ressourceneizienz und des Umweltschutzes bedienen. Ideologisch motivierte Grundmuster spielen dabei keine Rolle mehr. Das noch aus den 1980er und 1990er Jahren bekannte Lagerdenken, Busse und Bahnen auf der einen und Auto auf der anderen Seite, ist in dieser Alterklasse überhaupt nicht mehr vorzufinden. Auch in dieser Hinsicht dominiert der Pragmatismus. Beispielsweise nutzt man gerne und oft das Flugzeug, nur müssen die Airlines neueste Triebwerksgenerationen einsetzen. Bei der Wahl des Autos ist bemerkenswert, dass diese überhaupt kaum mehr bewusst vorgenommen wird. Autos sind einfach da. Die Verfügbarkeiten und der Zugrif auf Fahrzeugflotten ist für diese Generationen in den genannten Metropolen eine Selbstverständlichkeit. Damit spielen Statussymbole als Ausweis sozialer Positionierung, wie dies noch für viele Generationen vorher der Fall war, keine Rolle mehr. Marken, Zahl der Zylinder oder andere Leistungsmerkmale sind als Unterscheidungsmerkmale einfach nicht mehr wichtig. Viel höher im Kurs steht der einfache Zugang. Allerdings darf man die zurückgehende Bedeutung des Autos als Stilmittel gesellschaftlicher Diferenzierung nicht damit verwechseln, dass Jugendliche weniger fahren. Diese Generationen sind extrem beweglich und die Ainität zu individuellen Transportmitteln bleibt hoch. Der pragmatische Nutzwert steht im Vordergrund - das kann mal die U-Bahn, der Bus und auch die Bahn sein. Der Wunsch nach Selbstbeweglichkeit, nach Souveränität, ist weiterhin wichtig, der Hang zu „Eigenzeiten“ und „Eigenräumen“ bleibt auch in dieser Generation die zentrale Fixgröße bei der Verkehrsmittelwahl. In Summe lässt das Verkehrsverhalten erkennen, dass es kein „Hauptverkehrsmittel“ mehr gibt, sondern die Kombination aus öfentlichen Verkehren, Fahrrad oder auch Auto im Eigenbetrieb oder als Mitfahrende dominiert die Praxis [2]. Natürlich muss man relativieren für die aktuelle und auch für zukünftige Situationen: Auf dem Land oder auch in großen Agglomerationsräumen sieht das Ganze schon anders aus, auch sind materielle Voraussetzungen notwendig, über die nicht alle Menschen verfügen. Und selbst in den Städten ist die multimodale Verkehrsmittelwahl nicht überall gleich. In Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet sind die klassischen ÖV Angebote deutlich schlechter als beispielsweise in Berlin und dementsprechend liegen hier klassische MIV-Anteile auch weiterhin vorn. Und natürlich verändern sich Einstellungen und Wertemuster, wenn die Menschen älter werden, wenn der berufliche und private Alltag verbindlicher und die Freiheitsgrade kleiner werden. Aber ofenkundig bleiben doch die Kernelemente dieses Verhaltens in Ballungsräumen relevant und diese „Metromobilien“ scheinen in den letzten Jahren immer weiter zuzunehmen. So wie sich klassische Milieus immer stärker auflösen und hybride Einstellungs- und auch Konsumformen populärer werden, so scheint sich das pragmatische Verkehrsverhalten mit einer extrem hohen Nützlichkeitspräferenz mehr und mehr als städtischer Alltagsverkehr zu etablieren [5]. Monomodale Bedeutungsverluste Dies verwundert eigentlich auch nicht, wenn man sich die konkrete Verkehrssituation beispielsweise in den oben genannten Metropolregionen anschaut. Ein einzelnes Verkehrsmittel allein kann bereits heute unter den gegebenen Umständen kaum noch genügend Vorteile mobilisieren. Immer vorausgesetzt, dass es eine gewisse Wahlfreiheit gibt, scheint in der Kombination der Schlüssel für die Attraktivität zu liegen. Selbst das Fahrrad kann nicht zu allen Zeiten alle Wünsche erfüllen, und die Idee immer und überall den Bus, die U-Bahn oder die Straßenbahn zu nutzen, ist keine Lösung, um die immer komplexeren Alltagsverkehre angemessen zu bewältigen. Grafik: www.markus-hofmann.de Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 71 Besonders dramatisch zeigt sich der Verlust von monomodalen Nutzen beim Automobil. Der vielfach beschriebene und oft dokumentierte Erfolg dieses Verkehrsmittels hat dazu geführt, dass durch die ungeheure Population der Fahrzeuge ein Massenefekt eingesetzt hat, der nur noch wenig Diferenzierungen erlaubt. Man kann sich mit einem Auto gesellschaftlich nicht mehr unterscheiden; das Auto kann heutzutage die gewünschte Selbstbeweglichkeit in den Ballungsräumen nicht mehr garantieren. Der durch den Kauf eines Autos ja möglich gemachte exklusive Zugrif war über viele Jahrzehnte der Garant für hohe Beweglichkeit. Die große Masse der Fahrzeuge hat aber bekanntlich dazu geführt, dass der extreme Raumbedarf der privaten Automobilflotten die ehemaligen Vorteile zunichte gemacht hat. Damit aber noch nicht genug. Ein neues Problem kommt hinzu: die Notwendigkeit, die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umzustellen, wird immer dringlicher und in den nächsten Jahren sicherlich zu dem strategischen Politikfeld schlechthin. Weltweit werden mehr als 50 % des Ölverbrauchs durch den Verkehr mit Personen und Gütern benötigt, im Transportsektor selbst basieren mehr als 90 % aller Personen- und Tonnenkilometer auf fossilen Treibstofen. Die schon oft und viel beschworene „postfossile Verkehrswende“ wird nun tatsächlich Teil moderner Verkehrsmittel und erhöht den Druck auf die Eizienz bei den Verkehrsmitteln nochmals. Und auch hier wird das privat genutzte Fahrzeug mit einer durchschnittlichen Nutzungszeit von rund 10 % keine Chance mehr haben, für die Bewohner ein „Hauptverkehrsmittel“ zu sein. Eine nachhaltige, also eiziente Stadtentwicklung wird dem privat genutzten Verbrennungsauto in Zukunft den Funktionsraum noch weiter einschränken müssen [4]. Aber man sollte sich auch weiterhin nicht täuschen lassen: Der Bedarf an individueller Bewegung bleibt hoch und wird sicherlich durch die Vielfalt der Lebens- und Arbeitsformen in Zukunft eher noch steigen. Die Renaissance des Fahrrads in nahezu allen großen Ballungsräumen dokumentiert dies auf imposante Weise. Eine moderne Verkehrslandschaft muss daher diese Bedarfe decken können, Busse und Bahnen allein werden nicht reichen. Die private Autoflotte wiederum kann nicht wachsen. Die in diesen Monaten so oft diskutierte Option des Elektroantriebs für Fahrzeuge hilft hier ohne Weiteres auch nicht. Es stellt keine nachhaltige Perspektive für eine moderne Stadtgestaltung dar, den vorhandenen Fahrzeugpark auf elektrische Antriebe umzustellen. Das Raum- und Eizienzproblem bleibt auf der Agenda. Ein Elektroauto kann zu einer modernen Form von Elektromobilität werden, wenn sich zum modernen Antrieb auch die intelligente Nutzungsform gesellt. Und hier kann die Philosophie nur heißen: So viele Menschen wie möglich in ihren jeweiligen Profilen auf eine Flotte zu vereinen; besonders vorteilhaft, wenn sich gewerbliche Zwecke, die mehrheitlich über den Tag absolviert werden, mit privaten am Wochenende oder in den Abendstunden kombinieren lassen. „Sharingkonzepte“ gewinnen damit eine strategische Bedeutung für das Management solcher Fahrzeugflotten [3]. Intermodale Baustelle Allerdings sind solche Fahrzeugnutzungskonzepte noch nicht wirklich „intelligent“, solange diese nicht sinnvoll mit den öffentlichen Verkehren kombiniert werden. Die Attraktivität eines „Teilautos“ steigt erst dann, wenn damit auch eine attraktive Kombination mit anderen Verkehrsmitteln gewährleistet ist. Beim elektrischen Antrieb - und nur dieser wird sich in Zukunft in den Städten dauerhaft im Bereich der Individualfahrzeuge etablieren lassen - wird dies sogar zu einer Achillesferse. Denn gemessen am gewohnten „Verbrenner“ sind diese Autos wesentlich teurer und verfügen nur über eine vergleichsweise begrenzte Reichweite. Gemessen an den objektiv gemessenen Fahrprofilen ist dies kein Problem, ein E- Auto könnte locker 90 % aller Touren eines konventionellen Fahrzeugs ersetzen. Entscheidend ist die Freiheit im Kopf, jederzeit überall hinzukommen. Ein monomodales Elektroauto wird damit bis 2017, gemäß den Berechnungen der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), keinen sehr großen privaten Käufermarkt finden. Um also eine relevante Menge von Menschen zu einer E-Auto-Nutzung zu bewegen, stellt in Ballungsräumen die Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln eine Perspektive dar. Die oben beschriebenen Trends und die bereits erkennbare Gruppe der „Metromobilen“ demonstrieren, dass die notwendigen Marktsegmente vorhanden sind. Erste Ergebnisse verschiedener Forschungsvorhaben im Rahmen der Modellregionen Elektromobilität zeigen, dass insbesondere Männer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren an einer kombinierten Nutzung sehr interessiert sind. Allerdings stellt für Ungeübte die Verknüpfung noch eine erhebliche Nutzungshürde dar, denn ein durchlässiges Fahren, ein Nutzen ohne Nachzudenken über alle Verkehrsmittel hinweg, gibt es noch nicht. Noch sind verschiedene Zugangs- und Einstiegshürden zu überwinden. Die Baustelle der intermodalen Verkehrsangebote ist jetzt erst richtig eröfnet worden. Interessanterweise scheinen die Automobilhersteller hier wesentlich engagierter zu sein als die Betreiber von Bussen und Bahnen. Eingezwängt in ein noch immer nicht zeitgemäßes Personenbeförderungsgesetz erlaubt es den Konzessionsinhabern nicht, unternehmerisch zu denken und bei der Neudefinition der öfentlichen Verkehrslandschaft wirklich mitzumachen. Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde müssen sich unter den gegebenen Umständen als Hüter ihrer Privilegien generieren und den Zugang zu Bussen und Bahnen so teuer wie möglich verkaufen. Damit fehlt aber die Voraussetzung für die Entwicklung integrierter Produkte. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Automobilindustrie hier schneller ist, um das Auto herum komplementäre Bausteine öfentlicher Verkehre zu bauen, als umgekehrt die ÖPNV-Branche in der Lage wäre, die Neudefinition des öffentlichen Verkehrs selbst voranzutreiben. Den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als Besteller öfentlicher Verkehrsleistungen sowie als ordnungs- und wettbewerbspolitischer Rahmengeber fällt damit eine Schlüsselstellung zu. ɷ Andreas Knie, Prof. Dr. Geschäftsführer InnoZ - Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel GmbH, Berlin knie@wzb.eu LITERATUR [1] CANZLER, W., KNIE, A. (2011): Einfach Aufladen. Mit Elektromobilität in eine neue Zukunft, München [2] KNIE, A., CANZLER, W. (2011): Automobilität 2.0: Klimawandel - die große Herausforderung, in: FLF, Heft 4; Juli [3] Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) (2011): Zweiter Bericht, Berlin / Bonn [4] SPERLING, D., GORDON, D. (2009): Tow Billion Cars. Driving Toward Sustainability, Oxford [5] ADLER, M. (2011): Generation Mietwagen - Die neue Lust an einer anderen Mobilität, München »Entscheidend ist die Freiheit im Kopf, jederzeit überall hinzukommen. Ein monomodales Elektroauto wird damit bis 2017 keinen sehr großen privaten Käufermarkt finden. « Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 72 Perspektiven für die Eisenbahn bis 2025 Die Deutsche Bahn blickte 2010 nicht nur auf 175 Jahre erfolgreiche Geschichte zurück, sondern warf auch einen Blick auf die künftige Entwicklung des Schienenverkehrs. Als Ergebnis legte das Unternehmen zusammen mit McKinsey & Company eine Studie zu den Perspektiven bis 2025 vor. O b die Eisenbahn in Deutschland ihre Erfolgsgeschichte künftig fortschreiben kann, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: gesamtwirtschaftliche Entwicklung, gesellschaftliche Veränderungen und Handeln des Staates. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung Wächst die Wirtschaft, wachsen auch Transportbedarf und Investitionsmöglichkeiten im Schienenverkehr. Hierbei kommt es vor allem darauf an, wie nachhaltig Deutschland und andere Staaten die Folgen der Wirtschaftskrise von 2008/ 9 bewältigen. Doch selbst wenn dies gut gelingt, ist künftig mit einer deutlich volatileren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu rechnen. 1 Diese Annahme wird derzeit bestätigt durch die hohe Unsicherheit bezüglich der Rohölpreisentwicklung, durch Budgetsanierungen in einigen EU-Ländern sowie durch die Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan. Deshalb haben die Autoren der Studie auf einen genauen Prognosewert für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2025 verzichtet. Stattdessen wird ein Erwartungskorridor mittels dreier alternativer Szenarien zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufgezeigt. Im pessimistischsten Fall, dem Stagnationsszenario, wird ein BIP- Wachstum von 1 % unterstellt. Im mittleren Wachstumsszenario wird von 1,5 %, im optimistischen Chancenszenario von 2 % ausgegangen. Dieser Erwartungskorridor steht im Einklang mit vergleichbaren Prognosen Foto: Deutsche Bahn AG MOBILITÄT Zukunftsstudie Bahn Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 73 zur weiteren Wirtschaftsentwicklung, wie sie beispielsweise die Deutsche Bank, EIU, Fery, IHS Global Insight, IMF und Oxford Economics vorgelegt haben. Gesellschaftliche Veränderungen Neben den ökonomischen haben auch soziale Entwicklungen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Schienenverkehrs, vor allem auf Zahl und Art der im Personenverkehr nachgefragten Leistungen. In diesem Zusammenhang wichtige Parameter sind beispielsweise: demografische Entwicklung, Pro-Kopf-Einkommen, Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit sowie (Sub-) Urbanisierungen als Konsequenz (über-) regionaler Migrationsprozesse. Hierbei führen das vermutlich steigende Pro-Kopf- Einkommen, der voraussichtlich wachsende Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung sowie die fortgesetzte Suburbanisierung zu positiven Efekten für den Schienenpersonenverkehr. Nachteilig wirken sich dagegen die prognostizierte demografische Entwicklung sowie die Bevölkerungsausdünnung in bestimmten Regionen aus. Grundlage für diese Einschätzung gesellschaftlicher Entwicklungen waren Studien des Statistischen Bundesamts wie die 12.-koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung oder die „Bevölkerungsprognose 2005 bis 2025“ des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung. Staatliche Rahmenbedingungen Um etwa das im Wachstums- und Chancenszenario implizierte höhere Transportaukommen bewältigen zu können, sind bedarfsorientierte Investitionen in die Transportinfrastruktur unabdingbar. Im Personenverkehr kommt es zudem darauf an, dass Bund, Länder und Kommunen nicht nur Infrastrukturinvestoren sind, sondern weiterhin auch wesentliche Besteller von öfentlichen Nahverkehrsleistungen. Ebenfalls im Wachstums- und Chancenszenario unterstellt sind zusätzliche regulatorische Maßnahmen und Gesetze zur Umsetzung des 2009 von der EU verabschiedeten Klimaziels 20-20-20 2 , denn Maßnahmen zur Senkung der CO 2 -Emissionen fördern die Entwicklung des Schienenverkehrs. Die drei in sich konsistenten Szenarien für die beschriebenen Rahmenbedingungen des Schienenverkehrs definieren Entwicklungskorridore für den Schienenpersonen- und den Schienengüterverkehr. Die beteiligten Interessengruppen - insbesondere Eisenbahnverkehrsunternehmen, Zulieferindustrie und Staat - können sich daran orientieren, um die Voraussetzungen dafür zu schafen, dass das attraktive Zukunftsbild 2025 Wirklichkeit werden kann. Entwicklung der Schienenverkehrsmärkte bis 2025 Die bis 2025 für den Schienenverkehr in Deutschland zu erwartenden Veränderungen betrefen primär das Wachstum des Schienengüterverkehrs, Veränderungen der Art der Verkehrsnachfrage und Innovationen im System Schien. Personenverkehr Im Personenverkehrsmarkt ist bis zum Jahr 2025 von einem moderaten Wachstum auszugehen: Je nach Szenario werden dann rund 4 bis zu 9 % mehr Personenkilometer zurückgelegt als 2009. Der Modalanteil Schiene kann zwischen 9 und 13 % variieren (Abbildung 1). Hierbei hängt die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene nicht nur von den genannten Rahmenbedingungen ab, sondern insbesondere von der Innovationsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Denn auch wenn hinsichtlich der physischen Infrastruktur (Schiene und Fahrzeuge) nur graduelle Neuerungen zu erwarten sind: Beim Kundenangebot zeichnen sich grundlegende Innovationen ab. Dazu gehört die engere Verzahnung der Verkehrsträger in integrierten Mobilitätsketten bei gleichzeitiger Verbesserung der Verbindungen zwischen den Verkehrsmitteln sowie die Vereinfachung des Zugangs zum System Bahn. Beispielsweise könnte es darauf ankommen, dass die Kunden die verschiedenen Verkehrsmittel über eine einheitliche Schnittstelle buchen können und unter Nutzung eines einzigen Mediums (z. B. Smartphone). Ob die Schiene Marktanteile gewinnt, ist zudem von externen Einflussfaktoren abhängig. Kostensteigerungen für Öl und Energie etwa haben positive Auswirkungen für die Schiene, da diese Kosten hier einen im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern geringeren Anteil haben. Auch eine veränderte Einstellung zum Automobil - Bedeutungsverlust als Statussymbol und Trend zu neuen Besitzmodellen - wirkt sich zu Gunsten der Schiene aus. Ein negativer Einfluss auf den Modalanteil der Schiene ist hingegen zu erwarten, wenn beispielsweise künftig weniger öfentliche Mittel zur Finanzierung des Nahverkehrs zur Verfügung stehen oder bei Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr der Kostenfokus in den Vordergrund tritt. Güterverkehr Der Transportbedarf bzw. die Verkehrsleistung im Güterverkehrsmarkt wird im Vergleich zum Personenverkehr sehr viel stärker steigen. Die Spannbreite der Szenarien reicht von rund 30 bis über 60 % Wachstum bis 2025. Der Modalanteil der Schiene wird sich - in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen - zwischen rund 13 und 21 % bewegen (Abbildung 1). Das prognostizierte Wachstum des Schienengüterverkehrs wird durch strukturelle Veränderungen des Güterverkehrsmarkts hervorgerufen. So ist damit zu rechnen, dass die fortschreitende Globalisierung und engere Zusammenarbeit innerhalb der EU die grenzüberschreitenden Transporte ansteigen lassen. Die Transporteure werden sich Abb. 1: Leistung Eisenbahnverkehr * CAGAR 2008 - 2009; ** CAGAR 2009 - 2025 Quelle: McKinsey, DB AG MOBILITÄT Zukunftsstudie Bahn Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 74 Tom Reinhold, Dr. Leiter Sonderprojekte Deutsche Bahn AG Berlin/ Deutschland tom.reinhold@deutschebahn.com Georg Kasperkovitz, Dr. Partner Transport & Logistik McKinsey & Company, Inc. Wien/ Österreich georg_kasperkovitz@mckinsey.com also noch stärker international ausrichten, vor allem europäisch. Zudem dürfte sich die Güterstruktur verändern: Die traditionell profitablen Verkehre für Kohle, Chemie, Stahl etc. werden an Bedeutung verlieren, während die Transporte von Autos, Maschinen sowie sonstigen Halb- und Fertigwaren überdurchschnittlich stark wachsen - und mit ihnen die kombinierten Verkehre. Für eine prosperierende Entwicklung im Schienengüterverkehr sind neben der Dynamik des Marktes aber auch Innovationen im Kundenangebot sowie in der Produktion notwendig. Diese Innovationen mit unmittelbarem Kundennutzen sind teilweise schon heute in Ansätzen vorhanden. Dazu zählen beispielsweise web-basierte „Fahrpläne“ zur sendungsspezifischen Planbarkeit sowie die unmittelbare Angebotserstellung durch Teilautomatisierung und standardisierte Mechanismen für Transferpreise zwischen kooperierenden Bahnen. Für die Produktion sind Innovationen bei der Produktionsplanung und -steuerung zur besseren Auslastung zu erwarten, wie etwa Einzelwagenverkehre mit Kapazitätsbuchungssystem oder neue Kooperationsmodelle bei der Produktion von Verkehren (z. B. Xrail). Wie im Personenverkehr wird auch im Güterverkehr die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene durch eine Reihe externer Faktoren beeinflusst. Ein Anstieg der Energiepreise, ein stärkeres Umweltbewusstsein oder die Einhaltung von Sozialstandards im Lkw-Verkehr sind Beispiele für Faktoren, die eine Modalanteilssteigerung der Schiene begünstigen würden. Dagegen dürfte es sich negativ auswirken, wenn etwa Euro- Combis europaweit zugelassen oder weitere Einzelwagenverkehre in EU-Ländern eingestellt werden. Anforderungen an die Eisenbahninfrastruktur Damit die EVU das bis 2025 wachsende Verkehrsaukommen sowohl im Personenals auch im Güterverkehr bewältigen können, muss die Eisenbahninfrastruktur teilweise neu und ausgebaut werden - und zwar bedarfs- und zeitgerecht. Denn schon heute bestehen Kapazitätsengpässe auf hoch belasteten Korridoren. Um einen höheren Modalanteil der Schiene zu ermöglichen, sind die Netzkapazitäten von 1050-Mio. Trassenkilometer auf bis zu 1200-Mio. Trassenkilometer auszubauen (Abbildung 2). Des Weiteren kommt es darauf an, die bestehende Finanzierungslücke zu schließen. Um die bis 2025 wichtigen Infrastrukturmaßnahmen realisieren zu können, werden Mittel von rund 2- Mrd.- EUR p. a. benötigt (Stand 2011). Die aktuelle Bundeshaushaltslinie liegt aber nur bei rund 1,2- Mrd.- EUR p. a. - Infrastrukturengpässe könnten folglich zu Wachstumsbremsen werden. Weitere Voraussetzungen für einen starken Schienenverkehr Eine Stärkung der Schiene setzt aber nicht nur Infrastrukturinvestitionen voraus, sondern auch ausreichende Regionalisierungsmittel. Verlässliche politische Rahmenbedingungen mittels einer marktadäquaten Regulierung schafen zudem Sicherheit für Nutzer und langfristige Investitionsentscheidungen. Daraus resultiert Handlungsbedarf auf Seiten des Staates. Aber auch Abb. 2: Ausbaubedarf der Netzkapazitäten * Umrechnungsfaktor im Schienengüterverkehr Trkm/ tkm 1/ 510, im Personenverkehr Annahme konstanter Trkm (ca. 800 Mio. Trkm p. a.); ** Modaler Anteil Bahn bezieht sich auf Pkm/ tkm am gesamten Verkehrsaufkommen Quelle: McKinsey, DB AG EVU und Zulieferindustrie stehen in der Pflicht, ihren Beitrag zu einem erfolgreichen Schienenverkehr zu leisten. Bei den EVU geht es vor allem darum, Innovationen bei Kundenangebot und Produktionslogik mit Leben zu erfüllen sowie besser über Landesgrenzen hinweg zu kooperieren. Die Zulieferindustrie hingegen sollte vor allem die Qualität bei der Entwicklung von Rollmaterial sicherstellen sowie die Herstellkosten für Rollmaterial reduzieren. Die komplette Studie kann unter http: / / www.deutschebahn. com/ site/ bahn/ de/ presse/ publikationen/ sonderpublikation/ db_zukunftsstudie_2025.html heruntergeladen werden. ɷ 1 Vgl. hierzu auch McKinsey & Company: Willkommen in der volatilen Welt - Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft durch nachhaltig veränderte Märkte. Frankfurt 2010. 2 Mit dem Klimaziel 20-20-20 ist die von der EU verabschiedete Strategie für eine umweltgerechtere Zukunft in Europa verbunden. Angestrebt sind die Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 %, die Verringerung des Energieverbrauchs um 20 % sowie die Deckung von 20 % des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen. Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 75 Autostadt Dubai setzt auf ö entlichen Verkehr Im ursprünglich als „Autostadt“ gewachsenen Dubai soll bis zum Jahr 2020 ein Anteil des öfentlichen Personennahverkehrs von 30 % am Gesamtverkehr erreicht werden. Dieses ambitionierte Ziel steht unverändert, auch wenn sich verschiedene Maßnahmen durch die weltweite Finanzkrise verzögert haben. D ubai, eines der sieben Vereinigten Arabischen Emirate, war Gastgeber beim 59. Weltkongress des Internationalen Verbandes für öfentliches Verkehrswesen (UITP), der vom 10. bis 14. April 2011 im Dubai World Trade Center stattfand. Dubai biete ein sehr gutes Anschauungsbeispiel für das strategische Ziel des Verbandes, den Anteil des öfentlichen Personennahverkehrs am Gesamtverkehr weltweit bis zum Jahr 2025 zu verdoppeln, betonte UITP- Präsident Alain Flausch. Der Mittlere Osten sei - neben Asien - einer der am schnellsten wachsenden Märkte für den ÖPNV. In Dubai soll bis zum Jahr 2020 ein Anteil des ÖPNV am Gesamtverkehr von 30 % erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde per Gesetz des Ruler’s Court, der gesetzgebenden Versammlung des Herrschers von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, im November 2005 die Verkehrsbehörde Road & Transport Authority (RTA) geschafen. Wie RTA-Chef Mattar Al Tayer erläuterte, trägt die RTA die gesamte Verantwortung für die Oberflächenverkehrssysteme im Emirat Dubai sowie zwischen Dubai und den anderen Emiraten und Ländern. Im Jahr 2008 gab es noch eine Bevölkerungsprognose, nach der die Bevölkerung im Emirat von 1,2 Mio. im Jahr 2005 auf 5,15 Mio. im Jahr 2020 steigen werde; heute liegt die Bevölkerungszahl bei ca. 1,9 Mio. Damit werde sich in diesem Zeitraum auch die Zahl der durchschnittlichen täglichen Wege von 5,1 Mio. im Jahr 2005 vervierfachen. Heute liegt Dubai mit 541- Pkws pro 1 000 Einwohner vor vielen vergleichbaren Städten in der Welt. Bei dieser erwarteten Entwicklung strebt die Regierung im „Dubai Strategic Plan“ für den Verkehrssektor das Ziel an, „ein integriertes Straßen- und Verkehrssystem bereitzustellen, um die Mobilität von Menschen und Gütern zu erleichtern und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu verbessern“. Zentraler Bestandteil dieses Plans ist deshalb die Verringerung der Abhängigkeit vom Privatfahrzeug und eine stärkere Nutzung des ÖPNV. Im Jahr 2010 sind die Fahrgastzahlen bei der RTA Dubai um 15 % gestiegen. Wie der RTA-Chef berichtete, wurden mehr als Foto: Siemens INFRASTRUKTUR ÖPNV INFRASTRUKTUR ÖPNV Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 76 Abb. 1: Die fahrerlose, vollautomatische Metro Dubai fährt überwiegend als Hochbahn. Foto: Bihn Abb. 2: Die Metro Dubai wird von der Bevölkerung seit ihrem Betriebsbeginn gut angenommen. Foto: Bihn 332- Mio. Fahrgäste gezählt, nachdem die Fahrgastzahlen 2009 noch bei 288,8 Mio. gelegen haben. Bei der Gründung der RTA lag der ÖPNV-Anteil in Dubai noch bei 6 %; bis heute wird ein Anteil von 8 % erreicht. Längste fahrerlose Metro der Welt 38,9 Mio. Fahrgäste wurden 2010 mit der Metro befördert. Am 9. September 2009 wurde die „rote“ Linie der fahrerlosen vollautomatischen Metro Dubai mit 21 Stationen eröfnet. Die gesamte Linie zwischen Rashidiya in der Nähe des Flughafens und dem in der Entwicklung befindlichen Stadtteil Jebel Ali (mit dem größten künstlich angelegten Hafen der Welt und der Freihandelszone) hat eine Länge von 52 km - 5 km unterirdisch und 47 km als Hochbahn - und wird über 29 Stationen verfügen - vier unterirdisch, eine ebenerdig und 24 Hochbahn-Stationen. Sie ist damit die längste, in einem Stück errichtete fahrerlose Metro der Welt. Mit der Eröfnung der Jebel Ali Station am 11. März 2011 sind inzwischen 27 Stationen in Betrieb. Der Fahrzeugpark umfasst 44 Mitsubishi- Züge. Die Fahrzeuge verfügen über Erste- Klasse- und separate Abteile für Frauen und Familien. Zurzeit fährt die Metro mit 27- Zügen in der Morgen- und 29 Zügen in der Abendspitze. Die Investitionskosten werden mit 1,82 Mrd. EUR angegeben. Im September 2011 soll die „grüne“ Linie eröfnet werden mit - neben den zwei Umsteigestationen Union Square und Burjuman/ Khalid Bin