Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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LOGISTIK Lieferkettenstörungen: Wer kommt für den Schaden auf? MOBILITÄT Assistenzsysteme: Wie machen sie das Fahren sicherer? TECHNOLOGIE Luftfracht: Was können intelligente Container leisten? Im Interview: Lufthansa-Manager Thomas Klühr Immer der Nase nach? www.internationalesverkehrswesen.de Heft 6 November/ Dezember | 2011 Transport and Mobility Management Verkehr efektiv managen Die Marktübersicht Europäische Bahnen ’12 liefert Ihnen zum Bahnmarkt in Europa einen aktuellen Überblick. Der Datenbestand der fünften Aulage wurde erneut ausgebaut und enthält nun auch: Einleitungskapitel zu jedem Land mit Informationen zur Entwicklung der Eisenbahn im jeweiligen Land, zum aktuellen Stand des Bahnmarkts, zur Marktstruktur sowie Adressen zu Aufsichtsbehörden und wichtigen Verbänden Übersichts-Streckenkarten zu den meisten Ländern neue Länder: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei In Zahlen bedeutet dies: rund 1.121 Unternehmen mit allen Daten zu Gesellschaftern, Management, Historie und Verkehren ein Personenindex mit mehr als 2.300 Einträgen 29 Länder und mehr als 13.500 Triebfahrzeuge der privaten Bahngesellschaften mit ihren Herstellerdaten Diese Datenfülle mit ihrem hohen Qualitätsstandard ist einzigartig in Europa. Mit der Ausgabe 2012 erhalten Sie neben dem gedruckten Nachschlagewerk eine CD-ROM . Diese CD-ROM enthält detaillierte Fahrzeuglisten der privaten bzw. kommunalen Bahngesellschaften sowie alle Inhalte des Buches und bietet eine Volltextsuche nach Begrifen, Personen und Verkehren. Das Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs - und Infrastrukturunternehmen Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0425-6 Format 148 x 215mm Preis: EUR 128,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) rabattierter Preis (für Rail.Business Abonnenten): EUR 96,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress Telefon: +49/ 40/ 2 37 14-440 · Fax +49/ 40/ 2 37 14-450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Neuauflage Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ eb Hier finden Sie auch eine Leseprobe. Europäische Bahnen ´12 Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 3 EDITORIAL Frank Straube »Eizient und integriert die vorhandene Infrastruktur nutzen! « D as Mobilitätsbedürfnis von Menschen und Gütern nimmt aufgrund unseres entwickelten Lebensstandards in einer globalisierten Welt mit seit wenigen Tagen 7-Mrd. Menschen weiter zu und wird in Zukunft − je nachdem welche Prognose zugrunde gelegt wird − stark oder sehr stark ansteigen. Dabei stützen wir uns auf eine intakte Infrastruktur, die aber mehr und mehr Gefahr läuft nicht mehr in der Lage zu sein, die Bedürfnisse ihrer Anspruchsgruppen zu befriedigen. Wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen, zeigen die Zahlen, die im Oktober in der Infrastruktursequenz des Deutschen Logistik Kongresses in Berlin von der Politik vorgestellt wurden. Dem zur Verfügung gestellten europäischen Finanzvolumen für die Verkehrsinfrastruktur von 36-Mrd.-EUR steht laut europäischem Weißbuch Verkehr ein Finanzierungsbedarf von ca. 1,5-Bio.-EUR gegenüber. Bei Betrachtung dieser gewaltigen Lücke wird schnell deutlich, dass sich alle Nutzer von morgen schon heute intensiv Gedanken zur eizienteren, integrierten Nutzung der vorhandenen Infrastruktur machen müssen. Wichtige Ansätze hierzu sollen in diesem Heft vorgestellt werden. Ein Beispiel für den Eisenbahngüterverkehr gibt der Beitrag von Prof. Bernd Kortschak, wonach dem Einzelwagenverkehr durch neue Rangiertechnologien zur Wettbewerbsfähigkeit verholfen werden kann. Die Bahn kann uns in Zukunft auch wieder verstärkt in den Urlaub begleiten, dazu untersucht das Forschungsprojekt „viaDeutschland“ die Potenziale eines Urlaubsstarts mit der Bahn, bei dem bereits die entschleunigte Anreise zum nachhaltigen Urlaubserlebnis wird. Die eiziente Nutzung von Straße in der Feinverteilung untersucht ein Forschungsprojekt an der TU Berlin. Hier wird der Beitrag moderner I+K- Technologien zur nachhaltigen Infrastrukturnutzung durch dynamische Gestaltung von Lieferverkehren analysiert. Informationstransparenz wird auch im Beitrag über das Stockholmer ÖPNV- System großgeschrieben. Fahrerassistenzsysteme können neben eizienterer Infrastrukturnutzung zusätzlich auch einen erhöhten Sicherheitsstandard realisieren. Sie werden näher in einem Beitrag von Prof. Günther Prokop untersucht. Sicherheit spielt gerade auch bei der Abwicklung von Großveranstaltungen über stark frequentierte Verkehrssysteme eine wichtige Rolle. Hierzu stellt das Sicherheitsforschungsprojekt „VeR- Siert“ die im Projekt entwickelte Kommunikationsplattform zur Verbesserung der Steuerung und Schaffung von Systemtransparenz vor. In die Luft geht es gleich mit mehreren Beiträgen. Im Interview steht der Passagevorstand der Lufthansa AG, Thomas Klühr, Rede und Antwort zum neuen Produktionssystem in der Regionalversorgung. Wie sich der Luftverkehrssektor in Deutschland im internationalen Wettbewerb positionieren sollte, analysiert Andreas Kossak. Die bodenseitige Infrastruktur fokussieren die Artikel zu den sich verschärfenden Wettbewerbsbedingungen von Flughafenbetreibern über die Analyse der wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren (Wirtschaftsuniversität Wien) und die Ausweitung des sogenannten Non-Aviation-Business am Flughafen (Hochschule Harz). Intelligenz in der Abwicklung ist auch in der Luftfahrt der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg, wie das Fraunhofer IML darlegen kann. Nur durch eine übergreifende Planung und Realisierung prozessorientierter Verkehrsketten, die vom Endkundenbedürfnis ausgehen, können die Verkehrszuwächse der Zukunft eizient bewältigt und neuartige Geschäftsmodelle mit zusätzlichen Umsatzpotenzialen zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen realisiert werden. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und freue mich auf Ihre Meinungen. Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de Ihr »Nur durch eine übergreifende Planung und Realisierung prozessorientierter Verkehrsketten können die Verkehrszuwächse der Zukunft bewältigt werden.« Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 4 WISSENSCHAFT 12 Determinanten im Standortwettbewerb von Flughäfen Mirko Hoppe Hans-Joachim Schramm Sebastian Kummer 17 Preisstrategien im deregulierten EU-Luftverkehrsmarkt Christos Evangelinos Boris Brandmüller POLITIK LOGISTIK 30 Rangieren abschafen, Einzelwagenverkehr retten! Bernd H. Kortschak 33 Bewegung am Himmel Dirk Ruppik 36 Lieferkettenstörung - wer zahlt? Christoph Willi WISSENSCHAFT 38 Carbon Accounting - a challenging Task for Logistics Service Providers Markus Gogolin Thorsten Klaas-Wissing Wolfgang Stölzle INFRASTRUKTUR 22 Luftverkehrsstandort Deutschland gestalten! Andreas Kossak WISSENSCHAFT 26 Die Bedeutung des Non-Aviation-Segments an Flughäfen Franz Fürst Sven Groß Ulf Klose Sabrina Schneider »Die Integration kleiner Regionalfluggesellschaften wird weiter fortschreiten.« Thomas Klühr, Passagevorstand der Deutsche Lufthansa AG, Ressort München und Direct Services Seite 44 INTERVIEW Mit Service und Verbindungen punkten Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 5 MOBILITÄT 46 Mehr Sicherheit durch bessere Kommunikation Norbert Reinkober Holger Fritsch Christoph Hagen 48 Marktdurchdringung schaft Sicherheit Günther Prokop 50 Mehr als nur ein Ziel - nachhaltiger Tourismus Thomas Sauter-Servaes Johanna Kardel 54 Prozesstransparenz bei der Stockholmer U-Bahn Stefan Hofmann 56 Intelligente Luftfrachtcontainer Martin Fiedler Arkadius Schier 58 Potenziale dynamischer Tourenplanung Seyit Elektirikçi Arnfried Nagel 60 Smarte Tourenplanung Petra Gust-Kazakos TECHNOLOGIE INHALT Nov/ Dez-2011 DVWG-Nachrichten 65 Leitwort von Sebastian Belz, Generalsekretär der EPTS 69 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen RUBRIKEN 03 Editorial 06 Momentaufnahme 08 Nachrichten 1 1 Kurz + Kritisch 53 Bericht aus Brüssel 61 Industrie + Technik 70 Entdeckungen 72 Impressum / Termine 73 Beirat Gastkommentar von Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Seite 74 ➼ www. Sie finden „Internationales Verkehrswesen“ im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: b umfangreichem Hefte-Archiv b aktuellen Branchennews und Terminen MOMENTAUFNAHME Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 6 Foto: Volkswagen Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 7 Dr. Ulrich Hackenberg Vorstand Technische Entwicklung der Marke Volkswagen Mit unserem Technologieträger XL1 haben wir konsequent die komplette Klaviatur der Eizienz genutzt. Hightech-Leichtbau mit kohlefaserverstärktem Kunststof, perfekte Aerodynamik und ein Plug-in- Hybridsystem - aus einem 2-Zylinder-TDI-Motor (35 KW), einem E-Motor (20 KW), einem 7-Gang- DSG-Getriebe und einer Lithium-Ionen-Batterie - machen es möglich, dass unser XL1 bei einem Verbrauch von 0,9 l/ 100 km nur noch 24 g/ km CO 2 emittiert. Da als Plug-in- Hybrid konzipiert, kann der XL1 zudem über eine Distanz von bis zu 35 km rein elektrisch und damit emissionsfrei gefahren werden. Vision von Eizienz NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 8 Fiata / Clecat Präsident und Generaldirektoren neu Die Delegierten der internationalen Spediteurorganisation Fiata haben auf ihrem Weltkongress am 21.- Oktober in Kairo Stanley Lim Hwee Hong aus Singapur zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Lim Hwee Hong war seit 1995 bereits Vizepräsident der Fiata. 2001 wurde er zum Senior Vice President und 2007 zum Schatzmeister gewählt. Anfang Januar 2012 übernimmt Marco Leonardo Sorgetti den Posten des Generaldirektors und CEO der Fiata. Er folgt auf Marco A. Sangaletti, der in den Ruhestand geht. Sorgetti ist derzeit Generaldirektor des europäischen Fiata-Schwesterverbands Clecat. Der europäische Speditionsverband Clecat wird von Beginn des kommenden Jahres an von Nicolette van der Jagt geführt. Sie übernimmt den Posten als Generaldirektorin von Sorgetti. van der Jagt war viele Jahre lang Secretary General des European Shippers Council. (zp) Bast Strick jetzt Präsident Stefan Strick Foto: Bast Stefan Strick, bisher Leiter der Unterabteilung „Straßenbaupolitik, Straßenplanung, Straßenrecht“ im Bundesverkehrsministerium (BMVBS), ist Nachfolger von Dr. Peter Reichelt als Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast). Die Bast ist ein technisch-wissenschaftliches Institut des BMVBS und berät das Ministerium. (sr/ zp) UVHH Bonz führt Der Hafenrat des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) wählte Mitte Oktober Gunther Bonz für die nächsten drei Jahre zum Präsidenten. Damit löst der Geschäftsführer der Eurogate Container Terminal Hamburg GmbH und Generalbevollmächtigter der Eurogate- Gruppe den Vorstandschef der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Klaus-Dieter Peters, an der Verbandsspitze ab. Peters kandidierte nach sechs Jahren nicht wieder für das Amt. Bonz ist seit 2009 Mitglied des Präsidiums des UVHH. Vizepräsident wurde Heinz Brandt (HHLA). (zp) Kühne + Nagel Stüer macht Bahn / Geschäftsführer bestätigt Das weltweite Bahngeschäft und die Intermodalverkehre von Kühne + Nagel liegen vom 1. Januar 2012 an in den Händen von Raimund Stüer. Er soll die Bahnaktivitäten des Logistikkonzerns weiterentwickeln und den Aufbau von Transportlösungen im Kombinierten Verkehr vorantreiben. Stüer war im Juni als Vorstand des Eisenbahnunternehmens TX Logistik ausgeschieden. Der Verwaltungsrat von Kühne + Nagel International hat beschlossen, den Vertrag des CEO Reinhard Lange bis Ende 2013, den des Finanzchefs Gerard van Kesteren bis Mitte 2014 und den des Leiters der Geschäftsbereiche Kontraktlogistik und Landverkehre, Dirk Reich, bis Ende 2014 zu verlängern. (zp) Österreichische Post Hitziger und Oblin steigen auf In der heutigen ordentlichen Aufsichtsratssitzung der Österreichischen Post AG wurde DI Walter Hitziger zum Vorstand für die erweiterte Division Brief/ Retail bestellt. Er übernimmt mit Auslaufen seines Vertrags als Briefvorstand Ende Dezember 2011 die zusätzlichen Aufgaben. Walter Oblin wird vom 1. Juli 2012 an den Finanzbereich verantworten. Er wird damit als Finanzvorstand Dr. Rudolf Jettmar nachfolgen, dessen Vertrag Mitte nächsten Jahres ausläuft. Der Vertrag von Hitziger läuft bis Ende 2016, der Vertrag von Oblin bis 30. Juni 2015. Auch Oblin kommt aus dem Konzern, wo er seit Herbst 2009 den Bereich Strategie und Konzernentwicklung leitet. (zp) Cebit 2012 Plattform Logistics-IT Die Cebit als weltweit wichtigste Veranstaltung für die digitale Wirtschaft greift intensiver als bislang das Thema Logistik auf. Mit der Plattform „Logistics-IT“ bietet sie Herstellern von Logistiksoftware in Form eines Gemeinschaftsstands und eines Forums künftig eine neue Präsentationsmöglichkeit. Organisiert werden der Stand und das Forum vom Cemat-Team der Deutschen Messe AG. Die Cemat findet alle drei Jahre statt und bot bisher die Plattform für Software-Lösungen für die Logistik. Der jährliche Rhythmus der Cebit kommt den Entwicklern jedoch ergänzend zum Branchenevent Cemat entgegen. Die Cebit 2012 findet vom 6. bis 10. März in Hannover statt. (zp) DB Schenker Korn im Ruhestand Nach 40 Jahren ist Michael Korn, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Schenker Deutschland, Ende Oktober in den Ruhestand gegangen. Er war für die Luft- und Seefracht, das Messegeschäft und die Spezialverkehre des Unternehmens verantwortlich. Seine Aufgaben verteilen sich nun auf zwei Vorstandsmitglieder: Jochen Müller, Chef von Schenker Ltd in Großbritannien, wird die Luftracht, Messen und Spezialverkehre leiten. Thomas Hauck, Geschäftsführer von DB Schenker Logistics in Nordchina, ist nun für Seefracht und Projektgeschäfte verantwortlich. (pkl/ zp) Logistik Hall of Fame Aden aufgenommen Der Vorstandsvorsitzende der BLG Logistics Group wird als „Managerpersönlichkeit und Impulsgeber der modernen Logistik“ für seine Verdienste um die Branche ausgezeichnet und offiziell am 6. Dezember 2011 im Bundesverkehrsministerium in die Logistik Hall of Fame aufgenommen. Aden wurde im September unter 27 Kandidaten von einer unabhängigen Expertenjury in die logistische Ruhmeshalle gewählt. Überreicht wird die Auszeichnung im Dezember anlässlich eines Gala-Empfangs im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Berlin. Aden war unter anderem Gründungsgeschäftsführer von UPS United Parcel Service in Deutschland und hat damit den Aufbau des Paketdienstsystems maßgeblich vorangetrieben. Als einer der ersten Logistiker führte er bereits in den 1970er Jahren eine IT-gestützte Speditionsabfertigung ein. Weitere Stationen waren etwa Unitrans und Thyssen Haniel Logistic GmbH. Seit 1999 ist Aden Vorsitzender des Vorstands der BLG Logistics Group. Darüber hinaus erfüllte und erfüllt er mehrere leitende Verbandsfunktionen. Bisher wurden 15 verdiente Logistiker in die Ruhmeshalle aufgenommen. Weitere Informationen finden Sie unter: www.logistikhallofame.de (zp) Detthold Aden Foto: BLG Logistics Group Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 9 Siemens Neuer Sektor aktiv Der neu gegründete, vierte Siemens-Sektor „Infrastructure & Cities“ hat seine Arbeit unter der Leitung von Roland Busch mit Sitz in München aufgenommen. Seit Anfang Oktober 2011 gliedert sich das operative Geschäft von Siemens in die Sektoren Infrastructure & Cities, Industry, Energy und Healthcare. In der geänderten Aufstellung wurde auch der Mobilitätsbereich von Siemens neu strukturiert. Hintergrund dafür ist die Fokussierung auf Lösungen für Städte. Um diese zusätzlichen Potenziale auszuschöpfen, wurden die bisherigen Geschäftseinheiten der Division Mobility dieser Wachstumsstrategie angepasst und in drei Divisionen innerhalb des Sektors Infrastructure & Cities neu geordnet: Die Division Rail Systems hat den Fokus auf dem gesamten Schienenfahrzeuggeschäft von Siemens. CEO: Hans-Jörg Grundmann (bisher CEO Division Mobility; siehe auch Interview in IV 5/ 2011). Innerhalb der Division Rail Systems gibt es vier Business Units: High Speed and Commuter Rail, Metro, Coaches and Light, Rail Locomotives and Components sowie Customer Service and Transportation Solutions. Die Division Mobility and Logistics unter der Leitung von Sami Atiya hat ihren Fokus auf Bahnautomatisierung, Infrastrukturlogistik, intelligenten Verkehrs- und Transportsystemen sowie Elektromobilitätsinfrastruktur. Die Division Smart Grid leitet Jan Mrosik. Sie beschäftigt sich vor allem mit intelligenter Stromnetzinfrastruktur, Bahnelektrifizierung, Stromversorgung der Industrie sowie dem Thema Infrastruktur und Städte und enthält Teile des bisherigen Sektors Energy. (zp) Gus-Staaten Freihandelszone geplant Acht ehemalige Sowjetrepubliken wollen den Warenverkehr untereinander erleichtern. Auf russische Initiative hin haben Russland, die Ukraine, Weißrussland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Moldawien und Tadschikistan die Grundsätze einer gemeinsamen Freihandelszone beschlossen. (roe/ zp) EU-Kommission Zahl der TEN-V-Projekte reduziert Künftig gibt es ein neues Kernverkehrsnetz in Europa, das mit EU-Mitteln kofinanziert werden soll. Von den bislang 30 im Rahmen der Transeuropäischen Verkehrsnetzpolitik (TEN-V) geförderten Prioritätsprojekten hat die EU-Kommission 20 gestrichen. Ziel der Neudefinition ist es, die Anstrengungen auf die wichtigsten Strecken zu konzentrieren, um spätestens 2030 ein leistungsfähiges transeuropäisches Netz für den Güter- und Personenverkehr zu besitzen. Die grenzüberschreitenden Streckenabschnitte sollen schneller ausgebaut und Verkehrsknotenpunkte entlastet werden. Neu ist vor allem die starke Einbindung von Häfen. Die Pläne sehen vor, dass 83 wichtige europäische Häfen besser an das Eisenbahn- und Straßenverkehrsnetz angeschlossen werden. Dazu gehören auch die Das beschlossene EU-27-Kernnetzwerk: Grün die bis Ende 2011 existierenden Bahnprojekte, schwarz die bis 2030 vorgesehenen Projekte. Quelle: EU-Kommission deutschen Häfen in Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven, Lübeck, Hamburg und Rostock. Zudem sollen 37 Großflughäfen durch die Bahn mit Ballungsgebieten verbunden, 15 000 km Eisenbahnstrecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ausgelegt und 35 grenzüberschreitende Vorhaben verwirklicht werden. Straßen werden in dem Kernnetz nicht gefördert. Darüber hinaus sollen im Rahmen der TEN-V-Kernförderung auch neue Managementsysteme für alle Verkehrsträger weiterentwickelt werden, wie etwa die ITS-, ERTMS- und RIS-Systeme für Straßen, Schienen und Wasserwege. Bei der Finanzierung setzt die EU-Kommission künftig stärker auf die Beteiligung privater Investoren. Mit den 31,7 Mrd. EUR im Finanzrahmen 2014 bis 2020 für Verkehrsinfrastruktur soll vor allem die Anschubfinanzierung geleistet werden. (zp) SCI Verkehr Bahnmärkte wachsen im Nahen Osten Das aktuelle Volumen des Bahnmarkts im Nahen Osten liegt bei 1,6-Mrd. EUR und steigt bis 2015 jährlich im Durchschnitt um 13 % auf 3,0-Mrd. EUR an. Nach einer kurzen Konsolidierungsphase in der Mitte dieses Jahrzehnts wird massives weiteres Wachstum bis 2020 erwartet. Das sind die Hauptergebnisse der neuen Studie „The Railway Market in the Middle East“ der SCI Verkehr GmbH. Das errechnete Marktvolumen enthält laut SCI keine Hoch- und Tiefbauleistungen, sondern nur Produkte und Dienstleistungen der Bahntechnik (Infrastruktur, Systemtechnik und Fahrzeuge). SCI hat die Region in die fünf Marktgebiete Iran, Israel, Saudi-Arabien, Levante (Jordanien, Libanon, Palästina und Syrien) sowie die verbleibenden Staaten (Bahrain, Jemen, Katar, Kuwait, Oman und Vereinigte Arabische Emirate) unterteilt. Iran, der größte Bahnmarkt in der Region, wachse um moderate 3 % pro Jahr. Saudi-Arabien und seine Nachbarn an der südlichen Golfküste strebten danach, aufzuholen. Jordanien und Syrien wollten ihre Chancen nutzen, Teil einer künftigen arabisch-europäischen Verbindung mit Abzweigen nach Indien und China zu werden. Die Netze in Katar und Bahrain würden zur Fußballweltmeisterschaft 2022 weitgehend fertiggestellt werden. Im Unterschied zu anderen Teilen der Welt dominiert das Neugeschäft mit Infrastruktur, Systemtechnik und Fahrzeugen nicht nur das Wachstum, sondern auch die Größe der Märkte. (zp) Intermodale Verkehre / Marco Polo II Antragsfrist für Förderung läuft Die EU-Kommission hat den Projektaufruf 2011 für das Förderprogramm Marco Polo II gestartet. Es stehen rund 57-Mio. EUR für grenzüberschreitende Initiativen zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger wie die Schiene, den Kurzstreckenseeverkehr oder die Binnenschiffahrt zur Verfügung. Die EU finanziert maximal 35 % der jeweiligen Projektkosten. (cd/ zp) NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 10 Paris Versuch mit TramFret In Paris läuft seit Mitte November und noch bis zum 10. Dezember 2011 der Versuch, Fracht per Straßenbahn zu befördern. Auf der Linie T3 verkehrt zweimal täglich je Richtung eine „Tram- Fret“ zur Entlastung des Straßenverkehrs und Versorgung der Innenstadt mit Gütern auf dem vor einigen Jahren neu installierten Straßenbahn-Ringnetz. Drei Lkw-Ladungen können pro Tour befördert werden. Ähnliche Systeme gibt es bereits in anderen Städten wie Dresden und Amsterdam. (zp) Portugal Stilllegung von Bahnstrecken Aus portugiesischen Regierungskreisen wurde im Oktober ein weiteres Sparpaket zur Minderung der hohen Staatsverschuldung und Finanzkrise bekannt, zu dem auch umfangreiche Stilllegungen von Bahnstrecken gehören. Auf fast 600 km soll der Personenverkehr eingestellt werden. Die Stilllegungen sollen von Januar 2012 an greifen. Endgültig werden nun alle Schmalspurstrecken mit zusammen 190 km eingestellt und vier Breitspurstrecken mit zusammen 361 km verlieren ihren Personenverkehr. Im Rahmen des Sparpakets werden auch eine Privatisierung der Güterverkehrssparte CP Carga und der Standseilbahnen sowie Einschitte im ÖPNV geprüft. (cm/ zp) Dortmund-Ems-Kanal Ausbau verzögert sich Geplant war, fünf ältere durch drei leistungsfähige neue Schleusen zu ersetzen. Nun hat sich herausgestellt, dass auf dem Abschnitt zwischen Bevergern (Kreis Steinfurt, Nordrhein-Westfalen) und Gleesen (Landkreis Emsland, Niedersachsen) ein kompletter Neubau aller fünf Schleusen für Großmotorgüterschife notwendig ist. Dadurch steigen die Kosten von geplanten 165 Mio. EUR auf 350 Mio. EUR. Zudem wird der Abschnitt des Dortmund-Ems-Kanals nun vorraussichtlich nicht 2017, sondern erst 2025 fertig. (zp) Straßengüterverkehr Mehr Auslands-Lkw Die mautpflichtigen Fahrleistungen auf deutschen Autobahnen lagen in den ersten drei Quartalen 2011 um 4,6 % höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 20,075 Mrd. km registrierte das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Bereinigt um die unterschiedliche Zahl der Fahrtage Plus 4,2 %. Vor allem ausländische Frachtführer, besonders Lkw aus Osteuropa, haben zugelegt. Sie steigerten ihre Fahrleistung um 7 %, während die deutschen Lkw nur 2,6 % mehr Strecke einbrachten. (la/ zp) Nordeuropäische Containerhäfen Keine Konkurrenz aus Südeuropa Eine günstige Kombination aus wirtschaftlichen und geografischen Faktoren schützt die nordeuropäischen Containerhäfen weiterhin vor starker Konkurrenz aus Südeuropa. Das geht aus einer Ende Oktober veröfentlichten Studie des niederländischen Forschungsinstituts NEA im Auftrag der Häfen Antwerpen, Rotterdam und Hamburg hervor. (zp) Brunsbüttel LNG-Bunkerstation Im Elbehafen Brunsbüttel sollen künftig See- und Binnenschife, die mit verflüssigtem Die Versorgung der Schife mit LNG per Tankwagen ist in Brunsbüttel bereits möglich. Foto: Brunsbüttel Ports GmbH Erdgas (LNG) angetrieben werden, betankt werden können. Die Brunsbüttel Ports GmbH und die norwegische Gasnor AS haben Mitte Oktober einen Vertrag über die Bebunkerung von Schifen mit LNG geschlossen. Vorbehaltlich behördlicher Genehmigung soll Gasnor in unmittelbarer Kainähe LNG-Tanks errichten können. Bis dahin ist ab sofort die Bebunkerung von Schifen zunächst direkt mittels LNG-Tankfahrzeugen möglich. (jpn/ zp) Ostseehinterland Mehr Hafenanbindung „Amber Coast Logistics“ heißt ein im Oktober gestartetes EU- Projekt, mit dem multimodale Gütertransportverbindungen zwischen der südöstlichen Ostseeregion und Zentraleuropa gefördert werden sollen. 20 Partner unter der Leitung von Hafen Hamburg Marketing (HHM) engagieren sich in dem mit 2,8-Mio. EUR budgetierten Projekt, welches den Güterstrom sowohl seeals auch landseitig zwischen den aufstrebenden osteuropäischen Ländern und den EU-Staaten in der Ostseeregion intensivieren soll. (jpn/ zp) Airbus Markteinschätzung bis 2030 Die weltweite Flotte an Passagierflugzeugen wird sich bis 2030 mehr als verdoppeln. Um die wachsende Nachfrage bedienen zu können, müssen mehr als 26 900 neue Passagierflugzeuge mit 100 und mehr Sitzen gebaut werden. Das geht aus der neuesten Markteinschätzung des Airbus-Konzerns für den Zeitraum von 2011 bis 2030 hervor. Die Zahlen beziehen das Bevölkerungswachstum ebenso wie wachsenden Wohlstand, sich dynamisch entwickelnde Schwellenländer und eine größere Verstädterung - die Zahl der Megastädte soll sich bis 2030 verdoppeln - mit ein. Darüber hinaus erwartet Airbus, dass im gleichen Zeitraum mehr als 900 Frachterneubauten gebraucht werden. (zp) Tiaca Liberalisierung wichtig Die vollständige Liberalisierung des Luftfrachtmarkts würde laut Weltluftfrachtverband Tiaca neue Wirtschaftschnellstraßen am Himmel für schnelle und eiziente globale Versorgungsketten und Marktzugänge ermöglichen. Entsprechend forderte die Tiaca kürzlich auf der Konferenz der Asia-Pacific Economic Cooperation die vollständige Liberalisierung des globalen Luftfrachtmarkts. Nach Ansicht des Verbands ist der Luftfrachtfluss geografisch unausgeglichen. Eine Liberalisierung werde den efektiveren Gebrauch der Ressourcen von Luftfahrtunternehmen gewährleisten. Zur Schafung eines freien Luftfrachtmarkts schlägt die Tiaca die Etablierung einer multilateralen Gruppe von Ländern vor. (zp) Boeing Raumfahrt geplant Der US-amerikanische Flugzeughersteller Boeing will kommerzielle Raumflüge von 2015 an anbieten. Die Flugkapseln will das Unternehmen im Hangar des Kennedy-Space-Centers in Florida bauen. Hier ist im Sommer das Spaceshuttle-Programm eingestellt worden. Boeing ist zuversichtlich, in Zusammenarbeit mit der Nasa bis 2015 eine kommerzielle Raumkapsel liefern zu können, die sicher, bezahlbar und zuverlässig ist. Sie soll wieder verwendbar und für bis zu sieben Personen bzw. alternativ oder anteilig für den Frachttransport ausgelegt sein. Bisher ist für das gemeinsame Projekt allerdings das Geld vom Kongress noch nicht bewilligt. 850 Mio. USD sind beantragt. (zp) KURZ + KRITISCH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 11 S eit Monaten gewinnt das Thema Pkw-Maut in Deutschland wieder an Fahrt, vor allem getrieben durch steigende Finanzierungsdefizite für die Verkehrsinfrastruktur generell und die Bundesfernstraßen speziell. 35 % aller Fernstraßen sind in schlechtem bzw. sehr schlechtem Zustand, 15 % aller Brücken werden bautechnisch als nicht ausreichend bis ungenügend bewertet! Bereits die Substanzerhaltung ist bei der durch Baupreissteigerungen ausgehöhlten nominalen Verfügbarkeit der für die nächsten Jahre jeweils vorgesehenen rund 10- Mrd.- EUR Investitionsmittel für alle Bundesverkehrswege nicht mehr möglich. Dringend erforderliche Erweiterungsinvestitionen scheiden weitestgehend aus. Die Privatfinanzierung, etwa im Rahmen der A-Modelle, ist nicht wesentlich ausweitbar, da hierdurch das frei verfügbare Lkw-Mautaukommen zu stark reduziert wird. Unverständnis wird in der Pkw-Mautdiskussion mit dem stereotypen Einwand demonstriert, der Pkw zahle bereits über seine Mineralöl- und Kfz-Steuerzahlungen weit mehr als seine Wegekosten betrügen. Es sei also Geld genug in den öfentlichen Haushalten vorhanden. Hier jedoch liegt ein echtes, allerdings auch gepflegtes Missverständnis vor. Es stimmt, dass die genannten Einnahmen 2010 (Bund: Mineralölsteuer des Kraftverkehrs 33,6- Mrd.- EUR; Länder: Kfz- Steuer 8,89-Mrd.-EUR) die Ausgaben für das Straßenwesen von rund 19-Mrd.-EUR (zzgl. Tiebauverwaltung, Winterdienste der Gemeinden usw.) weit übersteigen. Aber es wird immer wieder übersehen, dass Einnahmen aus Steuern grundsätzlich nicht zweckgebunden sind, sondern für sämtliche Staatsausgaben zur Verfügung stehen (Nonafektationsprinzip). Alle Versuche der Vergangenheit, auch über das Straßenbaufinanzierungsgesetz von 1960, eine Zweckbindung anteilsmäßig zu erreichen, sind gescheitert. Es entscheiden ausschließlich die Finanz- und nicht die Verkehrspolitiker über die Mittelverwendung. Nachhaltige Steigerungen der Verkehrsinvestitionen durch Haushaltsmittel sind angesichts der zukünftigen Risiken des Bundeshaushalts aus der Eurokrise kaum möglich Erinnert werden sollte in diesem Zusammenhang, dass bei Berechnung der Lkw-Maut die fiskalischen Abgaben des Straßengüterverkehrs ausdrücklich nicht berücksichtigt werden. Das wird auch für den Pkw gelten, der aufgrund seiner Massierung erhebliche Straßenkapazitäten beansprucht. Ökonomisch elegant wäre eine fahrleistungsbezogene Maut, die als Gebühr dem Äquivalenzprinzip (Leistung - Gegenleistung) unter- »Der dringende Finanzmittelbedarf erfordert hier eine grundsätzliche Politikveränderung.