Al Waleed zur roten Linie - sechs unterirdischen und zwölf Hochbahn-Stationen auf einer Länge von 23 km, davon 8 km unterirdisch. Diese Linie sollte eigentlich auch schon zum UITP-Kongress in Betrieb sein. Der Fahrzeugpark soll von zuerst 17 Zügen auf 42 Züge 2015 und 50 Züge 2020 steigen. Die Haltestellen der roten Linie bedienen derzeit den Flughafen und die meisten strategischen Standorte in Dubai wie das World Trade Center, die Einkaufszentren und viele Geschäftsknotenpunkte, während die grüne Linie durch Standorte wie die Health Care City und die zentralen Geschäftsviertel verläuft. Mit dem Verkauf der Namensrechte für Haltestellen der Metro erzielt die RTA Einnahmen aus der ÖPNV-Infrastruktur. Eine erste Runde der Ausschreibung von Namensrechten der Haltestellen erbrachte Einkünfte von 354 Mio. EUR. Drahtloses Internet (WLAN) ist sowohl an Bord der Metrozüge als auch an den Metro- Abb. 3: Das Netz der Metro Dubai (die Stationen „Jebel Ali Industrial“ und „Energy“ sind jedoch noch nicht in Betrieb) Grafik: RTA Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 77 haltestellen verfügbar, um den Fahrgästen den Zugang zum Internet unterwegs zu ermöglichen. Es ist geplant, durch zwei weitere Linien und eine Verlängerung der roten Linie das Metronetz bis 2020 auf eine Länge von 110 km zu erweitern. Für die Zeit nach 2020 wird eine Erweiterung auf 320 km angenommen. Die Investitionskosten werden auf 34 Mrd. Dirham (AED) (6,8 Mrd. EUR) geschätzt. Al Sufouh Tram in Dubai wird 2014 eröfnet Die erste Stufe des „Al Sufouh“-Straßenbahnprojekts in Dubai soll jetzt 2014 in Betrieb gehen. Wie RTA-Chef Al Tayer erklärte, seien 30 % der Konstruktionsarbeiten inzwischen vollendet. Ursprünglich hatte das Konsortium aus Alstom Transport und dem belgischen Baukonzern Besix, der u. a. am Bau des Burj Khalifa beteiligt war, 2008 den Zuschlag erhalten mit dem Ziel, dass die Betriebsaufnahme Anfang April 2011 erfolgen sollte. Das Projekt umfasst eine Streckenlänge von 14 km mit 19 Stationen. Die Straßenbahn soll fahrdrahtlos mit Energieversorgung im Boden fahren. Die Bahnen und die Haltestellen werden klimatisiert sein mit automatischen Türen. In der ersten Stufe werden 9,5 km mit neun Haltestellen von Dubai Marina entlang der Al Sufouh Road bis zur Station „Mall of the Emirates“ der roten Linie der Metro Dubai gebaut, wo sie mit einer Fußgängerbrücke verbunden wird. In dieser ersten Stufe wird auch ein Anschluss zur seit 2009 betriebenen Monorail auf der Jumeirah-Palme hergestellt. In der ersten Phase sind acht 44 m lange Citadis-Fahrzeuge mit einer Kapazität von jeweils rund 300 Fahrgästen vorgesehen. In der Phase 2 sollen weitere 17 Fahrzeuge hinzukommen. Dies ermögliche, so Al Tayer, eine Kapazität von 5 000 Fahrgästen pro Stunde und Richtung. Die Fahrzeuge sollen - wie die Metro - über ein Erste-Klasse-Abteil und ein Abteil für Frauen und Kinder verfügen. Nach demografischen Studien werde die Straßenbahn, erläuterte Al Tayer, ein Gebiet mit 180 000 Einwohnern, 210 000 Arbeitern und 20 000 Besuchern versorgen. Beim Straßenbahnnetz plant RTA langfristig eine Streckenlänge von 270 km. Es wird eine geschätzte Investitionssumme von 9-Mrd. AED (1,8 Mrd. EUR) angegeben. Abb. 4: Mautstelle auf der Sheikh Zayed Road aus Richtung Abu Dhabi. Foto: Bihn Abb. 5: Historische „Abras“ (rechts) und klimatisierte Wasserbusse (links) fahren über den Dubai Creek. Foto: Bihn INFRASTRUKTUR ÖPNV Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 78 Busflotte auf über 1 400 Fahrzeuge gewachsen Das Bussystem verzeichnete im vergangenen Jahr 113 Mio. Fahrgäste gegenüber 85 Mio. im Jahr 2005. Der Umfang der Busflotte war von 560 Bussen im Jahr 2005 auf 1 421- Busse im Jahr 2010 erweitert worden; sie fahren auf 83 Linien. Alle neuen Busse entsprechen den Euro-4-Umweltstandards. Die Busse verfügen im vorderen Bereich hinter dem Fahrer über einen Frauen und Kindern vorbehaltenen Bereich. Zwei zentrale Busbahnhöfe in den Stadtzentren auf beiden Seiten des Dubai Creeks - die Ghubaiba Bus Station in Bur Dubai und die Gold Souq Bus Station in Deira - werden von jeweils rund 20 Linien angefahren. Die RTA hat inzwischen über 800 klimatisierte Bushaltestellen errichtet; vier Busdepots sind in Betrieb, ein weiteres steht kurz vor der Vollendung. Die RTA geht mehr und mehr dazu über, den zu kleinen und unübersichtlichen Bus-Gesamtlinienplan durch Detailpläne mit den Zubringerlinien an den Metrostationen zu ersetzen. Besonders in der Verkehrsspitze, die z. B. am Abend meist mehrere Stunden anhält, werden auch die Busse in ihrer Pünktlichkeit vom hohen Verkehrsaukommen beeinträchtigt. Deshalb wurden in einer ersten Phase im Mai 2010 insgesamt 5,6 km Busspuren in der Al Mankhool Road, der Al Khaleej Road, der Khalid bin Al Waleed Road und der Al Ghubaida Road, den Hauptachsen des Stadtzentrums Bur Dubai, eröfnet. In einer zweiten Phase sind 2011 jeweils 1 km in der Naif Road und in der Al Ittihad Road hinzugekommen. Drei InterCity-Luxus-Buslinien fahren von den beiden Endpunkten der roten Metrolinie, der Jebel Ali Metro Station und von der Rashidiya Metro Station, sowie vom Al Qouz Industriegebiet und dem Vorort Al Waha jeweils zum zentralen Busbahnhof Al Jubail Station ins benachbarte Emirat Sharjah. Das Busnetz soll bis 2020 durch 90 neue Linien auf eine Gesamtlänge von 2 500 km wachsen. 2 000 zusätzliche Busse sind dann für den Einsatz vorgesehen. Dann sollen von den Bussen täglich 2 Mio. Fahrgäste - gegenüber rund 350 000 im Jahr 2010 - befördert werden. In den Busbereich sollen 2,5 Mrd. AED (500 Mio. EUR) investiert werden. 15 Mio. Fahrgäste mit Wasserfahrzeugen befördert 15,35 Mio. Fahrgäste wurden im Jahr 2010 mit Wasserfahrzeugen befördert. Den Hauptanteil davon - rund 15 Mio. - leisten die 149 „Abras“ genannten kleinen, motorisierten Personenfähren, die täglich von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts für einen Dirham (0,20 EUR) pro Fahrt auf zwei Linien Fahrgäste über den Dubai Creek befördern. Daneben fahren zurzeit neun klimatisierte Wasserbusse auf einem 10 km langen Schifsnetz, das künftig auf 450 km Länge erweitert werden soll. Als Luxusvariante sind Wassertaxis im Angebot, die für 400 AED (80 EUR) pro Stunde für Ausflüge gebucht werden können; auch sie sind voll klimatisiert und fassen zehn Fahrgäste inkl. eines Behindertenplatzes. Die geschätzte Investitionssumme für den Schifsverkehr liegt bei 1,5 Mrd. AED (300-Mio. EUR). Bisher 1,5 Mio. Chipkarten ausgegeben Mit der „Nol Card“, einer Prepaid-Chipkarte der französischen ASK, von der in Dubai inzwischen 1,5 Mio. Karten ausgegeben wurden, können Fahrgäste die Metro, die Busse und die Wasserbusse Dubais sowie die Parkflächen der RTA nutzen. Die RTA verfügt über drei große Park-and-Ride-Anlagen - an der Endstation Rashidiya der roten Metrolinie für 2 700, an der Station Nak- Vollautomatische, fahrerlose Einschienenbahn Seit 30. April 2009 fährt in Dubai die bis jetzt einzige Einschienenbahn des Mittleren Ostens. Die privatwirtschaftlich organisierte staatseigene Entwicklungs- und Baugesellschaft Nakheel hatte im Dezember 2005 mit einem japanischen Konsortium unter der Führung von Marubeni Corporation und einheimischer Unternehmen einen 390 Mio. USD umfassenden Vertrag zur Errichtung eines Monorail-Systems geschlossen. Alle drei Palmeninseln vor der Küste Dubais sind im Besitz von Nakheel; nach der weltweiten Finanzkrise hatte das Emirat Nakheel mit Milliardensummen stützen müssen. Auf der 2001 als erste begonnenen und inzwischen weitgehend bebauten Jumeirah- Palme wurde der erste Streckenabschnitt der Monorail gebaut und in Betrieb genommen. Hitachi hat die Fahrzeuge und das Elektrosystem geliefert und ist für das Betriebsmanagement, die Kommunikation und die Bahnsteigtüren verantwortlich. Die erste 5,45 km lange Strecke führt von der Palm Gateway Station an der Al Sufouh Road in Jumeirah mit den zwei noch nicht eröfneten Zwischenstationen Trump Hotel &Tower und Palm Mall bis zur Atlantis Aquaventure Station am Atlantis-Hotel und dem großen Vergnügungspark Aquaventure. Die Strecke wird von vier Drei-Wagen-Zügen zurzeit mit 32 Fahrten pro Tag und Richtung vollautomatisch und fahrerlos befahren. Die einfache Fahrt kostet 15 Dirham (rund 3 EUR) bzw. 25 Dirham (rund 5 EUR) für die Hin- und Rückfahrt. Die Monorail ist damit nicht in das sehr günstige Tarifgefüge des sonstigen ÖPNV- Systems in Dubai integriert. Durch die bisher schlechte Anbindung durch nur eine Buslinie wird die Monorail heute noch wenig genutzt. Mit der Fertigstellung der ersten Straßenbahnlinie in Dubai entlang der Al Sufouh Road, wo zurzeit die Erdarbeiten durchgeführt werden, wird jetzt für 2014 gerechnet. Mittelfristig soll auch die Monorail um 2 km bis zur Station „Nakheel“ der roten Metrolinie verlängert werden; dann sollen neun Züge pro Stunde auf der Strecke verkehren. Insgesamt sind sieben Monorail-Strecken geplant, die an Stationen der Metro anschließen sollen, um von dort Siedlungskonzentrationen oder andere interessante Ziele zu bedienen. Die anderen sechs geplanten Strecken liegen im Burj-Khalifa-Komplex mit Anschluss der Dubai-Mall, im Dubai International Financial Centre, in Dubai Festival City, im Palm Deira, in der City of Arabia im Dubailand und an der Dubai Waterfront. Nähere Informationen über Bau und Inbetriebnahme dieser Strecken sind zurzeit nicht bekannt. ( ) Monorail fährt in die Atlantis Aquaventure Station ein (Foto: Bihn) JUMEIRAH-PALME Friedhelm Bihn, Dipl.-Volksw. Freier Journalist Bergisch Gladbach bihn@netcologne.de heel Harbour & Tower für 3 000 und an der Endstation Etisalat der grünen Metrolinie für 3 000 Fahrzeuge. Für Metronutzer ist dort das Parken kostenlos. Die Nol Card gibt es in vier Varianten. Die rote Karte gilt für eine einzelne Kurzstreckenfahrt und kostet 2 AED (0,40 EUR); die Karte kann zehnmal nachgeladen werden. Ansonsten wird die Fahrt von der Karte abgebucht; die erste Preisstufe (bis zu 3 km) kostet 1,80-AED (ca. 0,35 EUR). Die Metro kann auch genutzt werden durch das Vorbeiführen eines NFCfähigen Mobiltelefons an den Eingangsschleusen. Unter der Internetadresse wojhati.rta.ae können die Fahrgäste ihre Fahrt mit öfentlichen Verkehrsmitteln planen. INIT Karlsruhe hat für den ÖPNV in Dubai ein integriertes Telematiksystem ITCS geliefert und rund 2 000 Fahrzeuge mit Bordrechnern und Hardware ausgerüstet; 500 TFT-Displays für Echtzeitfahrgastinformation an den Haltestellen wurden geliefert. 164,7 Mio. Taxi-Fahrgäste im Jahr Bei der an die RTA angeschlossenen „Dubai Taxi Agency“ sind die jährlichen Fahrgastzahlen von 42,9 Mio. im Jahr 2005 auf 164,7 Mio. im Jahr 2010 angestiegen. 3 504 Fahrzeuge und 7 900 Fahrer sind im Einsatz. Die RTA hat das Angebot eines Frauentaxis mit Fahrerinnen eingerichtet, um die Privatsphäre weiblicher Fahrgäste zu wahren. Ein elektronisches Evaluierungssystem der Taxidienste wurde an Bord der Fahrzeuge installiert und ein Testbetrieb von zehn Hybridtaxis gestartet als Teil eines Plans, die gesamte Taxiflotte durch umweltfreundliche Taxis zu ersetzen. Mit über zehn Unternehmen vereinbarte die RTA Absichtserklärungen für die Mobilität der Mitarbeiter. Auf Initiative der RTA wurde „Sharekni“- Fahrgemeinschaften gebildet. Für die eigenen Mitarbeiter richtete die RTA einen „Awsalni“-Busdienst für den Weg von und zur Arbeit ein. Mautsystem hat sich als sehr eizient erwiesen Beim Straßenverkehr ist die Länge der Fahrspuren von 9 054 km in 2006 auf 11 200 in 2010 gewachsen. Allein die Zahl der Fahrspuren über den Creek wuchs in diesem Zeitraum von 19 auf 47. Die Zahl der Verkehrstoten sank von 21,7 pro 100 000 Einwohner in 2007 auf 8,0 in 2010. In das Straßennetz sollen 44 Mrd. AED (8,8 Mrd. EUR) investiert werden. 