« liegt. Sie hätte wichtige Steuerungsfunktionen. Aber: ihre Umsetzung würde viele Jahre beanspruchen mit erheblichen Erhebungs- und Kontrollkosten (bei der Lkw-Maut private Betreiberkosten rund 500 Mio. EUR p. a. zzgl. Kosten beim Bundesamt für Güterverkehr). Angesichts des dringenden Finanzbedarfs zur Sicherung der Finanzierung der Bundesfernstraßen ist daher eine Vignette die geeignete Lösung. Sie ist ökonomisch weniger „elegant“, aber als Gebühr schnell und ohne nennenswerte Erhebungskosten einführbar, auch für ausländische Pkw, wie Österreich und die Schweiz es zeigen. Sie hat bei Jahresbeträgen zwischen 50 und 100- EUR und zwingender Nutzung und Geltung für alle Bundesfernstraßen keine Steuerungsfunktion, sichert aber ein zusätzliches Mittelaukommen zwischen 2 und 4-Mrd.-EUR p. a. Der einzelne Fahrzeughalter wird nur mit dem Betrag von gut einer Tankfüllung belastet. Klagen über ungerechte Belastungen sind daher unangebracht. Unredlich ist es allerdings, wenn der Staat die zusätzlichen Mauteinnahmen dazu benutzt, die Haushaltsfinanzierung der Bundesfernstraßen zu kürzen. Dies ist leider bei der Lkw-Maut eingetreten und fördert Verdrossenheit und Misstrauen gegenüber Mautüberlegungen. Der dringende Finanzmittelbedarf erfordert hier eine grundsätzliche Politikveränderung. Eine generelle Ablehnung der Pkw-Maut führt nicht nur zu einer weiteren Substanzvernichtung im Straßenbereich, sondern ist auch eine traurige Demonstration interessengebundener Uneinsichtigkeit ohne Rücksicht auf gesamtwirtschaftliche Belange. Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche »Pkw-Maut: Unverständnisse, Missverständnisse, Unredlichkeiten« POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 12 Determinanten im Standortwettbewerb von Flughäfen Die Austauschbarkeit von Flughäfen als Knoten in alternativen Beförderungs- und Transportketten führt zu einem intensiven Wettbewerb der Flughäfen untereinander. Der Kern dieses Beitrags ist die Darstellung der Determinanten im Standortwettbewerb von Flughäfen. Er bietet eine fundierte Grundlage zur Analyse der Auswirkungen verkehrspolitischer Maßnahmen und flughafenseitiger Einflussmöglichkeiten. Foto: Fraport AG D ie Funktion eines Flughafens liegt traditionell in der Bereitstellung technischer Kapazität für die örtlich auftretende Verkehrsnachfrage. Als Infrastrukturträger wird ihm im Rahmen der Luftverkehrswirtschaft eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung (öfentliches Interesse) zugeordnet. Im Zuge des schrittweisen Abbaus bisheriger staatlicher Beteiligungen stehen Flughäfen als Unternehmen der öfentlichen Daseinsvorsorge jedoch vor neuen Herausforderungen. Ein wesentliches Ziel ist die eigenwirtschaftliche Betreibung der Infrastruktur. 1 Börsengänge oder Verkäufe an private Investoren sind Ergebnisse dieser marktorientierten Entwicklung. 2 Flughafen, Flughafendienstleistung und Flughafenwettbewerb Flughäfen sind wichtige, aber untereinander weitgehend austauschbare Knoten in alternativen Transportketten. Die Austauschbarkeit führt zu einem intensiven Flughafenwettbewerb. Dieser findet auf verschiedenen Ebenen statt. Der Flughafen als spezifischer Knoten des Luftverkehrs steht im Wettbewerb zu Verkehrsknoten anderer Verkehrsträger, insofern handelt es sich um einen Verkehrsträgerwettbewerb. Darüber hinaus stehen Flughäfen als Standorte der Luftverkehrswirtschaft in einem Standortwettbewerb untereinander. Ferner agieren im Flughafen (luftwie auch landseitig) verschiedene Unternehmen (z.- B. Bodenverkehrsdienste, Gastronomie) im Unternehmenswettbewerb untereinander. Im Folgenden steht der Standortwettbewerb im Fokus der Untersuchung. Hierbei können verkehrsgeografisch zwei Ebenen unterschieden werden: Die erste Ebene besteht aus dem Standortwettbewerb zwischen Flughäfen innerhalb einer Region. Die wettbewerbsrelevanten Flughäfen im Umfeld definieren sich dabei über ein gemeinsames potenzielles, lokales Einzugsgebiet. Dies kann in Abhängigkeit der angebotenen Produkte am Flughafen (z. B. regionale, internationale oder interkontinentale Flugverbindungen) variieren. Die zweite Ebene ist ein Standortwettbewerb zwischen Flughäfen in überregionalen Trans- Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 13 POLITIK Wissenschaft bringerfunktion für die großen Hubs und weisen eine gewisse Anzahl von direkten Linienverbindungen auf, wobei Interkontinentalflüge die Ausnahme sind (z.B. Genf, Hamburg, Valencia). •• Demgegenüber hat der Punkt-zu-Punkt-Verkehr in den letzten Jahren sowohl durch den Touristik-Charter-Verkehr als auch die Etablierung des Low-Cost-Segments an Bedeutung gewonnen. Bei Letzterem kommt es unter anderem auf möglichst kurze Standzeiten der Flugzeuge an, wodurch Direktverbindungen zwischen (auch kleineren) Flughäfen bei weitgehendem Verzicht auf Anschlussverbindungen angeboten werden. Aus den vorangegangen Erläuterungen ist festzuhalten, dass der Flughafenwettbewerb auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet und hinsichtlich des Standortwettbewerbs die Stellung eines Flughafens in der Netz- und Liniengestaltung von Fluggesellschaften einen entscheidenden Einfluss auf die Wettbewerbsposition besitzt. Um darüber hinaus die Wirkungszusammenhänge von politischen oder unternehmensseitigen Einflussnahmen auf den Betrieb eines Flughafens abschätzen zu können, werden im Folgenden die wesentlichen Faktoren, welche die Wettbewerbsposition von Flughäfen determinieren, einzeln dargestellt. Klassifikation von Wettbewerbsfaktoren Die Determinanten, die für die Wettbewerbsfähigkeit eines Flughafens maßgebend sind, stellen sich als ein interdependentes Systems von Umfeld, System Flughafen sowie gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dar (vgl. Abbildung-1). 5 Dem lokalen Einzugsgebiet als Quelle eines entsprechenden Passage- und Frachtpotenzials portnetzwerken. Nachfrager nach Beförderungsund/ oder Transportdienstleistungen sind in der Regel die Organisatoren der Transportketten, die sich aufgrund der Kosten- und Leistungsprofile alternativer Transportketten für einen bestimmten Flughafen als Knoten entscheiden. Institutionell betrachtet sind dies unter anderem Verlader, Reiseveranstalter, Luftfrachtspeditionen oder Luftverkehrsgesellschaften, wobei die Auswahlentscheidung zwischen den alternativen Umsteigebeziehungsweise Umschlagplätzen von demjenigen getrofen wird, der die Dispositionshoheit (Systemführerschaft) innehat. Bei der Gestaltung der Transportketten sind zwei wesentliche Verkehrsnetzarten zu unterscheiden, die einen wesentlichen Einfluss auf die Wettbewerbsposition eines Flughafens besitzen: •• Traditionelle Linienfluggesellschaften und die aus Kooperation entstandenen strategischen Allianzen im Luftverkehr präferieren das Huband-Spoke-Netz, das aus einem zentralen Umsteige- oder Umschlagpunkt (Hub) sowie den sternförmig auf diesen zulaufenden Strecken (Spoke) besteht. Hieraus entsteht eine entscheidende Wettbewerbsposition für einen einzelnen Flughafen als: 3 (1) Mega-Hub: Über diese großen Drehkreuze organisieren führende Linienfluggesellschaften bzw. deren strategische Allianzen ihre Verkehrsströme (z. B. London, Paris, Frankfurt/ Main). 4 (2) Sekundär-Hub: Sie weisen ein attraktives lokales Einzugsgebiet auf, fungieren als Zubringerflughäfen für Mega-Hubs und haben für kleine Partner einer strategischen Allianz bzw. für bestimmte Regionen eine Hub-Funktion (z.B. Barcelona, München, Zürich). (3) Sekundärflughäfen: Sie verfügen über ein attraktives Einzugsgebiet, haben eine wichtige Zu- Abb. 1: Klassifikation der Wettbewerbsdeterminanten von Flughäfen POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 14 flughäfen, die sich der Wettbewerbssituation unter anderem im Low-cost-Segment oder gegenüber Linienfluggesellschaften positionieren müssen, sind Hub-Flughäfen durch die Kooperation mit führenden Linienfluggesellschaften weniger von der nationalen, vielmehr vom internationalen Flughafenwettbewerb betrofen. Beim Aubau eines Hub-and-Spoke-Netzes muss festgelegt werden, welcher Flughafen im Streckennetz eine Hub-Funktion erhält und welche Flughäfen die Zubringerfunktion erfüllen müssen. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom sogenannten Fortress-Efect 7 , der bedeutet, dass eine Fluggesellschaft eine gewisse Dominanz an einem Hub-Flughafen erreicht hat. Damit verbunden wird die Verhandlungsposition eines einzelnen Flughafens u. a. durch Investitionen der Fluggesellschaften in die Flughafeninfrastruktur wesentlich beeinflusst. 8 System Flughafen Generell gilt die Kapazität eines Flughafens als das Maß seiner Aufnahmefähigkeit für den Flugverkehr und als Indikator für die Stellung im Wettbewerb. 9 Bei der Kapazitätsbestimmung eines Flughafens muss in luftseitige und landseitige Verkehrserschließung unterschieden werden. Die luftseitige Verkehrserschließung beinhaltet das Start- und Landebahnsystem sowie Flugbetriebsflächen. Neben der Konfiguration einer Start- und Landebahn (Einbahn-/ Zweibahn-/ Mehrbahnsystem) wird deren tatsächliche Jahreskapazität durch die Verteilungen der Flugbewegungen im Tages- und Jahresverlauf und die behördlichen Auflagen bestimmt. Über ein System von Rollwegen werden die Flugbetriebsflächen in ihrer Gesamtheit erschlossen. Hierzu gehört das Vorfeld, dessen Kapazitätsbeanspruchung von den gleichzeitig abzufertigenden Flugzeugen abhängt. An die Flugbetriebsflächen grenzen die Flughafenanlagen an, unterteilt nach: (a) Primäranlagen (wie Passagier- und Luftfrachtterminal) (b) Sekundäranlagen (wie Flugbetankungsanlagen, Flugzeughangars, Feuerwehr sowie Winterdiensteinrichtungen) sowie (c) Tertiäranlagen (z. B. Verwaltungsbereich, Werkstätten, Lager sowie Non-Aviation Bereiche). Aufgrund des Luftverkehrswachstums entstehen vor allem bei Hub-Flughäfen luftseitige Kapazitätsengpässe. So können aus Sicht einer Fluggesellschaft Flughäfen mit ausreichenden Kapazitätsreserven perspektivisch als zusätzliche oder alternative Knoten angesehen werden. Darüber hinaus ist die jährlich durchgehende Betriebs- und Abfertigungsbereitschaft aufgrund der extremen Winterbedingungen in den letzten Jahren zu einem weiteren Argument für eine Standortentscheidung geworden. Die landseitige Verkehrserschließung beinhaltet die Anbindung an den Straßen- und Schiekommt für Sekundärflughäfen eine besondere Bedeutung zu. Um Zubringerverkehr, jedoch in erster Linie um Direktverbindungen mit einer bestimmten Frequenz an Flügen dauerhaft aufrecht zu halten, muss aus Sicht einer Fluggesellschaft das lokale Einzugsgebiet mit dessen Nachfrage im und/ oder im Luftfrachtverkehr hoch genug sein, um die angebotenen Transportkapazitäten der Fluggesellschaft wirtschaftlich auszulasten. Umfeldbezogene Wettbewerbsdeterminanten Mit Verbesserung der Technik der bodengebundenen Verkehrsträger, der Integration von Flughäfen in überregionale Hochgeschwindigkeitsnetze der Bahn und dem Ausbau der Straßenverkehrsinfrastruktur beginnen sich die lokalen Einzugsgebiete der Flughäfen zu erweitern und zu überlappen. Inwieweit sich ein erweitertes Einzugsgebiet positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens auswirkt, hängt unter anderem von den nachfolgend betrachteten Determinanten ab. Die bestehenden Flugverbindungen stehen im engen Zusammenhang mit der angesprochenen Hub-Funktion eines Flughafens. Verbundvorteile bei den Kosten durch gemeinsame Flug- und Flugzeugabwicklung sowie einer Angebotserweiterung durch Anschlussflüge erhöhen die Attraktivität eines Flughafens aus Sicht einer Fluggesellschaft sowohl im Passagierals auch im Frachtbereich. Darüber hinaus ist der sogenannte Belly-Verkehr ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für Flugverkehrsgesellschaften. Um eine hohe Auslastung der Transportkapazitäten zu erzielen, ist ein ausgewogenes Verkehrsaukommen notwendig, insbesondere im Frachtverkehr. Dabei ist nicht nur das Quellen-, sondern auch das Senkenpotenzial relevant, um paarige Relationen zu realisieren. Verbunden mit dem Aubau von Beförderungsbzw. Transportketten ist die geografische und ökonomische Erreichbarkeit eines Flughafens zur Realisierung der bodengebundenen Vor- und Nachläufe. Deren Verfügbarkeit, die Transportzeit und -zuverlässigkeit zwischen den Wirtschafts- und Produktionszentren sowie die damit verbundenen Kosten der Vor- und Nachläufe können das Für oder Wider zur Aufnahme eines Flughafens als Knoten in einer Transportkette entscheidend beeinflussen. Für Sekundärflughäfen ist die Nähe zum nächstgelegenen Flughafen im eigenen Umfeld wichtig. Für Hub-Flughäfen gewinnen die Zugangszeiten auf Abflughäfen sowie die Umsteigezeiten eine besondere Bedeutung. So werden durch Fluggesellschaften die internationalen Umsteigeverkehre verlagert, wenn die operativen und infrastrukturellen Voraussetzungen ihrer geforderten Leistungsfähigkeit nicht entsprechen. 6 Der Konsolidierungsprozess im Luftverkehr führt neben Akquisitionen und Fusionen von Fluggesellschaften verstärkt zur Integration in strategischen Allianzen. Anders als Sekundär- Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 15 POLITIK Wissenschaft schutzauflagen oder Auflagen für den Flugbetrieb bestimmt. Neben der Verringerung von Schadstobelastungen besitzt der Lärm eine zentrale Bedeutung. Deshalb werden Siedlungsbeschränkungs- und Lärmschutzbereiche festgelegt mit der Konsequenz entschädigungspflichtiger Bauverbote und erstattungspflichtiger Auflagen für passive Schallschutzmaßnahmen. Hierbei weisen die gesetzlichen Bestimmungen auch im nationalen Rahmen erhebliche Unterschiede auf, die zu langen Verfahrensdauern bei Infrastrukturentwicklungen führen. Zu den weiteren gesetzlichen Bestimmungen zählen vereinbarte Flugrouten, Nachtflugverbote oder Beschränkungen in den Tagesrandzeiten. Speziell bei Interkontinentalflügen in der Passage und der Express-Luftfracht ist ein 24-h-Betrieb ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Letztlich ist die Nachbarschaftsakzeptanz herzustellen: transparente Maßnahmen wie der direkte Dialog über Bürgerbeteiligungen an der Flughafenentwicklung oder Interessenvertretungen von Anwohnern verstärkt und wirksamer einzubeziehen (mit Erörterung von Maßnahmen zum Ausbau oder Lärmschutz) sind Wege, einen Interessensausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und der Schutz der tangierenden Parteien zu schafen. Praxisimplikationen Im Beitrag wurde der Flughafenhafenwettbewerb, insbesondere der Standortwettbewerb zwischen Flughäfen, analysiert. Die Wettbewerbsposition eines Flughafens ist durch die Netzgestaltung der Fluggesellschaften vorbestimmt. Darüber hinaus besteht eine Menge von wettbewerbsbeeinflussenden Determinanten. Diese stellen sich als ein interdependentes Systems von Umfeld, System Flughafen sowie gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Die Interdependenz zeigt sich z. B. an der gegenseitigen Abhängigkeit von lokalem Einzugsgebiet und bestehenden Flugverbindungen eines Flughafens: Je größer das Einzugsgebiet, desto mehr potenzielle Verkehrsnachfrage kann abgeschöpft werden und desto umfassender ist das Angebot an Flugverbindungen. Umgekehrt gilt: Je mehr Flugverbindungen zur Verfügung stehen, desto größer ist das Einzugsgebiet hinsichtlich der Anreise. Ferner gibt es Implikationen für die Unternehmensführung eines Flughafens. Zum einen ist ein ganzheitliches Management notwendig. So birgt die alleinige gewinnbezogene Orientierung auf die Infrastrukturauslastung die Gefahr, Lärmschutz und Nachbarschaftskommunikation zu vernachlässigen, welche wiederum die Grundlage für den Betrieb eines Flughafens darstellen. Zum anderen sollte sich in der strategischen Ausrichtung die gegebene Position des Flughafens im Netzwerk der Fluggesellschaften wiederfinden. Auch sind nicht nur günstige Flughafengebühren, sondern das Produkt Flughafen mit nenverkehr. Hinsichtlich der straßenseitigen Erschließung bilden die Terminalzufahrten zunehmend einen Kapazitätsengpass. Darüber hinaus benötigen Halte- und Parkmöglichkeiten einen hohen Flächenbedarf. Die Entwicklung einer intelligenten Straßenführung innerhalb des Flughafens oder von kundengruppenorientierten Parkraumkonzepten in Hinblick auf die Zugangszeit zum Abflug kann zu einer besseren Infrastrukturnutzung führen. Weiterhin besitzt die Leistungsfähigkeit der Flughafenbetreiber sowie der dort ansässigen Flughafenbetriebe einen starken Einfluss auf die Wettbewerbsposition. Zu den Aktionsparametern der Infrastrukturbetreiber gehören Planung, Bau und Bewirtschaftung der Infrastruktureinrichtungen. Die Beseitigung von Kapazitätsengpässen durch vorausschauende Ausbauplanungen sowie kontinuierliche luft- und auch bodenseitige Verbesserungen (Umsteigebedingungen, Gepäcklogistikoptimierung sowie Anpassung von Sicherheitskontrollen in Spitzenauslastungszeiten) sind nur einige zu nennende Aufgabenschwerpunkte. Weitere Handlungsfelder sind unter anderem die Ansiedlungsunterstützung, Zusammenarbeit mit den Flughafenbetrieben am Standort sowie ein marktorientiertes Angebot komplementärer Dienstleistungen wie z. B. in der Bodenabfertigung. Besonders bei Hub-Flughäfen mit einer hohen Anzahl an Umsteigern haben die Einnahmen aus dem Non-Aviation-Bereich einen immer höheren Anteil am Umsatz. 10 Letztlich kann sich über den Standort hinaus ein Flughafen durch unternehmerische Aktivitäten am Markt positionieren, z. B. durch Beratung oder den Betrieb anderer Flughäfen. Eine weitere Wettbewerbsdeterminante ist die Höhe der Flughafengebühren für Fluggesellschaften, die sich aus dem Lande-, Passagier-, Sicherheits- und Abstellentgelt zusammensetzen. Dabei hat der Flughafenbetreiber selbst keinen Einfluss auf die Höhe der Luftsicherheitsgebühren für Personen- und Gepäckkontrollen, die pro Fluggast berechnet werden. Weiterhin werden Entgelte für Nutzung von Infrastruktureinrichtungen, der Bodenabfertigung (u. a. Abfertigungsfelder, Fluggastbrücken, Bodenstromversorgung, Gepäckfördersysteme) sowie der Bodenverkehrsdienste (Be- und Entladedienste sowie Flugzeugabfertigung und -service) erhoben. Gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen Im Zusammenhang mit einem wachsenden Luftverkehrsaukommen stehen Flughäfen als verkehrsinfrastrukturelle Großprojekte immer größeren Widerständen seitens politischer und ökologischer Interessensgemeinschaften gegenüber. Verbunden mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen können diese die Wettbewerbsfähigkeit von Flughäfen entscheidend beeinflussen. Die Durchführung und Aufrechterhaltung des Flugbetriebes ist im Wesentlichen von Umwelt- POLITIK Wissenschaft 4 An den 25 größten europäischen Flughäfen wurde 2006 mehr als die Hälfte (52 %) des europäischen Passagieraufkommens abgewickelt. Dies entspricht 16 % des weltweiten Auf-kommens, vgl. Reichmuth et al. (2008), S. 5. 5 In Anlehnung an Bender (1997b), S. 298 f. und Liebl (1997), S. 936 f. 6 Vgl. Reichmuth et al. (2008), S. 9. 7 Vgl. Pompl, W. (2007), S. 169 f. 8 Vgl. Maurer (2003), S. 79 spricht in diesem Zusammenhang auch von einer gewissen Fremdbestimmung im Flughafenwettbewerb. 9 Vgl. Bender (1997a), S. 296 f. 10 Vgl. Maurer (2003), S. 77. einem kundenorientierten Marketing, mit zuverlässigen und schnellen Flugzeugabfertigungen, günstigen Slotvergaben oder Flexibilität in der Infrastrukturanpassung nur einzelne weitere Auswahlkriterien zur Nutzung eines Flughafens aus Sicht einer Fluggesellschaft. ɷ 1 Vgl. Maurer, P. (2003), S. 21 f. 2 Vgl. Weimar u. Jansen (2001), S. 53. 3 Im Folgenden Heymann, E. (2006), S. 8 f. Sebastian Kummer, Univ. Prof. Dr. Vorstand des Institut für Transportwirtschaft und Logistik, WU Wien, Di-rektor der europäischen Sektion des MIT Forum Supply Chain Innovation, Wien skummer@wu.ac.at Hans-Joachim Schramm, Dr., Univ. Ass. Institut für Transportwirtschaft und Logistik Wirtschaftsuniversität Wien hschramm@wu.ac.at Mirko Hoppe, Dr. Leipzig mirko.hoppe@gmail.com ANMERKUNGEN BENDER, W. (1997a), Flughafen, in: Bloech, J.; Ihde, G. (Hrsg.): Vahlens Großes Logistiklexikon, München, S. 295 f. BENDER, W. (1997b), Flughafenwettbewerb, in: Bloech, J.; Ihde, G. (Hrsg.): Vahlens Großes Logistiklexikon, München, S. 298 f. HEYMANN, E. (2006), Zukunft der Drehkreuzstrategie im Luftverkehr, Deutsche Bank Research, Frankfurt am Main. LIEB, T. (1997) Seehafenwettbewerb, in: Bloech, J.; Ihde, G.: Vahlens Großes Logistiklexikon, München, S. 936 f. MAURER, P. (2003), Luftverkehrsmanagement, 3. Aufl., München. POMPL, W. (2007), Luftverkehr, 5. Aufl., Berlin. REICHMUTH, J. et al. (2008), Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland, Köln. WEIMAR, K.H., JANSEN, P. (2001), Zukunft der deutschen Verkehrsflughäfen im Spannungsfeld von Verkehrswachstum, Kapazitätsengpässen und Umweltschutzbelastungen, in: Veranstaltung der Friedrich- Ebert-Stiftung, Reihe Wirtschaftspolitische Diskurse Nr. 140, Bonn. www.eurailpress.de Der Marktführer für Fach- und Wirtschaftsinformationen rund um Eisenbahn, ÖPNV & Technik 33/ 11 15. August 2011 w w w.railbusines s.de IS SN 1867-2728 Der wöchentliche Branchenreport von Eurailpress und DVZ B U S I N E S S 15.8.2011 | 33/ 11 1 Private Bahnen sehen Lärmbepreisung kritisch Umwelt SPNV-Aufgabenträger zahlen für IC-Züge Niedersachsen In dieser Ausgabe: Foto: C. Müller Die Protagonisten des Kompromisses: Hans-Joachim Menn, Geschäftsführer der LNVG, Niedersachsens Verkehrsminister Jörg Bode, Bremens Verkehrssenator Joachim Lohse und Ulrich Homburg, Personenverkehrsvorstand der DB AG (v.l.n.r.) Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen Die SPD wird womöglich einen Gegenentwurf zu der vom Bundeskabinett geplanten PBefG-Novelle setzen (ÖPNV aktuell 61a/ 11). „Ich kann eine eigene Initiative nicht ausschließen“, sagte der Verkehrsexperte der Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer (SPD), zu „ÖPNV aktuell“. Im Rahmen der in dieser Frage anstehenden „intensiven Beratungen“ wird die SPD auch eine enge Abstimmung mit den Bundesländern suchen. Derzeit erarbeitet gerade der Bund-Länder-Fachausschuss (BLFA) Straßenpersonenverkehr eine Länder-Position zur Novelle. Die SPD will einerseits Direktvergaben im Nahverkehr rechtlich besser absichern (ÖPNV aktuell 62/ 11). Andererseits wird die Freigabe des Fernbusverkehrs in vier Punkten kritisiert. Beckmeyer nennt vier „deutliche Schwächen“ (Kasten). Beckmeyer betonte zugleich, er sei nicht grundsätzlich gegen eine Liberalisierung bei Busreisen. „Aber sie muss gut gemacht sein.“ Die Wünsche der SPD werden in wesentlichen Punkten auch von den Grünen, den Linken, Gewerkschaften sowie Fahrgast- und Verbraucherverbänden, einschließlich des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes mitgetragen, insbesondere in der Mautfrage. Beim Mittelstand lässt diese Allianz die Alarmglocken schrillen, ist die Busmaut doch nicht allein im Kontext des intermodalen Wettbewerbs zu sehen, sondern in die umfassende Frage der künftigen Infrastrukturfinanzierung eingebettet. Eine Busmaut könnte aus ordnungspolitischen wie praktischen Gründen kaum auf innerdeutsche Fernlinien begrenzt bleiben, würde vielmehr den Omnibus-Mittelstand insgesamt belasten und zudem die Wettbewerbsverzerrung des Verkehrsmittels gegenüber dem Flug- und Bahnverkehr weiter verschärfen, argumentiert der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) in seinem „Fakten-Check“ „Warum es keine Busmaut geben darf“. Die BDO-Landesverbände in Niedersachsen, GVN, und Bayern, LBO, haben jetzt noch einmal nachgelegt. Staatlich verordnete Fahrpreiserhöhungen durch Maut schlössen den neuen Kundenkreis gleich wieder aus, ohne Vorteil für die Bahnen, argumentiert GVN-Hauptgeschäftsführer Bernward Franzky. Sein LBO-Kollege Horst Schilling zeigte der SPD sogar „die rote Karte“, da eine Busmaut insbesondere ältere und jüngere sowie umweltbewusste Fahrgäste treffen würde, allein in 16.8.2011 | msa www.vossloh-fastening-systems.com NTZ Die neue Typzulassung nach der Übergangslösung MONITORING An overview on wayside train monitoring systems ZUGFUNK Die Bedeutung analoger Funksysteme in Zeiten der Migration zu ERTMS/ GSM-R Juli + August | € 15 | C 11180 www.eurailpress.de/ sd 7+8 / 2011 Euro 15.00 | C 2566 August 2011 08 | 11 I N T E R N AT I O N A L E FA C H Z E I T S C H R I F T F Ü R S C H I E N E N V E R K E H R & T E C H N I K ! 1. iaf Kongress Bahnbau - Nachbericht und Vorträge ! ETCS L2 - Signalisationstechnik für den Gotthard-Basistunnel ! Besondere Portale verhindern Tunnelknall in Eisenbahntunneln ! Mittels Verfahren ERAB Zustände von Baukonstruktionen bewerten ! 3. VDEI-Sicherheitstag - Nachbericht und Vorträge ! Aktuell: H E R A U S G E B E R V E R B A N D D E U T S C H E R E I S E N B A H N - I N G E N I E U R E E . V. DER EISENBAHN INGENIEUR EI Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 17 D ie Struktur des EU-Luftverkehrsmarktes wurde in den letzten Jahren durch die sogenannten Liberalisierungspakete 1987, 1990 und 1993, die freiheitliche Regelungen in der Kapazitätsbeschränkung, Marktzugang und Tarifgestaltung beinhalteten, erheblich gelockert. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen wurde der Konkurrenzwettbewerb neben den traditionellen Fluggesellschaften (Full-Service-Carrier, FSC) insbesondere durch die aggressive Preispolitik der Billigluggesellschaften (Low-Cost-Carrier, LCC) verstärkt. Die Anbieter stehen vor der Herausforderung, ihre Preispolitik einerseits kostendeckend auszurichten und andererseits genügend Nachfragesegmente abzuschöpfen, um langfristig am Markt erfolgreich operieren zu können. Gillen & Hazledine (2006) bemerken hierzu, dass in den letzten Jahren nach der Liberalisierung zwei nennenswerte Neuerungen stattgefunden haben. Erstens entstanden im Zuge der Liberalisierung Billigluggesellschaften, aber auch Allianzen zwischen den traditionellen Fluggesellschaften. Zweitens eröfnete die Einführung von internetbasierten Verkaufssystemen den FSC zusätzliche Möglichkeiten zur Marktsegmentierung. Empirische Untersuchungen des Preissetzungsverhaltens der Fluggesellschaften basieren jedoch in der Regel auf US Amerikanischen Datenbeständen. Für die europäische Luftfahrt sind Dieser Beitrag untersucht anhand einer empirischen Preiserhebung auf einer Datenbasis von ca. 60 Flugstrecken mit 600 Beobachtungswerten aus dem europäischen Kurzstreckenbereich das Verhalten von Luftverkehrsgesellschaften im deregulierten EU-Luftverkehrsmarkt. Mit Hilfe eines Modells mit Paneldaten werden sowohl kostenals auch nachfragebasierte Elemente der Preissetzung untersucht. Wettbewerbsfaktoren gehen in die Untersuchung in Form der Anzahl der Wettbewerber auf einer Strecke und der Existenz von Low-Cost-Carriern ein. Foto: Günter Wicker/ Photur Preisstrategien im deregulierten EU-Luftverkehrsmarkt POLITIK Wissenschaft POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 18 aufgrund des Datenmangels hauptsächlich nur Streckenbezogene Studien vorhanden. 1 Mit Hilfe eines selbst entwickelten Preiserhebungstools berücksichtigen wir im Folgenden 60 Verbindungen im kontinentaleuropäischen Raum. Diese bilden die Basis für unsere statistisch-ökonometrische Auswertung. Abschnitt zwei beschreibt den ökonometrischen Ansatz zur Schätzung eines durchschnittlichen Flugpreises innerhalb der EU. Hierbei geht es primär, neben weiteren Determinanten, um die Beobachtung der temporären Preisentwicklung über den Buchungszeitverlauf, wobei der Aspekt der Preisdispersion in diesem Beitrag nicht berücksichtigt wird. Ökonometrischer Ansatz Abgrenzungen des Untersuchungsgebietes Zuerst wurde der europäische Luftverkehrsmarkt auf das Untersuchungsgebiet der derzeitigen 27 EU-Mitgliedsstaaten abgegrenzt, da der Geltungsbereich der Liberalisierungsbestrebungen der EU-Luftverkehrspolitik primär auf diese Mitgliedsstaaten abzielt. Zur Flugpreisuntersuchung im Untersuchungsgebiet wurden die Kurzstrecken (Distanz < 1000 km) ausgewählt. Eine Marktstrukturanalyse des europäischen Luftverkehrsmarktes (vgl. Brandmüller, 2010) ergab, dass der Anteil an Airport-Pairs mit LCC im Vergleich zu größeren Entfernungen in diesem Bereich tendenziell höher ist. Vor diesem Hintergrund versprach der relativ hohe Anteil an LCC auf Kurzstrecken interessante Preisreaktionen zwischen den Airlines. Erhebungsmethodik Als Reisetag innerhalb der Woche wurde Mittwoch der 09.12.09 gewählt. Freitag, der 11.12.09 wurde exemplarisch für den Tag am Wochenende gewählt. Über einen Zeitraum von ca. vier Wochen wurden die günstigsten Flugpreise pro Airport-Pair mit Hilfe des Preiserhebungstools Possibase 2 wöchentlich erhoben. Hierbei wurde angenommen, dass es sich um Bruttopreise, d. h. inklusive aller Steuern und Gebühren handelt. Die Suchkriterien dieser Flugpreisabfrage lauten: ƀǁ Direktlug (Non-Stop) ƀǁ Minimaler Flugpreis ƀǁ eine erwachsene Person ƀǁ Reisezeitfenster: 0 bis 24 h des Untersuchungstages. Der durchschnittliche Flugpreis P i,av,A-B zum Buchungszeitpunkt i ist der Mittelwert aus den Flugpreisen in [EUR] der Airlines k = 1…n innerhalb des deinierten Zeitfensters von 12 bis 17-Uhr (s.-Formel-1). P 1 n * P i,av,A B k,A B k 1 n − − = = ∑ (1) Modellansatz Ausgehend von dem Untersuchungsgebiet schätzen wir eine Preisfunktion anhand einer Datenbasis von ca. 60 Flugverbindungen mit 600 Beobachtungswerten aus dem Kontinentalbereich. Die Autoren stellen die These auf, dass das Preissetzungsverhalten der Fluggesellschaften von Kosten-, Nachfrage- und Wettbewerbsfaktoren abhängt. Im Einzelnen: ƀǁ Je höher die direkten Betriebskosten, desto höher ist der durchschnittliche Flugpreis auf einer Strecke (vgl. Hazledine, 2006). Dazu berücksichtigen wir in unserem Modell den Kostenparameter (DOC). ƀǁ Je höher die Wettbewerbsintensität, desto niedriger ist der durchschnittliche Flugpreis 3 . Hierzu führen wir drei Variablen in das Modell ein: die Anzahl der Anbieter auf einer Strecke, die Existenz von LCC und die Funktion des Ziellughafens als Hub. Erkenntnisse hierzu liefern die Arbeiten von Borenstein & Rose (1994), Gillen & Hazledine (2007) und Bruinsma (1999). ƀǁ Je später der Buchungszeitpunkt, desto höher ist der durchschnittliche Flugpreis. Zu diesem Zweck beobachten wir die Preisentwicklung über vier Wochen vor Ablug. Damit wollen wir die mögliche Reaktion der FSC auf das neue (s. Einleitung) Umfeld testen. Pels & Rietveld (2004) zeigten diesbezüglich bereits, dass die europäischen Fluggesellschaften zeitliche Preisdiferenzierung anwenden. ƀǁ Führt der Flug zu einem neuen EU-Land, so sinkt der durchschnittliche Preis. Hiermit wollen wir testen, ob eventuell regionale ( jedoch sehr aggregierte) Einkommensunterschiede die Preisüberlegungen der Fluggesellschaften beeinlussen. Im Folgenden beschreiben wie die Modellvariablen etwas detaillierter. 1. Kosten Die Kosten wurden in Anlehnung an Swan & Adler (2006) kalkuliert, welche die direkten Betriebskosten (DOC) eines Fluges in Abhängigkeit von der Reisedistanz D sowie der verfügbaren Sitzplatzkapazität S des eingesetzten Maschinentyps berechnen. Der Zusammenhang lautet für Single-aisle-Flugzeuge unter 5000 [km]: DOC D S * ( * = + + ( ) ) $ , 722 104 0 019 (2) Die DOC beinhalten nach o. g. Studie folgende Kostenpunkte: Brennstokosten, Personalkosten der Kabine und Cockpit-Crew, reguläre Wartungskosten, Flughafenentgelte, Flugsicherungsgebühren, Versicherung sowie Kapitalkosten. Ferner nahmen Swan & Adler an, dass DOC ca. 50 bis 60 % 4 der gesamten Betriebskosten (TOC) einer Fluggesellschaft ausmachen und somit einen relativ hohen Aussagecharakter besitzen. Dieser Ansatz hat zwar die Vorteile der Einfachheit und der geringen Anzahl an Variablen, birgt jedoch die Gefahr von geringen Ungenauigkeiten bei schwankenden Wechselkursen zwischen Dollar und Euro in sich. Zudem enthält dieser Kostenansatz hinsichtlich der Flughafengebühren ausschließlich Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 19 POLITIK Wissenschaft stellt. Eine adäquate Konstruktion des Indexes bedürfte jedoch der Anzahl der Sitzplätze im jeweiligen Fluggerät. Mangels solcher Daten wird der HHI-Index in den entsprechenden Studien relativ oft unter der Annahme ähnlicher Flugzeuggröße (was für die Kurzstrecken durchaus plausibel erscheint) mittels der Frequenz berechnet. Beide Betrachtungsweisen sind für den US-amerikanischen Markt aufgrund der Existenz detaillierter und hochqualitativer Datenbestände unproblematisch umsetzbar. Jedoch eignen sie sich für den europäischen Raum eher weniger. Der Grund hierfür liegt am Vorhandensein von Code-Share-Flügen. Wird ein Flug von zwei Anbietern gleichzeitig als Code-Share angeboten, so ist seine Zuordnung zu dem einen oder anderen Anbieter problematisch, was zu einem fehlerhaften HHI-Index führen kann. Eine mögliche Lösung dieses Problems bietet eine noch höhere Aggregation der Daten anhand der leicht identiizierbaren Anzahl der Anbieter, wofür sich die Autoren entschieden haben. Der damit verbundene Informationsverlust (insbesondere hinsichtlich des oft auftretenden Duopolfalls) musste in Kauf genommen werden, um eventuelle Messfehler zu vermeiden. Wir gehen also in unserem Modell davon aus, dass eine höhere Anzahl der Anbieter pro Strecke den Wettbewerb intensiviert und dementsprechend den durchschnittlichen Preis senkt. 6. Buchungszeitpunkt Verschiedene Studien (vgl. Button et al., 2009, de Roos et al., 2007, Pels et. al., 2004) zeigen eine zahlungsbereitschaftsbasierte Preissetzung. Dies wiederum bedeutet steigende Preisverläufe mit fortschreitendem Buchungszeitpunkt. Dieser Zusammenhang wird mit den Preisvariablen P 4,av,A-B bis P 0,av,A-B in das Schätzmodell integriert. 7. Zieldestination Hinsichtlich des Luftverkehrsmarktes in den neuen EU-Mitgliedsländern zeigte eine Studie von Dobruszkes (2009) ein Wachstum von LCC- Angeboten nach Osteuropa. Um zu analysieren, inwieweit sich eine osteuropäische Zieldestination auf den Flugpreis auswirkt, wurde zwischen den alten und den neuen EU-Mitgliedern diferenziert (EU_NEU). Zusammengefasst ergibt sich zur Schätzung eines durchschnittlichen Flugpreises auf einer Strecke A-B folgende Regressionsgleichung mit o.g. Faktoren sowie der Residualgröße (s.-Formel-3): Modellergebnisse Im Folgenden schätzen wir drei Paneldatenmodelle mit ixen Efekten und unterscheiden hinsichtlich der Modelstruktur zwischen linear, loglinear und log-log Speziikationen. Tabelle- 1 zeigt die Ergebnisse der oben speziizierten Modelle 7 die An- und Abluggebühren. Zusätzliche Entgelte (z. B. Gatenutzung, Passagier-Entgelte) sowie An-/ Abluggebühren der Flugsicherung wurden in der o. g. Formel nicht als DOC eingestuft und demnach nicht berücksichtigt. Ferner ist zu beachten, dass in den USA die Flughafenentgelte im Vergleich zu Europa geringer sind. Außerdem ermittelten Swan & Adler diese Kostengleichung 5 anhand von Eingangswerten zwischen 1000 und 5000 [km], sodass streng genommen auch der Geltungsbereich in dieser Spanne liegt. Gillen & Hazledine (2006) entwickelten für ihre Studie eine Kostenformel in Abhängigkeit der Kosten pro Blockstunde, der benötigten Blockstunden eines bestimmten Nachfragesegmentes sowie der Flugfrequenz, wobei Daten des US-Department of Transport (USDoT), Form 41 verwendet wurden. Aus Mangel an ähnlichen Daten für den europäischen Markt wurde dieser Ansatz jedoch nicht weiter verfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch die Studie von Smirti & Hansen (2009) zu nennen, die jedoch u. a. auf dem relativ „labilen“ Brennstofpreis basiert und daher nicht weiter berücksichtigt wurde. 2. Anzahl der Low-Cost-Carrier Die Niedrigpreisangebote der LCC haben auf den europäischen Flugstrecken zu einem erhöhten Preiskampf geführt. Deshalb wird die Hypothese aufgestellt, dass LCC den durchschnittlichen Flugpreis P i,av,A-B beeinlussen. Die LCC werden in Form einer Binärvariable in das Regressionsmodell integriert. 3. Ziellughafen Studien aus den USA (vgl. Borenstein, 1989) sowie aus Europa (vgl. Lijesen et al., 2000, Bruinsma, 1999) untersuchen das Hub-Premium, d. h. Preisaufschläge zu Ziellughäfen mit einer typischen Hubfunktion. Daher wird der Ankunftslughafen mit der Binärvariablen HUB berücksichtigt. 4. Reisetag Nach Ergebnissen von Mantin & Bonwoo (2010), welche über einen Zeitraum von ca. 90 Tagen in 2008 täglich Flugpreise von ca. 1000 zufällig ausgewählten Flugstrecken auf dem nordamerikanischen Luftverkehrsmarkt erhoben haben, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Preisniveau an einem Wochentag und einem Wochenendtag. Dagegen bekräftigten sie, dass ein starker Zusammenhang zwischen der Preisdispersion 6 und dem Wochenende existiert. Deshalb wird der Reisetag ebenfalls mit der Binärvariable DAY in das Modell integriert. 5. Wettbewerbsintensität Die Wettbewerbsintensität wird normalerweise anhand von Konzentrationsmasse, wie z. B des Hirschmann-Herindahl-Indexes (HHI) darge- P A B − + 7 4 8 * , ** * * * * , , , , P P P P EU A B A B A B A B 3 9 2 10 1 11 0 12 − − − − + + + + __ NEU + P i av A B A B A B A B DOC LCC HUB D , , * * * * − − − − = + + + + 1 2 3 4 5 AAY ANBIETER P A B A B − − + + 6 * * * * * * * * P P P P EU __ NEU (3) POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 20 hängig den durchschnittlichen Flugpreis unter der Annahme einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von 99 % signiikant beeinlussen. Dagegen ofenbart die Einführung von Nicht-Linearitäten das sogenannte Yield-Management der Unternehmen (P4 - P1). Die dazugehörigen Parameter haben das erwartete Vorzeichen und die erwartete Größenordnung (wenn auch nicht immer signiikant). Wir konstatieren, dass der Flugpreis mit näherndem Ablugtermin i. d. R. steigt. Im Gegensatz dazu inden sich in keinem der Modelle Anzeichen, die die Existenz einer Preisdiferenzierung je nach Tag (Mittwoch oder Freitag) und je nach Zieldestination (alte oder neue EU-Länder) bestätigen. Eine etwas disaggregiertere Betrachtung (City-Pair-speziisch mit autoregressiven Faktoren) wäre an diesem Punkt adäquat gewesen, um solche Efekte tiefer zu untersuchen. Darüber hinaus haben die Schätzergebnisse gezeigt, dass in allen Modellspeziikationen auf Flugstrecken mit Hublughäfen als Zieldestinationen erhöhte Flugpreise, d. h. Hub-Premiums zu beobachten sind. Ofen bleiben allerdings die konkreten Ursachen für diese Hub-Premiums. Einerseits vertreten etablierte Fluggesellschaften auf Hublughafen eine dominante Marktposition, sodass sie erhöhte Preise verlangen können. Andererseits erheben Hublughäfen vergleichsweise hohe Entgelte, welche sich in den Die relativ niedrig korrigierten Bestimmtheitsmaße lassen zunächst eine schlechte Anpassbarkeit der Modelle vermuten. Angesichts vergleichbarer Ergebnisse weiterer Studien (vgl. Gillen et al., 2006) sowie eines hohen F-Wertes in allen Modellspeziikationen ist jedoch die Allgemeingültigkeit der Modelle nicht abzulehnen. Nichtsdestoweniger stellen wir an dieser Stelle fest, dass es noch weitere (nicht identiizierbare) Einlussfaktoren des Preises gibt. Zum Beispiel sind das Vorhandensein und die Intensität des intermodalen Wettbewerbs entscheidend für das Preisniveau. Zudem ist es durchaus vorstellbar, dass die Fluggesellschaften detaillierte regionale Einkommensunterschiede in ihrer Preissetzung berücksichtigen. Außerdem können durchaus unterschiedliche Attraktivitätsmerkmale der jeweiligen Destination temporaler (Messen, etc.), oder permanenter (klassische touristische Destination) Natur eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang ist die Verwendung des Modells mit ixen Efekten umso wichtiger, denn dadurch wird die Schätzung trotz fehlender Variablen möglich. Tabelle- 1 zeigt überraschenderweise eine bessere Anpassbarkeit des linearen Modells. Als mögliche Erklärung kann die eventuell sehr hohe Güte der errechneten direkten Betriebskosten (DOC) angeführt werden. Tabelle- 1 zeigt, dass die DOC und die Existenz von LCC auf einer Strecke (LCC) modellunab- Modell 1 (linear) Modell 2 (log-linear) Modell 3 (log-log) Variable Parameter t-Wert Parameter t-Wert Parameter t-Wert Const 0,1806 2,2032 ** -1,0996 -6,5997 *** -2,3286 -7,6094 *** log DOC 1,0274 7,4274 *** DOC 0,0851 12,5885 *** 0,1018 7,4131 *** LCC -0,1244 -2,7384 *** -0,3816 -4,1321 *** -0,3745 -4,0454 *** HUB 0,1130 2,2843 ** 0,2102 2,0904 ** 0,1793 1,7710 * DAY -0,0047 -0,1252 -0,0021 -0,0275 0,0106 0,1391 Anzahl der Anbieter -0,0386 -3,0678 *** -0,0545 -2,1305 ** -0,0654 -2,5570 ** P4 -0,0981 -1,7326 * -0,3540 -3,0761 *** -0,3531 -3,0684 *** P3 -0,0804 -1,4202 -0,3220 -2,7984 *** -0,3216 -2,7957 *** P2 -0,0669 -1,1800 -0,2731 -2,3701 ** -0,2705 -2,3482 ** P1 -0,0415 -0,7328 -0,1642 -1,4262 -0,1626 -1,4132 EU_NEU_ 0,0441 0,5820 -0,0077 -0,0502 0,0008 0,0054 R² adj 0,3679 0,2134 0,2137 Tab. 1: Finale Modelergebnisse. Quelle: eigene Berechnungen. *** Irrtumswahrscheinlichkeit 1 %, ** Irrtumswahrscheinlichkeit 5 %, * Irrtumswahrscheinlichkeit 10 %. Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 21 POLITIK Wissenschaft 5 Swan & Adler entwickelten diesen Kostenansatz auf Basis eigener Berechnungen für unterschiedliche auf dem Markt existierende Flugzeugtypen der Hersteller Boeing und Airbus mit dem Kostenberechungsprogramm OPCOST. Dieses Programm, dessen Details nicht näher erläutert sind, entwickelte Boeing und optimierte es in den letzten 25 Jahren sukzessive. 6 Nähere Ausführungen zu der Preisdispersion in Abhängigkeit der Wettbewerbsintensität analysieren z. B. Borenstein & Rose (1994). 7 Die Schätzung erfolgte mit der Statistiksoftware GRETL 1.8.7. Flugpreisen der Fluggesellschaften widerspiegeln könnten. Ofen bleibt die Frage, inwieweit die Marktstruktur in den Modellen hinreichend gut erfasst wurde. Die Verwendung der eher aggregierten Betrachtung anhand der Anzahl der Anbieter zeigt, dass in allen drei Modellspeziikationen eine steigende Anzahl der Anbieter den durchschnittlichen Preis auf der betrefenden Strecke senkt. Unbeantwortet bleibt jedoch der interessante Duopol-Fall, insbesondere wenn zwei Fluggesellschaften mit unterschiedlichen Kapazitäten eine Streckenverbindung bedienen. Zusammenfassung In diesem Beitrag wurde anhand einer empirischen Preiserhebung das Verhalten von Fluggesellschaften in dem deregulierten Luftverkehrsmarkt der EU27-Mitgliedstaaten untersucht. Hierbei konnte für die untersuchten Flugstrecken ein Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Flugpreisniveau und der Marktform ökonometrisch bestätigt werden. Ferner konnten keine nennenswerten Preisunterschiede zwischen den Ablugtagen Mittwoch, 09.12.09 und Freitag, 11.12.09 bestätigt werden. Dies deckt sich weitestgehend mit der Studie von Mantin & Bonwoo (2010). Das ökonometrische Modell umfasste drei unterschiedliche Modellspeziikationen mit Paneldaten. Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass das Preissetzungsverhalten der Fluggesellschaften im kontinental europäischen Raum sowohl Kostenals auch Nachfrage- und Wettbewerbselemente beinhaltet. Direkte Betriebskosten (DOC) haben einen signiikanten (positiven) Einluss auf das Preisniveau in einer Strecke. Hingegen senken die Anwesenheit von LCC sowie die Anzahl der Wettbewerber auf einer Flugstrecke den Durchschnittspreis. Das von den Fluggesellschaften viel zitierte und praktizierte Yield-Management dokumentiert sich in steigenden Preisen mit fortschreitendem Buchungszeitpunkt. Das Modell liefert ausreichende Anzeichen für die Existenz des Hub-Premiums. Hingegen konnten keine Anzeichen für die Existenz eines unterschiedlichen Preissetzungsverhaltens hinsichtlich räumlicher Kriterien, insbesondere für Flüge die ihren Start- oder Endpunkt in einem der neuen EU-Länder haben, festgestellt werden. ɷ Danksagung Die Autoren bedanken sich bei Herrn Andreas Schubert für die exzellente Datenaubereitung. 1 Für einen Literaturüberblick vgl. Evangelinos & Stangl (2010), sowie Evangelinos, et. al. (2011). 2 Dieses Preiserhebungstool wurde im Rahmen von Forschungsarbeiten am Lehrstuhl für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik der Technischen Universität Dresden entwickelt. 3 Für die Einordnung in ein theoretisches Wettbewerbsmodell vgl. Evangelinos & Stangl (2010). 4 Nach Holloway (vgl. Holloway, 2003) liegt der Anteil der DOC an den TOC bei Linienluggesellschaften ebenfalls bei etwa 45 bis 60 %, wobei dieser Anteil z. B. aufgrund wachsender Brennstofpreise aus heutiger Sicht höher sein kann. LITERATUR ADLER, N., SWAN M.-W. 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Condor Flugdienst GmbH boris_brandmueller@web.de Christos Evangelinos, Dipl.-Verkehrswirtschaftler TU Dresden, Lehrstuhl für Verkehrswirtschaft und internationale Verkehrspolitik christos.evangelinos@tu-dresden.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 22 D er „Masterplan Flughäfen“ der „Initiative Luftverkehr für Deutschland“ von 2004/ 2006 [1] und das „Flughafenkonzept der Bundesgierung 2009“ [2] firmieren unter Titeln, deren Anspruch in der Umsetzung nur unzureichend eingelöst wird. Beiden „Werken“ fehlt der gebotene langfristige Planungshorizont und der im Sinne des Charakters eines „Masterplans“ bzw. eines „Konzepts“ zu erwartende Konkretisierungsgrad. Sie erfüllen eher die Anforderungen von „Grundlagen“. Hinsichtlich der Planungshorizonte ist • ein Betrachtungszeitraum von 10 - 15 Jahren im Luftverkehr kaum für das operative Handeln ausreichend; • für strategische Konzepte ist eine Vorausschau von mindestens 20 - 30 Jahren erforderlich - vgl. z. B. [3], [4]. Luftverkehrsstandort Deutschland gestalten! Konkrete Strategien sind von maßgeblicher Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Luftverkehrsstandorts Deutschland im internationalen Vergleich sowie die Mobilität der Bevölkerung. Dem wird in sog. „Masterplänen“ und „Konzepten“ sowie in den zahlreichen volkswirtschaftlichen Rechtfertigungsgutachten nur unzureichend Rechung getragen. Letzteres betrift insbesondere die Identifizierung von Engpässen und die Vorsorge für deren Überwindung. Dabei geht es • nicht nur um die Leistungsfähigkeit der Start- und Landebahnsysteme sowie • der Passagier-/ Güterabfertigung (Terminalkapazität), • sondern auch um die der landseitigen Anbindung/ Einbindung. Die landseitige Anbindung ist vor allem bei den Stadtbzw. stadtnahen Flughäfen virulent. In Hinblick auf die langen Vorlaufzeiten sowohl im Straßenals auch im Schienensektor müssen alle wichtigen Infrastrukturmaßnahmen frühzeitig konkret geplant und muss ihre angemessene Einordnung in die Planungen des Bundes, der Länder und der Kommunen sichergestellt werden. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass die Bewertungs- und Auswahlverfahren in der Bundesrepublik nach wie vor an Prozeduren orientiert sind, die den besonderen Charakter von Infrastrukturmaßnahmen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit von überregional/ national bedeutsamen Verkehrsstandorten (vor allem „Mega- Gateways“) nicht annähernd hinreichend berücksichtigen. Prognosen zur Entwicklung des Passagieraufkommens Maßgebliche Orientierungswerte allen Handelns in diesem Zusammenhang sind stabile Prognosen der Verkehrsentwicklung. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Entwicklungen in den vergangenen 10-20 Jahren sowie den weltweiten Tendenzen sind die Prognosen zum Passagieraukommen in den beiden Werken überprüfungsbedürftig. In der aktuell gültigen Prognose Foto: DLR INFRASTRUKTUR Luftverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 23 für die Bundesrepublik insgesamt wird gegenüber dem Zustand 2005 bis zum Jahr 2020 eine jährliche Steigerungsrate von 4,1 % zugrunde gelegt (Abbildung- 1). Daraus resultiert für das Jahr 2020 ein Aukommen von 307- Mio.- Passagieren (+ 82 %) - basierend auf einem Ausgangswert von 169-Mio. Passagieren in 2005 (gegenüber 165,5- Mio. lt. ADV-Statistik [5]). Im Zeitraum von 2000 bis 2010 betrug der Gesamtzuwachs 33 % (rd. 2,9 % jährlich); bei den acht größten Flughäfen (über 5- Mio. Passagiere) zusammen genommen waren es knapp 27 % (rd. 2,4 % jährlich) [5]. Laut „ACI 2007“ [6] werden sich die Zuwachsraten im „weltweiten Luftverkehr“ von 2007 bis 2025 kontinuierlich verringern (Abbildung-3). Das ist grundsätzlich logisch, da sich die Nachfrage in den hoch industrialisierten Ländern (nicht zuletzt nach weitgehender Konsolidierung des Low-cost-Sektors) eher einem Sättigungszustand nähert. Die gleichwohl insgesamt noch bemerkenswert hohen weltweiten Zuwachsraten werden vor allem von den sich rasch entwickelnden großen Schwellenländern getragen. Insoweit ist für den europäischen/ deutschen Luftverkehr eher eine noch stärkere Degression des Zuwachses als im Weltverkehr logisch − zumindest in Betracht zu ziehen. Die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren war stark durch die Ereignisse des 11. Septembers 2001 und die Vulkanaschewolke in 2009 geprägt. Vergleichbare Ereignisse werden in Zukunft jedenfalls nicht unwahrscheinlicher; die Annahme ihres längerfristigen Ausbleibens ist nur in sehr optimistischen Prognose-Varianten vertretbar. •• Selbst bei Zugrundelegung der Wachstumsraten laut Basisszenario in [1] und [2] (+ 4,1 % jährlich) für den Zeitraum 2010 bis 2020 würden in 2020 lediglich rd. 285 Mio. Passagiere erreicht (Abbildung- 4); dieser Wert wird in [1/ 2006] als „Status quobzw. Worst-case-Szenario“ eingeordnet. •• Die linearen mathematischen Trendlinien für die Zeiträume 1990 bzw. 2000 bis 2010 bilden den tatsächlichen längerfristigen Trend bemerkenswert gut ab (Abbildung- 4); sie führen beide zu Werten von knapp über 250-Mio. Passagieren in 2020. •• Bei Berücksichtigung einer degressiven Entwicklung im Sinne der ACI-Prognose [6] sind die Werte jeweils um mindestens 10-Mio. Passagiere zu reduzieren; das führt zu rd. 275 bzw. 245- Mio. Passagieren in 2020. Der „Mittelwert“ von 260- Mio. Passagieren liegt fast 50-Mio. Passagiere unter dem Zielwert des „Masterplans“. Bezogen auf das tatsächliche Volumen in 2010 von knapp 191-Mio. Passagieren ist das ein Unterschied des Zuwachses von rd.- 70- Mio. gegenüber Abb. 1: Wachstum des Luftverkehrs in Deutschland bis 2020 Quelle: [2] Abb. 2: Entwicklung des Passagieraufkommens der acht größten deutschen Flughäfen von 2000 bis 2010 Quelle: [5] Abb. 3: Entwicklung des Passagieraufkommens im weltweiten Luftverkehr 2006 bis 2025 Quelle: [6] rd.-115-Mio. Passagiere; die Diferenz beträgt rd.- 40 %. Zum Vergleich: Laut Prognosen zur Bundesverkehrswegeplanung 2003 sollte sich das Passagieraukommen in der Bundesrepublik von 1997 bis 2010 im „Kernszenario“ verdoppeln; tatsächlich betrug der Zuwachs knapp 58 %; das sind sogar über 40 % weniger, als zugrunde gelegt. INFRASTRUKTUR Luftverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 24 In [1/ 2004] (Tabelle 1) wurde die Entwicklung nach „Flughafengruppen“ gegliedert. Im Masterplan 2004 wurde für die „Hubflughäfen“ FRA (Frankfurt) und MUC (München) im Basisszenario ein durchschnittlicher jährlicher Zuwachs von 4,7 % angegeben, bei Fortbestand der seinerzeitigen Engpässe wurden 2,7 % zugrunde gelegt. Tatsächlich betrug der Zuwachs einschließlich der Störungen (11.9.2001, SARS, Vulkanwolke) im Zeitraum 2000 bis 2010 in FRA + 0,7 % jährlich und in MUC + 4,2 % jährlich. Zusammengenommen führt das auf einen Zuwachs bezüglich der betrefenden „Flughafengruppe“ im Vergleichszeitraum von knapp 2,0 % jährlich (nicht 2,7 % oder gar 4,7 %); die ausgeprägt unterschiedlichen Entwicklungen sind standortspezifisch und nicht gruppenspezifisch. Im gleichen Zeitraum bewegten sich die jährlichen Zuwachsraten bei den „Flughäfen mit mehr als 5 Mio. PAX“ im Spektrum von + 5,4 % (BER) bis - 0,8 % (HAJ) jährlich. Auch daraus lässt sich alles andere als eine gruppenspezifische Tendenz ableiten. In [1/ 2006] wurde somit zu Recht auf die betrefende Gruppeneinteilung verzichtet. Die Hamburger Flughafengesellschaft beispielsweise geht aktuell von einem Zielwert für 2020 von rd. 20- Mio. Passagieren aus (Abbildung-5); das ist ein Zuwachs gegenüber 2010 von rd. 54 % oder rd. 4,5 % jährlich. Bei Zugrundelegung linearer mathematischer Trendlinien (gleichbedeutend mit einer moderaten Regression der Zuwachsraten), wird ein Zielwert im Bereich von 16 (20 Jahrestrend) bis 17-Mio. Passagieren (10 Jahrestrend) erreicht (Abbildung-5). Wirkungen von Flughafenstandorten/ des Luftverkehrs Die zahlreichen Gutachten zu volkswirtschaftlichen oder regionalwirtschaftlichen Efekten/ Nutzen des Luftverkehrs vermitteln den Eindruck, die Luftverkehrswirtschaft sehe sich gezwungen, ihre Bedeutung gegenüber der Politik und der Öfentlichkeit immer wieder von Neuem nachzuweisen. Dazu gehören beispielsweise die Arbeiten: •• „Katalytische volks- und regionalwirtschaftliche Efekte des Luftverkehrs“ aus 2008 [7] •• „Verkehrsträgeranalyse - Kosten, Erträge und Subventionen des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs in Deutschland“ aus 2010 [8]. Dabei werden nicht selten einerseits eher fragwürdige (weil in weiten Grenzen variierbare/ ausformbare) Methoden angewendet und wird andererseits der tatsächlichen komplexen Bedeutung des Luftverkehrs und der Flughäfen nicht ausreichend Rechnung getragen. Die ökonomischen Wirkungen von Großflughäfen sind unstrittig generell zwei Globalkomplexen zuzuordnen, deren Bezeichnung für sich spricht: •• Motor der Ökonomie und •• Magnet der Ökonomie [9]. Unterschieden wird weltweit einvernehmlich nach direkten, indirekten, induzierten und katalytischen ökonomischen Wirkungen. Im Mittelpunkt der „Verteidigungsstrategie“ steht meist die Rolle der Flughäfen als „Jobmaschine“. Als Orientierungswerte gelten dabei, dass je 1-Mio. Verkehrseinheiten/ „Pax-Äquivalente“ (1- Passagier bzw. 100 kg Fracht) geschafen werden (u. a. [10]): •• rd. 2950 Arbeitsplätze national, davon •• rd. 2000 Arbeitsplätze regional, davon •• rd. 1425 Arbeitsplätze subregional, davon •• rd. 950 Arbeitsplätze am Flughafen Von einzelnen Gutachtern wird von diesen Werten allerdings bei Bedarf ggf. auch extrem „nach oben“ abgewichen oder es wird gleichsam mit Taschenspieltricks gearbeitet. Für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg beispielsweise wurden ofenkundig die von den alten Flughafenstandorten künftig verlagerten Arbeitsplätze in der politischen Diskussion kurzerhand als neu geschafene Arbeitsplätze deklariert. Im Streit um ein Nachtflugverbot wurde geltend gemacht, dass dadurch „am Flughafen 18 000 Arbeitsplätze verloren“ gehen würden [11]. Die Formulierung „am Flughafen“ ist nur so zu interpretieren, dass „direkte“ Arbeitsplätze gemeint sind. Nach der üblichen Faustformel wäre das gleichbedeutend mit rd. 19-Mio. Passagieren bzw. PAX-Äquivalenten jährlich nur in den fraglichen Nachtstunden; in 2010 betrug das Gesamtaukommen der Berliner Flughäfen 22,6-Mio. PAX-Äquivalente. Die volkswirtschaftlichen „Rechtfertigungsgutachten“ haben zwar prinzipiell ihre Berechtigung insofern, als damit mit vergleichbaren Lobby-Aktivitäten der konkurrierenden Verkehrsträger „gleichgezogen“ Flughafengruppe Luftverkehrsaufkommen 2003 (Mio. PAX) Luftverkehrsaufkommen 2015 Basisszenario (Mio. PAX) 1) Zuwachs p. a. (%) Luftverkehrsaufkommen 2015 Worst Case (Mio. PAX) 2) Zuwachs p. a. (%) Hubflughafen 72,1 125,4 4,7 99,1 2,7 Flughäfen mit mehr als 5 Mio. PAX 57,0 99,5 4,8 92,6 4,1 Weitere Verkehrs- und Regionalflughäfen 17,6 30,7 4,7 37,0 6,4 Summe 146,7 255,6 4,7 228,7 3,8 1) FRA und MUC engpassfrei, BBI neu, DUS technisch mögliche Kapazität 2) FRA und MUC kein Ausbau, DUS S/ L-Kapazitäten wie 2003, kein BBI Abb. 4: Entwicklung des Passagieraufkommens im Luftverkehr Deutschlands 1990 bis 2010 nach [5]; ausgewählte Projektionen bis 2020 Tab. 1: Prognose des Luftverkehrsaufkommens in Deutschland nach „Flughafengruppen“ bis 2015 Quelle: [1/ 2004] Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 25 wird. Das hat in den vergangenen Jahren jedoch teilweise eine fachliche Qualität angenommen, durch die die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit solcher Arbeiten beschädigt wurde und nicht zuletzt dazu geführt, dass die tatsächliche politische bzw. öfentliche Wirksamkeit solcher Studien eher gering ist. Die Bedeutung des Luftverkehrs muss und sollte nicht auf selektive, eher nur begrenzt belastbare/ relevante volkswirtschaftliche Kriterien und Maßstäbe eingeengt werden. Sie sollte vielmehr in der komplexen Vielfalt ihrer Wirkung für Gesellschaft, Siedlung, Wirtschaft und Umwelt auf nationaler und regionaler Ebene substanziiert gekennzeichnet und kommuniziert werden. Dazu gehören insbesondere auch Fragen der Raumordnung und des Städtebaus, einschließlich der vielfältigen Funktionen als Impulsgeber und Anker maßgeblicher städtebaulicher/ regionaler Entwicklungen (Airport-City, Entwicklungskorridore, High-tech-Standorte, Events etc.); dazu gehört auch der Stellenwert im Wettbewerb der Volkswirtschaften und der Metropolen sowie hinsichtlich der Qualität der Mobilität der Bevölkerung [9]. In der öfentlichen Diskussion um externe Wirkungen des Luftverkehrs ist der ausschlaggebende Faktor der Lärm - vor allem in den Ein- und Ausflugschneisen im Bereich von Wohngebieten. Das wird gegenwärtig erneut durch die vehementen Proteste vor allem in Frankfurt und Berlin bestätigt. Umso wichtiger ist es, dass nicht nur die Möglichkeiten der Lärmreduzierung in vollem Umfang genutzt, sondern auch die erzielten Erfolge und perspektivisch erreichbaren Verbesserungen ofensiv kommuniziert werden. Andererseits sollten die Wirkungen nicht bagatellisiert, sondern sachlich mit denen des Straßenverkehrs und der Eisenbahnen verglichen werden. Regional-Flughäfen/ regionale Flughafensysteme Regionalflughäfen und ihre potenzielle Rolle im Rahmen von Flughafensystemen werden in [1] und [2] nur am Rande behandelt. Die betrofenen Regionen benötigen jedoch konkrete Orientierungspunkte. Sie sind mit der Beurteilung hinsichtlich Tragfähigkeit und Perspektiven in aller Regel überfordert. Gerade in strukturschwachen Gebieten lassen sich die Lokalpolitiker vielfach von Gutachtern mit dem Lockruf der Jobmaschine oder instabilen Versprechungen von Low-cost- Carriern in finanzielle Abenteuer treiben. Sogar die NRW-Landesregierung hat mit wissenschaftlicher Rückendeckung lange Zeit die Fiktion eines regionalen multiplen Flughafensystems sowie einer Kooperation von DUS und CGN im Sinne eines „integrierten Großverkehrszentrums“ verfolgt (DUS LITERATUR [1] Initiative „Luftverkehr für Deutschland“: Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur; Berlin im Oktober 2004/ Frankfurt im Dezember 2006 [2] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Flughafenkonzept der Bundesregierung; Berlin 2009 [3] US Federal Aviation Administration: Capacity Needs in the National Airspace System 2007 - 2025; Washington Mai 2007 [4] US Federal Aviation Administration: FAA Long-Range Aerospace Forecasts Fiscal Years 2020, 2025 and 2030; Washington September 2007 [5] Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV): Statistiken 1990 - 2010 [6] DLR u. a.: Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland; Gutachten im Auftrag der Initiative „Luftverkehr für Deutschland“, November 2008 [7] ECAD GmbH: „Katalytische volks- und regionalwirtschaftliche Efekte des Luftverkehrs“ 2008 [8] INFRAS und Fraunhofer ISI: Verkehrsträgeranalyse; April 2010 [9] ANDREAS KOSSAK Forschung & Beratung: Bedeutung des Flughafens Düsseldorf als Standort- und Wirtschaftsfaktor für die Region Rhein-Ruhr; Hamburg 2006 [10] ACI Europe, York Aviation: The social and economic impact of airports in Europe; Leeds 2004 [11] KURBJUWEIT, K.: CDU bringt Airport-Anwohner um den Schlaf; in „Der Tagesspiegel“ vom 04.03.11 [12] Büro Dr.-Ing. ANDREAS KOSSAK: Möglichkeiten und Grenzen einer Kooperation der Flughäfen Düsseldorf International und Köln/ Bonn Konrad Adenauer; Hamburg 2001 [13] KOSSAK, ANDREAS: Kommentare zur Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages am 13. April 2011; Ausschussdrucksache 17. WP Nr 17 (15) 198-B Andreas Kossak, Dr.