500 km neue Straßen, 120 Kreuzungsbauwerke und neun neue Ringstraßen sind geplant. Die RTA setzt beim Straßenverkehr auf die Einrichtung eines Mautsystems „Salik“, um eine geringere Verkehrsdichte und eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit zu erreichen. Am 9. September 2008 wurden auf der Sheikh Zayed Road, die zwölfspurig vom Zentrum Dubais in südwestlicher Richtung nach Abu Dhabi führt, und der Al Garhoud-Brücke über den Creek die ersten zwei Mautstellen in Betrieb genommen. Eine Mautgebühr von 4 AED (0,80 EUR) wird durch ein Transponder-System automatisch von einer vorausbezahlten, an der Windschutzscheibe befestigten Karte abgezogen. Diese erste Phase erreichte eine Verkehrsreduzierung im Mautbereich um 25 %. Sie verringerte damit die Fahrzeit auf der Sheikh Zayed Road um 50 % und erhöhte die Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 auf 80 km/ h. Damit habe sich, betont Al Tayer, das Pionierprojekt Salik von Beginn an als sehr eizient erwiesen. ɷ Abb. 6: Die RTA Dubai hat klimatisierte Bushaltestellen im Stadtgebiet aufgestellt. Foto: Bihn RTR Special: The German High Speed Rail System S p e c i a l ISBN 978-3-7771-0382-2 The German High Speed Rail System Evolution · Quality · Track construction Contact: Technical Data: RTR Special: The German High Speed Rail System, ISBN 978-3-7771-0382-2, Reserve your copy today! Send an email to book@dvvmedia.com · Please visit also www.eurailpress.de/ highspeed The RTR Special: The German High Speed Rail System traces the development of high INFRASTRUKTUR China Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 80 Ansätze integrierter Verkehrskonzepte Eine klare Trennung von Eisenbahn- und Luftverkehr ist in China nicht mehr zeitgemäß. Jeder Verkehrsträger im Wettbewerb muss sowohl seine Vorteile nutzen als auch durch Integration von Verkehrsangeboten die eigene Konkurrenzfähigkeit steigern und nicht zuletzt auch seinen Beitrag zur Verbesserung der Gesamtverkehrssituation Chinas leisten. Die Chancen eines integrativen Ansatzes. Abb. 1: Wachstumsraten der Verkehrsträger Straße, Schiene und Luft Quelle: Statistik Kommunique der Volkswirtschaft und sozialer Entwicklung in 2005/ 06/ 07/ 08/ 09/ 10, Statistik Staatsamt China, 28.02.2006/ 07/ 08/ 09/ 10/ 11 B ei Betrachtung der Gesamtverkehrssituation Chinas [1, 2, 3] bezüglich der Modal-Split-Anteile in der Verkehrsleistung weist die Eisenbahn einen relativ hohen Anteil von etwa 32 % auf, in Deutschland etwa 7 %. Die dynamische Wirtschaftsentwicklung und die damit steigende Mobilität Chinas führen seit Jahren zu hohen Wachstumsraten [4, 5, 6, 9] bei den Verkehrsträgern Straße, Schiene und Luft (vgl. Abbildung 1). Einsatzbereiche von Eisenbahn- und Luftverkehr Der Luftverkehr wächst trotz massiven Ausbaus der Straßen- und Eisenbahninfrastruktur weiterhin beeindruckend (vgl. Abbildung 2). Die Wachstumsraten im Zeitraum 2000 bis 2010 lagen durchschnittlich bei 16 %; im Jahre 2009 sogar bei + 19,8 % (in Deutschland dagegen bei - 4,5 %). Beim Vergleich der Investitionen Chinas in die Straßen- und Eisenbahninfrastruktur sind im Jahr 2009 erstmalig höhere Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur geflossen. Da der Straßenverkehr wegen des hohen Flächenbedarfs in Ballungsräumen und der Abb. 2: Verkehrsaufkommen Luftverkehr 2000 - 2010 Quellen: Statistik Kommunique der Volkswirtschaft und sozialer Entwicklung in 2010, Statistik Staatsamt China, 28.02.2011 steigenden Autodichte nur ein begrenztes Wachstum erreichen kann, sind die Wachstumspotenziale im Eisenbahn- und im Luftverkehr aus verkehrlichen Gründen grundsätzlich zu befürworten sowie größtenteils gemäß Umweltaspekten auch tolerierbar. Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 81 Insbesondere wegen der Landesgröße und des hohen Verkehraukommens sind nur Eisenbahn und Luftverkehr zur Lösung der landesweiten Mobilität geeignet. Welche Entwicklungsperspektiven, abhängig von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung Chinas, im chinesischen Luftverkehr stecken, zeigt Abbildung 3. Dabei scheint eine 10-fache Steigerung im Verkehrsaufkommen realistisch zu sein, prognostiziert auf der Basis „wenn die Chinesen deutsche Standards hätten.“ Ähnliche Wachstumspotenziale sind im Eisenbahnverkehr erwartbar, wobei dort heute das jährliche Verkehrsaukommen das Sechsfache des Luftverkehrsaukommens beträgt. 2010 lag der nationale Verkehrsanteil im Luftverkehr bei 92 %. Inwieweit auch der Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) einen Beitrag über größere Entfernungen (z. B. durch HGV-Angebote tagsüber und nachts) leisten kann, wird nachstehend an Beispielstrecken kurz diskutiert. Grundsätzlich weist die Eisenbahn (HGV und InterCity-Verkehr) im unteren Entfernungsbereich (bis etwa 500 km) deutliche Vorteile gegenüber der Straße/ Autobahn auf; die Fahrzeiten betrefend, ist sie eigentlich konkurrenzlos (vgl. Abbildung 4). Im mittleren Entfernungsbereich (etwa 500 km bis 1500 km) sind Marktanteile durch diferenzierte Reiseangebote der Eisenbahn, bezüglich Fahrzeit, Durchschnittsgeschwindigkeit und Fahrpreis, insbesondere durch die Integration von Luft- und Bahnverkehr für die Eisenbahn im größeren Umfang möglich. Die efektive Nutzung der Fahr-/ Reisezeit bei der Eisenbahn spielt z. B. für Geschäftsleute eine große Rolle. Mit dem HGV kann sich die Eisenbahn auch im Fernbereich (etwa 1 500 km bis 2 500 km) durch efektive Nutzung der Fahrzeiten, z. B. durch sinnvolle Nachtverbindungen, Marktanteile sichern. Ein gutes Beispiel ist die HGV-Strecke Beijing − Shanghai (nach Inbetriebnahme etwa 5 h Fahrzeit, heute etwa 9,5 h). Für bestimmte Kundengruppen ist eine normale Nachtverbindung nach wie vor interessant hinsichtlich des Fahrpreises und der efektiven Nutzung der Fahrzeit. Daher sollten die Eisenbahnen Abstand nehmen von der ausschließlichen Werbung mit der Höchstgeschwindigkeit. Aus Betreibersicht spielt auch die Wirtschaftlichkeit einer HGV-Strecke (daher hoher Nutzungsgrad und gute Auslastung erforderlich) eine wichtige Rolle, denn die HGV-Strecken sind mit hohen Betriebskosten (z. B. Instandhaltungs- und Energiekosten) verbunden. Nach vorliegendem Kenntnisstand gibt es hierzu, wegen der erst kurzen Betriebszeiten der neuen HGV/ IC-Strecken, noch keine belastbaren Kenn- Abb. 4: Vergleich Reisezeiten der Verkehrsträger Straße, Schiene und Luft in Abhängigkeit der Streckenlänge/ Entfernung Quelle: Eigene Abschätzung Abb. 3: Entwicklungsperspektiven Luftverkehr (Wachstum bei deutschen Standards! ) Quellen: CAAC März 2011, www.caac.gov.cn; Statistisches Bundesamt 2010; Webseiten von Lufthansa; Rudolf, J.-M.: Wenn China über die Welt kommt …, Hessische Landeszentrale für Bildung, Wiesbaden 2005; FTD vom 12.05. 2010 und 07.01.2011 Ausgewählte Vergleichswerte China im Jahr 2010 Deutschland im Jahr 2010 China auf deutschem Niveau 4) (etwa im Jahre 2030) 7) Verkehrsaufkommen (Mio. Pers.) 270 1) 2) 167 1) ca. 2600 Anzahl der Flugzeuge 1604 3) 5) 900 5) ca. 17 000 Anzahl der Flughäfen 175 3) 26 6) ca. 360 1) Wachstumsrate von 2009 auf 2010: China +19,8 %; Deutschland - 4,5 % und Wachstumsrate 2009 auf 2010: ca. 4,8 % 2) CAAC vom Febr./ April 2011 zur weiteren Entwicklung: im Jahr 2015 etwa 520 Mio. (im Mittel +14 %); im Jahr 2020 etwa 770 Mio. (im Mittel +11 %) 3) In 2010 wurden etwa 187 Flugzeuge neu gekauft und 9 neue Flughäfen gebaut. Dafür standen etwa 9 Mrd. EUR zur Verfügung. 4) Wenn die Chinesen heute deutsche Standards hätten …; absoluter Bedarf und eigene Abschätzung 5) Ohne Berücksichtigung der Großraumflugzeuge, eigene Abschätzung 6) Flughäfen mit mehr als 150 000 Passagieren (sonst 34) 7) Eigene Abschätzung; Wachstum im Verkehrsaufkommen bis 2030 auf Basiswerten des Jahres 2010 zwischen 10 bis 14 % (im Mittel etwa +12 %) daten in Abhängigkeit von der Streckenleistungsfähigkeit, der Zugauslastung und der Einnahmen. Gesamtbeurteilung des Luft- und Eisenbahnverkehrs Der Luftverkehr und die Flughäfen, beurteilt nach dem Verkehrsaukommen, spielten bis Ende der 1990er Jahre in China kaum eine Rolle. Ähnlich wie in Europa, war das Verhältnis zwischen Eisenbahn- und Luftverkehr von einer klaren Trennung der Verkehrsangebote geprägt. Die Bahnreisen waren grundsätzlich, je nach Entfernung, teilweise sehr langwierig, aber bezahlbar. Die Reisezeit spielte eine untergeordnete Rolle. Sobald die Reisezeit, z. B. für Geschäftsreisende und verstärkt auch für Privatreisende, entscheidend und der Preis sekundär wurde, war das Flugzeug auch im Inland konkurrenzlos. Die freie Wahl des Verkehrsträgers Flugzeug Passagierzahlen Jahr 2 Flughäfen in Shanghai [Mio.Pers.] Flughafen Nanjing [Mio.Pers.] Flughafen Hangzhou [Mio.Pers.] Summe [Mio.Pers.] 2009 57 11 15 83 2010 65 12 17 94 2015 110 20 30 160 Abb. 5: Entwicklung der vier wichtigsten Flughäfen im Changjiang-Delta-Gebiet Werte gerundet INFRASTRUKTUR China Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 82 oder Eisenbahn ist in China nicht nur einigen wenigen wohlhabenden Passagieren vorbehalten. Der normale Fahrpreis für Bahnreisende liegt bei etwa 0,5 Yuan (0,05 EUR)/ km; im neuen HGV/ IC-Verkehr bei etwa 0,8 Yuan (0,08 EUR)/ km und der Flugpreis bei etwa 1,0 Yuan (0,11 EUR)/ km. Auch der Luftverkehr bietet inzwischen viele Sonderangebote an. Insofern braucht man sich nicht über den hohen Inlandsanteil im Luftverkehr zu wundern. Trotz dieses hohen Anteils des inländischen Luftverkehrs kann von einer klaren Trennung von Luft- und Eisenbahnverkehr nicht gesprochen werden. Durch das hohe Verkehrsaukommen im Eisenbahnverkehr im mittleren und teilweise im größeren Entfernungsbereich steht die Eisenbahn in voller Konkurrenz zum Luftverkehr. Eine Konkurrenzwirkung ergibt sich neuerdings zwischen den einzelnen Flughäfen infolge der bereits fertiggestellten und noch in den nächsten Jahren in Betrieb gehenden HGV/ IC-Strecken. Dies betrift im geringen Umfang die drei internationalen, jedoch stärker die acht nationalen Luftkreuze und die mittleren Flughäfen an der Ostküste (z. B. in Hangzhou) sowie die nah gelegenen Flughäfen zur Ostküste, wie z. B. der Flughafen in Nanjing. Die gute wirtschaftliche Entwicklung einzelner Regionen von der Ostküste in Richtung Westen, verbunden mit dem Neu- und Ausbau des HGV/ IC-Netzes, des Stadtschienenverkehrs und der Flughafenanbindungen werden sowohl die Flughäfen, vor allem aber die Eisenbahnverkehre derartiger Regionen profitieren (z. B. in der Boom-Region, dem Changjiang-Delta-Gebiet, d. h. dem Wirtschaftsdreieck Nanjing − Shanghai − Hangzhou). Voraussetzung ist jedoch eine gute Integration der Verkehrsträger [7], insbesondere von HGV/ IC-, Stadtschienen- und Luftverkehr. Einzugsbereiche von Flughäfen Traditionell werden die Einzugsbereiche (Airport Catchment Areas) von Flughäfen geometrisch definiert [8]. Der Umkreis beträgt in der Regel 100 bis 200 km. Diese Entfernungen sind abhängig von der ansässigen Bevölkerungszahl im Umland der Flughäfen. Diese Betrachtung ist einfach und lässt relativ wenige Fehleinschätzungen zu. Noch im Januar 2008 hat sich die chinesische zivile Luftfahrtbehörde CAAC (Civil Aviation Administration of China) bei den Investitionen und den Ausbauplänen für die Flughäfen bis 2020 an diesem Verfahren orientiert und festgelegt, dass für 82 % der Chinesen (1,07 Mrd.), heute etwa 60 % (780 Mio.), ein Flughafen nicht weiter als in 100 km Entfernung sein soll. Der Einzugsbereich eines Flughafens ist zwar ein wichtiges Kriterium für das Leistungspotenzial des Flughafens, liefert jedoch keine Aussage über die wichtige Frage der Erreichbarkeit. Besonders interessant ist diese Frage, wenn sich die Einzugsbereiche von Flughäfen, z. B. durch neue HGV/ IC-Strecken, überlagern. In diesen Fällen ist es notwendig, die Einzugsbereiche und vor allem die Erreichbarkeit der Flughäfen durch die Bevölkerung genauer zu analysieren. Die Erreichbarkeit eines Flughafens bestimmen grundsätzlich die Verkehrsanbindungen und die dabei benötigten Fahrzeiten bzw. Reisezeiten (vom Startpunkt der Reise bis zum Flughafen). Diesem Bewertungsverfahren liegen demnach reisezeitabhängige Entfernungsmessungen der wichtigsten Verkehrsträger zugrunde. Basis hierfür ist, dass mit Priorität die Verkehrsinfrastruktur in die Bewertung des Leistungspotenzials eines Flughafens einfließt, was auch die Praxis genauer widerspiegelt. Denn in der Regel richtet sich die Bevölkerungsverteilung in einer Region größtenteils nach der verkehrlichen Infrastruktur und umgekehrt. Da dieses Modell der reisezeitabhängigen Entfernungsmessung (Ermittlung der Reisezeit und der erreichten Durchschnittsgeschwindigkeit, nicht Höchstgeschwindigkeit) der wichtigsten Verkehrsträger sehr umfangreich und zeitintensiv ist, wird nachstehend in Kurzform ein verkehrliches Beispiel aus dem Changjing-Delta-Gebiet, das Wirtschafts- und Verkehrsdreieck Shanghai − Nanjing − Hangzhou, herangezogen. Streckenlänge (km) Fahr-/ Flugzeit (h) Reisezeit HGV/ Flug (h) Marktanteil HGV 5) (%) 500 2/ 0,8 4/ 4 75 900 3/ 1,4 5/ 4,5 60 1000 1) 4/ 1,5 6/ 4,5 50 1300 2) 5/ 1,7 7/ 5 40 1500 3) 6/ 2 8/ 5 30 2000 10/ 3 12/ 6 20 2200 4) 8/ 3 10/ 6 30 2500 10/ 4 12/ 7 20 1) Wuhan - Guangzhou 2) Beijing - Shanghai 3) Beijing - Hangzhou 4) Beijing - Guangzhou 5) vorläufige Abschätzung, Werte gerundet Abb. 7: Marktanteile bei Direktverbindungen des HGV (China 2010 - 2020) Abb. 6: Schienenverkehr im Changjiang-Delta- Gebiet Quelle: SHI, Yuanfei, RTR China 2/ 2010 Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 83 Flughäfen und Schienenverkehr im Changjing-Delta-Gebiet Die vier wichtigsten Flughäfen im Changjiang-Delta-Gebiet hatten im Jahr 2009 ein Gesamtverkehrsaukommen von etwa 94 Mio. Fluggästen. Für das Jahr 2015 wird ein Aukommen von etwa 160 Mio. Fluggästen erwartet (Abbildung 5). Dass dieses Wachstum wahrscheinlich übertrofen wird, lässt sich überschlägig aus dem einfachen Vergleich u. a. aus der Einwohnerzahl des Changjing- Delta-Gebietes mit derzeit etwa 140 Mio. und einem Verkehrsaukommen von etwa 94 Mio. und der Einwohnerzahl Deutschlands mit etwa 82 Mio. und einem Verkehraufkommen im Luftverkehr von etwa 158 Mio. (2009) erkennen. Die Wirtschaftsentwicklung des Changjiang-Delta-Gebietes wird in den nächsten Jahren sicherlich deutlich besser verlaufen als in Deutschland, eine weitere Mobilitätssteigerung ist keine Frage. Der Schienenverkehr, insbesondere der InterCity-Verkehr und bald auch der HGV, wird weiterhin zu einer engeren verkehrlichen Verflechtung dieser stärksten Wirtschaftsregion Chinas führen. Seit 1. Juli 2010 ist die Inter- City- Strecke zwischen Shanghai − Nanjing (284 km) in Betrieb; die Fahrzeit beträgt 73 min (früher 2 h). Dies entspricht einer mittleren Reisegeschwindigkeit im IC-Verkehr von etwa 230 km/ h. Die einzelnen Schienenverkehrsverbindungen und Fahrzeiten zwischen den Städten und den Flughäfen im Changjiang-Delta-Gebiet sind in Abbildung- 6 dargestellt. Eine genauere Analyse nicht nur der Fahrzeiten, sondern schwerpunktmäßig die Ermittlung der wichtigeren Einflussgröße, der Reisezeiten, sind derzeit in Bearbeitung [3]. Dabei geht es im Wesentlichen um die Ermittlung der Marktanteile der Verkehrsträger Schiene (HGV/ IC) und Luft, unter zusätzlicher Berücksichtigung des Stadtschienenverkehrs und der Flughafenanbindungen nach dem Modell der reisezeitabhängigen Entfernungsmessung. Die ersten vorläufigen Ergebnisse dieser Untersuchungen hinsichtlich der Marktanteile des Verkehrsträgers Schiene (HGV/ IC-Verkehr) bei Direktverbindungen in Abhängigkeit der Entfernung, der Fahr- und Reisezeit sind in Abbildung 7 tabellarisch zusammengestellt. Bei dieser Voruntersuchung sind noch keine Reiseangebote des HGV unter Annahme einer efektiven Reisezeitnutzung berücksichtigt, also zunächst nur reine HGV-Direktverbindungen am Tage. In Abbildung 8 sind die möglichen Marktanteile bei Direktverbindungen von HGV und Luftverkehr nach Entfernung im Vergleich der Reisezeiten dargestellt. Der Zeitraum 2010 bis 2020 resultiert im Wesentlichen daraus, dass neben den HGV-Strecken bereits die geplanten Flughafenanbindungen in die Untersuchungen einbezogen worden sind. Die Darstellungen der vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass durch die Einführung des HGV/ IC-Verkehrs der Verkehrsträger Eisenbahn einerseits deutliche Marktanteile gewinnen und andererseits die Eisenbahn infolge der hohen Wachstumsraten im Luftverkehr durch die Integration von Luft- und Bahnverkehr ebenfalls profitieren kann. Voraussetzung ist jedoch, dass alle Beteiligten die integrierte Verkehrsplanung von Eisenbahn (HGV/ IC-, Stadtschienenverkehr und Flughafenanbindungen) und Luftverkehr als Gemeinschaftsaufgabe begreifen. ɷ Yuanfei Shi, Dipl.