-Ing. Eigentümer AK Forschung & Beratung, Hamburg DrKossak@aol.com als Zubringer, CGN als „Interkontflughafen“; Verbindung mit Transrapid), um eine Erweiterung des „Bewegungskontingents“ von DUS zu umgehen [12]. Tatsächlich sind Regionalflughäfen nur in Ausnahmefällen nicht auf dauerhafte Alimentierung durch die öfentlichen Hände angewiesen [13]. Begründet werden die Subventionen in der Regel mit volkswirtschaftlichem Nutzen oder der Bedeutung im Rahmen von überregionalen Flughafensystemen. Die dabei zugrunde gelegten Annahmen gehen meist an den Realitäten der Regionalwirtschaft und den Zusammenhängen im Luftverkehr total vorbei. Die ersehnten Fördergelder erweisen sich dann im Nachhinein meist als Danaergeschenk. Es ist dringend geboten, die Praxis der Subventionierung von Regionalflughäfen sowie deren Rolle im Standortsystem der deutschen Flughäfen systematischer und realitätsnäher zu prüfen, als das bisher überwiegend geschehen ist. Fazit Qualität und Perspektiven des Luftverkehrsstandortes Deutschland sind von maßgeblicher Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit/ Wettbewerbsfähigkeit des „Exportweltmeisters“ und seiner Metropolen im internationalen Vergleich sowie für die Mobilität der Bevölkerung. Dem wird mit der bisherigen Behandlung in Masterplänen und Konzepten sowie in den zahlreichen volkswirtschaftlichen Rechtfertigungsgutachten nur unzureichend Rechung getragen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Komplexität der Thematik, als auch der notwendigen Konkretisierung, der gebotenen Prognosehorizonte und der öfentlichen/ politischen Kommunikation. ɷ Abb. 5: Entwicklung des Passagieraufkommens in HAM 1990 bis 2010 nach [5]; ausgewählte Projektionen bis 2020 Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 26 M oderne Flughäfen haben sich über die früher vorherrschende rein funktionelle Infrastruktureinrichtung hinaus entwickelt und ihre Geschäftsstrategie über das Kerngeschäft der Passagier- und Frachtabfertigung hinaus ausgeweitet. Die Bedeutung des Geschäftsbereichs Non-Aviation wird von Wissenschaftlern und Praktikern gleichermaßen hervorgehoben, jedoch sind empirische Analysen kaum vorhanden (vgl. Castillo-Manzano 2010, Graham 2008, Torres 2005). Wenngleich sich mehrere Studien dem Themengebiet Einzelhandel widmen (z. B. Marketing, Zielgruppenanalysen und Vertragsgestaltung), wenden nur wenige Arbeiten ökonometrische Techniken an, die eine Analyse der zugrundeliegenden wirtschaftlichen Prozesse ermöglichen. Trotz der unterschiedlichen Studienansätze zeichnen sich einige Parameter als Schlüsseleinflussfaktoren für nicht-flugverkehrsbezogene Geschäftsaktivitäten und speziell für die erzielbaren Umsätze an Flughäfen ab. Dies sind v. a. die Flughafengröße bzw. Passagierzahl, die Bereitstellung von Einzelhandelsfläche, die durchschnittliche Flugzeit und der Anteil internationaler Flüge eines Flughafens. Die Ergebnisse deuten des Weiteren darau in, dass Freizeitreisende dazu neigen, mehr Geld auszugeben als Geschäftsreisende. Typischerweise sind bisherige Analysen auf ein einzelnes Land beschränkt. Diese Studie soll die begrenzte Verallgemeinerbarkeit von Einzelländerstudien überwinden, indem ein Querschnitt der 54 bedeutendsten Flughäfen Europas in 19 europäischen Ländern analysiert wird. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Untersuchung das Konsumentenverhalten auf Basis der tatsächlich erzielten Erträge misst, anstatt Umfrageergebnisse zu interpretieren. Im Die Bedeutung des Non-Aviation-Segments an Flughäfen Die Umsätze aus den nicht-flugverkehrsbezogenen Geschäftsaktivitäten Einzelhandel und Gastronomie werden positiv von der Größe des Flughafens, dem Anteil an Inlandspassagieren und von Freizeitreisenden sowie von der Kaufkraft des Landes, in dem der Flughafen sich befindet, beeinflusst. INFRASTRUKTUR Wissenschaft Foto: Günter Wicker/ BBI Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 27 INFRASTRUKTUR Wissenschaft (ausgedrückt als BIP pro Kopf ), von Bedeutung. Mit der Heranziehung dieser drei Einflussfaktoren in Modell 1 können die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie zu 90 % erklärt werden. Endogene Regressoren werden in einem zweiten Schritt mittels einer 2SLS-Methode berücksichtigt, bei der die drei potenziell endogenen Regressoren als Instrumente genutzt werden und nur das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den zweiten Regressionsschritt einbezogen wird. Der Erklärungsgehalt dieses Modells ist etwas geringer als bei Modell- 1, die Ergebnisse widersprechen sich aber nicht. Um den Einfluss der Passagierstruktur eines Flughafens auf die Umsätze in Einzelhandel und Gastronomie zu untersuchen, werden in Modell-3 zusätzliche Faktoren betrachtet. Überraschenderweise wirkt sich ein höherer Anteil an Inlandspassagieren positiv auf Einzelhandels- und Gastronomieumsätze in Europa aus. Flughäfen mit einer hohen Anzahl an Flugbewegungen (Frequenz der An- und Abflüge) weisen ebenfalls höhere Umsätze aus. Der Anteil an Geschäftsreisenden hat dagegen einen negativen Einfluss, was mit den Ergebnissen früherer Studien übereinstimmt. Im nächsten Schritt werden Einflussfaktoren analysiert, welche die Umsätze aus Einzelhandel Ergebnis sollen grundlegende Rahmenparameter für Flughafenbetreiber erkennbar werden, um das Non-Aviation-Geschäft möglichst eizient zu gestalten. Datengrundlage Bei der Analyse von Non-Aviation-Einnahmen (vgl. Tabelle- 1) europäischer Flughäfen werden die veröfentlichten Unternehmensbilanzen genutzt. Da jedoch eine anerkannte Definition von Non-Aviation-Aktivitäten fehlt (vgl. Zenglein/ Müller 2007), wird die Auswertung und Vereinheitlichung der Daten erschwert. Zudem stehen verschiedenen identifizierten, potenziellen Einflussgrößen begrenzte verfügbare Informationen gegenüber. Mittels einer umfangreichen Datenrecherche bezogen auf die veröfentlichten Informationen der Flughafengesellschaften und der Nutzung weiterer zugänglicher Quellen (v. a. „Airport Commercial Revenues Study 2008/ 2009”) wird die Datengrundlage erarbeitet. Von den 54 bedeutendsten europäischen Flughäfen können elf aufgrund unzureichender Informationen nicht einbezogen werden. Somit steht eine Datenbasis aus 45 Flughäfen mit mehr als 30 relevanten Indikatoren zur Verfügung. Ein weiteres methodisches Problem ist, dass einige Flughafenbetreiber nur die Gesamtumsätze aller Flughäfen ihrer Betreibergesellschaft veröfentlichen (BAA-, AENA-, ANA-Gruppe und Aéroports de Paris). Die Einnahmen der einzelnen Flughäfen werden daher anhand der Informationen über die Passagieranzahl approximiert. Einflussfaktoren auf Einnahmen aus Einzelhandel und Gastronomie An europäischen Flughäfen finden sich verschiedenste potenzielle Einflussgrößen auf die Aviation- und Non-Aviation-Einnahmen. Vor allem die Größe bzgl. Passagieren und Terminalanlagen, Flugbewegungen sowie die Passagierstrukturen zeichnen ein heterogenes Bild der europäischen Flughafenlandschaft. Im Folgenden werden die Einflussfaktoren der Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie mithilfe der beschriebenen Datensammlung und mehrerer multivariater Regressionen untersucht. Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie Wie zu erwarten, hat die Passagierzahl große Bedeutung für die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie eines Flughafens (vgl. Tabelle- 2). Es ist somit nicht überraschend, dass generell größere Flughäfen höhere Erträge in diesem Geschäftsbereich ausweisen. Der Verhältnisanteil aus Einzelhandel und Gastronomie am Gesamtumsatz des Flughafens zeichnet sich zudem als wichtiger Treiber in Bezug auf die absolute Umsatzgröße aus. Eine starke strategische Ausrichtung auf Non-Aviation-Aktivitäten führt also zu höheren Gesamteinnahmen. Zudem sind die ökonomische Entwicklung und der Wohlstand eines Landes, in dem sich der Flughafen befindet Variable Definition Aviation/ Einnahmen aus dem Fluggeschäft Einnahmen des Flughafenbetreibers aus dem reinen flugbezogenen Geschäftsbereich, wie Passagier- und Bodenabfertigung Non-Aviation/ Einnahmen aus dem Nicht-Fluggeschäft Einnahmen aus Aktivitäten, die nicht direkt mit flugbezogenen Geschäftsbereichen in Verbindung stehen, wie Einzelhandel, Immobiliengeschäft etc. Gewerbliche Einnahmen Teilbereich der Non-Aviation Einnahmen aus Einzelhandel und anderen vergleichbaren Aktivitäten (z. B. Duty-free, Speisen/ Getränke etc.) Tab. 1: Abgrenzung der verwendeten Variablen zu Flughafeneinnahmen Modell 1 (OLS, log-log) Modell 2 (2SLS, log-log) Modell 3 (OLS, log-log) Koeizient Koeizient Koeizient Absolutglied -6,48 *** -29,43 *** -2,918462 *** Passagierzahl 1,56 *** -5,32 (instrumentiert) Anteil gewerblicher an den Gesamteinnahmen 0,92 *** -2,63 ** BIP/ Kopf 0,62 *** 4,02 *** Anteil an Inlandspassagieren 0,221227 *** Anteil Geschäftsreisender -0,452201 ** Anzahl an Flugbewegungen 1,718344 *** Bew. Bestimmtheitsmaß R 0,90 - 0,75 F Test 121,83 Chi2: 9,24 33,45 F Prob 0,00 0,00 0,00 Anzahl an Beobachtungen 41 41 31 MAPE 1,51% 5,39% 8,96% *** Signifikanzniveau 1 % ** Signifikanzniveau 5 % Tab. 2: Regressionsmodell für die Umsätze (in Euro) aus Einzelhandel und Gastronomie INFRASTRUKTUR Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 28 Modell- 2 bestätigt die Relevanz der ermittelten Einflussfaktoren, allerdings mit unterschiedlicher Signifikanz. Wie in Modell- 1 führt ökonomischer Wohlstand (BIP pro Kopf ) zum starken Einfluss auf die Ausgaben im Segment Non-Aviation. Eine detailliertere Untersuchung in Modell- 3 zeigt zudem, dass der Anteil an Inlandspassagieren und die Anzahl an Flugbewegungen einen positiven Einfluss auf die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie pro Passagier haben. Der Anteil an Geschäftsreisenden weist hierbei keinerlei Bedeutung auf. Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie pro qm Verkaufsfläche Für Flughafenbetreiber ist eine Betrachtung der Einnahmen pro qm Verkaufsfläche ebenfalls ein wichtiger Benchmark. Zunächst werden die Einflüsse von sog. „Ausreißern“ innerhalb der ermittelten Daten geprüft. Wie aufgrund der eher kleinen Datenbasis zu erwarten, haben diese einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Ergebnisse der Modellrechnung. In Tabelle-4 sind daher beide Varianten des Modells und deren Ergebnisse dargestellt. Wie zuvor haben der Anteil der Inlandspassagiere und das Volumen der jährlichen Flugbewegungen einen positiven Einfluss auf die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie pro qm, während dies beim Anteil an Geschäftsreisenden der gegenteilige Fall ist. Bei der Berechnung in Bezug auf die Verkaufsfläche pro Passagier zeigt sich deutlich, dass ein höheres Angebot an Verkaufsfläche pro Passagier die Einnahmen auf einer pro Einheit-Basis verringert. Dies deutet auf rückläufige Grenzerlöse hin, wie sie in einer monopolistischen Struktur bei der Bereitstellung von Verkaufsflächen an Flughäfen erwartet werden können. Fazit Die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie (absolut und pro Passagier) werden positiv von der Größe des Flughafens, dem Anteil an Inlandspassagieren und von Freizeitreisenden sowie von der Kaukraft des Landes, in dem der Flughafen sich befindet, beeinflusst. Für weitere Variablen, die geprüft werden, wie z. B. Pünktlichkeit, Terminaldesign usw. ist keine signifikante Beziehung in Bezug auf die untersuchten Umsätze nachzuweisen. Die Ergebnisse bestätigen im Wesentlichen, was frühere Studien für Nordamerika und weltweite Flughäfen festgestellt haben. Dies trift z. B. auf den überwiegend negativen Einfluss von Geschäftsreisenden auf die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie zu. Deutliche Abweichungen sind in der positiven Richtungswirkung von Inlandspassagieren festzustellen. Der Anteil an internationalen Passagieren hingegen geht in Europa nicht mit höheren Umsätzen aus Einzelhandel und Gastronomie einher. Dies kann sich durch die besondere Position der Intra-EU- Verkehre erklären. Es ist zu vermuten, dass die und Gastronomie pro Passagier beeinflussen (vgl. Tabelle- 3). Wie Modell- 1 zeigt, hat die Höhe der absoluten Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie typischerweise einen starken positiven Einfluss auf die Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie pro Passagier, was darau in deutet, dass größere Flughäfen auch tendenziell höhere Umsätze aus Einzelhandel und Gastronomie pro Passagier generieren. Erklärungsansätze für diesen Efekt sind, dass größere Flughäfen meist mehr Einzelhandelseinrichtungen vorhalten und dass qualitativ hochwertige Einzelhandelsgeschäfte, wie z. B. Designerboutiquen, überwiegend nur an größeren Flughäfen vorzufinden sind. Das Verhältnis von Umsätzen aus Einzelhandel und Gastronomie zu den Gesamtumsätzen bildet sich wiederum signifikant ab. Dies bestätigt, dass eine starke strategische Beachtung und Entwicklung des Einzelhandels und der Gastronomie auch zu höheren Ausgaben pro Passagier führt. Modell 1 (OLS, log-log) Modell 2 (2SLS, log-log) Modell 3 (OLS, log-log) Koeizient Koeizient Koeizient Absolutglied -6,50 *** -9,61 -5,032057 Passagierzahl 0,16 * -0,32 (instrumentiert) ** Anteil der gewerblichen an den Gesamteinnahmen 0,92 *** 0,44 * BIP/ Kopf 0,63 *** 1,08 *** Anteil an Inlandspassagieren 0,212917 *** Anteil Geschäftsreisender -0,225850 Anzahl an Flugbewegungen 0,535471 *** Bew. Bestimmtheitsmaß R 0,86 0,68 0,40 F Test 85,82 Chi 2: 42,12 6,22 F Prob 0,00 0,00 Anz. an Beobachtungen 41 41 29 MAPE 11,1% 15,21% 13,22% *** Signifikanzniveau 1% ** Signifikanzniveau 5% * Signifikanzniveau 10% Tab. 3: Regressionsmodell der Umsätze (in Euro) aus Einzelhandel und Gastronomie pro Passagier Modell 1 (OLS) Modell 2 (Robust OLS) Koeizient Koeizient Absolutglied -5,67 * -0,35 Anteil an Inlandspassagieren 0,28 *** 0,46 *** Anteil Geschäftsreisender -0,27 * -0,35 ** Flugbewegungen 0,54 *** 0,52 *** Verkaufsfläche pro Passagier -1,08 *** -0,90 *** Bew. Bestimmtheitsmaß R 0,68 -- F Test 13,91 20,24 *** Signifikanzniveau 1% ** Signifikanzniveau 5% * Signifikanzniveau 10% Tab. 4: Regressionsmodell für Umsätze (in Euro) aus Einzelhandel und Gastronomie pro qm Verkaufsfläche INFRASTRUKTUR Wissenschaft Ausgabebereitschaft von Passagieren an europäischen Flughäfen aufgrund von Unterschieden bei den gesetzlichen Regelungen (z. B. Abschafung der Duty-Free-Shops für innereuropäische Flüge) niedriger ist. Die Wechselwirkungen aus hohen Sicherheitsmaßnahmen und der durchschnittlich kürzeren Flugdauer und -distanzen in Europa können sich ebenfalls nachteilig auf die Ausgabebereitschaft im Vergleich zu anderen Regionen der Welt auswirken. Einige der wichtigsten identifizierten Einflussgrößen sind zudem nicht oder nur schwer von Flughafenbetreibern beeinflussbar (v. a. ökonomische Entwicklung und Größe des Flughafens). Einflussfaktoren, welche die Flughafenbetreiber zumindest indirekt und auf mittlere bis lange Sicht beeinflussen können, sind die Aufteilung der Passagierstruktur und das Angebot an Verkaufsfläche. Speziell europäische Flughafenbetreiber sollten bei der Akquise von neuen Fluggesellschaften daher Wechselwirkungen zwischen ihren verschiedenen Geschäftsbereichen bedenken. Änderungen wie etwa bei der Ausgestaltung von Entgeltordnungen für Fluggesellschaften mit hohem Geschäftsreiseanteil (um die daraus LITERATUR The Moodie Report (Hg.): The Airport Commercial Revenues Study - Fifth Edition 2008/ 09, Brentford 2009 ZENGLEIN, M. J./ MÜLLER, J.: Non-Aviation Revenue in the Airport Business - Evaluating Performance Measurement for a Changing Value Proposition, GAP Project Working Paper, Berlin 2007 CASTILLO-MANZANO, J.I.: Determinants of commercial revenues at airports: lessons learned from Spanish regional airports. Tourism Management 2010 (6), S. 788-796 GRAHAM, A.: Managing Airports - An international perspective, 3. Auflage, Oxford/ Burlington 2008 TORRES, E./ DOMINGUEZ, J. S./ VALDES, L./ AZA, R.: Passenger waiting time in an airport and expenditure carried out in the commercial area. Journal of Air Transport Management 2005 (6), S. 363-367 Sabrina Schneider, M.A. Kompetenzzentrum für Informations- und Kommunikationstechnologien, Tourismus und Dienstleistungen, Arbeitsbereich Tourismus Hochschule Harz, Wernigerode sabrinaschneider@hs-harz.de Ulf Klose, Dipl.-Ing. M.Sc. Projektmanager Luftfahrt/ Immobilien Leipzig/ Flughafen Wien ulf.klose@airport-real-estate.de Sven Groß, Prof. Dr. Professur für Management von Verkehrsträgern, Hochschule Harz, Wernigerode sgross@hs-harz.de Franz Fürst, Dr. Reader in Real Estate Finance Department of Land Economy University of Cambridge 274@cam.ac.uk resultierenden geringeren Einzelhandels-/ Gastronomieumsätzen zu kompensieren) wären denkbar. Dieser Ansatz erscheint jedoch konfliktreich, da geschäftlich Reisende für Flughafenbetreiber tendenziell niedrigere Einzelhandels-/ Gastronomieumsätze bedeuten, für Fluggesellschaften aber nominal höhere Erträge ermöglichen. Zweckmäßiger wäre auf Flughäfen daher der Ausbau von Angeboten bzw. Serviceleistungen, deren Umfang die Ausgaben der Geschäftsreisenden erhöhen. ɷ Danksagung: Die Autoren danken Kathleen Lumma für die Mithilfe bei der Datensammlung sowie für wertvolle Kommentare. „CETERUM CENSEO“ Verkehr, Telekommunikation, Infrastrukturmanagement, Infrastrukturpolitik Format: 170 x 240 mm, Umfang: 268 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-87154-370-8 Preis: € 42,-* 10 Jahre Regierungskommission Verkehrsinfrastruktur nanzierung * Preise inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten Kurz und Kritisch Gesammelte Editorials 1990-2009 von Gerd Aberle Edition Internationales Verkehrswesen Herausgeber: Andreas Kossak, Wilhelm Pällmann Herausgeber: Gerd Aberle Format: 170 x 240 mm, Umfang: 228 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-87154-406-4 Preis: € 36,-* Format: 170 x 240 mm, Umfang: 194 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-87154-409-5 Preis: € 19,50-* Bestellen Sie Ihr Exemplar: Herausgeber: Andreas Kossak LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 30 Rangieren abscha en, Einzelwagenverkehr retten! Während die Straße laufend Herstellprozesse und Produkte verbessert, folgt die Zugbildung bei der Güterbahn den Grundsätzen aus dem Dampflokzeitalter anno 1876. Deutschland verfügt jedoch noch immer über einen nennenswerten Einzelwagenverkehr. Mittels innovativer Zugbildung könnte dieser endlich zukunftsträchtig und wettbewerbsfähig werden. B eladen oder Entladen wird bei der Eisenbahn ein Waggon. Bewegt wird ein Waggon aber in einem Zug. Die Zugbildung ist daher so alt wie die Eisenbahn selbst. Parallel mit dem Zusammenwachsen ursprünglich einzelner Eisenbahnlinien zu einem Netz erfolgte die Trennung der Funktionsbereiche von Güterbahnhöfe in solche, die dem Zu- und Abgang des Verkehrs (Ladestellen) und der geordneten Zugbildung (Rangierbzw. Verschiebebahnhöfe 1 ), dienten. 2 Rangieren - eine Rationalisierungsbemühung zur Zugbildung aus dem Dampflokzeitalter „Bei ausreichender Gleislänge kann ein Triebfahrzeug nacheinander mehrere Wagen oder Wagengruppen abstoßen, ohne zwischendurch zurückziehen zu müssen“ 3 . „Bei Schwerkraftablauf kann hingegen in eine Richtung gearbeitet werden.“ 4 Rangieren stellt daher eine Rationalisierungsbemühung 5 dar, durch Investitionen in den Unterbau, die Signal- und Weichentechnik, den (Dampf-)Lokomotiveinsatz wirtschaftlicher zu gestalten. Die daraus resultierende Trennung der Verkehrsanlagen in Einfahrgruppe, Richtungsgruppe und Ausfahrgruppe und die daraus resultierenden Betriebsprozesse prägen noch heute die Zugbildung für den Güterverkehr. 6 Der erste Abrollberg wurde 1876 in Duisburg-Speldorf errichtet. 7 Die „Grenze der Machbarkeit“ liegt bei entsprechend ausgestatteten Rangieranlagen bei 6500 Wagen pro Tag bzw. bei 350 Wagen pro Stunde. 8 Nach einer internen Statistik der Österreichischen Bundesbahnen wurde im Oktober 1987 im Zentralverschiebebahnhof Wien-Kledering ein Stunden- Foto: Uwe Miethe Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 31 spitzenwert von 333-Wagen (geplant waren 300 9 ) am Hauptabrollberg erreicht. Beim partiellen Parallelablauf 10 kann dieser Wert noch weiter gesteigert werden 11 , jedoch „wurden alle neuen Rangierbahnhöfe der Deutschen Bahn nur mit einem einzigen Berggleis gebaut“ 12 . So wurde in der Planung für den ab 1987 errichteten Rangierbahnhof München-Nord von einer Ablaufleistung von 5000 Wagen pro Tag mit einem Spitzenwert von 7000 ausgegangen 13 , erreicht wurden dann aber durchschnittlich nur 2250 14 , also weniger als die Hälfte. Noch grotesker erscheint das derzeit laufende Modernisierungsvorhaben im größten Rangierbahnhof Deutschlands in Maschen: Für 230- Mio. EUR werden beide Ablaufanlagen modernisiert, um dann 2200 Wagen Richtung Süden und 1800 Wagen Richtung Norden zu bewegen, statt die insgesamt 4000 Wagen pro Tag auf eine Ablaufanlage zu konzentrieren 15 . Layout und verwendete Technik bedingen einander 16 , diesen Abhängigkeiten wird aber - zumindest in Deutschland - bei der Erstellung eines Betriebskonzepts, das jeglicher Baumaßnahme vorangehen sollte, viel zu wenig Beachtung geschenkt. Die Konsequenz: Trotz höherer Rollgeschwindigkeit von bis zu 120 km/ h (gegenüber 80 km/ h beim Lkw) erreicht die Güterbahn nur einen durchschnittlichen Reiseschnitt von 30 - 40 km/ h in Deutschland 17 (18 km/ h international 18 ) - gegenüber 65- km/ h beim Lkw in Deutschland und im Binnenmarkt 19 . Dies hat auch damit zu tun, dass der Rangierbahnhof i. d. R. nicht direkt aus dem Anschlussgleis erreicht wird, sondern über Satellit und Knotenpunktbahnhof. Das sind kleinere Zugbildeanlagen, die weniger produktiv arbeiten, aber ebenfalls Aufenthalte von 1 bis 2 Stunden hervorrufen 20 und die Entfernung, die im Wagenladungsverkehr überbrückbar ist, bei Abfahrt um 17- Uhr im Knotenpunktbahnhof und Ankunft um 5-Uhr früh auf 150 km pro Nacht beschränken 21 - genauso weit wie 150 Jahre vorher die Tagesleistung im Bahngüterverkehr betrug. 22 Die Alternative: Cargo Net(zwerk) „Vorrangiges Ziel müsste es sein, die Sammlungs- und Verteilzeiten einschließlich der Rangier- und Wartezeiten wesentlich zu verkürzen.“ 23 Doch die bisherigen Versuche, den Einzelwagenverkehr wettbewerbsfähiger zu machen, erschöpften sich in einer Steigerung der Anhängelast und Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit 24 , nachdem die Einführung einer automatischen Mittelpuferkupplung gescheitert war 25 , obwohl selbst bei deren Einführung und Ausschöpfung aller denkbaren technischen Möglichkeiten die Aufenthaltszeit eines Güterwagens bei Beibehalten des Rangierprinzips in einer Ablaufanlage nicht unter 1,5 Stunden hätte sinken können. 26 Eine wettbewerbsfähige Alternative muss aber mit einem Prozesszeitbudget von 1 Stunde für die Zugbildung auskommen, soll die Durchschnittsgeschwindigkeit des heutigen Lkw von 65 km/ h erreicht werden. 27 Cargo Net[zwerk] 28 stellt diese Zugbildeform dar, die zuerst für den Kombinierten Verkehr mit Containern, Wechselaubauten und kranbaren Sattelaufliegern entwickelt wurde, indem das Ladegleis in den Terminals zum Schwungeinfahrgleis für elektrische Streckentriebfahrzeuge umfunktioniert wurde. Das entsprechend ausgestattete Terminal erhielt 1987 29 europäischen Patentschutz: EP- 0174925. Obwohl der Kombinierte Verkehr häufig als eigene Produktionsform dargestellt wird 30 , werden auch diese Verkehre zu über 50 % im Rangiersystem produktionstechnisch abgefahren 31 - mit entsprechenden laufzeitverlängernden Wirkungen. 32 Wenn man ferner berücksichtigt, dass durchschnittlich nur 3 Wagen in einem Rangierbahnhof direkt von einem Zug auf einen anderen übergehen, erscheint es naheliegend, den Rangiervorgang von Güterwagen auf der Schiene durch Vertikalrangieren 33 (engl. vertical shunting), dem Umsteigen von Ladeeinheiten durch Vertikalumschlag von Zug zu Zug, zu ersetzen. 34 Cargo Net ist aber auch im Einzelwagenverkehr anwendbar, allerdings müssen Vorschriften, die der Umsetzung entgegenstehen 35 , parallel zu punktuellen Investitionen in vorhandene Rangierbahnhöfe geändert werden, soll der Einzelwagenvekehr eine Überlebenschance erhalten. Im Jahre 2009 schien es so weit zu sein, der Verfasser wurde aufgefordert ein Angebot für ein solches Betriebskonzept für die Umgestaltung eines partiell stillgelegten Rangierbahnhofes in Deutschland zu legen, das auch den Kombinierten Verkehr adäquat berücksichtigen sollte, doch schlussendlich kam es nicht zur Umsetzung. Dafür wurde weiter in nicht wettbewerbsfähige Lösungen, wie Railports zur Substitution von Anschlussbahnen investiert, obwohl mit der E-Lok TRAXX AC mit dem Last-Mile Diesel 300 kN Anfahrzugkraft auch in nicht elektrifizierten Anschlussbahnen zur Verfügung stehen. 36 Statt in der Triebfahrzeugharfe von Rangierbahnhöfen auf neue Einsätze zu warten, können diese elektrischen Lokomotiven „einfache Zugbildeaufgaben zu Grenzkosten übernehmen, indem sie Wagengruppen abziehen oder beistellen.“ 37 Zusammenfassung Gerade im Güterverkehr könnte ein wettbewerbsfähiger Einzelwagenverkehr eine grüne E-Mobility-Lösung zur CO 2 -Vermeidung erbringen, würde man sich vom herkömmlichen Rangierprinzip bei der Zugbildung lösen und die Feinverteilung über kleine Elektro-Transporter durchführen lassen. 38 Schon 1997 forderte König, „die oiziellen Richtlinien für einen Augenblick auf die Seite zu tun, sich umzuschauen, selbst nachzudenken, warum irgendetwas in den Richtlinien steht und ob es noch […] Sinn macht,“ 39 um den Boden für Innovationen zu bereiten. 40 Während die Straße laufend Herstellprozesse und Produkte verbessert, folgt die Zugbildung bei der Güterbahn noch immer den Grundsätzen aus dem Dampflokzeitalter anno 1876. Deutschland verfügt aber noch(! ) über einen nennenswerten Einzelwagenverkehr, der mittels innovativer Zugbildung Cargo Net in ein zukunftsträchtiges, wettbewerbsfähiges Angebot transformiert werden könnte. 1 Zur etymologischen Herleitung der Begrife Rangier- und Verschiebebahnhöfe siehe Raab, F. (1953): Benennung der Betriebsbahnhöfe für Güterzüge: Eine etymologische Studie, in: ETR Sonderausgabe 2 Rangiertechnik (1953) 13, S.-110-113, S-.110 2 Vgl. Strach, H. (1898): Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie, II. Band, Wien 1898, S.-355 3 Pachl, J. (2011): Systemtechnik des Schienenverkehrs: Bahnbetrieb planen, steuern und sichern, 6. überarb. Aufl., S.-261 4 Peter, J. (1997): Weiterentwicklung der Zugbildungstechnik, in: Der Eisenbahningenieur 48 (1997) 3, S.-34-40, S.34; Grassmann, E. (1952): Zur Geschichte der Rangiertechnik, in: ETR Sonderausgabe 1 Rangiertechnik (1952) 12, S.9-18, S.11 mwH 5 „[…] so ist festzustellen, dass bereits durch Einführung des Abrollenlassens im Fließgang eine rationalisierende Wirkung größten Ausmaßes bis in unsere Tage erzielt wurde.“ Delpy, A.; Grassmann, E.; Gruber, H. (1965): Der Rangierbahnhof und seine technische Ausrüstung, 5. Aufl., Starnberg, S.-19 6 Siehe auch die umfassende Übersicht über Produktionsverfahren im Güterverkehr bei Berndt, T. (2001): Eisenbahngüterverkehr, Stuttgart u.-a., S.-42f. 7 Preuß, E. (1986): Lexikon Erfinder und Erfindungen, Eisenbahn. Berlin 1986, S.-10 8 Vgl. König, H. (1997a): Rangiertechnik, Manuskript (unveröfentlicht) Stand 1997, S.-2 9 Vgl. Sieber, R. (1987): Der Zentralverschiebebahnhof Wien, in: ÖBB-Journal o.Jg. (1987) 1, S.-4-22, S.-5 10 Vgl. König, H. (1997b): Probleme moderner Rangiertechnik, Manuskript zur Vorlesung an der FH Erfurt vom 20.01.1997 (unveröfentlicht), S.-4 11 Vgl. König, H. (1996): Verbesserung technologischer Prozesse im Güterverkehr der Eisenbahn, Manuskript für das 4. internationale EIPOS-Kolloquium in Zilina 19. und 20.9.1996, S.-18 12 König (1996), S.-18 13 Vgl. Thoma, A. (1982). Bedeutung der DB im Güterverkehr Bayerns - insbesondere im Exportverkehr, in: Die Bundesbahn 58 (1982) 7, S.501-505, S.504; für die erste Ausbaustufe werden 5300 Wagen stündlich und 4000 Wagen täglich genannt. Vgl. Schweda, K.; Roth, W. (1989): Rangierbahnhof München Nord, in: Die Bundesbahn 65 LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 32 Wir wünschen unseren Lesern, Autoren und Inserenten eine schöne Vorweihnachtszeit, fröhliche Weihnachten und alles Gute für ein gesundes und erfolgreiches 2012 Redaktion und Verlag (1989) 3, S.- 247-254, S.- 248; dabei hätte es Schweda; Roth eigentlich aufallen müssen, dass bei diesen Rahmenbedingungen auch in der letzten Ausbaustufe nicht mehr als maximal 3500 Wagen pro Tag erreichbar sein würden. Vgl. König, H. (1979/ 80): Zur Frage der Organisation des Parallelablaufs in Rangierbahnhöfen, in: Rangiertechnik + Gleisanschlusstehmik 39 (1979/ 80), S.-39-42, S.-39. 14 Vgl. o.V. (2000): Zugbildung schnell und flexibel, in: http: / / www.bahn.de/ db_cargo/ news/ aktuell/ db_cargo_0022zugbildung.shtm vom 30.09.2000, Zugrif 22.50 h. 15 Vgl. Kortschak, B. (2010): Rangieren ist überholt, in: Deutsche Verkehrs- und Logistikzeitung (DVZ) 64 (2010) 37 vom 27. März 2010, S.-6 16 Vgl. König (1997b), S.-4 17 Vgl. Beisler, L. (1999): Transportzeiten im Schienengüterverkehr, in: Eisenbahntechnische Rundschau (ETR) 48 (1999) 6, S.- 361-366, S.- 362; dies aber unter Vernachlässigung weiterer tatsächlicher Aufenthaltszeiten in den Rangierbahnhöfen; werden diese miteingerechnet, sinkt die Gesamttransportgeschwindigkeit auf 11 bis sogar auf 6- km/ h in besonderen Relationen ab. Vgl. Sünderhauf, B. (2009): Die Automatische Mittelpuferkupplung (AK) Voraussetzung für eine Automatisierung des Schienen-Güterverkehrs in Europa Kosten-Nutzen-Analyse, Grünstadt, S.-101 mwH 18 Vgl. Sünderhauf (2009), S.-68 19 Vgl. Kortschak, B. (1990): Ist der RoadRailer eine Alternative für den Straßen-Transitgüterverkehr über die Alpen? in: Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft (ÖZV) 48 (1990) 1, S.-31-48, S.-36 20 Vgl. Schulz, E.; Hartmann, W. (1982): Leistungskriterien des Schienengüterverkehrs im Wettbewerb, in: Die Bundesbahn 58 (1982), S.