- Ing. Wiss. Mitarbeiterin/ Doktorandin Technische Universität Berlin Fachgebiet Betriebssysteme elektrischer Bahnen yuanfeishi@hotmail.com Peter Mnich, Prof. Dr.-Ing. Sprecher der Geschäftsführung, IFB Institut für Bahntechnik GmbH, Berlin, Technische Universität Berlin, Fachgebiet Betriebssysteme elektrischer Bahnen mn@bahntechnik.de Abb. 8: Mögliche Marktanteile von HGV und Luftverkehr in Abhängigkeit der Entfernung (China 2010 - 2020) Quelle: Eigene Abschätzung LITERATUR [1] MNICH, PETER; SHI, Yuanfei: Auszug aus den Vorträgen „Eisenbahn- und Magnetbahnsysteme sowie Flughafenanbindungen in China“ im Rahmen des Internationalen Alumni-Seminars am Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg (CDHK) der Tongji Universität Shanghai, 6. Okt. 2009 und „Systemplanung von elektrischen Bahnprojekten weltweit - Projektbeispiele im Hochgeschwindigkeitsver-kehr, Stadtschienenverkehr und bei Flughafenanbindungen“ im Rahmen des Internationalen Alumni-Seminars an der TU Berlin, am 20. Sept. 2010, Internationales Alumniprogramm des DAAD. [2] SHI, YUANFEI: Integration chinesischer Flughäfen in das Streckennetz des Bahnverkehrs am Beispiel der Flughafenanbindung Nanjing. Diplomarbeit am Fachgebiet Betriebssysteme elektrischer Bahnen, TU Berlin, Dez. 2007; gefördert von der Erich-Becker-Stiftung, eine Stiftung der Fraport AG zur Förderung der Wissenschaft und Forschung. Ausgezeichnet mit dem Werner von Siemens Excellence Award 2008 (Siemens AG). [3] SHI, YUANFEI: Die verkehrliche und wirtschaftliche Bedeutung der spurgeführten Flughafenanbindungen in China. Vorläufiger Arbeitstitel der Doktorarbeit (in Bearbeitung) am Fachgebiet Betriebssysteme elektrischer Bahnen, TU Berlin; gefördert von der Erich-Becker-Stiftung, eine Stiftung der Fraport AG zur Förderung der Wissenschaft und Forschung. [4] SHI, YUANFEI: Continuously fast developing Chinese air Transportation-Bring the vaster range of market prospect for new rail transport projects; RTR Railway Technology Review China Edition, Volume 15, No. 2/ 2009. [5] SHI, YUANFEI: Steigender Luftverkehr in China - Marktperspektiven für konventionelle und innovative Bahnprojekte; Business Guide Deutschland China, Transport & Logistik, 5. Edition, 2010, Wegweiser GmbH Berlin. [6] MNICH, PETER; SHI, YUANFEI: Steigender Luftverkehr in China - Einsatzfelder für Bahnsysteme und Perspektiven in der Ingenieurausbildung; China-Report Nr. 50 vom 15. April 2010, China-Gesellschaft e. V. Baden-Württembergische Gesellschaft zur Förderung der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China. [7] ZHANG, XIAOLING: Integration des Stadtschienen-, InterCity- und Fernverkehrs in der Provinz Jiangsu; Interview-Beitrag in ETR Eisenbahntechnische Rundschau 12/ 2010; Integration and planning of Long distance and Urban rail transit in Province Jiangsu; special interview in RTR Railway Technology Review China Edition, Volume 16, No. 2/ 2010. [8] SCHUDLICH, MALTE: HGV-Netz - Auswirkungen auf Luftverkehr und Airports; Internationales Verkehrswesen (61) 9/ 2009. [9] MNICH, PETER; SHI, YUANFEI: Construction of high speed rail network - New situation, new challenge and new chance for Chinese rail passenger transport; RTR Railway Technology Review China Edition, Volume 16, No. 2/ 2010. Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 84 VERANSTALTUNGEN transport logistic Transportbranche in Hochstimmung Mit einem positiven Fazit von Ausstellern und Messegesellschaft ging die transport logistic 2011 im Mai zu Ende. Mehr als 51 000 Fachbesucher aus 134 Ländern wollten die internationale Leitmesse der Logistik sehen. Dank dieses Besucherandrangs fiel auch das Fazit der rund 1900 Aussteller positiv aus. Eine kleine Auswahl von Messeneuheiten. Projekt Nikrasa Die rechte Spur auf den europäischen Autobahnen gehört den Lkw. Genau auf diese Zielgruppe zielt das Projekt Nikrasa. Mit einer innovativen Technik werden die nicht kranbaren Sattelauflieger ohne Änderung am Waggon und ohne Änderung an den Sattelaufliegern für €-15,00 auf die Schiene verlagert. Die Initiatoren sind sicher, dass dieses neue Produkt zu einer entscheidenden Verbesserung der Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene führen wird. www.lkzprien.de Komfortables Be- und Entladen Wenn Lasten schnell und leicht bewegt und Höhenunterschiede bewältigt werden müssen, kommt die klappbare Aluminium- Verladeschiene Typ RRK, der Altec GmbH zum Einsatz. Die fest im Fahrzeug montierte RRK-Rampe bietet durch leichtes Ausklappen mittels Gasdruckfeder eine komfortable Lösung beim häufigen Be- und Entladen. Während der Fahrt steht die Rampe in senkrechter Position und wird durch Sicherungen gehalten. Dank integrierter Gummipufer entstehen werden Klappergeräusche vermieden. Die Verladeschiene ist in unterschiedlichen Längen und Breiten sowie Tragkraft im Angebot. www.altec-singen.de Netzwerk Kombiverkehr Spediteure und Transportunternehmer können Lkw-Sendungen auf der Schiene ab sofort umweltfreundlicher gestalten und damit die eigene Klimabilanz oder die ihrer Kunden verbessern. Möglich wird dies durch das neue Netzwerk de.NETeco+ der Frankfurter Kombiverkehr KG. Kombiverkehr nutzt dazu das Produkt „Eco Plus“ von DB Schenker Rail. Es garantiert, dass der gesamte, für diese Transporte benötigte Strom komplett aus regenerativen Energien stammt. Die zusätzlichen Kosten für den Einkauf des natürlich erzeugten Stroms werden für die im Netzwerk transportierten Sendungen exakt auf Tonnenkilometerbasis berechnet. Damit kann diese Leistung sowohl für einzelne Lkw-Sendungen als auch für komplette Züge eingekauft werden. Jeder Nutzer erhält automatisch einmal pro Jahr eine TÜV-Bescheinigung über die eingesparten CO 2 -Emissionen. www.kombiverkehr.de CO 2 -Reporting für Gütertransport DHL Freight bot zwei neue umweltfreundliche Produkte an. Für alle Gütertransporte in Europa, dem Mittleren Osten und Nordafrika können die Kunden einen CO 2 -Bericht mit detaillierter Übersicht über die CO 2 -Emissionen ihrer Sendung pro Strecke anfordern. Neben dem Bericht bietet DHL zusätzlich den Ausgleich der entstandenen CO 2 -Emissionen über externe und zertifizierte Klimaschutzprojekte an. Die Berechnungsmethode folgt den Prinzipien international anerkannter Standards wie dem Greenhouse Gas Protocol des World Resources Institutes und Die transport logistic 2011 bot für die gesamte Logistikbranche das ideale Umfeld, um Geschäftskontakte zu knüpfen und auszubauen. Foto: Messe München Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 85 dem beim Weltwirtschaftsforum vereinbarten CO 2 -Reporting für Transportsendungen. Kunden von DHL können einen monatlichen, vierteljährlichen oder jährlichen Bericht anfordern, in dem sie über ihren CO 2 -Verbrauch je Strecke in dem jeweiligen Zeitraum informiert werden. www.dhl.de Software für den Luftverkehr Um den Flughafenbetrieb flexibel an betriebswirtschaftliche Ziele anpassen zu können, hat Siemens gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Siemens Airport Management and Operations Software Siamos entwickelt. Sie ermöglicht unmittelbare Energieeinsparungen und nachhaltige Eizienzsteigerung: Für den Wien International Airport wurden beispielsweise Energieeinsparpotenziale von mehr als 20-% errechnet. Weitere Vorteile von Siamos: 5-t weniger Kerosin pro Stunde und Startbahn durch kürzere Wartezeiten. Zudem sind die Flugzeuge um bis zu 20-% pünktlicher. www.mobility.siemens.com Intelligenter Luftfracht-Container Bisherige Telematiklösungen sind für Fluggesellschaften ungeeignet, da alle elektronischen Geräte während des Flugs komplett ausgeschaltet sein müssen. Lufthansa Cargo arbeitet daher an der Entwicklung eines intelligenten Containers speziell für die Luftfracht. Die Elektronik darin erkennt automatisch, wenn der Behälter im Flugzeug angekommen ist und sendet dann keine Funksignale mehr. Die Telematikeinheit soll energieautark - ohne externe Stromversorgung - funktionieren und die Echtzeitverfolgung ermöglichen. Das Vorhaben läuft unter dem Namen DyCoNet (Dynamische Container-Netzwerke) und wird vom BMWi gefördert. www.lufthansa-cargo.com Abgasarme Antriebstechnik Die beiden neuen Cat-Dieselmotoren Cat C13 IOPU und Cat C15 decken ein Leistungsspektrum von 287 bis 433-kW ab. Ihre Anwendungsbereiche erstrecken sich vom Einsatz in Bau- und Landmaschinen über Lokomotiven und Industrieanwendungen, Hydraulikaggregate, Pumpenantriebe bis zu nicht-straßengebundenen Fahrzeugen. Die Cat-Motoren laufen laut Hersteller auf hohem wirtschaftlichem Niveau, verfügen über präzise Einspritzsysteme und senken den Partikel- und Schadstofausstoß. Sie erfüllen die seit dem 1. Januar 2011 für ihre Leistungsklasse geltenden Emissionsbestimmungen der EPA und EU, die Abgasstufen III A und III B/ Tier 4 interim. Die Einhaltung dieser Abgasrichtlinien für mobile Arbeitsmaschinen sind Vorraussetzung für den Verkauf von Neumaschinen in Europa und den USA. www.zeppelin.de Solarenergie per Parkdach Photovoltaikmodule lassen sich auf nahezu allen Dachformen installieren. Mit den Solar-Carports von Sun Garant werden auch Parkflächen zu Solarkraftwerken, die umweltfreundlich Strom produzieren und darüber hinaus mit Strom-Zapfsäulen für Elektrofahrzeuge ausgestattet werden können. www.sungarant.de Hafenlogistik online Sinn des Hafenbandes ist es, die gesamte Logistik rund um den Hafen zu bündeln und einen Ansprechpartner zu bieten. Das Leistungsspektrum der sechs kooperierenden Häfen wurde zusammengetragen, mögliche Gewerbe- oder Lagerflächen sondiert, alle Ansprechpartner ermittelt und bei der Mindener Hafen GmbH das Hafenbandmanagement eingerichtet. Logo, Infobroschüre und Homepage wurden auf der transport logistic präsentiert. Neu auf der überarbeiteten Homepage sind detaillierte Informationen zu den einzelnen Häfen, von den Ansprechpartnern für Logistik und Gewerbeflächen über Betriebszeiten, Umschlaggeräte, Hafenzugänge und Flächennutzung, von Lage und Größe bis hin zur Verfügbarkeit und etwaigen Nutzungsbeschränkungen. Ebenfalls vorgestellt werden die in den Häfen ansässigen Unternehmen. www.hafenband.de Europaweite Ausschreibungsplattform Die TimoCom Soft- und Hardware GmbH präsentierte neben der Vergabeplattform TC Truck&Cargo® die Plattform TC eBid® für europaweite Transportausschreibungen. Diese speziell für das langfristige Kontraktgeschäft entwickelte Anwendung hat nun eine komfortablere Benutzeroberfläche erhalten, die die User flexibel und schnell zur fertigen Transportausschreibung navigiert. Ein weiterer Vorteil für ausschreibende Unternehmen: Sie können ihre Angaben nach transportrelevanten Einheiten, beispielsweise Gewicht, Volumen, Lademeter etc. unterteilen und gleichzeitig mehrere Preise pro Relation stafeln und anfragen. Durch die Einrichtung der Hotline „Timo- Com to go“ können Nutzer der Fracht- und Laderaumbörse sogar von unterwegs per Handy eine Auskunft zu aktuellen Fracht- und Laderaumangeboten einholen - auch dies europaweit. www.timocom.com ɷ Verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Weitere Informationen: Sophie Elfendahl Tel.: 040 / 237 14 - 220 oder per Email: Sophie.Elfendahl@dvvmedia.com www.internationalesverkehrswesen.de Machen Sie Ihre Werbung zur Chefsache! In dem Forum, in dem sich Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Politik begegnen. Werben Sie in einer der führenden europäischen Verkehrszeitschriften für Transport and Mobility Management. Strategien statt Stolpersteine Prognosen zum Personen- und Güterverkehr bis 2025 Mobilität Logistik Wissenschaft Technologie Politik Let’s Go! Infrastruktur POLITIK Emerging Markets in Asien LOGISTIK Zukunft der Intralogistik Sicherheitsdebatte Luftfracht INFRASTRUKTUR Fehmarnbeltquerung Bundesverkehrswegeplan www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 1 Jan/ Feb | 2011 | Einzelpreis 25 EUR +++Premiere+++ NEUE Struktur NEUES Layout Container- Planet Was die Welt zusammenhält POLITIK Zurück in die Zukunft: Ein Plädoyer für den Elektrobus INFRASTRUKTUR 60 Jahre Parkraumnot MOBILITÄT Herausforderungen an ein barrierefreies Verkehrssystem Was die Welt zusammenhält ystem www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 2 März/ April | 2011 | Einzelpreis 25 EUR logistic V _ 0 2 _ 2 0 1 1 . i n d d 1 1 1 . 