-589-595, S.-591 21 Vgl. Bürger, R. (1981): Pragmatische Methoden zur Steuerung und Kontrolle der Wagenübergänge in Knotenpunkt- und Rangierbahnhöfen, in: Die Bundesbahn 57 (1981) 5, S.- 385-392, S.- 390; Vgl. ferner Schulz; Hartmann (1982), S.-592 22 Vgl. Kortschak, B. (1997): Vertikalrangieren − das alternative Rangierkonzept, in: Der Eisenbahningenieur 48 (1997) 3, S. 24-30, S. 24 23 Sünderhauf (2009), S.-101 24 Eine Geschwindigkeitserhöhung auf über 120- km/ h hat einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Gesamttransportzeit vom Versender zum Empfänger. Vgl. Sünderhauf (2009), S.-101 Trotzdem sah man 1993 beim Internationalen Eisenbahnverband U.I.C. mit Zielperspektive 2010 unter Zugrundelegung einer Mittelpuferkupplung 160 km/ h schnelle Kombiverkehrszüge mit nur 800 t Zuggewicht, aber 120 km/ h schnelle Einzelwagenverkehrszüge mit 2500 t und Doppeltraktion als künftige Standards vor. Vgl. Ausschuss strategische Planung im internationalen Eisenbahnverband UIC (1993) (Hrsg.): Die Bahn - ein unentbehrlicher Teil des europäischen Verkehrssystems, Paris 1993, S.41 Ein solcher Güterzug für den Einzelwagenverkehr mit vmax 160 erreichte auf der NBS Hannover - Würzburg (327-km) 1 Stunde Fahrzeitersparnis zwischen Bremen und München. Vgl. Beisler (1999), S.-364; Mit einer Lokomotive Reihe 120 wurden 900 t Anhängelast und 1200 t in Doppeltraktion erreicht - gegenüber 2000 t im Regelverkehr. Vgl. Kortschak (1993), S.- 109; heute bis zu 4000 t. Darüber hinaus verdrängt ein Güterzug mit 160 km/ h zwischen Hannover und Kassel drei Güterzugtrassen für vmax 120. Vgl. Hartkopf, R. (1989): Probleme des Mischverkehrs auf Neubaustrecken, in: Die Bundesbahn 65 (1989) 11, S.- 981- 984, S.-983; Kein Wunder, dass der Betrieb nach drei Jahren aus Wirtschaftlichkeitsgründen wieder eingestellt wurde. Vgl. Beisler (1999), S.-364 25 Am 20. Juni 1973 verweigerten die französischen Staatsbahnen S.N.C.F. zu diesem Beschluss im Rahmen des Internationalen Eisenbahnverbandes U.I.C., der seit 1927 auf die Einführung hingearbeitet hatte, ihre Zustimmung. Vgl. Rossberg, R. R. (1999): Geschichte der Eisenbahn, Künzelsau, S.-406 26 Idealbedingungen, die in der Realität nie erreichbar sein werden. Vgl. Peter (1997), S.-40 27 Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120-km/ h ist ein Reiseschnitt von 100-km/ h erreichbar, dann bleibt auf 800-km Entfernung 1 Stunde Zeit, um das 65 km/ h-Limit zu halten. Vgl. Kortschak (1990), S.-35 28 Cargo Net[zwerk]: Die marktkonforme Flächenerschließung durch den Bahngüterverkehr unter Beachtung der Kundenzeitschranken. Vgl. Kortschak, B. (1987): Binnenlandterminals im kombinierten Verkehr, in: Bäck, H. (Hrsg.): Erfolgspotential Logistikkette, 4. Logistik-Dialog, Köln, S.-74-83, S.-83 29 Prioritätstag für die Patentanmeldung war der 12.9.1984. 30 Vgl. Beisler (1999), S.-362 f. 31 Zumindest im grenzüberschreitenden europäischen Güterverkehr. Vgl. C.E.R. (2010) (eds.): New Single Load Rail Alliance will improve European rail freight, Press release, Brussels 18-02-2010; auf Deutschland bezogen war der tkm-Anteil des Einzelwagenverkehrs 1990 noch bei 50 % und fiel bis heute (2009, Einf.) auf 26 %. Vgl. Sünderhauf (2009), S.-102; Auch die X-Rail-Allianz konnte den weiteren Marktanteilsückgang des Einzelwagenverkehrs bis jetzt nicht stoppen. 32 So betrug die Zeiteinsparung in München-Riem nach Einführung der Schwungeinfahrt 35- Minuten gegenüber dem zuvor praktizierten Rangierprinzip. Vgl. Kortschak, B. (1996): Leistungsprofil IKE-Züge Fahrplan 96/ 97, in: Vortrag „Vertikalrangieren“, VDEI-Symposium Rangiertechnik am 28.11.1996 in Erfurt 33 Vgl. Kortschak (1997), S.-28f. 34 Die am weitesten gediehene Umsetzung dieses Prinzips erfolgt durch das NARCON-System in Belgien, wofür die belgischen Eisenbahnen 2006 auch den Intermodal Award der EIA als „Best Practice“ erhalten haben, vgl. B-Cargo; IFB (2010) NARCON, in: European Intermodal Association (EIA) (2010) (eds.): Intermodal Freight Transport and Best Practice, Brussels, S.-16-18 35 Nachdem das Dogma Rangierfahrt contra Zugfahrt seit 1870 betrieblich verankert war, blieb es dem Quereinsteiger Dr. Jesberg als DB Cargo Produktionschef vorbehalten, diese obsolet gewordene Unterscheidung zehn Jahre nach der ersten Publikation zu Cargo Net ersatzlos zu streichen. Vgl. Kortschak, B. (2000): Schwungeinfahrt ohne Ausfahrt? Anmerkungen zu Innovationen im Schienengüterverkehr, in: Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft (ÖZV) 47 (2000) 1-2, S. 47-48, S.-47 mwH 36 Vgl. Müller, C. (2011): E-Lok mit Rangierdieselmotor, in: Der Eisenbahningenieur 62 (2011) 6, S.-62 37 Kortschak, B. (2007): Rangieren Abschafen! in: ZEVrail Glasers Annalen 131 Tagungsband SFT Graz (2007), S.-50-55, S.-54 38 Vgl. Kortschak, B. (2008): Nach dem Öl, in: Durchblick, Sonderbeilage der DVZ 62 (2008) 156/ 157 vom 30.12.2008, S.-21 39 König (1997b), S.-12 40 „Die kleinen Radien der Anschlussbögen der äußeren Richtungsgleise stören nur die Vorschrift, nicht die Abläufe.“ König (1997b), S.-5 Bernd H. Kortschak, Prof. Dr. Dr. Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Logistik an der Fakultät Wirtschaft - Logistik - Verkehr der Fachhochschule Erfurt kortschak@fh-erfurt.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 33 Bewegung am Himmel Die bedeutenden Passagierfluglinien Indiens wollen sich ein größeres Stück vom Kuchen des internationalen Frachtfluggeschäftes abschneiden, das bislang von Expressdienstleistern wie DHL und TNT beherrscht wird. Bisher konnte sich noch kein rein indisches Startup-Frachtflugunternehmen in diesem Segment etablieren. Im Inlandsmarkt hingegen tummeln sich viele kleine Dienstleister neben den großen Expressdienstleistern und indischen Startups. D er Handel zwischen der EU und Indien brummt wieder. Zwar hat er noch nicht wieder die Vorkrisenwerte von 2008 erreicht, er befindet sich aber auf hohem Niveau. Die Bedeutung des Subkontinents für die EU wird durch das geplante Freihandelsabkommen mit Indien noch gestärkt. Der Handelswert zwischen den beiden Partnern beläuft sich laut des indischen Ministers für Handel und Industrie Anand Sharma momentan auf 72- Mrd.- USD (rund 50- Mrd.- EUR) und soll innerhalb von fünf Jahren auf rund 70- Mrd.- EUR anwachsen. Allerdings hat sich die Unterzeichnung aufgrund von Uneinigkeiten über den Schutz von geistigem Eigentum verzögert und wird nicht vor 2012 erwartet. Deutschland ist innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner. Die Luftfrachtindustrie der indischen Republik soll laut der nationalen STAT Trade Times um 8,5 % jährlich in den nächsten fünf Jahren wachsen. Global werden die asiatischen Luftfrachtmärkte − allen voran der chinesische − die Wachstumstreiber sein. Der indische Expresskuriermarkt, der einen großen Anteil am internationalen Frachtverkehr mit Indien und am Inlandsmarkt hat, soll bis 2012 gemäß der Credit Analysis & Research Ltd (CARE Ratings) um 20 % wachsen und sich damit gegenüber 2007 verdoppeln. In 2007 lag der Wert bei 71-Mrd. indische Rupien (1,1-Mrd.-EUR). Indische Fluggesellschaften benötigen Marktanteile im internationalen Geschäft Die indischen Fluglinien haben aufgrund der globalen Finanzkrise in 2008/ 09 laut Germany Trade & Invest (Gtai) bis 2010 2-Mrd.-USD (rund 1,4-Mrd.-EUR) an Schulden angehäuft. Um der Schuldenfalle zu entkommen, wollen die großen Passagierfluggesellschaften nun vermehrt in die Luftfrachtsparte investieren. Das Ministry of Civil Aviation erwartet, dass der Umsatz bis 2012 um 20 % auf 133-Mrd. indische Rupien (rund 2- Mrd.- EUR) steigen wird. Im internationalen Luftfrachtmarkt tummeln sich bisher große Expressunternehmen wie DHL und Blue Dart, FedEx, TNT und UPS. Momentan generierten die Fluggesellschaften Air India, Kingfisher und Jet Airways nur 5 - 10 % ihres Umsatzes mit dem Frachttransport. Nach der Fusion von Air India und Indian Airlines im Februar 2011 befindet sich die neue Air India weiterhin in einer Restrukturierungsphase. Das Luftfrachtgeschäft soll gemäß des Turn-around- Plans wiederbelebt werden. Die Frachtflugzeuge der nationalen Fluglinie gelten als zu groß für den inländischen und zu klein für den internationalen Transport. Laut des indischen Magazins Business Today wird das Luftfrachtgeschäft des Unternehmens durch ein mangelndes Vertriebsnetzwerk, fehlende Lagerhauseinrichtungen und Infrastruktur sowie Missmanagement beeinträchtigt. Rund 40 Flugzeuge liegen still, sollen aber in Frachter konvertiert werden. Die seit März 2010 operierende indische Startup-Frachtfluglinie Aryan Cargo Express (ACE) ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und hat mittlerweile ihre Dienste eingestellt. Jet Airways plant nach eigener Aussage ein Joint Venture mit FedEx (s. u.). Kingfisher hat die Frachtfluglinie KingfisherXpress für den inländischen Frachtflugmarkt gegründet. Expressdienstleister fokussieren auf zusätzliche Serviceleistungen DHL sieht manigfaltige Möglichkeiten im indischen Markt. Den Gesamtwert des Luftfrachtexpressmarktes auf dem Subkontinent schätzt das Unternehmen auf 450-Mio.-USD (rund 312-Mio.-EUR) ein. Der Expressmarkt wächst laut DHL momentan mit 12 - 15 %. Dabei liegt das Wachstum des Unternehmens über dem Marktdurchschnitt. In Bezug auf den Eintritt indischer Fluglinien in den Luftfrachtmarkt antwortete Chandrashekhar Pitre, Senior-Marketingdirektor Südasien, wie folgt: „Der Wettbewerb wird stärker, ist aber vorhersagbar […]. Es kommt darauf an, wie schnell wir liefern können und welche Zusatzleistungen wie z. B. die Übernahme der Formalitäten und Zollabfertigung wir bieten können.“ Durch die abgeschlossene Akquisition von Foto: Air India LOGISTIK Express- und Luftfrachtmarkt Indien LOGISTIK Express- und Luftfrachtmarkt Indien Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 34 AFL Pvt. Ltd. (AFL) und Unifreight India Pvt. Ltd. (UFL) im Februar 2011 kann FedEx die bisherige Abdeckung von 15 internationalen Flügen nach Delhi, elf nach Mumbai und fünf nach Bengalaru erweitern. Seit April 2011betreibt der amerikanische Expressdienstleister zudem neue größere Frachflugzeuge des Typs Boeing 777F auf seinen Indienrouten. Michael L. Ducker, Vorstand des operativen Geschäfts sagte, dass Indien sich bis 2020 zur drittgrößten Wirtschaft der Welt entwickeln wird. Daher ist der Subkontinent ein Schlüsselmarkt für Investments. „Das Wachstum des indischen Marktes ist beträchtlich und bietet unseren Kunden enorme Möglichkeiten neue Märkte zu erkunden und zusätzliche Ertragsquellen zu erschließen.“ Zum geplanten Joint Venture mit der indischen Jet Airways wollte sich das Unternehmen allerdings nicht äußern. Laut Cyrille Gibot, Pressesprecher beim TNT Hauptsitz in den Niederlanden, fokussiert das Unternehmen sowohl auf internationale Expressdienste (meist zwischen Indien und Europa sowie Indien und den Golfstaaten via Dubai) als auch auf straßengebundene Lieferdienste im Inland. Der Ertrag des Unternehmens auf internationalen Strecken und im Inland stieg um mehr als 20 % in 2010. Zwischen Europa und Indien existieren nun durch die Einführung der neuen Boeing- 767 wöchentlich fünf Flüge zwischen Neu Delhi und dem europäischen Zentralhub in Lüttich. Mit der neuen Linienverbindung reagiert TNT Express auf die weiterhin steigende Nachfrage nach Luftfracht-Kapazitäten zwischen Europa und Indien - insbesondere durch die Hightech- und Maschinenbaubranche. Inlandsmarkt ist unorganisiert und stark umkämpft Bis auf DHL bieten die internationalen Expressdienstleister keine inländischen Luftfrachtdienste an. Somit konkurrieren sie hier nicht mit den indischen Frachtfluglinien im Heimatmarkt. Anders sieht es bei den straßengebundenen Lieferdiensten aus. TNT z. B. fokussiert laut Cyrille Gibot ausschließlich auf straßengebundene Expressdienste und besitzt auch keinen Luftfrachtpartner. In 2006 übernahm TNT den indischen Expressdienstleister Speedage und generierte dadurch ein Netzwerk von 200 Schlüsselstädten. Im Inland stehen die internationalen Integratoren mit unzähligen kleineren Dienstleistern im Wettbewerb. Deshalb scheint die Übernahme einzelner Firmen die beste Strategie zur Expansion des eigenes Geschäftes zu sein. Der amerikanische Expressdienstleister FedEx hat seinen Marktanteil wie erwähnt durch die Akquisition von AFL und UFL auch in Indien ausgebaut. „Der Zukauf von AFL und UFL ermöglicht es, unseren Kunden weitere zugeschnittene internationale und inländische Dienste wie Air Express, straßengebundene Services, Lagerung, Logistiklösungen und 3PL zu bieten“, sagt Michael L. Ducker. Zudem existieren nun zwölf Zollfreigabestellen. Indische Importeure erhalten durch die Einführung des FedEx Import Service einen zeitgenauen und zugeschnittenen, sowie zollabgefertigten Tür-zu-Tür-Dienst. Zudem bietet AFL WiZ Express inländische Expresszulieferdienste. DHL Indien ist in 2002 eine Verkaufspartnerschaft mit dem indischen Expressdienstleister Blue Dart eingegangen. Dies führte zu einer bedeutenden Ausweitung des eigenen Netzwerkes. Heute besitzt DHL 81 % an Blue Dart. Das Unternehmen ist dabei seine Servicestellen für den Einzelhandel von 350 auf 1000 durch weitere Zusammenschlüsse, Bündnisse und Partnerschaften zu erweitern. „Die indische Wirtschaft wird durch den inländischen Konsum angetrieben. Dies eröfnet ganz neue Möglichkeiten im Vertrieb von Mobiltelefonen, Kreditkarten, Pharmazeutika und Autokomponenten. Generell sind wir über die Entwicklung des Einzelhandels sehr begeistert. Dieser Bereich stellt acht bis zehn Prozent am Gesamtgeschäft und soll auf 20 % in den nächsten drei bis fünf Jahren anwachsen“, sagt der Leiter von DHL Express India R. S. Subramanian. Über Blue Dart und DHL Lemuir können inländische Luftfrachtdienste angeboten werden. An dem in 2007 gegründeten Joint-Venture DHL Lemuir hält der deutsche Expressdienstleiter 76- Prozent, die restlichen 24 % übernahm der indische Logistiker. Durch Blue Dart werden Dienstleistungen vornehmlich für die Industrie bereitgestellt. Der globale Branchenführer will seine Position zudem in den Biowissenschaften sowie im Mode- und Bekleidungsbereich ausbauen. Zudem sieht er große Möglichkeiten in Tier-II- und Tier- III-Märkten mit hohem Fertigungsanteil und einer Vielzahl von KMU. „Der indische Versorgungsketten- und Logistiksektor ist überwiegend unorganisiert und wird hauptsächlich durch kleine lokale Unternehmen bedient, die eine Bedrohung für das organisierte Wachstum des Sektors darstellen“, fügt Subramanian an. Neue Luftfracht-Startups versuchen Lücken zu füllen Im inländischen Luftfrachtexpressgeschäft agieren relativ neue Dienstleister wie Kingfisher Xpress, Deccan Cargo und Quickjet. Im Februar 2010 hat Kingfisher seinen Inlandsexpressdienst in Form der Luftfrachtgesellschaft Kingfisher Xpress gegründet. Bislang bedient der Dienstleister 23 Schlüsselstädte. Prakash Mirpuri, Vizepräsident der Konzernkommunikation, sagte: „Kingfisher Xpress wurde konzipiert, um die unbefriedigten Bedürfnisse von Nutzern nach tagesaktuellen Tür-zu-Tür-Lieferungen zu erfüllen.“ Deccan Cargo (Deccan 360), die Frachtfluglinie des indischen Luftfahrtpioniers G R Gopinath, arbeitet momentan an einem geänderten Geschäftsplan, nachdem sie in Turbulenzen geraten war. Die Airbus- 310-Frachter sollen gegen Frachter des Typs Airbus- 300 ausgetauscht werden. Zudem werden Flugzeuge der Hersteller ATR und Boeing zugekauft. „Amerika generiert einen Frachtumschlag von rund 60-Mrd. -USD (42-Mrd.-EUR), Europa rund 26 Mrd. EUR und China rund 6-Mrd.-EUR. Indien erwirtschaftet nur 350- Mio.- EUR. Daher gibt es große Wachstumsmöglichkeiten […]. Der größte Teil der Fracht wird im Frachtraum von Zivilflugzeugen transportiert. Globale Expressunternehmen wie DHL, FedEx und UPS verbinden Indien mit der Welt und bauen momentan ihren Wirkungsbereich aus. Wir dagegen etablieren ein großes Netzwerk im Inland. Da die Wirtschaft um rund 8 % jährlich wächst, ist es nötig, dass Güter zeitnah eintrefen“, erklärt Gopinath. Laut der indischen Onlinezeitung Livemint versucht „eine Gruppe von internationalen Vertragsflugfirmen, die für FedEx,TNT und andere Expressunternehmen arbeiten, die eingestellte Frachtfluglinie Quikjet wiederzubeleben. Falls der Plan gelingt, wird Quikjet für alle Expressunternehmen inkl. FedEx fliegen. Fazit Der internationale als auch der Inlandsfrachtflugmarkt des Subkontinents ist stark umkämpft. Einige Marktteilnehmer wie Air India, Deccan 360, Aryan Air Cargo stecken in finanziellen und strukturellen Schwierigkeiten. Im Inlandsmarkt akquirieren die großen Expressdienstleister kleinere Unternehmen, um ihren Marktanteil auszuweiten. Unabhängige lokale Frachtflugunternehmen und kleinere lokale Expressdienstleister haben es hier schwer zu bestehen. Wir werden also noch weitere Marktbereinigungen und Zusammenschlüsse erleben. ɷ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 36 LOGISTIK Versicherung Lieferkettenstörung - wer zahlt? Auch für Lieferkettenbeziehungen gilt: Sie sind nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Bricht dies, kann es zu Versorgungsengpässen und Produktionsausfällen kommen. Im Zweifel eine teure oder gar existenzbedrohende Angelegenheit. Wer kommt für den Schaden auf? D ass hin und wieder ein Kettenglied bricht, wurde Anfang dieses Jahres wieder unter Beweis gestellt, als sich ein mit Säure beladenes Tankschif zu Füßen des Loreleyfelsens im Rhein auf die Seite und damit eine der wichtigsten Binnenschiffahrtsstraßen Europas für Wochen lahm legte. Denn die aus Sicherheitsgründen notwendig gewordene Flusssperrung führte dazu, dass die Rheinschiffahrt in großen Teilen zum Erliegen kam. Zahlreiche Binnenschife mussten mit ihrer wertvollen und dringend benötigten Fracht vor Anker gehen. Weil die Unglücksstelle über lange Zeit nicht passiert werden konnte, kam es bei einigen Firmen zu Versorgungsengpässen. Derartige Engpässe, die überdies zu Produktionsverzögerungen oder gar -ausfällen führen können, ziehen zweifellos enorme Kosten nach sich. Damit stellt sich die Frage, inwieweit sich das Risikomanagement in Unternehmen präventiv mit Szenarien wie diesen auseinandersetzt, um Schäden durch Unterbrechungen in der Lieferkettenbeziehung, der so genannten Supply-Chain, so gering wie möglich zu halten. Vorkehrung kann etwa eine Versicherung bieten, die das Risiko einer solchen Supply-Chain-Störung und ihrer finanziellen Folgen abdeckt. Fakt ist: Wenn eine benötigte Ressourcenlieferung nicht rechtzeitig oder in zu geringer Menge eintrift, wirkt sich das nicht nur negativ auf Umsatz und Gewinn aus. Weitere Folgen können sein: Kundenverlust, Image-, Reputations- oder Markenschädigung, Aktienkursverluste und höhere Kapitalkosten, um ein paar Beispiele zu nennen. Globalisationssorgen des Supply-Chain-Management Die Notwendigkeit, ein zunehmend komplexeres Netz von Lieferanten und Vertriebspartnern zu managen, kann die Widerstandsfähigkeit des eigenen Unternehmens schwächen, bringt aber auf jeden Fall neue Herausforderungen für das Management unternehmerischer Risiken mit sich. Es kann heute leicht geschehen, dass wegen eines Problems bei einem Lieferanten irgendwo auf der Welt ein Betrieb in Deutschland zum Erliegen kommt - fast so, als sei das Unglück direkt im Unternehmen selbst passiert. In den vergangenen zwanzig Jahren hat die rasch voranschreitende Globalisierung - insbesondere in der produzierenden Industrie - sämtliche operationelle Funktionen der Lieferketten unau altsam verändert. Neue Geschäftsmodelle wie Ofshore Manufacturing, globales Outsourcing oder Lean Sourcing haben zu komplexen globalen Lieferketten geführt, deren feine Glieder plötzlich reißen können. Dazu führen in erster Linie Unfälle im Betrieb und beim Transport, gefolgt von Bränden, Überschwemmungen, Erdbeben und anderen Naturereignissen, Streiks, Insolvenzen, Computerausfällen, Angrifen durch Terroristen und Piraten, Krieg, Kriminalität, Krankheit, Rechtsstreit und mehr. Schifsunfall an der Lorelei auf dem Rhein Foto: dieterwald/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 37 Mit einem individuellen Lieferketten-Check können Unternehmen per Selbstversuch testen, ob sie für eine eventuelle Unterbrechung der Lieferkette gewappnet sind. Quelle: Zurich Eine internationale Analyse der Zurich Versicherung in Zusammenarbeit mit dem Business Continuity Institute zeigt, dass allen befragten 310 Unternehmen Ausfälle der Lieferkette und die damit verbundenen finanziellen Folgen den Unternehmensführern große Sorgen bereiten. Die Untersuchung aus dem Jahr 2009 ergab, dass 72 % der Unternehmen im Verlauf der vorherigen zwölf Monate mindestens eine Störung in der Lieferkette hatten. 20 % dieser Störungen erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als neun Monaten. In rund sechs von zehn Fällen wurde der finanzielle Schaden durch Lieferkettenunterbrechungen auf mehr als 10 Mio. USD geschätzt. So eindrucksvoll diese Zahlen auch sind, geben sie doch nicht das ganze finanzielle Ausmaß solcher Risikoereignisse wieder. Weitere Konsequenzen als der reine finanzielle Schaden dürften schwieriger zu bezifern sein, jedoch noch schwerer ins Gewicht fallen: Der Zeitaufwand des Managements für die Lösung der Supply- Chain-Herausforderungen, der Verlust von Kunden, die gezwungen wurden, auf alternative Lieferanten auszuweichen, oder der erlittene Reputationsschaden bei Kunden, Geschäftspartnern und der breiten Öfentlichkeit. Management von Risiken muss gelernt sein Über die Problematik der externen Gefährdungen der Lieferkette wurde bereits viel geschrieben, über die internen Risiken indes so gut wie nichts. Der einseitige Fokus auf äußere Risikofaktoren hat dazu geführt, dass das eigentliche Ziel des Risikomanagements quasi in Vergessenheit geraten ist - nämlich nicht nur die betriebliche Kontinuität, sondern auch die Rentabilität des Unternehmens zu sichern. Fest steht, dass die Betriebskontinuität durch äußere Störungen beeinträchtigt werden kann. Doch sind es gerade die internen Prozesse, die bedeutende finanzielle Risiken bergen können. Für ein eizientes Management aller Risiken ist es daher genauso wichtig, sich mit diesen internen Einflüssen - beispielsweise Verhaltens- und Vorgehenshinweisen - wie mit externen Risikoereignissen zu befassen und sich für den Ernstfall abzusichern. Da es bei der Identifizierung so genannter Beschafungsrisiken aber keine pauschale Grundausstattung samt Bedienungsanleitung gibt, muss der Prozess der Identifikation und des Managements dieser Risiken gelernt sein. Dabei sollten Unternehmen auf die Expertise externer Spezialisten zurückgreifen, die die individuellen Risikoquellen erkennen und darüber hinaus eine entsprechende Absicherung für ihre Folgen schafen können. Auf dem europäischen Markt für Supply- Chain-Risikomanagement hat die Zurich Versicherung gemeinsam mit international führenden Research-Teams und Hochschulen eingetretene Lieferketten-Risikoereignisse aus den vergangenen Jahren analysiert und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in einer Datenbank zusammengetragen. Diese wird laufend anhand eines nach Risikotypen gegliederten Klassifizierungssystems aktualisiert, wodurch die Zurich-Risk-Spezialisten ihr Verständnis für potenzielle Ursachen von Betriebsunterbrechungen bzw. -beeinträchtigungen sowie deren Folgen stetig weiter vertiefen. Auf Basis dieser Erkenntnisse entwickelte Zurich eine spezielle Allgefahren-Versicherungslösung für Ertragsausfälle durch Lieferkettenunterbrechungen, die weit über die bisher existierenden Deckungskonzepte hinausgeht. Bei der so genannten Supply-Chain-Insurance (SCI) handelt es sich um eine Versicherungslösung für Unternehmen unterschiedlichster Branchen aus Industrie und Mittelstand. Sie deckt die Folgen externer Ereignisse ab - egal, ob Erdbeben, Aschewolke oder Truckerstreik. So können bisher nicht versicherbare Risiken erstmals gedeckt und die daraus entstehenden finanziellen Schäden bezahlt werden. Im Vordergrund der Supply-Chain-Insurance steht zunächst ein ausführliches Risk-Assessment des jeweiligen Kundenunternehmens. Dabei analysieren Risk-Ingenieure oder von der Versicherung lizensierte Spezialisten des Industrieversicherungsmaklers zunächst, wo und wann eine Lieferkette Schwachstellen aufweist und welches Ausmaß eine solche Beeinträchtigung haben könnte. Mit diesem Know-how ist es den Experten dann möglich, mit dem Kunden frühzeitig die Risiken zu sondieren, Ausweichszenarien zu entwickeln und gemeinsam mit ihm die Grundlage für einen Risikotransfer in die Supply-Chain-Versicherung zu schafen. Zudem kann hierbei bereits die Entschädigungsleistung im Voraus bestimmt werden, die der Kunde im Rahmen der individuell für ihn gestalteten Deckung im Versicherungsfall erhält. ɷ Christoph Willi Vorstand für den Bereich Industriekundenversicherung der Zurich Gruppe Deutschland, Bonn media@zurich.com 10 Fragen für den individuellen „Supply-Chain-Check“ 1. Kennen Sie Ihre wichtigsten Lieferanten und wissen Sie, welche finanziellen Auswirkungen deren Ausfall für Ihr Unternehmen hätte? 1 Ja Nein 2. Haben Sie Ihre Upstream-Supply-Chains (bis hin zur Rohstoffbeschaffung) und Downstream-Supply-Chains (bis hin zur Kundenbelieferung) analysiert und dokumentiert? 2 Ja Nein 3. Haben Sie Risikomanagementprozesse in Ihre Strategie zum Management der Supply-Chain integriert? 3 Ja Nein 4. Verfügen Sie über Systeme zur routinemäßigen Überprüfung und frühzeitiger Erkennung der finanziellen Stabilität Ihrer Hauptlieferanten? 4 Ja Nein 5. Kennen Sie die Naturkatastrophenexponierung der Produktionswerke und Logistikzentren Ihrer direkten Zulieferer? 5 Ja Nein 6. Ist das Supply-Chain-Risikomanagement in Ihrem Ansatz zum Management Ihrer unternehmensweiten Risiken eingebettet? 6 Ja Nein 7. Dokumentieren Sie Störungen in Ihrer Lieferkette und die Maßnahmen, die Sie getroffen haben, damit sich solche Fälle nicht wiederholen? 7 Ja Nein 8. Verfügen Ihre wichtigsten Lieferanten über eine auf ihre Wirksamkeit hin getestete Business-Continuity-Planung? 8 Ja Nein 9. Hat Ihr Supply-Chain-Managementteam ein Risikomanagementtraining durchlaufen? 9 Ja Nein 10. Kommt das Thema Risiko während der Leistungsbesprechungen mit Ihren strategisch wichtigsten Lieferanten zur Sprache? 10 Ja Nein LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 38 C oncerns about global warming have strengthened the interest in detailed information on the total amount of greenhouse gases emitted by human activities. According to the International Energy Agency (IEA), approximately 19 % of global energy use and 23 % of energy-related carbon dioxide emissions can be assigned to the transportation sector (IEA, 2009). This high percentage has led to increasing demands by society and governments for environmentally friendly logistics services. Despite the increasing pressure and importance of environmental topics, the IEA outlines in its global study “Transport Energy Eiciency” that energy eiciency measures in the transportation sector have only been implemented to a limited degree, so far (IEA, 2010). Today, Logistics Service Providers (LSPs) are more and more integrated into the complex value chains of manufacturing and trading companies. Since these shippers focus strongly on their core competences, logistics activities are increasingly outsourced. Shippers taking a pioneering role in their sector have started to monitor the emissions not only within their own company but also by value chain partners. However, a meaningful carbon accounting within value chains must seek to include all associated emissions. This requires carbon indicators not only from some but from all involved LSPs according to the same standards and guidelines. Therefore, LSPs are faced with increasing demands by shippers concerning meaningful carbon indicators. Some big international LSPs, such as Deutsche Post DHL, DB Schenker or Hermes are ofensively addressing the issue of carbon accounting. These LSPs have developed company-specific solutions for their carbon accounting and have started to calculate and to report carbon emissions in their daily business. LSPs face, however, several challenges, as no commonly accepted standard is available (Zadek and Schulz, 2010). Therefore, depending on their individual eforts, LSPs currently apply diferent approaches to carbon accounting which results in the fact that carbon indicators presented by various LSPs are not comparable. In order to enhance comparability, international LSPs and shippers have joined forces and set up initiatives with the goal of establishing a standardised and transparent approach to carbon accounting within the transportation sector. Smart- Way Europe in the field of road transport or the Clean Cargo Working Group for sea shipping are examples of just a few of such initiatives (Smart- Way Europe, 2011; BSR, 2011). However, despite the practical relevance as well as ecological and economic importance, far too little attention has been paid to a systematic structuring and analysis of the key areas of carbon accounting. The objective of this article is, therefore, to contribute to the knowledge of carbon accounting at LSPs and especially to present the key areas. Key Areas of Carbon Accounting at LSPs In general, carbon accounting encompasses the systematic capture, preparation and reporting of carbon emissions based on internationally accepted standards. As implied by the term “accounting”, carbon accounting shows many similarities to the basic logics of financial as well as cost accounting, regarding the capture and allocation of relevant cost data based on established standards. For this reason, Deutsche Post DHL, for example, have integrated their carbon accounting into the existing financial and management reporting systems (Gerdemann, 2010). The key areas of carbon accounting at LSPs can be derived from relevant financial and cost accounting literature (Zimmermann et. al. 2003; Eitelwein and Goretzki, 2010): •• choice and application of standards, •• setting company-specific boundaries, •• capture of energy consumption and calculation of carbon emissions and •• allocating emissions. Carbon Accounting - a challenging Task for Logistics Service Providers Carbon accounting is only the basis of a comprehensive carbon management. As implied by the term „accounting“, carbon accounting shows many similarities to the basic logics of financial as well as cost accounting. This article highlights the key areas of carbon accounting and presents the main challenges Logistics Service Providers are faced with. Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 39 LOGISTIK Wissenschaft diferent emissions have to be taken into account. In general, emissions can be classified according to the GHGP into three diferent scopes (WBCSD and WRI, 2004; WBCSD and WRI, 2010a): Scope 1: All direct emissions occurring from sources which are owned or controlled by the reporting company (e.g. combustion of fossil fuel in trucks, aircraft and vessels) Scope 2: Indirect emissions from the generation of purchased electricity consumed by equipment or operations which are owned or controlled by the reporting company. Scope 3: This scope covers “all other indirect emissions that occur in the value chain of the reporting company, including both upstream and downstream emissions”. For the calculation of a corporate carbon footprint, which includes all scope 1 and scope 2 emissions, an organizational boundary has to be set. Similar to financial accounting, it has to be determined whether the emissions caused by incorporated and non-incorporated joint ventures as well as subsidiaries are to be taken into account at all and to which degree. For this, the GHGP of- Choice and Application of Standards In general, standards of carbon accounting define directives and guidelines to ensure a common approach to capture energy consumption, to calculate carbon emissions and to allocate these emissions. Thus, based upon applicable standards, the respective carbon indicators of different LSPs can be enhanced regarding transparency and comparability. In Europe, LSPs mainly revert to the standards provided by international initiatives and organizations (Mußler et. al., 2010). These standards deliver guidelines for the calculation of diferent “carbon footprints” which encompass diferent system boundaries as well as emissions. An overview of important standards for carbon accounting can be found in table 1. However, none of these standards includes guidelines which are explicitly tailored to the requirements of the transportation sector, since they only cover a general framework for manufacturing and trading companies. Therefore, an enhanced interpretation of the standards, especially concerning the calculation of carbon emissions and their allocation, is necessary. To limit the room for interpretation and to increase the comparability of carbon indicators of various LSPs, the European Community has been working on a European standard (DIN EN 16258). This standard which will be published at the end of 2012 will explicitly be tailored to the requirements of the transportation sector. The DIN EN 16258 sets high requirements concerning the capture of energy consumption and the allocation of emissions. The application of this standard increases the level of comparability of carbon indicators within the transportation sector as it provides clear guidelines concerning the quality of the input data for the calculation of carbon indicators. Furthermore, by disclosing the input data used in the calculation process, the transparency of carbon reports within the transportation sector can be improved. Although the standard is not yet in place, DB Schenker, is the first European LSP to practice carbon accounting in compliance with the DIN EN 16258 (DB Schenker, 2011). Setting Company-specific Boundaries To set company-specific boundaries, LSPs, such as Deutsche Post DHL and DB Schenker, have reverted to the directives and guidelines of the GHGP (Deutsche Post DHL, 2011; DB Schenker, 2011). In general, the GHGP sets diferent system boundaries which are in line with the possible outcomes of the standards: the various carbon footprints. It is possible to diferentiate between a corporate carbon footprint, a corporate value chain footprint and a product carbon footprint. Since the product carbon footprint deals mainly with physical products, LSPs only have to set boundaries for the allocation. Depending on whether a corporate carbon footprint or a corporate value chain footprint should be calculated, Organisation / Initiative Name of Standard Greenhouse Gas Protocol Initiative (GHGP) 1) A Corporate Accounting and Reporting Standard 2) Product Life Cycle Accounting and Reporting Standard 3) Corporate Value Chain (Scope 3) Accounting and Reporting Standard International Organization for Standardization (ISO 4) ISO 14040: 2006: Environmental management - LifIe cycle assessment - Principles and framework 5) ISO 14044: 2006: Environmental management - Life cycle assessment - Requirements and guidelines 6) ISO 14064-1: 2006: Greenhouse gases - Part 1: Specification with guidance at the organization level for the quantification and reporting of greenhouse gas emissions and removals British Standards Institution (BSI) 7) PAS 2050: 2011: Specification for the assessment of the life cycle greenhouse gas emissions of goods and services Table 1: Overview of important standards of carbon accounting in Europe Fig. 1: Overview of the scopes and emissions Source: WBCSD & WRI, 2011a LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 40 scope 3 emissions, they mainly focus on the emissions caused by their subcontractors (Deutsche Post DHL, 2011). Regardless if the emissions are caused by the LSP itself or by a subcontractor, all of these emissions are considered in the corporate value chain footprint. Thus, a better level of comparability of the inventory of emissions between diferent years can be achieved. Furthermore, subcontractors can be compared concerning their carbon eiciency. Another selected category concerns emissions which occur during extraction, production and transportation of fuel or fuel consumed in the generation of electricity. DB Schenker, for example, primarily deals with these fueland energy related emissions under scope- 3 (DB Schenker, 2011). Thus, an enhanced comparability concerning carbon eiciency of various modes of transport can be reached because all relevant emissions which occur during the extraction, production, transport as well as combustion can be taken into account. Table- 2 shows which standard encompasses directives and guidelines for the calculation of the diferent carbon footprints. The number of the standard matches with the numbers used in table-1. Capture of Energy Consumption and Calculation of Carbon Emissions An essential basis for carbon accounting is the systematic capture of energy consumption data. During the combustion of fossil fuels, carbon emissions are released, e. g. the combustion of one litre diesel causes 2.63 kg carbon emissions (Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2011). Considering road freight transport, the focus is primarily on the capture of fuel consumption. For the calculation of carbon emissions various data is needed: •• tour specific data (e. g. actual or average kilometres), •• vehicle specific data (e. g. actual or average fuel consumption) and •• shipment specific data (e. g. weight, volume, start and final location). In practice, the data quality varies from company real data to estimated data. The capture of energy consumption based on company real data requires greater efort, but delivers the highest data accuracy. The necessary data may be generally available and stored in various IT-systems, however, the systems are typically not designed to this data output. Depending on the data quality, diferent methods to capture energy consumption and to calculate carbon emissions can be applied. In general, there are three diferent methods which all comply with the international standards of carbon accounting (Zadek and Schulz, 2010): •• fuel-based method, •• distance-based method and •• activity-based method. fers two approaches: the equity share approach and the control approach which are comparable with existing accounting directives. In addition, the control approach can be diferentiated into financial or operational control. •• Equity share approach: A company must account for emissions from operations according to its share of equity in the operation. Control approach: •• Financial Control approach: A company must account for 100 percent of emissions over which it has financial control and does not have to account for any emissions from operations in which it owns interest but does not have financial control. •• Operational control approach: A company must account for 100 percent of emissions over which it has operational control and does not have to account for any emissions from operations in which it owns interest but does not have operational control (WBCSD and WRI, 2004). Within these organizational boundaries all emissions which occur from owned or controlled assets in the functional areas of transport, warehousing, transhipment and administration have to be considered for the calculation of a corporate carbon footprint. A corporate value chain footprint includes scope- 1, scope- 2 and additionally scope- 3 emissions and is, according to the GHGP, currently a facultative option (WBCSD and WRI, 2011a). Although the GHGP provides a systematic framework, LSPs, in particular, face several challenges when trying to calculate a corporate value chain footprint. As these standard's guidelines are mainly tailored to the requirements of shippers, they recommend the inclusion of all emissions which occur in the value chain of the respective reporting company including both upstream and downstream emissions. However, since LSPs are integrated in various value chains, it is not appropriate to consider all of these scope 3 emissions. In fact, a large amount of emissions resulting from the LSPs activities occur at other companies, and it is therefore advisable for LSPs to consider selected categories to account for their scope-3 emissions. For instance, emissions which occur from subcontractors can be mentioned as one of these scope- 3 categories. DHL, for example, states in their annual sustainability report that under Scope 1 (Direct emisions from owned and controlled sources) Scope 2 (Indirect emissions from the generation of electricity) Scope 3 (Indirect emissions which occur at value chain partners) Corporate Carbon Footprint Standards 1,6 (DIN EN 16258) Standards 1,6 (DIN EN 16258) Corporate Value Chain Footprint Standard 3 (DIN EN 16258) Product Carbon Footprint (Physical Products) Standards 2,4, 5,7 (DIN EN 16258) Standards 2,4, 5,7 (DIN EN 16258) Table 2: Overview of the connections between standards, scopes and footprints Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 41 LOGISTIK Wissenschaft time. An overview of the diferent methods for calculating emissions in road freight transport can be found in figure 2. Allocating Emissions Allocation means that the calculated emissions have to be assigned to shippers and company specific reference values based on clear and transparent allocation factors. The results of the allocation logic are various carbon indicators. The key task is comparable to cost accounting regarding the consideration of overhead costs and the determination of appropriate allocation factors. Shippers require carbon indicators of their LSPs on the one hand to calculate their own corporate value chain footprint and on the other hand to calculate a product carbon footprint. A product carbon footprint accounts for emissions at an individual physical product level and encompasses all associated emissions which occur during a product's life cycle. Depending on the requirements of the shippers, LSPs have to provide carbon indicators in various granularities (e. g. emissions per shipper, per shipment or per product). In general, for the calculation of carbon indicators on an individual product level, the directives and guidelines of the standards have to be taken into account. They state that at least all emissions from “attributable processes” shall be included in the allocation logic. The GHGP defines “attributable processes” as processes that are directly connected to a specific product. Non attributable processes are not required, but recommended to be included. For the allocation logic, only scope-1 and scope-2 emissions of the LSPs have to be taken into account (WBCSD and WRI, 2011b). Furthermore, an appropriate allocation factor which accurately reflects the contribution of the product to the caused emissions has to be specified. During the transport of the product by road Fuel-based Method: The fuel-based method shall be applied if absolute fuel consumption data is available. The absolute fuel consumption can be measured directly by special technology, e. g. telematics systems or by the calculation of the exact amount of fuel consumed based on fuel invoices. Since real data is used, this method achieves the highest level of precision. The following formula shows the basic logic of the fuel-based method. CE = FC absolute x EF fuel-oriented (1) Legend: CE = Carbon Emissions [CO 2 ] DT = Distance travelled [km] EF fuel-oriented = Emission Factor fuel-oriented [CO 2 / l] EF performance-oriented = Emission Factor performance-oriented [CO 2 / tkm] FC absolute = Fuel Consumption absolute [l] FC average = Fuel Consumption average [l/ km] LC = Load Capacity [t] TW = Transported Weight [t] Distance-based Method: This method requires data on the distance travelled and data on the average fuel consumption. If real data of the distance travelled is not available, estimated data has to be calculated by using e. g. mathematical methods. Concerning the average fuel consumption, a higher level of precision can be reached, if the degree of utilization of the vehicle used can be taken into account. Formula- 3 explains the basic logic of the distancebased method. Formula 2 shows how the degree of utilization can be considered concerning the calculation of average fuel consumption. FC utilization average = FC average empty + (FC average full - FC average empty )/ (LC actual / LC full ) (2) FC calculated absolute = FC utilization average * DT (3) CE = FC calculated absolute x EF fuel-oriented (4) Activity-based Method: The activity-based method requires only average values concerning distance and weight. As a consequence, the results show the lowest level of precision and should only be used when no other data can be provided. Formula 5 gives an overview about the logic of the activity-based method. CE = TW * DT * EF performance-oriented (5) The range of possible input data and the variety of applicable calculation methods for the capture of energy consumption and the calculation of carbon emissions show that calculated carbon emissions of LSPs are not comparable at this LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 42 “management”, carbon management encompasses the organizing, planning, controlling and monitoring of carbon emissions. To eiciently and efectively manage carbon emissions organisational aspects should be one of the first fields of action. The provision of qualified staf to deal with the topic, as well as a clear determination of the areas of responsibility are just two of such measures. Since the management of emissions demands a company-wide efort and companywide decisions, it is also crucial that the employees involved are provided with appropriate decision power. Carbon management must be anchored into the existing organizational structures and established management systems. According to the current supply chain report published by the Carbon Disclosure Project, 56 % of international manufacturing and trading companies emphasize that an efective carbon management will become an important criterion for the selection of LSPs (Carbon Disclosure Project, 2011). Since environmental topics have developed into an important strategic issue for LSPs, the implementation of carbon accounting is just the first step for LSPs to meet the increasing demands of shippers and society concerning environmentally friendly logistics services. The DIN EN 16258, in particular, which could develop into an important standard for LSPs, sets high requirements for carbon accounting. Due to the complexity, international as well as small and medium sized LSPs should deal intensively with carbon accounting as soon as possible. Thus, LSPs will be able to position themselves as sustainable companies and they will be able to sustainably remain competitive on the market. ɷ freight, a physical allocation factor, such as the weight or the volume of the product, is preferred according to the GHGP. Ideally, the physical allocation factor should be determined by the limiting factor of the specific form of transportation to consider the individual level of utilization (WBCSD and WRI, 2011b). To define appropriate allocation factors presents a main challenge especially in the field of distribution logistics, as these tours are characterised by many stops and a wide range of diferent products. Company specific carbon indicators can be chosen according to the individual requirements of the LSP, as no specific guidelines of the standards have to be taken into account. This means that there are no specific rules as to which emissions have to be included and which allocation factor should be used. In general, the company specific carbon indicators can be classified into: •• general carbon indicators (e. g. emissions per site [CO 2 ], per shipper [CO 2 ]), •• performance carbon indicators (e. g. emissions per haulage capacity [CO 2 / tkm], per distance [CO 2 / km]) and •• capacity carbon indicators (e.g. emissions per weight [CO 2 / kg], per volume [CO 2 / m 3 ]). Company specific carbon indicators should function primarily as a profound basis to identify main sources of emissions and to prioritize adequate measures to mitigate carbon emissions within the company. Implications and Outlook In this article, we have highlighted the key areas of carbon accounting and presented the main challenges LSPs are faced with. Carbon accounting is, however, only the basis of comprehensive carbon management. As implied by the term Fig. 2: Overview of the methods to capture energy consumption and to calculate carbon emissions LOGISTIK Wissenschaft Markus Gogolin, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Universität St.Gallen Lehrstuhl für Logistikmanagement markus.gogolin@unisg.ch Wolfgang Stölzle, Prof. Dr. Ordinarius Universität St.Gallen Lehrstuhl für Logistikmanagement wolfgang.stoelzle@unisg.ch Thorsten Klaas-Wissing, Dr. Vize-Direktor Universität St.Gallen Lehrstuhl für Logistikmanagement thorsten.klaas@unisg.ch REFERENCES Bayerisches Landesamt für Umwelt (2011): Berechnung der CO 2 -Emissionen. http: / / www.izu.bayern.de/ praxis/ detail_praxis. php? pid=0203010101217. (Retrieved 24 September 2011). BSR (2010): Beyond the Factory Gates: How Brands Improve Supply Chain Sustainability Through Shipping and Logistics Clean Cargo Working Group Tools for Measuring and Reducing Environmental Impacts. http: / / www.bsr.org/ reports/ CCWG_ Report_Mar_2011_FINAL.pdf. (Retrieved 15 September 2011). Carbon Disclosure Project (2011): Supply Chain Report 2011. https: / / www.cdproject.net/ en-US/ Results/ Pages/ reports.aspx. (Retrieved 17 September 2011). 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München 2003. DVV Media Group GmbH | Nordkanalstr. 36 | 20097 Hamburg | Tel. +49 40/ 237 14-114 | kirsten.striedieck@dvvmedia.com Heute schon wissen, worüber Ihre Branche morgen spricht! Mehr als 900 Seiten Nutzwert-Informationen im Jahr. Recherchiert und exklusiv aubereitet für Sie vom Branchenexperten Markus Schmidt-Auerbach. Verlegt bei DVV Media Group, dem Verlag der DVZ und Eurailpress. ÖPNV aktuell, der neue, unabhängige Wirtschaftstitel für den gesamten Markt des ö entlichen Personenverkehrs. Zweimal wöchentlich: Ausführlicher Branchenreport mit Nachrichten, Hintergrundberichten, Analysen und Kommentaren Express: Eilmeldungen zu wichtigen Ereignissen und Anlässen Kostenloser Zugang zum Online-Archiv von ÖPNV aktuell mit Volltextsuche in allen bisher erschienenen Ausgaben Die Polizei hat die Büroräume durchsucht und Unterlagen sichergestellt. Gegen den früheren Geschäftsführer ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Der bisherige Geschäftsführer ist mit sofortiger Wirkung abberufen worden, weil das Vertrauen laut Aufsichtsratsvorsitzendem, Landrat Michael Cyriax (CDU), „massiv erschüttert“ ist. Zwar gelte der frühere Geschäftsführer bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig. Die Vorwürfe wögen aber derart schwer, dass es der MTV nicht zuzumuten sei, weiter von ihm vertreten zu werden, so Cyriax. Über ein externes Unternehmen soll Scholz laut Mitteilung von Cyriax einer Firma, die ihm selbst gehört, Aufträge in erheblicher Höhe verschafft haben. Weitere rechtliche Konsequenzen würden geprüft. Nähere Details und mögliche Schadenssummen wollte Cyriax mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht nennen. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Doris Möller-Scheu, präzisierte gegenüber „ÖPNV aktuell“ die Vorwürfe: „Dem Beschuldigten wird Untreue zum Nachteil seines Arbeitgebers vorgeworfen. Er soll im Auftrag des MTV Beratungsleistungen bei einer Firma in Auftrag gegeben haben. Diese Firma soll dann eine von ihm betriebene Firma beauftragt haben und er soll auf diese Weise 648.000 EUR erhalten haben.“ Bei einer polizeilichen Durchsuchung der Büroräume wurden Unterlagen sichergestellt. Diese müssen jetzt ausgewertet werden. Dabei muss geklärt werden, so Möller-Scheu, ob die Beratungsleistungen tatsächlich für den MTV erbracht wurden und ob es sich um Leistungen handelte, die der Beschuldigte seinem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis möglicherweise ohnehin schuldete. Im Telefonbuch ist unter dem Namen Ralf Scholz die Nahverkehrs-Consulting NCRS Ralf Scholz, Rodgau, zu finden. Scholz wollte zu den Vorwürfen gegenüber „ÖPNV aktuell“ mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht Stellung beziehen. Dabei ist eine Erhöhung um 1 Mrd. EUR denkbar. Auf diese Summe hat sich nach Aussagen in Unionskreisen der Koalitionsausschuss von CDU/ CSU und FDP vergangene Woche im Grundsatz verständigt (ÖPNV aktuell 85/ 11). Im Haushaltsausschuss am Mittwoch stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/ CSU und FDP laut Bundestagsmitteilung für den jetzigen Etatentwurf. Die Sprecher der Koalition wiesen allerdings darauf hin, dass der Etat „strukturell“ unterfinanziert sei, und das seit mehreren Jahren. Der Elektrobus vom Typ E-Cobus wird zunächst für sechs Wochen in Offenbach getestet. Ziel ist dabei, seine Akzeptanz bei Mitarbeitern und Fahrgästen der Offenbacher Verkehrsbetriebe (OVB) zu ermitteln sowie festzustellen, in welchen Punkten Verbesserungen an dem Fahrzeugkonzept vorgenommen werden sollten. Im Fokus stehen dabei die Energieeffizienz von Heizung und Klimatisierung ebenso wie eine Steigerung des Federungskomforts. Bis Mitte Dezember verkehrt der E-Cobus auf der rund 15 km langen Linie 103 von Mühlheim/ Main über das Offenbacher Zentrum nach Frankfurt-Bornheim. Wie OVB-Geschäftsführer Volker Lampmann berichtet, kam der Einsatz gerade auf dieser Relation nicht von ungefähr, verbindet sie doch drei Aufgabenträger: Landkreis und Stadt Offenbach sowie die Metropole Frankfurt/ Main. Außerdem führt sie am Offenbacher Markt vorbei, wo seit Mai 2011 eine Verleihstation für Elektroautos und Pedelecs in Betrieb ist. Damit bieten die OVB ihren Kunden eine lückenlose elektrische Mobilitätskette an und übernehmen auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle. Lampmann sieht das Unternehmen für den Elektrobus-Einsatz gut gerüstet. Auf dem Betriebshof wurde eine Schnellladestation eingerichtet, zehn Fahrer und vier Werkstattmitarbeiter wurden für den Umgang mit der Hochvolttechnik geschult. Zur Vorstellung des neuen Elektrobusses sprach Offenbachs frisch im Amt bestätigter Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) von dem guten Gefühl zu wissen, dass Offenbach elektrisch mobil sei. Gleichzeitig brachte er aber auch seine Befürchtung zum Ausdruck, dass der Bund die Rhein-Main-Region bei der Auswahl der zukünftigen „Schaufensterregionen für Elektromobilität“ möglicherweise nicht mehr berücksichtigt. Noch aber ist Rhein-Main eine von neun Modellregionen Elektromobilität. Alle zusammen werden mit insgesamt 130 Mio. EUR aus dem Konjunkturpaket II gefördert. Etwa 26 Mio. EUR aus diesen Mitteln fließen in den ÖPNV. Koordiniert werden die vielfältigen Ansätze im Rhein-Main-Gebiet durch die Regionale Projektleitstelle Elektromobilität, an deren Spitze seit kurzem Anja Georgi steht, im Hauptberuf Geschäftsführerin der Regiegesellschaft Nahverkehr in Offenbach (NIO) (ÖPNV aktuell 72/ 11). Im Gegensatz zu OB Schneider zeigte sie sich zuversichtlich, dass Rhein-Main eine von bundesweit drei bis fünf „Schaufensterregionen“ werde. Die Bewerbungsphase für das neue Förderprogramm hat gerade begonnen. Anfang 2012 will der Bund die neuen Partner küren. Bis 2013 erhalten diese „Schaufensterregionen“ 180 Mio. EUR vom Bund für Forschung, Seit dem 1. November 2010 steht Michael Hahn als Geschäftsführer an der Spitze von DB Stadtverkehr bzw. als Vorstand an der Spitze von DB Regio Bus. Auf der „DB Regio Signale“ hat er am 2. November in Offenbach jetzt die neue Strategie der „Gummisparte“ dargelegt. Eine Kernaussage dabei war, dass die heute etwa 4.000 eigenwirtschaftlichen Genehmigungen der Gruppe nicht mehr automatisch verlängert würden. „Wir werden für jeden Verkehr zukünftig eine Bewertung der Chancen und Risiken durchführen“, kündigt der Manager an. Dies könne verkürzte Antragszeiten bedeuten, wenn zum Beispiel Schulentwicklungspläne noch nicht aktualisiert wurden, aber auch den völligen Rückzug aus heute noch eigenwirtschaftlichen Engagements bedeuten. Hintergrund dieser Entwicklung sei unter anderem der Schülerrückgang und die Entleerung ländlicher Räume. Sie würden zu deutlichen, teilweise sogar dramatischen Fahrgastrückgängen führen - „und das nicht nur im Osten“. Dagegen würden die Ballungsräume weiter zulegen. Infolgedessen müssten sich Aufgabenträger in der Fläche noch stärker als bislang mit der Frage auseinandersetzen, wie sie eine angemessene Versorgung ihrer verbliebenen Bürger sicherstellen. Der Nahverkehr gerate dabei viel stärker als heute in den Wettbewerb um öffentliche Mittel. Ganz auf Linie mit dem Motto der hauseigenen Veranstaltung: „Gemeinsam Impulse setzen“ appellierte Hahn hier an die Branche, bei der Politik gemeinsam für die Belange des Nahverkehrs zu werben. Die Vielzahl an Aufgabenträgern, auch davon ist Hahn überzeugt, wird mit einer Vielzahl von Gestaltungen auf die örtlichen Herausforderungen reagieren. Am liebsten wäre dem Busvorstand, wenn die zuständige Behörde weiterhin auf die Kompetenz des Verkehrsunternehmens vor Ort setzt und ihm, so wörtlich, eine Rolle als „Full-Service-Provider“ zubilligt. Aber im Prinzip seien für DB Bus „alle Vertragsarten“ denkbar. Im Extremfall werde es dazu kommen, dass sich der Aufgabenträger auf den freigestellten Schülerverkehr konzentriere, wie dies gerade im Verkehrsverbund Trier (VRT) diskutiert wird (ÖPNV aktuell 84/ 11). Noch vor Ende des Übergangszeitraums der EU-Verordnung 1370/ 07 am 3. Dezember 2019 rechnet Hahn damit, dass viele heute eigenwirtschaftliche Verkehre nicht wieder un- Sichern Sie sich jetzt Ihr Probeabo: www.oepnvaktuell.de Interview Thomas Klühr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 44 Mit Service und Verbindungen punkten Die Deutsche Lufthansa AG hat ihren Regionalluftverkehr reorganisiert. Einerseits werden kaum noch Flugzeuge mit weniger als 100 Sitzen eingesetzt, andererseits ist die Marke „Lufthansa Italia“ Ende Oktober 2011 eingestellt worden. Wie es um das Regionalfluggeschäft der Lufthansa steht und warum es zu Veränderungen im Italienverkehr kommt, erläuterte Thomas Klühr, Passagevorstand der Lufthansa und dort verantwortlich für das Ressort München und Direct Services, gegenüber Kerstin Zapp. Herr Klühr, was ist die Grundidee hinter der Dachmarke „Lufthansa Regional“? Grundidee der Marke „Lufthansa Regional“ ist es, die europäischen Regionen miteinander zu verbinden, insbesondere Regionen mit einem noch etwas geringeren Passagieraukommen. Idee ist es aber auch, die Regionen an die großen Drehkreuze Frankfurt, München und Düsseldorf anzubinden. Deutschlandweit ermöglichen wir damit optimale Mobilität in alle Kontinente. Denn die genau abgestimmten Flugpläne verkürzen unseren Gästen nicht nur die Reisezeit, sie bieten auch eine enge Vernetzung zu vielen europäischen Zielen. Ich meine damit vor allem Destinationen, die unterhalb der Kapazität der Lufthansa-Kontinentalflotte liegen. Durch die Zusammenarbeit im Lufthansa-Verbund und unter Lufthansa- Flugnummern erhalten unsere Passagiere sämtliche Vorteile, die das internationale Lufthansa-Netz zu bieten hat, inklusive des Star Alliance-Angebots. Welche Fluggesellschaften und welches Passagieraufkommen verbergen sich dahinter? „Lufthansa Regional“ ist ein Verbund aus fünf Airlines: Lufthansa CityLine, Eurowings, Air Dolomiti, Augsburg Airlines und Contact Air. In 2010 sind mehr als 11,5 Mio. Passagiere im Lufthansa-Regionalverkehr geflogen. Dabei ist CityLine mit mehr als 6 Mio. Gästen die größte Fluggesellschaft im Verbund, die vor allem den Zubringerverkehr für die Drehkreuze Frankfurt und München übernimmt. Ihr folgt Air Dolomiti, die vorrangig norditalienische Städte mit dem Drehkreuz München verbindet. Eurowings hat ihren Schwerpunkt in Düsseldorf, Augsburg Airways operiert von München und Contact Air von Stuttgart aus. Warum tauschen Sie kleinere Regionalflugzeuge gegen größere Maschinen aus? Der Einsatz von „Regio-Flugzeugen“, also den 50- und 70-Sitzern, ist auf vielen Europastrecken nicht mehr rentabel. Die Kosten pro Sitz oder pro Passagier sind bei größeren Flugzeugen deutlich niedriger. Sie können mehr Passagiere befördern, sind sparsamer und damit umweltschonender. Aber es gibt nicht nur den wirtschaftlichen Aspekt. Größere Flugzeuge - wie die Embraer - bieten unseren Gästen auch mehr Komfort. Außerdem haben sie im Gegensatz zu den kleineren Flugzeugtypen größere Laderäume, was für den Zubringerverkehr in die Drehkreuze von Vorteil ist. Diese Gründe führten zu der größten „Umflottung“ unserer Geschichte - also dem Austausch älterer und kleinerer Regionalflugzeuge gegen neue und größere. Reduziert sich dadurch die Abflugdichte und damit der Kundenservice auf den einzelnen Regionalrouten? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Natürlich gilt es nach wie vor, Destinationen mehrmals am Tag anzufliegen, um unseren Gästen eine optimale Frequenzdichte und eine bestmögliche Reiseplanung anzubieten. Der Kundenservice an Bord wurde ebenfalls verbessert, beispielsweise bieten wir auch auf innerdeutschen Flügen wieder einen Snack zum Getränk an. Lufthansa ist sehr erfolgreich in Italien. Was steckt dahinter? Das Lufthansa-Produkt wird von unseren italienischen Gästen sehr geschätzt. Aus Zwei Fragen an Michael Kraus, CEO und Präsident von Air Dolomiti Herr Kraus, was ändert sich für Air Dolomiti mit Auflösung von „Lufthansa Italia“? Heute verbindet Air Dolomiti die italienischen Städte von und nach München mit hohen täglichen Flugfrequenzen, die genau auf die Flugverbindungen von und zur Drehscheibe München abgestimmt sind. Daraus resultiert, dass unsere Passagiere überwiegend Geschäftsreisende und zum größten Teil Umsteigepassagiere sind, für die exakt aufeinander abgestimmte Flugverbindungen einen essenziellen Vorteil bieten. Lufthansa will die Anbindung des italienischen Markts an die Drehkreuze des Lufthansa-Verbunds verbessern. Das bedeutet gleichzeitig auch eine Stärkung der Marke Air Dolomiti: Wir werden die Verbindungen von den wirtschaftsstarken norditalienischen Metropolen zu den Drehkreuzen verdichten und darüber hinaus weitere ausgewählte Destinationen anfliegen. Wie wird Air Dolomiti der neuen Herausforderung begegnen? Derzeit können wir noch keine konkreten Angaben machen, auch wenn es bereits Pläne gibt, die Kompetenzen, Flugfrequenzen und Destinationen der Air Dolomiti zu erweitern. Doch auf jeden Fall bleiben wir unseren Prinzipien treu: höchste Qualitätsstandards für sicheren Flugverkehr, Pünktlichkeit und sympathischer Bordservice „all’italiana“. (zp) AIR DOLOMITI Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 45 diesem Grund ist Lufthansa in Italien mittlerweile die erfolgreichste ausländische Fluglinie. Das führt auch zu einem größeren Angebot. So fliegen wir in Italien bereits mehr Destinationen an als zum Beispiel innerdeutsche Ziele. 2008 haben Sie die Marke „Lufthansa Italia“ eingeführt. Warum? 2008 zog sich Alitalia aus Mailand-Malpensa zurück. Gleichzeitig endete die Kooperation mit Air One. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung richtig, „Lufthansa Italia“ zu gründen. Und weshalb wird sie so kurze Zeit später wieder vom Markt genommen? Unsere Kollegen haben in Mailand ein qualitativ hochwertiges Produkt geschafen, das bei unseren italienischen Gästen gut angekommen ist. Aber ein wirtschaftlicher Erfolg war nach der Wirtschaftkrise nicht mehr zu erzielen. Zum einen hat sich das Geschäftsreiseverhalten verändert, zum anderen gibt es einen intensiven Wettbewerb auf den Europastrecken. Was geschieht mit den Verbindungen von Lufthansa Italia? Es ist geplant, Kapazitäten von Lufthansa Italia zu unserer Kernmarke Lufthansa zu verlagern und Air Dolomiti zu stärken. Damit werden wir den Kunden eine noch höhere Netzqualität über unsere Drehkreuze bieten können. Die Verbindung von „Lufthansa“ und „Italia“ wird auch in Zukunft so eng bleiben wie bisher. Das Angebot der Lufthansa mit ihren zahlreichen Flugverbindungen nach Italien, insbesondere aus den Drehkreuzen, soll auch in Zukunft weiter wachsen. Zudem kann Air Dolomiti ihre Verbindungen zwischen den wirtschaftsstarken norditalienischen Metropolen und dem Drehkreuz München weiter verdichten. Genaue Entscheidungen zu den einzelnen Routen sind aber noch nicht getrofen. Wohin gehen die Flugzeuge vom Typ Airbus A319 nach Einstellung der Marke? Die Flugzeuge kommen in den Lufthansa- Konzern zurück. Dort werden sie benötigt, um an anderen Lufthansa-Standorten weiter wachsen zu können. So genannte Billigflieger starten und landen oft auf Flughäfen, die in Randregionen von Metropolen liegen. Kein Modell für Lufthansa, aber eventuell für die Regionalpartner? Nein, das ist sicher kein akzeptables Modell. Nach wie vor werden Standorte fernab der Verkehrsströme künstlich am Leben gehalten. Dieses geht zu Lasten der Steuerzahler, einer leistungsstarken, eizienten Flughafenstruktur und damit auch der Nachhaltigkeit. Die Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt am Main, konzentriert sich als Aviation-Konzern auf die fünf Geschäftsfelder Passage Airline Gruppe, Logistik, Technik, Catering und IT-Services. Mit Ihrem Regionalluftverkehrskonzept und dem Einsatz neuer, größerer Flugzeuge versuchen Sie, den Low Cost Airlines etwas entgegen zu setzen. Reicht das, um vom wachsenden Markt der Kurzreisen stärker zu profitieren? Ja, natürlich profitieren wir von dieser Entwicklung. Die verbesserte Wirtschaftlichkeit im Regionalverkehr ist der Hebel, um den Low Cost Airlines Paroli zu bieten. Unsere Pluspunkte sind die unzähligen Direktverbindungen zwischen den europäischen Regionen, die wir mit modernem Fluggerät anfliegen. Dazu bietet Lufthansa alle europäischen Ziele zu einem Preis ab 99 EUR an - Hin- und Rückflug, Steuern und Gebühren inklusive. Der Gast muss weder für den Service noch für Gepäck zahlen. Zusammengerechnet liegen die Low Cost Airlines zum Teil deutlich über diesem Tarif. - Vor allem, wenn man hier noch die An- und Abfahrt zu den teilweise weit abgelegenen Airports hinzurechnen muss. Bitte ein kleiner Ausblick: Welche Entwicklungen erwarten Sie generell in den nächsten Jahren auf dem europäischen Regionalflugmarkt? Ausblicke sind immer schwierig. Aber ich denke, dass die aktuellen Tendenzen sich noch weiter verstärken werden. Zum einen wird die Integration kleiner Regionalfluggesellschaften in große Allianzsysteme oder Fluggesellschaften weiter fortschreiten. Von Vorteil ist dabei, wenn kleinere Airlines - eingebettet in ein großes Airlinesystem - ihre regionalen Besonderheiten beibehalten können. Das Beispiel Air Dolomiti zeigt, dass unsere Kunden dieses besonders schätzen. Zum anderen werden Regionalflugzeuge größer. Sie werden aus den Drehkreuzen nicht mehr wegzudenken sein, weil sie sehr gut geeignet sind, auch kleinere Märkte erfolgreich anzubinden. Herr Klühr, vielen Dank für das Gespräch. Thomas Klühr Passagevorstand der Deutsche Lufthansa AG, Ressort München und Direct Services ZUR PERSON ZUM UNTERNEHMEN ɷ Foto: Deutsche Lufthansa AG MOBILITÄT Sicherheit Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 46 Mehr Sicherheit durch bessere Kommunikation Großveranstaltungen erfordern eine enge Abstimmung der unterschiedlichen Beteiligten. Zur Optimierung des organisationsübergreifenden Informationsaustauschs wurde im Rahmen des Projekts „VeRSiert“ ein Internetportal entwickelt, das die Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren bei Großveranstaltungen unterstützt. D ie Planung und Durchführung von Großveranstaltungen verlangt allen Beteiligten ein Höchstmaß an konzeptioneller und operativer Leistung ab. Dabei lassen enorme Besucheraukommen nicht nur den motorisierten Individualverkehr, sondern auch den ÖPNV an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Um das erhöhte Fahrgastaukommen bewältigen zu können, ist neben dem Einsatz von Sonderverkehren zu Veranstaltungen eine schnelle und reibungslose Organisation und Abwicklung Grundvoraussetzung. Mit wachsender Zahl und Größe der Veranstaltungen steigt die Anzahl der Akteure sowie deren Informations- und Koordinationsbedarf. Neben Veranstaltern, Verkehrsunternehmen, Polizei, Bundespolizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen sind verschiedene Ämter der Stadtverwaltung an der Planung und Durchführung beteiligt. Dabei kommt der Optimierung der Vernetzung der unterschiedlichen Akteure eine besondere Bedeutung zu. Um die Sicherheit bei der An- und Abreise der Besuchermassen zu gewährleisten - eine zentrale Herausforderung von Großveranstaltungen - hat die Nahverkehr Rheinland GmbH gemeinsam mit sechs Partnern 1) in den vergangenen drei Jahren innovative Lösungen zur Verbesserung der Sicherheit bei Großveranstaltungen entwickelt. Das Projekt „VeRSiert“ 2) zielt auf die Entwicklung von Maßnahmen, Handlungsempfehlungen und Systemen zur besseren Vernetzung der an der Planung und Durchführung von Großveranstaltungen beteiligten Organisationen. „VeRSiert“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschung für zivile Sicherheit“ als Teil der High-Tech-Strategie der Bundesregierung im Themenfeld „Schutz von Verkehrsinfrastrukturen“ gefördert. Das Informations- und Kooperationsportal Zur Optimierung der organisationsübergreifenden Koordination wurde ein Informations- und Kooperationsportal konzipiert, das den einfachen Austausch von Plänen, Protokollen und Einsatzzeiten sowie den schnellen Zugrif auf Ansprechpartner bzw. ihre Kontaktdaten über das Internet ermöglicht. So lässt sich die notwendige Kommunikation und Kooperation entscheidend verbessern. Das Portal ist modular aufgebaut. Die Stammdatenverwaltung enthält einen veranstaltungsübergreifenden Pool an Organisationen, die an Großveranstaltungen beteiligt sind. Die Kontaktdaten können nach Bedarf einzelnen Veranstaltungen zugeordnet werden. Die Veranstaltungsverwaltung bildet das eigentliche Kernstück des Portals. Sie er- Foto: NVR GmbH Abb. 1: Forschungsansätze des Versiert-Projekts Quelle: NVR GmbH Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 47 Abb. 2: Personenandrang auf einem Bahnsteig wegen eines Fußballspiels Foto: NVR GmbH möglicht den übersichtlichen und schnellen Zugrif auf veranstaltungsrelevante Daten wie Zeit und Ort, Besucherzahl und Risikoeinschätzung sowie auf spezielle Informationen über An- und Abreise. Alle beteiligten Organisationen haben so die Möglichkeit, organisationsspezifische (Ansprechpartner mit Erreichbarkeit) und veranstaltungsspezifische (Aktivitäten, Zeiten, Einschätzungen) Informationen in das Portal einzutragen bzw. zu hinterlegen und abzurufen. Die Ergebnisse gemeinsamer Vorbesprechungen, wie Protokolle, können genau wie andere Dokumente und Bilder in beliebigen Dateiformaten hochgeladen werden, so dass sie für alle verfügbar sind. Für den ÖPNV lassen sich beispielsweise Verkehrsprognosen, Bereiche oder Haltestellen mit größter Personenkonzentration während der An- und Abreisephase, die eingesetzten Sonderverkehre und andere Verkehrsplanungen hinterlegen. Nach der Veranstaltung können Erfahrungen eingetragen oder auch Protokolle von Nachbesprechungen abgelegt werden. Die Rechteverwaltung ermöglicht den Nutzern des Portals, den Zugrif auf Informationen individuell zu limitieren. So kann für bestimmte sensible Daten der Nutzerkreis festgelegt werden. Neben der organisationsspezifischen Darstellung lassen sich auch Übersichtslisten erstellen, etwa eine Telefonliste aller beteiligten Organisationen. Aus dem Portal können über einen E-Mail-Baustein Nachrichten versendet werden. Die Verbindung zu anderen Informationssystemen (z. B. Unwetterwarnsystemen, Verkehrsmeldungen) wird durch die Integration von Schnittstellen gewährleistet. Weitere Schnittstellen werden zu den anderen Systemen des Versiert-Projekts installiert, zum Beispiel zu den mobilen Diensten, mit denen Informationen an Besucher per SMS weitergeleitet werden können. Ausblick Im Rahmen des Projekts wurden bereits unterschiedliche Lösungen entwickelt, die dazu beitragen, die Sicherheit bei Großveranstaltungen zu erhöhen. Der Einsatz des Informations- und Kooperationsportals bei der Planung und Durchführung von Großveranstaltungen soll Abstimmungsprozesse unterstützen und vereinfachen. Dabei muss das System intuitiv zu bedienen sein. Ein großer Vorteil des Portals besteht in der Sicherstellung der Verfügbarkeit von Unterlagen und Informationen. Das Wissen Weniger kann so allen verantwortlich Planenden zugänglich gemacht werden - auch wenn beispielsweise ein erfahrener Mitarbeiter ausfallen sollte - und für einen sicheren Verlauf von Veranstaltungen genutzt werden. Derzeit wird die Übertragbarkeit der Erfahrungen mit einer ersten Portalversion aus dem Untersuchungsraum Köln auch auf andere Städte untersucht. So wird das Informations- und Kooperationsportal in den Städten Bonn und Leverkusen weiterentwickelt und getestet. ɷ Christoph Hagen, Dipl.-Geogr. Projektbearbeiter des VeRSiert- Vorhabens, Nahverkehr Rheinland GmbH (NVR), Köln christoph.hagen @nahverkehr-rheinland.de Holger Fritsch, Dipl.-Ing. Bereichsleiter Investitionsförderung im ÖPNV sowie Vertrags- und Qualitätscontrolling im SPNV, Nahverkehr Rheinland GmbH (NVR), Köln holger.fritsch@nahverkehr-rheinland.de Norbert Reinkober, Dr. Geschäftsführer Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH (VRS) und Nahverkehr Rheinland GmbH (NVR), Köln norbert.reinkober@vrsinfo.de LITERATUR Bundesministerium für Bildung und Forschung (2009): Ideen zünden: Beitrag zu VeRSiert; http: / / www.hightech-strategie. de/ de/ 1452.php (eingebundener Flash-Film) REINKOBER, NORBERT (Hrsg.) (2011): VeRSiert - Sicherheit im ÖPNV bei Großveranstaltungen. Vernetzung von Verkehrsunternehmen, Einsatzkräften, Veranstaltern und Fahrgästen des ÖPNV, Buchwerft-Verlag, Kiel Abb. 3: Das Informations- und Kooperationsportal des Projekts Foto: NVR GmbH 1) Die Partner waren ARC Airport Research Center GmbH, Bergische Universität Wuppertal, Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Stadt Köln, Universität Stuttgart sowie Vitracom AG. 2) Weiterführende Informationen zum Projekt „VeRSiert“ unter http: / / www.versiert.info und in einem im Internet abrufbaren Filmbeitrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2009) sowie in der Abschlusspublikation des Projekts (Reinkober 2011). MOBILITÄT Fahrerassistenzsysteme Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 48 Marktdurchdringung scha t Sicherheit In den vergangenen Jahren haben Fahrerassistenzsysteme (FAS) in modernen Fahrzeugen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Systeme, die bis vor Kurzem nur im Luxussegment der Premiummarken verfügbar waren, werden zunehmend „demokratisiert“ und wandern in die Kompakt- und Kleinwagenklasse. Das ist gut so, denn intelligent gemachte Fahrerassistenzsysteme haben großes Potenzial, Sicherheit, aber auch Energieeizienz, Verkehrsfluss und Bedienkomfort zu verbessern. D ie Wirksamkeit von Fahrerassistenzsystemen ist oft eine Funktion der „Durchdringung“, also des Prozentsatzes von Fahrzeugen im Verkehr, die mit einem bestimmten System ausgestattet sind. In diesem Beitrag geht es um Einordnung und Trends bei diesen Systemen sowie Forschungsbedarfe. Was sind Fahrerassistenzsysteme? Unter FAS versteht man mechatronische Funktionen, die den Fahrer bei der Bewältigung der Fahraufgabe unterstützen. Diese Unterstützung bezieht sich pro System meist auf einzelne, klar definierte Fahrsituationen. Heutige FAS assistieren in der Regel in einer der drei Ebenen der Fahrzeugführung - also beim Navigieren, bei der Bahnführungs- oder der Stabilisierungsaufgabe. Der Grad der Unterstützung geschieht in diesen vier Stufen: •• Informieren: Der Fahrer erhält fahrrelevante Informationen, etwa die Außentemperatur oder Staumeldungen. •• Warnen: Die Aufmerksamkeit des Fahrers wird auf ein bestimmtes Ereignis gelenkt, zum Beispiel bei Erkennen einer Gefahr. Ein klassisches Beispiel dafür sind Aufahrwarner oder Spurwechselwarner. •• Empfehlen: Der Fahrer erhält eine mehr oder weniger intuitive Auforderung zu einem bestimmten Verhalten. Systeme, die gezielt die Blickrichtung steuern, oder das kurze Anbremsen eines Aufahrassistenten sind Beispiele dafür. •• Autarker Eingrif: Der Fahrer wird gezielt teilweise aus der Fahraufgabe ausgeschlossen. Dies wird heute praktiziert in Systemen, in denen eine Fahrerreaktion aufgrund der physiologischen Einschränkungen des Menschen nicht schnell oder gezielt genug erfolgen könnte (beispielsweise ABS- und ESP-Systeme). Zweiter Anwendungsfall sind Komfortsysteme (etwa Abstandsregeltempomat, Einparkassistent), bei denen der Fahrer Teilaufgaben - vornehmlich auf Bahnführungsebene - an das System abgibt. Im dritten heute üblichen Fall werden autarke Eingrife als Ultima- Ratio-Maßnahme verwendet, um bei einem nicht mehr verhinderbaren Unfall die wahrscheinlichen Unfallfolgen zu minimieren. Wesentliche Entwicklungsgesichtspunkte Die Hauptherausforderungen bei der Entwicklung von FAS sind heute: •• Der Umgang mit unsicherer Information: Heutige FAS beziehen einen Großteil ihrer Umfeldinformationen aus fahrzeuginternen Sensoren, die mit begrenzter Genauigkeit und Verlässlichkeit arbeiten. Diese unsicheren Informationen müssen also mit entsprechender Vorsicht verarbeitet werden. Gegebenenfalls müssen sie redundant erfasst werden, um die Systemsicherheit zu erhöhen. Bei Sicherheitssystemen kann dies zu objektiven Gefährdungen führen, bei Systemen zur Komfort- und Eizienzverbesserung zumindest zur Einschränkung der Wirksamkeit. Potenziell ergibt sich daraus ein Problem der Akzeptanz, da falsche oder unvollständige Informationen in der Regel zu unsicheren Situationsbewertungen und damit zu nicht erwartungskonformen oder objektiv nicht zielführenden Systemreaktionen führen. In der Praxis ergibt sich nach heutigem Stand der Technik daraus, dass viele Assistenzfunktionen gerade in schwierigen Fahrsituationen nicht mehr verfügbar sind. Beim Fahrer entsteht dadurch eventuell der Eindruck einer trivialen Funktionalität mit nicht ausreichendem Mehrwert. •• Verantwortung für die Fahrzeugführung: Die Übertragung von Teilen der Fahraufgabe an ein technisches System bedeutet nicht, dass dadurch die Verantwortung für die Fahrzeugführung etwa an die Entwickler des Systems übergeben würde. Dies wirft rechtlich problematische Fragen auf, etwa bei autarken Systemeingrifen in Gefährdungssituationen. Ein autarker Systemeingrif darf demnach nur dann erfolgen, wenn er in jeder denkbaren Fahrsituation objektiv geboten und durch den Fahrer jederzeit intuitiv zu unterbrechen ist. Vor allem mit der Einschränkung der unsicheren Situations- Abb. 1: Sensoren bieten ein immer genaueres Bild des Fahrzeugumfelds und ermöglichen so neue Sicherheits- und Assistenzfunktionen. Quelle: Bosch Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 49 bewertung setzt dies der Funktionalität von FAS heute relativ enge Grenzen. Diese Einschränkungen werden uns voraussichtlich noch einige Jahrzehnte an der Einführung des autonomen Fahrens hindern. •• Intuitive Mensch-Maschine-Schnittstelle: Um beim Betrieb von FAS Gefährdungen und Akzeptanzdefizite auszuschließen, sind intuitive Bedienbarkeit und Rückmeldungen der FAS an den Fahrer unabdingbar. Betriebsstatus und Unterstützungsart müssen für den Fahrer jederzeit klar erkennbar und durch ihn gezielt beeinflussbar und übersteuerbar sein. Der Grad der Unterstützung und die gewählten Informationskanäle sind stets so zu wählen, dass sie vom Fahrer jederzeit intuitiv verstanden werden und dem „Unsicherheitsgrad“ der Situationsbewertung angemessen sind. Entwicklungstrends Vordringlichste Aufgabe der System- und Fahrzeugentwickler ist die kontinuierliche Verbesserung der Umgebungssensorik und damit der Situationsbewertung. Die erforderlichen Komponenten und die Fusionsalgorithmen werden weiterentwickelt, um die Funktionsqualität, aber auch die Herstellkosten, weiter zu optimieren. Eine absicherbare Situationsbewertung mit dann verstärkt möglichen autarken Eingriffen - bis hin zur Vision des autonomen Fahrens - erfordert neue technologische Ansätze in der Umgebungssensorik, insbesondere betrift dies die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander oder mit der Verkehrs- und Energieinfrastruktur. Die derzeitigen Aktivitäten zur Technologieentwicklung und Standardisierung sind vielfältig. Geeignete Betriebs- und Geschäftsmodelle für die erforderliche Infrastruktur fehlen derzeit aber noch. Ebenso ist hier - vor allem bei sicherheitsrelevanten Systemen - das Problem der Manipulierbarkeit übertragener Daten zu lösen. Mit verbesserter Situationsbewertung wird eine Ausweitung der Funktion auf komplexe, teilweise unstrukturierte Fahrsituationen (etwa Stadtassistenz, Baustellenassistenz) möglich. Damit können FAS gezielt eingesetzt werden, um in solchen Situationen eine Überforderungen des Fahrers zu verhindern. So steigt der mögliche Sicherheitsgewinn durch FAS noch einmal deutlich an. Zunehmend erweiterte und verbesserte Funktionalitäten erfordern einen besseren Zuschnitt der FAS auf den Fahrer. Die Zusatzbelastung des Fahrers durch Bedienung der Systeme muss deutlich geringer sein als die Entlastung durch die Systemfunktionalität. Dazu ist die Fülle der Einzelsysteme für einzelne Funktionen zunehmend zu einer „integralen Fahrerassistenz“ zusammenzufügen. Die Funktionsweise wird damit für den Fahrer logischer und entspricht besser seinen Bedürfnissen. Mit dem Wandel der individuellen Mobilität in Ballungsräumen rücken zunehmend alternative Fahrzeugkonzepte wie Kleinstautos, Scooter und elektrifizierte Fahrräder in den Blickpunkt. Die von Lkw und Pkw bekannten Funktionalitäten werden auf diese Fahrzeugkonzepte übertragen werden. Im Fokus dieser Entwicklung steht dabei zunächst der mögliche Sicherheitsgewinn. Forschungsbedarf •• Fahrer: Um die Unterstützung des Fahrers bezüglich objektiver Wirksamkeit und Fahrerakzeptanz weiter zu optimieren, ist ein deutlich besseres Verständnis der Struktur des Fahrerverhaltens und der subjektiven Wahrnehmung durch den Fahrer notwendig. Dazu sind interdisziplinäre Forschungsvorhaben von Fahrzeugtechnikern mit Psychologen und Verhaltenswissenschaftlern erforderlich. Um dem Fahrer gezielt einzelne Teile der Fahrzeugführung abnehmen zu können, sind klare Strukturierung und eingehende Kenntnis seiner Verhaltensmuster und seines Komfort- und Sicherheitsempfindens zu erforschen. •• Bewertungsgrößen für Wirksamkeit und Akzeptanz: Da die Weiterentwicklung von FAS volkswirtschaftlich weitere Kosten verursachen wird, ist eine wissenschaftlich fundierte Bewertung ihrer Wirksamkeit unabdingbar. Diese muss sich auf den Gewinn an Verkehrssicherheit, Verkehrskapazität, Energieeizienz und Komfort gleichermaßen beziehen. Insbesondere beim Aufbau einer Car-to-Infrastructure-Kommunikation sind öfentliche Investitionen erforderlich, die den wissenschaftlichen Nachweis eines adäquaten gesellschaftlichen Nutzens erfordern. •• Technologische Weiterentwicklung der Schlüsselkomponenten: Sensor- und Kommunikationseinrichtungen im und außerhalb des Fahrzeugs sind so weiterzuentwickeln, dass sie mit ausreichend hochwertiger Funktionalität in der nötigen Stückzahl zu akzeptablen Kosten verfügbar sind. Angesichts der hohen Komplexität solcher Komponenten liegen darin noch einige wissenschaftliche Herausforderungen. Zu allen drei Themenkomplexen werden seit langem an der TU Dresden die nötigen Kompetenzen gebündelt und weiterentwickelt. Zum durch Verkehrstelematik unterstützten energieeizienten Fahren wurden unter federführender Beteiligung des Instituts für Automobiltechnik Dresden - IAD Konsortien aus Herstellern, Zulieferern und Hochschulen gebildet. Die wissenschaftliche Durchleuchtung des Fahrerverhaltens als Regler und Wahrnehmer sowie umfassende Wirksamkeitsbewertungen bezüglich Sicherheit, Verkehrsfluss, Energieeizienz und Komfort sind zentrale Forschungsthemen an der TU Dresden. Angesichts ihrer weiter zunehmenden Bedeutung für die künftige individuelle Mobilität werden diese Forschungsfelder weiter ausgebaut. ɷ Günther Prokop, Prof. Dr.-Ing. Professor für Kraftfahrzeugtechnik am Institut für Automobiltechnik Dresden - IAD, Technische Universität Dresden guenther.prokop@tu-dresden.de Abb: 2: Beim schnellen Einlenken in Kurven hebt die Funktion „Dynamic Wheel Torque Control by Brake“ (DWT-B) das Motormoment an und bremst gleichzeitig das kurveninnere Rad leicht ab. Das Fahrzeug ist dadurch agiler und lässt sich mit geringerem Lenkaufwand schneller und sicherer durch Kurven steuern. Quelle: Bosch MOBILITÄT Tourismus Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 50 Mehr als nur ein Ziel - nachhaltiger Tourismus Im Tourismus werden klimaschonende Reiseformen noch überwiegend skeptisch betrachtet. Ihre Nutzung wird nicht positiv, sondern mit Verzicht und Zusatzkosten assoziiert. Dies betrift insbesondere die Mobilität. Ein vom Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt gefördertes Projekt des ökologischen Verkehrsclub Deutschland VCD will den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene zurück ins Alternativenset der Urlaubsreise führen. K onsumentenbasierte Nachhaltigkeitsstrategien sind bislang vor allem dort erfolgreich, wo sie für die Verbraucher ohne signifikante Verhaltensänderungen kostenneutral realisierbar sind. Der Wechsel des Stromanbieters, der Kauf von Bio-Produkten, mit dem Rad zur Arbeit: Nachhaltigkeit wird gesellschaftlich immer höher bewertet. Im Tourismus werden klimaschonende Reiseformen dagegen immer noch überwiegend skeptisch betrachtet. Ihre Nutzung wird nicht mit positiven Reizen, sondern mit Verzicht und Zusatzkosten assoziiert. In der Urlaubszeit, für viele der Höhepunkt des Jahres, gilt das per se als Ausschlusskriterium. Dies betrift insbesondere die Mobilität: Die Reise ohne eigenes Auto bedeutet den Verzicht auf den gewohnten universellen Problemlöser, das Flugzeug als Sinnbild für Modernität verleiht Reiseerzählungen weiterhin Prestige und Weltläufigkeit. Die Eisenbahn als besonders umweltfreundliche Mobilitätsform wird stattdessen als teuer, unbequem und kompliziert wahrgenommen. Angesichts des Erfolgszwangs bei der Urlaubsreise führt der Widerspruch zwischen den dominierenden Vorstellungen nachhaltigen Reisens und den medial kommunizierten Reise-Traumwelten zu einer geringen Akzeptanz bahngestützter Ferienkonzepte. Touristische Mobilität mit wachsender Klimarelevanz Der Tourismus 1 ist weltweit für rund 5 % der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. 2 Dabei stammen global betrachtet rund drei Viertel aller CO 2 -Emissionen des Tourismus aus dem Verkehr, nur 20 % sind dem Beherbergungssektor zuzuschreiben. 3 Insofern spielt die Wahl des Verkehrsmittels für nachhaltigere Urlaubsformen eine entscheidende Rolle. In den deutschen Verkehrsprognosen weist der Fahrtzweck Urlaub die mit Abstand höchsten Zuwachsraten bei Verkehrsaukommen (+44 % ggü. 2004) und Verkehrsleistung (+41 % ggü. 2004) des gesamten Personenverkehrs bis 2025 auf. Demnach wären Urlaubsreisen 4 für 20 % der Gesamtleistungszunahme bis 2025 verantwortlich. 5 Der Verkehrsträger Schiene als besonders umweltfreundliche Mobilitätsform spielt im Urlaubsverkehr der Deutschen nur eine marginale Rolle. 2010 lag der Anteil bei rund 5 %. Damit hat der Schienenverkehr trotz des stetigen Ausbaus des Hochgeschwindigkeitsnetzes, gestiegener Fahrzeugqualität und verbesserter grenzüberschreitender Verbindungen gegenüber 1999 sogar noch deutlich Marktanteile verloren. 6 Das Flugzeug konnte im deutschen Urlaubsreiseverkehr dagegen in den vergangenen Jahren dramatisch an Bedeutung gewinnen. Während alle anderen Verkehrsmittel im Vergleich zu 1999 Modal-Split- Anteile einbüßten, erhöhte das Flugzeug seinen Anteil um annähernd 10 %. 2009 Foto: life-pr Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 51 Abb. 1: Anteile verschiedener Urlaubsbausteine an den touristischen CO 2 -Gesamtemissionen in % für 2005, globale Betrachtung Quelle: UNWTO 2008 nutzten rund 36 % aller Urlaubsreisenden das Flugzeug. Im grenzüberschreitenden Reiseverkehr ist das Flugzeug mit über 50 % mit Abstand der bedeutendste Verkehrsträger. 7 Die ungebrochen steigende Bedeutung des Flugzeugs führt dazu, dass die erfolgreichen CO 2 -Einsparungen in anderen Bereichen zunichte gemacht werden. Dabei ist die besondere Klimawirksamkeit der Luftverkehrsemissionen in großen Flughöhen zu beachten, die im Vergleich zu bodennahen CO 2 -Emissionen mit dem Faktor 3 wirken. 