0 3 . 1 1 1 5 : 0 2 1 1 . 0 3 . 1 1 1 5 : 0 2 Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 86 SERVICE Leserbriefe Kollegiale Entgegnung Heft 3/ 2011, S. 64-66: Justin Geistefeldt, „Anmerkungen zum Aussagegehalt des Fundamentaldiagramms“ Die einfache Formel q- =- k- ·- v darf nur in Bereichen stationären und streckenhomogenen Verkehrsflusses angewendet werden; denn nur dann können alle drei Größen als Konstante behandelt werden. Wenn es Variable wären, müsste man mathematisch korrekt schreiben: dq ___ = dv dk Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei v um die mittlere „momentane“, die mittlere „lokale“ oder die mittlere „räumlich-zeitliche“ Geschwindigkeit handelt. Diese Bedingung bestätigt der Autor von [1] vollinhaltlich mit seiner Aussage „Anhand von Messungen des Verkehrsflusses in diskreschen. Stationarität bedeutet, dass die Verkehrsdichte sich innerhalb des der Messung zugrunde liegenden Zeitintervalls nicht wesentlich ändert, dass also in den das Intervall begrenzenden Zeitschnitten etwa die gleiche Fahrzeugzahl auftritt, was dann auch annähernd parallele Trajektorien bedeutet (vgl. Abbildung). Der springende Punkt ist aber die Wahl der Bezugsstreckenlänge für die Verkehrsdichteangabe; denn, auch wenn in [1] ausgeführt wird, dass im dynamischen Fundamentaldiagramm „die Veränderung von q und k über die Zeit betrachtet werden muss“, so setzt die Einbeziehung der Größe k eine angemessen lange Messbzw. Bezugsstrecke voraus, damit die Verkehrsdichteangabe überhaupt einen existieren muss, in dem dann wieder die Kontinuitätsbedingung gilt. All die in [2] aufgezeigten (scheinbaren? ) Ungereimtheiten des Fundamentaldiagramms haben eine Ursache: die Beschreibung eines diskreten Phänomens (einzelne Kfz) mittels einer stetigen Funktion. Den Ausführungen in [1] unter der Überschrift „Kapazität im Fundamentaldiagramm“ vermag ich nicht logisch zu folgen (mathematisch-statistische Ableitung einer Kapazitätsgröße gerade in demjenigen Diagrammbereich, in dem sich „in vielen Fällen eine deutliche Lücke“ [1] der Messpunktewolke ergibt). Abschließend möchte ich Herrn Kollegen Geistefeldt danken, dass er mit seinen Anmer- Leserbriefe sind keine Meinungsäußerung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, die Texte zu kürzen. ten Zeitintervallen, in denen ein näherungsweise stationärer Verkehrsablauf unterstellt wird, können Wertetupel der makroskopischen Kenngrößen q, k und v m ermittelt werden“ in Verbindung mit dem Satz davor, wonach „nur zwei der drei Größen k, q und v m bekannt sein [müssen], um die Zusammenhänge zwischen den Kenngrößen vollständig zu beschreiben“. Diese Bedingung gilt uneingeschränkt, also auch für das dynamische Fundamentaldiagramm, und sie muss konsequenterweise auch einer Betrachtung, wie sie in [1] anhand der Abbildung-1 a. a. O. angestellt wird, zugrunde gelegt werden. Dann ergibt sich Folgendes: Im dynamischen Fundamentaldiagramm werden einzelne Verkehrszustände messtechnisch erfasst. Um einen solchen Zustand − nach der oben beschriebenen Messmethode − erfassen zu können, muss, wie in [1] ausgeführt, „näherungsweise stationärer Verkehrsablauf“ herr- Sinn hat. Da es sich um die Dichte eines diskreten statistischen Phänomens handelt, muss diese Länge deutlich über der mittleren Weglücke des jeweiligen Fahrzeugstroms liegen, um etwa das Zufallsergebnis auszuschließen, dass eine zu kleine Messstrecke in der Größenordnung der mittleren Weglücke eine Verkehrsdichte k-=-0 vortäuscht. Es wurde von mir nie bezweifelt, dass bei der üblichen Datenermittlungsmethode für ein dynamisches Fundamentaldiagramm nacheinander Zustände mit gleichzeitig wachsenden oder fallenden q und k beobachtet werden können (vgl. Abbildung) − nur unmittelbar aufeinander folgen können sie nicht, weil sonst die Kontinuitätsgleichung verletzt wäre. Man sieht sofort, dass zwischen den beiden Elementen mit deutlich unterschiedlichen q und k, die ja voraussetzungsgemäß annähernd stationär sind, ein vermittelndes Element mit starker Dynamik kungen den guten alten Brauch des wissenschaftlichen Diskurses wiederbelebt hat. LITERATUR [1] GEISTEFELDT, JUSTIN „Anmerkungen zum Aussagegehalt des Fundamentaldiagramms“, Internationales Verkehrswesen (2011), Heft 3 [2] WIRTH, WOLFGANG „Das Fundamentaldiagramm und sein Aussagegehalt“, Internationales Verkehrswesen (2010), Heft 12 Prof. Dr. Wolfgang Wirth, München Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 87 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. 4. Heft Juli 2011 Bahnforum 2011 in Braunschweig L iebe Mitglieder und Freunde der DVWG, bereits seit mehreren Jahren veranstaltet die DVWG Seminarveranstaltungen unter dem Leitthema „Bahnforum“. Hierbei werden aktuelle, aber auch Zukunftsthemen des Systems Bahn aufgegrifen. Nach Vorträgen wird das Publikum in die Diskussion mit den Referenten eingebunden, eine professionelle Moderation leitet durch die gesamte Veranstaltung. Das 9.- Bahnforum findet am 1. September 2011 in Braunschweig statt. Die Region Braunschweig ist nicht nur seit Jahren ein wichtiger Standort der Bahnindustrie, sondern durch die Konzentration der gesamten universitären Verkehrsausbildung in Niedersachsen auch ein echter Forschungsschwerpunkt im Bereich des Verkehrs geworden. Dies alles sind sicherlich gute Gründe dafür, das 9. Bahnforum in Braunschweig im Haus der Wissenschaft durchzuführen. Derzeit ist eine Neuauflage der Bundesverkehrswegeplanung in Vorbereitung, die den neuen gesellschaftlichen Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur Rechnung tragen muss. Vor der Definition von Anforderungen an eine Infrastruktur, die zukünftig höhere Kapazitäten ermöglichen soll, ist ein sachlicher Dialog zwischen Theorie und Praxis von besonderer Wichtigkeit. Unter dem Titel „Ansprüche der Infrastrukturplanung unter Berücksichtigung von Kapazitäten und Qualitäten“ sollen die Zukunftsansprüche an das System Bahn diskutiert werden. Stark ausgelastete Strecken beeinflussen die Qualität des Bahnbetriebs. Die Tagung soll Einflüsse stark ausgelasteter Strecken auf die Qualität des Fahrplans aufzeigen. Ein weiterer Schwerpunkt soll die wissenschaftliche Aufarbeitung zum Thema des Zusammenwirkens eines Betriebskonzeptes mit einer geplanten Strecke sein. Vor diesem Hintergrund ist bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit von Strecken und Knoten die tatsächliche Belastung bzw. die tatsächliche Nachfrage bereits im Planungsprozess der zu entwickelnden Schieneninfrastruktur zu berücksichtigen. Gefordert sind Strategien zur Reduktion der Zugfolgezeiten mit dem Ziel, die Streckenleistungsfähigkeit zu erhöhen. Des Weiteren ist zu prüfen, wie Puferzeiten anzuordnen sind. Puferzeiten sind notwendig, um die Verspätungsübertragung zwischen den Zügen zu reduzieren, und somit ein wichtiger Bestandteil der Fahrplanstabilität. Andererseits verhindern Puferzeiten eine dichtere Zugfolge und reduzieren so die Produktivität der Infrastruktur. Die Erwartungen an eine europäische Zugsicherungstechnik beinhalten auch den Wunsch, dass die neue Technik einen Beitrag zu erhöhter Streckenleistungsfähigkeit leisten wird. In welchen Bereichen lassen die aktuellen Entwicklungen des European Train Control System (ETCS) eine bessere Ausnutzung der Infrastruktur erwarten als bei Einsatz konventioneller Leit- und Sicherungstechnik? Diskussionen und Vorgaben der EU für den internationalen Güterverkehr werden weitere Anforderungen an die Konzepte für eine Erhöhung der Streckenleistungsfähigkeit stellen. Bei den prognostizierten Verkehrszuwächsen auf Straße und Schiene werden nicht nur betriebliche Maßnahmen die erforderlichen Kapazitätssteigerungen ermöglichen. Die Steigerungen des Güterverkehrs erfordern neue Herangehensweisen in der Infrastrukturplanung, bei der auch ein Neubau von Strecken erforderlich wird. Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen, dass neue Ansätze notwendig sind, um die Baumaßnahmen in der Umsetzung zu beschleunigen. Wichtiger Faktor hierbei ist es, der Politik, aber auch den Bürgern aufzuzeigen, durch welche Maßnahmen in Bau und Betrieb die notwendigen Kapazitätssteigerungen erzielt werden können, damit das System Bahn einen deutlich höheren Anteil am Verkehrsmarkt übernehmen kann und somit zugleich Transporte deutlich umweltfreundlicher durchgeführt werden. Ein Schwerpunkt der Diskussion wird in der Aufarbeitung des Zusammenwirkens eines Betriebskonzeptes mit einer geplanten Strecke liegen. Die zukünftige Betriebsabwicklung unter den Prämissen der einzelnen Verkehrsmodi bedarf einer entsprechenden infrastrukturellen Grundlage zum Beispiel mit einer nachfragegerechten Anordnung von Überholungsmöglichkeiten auf Mischverkehrstrassen. »Aktuelle, aber auch Zukunftsthemen des Systems Bahn werden aufgegrifen.« DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 88 Die Ringforen im Überblick Grafik: DVWG In der Wissenschaft werden teilweise unterschiedliche Strategien und Verfahren zur Kapazitätsermittlung von Schieneninfrastruktur angewandt. Das 9. Bahnforum bietet die Möglichkeit, die unterschiedlichen Ansätze wissenschaftlich und praxisorientiert zu bewerten. Das Tagungskonzept sieht vor, dass in zwei Referatsblöcken die Themenschwerpunkte aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Sicht behandelt werden. In einem Streitgespräch sollen dann durch die Referenten unter Einbeziehung des Publikums die jeweiligen Aussagen diskutiert werden. Im Anschluss an das Bahnforum veranstalten die Hauptgeschäftsstelle und die Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen Ringforen - eine neue Idee wird umgesetzt das nun schon traditionelle Sommerfest der DVWG. Wir werden zu Gast sein beim Verein Braunschweiger Verkehrsfreunde e.- V. Getreu dem Motto „Zukunft braucht Vergangenheit“ bildet der Abend dann einen Kontrast zum 9.-Bahnforum und soll die Möglichkeit bieten, das gerade Diskutierte in anderer Umgebung noch einmal zu reflektieren. Am 2. September wird dann ebenfalls in Braunschweig die nächste Klausurtagung der DVWG stattfinden, bei der das Präsidium mit den Bezirksvorsitzenden und den Geschäftsführern der Bezirksvereinigungen die nächste Bundesdelegiertenversammlung vorbereiten und die Planungen für das nächste Jahr diskutieren wollen. Im Namen meines Instituts für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb (IVE) an der TU- Braunschweig und der DVWG- Hauptgeschäftsstelle und Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen − freue ich mich auf Ihr Kommen und würde mich freuen, Sie in Braunschweig begrüßen zu dürfen Ihr Prof. Dr.-Ing. Thomas Siefer Vorsitzender der BV Niedersachsen-Bremen Erstmalig verwirklicht die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft im Rahmen ihrer Projektförderung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) in diesem Jahr ein neues Ideenkonzept. Dabei wird das in Abstimmung mit dem Zuwendungsgeber BMVBS festgelegte Jahresthema „Infrastrukturen für die Mobilität von Morgen - Kommunizieren und Finanzieren“ mit wissenschaftlichen Veranstaltungen ganzjährig über verschiedene Stufen umgesetzt. Auf diese Art und Weise kann die DVWG ihrer Rolle als neutraler Mittler im Sinne ihrer politikberatenden Funktion noch besser gerecht werden und gleichzeitig eine neue Qualität in der Umsetzung ihrer Aufgaben erreichen. Unter Einbeziehung der Adressaten aus Politik, Administration, Wirtschaft und Wissenschaft werden der Fachöfentlichkeit aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus Theorie und Empirie vorgestellt und die DVWG in ihrer Entwicklung als Lobby der Verkehrswissenschaften zum Ideenmakler und Wissenspool positioniert. Auf dem Jahresverkehrskongress 2011 Anfang Mai in Dresden wurde das Thema aus bundespolitischer Gesamtsicht analysiert und erörtert. Aubauend auf den dort gewonnenen Erkenntnissen werden in einer weiteren Entwicklungsstufe auf drei Ringforen diese Ergebnisse aufgegrifen, in den landespolitischen Kontext gesetzt und weiter diskutiert. Unter Berücksichtigung der verkehrspolitischen Interessen werden mit Unterstützung der zuständigen Länderministerien neben einem möglichst aktuell-politischen Bezug vor allem die unterschiedlichen raum- und strukturpolitischen Gegebenheiten Beachtung finden. Der inhaltliche Bezug wird sich nicht nur auf diese spezifischen regionalen Aspekte beschränken, sondern vielmehr werden mit den Ringforen Antworten und Ansätze für Räume und Regionen erarbeitet, die den gewählten Veranstaltungsorten raumstrukturell und in ihren Prozessen der gesellschaftlichen Entwicklung ähneln. Geplant sind folgende Veranstaltungen: 3. November 2011 DVWG Ringforum „Westdeutschland“: Konfliktfeld Schieneninfrastruktur - wer finanziert, wer fährt? Köln 19. Oktober 2011 DVWG Ringforum „Süddeutschland“: Finanzierung von Mobilität und Verkehr Stuttgart 13. November 2011 DVWG Ringforum „Mitteldeutschland“: Mobilität und Logistik - intelligent organisieren Magdeburg Weitere Informationen zu Inhalt und Anmeldemodalitäten finden Sie unter www.dvwg.de. Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 89 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Trinationale Metropolregion Oberrhein Prof. Dr. Michael Drude/ Klaus Füsslin, Bezirksvereinigung Freiburg D ieser spannenden verkehrswissenschaftlichen Thematik war eine Veranstaltung am 4.4.2011 in der Universität Freiburg gewidmet. Es referierten Dr. Norbert Euba aus dem Blickwinkel der Interessengemeinschaft und Prof. Dr. Michael Drude zur verkehrlich-infrastrukturellen Situation. Vom südlichen Rheinknie bei Basel bis nördlich von Karlsruhe haben sich führende Vertreter von Politik, Wirtschaft, Hochschulen und Universitäten sowie der Zivilgesellschaft der Länder Deutschland, Frankreich und Schweiz nach jahrelangen Vorbereitungen am 9. Dezember 2010 in Ofenburg zusammengefunden, um ein funktionales Netzwerk zur Förderung des territorialen Zusammenhalts zu schafen. Dazu wurde eine entsprechende gemeinsame Entwicklungsstrategie für die Trinationale Metropolregion Oberrhein verabschiedet, die das Ziel hat, das Oberrheingebiet zu einer europäischen Region mit höchster Wettbewerbskraft zu entwickeln. Es erfolgte die oizielle Anerkennung der Trinationalen Metropolregion durch die Regierungen Frankreichs, der Schweiz und Deutschlands. Dieser Aufbau der Trinationalen Metropolregion ist die eindeutige Entscheidung, eigenständig am Wettbewerb der Regionen Europas teilzunehmen und in Brüssel mit einer Stimme zu sprechen. Ohne die Bildung von Clustern in Wirtschaft und Forschung zur Nutzung komplementärer Vorteile sind die Zentren am Oberrhein für ein Mithalten im europäischen wie globalen Wettbewerb um Investitionen zu klein. Der trinationale Kreis mit Entscheidern aus den vier Säulen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft soll Arbeitsprogramme und Vereinbarungen zwischen den Partnern herbeiführen, um erfolgreich gemeinsame Projekte und neue Dynamiken am Oberrhein zu initiieren. Mit der Trinationalität hat der Raum auch ein besonderes Alleinstellungsmerkmal zu bieten. Bei der exemplarischen Präsentation von Verkehrsprojekten bezog sich Dr. Euba auf eine Zusammenstellung von Forderungen, die eine trinationale Arbeitsgruppe für einen im Jahr 2008 veranstalteten Verkehrskongress in Kehl für das Oberrheingebiet erarbeitet hatte. Prof. Dr. Drude machte in seinen stärker verkehrsspezifischen Ausführungen nochmals die Engpass-Situation beim Nord-Süd- Verkehr im Oberrheingraben deutlich: Die Fertigstellung des Gotthardtunnels 2017 basiert auf Zusagen der Anrainerstaaten, ihre Kapazitäten für den alpenquerenden Verkehr Schritt haltend zu erweitern und nach Fertigstellung des Basistunnels auch deren Nutzung zu gewährleisten. Vor allem in Deutschland haben sich schon jetzt erhebliche Verzögerungen ergeben. Die von der DB AG bisher vorgestellten Planungen sto- B 343 Jahresverkehrskongress 2011 „Verkehrsinfrastrukturen im Spannungsfeld zwischen öfentlicher Akzeptanz und Finanzierbarkeit“, ISBN 978-3-942488-06-8 Der Verkehr stößt an Grenzen: Raum, Zeit, Energie. In der globalen Wissensökonomie haben sich neue räumliche und zeitliche Muster der Verkehrsbedarfe entwickelt, die global Engpässe und Überlastungen hervorrufen. Ein steigender Energieverbrauch ist mit wachsenden Umweltbelastungen, speziell Treibhausgasemissionen, verbunden. Antworten auf diese komplexe Problematik können nicht allein in Eizienzsteigerungen etwa durch innovative Antriebe und intelligentes Verkehrsmanagement gesucht werden. Der Weg in eine „postfossile“ Mobilität führt auch über neue Infrastrukturen. Dazu müssen verschiedene technische Optionen und Visionen von der Nutzung regenerativer Energien und Wasserstof als Energieträger bis hin zu neuartigen Tunnelinfrastrukturen und Nahverkehrssystemen diskutiert werden. Die Wissenschaft ist gefordert, in der Öfentlichkeit einen gesellschaftlichen Sinneswandel gegenüber Transport und Verkehr und den sie bestimmenden Rahmenbedingungen anzustoßen. Der auf Basis fachlicher Argumentationen geführte Dialog auf dem Jahresverkehrskongress 2011 identifizierte Defizite im strukturpolitischen, kommunikativen und wirtschaftsökonomischen Bereich. In den verschiedenen Konferenzbeiträgen wurde der Widerspruch in den zwischen dem allgemeinen Anspruch nach bedarfsorientierter Verkehrsinfrastruktur und der öfentlichen Wahrnehmung herausgearbeitet sowie Lösungsansätze und Strategien diskutiert, mit deren Hilfe neue Erkenntnisse gewonnen und Handlungsmöglichkeiten sowie -notwendigkeiten ermittelt werden konnten. DVWG-NEUERSCHEINUNGEN 2011 (B-REIHE) des Abschnittes Ofenburg - Basel auf vier Gleise bewirkt, bleibt abzuwarten. Neben diesem Projekt sind die anderen Projekte wie z.- B. der Anschluss von Freiburg an den TGV Rhin-Rhône oder der Anschluss des Flughafens Basel-Mulhouse-Freiburg an das Schienennetz von geringerer Bedeutung. Der Referent betonte, dass bei den hohen Kosten neuer Verkehrsinfrastrukturen immer wieder darauf geschaut werden sollte, dass vorhandene Kapazitäten auch ausgenutzt werden. Hier böten sich ggf. Reserven auf französischer Seite an, zumindest für die nächsten Jahre, bis die in Planung befindlichen Infrastrukturen geschafen sein werden. Mit Blick auf den Kraftfahrzeugverkehr widersprach Prof. Drude Befürchtungen der einen und Hofnungen der anderen, dass dieser im Zeichen einer Erschöpfung der Ölvorräte auf unserem Erdball in absehbarer Zeit vor dem Aus stehe: Es gebe als Antriebsquelle für leitungsunabhängige Kleinmotoren zu Kraftstofen auf Mineralölbasis keine wirtschaftliche Alternative. Auf der anderen Seite hätten aber die sukzessiven „Ölschocks“ die Erkenntnis geliefert, dass Erdöl in praktisch allen außerverkehrlichen Verwendungen relativ leicht ersetzbar sei. ɷ freiburg@dvwg.de »Der trinationale Kreis soll Arbeitsprogramme und Vereinbarungen zwischen den Partnern herbeiführen, um erfolgreich gemeinsame Projekte und neue Dynamiken am Oberrhein zu initiieren.« ßen bei der Bevölkerung fast durchgängig auf Ablehnung. Dabei geht es um massive Eingrife in die Bausubstanz durch die vorgesehene Führung der beiden zusätzlichen Gleise parallel zur bestehenden Strecke, um optisch unbefriedigende Anlagen des passiven Lärmschutzes und um befürchtete Erschütterungen infolge der hohen Zugzahlen. Ob die neuerliche Bereitschaft der DB AG zu baulichen Verbesserungen hier eine Wende hin zur zügigen Fertigstellung DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 90 Flughafen Heringsdorf: Erfolgsmodell für touristisches Incoming D er im Osten des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern auf der Insel Usedom gelegene Regionalflughafen Heringsdorf gehört zu den ältesten Flughäfen Deutschlands. Er wurde zunächst über Jahrzehnte militärisch genutzt. Ab 1962 wurde er dann auch für den zivilen Flugverkehr freigegeben. Von 1993 bis 1996 wurde der Flughafen grunderneuert und dabei mit einem Instrumentenlandesystem und einer Wetterstation ausgestattet. Die heutige strategische Ausrichtung des Regionalflughafens zielt vor allem auf die Entwicklung und Stabilisierung des touristischen Incoming-Verkehrs für die Ferieninsel Usedom mit ihren drei Kaiserbädern Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin. Dabei ist der Flughafen in den letzten Jahren gut vorangekommen. Das war der Grund für die BV Mecklenburg-Vorpommern, am 14.- Mai 2011 eine Tagesexkursion per Bus zu diesem Flughafen durchzuführen. Der Geschäftsführer der Flughafen Heringsdorf GmbH, Hans-Jürgen Merkle, Prof. Uwe Laue, Bezirksvereinigung Mecklenburg-Vorpommern Bei der Besichtigung des Flughafens Heringsdorf Foto: E. Schippmann nahm uns freundlich in Empfang und informierte uns in seiner engagierten Art sehr ausführlich über die Historie und die heutige Spezifik des Regionalflughafens, über Entwicklungsprobleme, über den heute erreichten Stand sowie über künftige Vorhaben und Ideen. Der Regionalflughafen Heringsdorf hat eine Start- und Landebahn mit einer Länge von 2300- m und einer Breite von 36- m. Sie ist für Flugzeugtypen bis einschließlich PCN 38 F/ A/ X/ T (Boeing 737 bzw. Airbus A 321) zugelassen. Der Flughafen hat eine unbeschränkte Betriebserlaubnis und seine Betriebsgenehmigung gilt für 24-Stunden und sieben Tage. Der Flugverkehr konzentriert sich derzeit allerdings im Wesentlichen auf die Wochenenden. Die Flughafen Heringsdorf GmbH hat in jüngster Vergangenheit verschiedene Versuche unternommen, Linien- und Charter-Verbindungen zu deutschen, aber auch ausländischen Flughäfen aufzubauen. Schließlich wurde eine stabile Zusammenarbeit, vor allem mit der Ostfriesischen Lufttransport GmbH (OLT) und mit Air Berlin erreicht, auf deren Basis jeweils in der Sommersaison mehrere touristisch geprägte Linienverkehre erfolgreich abgewickelt werden. Im Jahr 2010 wurden dabei mehr als 31 000 Passagiere registriert. Der diesjährige Sommerverkehr wurde am 7.- Mai gestartet. Seitdem gibt es immer samstags Direktflüge von und nach Köln- Bonn, Frankfurt, Bremen, Düsseldorf, Dortmund und Stuttgart. Ab 28.- Mai kommen Zürich (sonntags) und ab 3.- Juli auch noch München und Bern ( jeweils sonntags) dazu. Als Fluggeräte werden dabei Saab 2000 mit 50 Plätzen und Dash 8Q-400 mit 78 Plätzen eingesetzt. Die Sommersaison endet überwiegend im Oktober. Der Erfolg des Flughafens Heringsdorf beruht ganz entscheidend auf einem sehr interessanten Geschäftsmodell. Einige größere Hotels auf der Insel Usedom haben die Bedeutung des touristischen Incoming- Verkehrs über den Flughafen Heringsdorf erkannt und kooperieren daher mit dem Flughafen bzw. mit den Fluggesellschaften. Sie geben den Fluggesellschaften eine Auslastungsgarantie von 70 % und vermarkten nicht nur den Aufenthalt auf der Insel sondern auch den Hin- und Rückflug. Darüber hinaus sorgen die Hotels auch für den schnellen Transfer von und zum Flughafen. Auf diese Weise kann den Kunden ein sehr attraktives touristisch-logistisches Gesamtpaket aus einer Hand angeboten werden. Da das Modell gut angenommen worden ist und die genannten Fluglinien durchweg gut ausgebucht sind, wird inzwischen auch schon über weitere Verbindungen nachgedacht. Derzeit wird der Flughafen Heringsdorf mit einer eigenen Betriebsgesellschaft durch den Landkreis Ostvorpommern betrieben. Gegenwärtig läuft allerdings eine Ausschreibung mit dem Ziel, den Flughafen zu privatisieren. An der touristischen Ausrichtung wird sich dadurch allerdings nichts ändern. Die Teilnehmer der Exkursion konnten interessante Eindrücke über Entwicklungspotenziale auch kleiner Regionalflughäfen gewinnen und sie werden die künftige Entwicklung des Flughafens Heringsdorf sicher auch weiter verfolgen. ɷ mecklenburg-vorpommern@dvwg.de Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 91 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten ➼ DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Zentrale Veranstaltungen Bezirk eMail 22.08.2011, 12.30 Uhr Fachexkursion: Ofshore Windenergie − Basishafen Cuxhaven 19.09.2011, 18.00 Uhr- Flughafentag − 100 Jahre Hamburg Airport Referent: Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport Ort: Flughafen Hamburg Hamburg hamburg@dvwg.de Oberrhein oberrhein@dvwg.de 01.08.2011, 17.00 Uhr Stammtisch des Jungen Forums mit Segway-Fahrt nach Karlsruhe Rhein-Main rhein-main@dvwg.de 11.08.2011, 19.00 Uhr JuFo-Diskurs: Auf- und Ausbau von institutionellen und fachlichen Strukturen im Verkehrssektor in Liberia Ort: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 27.08.2011, 10.00 Uhr Exkursion: Linie 18 Frankfurter Bogen 08.09.2011, 19.00 Uhr JuFo-Diskurs: Internationales Postzentrum Frankfurt Ort: IPZ Frankfurt, Flughafengebäude 190, 60549 Frankfurt am Main Württemberg wuerttemberg@dvwg.de 31.08.2011, 18.30 Uhr Verkehrsstammtisch des Jungen Forums der BV Württemberg 15.09.2011, 17.30 Uhr Straßenverkehrsmaut: Technologie, Verfahren, Pilotprojekte Referent: Dipl.-Phys. Lars Reger, Vice President Strategy & Business Development NXP Semiconductors, Hamburg Ort: Stuttgart, Verband Region Stuttgart, Kronenstraße 25 26.09.2011, 17.30 Uhr Ethylen-Pipeline-Süd − ein wichtiges Infrastrukturprojekt für die südwestdeutsche Industrie Referent: Dr. Werner Döhler, Geschäftsführer der EPS GmbH & Co. KG, München Ort: Stuttgart, Verband Region Stuttgart, Kronenstraße 25 Südbayern suedbayern@dvwg.de 27.09.2011, 17.00 Uhr Gemeinschaftsveranstaltung mit der Hanns-Seidel-Stiftung: Elektromobilität - Konzepte und Technologien für die Mobilität der Zukunft Referenten: Dr. Thomas Becker, Leiter Politik bei der BMW Group München, Prof. Dr. Markus Lienkamp, Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik, TU München Ort: München, Hanns-Seidel-Stiftung 18.10.2011, 17.30 Uhr CargoBeamer - die Revolution im Güterverkehr hat begonnen Referent: Michael Baer, Mitglied Vorstand CargoBeamer AG, Leipzig Ort: München, StMWIVT Ziegeleipark Mildenberg 26.08.2011 Oberhavel Verkehrsgespräche 2011 Zukunftsmarkt Regionaler Nahverkehr Braunschweig 01.09.2011 9. DVWG Bahnforum Ansprüche an die Schieneninfrastrukturplanung unter Berücksichtigung von Kapazitäten und Qualität Berlin 28./ 29.09.2011 Zukunftsforschung für eine nutzerorientierte Verkehrsplanung Stuttgart 19.10.2011 DVWG Ringform Süddeutschland Finanzierung von Mobilität und Verkehr 15.09.2011 18. DVWG Luftverkehrsforum Ausbau von Flughafeninfrastrukturen - Erwartungen und Möglichkeiten Frankfurt/ Main Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Niedersachsen-Bremen niedersachsen-bremen@dvwg.de 19.09.2011, 7.30 Uhr Exkursion nach Wilhelmshaven zum Jade-Weser-Port 11.10.2011, 17.00 Uhr Verkehrsmanagement: Staufreies Hessen Referent: Gerd Riegelhuth, Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen Ort: Leibniz-Universität Hannover Mecklenburg-Vorpommern mecklenburg-vorpommern@dvwg.de 16.08.2011, 15.00 Uhr Verkehrstelematik Referenten: Hendrik Ammoser, TÜV Rheinland, Andreas Fast, c.c.com Andersen&Moser Ort: IHK zu Schwerin, Graf-Schack-Allee 12, 19053 Schwerin, Raum Mecklenburg Warschau 10./ 11.10.2011 9. Europäischer Verkehrskongress der EPTS Verkehr und Transport nach der Krise SERVICE Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, Straße des 17. Juni 135, D-10623 Berlin, frank.straube@tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas haas@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Freie Mitarbeit und Redaktion Spezial: Kerstin Zapp kerstin.zapp@dvvmedia.com Dr. Karin Jäntschi-Haucke (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 48 vom 1. Januar 2011. Vertrieb Riccardo di Stefano Bezugsgebühren: Inland EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.), Ausland EUR 154,00 (inkl. Porto). Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 25,00 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Bezugsbedingungen: Die Laufzeit eines Abonnements beträgt mindestens ein Jahr und kann danach mit einer Frist von sechs Wochen jeweils zum Ende einer Bezugszeit gekündigt werden. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlags oder infolge höherer Gewalt kann der Verlag nicht haftbar gemacht werden. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: Titellayout: Getty Images Karl-Heinz Westerholt Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Herstellung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf, www.tz-verlag.de Internationales Verkehrswesen Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 19.8.11 Frankfurt/ Main (D) 100-jähriges Jubiläum der Luftfracht Info: Lufthansa Cargo, Frankfurt/ Main Tel. +49 (0)69/ 696 0, Fax +49 (0)69/ 696 91185 lhcargo@dlh.de, www.100-jahre-luftfracht.de 30.-31.8.11 Sydney (AU) High Speed Rail World Australia 2011 Info: Terrapinn (Australia) Pty Ltd Tel. +61 2 9021 8808, Fax +61 2 9281 5517 enquiry.au@terrapinn.com, www.terrapinn.com/ 2011/ high-speed-rail-world-australia/ 1.9.11 Braunschweig (D) 9. DVWG-Bahnforum Info: Deutsche verkehrswissenschaftliche Gesellschaft Telefon: +49 (0)30-293 606 0 www.dvwg.de, hgs@dvwg.de 6.-7.9.11 Dortmund (D) Zukunftskongress Logistik − 29. Dortmunder Gespräche Info: Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik Tel. +49 (0)231 97 43-403 info@zukunftskongress-logistik.de, www.zukunftskongress-logistik.de 13.-14.9.11 Bonn (D) Tra c Talks 2011 Info: Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Tel. +49 (0)211 3843-2232 susanne.foltis@mwebwv.nrw.de, www.traictalks.de 14.-15.9.11 Hamburg (D) GreenPort Conference 2011 Info: HPA Hamburg Port Authority Tel. +49 (0)40/ 428 47 - 2300 pressestelle@hpa.hamburg.de, www.hamburg-port-authority.de 15.-25.9.11 Frankfurt/ Main (D) IAA PKW Info: Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA) Tel.: +49 (0)69 975070 Fax: +49 (0)69 97507261 info@vda.de, www.vda.de 22.9.11 Hamburg (D) 8. HanseLog Nachhaltigkeit durch E zienz − Erfolgskonzepte der Logistik Info: BVL Bundesvereinigung Logistik, Bremen Tel. +49 (0) 421 173 84 0, Fax +49 (0) 421 16 78 00 bvl(at)bvl.de, www.bvl.de 22.9.11 Luzern (CH) Wayside Train Monitoring Systems Info: Europoint conferences@europoint.eu, www.waysidemonitoring.eu 26.-28.9.11 Antwerpen (B) cool logistics Info: Cool Logistics, London Tel. +44 20 89 77 05 30, Fax: +44 20 82 79 94 05 www.coollogisticsconference.com 27.9.11 St. Gallen (CH) 5. St. Galler Logistikdienstleistungs-Kongress Info: Lehrstuhl für Logistikmanagement, St. Gallen Tel. +41/ 71 224 7280, Fax +41/ 71 224 7315 logistik@unisg.ch, www.logistik.unisg.ch 27.-29.9.11 Salzburg (A) ÖVG-Fahrwegtagung Info: Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (ÖVG) Tel. +43 (1)587 97 27, Fax +43 (1)585 36 15 http: / / www.oevg.at, oice@oevg.at 30.9.11 Bern (CH) UIP Congress 2011 Info: U.I.P., Brüssel Tel. +32/ 2/ 6728847 info@uiprail.org, www.uiprail.org 5.-6.10.11 Frankfurt/ M. (D) 6. Internationaler VDV-Eisenbahnkongress Info: VDV-Akademie Tel. +49 (0)221-57979170 eckert@vdv.de, www.vdv-akademie.de 16.-17.11.11 O enburg (D) ECOMOBIL 2011 Kongress & Fachmesse für Elektromobilität Info: Messe O enburg-Ortenau Tel. +49(0) 781/ 9226-54 ecomobil@messeo enburg.de www.ecomobil-o enburg.de TERMINE + VERANSTALTUNGEN 19.8.2011 bis 17.11.2011 Internationales Verkehrswesen verlost 25 kostenlose Besucherkarten für die IAA Pkw, die zu einem einmaligen Einlass auf das Messegelände an einem beliebigen Besuchertag (17.- 25. September) berechtigen. E-Mail mit Name und Anschrift bis zum 2.9.2011 an: iaa@internationalesverkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 93 HERAUSGEBERBEIRAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Michael P. Clausecker MBA, Berlin Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Leiter Sonderprojekte DB Mobility Logistics AG Frankfurt Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Hans-Jürgen Hahn Dipl.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, München Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Heiner Hautau Prof. Dr., ehem. Präsident der DVWG, Geschäftsführer des Instituts für Stadt- und Raumplanung Instara GmbH, Bremen Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Oicer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Hans-Joachim Welsch Dipl.-Kfm., Geschäftsführer der Rogesa Roheisengesellschaft Saar mbH und der ZKS, Zentralkokerei Saar GmbH, Dillingen, sowie Ehrenbeirat des VBW, Duisburg Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Werner Lundt Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schi bau und Meerestechnik e. V., Hamburg Klaus Milz Prof. Dr., Chief Country Representative European Union bei Bombardier Transportation, Machelen Eine Chance für die Infrastruktur Herausgeberbeirat Dr. Tom Reinhold zu Risiken von Infrastrukturengpässen I m politischen Verteilungskampf um knappe Haushaltsmittel fällt es der Verkehrspolitik schwer, sich gegen andere Interessen durchzusetzen. In keinem Ressort scheint die Schere zwischen wissenschaftlich anerkanntem Bedarf und tatsächlicher Mittelverfügbarkeit so weit auseinander zu klafen wie im Verkehrsbereich. Zu wenig wird erkannt, dass Infrastrukturengpässe eine Wachstumsbremse für die gesamte Volkswirtschaft darstellen und der Substanzverzehr durch zurückgestellte Instandhaltungsmaßnahmen langfristig zu deutlich höheren - vermeidbaren! - Kosten führt. Die Verkehrsbranche benötigt planbare Finanzierungskreisläufe. Die Mittel müssen von der Öfentlichen Hand und den Nutzern kommen: Bei der Straße sollten Maut und ein Teil der Mineralölsteuer zweckgebunden für Bau und Erhalt des Straßennetzes zur Verfügung stehen; bei der Schiene sollte neben den Haushaltsmitteln ein möglichst hoher Anteil der Dividende, die der Bund als Eigentümer von der DB AG erhält, als Zuschuss in den Netzausbau zurückfließen. »Infrastrukturengpässe stellen eine Wachstumsbremse für die gesamte Volkswirtschaft dar.« GASTKOMMENTAR Heinz Schulte Internationales Verkehrswesen (63) 4 | 2011 94 Globale Mobilität ohne Sicherheit funktioniert nicht! D ie Wirtschaft boomt fast wieder auf dem Niveau vor der Krise. Jedoch haben die Wirtschaftskrise wie auch der jüngste Aufschwung die Grenzen und Schwächen der Globalisierung aufgezeigt: Sie beruht auf einer hochgezüchteten, weltumspannenden Mobilität − nahezu in Echtzeit („Just-in-time“). Und diese ist äußerst anfällig für technische Unzulänglichkeiten beziehungsweise Nachlässigkeit (Safety/ Fukushima) sowie unrechtmäßige Eingrife von außen (Security). Damit ist klar, dass globale Mobilität zu Lande, zu Wasser, in der Luft und virtuell (über Kabel und Sendemasten) ohne globale Sicherheit (global security) nicht vorstellbar ist. Mobilität und Sicherheit bedingen einander. Hierzu einige Kernthesen: • Wenn Globalisierung von Strömen (flows) handelt, dann handelt Global Security von der Kontrolle dieser Ströme an Gütern (Stichwort: Container Screening), Rohstofen (Liefersicherheit), Menschen (illegale Migration/ Terrorismus), Informationen (Datensicherheit) und Finanzen (Geldwäsche). • Global Security − die Kontrolle von Strömen − verursacht Kosten; sei es zur Vermeidung von Schäden (Vorsorge) oder durch Absicherung (geschützte Infrastruktur/ Versicherungsprämie). Beide Optionen sind mit Kosten verbunden. Und diese dürfen nicht mit klassischen Verteidigungsausgaben verwechselt werden; sie sind komplementär. Dies wird am Schaden für die Volkswirtschaften durch Piraterie deutlich. Ist Bekämpfung der Piraterie eine Kernaufgabe der Marine, der (polizeilichen) Küstenwache oder der betrofenen Reeder? • Wer politisch Sicherheitsstandards setzt, schaft Märkte und lässt Dritte dafür bezahlen. Im Augenblick setzen zwei politische Kraftzentren diese Standards: Washington und die europäische Zentrale in Brüssel. Weitere werden hinzukommen, wie Singapur und China. Als Beispiel für das Setzen von Standards sei die umstrittene amerikanische Überlegung genannt, künftig nur noch Container ins Land zu lassen, die aus „zertifizierten“ 50 bis 60 Seehäfen weltweit kommen. Wer zertifiziert, hat politische Macht! Aus dem oben Skizzierten wird deutlich, dass man die Entwicklung der internationalen Ströme, der Logistik und des Transports - kurzum der Mobilität - nicht von der Sicherheit der Ströme trennen kann. Die Hardware (Lagerhaltung, logistische Ketten, Transportsysteme) geht Hand in Hand mit dem Verständnis von Sicherheit. Transportsicherheit ist nicht ein Add-on für den Sicherheitsbeauftragten eines Unternehmens − neben Datenschutz, Zugangskontrolle und Spionageabwehr. Transportsicherheit ist Kernaufgabe unternehmerischen Handelns im globalen Wettbewerb! Die Schafung sichererer Infrastrukturen zu diesem Zweck hingegen ist staatliche Kernaufgabe. Der Begrif „Supply Chain Management“ wird primär ablauftechnisch definiert; er hat aber auch eine politische Dimension. Sicherheit der Mobilität beruht weitgehend auf sicherer Infrastruktur beziehungsweise Transportwegen (die Piraterie ist schon erwähnt worden). Und diese wiederum stützt sich auf politisch und gesellschaftlich stabile Fundamente (Rechtssicherheit, funktionierendes Staatswesen, Bildung, Infrastruktur) ab. Als Beispiel für den notwendigen Dialog zwischen Industrie, Staat und Gesellschaft zum Schlüsselthema „Mobilität und Sicherheit“ sei die Lkw-Maut genannt. (Exkurs: Ohne Maut ist „Just-in-time Delivery“ nichts anderes als „Lagerhaltung auf der Autobahn“ auf Kosten der Allgemeinheit.) Mautsysteme treiben nicht nur eine Straßennutzungsgebühr ein, sie bieten sich auch als schnell reagierendes, flexibles Lenkungssystem für logistische Ketten an. Voraussetzung - zumindest in westlichen Ländern − ist die gesellschaftspolitische Akzeptanz (Datenschutz). Es reicht in einer vernetzten Welt nicht länger aus, allein auf technische Lösungen zu setzen, ohne die gesellschaftliche Dimension (Schutz der Umwelt, der Arbeitsstätte, der Daten, der öfentlichen Sicherheit) einzubeziehen. ɷ »Die Entwicklung der internationalen Ströme, der Logistik und des Transports - kurzum der Mobilität - kann man nicht von der Sicherheit der Ströme trennen.« Heinz Schulte Chefredakteur der Griephan Publikationen der DVV Media Group, ist Fachjournalist für internationale Sicherheitspolitik. Er war jahrelang deutscher Korrespondent von Jane's Defence Weekly (London). Er schreibt regelmäßig zu sicherheitsrelevanten Themen im Handelsblatt. ZUR PERSON 6/ 11 7. Februar 2011 w w w.railbusines s.de IS SN 1867-2728 Der wöchentliche Branchenreport von Eurailpress und DVZ B U S I N E S S 7.2.2011 | 6/ 11 1 B U S I N E S S Weitere Informationen unter www.eurailpress.de/ eb Warnstreiks im deutschen Schienenverkehr Gewerkschaften Bittere Pille für DB: SNCF-Arzneimittel für strikte Trennung von Netz und Betrieb Liberalisierung In dieser Ausgabe: Foto: A. Louvet Lobbying mit Witz: SNCF-Vertreter Jean-Michel Dancoisne mit Pillen für politische Ziele. 3/ 11 17. Januar 2011 w w w.railbusines s.de IS SN 1867-2728 Der wöchentliche Branchenreport von Eurailpress und DVZ B U S I N E S S 17.1.2011 | 3/ 11 1 B U S I N E S S Weitere Informationen unter www.eurailpress.de/ eb Güterverkehr in Frankreich unter der Lupe Spezial „Vorschläge zur Öffnung des nationalen Personenverkehrs bereits Anfang 2012“ EU-Politik In dieser Ausgabe: Foto: Louvet EU-Kommissar Siim Kallas: „Leitmotiv ist nicht länger die Verkehrsverlagerung auf die Schiene.“ Jetzt kennenlernen und Probeabo bestellen: www.railbusiness.de Wirtschaftsinformationen aus erster Hand Europäische Bahnen '11 NEU: Alle Daten auf CD-ROM NEU: Alle privaten & staatlichen Bahnen - detaillierte Infos zu 1.100 Bahnen regulärer Preis: 127,- € (inkl. MwSt., zzgl. Versand), rabattierter Preis (für Rail Business Abonnenten): 99,-€ (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Details zum Buch unter www.eurailpress.de/ eb Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen 4/ 10 U1_U2_Titel_EPV.indd 1 23 Rail Business, der Wirtschaftstitel für den gesamten Schienenverkehrsmarkt. Wöchentlich: Ausführlicher Branchenreport mit Hintergrundberichten, Analysen und Kommentaren Täglich: Aktuelle Nachrichten aus allen Bereichen des Marktes Express: Eilmeldungen zu wichtigen Ereignissen und Anlässen Vierteljährlich: Spezielle Management-Journale zu Topthemen Mehr als 1000 Seiten Nutzwert-Informationen im Jahr . Recherchiert und exklusiv au ereitet für Sie vom Redaktionsteam aus dem Hause von Eurailpress und DVZ. Mit CD! ’11 B U S I N E S S © 2011 · DVV Media Group | Deutscher Verkehrs-Verlag · Logos u nd Produktbeschreibungen sind eingetragene Warenzeichen der jeweiligen Unternehmen. Die auf di eser CD gespeicherte Software wird unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung überlassen. 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