8 Hinzu kommen die geringere Treibstofeizienz von Kurz- und Mittelstreckenflügen gegenüber Langstreckenflügen und der Einsatz kleineren Fluggeräts mit höheren Verbrauchswerten je Sitzplatz. Vor diesem Hintergrund werden Flugreisende im kontinentalen grenzüberschreitenden Verkehr als besonders relevante Zielgruppe für innovative nachhaltige Reiseideen und als ein wichtiger Ansatzpunkt für eine Trendwende betrachtet. Probleme der Bahn im Urlaubsreiseverkehr Die Arbeitshypothese lautet, dass die Bahn im Wesentlichen aus zwei Gründen von den Urlaubern nicht im Verkehrsmittel-Alternativenset berücksichtigt wird. Zum einen ist den Urlaubern der Möglichkeitsraum bei der bahngestützten Urlaubsreise nicht bewusst: Aus Sicht der Urlauber reduzieren sich die Bahneigenschaften auf das Geschwindigkeitsdefizit gegenüber dem Flugzeug und die Flexibilitätseinbuße gegenüber dem Pkw. Dass auch typische Mittelmeerdestinationen sehr gut an das Schienennetz angeschlossen sind und sich im Zug ganz andere Möglichkeiten der Reisezeitnutzbarkeit bieten, wird nicht ausreichend sichtbar. Zum anderen ist die Reise mit dem ungeübten Verkehrsmittel zu kompliziert und unbequem: Sämtliche Detailinformationen stehen den Verbrauchern zwar bereits heute umfangreich zur Verfügung, aber bislang überwiegend isoliert. Notwendige Informationen beispielsweise zu grenzüberschreitenden Bahntarifen, regionalen ÖV-Erreichbarkeiten und -preisen oder adäquaten Unterkünfte sind nur mit hohem Eigenaufwand individuell zu verknüpfen. Auch die Darstellungsform ist häufig wenig ansprechend und richtet sich nicht selten an Spezialisten. Konkrete Angebote für flugzeug- und autofreie Ferien, welche auf die bekannten und gewünschten Destinationen im Mittelstreckensegment (1200 - 2000 km) zugeschnitten sind, sind Mangelware. Projekt ViaDeutschland sucht nach neuen Wegen Kernziel des im April 2011 gestarteten Projekts ViaDeutschland ist die Entwicklung breitenwirksam anschlussfähiger neuer Bilder des nachhaltigen Tourismus: erlebnisreich, einfach zu planen und in jeder Preisklasse verfügbar. Nicht die kulturelle Transformation bisheriger Reiseroutinen soll erreicht werden (diese würde eine ganz andere Projektdimension erfordern), sondern konkrete, leicht nachzuahmende klimafreundliche Reiseideen sollen entworfen und zielgruppenspezifisch kommuniziert werden. Pfiige Urlaubsvorschläge sind das Ziel, die trotz eingebautem Klimaschutzfaktor nicht vollständig von gewohnten Pfaden abweichen und Modell und Impuls für eine Vielzahl ähnlicher Angebote sein können. Ausgewählte Ideen werden von erfahrenen Reisejournalisten getestet und die dabei entstandenen Geschichten im Anschluss öfentlichkeitswirksam in überregionalen Publikumszeitungen und den neuen Medien platziert. Dabei steht die Nachhaltigkeit nicht moralisierend im Vordergrund, sondern stellt ein vorgeschaltetes Auswahlraster dar („embedded sustainability“). Als beispielhaftes Anwendungsfeld zur Veranschaulichung dieses Ansatzes wurde die Substitution von Flugdurch Bahnreisen auf Basis eines Etappenurlaub-Konzepts gewählt: Durch die Implementierung von attraktiven Zwischenzielen wird die Raumüberwindung der Urlaubsreise in bahngerechte Entfernungen aufgeteilt und die An-/ Abreise mit einem neuen Eigenwert aufgeladen. Genutzt wird dabei die Wiederentdeckung des Wegs als Ziel, die sich gegenwärtig im Boom von Kreuz- und Flussfahrten sowie der wachsenden Beliebtheit von Wander- und Radreisen zeigt. Ein Beispiel: Die Relation Köln-Nizza ist mit rund 1200 km nur bedingt für den Pkw- Reiseverkehr attraktiv. Per Flugzeug ist Nizza von Köln direkt aber emissionsintensiv erreichbar. Es gilt also, attraktive umweltfreundlichere Reisewünsche zu wecken, die vom Luftverkehr nicht realisiert werden können. Hierzu ist die attraktive Ausgestaltung des Zwischenstopps zu einem eigenständigen, werthaltigen Baustein des Urlaubs erforderlich. Dieser Urlaubsprolog vor Erreichen des eigentlichen Ferienziels ist durch konkrete Reiseanleitungen zu fördern, die sich mittelfristig in buchbaren Stop-Over-Komplettpaketen inkl. Übernachtung, Aktivitätsangeboten etc. für Freiburg oder Paris widerspiegeln könnten. Der Urlaub beginnt nicht mehr mit der Ankunft in Nizza, sondern beim Einsteigen in den Zug, beim Abendessen im Freiburger Feinschmecker-Hotel Colombi oder spätestens beim Bio-Frühstück in einem der schönsten deutschen Öko-Hotels, dem „Viktoria“ in Freiburg. Das vom Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt geförderte VCD-Projekt führt den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene zurück ins Alternativenset der Urlaubsreise. Attraktive Sommerreiseziele in Distanzsegmenten, die bisher deutlich vom Luftverkehr dominiert wurden, werden durch dieses Konzept wieder mit der Bahn sinnvoll erreichbar. Destinationspräferenzen müssen nicht gebrochen werden, MOBILITÄT Tourismus Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 52 um nachhaltigere Reiseangebote zu realisieren. Der Urlauber erlebt den Weg intensiver als Bestandteil der Reise und lässt sich auf ein Zwischenziel ein. Das alte Mobilitätsparadigma der Touristen - schnell ans Thomas Sauter-Servaes, Dr.-Ing. Referent für Nachhaltigen Tourismus, Projektleiter ViaDeutschland Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) thomas.sauter-servaes@vcd.org Johanna Kardel, B.A. Projektmanagement ViaDeutschland Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) johanna.kardel@vcd.org LITERATUR BMVBS (Hrsg., 2007): Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025. FE-Nr. 96.0857/ 2005, München, Freiburg. Im Internet: http: / / www.dlr.de/ cs/ Portaldata/ 10/ Resources/ dokumente/ daten_berichte/ FE_96_857_2005_Verflechtungsprognose_2025_Gesamtbericht_20071114.pdf FUR Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. (Hrsg., 2010): Die 40. Reiseanalyse RA 2010. Erste Ergebnisse ITB 2010. Berlin. Im Internet: http: / / www.fur.de/ fileadmin/ user_upload/ RA_Zentrale_Ergebnisse/ FUR_Reiseanalyse_RA2010_Erste_Ergebnisse.pdf MÄDER, CLAUDIA (2008): Klimawirksamkeit des Luftverkehrs. Publikationen des Umweltbundesamtes. Im Internet: http: / / www.atmosfair.de/ fileadmin/ user_upload/ Medienecke/ Downloadmaterial/ Wissenschaftliche_Berichte/ Umweltbundesamt_Flugverkehr0308.pdf UNWTO/ UNEP (2008): Climate Change and Tourism - Responding to Global Challenges. Madrid, Paris. Im Internet: http: / / www.uneptie.org/ shared/ publications/ pdf/ WEBx0142xPA- ClimateChangeandTourismGlobalChallenges.pdf Abb. 3: Verkehrsaufkommenswachstum vs. Verkehrsleistungswachstum bis 2025 Quelle: BMVBS 2007 Ziel und schnell zurück - wird aufgebrochen. Das Projekt entwirft Vorschläge, die vom Verbraucher einfach nachempfunden werden können und sich im imageträchtigen Tourismusgeschäft über Qualität, Erzählwert und Lebensstil positionieren. So werden langfristig neue Destinationen und nachhaltigere Urlaubsformen ins Sichtfeld der Reisenden gerückt. Urlaub gilt als die schönste Zeit des Jahres. Der Absicherung des Erlebniswerts des Urlaubs kommt daher beim Verbraucher eine große Bedeutung zu. Insofern ist es von hoher Wichtigkeit, erprobte Reiselösungen zu präsentieren und damit die Einstiegshürde so niedrig wie möglich zu halten. Die in diesem Vorhaben geplante professionelle Darstellung von Best-Practice-Routen und die Beteiligung möglichst vieler Leistungsträger bei Paketangeboten und Marketingaktionen vermitteln nicht nur eine dokumentierte Grundsicherheit im Vergleich zu eigenhändig zusammengestellten Varianten, sondern erzielen auch die bislang fehlende Sichtbarkeit im Markt. Mitte Oktober wurde der Online-Reiseführer ViaDeutschland.de oiziell gestartet. In der ersten Ausbaustufe werden insbesondere Italienurlaubern erlebnisreiche Zwischenaufenthalte in Basel, München und Zürich vorgestellt. In den kommenden Monaten folgt die Präsentation von Stop-Over-Gestaltungsideen für Reisende Richtung Frankreich, Skandinavien und Polen. Der VCD dankt dem Umweltbundesamt und dem Bundesumweltministerium für die intensive Unterstützung und finanzielle Förderung des Projekts ViaDeutschland. ɷ 1 Die UNWTO definiert Tourismus als „[…] the activities of persons travelling to and staying in places outside their usual environment for not more than one consecutive year for leisure, business and other purposes not related to the exercise of an activity remunerated from within the place visited‘, thus including international and domestic tourism, overnight and same-day trips, for all purposes of visit (leisure, business, and other)“ [UNWTO 2008, S. 107] 2 Vgl. ebd., S. 13 3 Vgl. ebd., S. 34 4 Urlaubsverkehr beinhaltet private Reisen zu touristischen Zwecken mit einer Mindestreisedauer von fünf Tagen [vgl. BMVBS 2007, S. 96] 5 Vgl. BMVWS 2007, S. 9 6 Vgl. FUR 2010, S. 5 7 Vgl. ebd. 8 Mäder 2008, S. 3 Abb. 2: Klimawirkung der Reise Köln-Nizza, CO 2 -Emission pro Person und Reise (Hin- und Rückfahrt) in kg Quellen: Umweltmobil-Check DB AG (Auto/ Bahn/ Flug), atmosfair Emissionsrechner (Flug, Kühlschrank) * Emissionswert laut atmosfair für alle Emissionen umgerechnet auf die derzeitige Erwärmungswirkung der entsprechenden Menge an CO 2 -Emissionen inkl. RFI-Multiplikator von 2,7 ** Mittelklasse-PKW mit Otto-Motor EURO 4; Fahrzeugauslastung: 3 Personen *** Kühlschrank-Jahresemission bei durchschnittlichem Strommix Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 53 (TEN-)Mission impossible? D ie Aufgabe, die nationalen Straßen, Schienen- und Wasserwege sowie Flug-, See- und Binnenhäfen zu einem Transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN) zusammenzuführen, ist nicht neu. Doch bislang hielten sich die Erfolge in Grenzen. Denn die in Aussicht gestellten Gelder aus Brüssel konnten die unter enormen Haushaltszwängen leidenden nationalen Regierungen nur bedingt überzeugen, Mittel für den Bau von Teilstücken europäischer Verkehrsachsen locker zu machen. Wenn überhaupt, dann wurde in nationale Verkehrsinfrastrukturprojekte investiert. „In der EU gibt es im Bahnbereich sieben verschiedene Spurweiten, und nur 20 der Großflughäfen und 35 der wichtigsten Häfen sind direkt an das Schienennetz angebunden“, bringt EU-Verkehrskommissar Siim Kallas die Herausforderungen auf den Punkt. Ist die Realisierung des TEN-Netzes eine „Mission impossible“? Die Kommission glaubt das nicht und hat sich mit der Revision der TEN-Leitlinien eine neue Strategie ausgedacht, wie aus dem Flickenteppich ein Webteppich wird. Um endlich die fehlenden Brücken über die Landesgrenzen der EU-Mitgliedstaaten zu schlagen, hat die Kommission ein TEN- Kernnetz definiert. „Das neue Kernnetz soll 83 Häfen und 37 Flughäfen an das Bahn- und Straßennetz anbinden. Zudem werden 35 große grenzüberschreitende Vorhaben verwirklicht“, betont Kallas. Herzstück dieses Kernnetzes sind zehn Korridore, die den Hauptverkehrsströmen Rechnung tragen. Die Korridore mit deutscher Beteiligung sind: Rotterdam-Genua über Köln und Mannheim, Amsterdam- Warschau über Hannover und Berlin, Lissabon-Paris-Straßburg/ Mannheim, Hamburg/ Rostock-Constanza, Helsinki-Valetta über Hamburg, München und Brennerbasistunnel der Donaukorridor. Weitere Korridore sind Algeciras-Barcelona-Lyon-Mailand-Budapest-Ukraine, Helsinki-Warschau-Wien-Ravenna und Antwerpen- Lyon-Basel sowie Dublin-London-Paris-Brüssel. Das Kernnetz wird durch ein umfassendes Gesamtnetz von Zubringern auf regionaler und nationaler Ebene ergänzt. Schwerpunkt soll die Finanzierung von Schienen- und Schiffahrtsprojekten sein. Für die Kommission ist das Transeuropäische Verkehrsnetz ein wesentliches Instrument der EU-Verkehrspolitik zur Erreichung des übergeordneten Ziels, die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 60 % zu senken. Das TEN-Netz soll eine erhebliche Verlagerung von Personen- und Güterverkehrsströmen vom Straßenverkehr auf die Schiene sowie See- und Binnenschife erleichtern. Deshalb kommen neue Straßenprojekte so gut wie gar nicht in den Genuss von TEN-Mitteln. Christian Dahm EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung in Brüssel B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON CHRISTIAN DAHM Der Schlüssel zum Erfolg des Transeuropäischen Verkehrsnetzes bleiben die Mitgliedstaaten. Daran wird auch die Tatsache nichts ändern, dass die EU-Mittel von derzeit 8 Mrd. EUR im Finanzzeitraum 2014 bis 2020 auf satte 31,7 Mrd. EUR angehoben werden. Allein die Kosten für das Kernnetz werden in der ersten Finanzierungsphase bis 2020 auf insgesamt 250 Mrd. EUR geschätzt. Zwar wird die Kofinanzierung aus EU-Mitteln im Kernnetz generell von 10 auf 20 % angehoben. Und bei grenzüberschreitenden Binnenschiffahrts- oder Bahnvorhaben sind sogar bis zu 40 % möglich. Doch den Bärenanteil zur Verwirklichung des TEN-Netzes müssen trotzdem weiterhin die EU-Länder stemmen. Dazu waren sie in der Vergangenheit nur bedingt bereit. Die Kommission ist aber optimistisch, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Die EU-Behörde stützt ihre Hofnung dabei auf die Tatsache, dass die Nationalstaaten bei der Definition des Kernnetzes eng eingebunden wurden. Ob jedoch die daraus resultierende Selbstverpflichtung ausreicht, die einzelnen Vorhaben fristgerecht zu realisieren, darf bezweifelt werden. Die Kommission führt zudem ins Feld, dass es sich bei den neuen TEN-Leitlinien nun um eine Verordnung handle. Waren in der Vergangenheit vor allem die Nationalstaaten für die Realisierung der Infrastrukturvorhaben zuständig, seien dies heutzutage immer öfter andere Gebietskörperschaften wie Regionen und Kommunen. Deshalb sei der Charakter einer Verordnung wichtig, da diese in all ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. Doch das löst immer noch nicht das grundlegende Problem bei der Realisierung des TEN-Netzes: Was passiert, wenn Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen einfach nicht einhalten? Einen Schritt in die richtige Richtung machte die Kommission Ende 2010, als sie erstmals bereits bewilligte TEN-Mittel zurückforderte. Der Grund waren Verspätungen bei der Realisierung der Vorhaben. Die einbehaltenen Mittel werden über Ausschreibungen erneut an Mitgliedstaaten vergeben. Die Kommission ist überzeugt, dass diese Maßnahme Wirkung gezeigt hat und zeigen wird. Doch hätte die EU-Behörde ruhig noch einen Schritt weiter gehen und sich ambitionierter zeigen können. Denn wenn die Kommission die Mitgliedstaaten schon nicht zu ihrem Glück zwingen kann, dann sollte sie doch zumindest die Anreize erhöhen. Und das wäre über ein einfaches Bonus-Malus-System möglich. Verschleppt ein Mitgliedstaat beispielsweise den Ausbau eines Korridors, könnte die Kommission das Vorhaben von der Liste vorrangiger Projekte streichen oder die Zuschüsse für andere Vorhaben des Landes kürzen. Zeigt sich eine Regierung besonders investitionsfreudig, könnte dies im Gegenzug mit zusätzlichen TEN-Mitteln honoriert werden. Dann könnte die TEN-Mission-impossible doch noch ein Happy End haben. »Aus dem Flickenteppich der nationalen Verkehrsnetze soll ein Webteppich werden.« Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 54 Prozesstransparenz bei der Stockholmer U-Bahn Transportunternehmen müssen die Arbeitsprozesse verbessern, den Servicegrad steigern und die Profitabilität erhöhen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Neue Datenkommunikationstechnologien und eine hohe Transparenz in IT-Back-End-Systemen rücken den mobilen Arbeitsplatz in den Fokus, wenn es um eine Steigerung der Servicequalität bei Personenbeförderungsdienstleistungen geht. Mit einem neuen Mobile Asset Management hat die Stockholmer U-Bahn die Arbeitsprozesse ihres mobilen Personals deutlich vereinfacht. Das kommt auch den Kunden zugute. I n Stockholm, Schwedens Hauptstadt und größten Stadt Skandinaviens, leben mehr als 2,1-Mio. Menschen. Die U-Bahn (Tunnelbana) MTR Stockholm ist neben der S-Bahn sowie den Bus- und Straßenbahnlinien eines der wichtigsten öfentlichen Verkehrsmittel und wird durch MTR Stockholm AB betrieben. Das Kerngeschäft der MTR Stockholm AB besteht in der Planung, dem Betrieb, der Wartung und der Instandhaltung des Stockholmer U-Bahn-Systems. Die MTR Stockholm AB beschäftigt rund 3000-Mitarbeiter und ist eine Tochtergesellschaft der MTR Corporation Hongkong, die nahezu weltweit Bahnnetze betreibt und Dienstleistungen rund um den Bahnverkehr in Asien, Australien, Nahost und Europa anbietet. Stockholmer U-Bahn hat höhere Fahrgastzahlen im Visier Die MTR Stockholm AB hatte sich zum Ziel gesetzt, die Kundenzufriedenheit der U-Bahn-Nutzer signifikant zu erhöhen und damit das Fahrgastaukommen zu steigern. In einem ersten Schritt führte MTR Stockholm AB dafür Analysen zur Erkennung aktueller Schwachstellen durch. Das Ergebnis zeigte, dass insbesondere die Pünktlichkeit der Züge und die Sauberkeit des U-Bahn-Systems verbessert sowie die Zahl ausgefallener Züge reduziert werden müssen. Die Stadt Stockholm (Stockholm Local Transport Authority) schloss mit der MTR Corporation ein Service Level Agreement, das unter anderem eine Reaktion auf Reinigungsanfragen und Defekte innerhalb von 15 Minuten vorsieht. MTR Stockholm beauftragte die beiden Unternehmen Appear und Logica, hierfür eine mobile Technologieplattform aufzubauen. Appear lieferte für das Projekt die mobile Workforce Solution Appear IQ. Logica übernahm das komplette Projektmanagement und die Integration der neuen Lösung in die bestehenden Systeme. Die beiden Unternehmen hatten bereits bei einem ähnlichen Großprojekt in den Niederlanden erfolgreich zusammengearbeitet und sind seither Vereinbarung von MTR Stockholm mit der Stadt Stockholm Service Level Agreement, kurz SLA, bezeichnet einen Vertrag zwischen zwei Parteien, beispielsweise dem Kunden und einem IT-Dienstleister, zu Umfang und Qualität einer konkreten Dienstleistung. Im Rahmen dieses Vertrags wird festgelegt, was der Dienstleister für das vom Kunden ausgewählte Service Level zu leisten hat. Mögliche Leistungseigenschaften können beispielsweise Reaktionszeiten und Leistungsumfang und Schnelligkeit sein. Durch die SLA erhält der Kunde die Möglichkeit zu überprüfen, ob der Dienstleister die vereinbarten Dienstleistungen in der gewünschten Qualität liefert. SERVICE LEVEL AGREEMENT MOBILITÄT ÖPNV Stockholm Foto: Stockholm - The Capital of Scandinavia Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 55 Partner im Bereich Mobile Workforce. Bei der Lösung für MTR Stockholm handelt es sich um eine kontextbeziehungsweise rollenbasierende und benutzerfreundliche mobile Anwendung, die es dem Servicepersonal ermöglicht, einen qualitativ hochwertigen Kundenservice vor Ort zu gewährleisten. Das mobile Personal der Stockholmer U-Bahn kann mit der neuen Applikation jederzeit Fahrgästen umfassende Informationen in Echtzeit zur Verfügung stellen. Dabei kann es sich um fahrgastwichtige Reiseinformationen wie Stationen, Fahrplänen, Fahrpreise und Abweichungen zu Regelfahrzeiten handeln. Hierzu wurden die Mitarbeiter mit mobilen Handhelds ausgestattet. Die richtigen Informationen für die richtigen Personen zur richtigen Zeit Basis der Mobile-Asset-Management-Lösung ist die Appear Context Engine. Sie bietet neben servergestützten Diensten auch die Datenkommunikation über 3G-Netze an. Die Push- und Synchronisationsfunktion gewährleistet die Datenkommunikation vom Server zu den mobilen Handheld- Geräten in Echtzeit. Dies ermöglicht der MTR Stockholm AB das nahezu zeitgleiche Reagieren auf Veränderungen in den Fahrtabläufen, auf Verkehrsstörungen und Reinigungsaktionen in den Fahrzeugen und auf den Bahnhöfen. Wird beispielsweise ein neues Graiti an einer U-Bahn-Wand entdeckt, so leitet das System den Bericht online direkt an die Reinigungsdienste weiter. Das System filtert hierzu die Informationen und überträgt sie je nach Standort und Zuständigkeit an eine bestimmte Servicekraft. So erhält jeder Mitarbeiter nur arbeits- und standortgenaue Informationen. Die Appear- IQ-Plattform ist ein wichtiges Instrument, um die Service-Level-Vereinbarung von MTR Stockholm AB mit der Stadt Stockholm (Stockholm Local Transport Authority) zu erfüllen. Unter anderem ist dort ein 24-h-Reaktionszeitrahmen festgehalten, der nur durch die mobile Anbindung des Servicepersonals gelingen kann. Personal profitiert im Arbeitsalltag Umgekehrt können die Mitarbeiter von MTR Stockholm AB mit ihren modernen Arbeits- und Kommunikationsmitteln während eines Einsatzes aufgefallene Defekte an die Zentrale weitergeben. So kann das Zugpersonal beispielsweise bei Ausfällen von Beleuchtungseinheiten oder Defekten an Klimaanlagen über die Zentrale umgehend den Einsatz eines Servicetechnikers anfordern. Dieser wiederum steigt dann am nächstmöglichen Bahnhof zu und überprüft den gemeldeten Defekt. Die MTR Stockholm erhöht so den Servicegrad für den Kunden um ein Vielfaches - bei gleichzeitiger Senkung der Betriebs- und Einsatzkosten. Denn die Ressourcen können optimal eingesetzt und die Wartung der Anlagen schneller durchgeführt werden. Auch für das Fahrpersonal ergeben sich wesentliche Vereinfachungen im täglichen Arbeitsleben, da eine interne Kommunikation zwischen dem begleitenden Personal, der Zentrale und dem Triebwagenführer einfach und kostengünstig während der Dienstzeit möglich ist. Ein Adressbuch auf dem mobilen Endgerät informiert den Mitarbeiter darüber, welche Kollegen in der Nähe und aktuell verfügbar sind. Dabei erhält jeder Mitarbeiter je nach Aufgabengebiet und Aufenthaltsort nur die für ihn relevanten Informationen. Damit wird der Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern vereinfacht, so dass die Reaktionszeiten auf Anfragen und bei Unterbrechungen deutlich verkürzt werden können. Darüber hinaus verwalten die Mitarbeiter über Benutzerkonzepte verschiedene Workflow-Anwendungen zu ihren persönlichen Arbeitsdaten, wie Urlaubs- und Krankheitsmeldungen oder die Zeiterfassung, online über die mobilen Geräte. Einsparungen in Höhe von 1,6-Mio.-EUR Der MTR Stockholm AB ist es mit dem neuen Mobile Asset Management auf Basis des Appear Context Engine in nur sechs Monaten gelungen, die Prozesse zu optimieren und die Arbeitsabläufe des Dienstleistungspersonals zu vereinfachen. Insgesamt konnte das Unternehmen eine Rationalisierung der Geschäftsprozesse in Höhe von 1,6- Mio.- EUR realisieren. Die Produktivität wurde um ein Vielfaches gesteigert: Heute bearbeiten lediglich 15 Servicemitarbeiter rund 48 000 Anfragen pro Jahr. Auch die Kundenzufriedenheit hat wesentlich zugenommen, denn das Passagieraukommen ist um 7 % Prozent gestiegen. Gerade ein professionelles Störungsmanagement bei Verspätungen und passagierrelevante Reiseinformationen in Echtzeit zählen hier zu den ausschlaggebenden Aspekten. Intelligente Lösungen für den internationalen Personenverkehr Die Privatisierung des Bahnmarktes und das sich wandelnde Geschäftsumfeld führen dazu, dass weltweit Eisenbahngesellschaften und Schienenverkehrsunternehmen auf der Suche nach IT-Lösungen sind, die sich dynamisch an neue Anforderungen anpassen lassen und ihnen einen Wettbewerbsvorteil im Markt sichern. Prozesstransparenz führt zu einer wesentlichen Vereinfachung der Arbeitsabläufe bei Einsparung von Zeit und Ressourcen. Dies kommt nicht nur dem Betreiber und seinen Mitarbeitern zugute, sondern entspricht auch den gestiegenen Anforderungen von Bahnreisenden und Fahrgästen. ɷ Weitere Informationen unter: www.logica.de und www.appearnetworks.com Abb. 1: Zwei Mitarbeiter von MTR Stockholm AB rufen Informationen über das mobile Endgerät ab. Foto: Appear Ab. 2: Dreh- und Angelpunkt der Mobile Asset-Management-Lösung ist das Mobile Device der Mitarbeiter. Foto: Appear Stefan Hofmann Business Consultant, Project Manager sowie Supply-Chain-Management- und Logistikexperte bei Logica in Deutschland stefan.ho mann@logica.com Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 56 Intelligente Luftfrachtcontainer Täglich werden tonnenweise Lebensmittel, Bauteile und andere Güter per Flugzeug rund um den Globus transportiert. Intelligente Luftfrachtcontainer könnten schon bald dazu beitragen, dass die Ware zuverlässig und noch schneller beim Empfänger eintrift: Sie suchen sich selbst ihren Weg und passen auf, dass sie die richtige Ladung transportieren. D as Ziel des durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi im Rahmen des Autonomik-Programms geförderten Verbundvorhabens DyCoNet „Dynamische Container-Netzwerke“ ist die Entwicklung von intelligenten Luftfrachtcontainern (SmartULDs), die ohne betriebliche Infrastruktur mit dezentralen, energieautarken Funksensorknoten ausgestattet sind und so mit einem übergreifenden Netzwerk interagieren können. Des Weiteren werden logistische Prozesse auf einem Flughafen analysiert. Diese sollen durch den Einsatz der SmartULDs optimiert werden. Neben den Prozessoptimierungen können durch neue Funktionalitäten, die der SmartULD zur Verfügung stellt, die Transport- und Lagerüberwachung vereinfacht und verbessert werden. Die SmartULDs verfügen über ein intelligentes Energiemanagement, das einen Energiespeicher mit der Möglichkeit, Energie aus der Umwelt zu beziehen, kombinieren kann. Zur Aufrechterhaltung von Teilen der Hardwareenergieversorgung wird Energy Harvesting benutzt. Der Einsatz von Energy Harvesting sowie von energiesparsamer Hardware und energieschonender Software ist notwendig, da der SmartULD für mindestens ein Jahr ohne Wartung und ohne Aufladung autark arbeiten soll. Daten der Umwelt werden durch Sensorkomponenten erfasst, die in den abstrakten Kontext der Geschäftsprozesse transformiert werden und auf dieser Basis autarke Handlungen in der Realität, wie zum Beispiel das Auslösen von Alarmen, ausführen. Die Ermittlung der aktuellen Position des SmartULD erfolgt über ein eingebautes GPS- und GSM-Modul. An der Entwicklung des intelligenten Luftfrachtcontainers arbeitet im Verbundprojekt DyCoNet das Projektteam, das aus der Lufthansa Cargo AG (Konsortialführerschaft), der InnoTec DATA GmbH & Co. KG (Hardwareentwicklung), der PalNet GmbH (ULD-Fertigung), der Jettainer GmbH (ULD-Management), der EnOcean GmbH (Energy Harvesting) und dem Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik IML (Technologiemanagement) besteht. Die im Projekt erarbeiteten Lösungen müssen von der EASA freigegeben werden, um in der Luftfracht eingesetzt zu werden, denn aktiv sendende Funkkomponenten können einen Einfluss auf die empfindliche Flugzeugelektronik haben. Hier arbeitet das Projektteam zurzeit an einem speziell für diesen Zweck entwickeltes Gerät, das die Funkkomponenten während der Flugphase sicher abschaltet. Dezentral lösen, zentral informieren Allgemein wird der Lösungsansatz verfolgt, möglichst einfache Aufgaben an die Smart- ULDs zu übergeben, die diese autonom ohne weitere Einflussnahme eines überliegenden IT-Systems lösen können. Erst wenn eine (Teil-)aufgabe erfolgreich abschlossen TECHNOLOGIE Luftfracht Foto: Lufthansa Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 57 wurde oder ein Fehler vorliegt, wird ein überliegendes System informiert. Als selbststeuernde Ladungsträger nach dem Prinzip des „Internet der Dinge“ trefen die ULDs vor Ort eigene Entscheidungen. Das Projekt entwickelt ein intelligentes Telematikmodul inklusive der dazugehörigen Software, die in einem speziellen Gehäuse in einem ULD-Container verbaut wird. Von Anfang an werden dabei der rechtliche Rahmen und Fragen der Zulassung betrachtet. Der im Projekt ausgewählte LD3-Luftfrachtcontainer besteht gegenüber herkömmlichen Aluminiumcontainern aus einem Kompositmaterial und spart rund 15 % Gewicht ein. Mitsamt der integrierten Hardware wird der ULD so zu einem SmartULD. Softwareseitig werden mit Hilfe des intelligenten Telematikmoduls Softwareagenten eingesetzt, die eine von einem ULD zu bearbeitende Aufgabe entgegennehmen und selbstständig lösen können. Mit Hilfe der verbauten Sensorik kann ein SmartULD so seine Umgebung erfassen, sie auswerten und je nach aktuell verfolgtem Auftrag Aktionen auslösen (Sense-Think-Act). Einem Agenten stehen mehrere Sensoren der Hardwareplattform zur Verfügung. In einem ersten Schritt ist der Einsatz eines GPS-Moduls sowie von Sensoren zur Umweltüberwachung, wie Türöfnungs-, Temperatur- und Erschütterungssensoren vorgesehen. Durch den Einsatz von GPS ist es einem Agenten jederzeit möglich, seinen Standort exakt zu bestimmen und so den Verlauf seiner eigenen Bewegung nachzuvollziehen. Für einen Kunden steht so ein weltweites Tracking und Tracing zur Verfügung. Der Agent kann durch die Ortsinformation z. B. mögliche Verspätungen rechtzeitig erkennen. Mit Hilfe der weiteren Sensorik können Temperaturüber-/ unterschreitungen, ungewollte Erschütterungen oder gar mögliche Beschädigungen während des Transports frühzeitig erkannt, verhindert und zurückverfolgt werden. Es wird ein generischer Ansatz verfolgt, der es erlaubt, die Art und Anzahl an Sensoren je nach Anwendungszweck nahezu beliebig zu erweitern. Eine besondere Herausforderung ist die Anbringung der Elektronikkomponenten sowie Sensoren am ULD- Container, die den Prozessbedingungen standhalten muss. Das Thema Energiemanagement des intelligenten Telematikmoduls ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt. Ein SmartULD kann nur eine begrenzte Menge an Energie in Form von Batterien mitführen, um die Gewichtseinsparungen des verwendeten Lightweight-ULD-Containers nicht zu beeinträchtigen und den möglichen Laderaum nicht unnötig zu verkleinern. Aus diesem Grund wird der Einsatz von Energy Harvesting-Technologien erforscht. Es wird geprüft, wie weit Vibrations-, Temperatur- und Lichtwandler eingebracht werden können, um den Energiebedarf des Telematikmoduls zu decken. Dieses bedarf einer weitgehenden Aufnahme und Analyse der Umgebungsbedingungen, denen ein ULD in den verschiedenen Prozessschritten ausgesetzt ist. Erst daraus lassen sich mögliche an den Bedarf sowie den ULD-Container angepasste Energiewandlerkonzepte erstellen. Ziel ist es, durch den Einsatz von Energy Harvesting kosten- und zeitintensive manuelle Prozesse zum Austausch des Energiespeichers zu verringern. Im Rahmen des Projekts wurden spezielle Datenlogger entwickelt, welche die Umgebungseinflüsse eines ULD-Containers am Boden und in der Luft aufzeichnen. Das Projektteam entwickelt ein gemeinsames Kommunikationsnetzwerk der Smart- ULDs, mit dem sie zum einen untereinander Nachrichten austauschen und zum anderen mit übergelagerten Systemen kommunizieren können. Generell stehen zwei Technologien zur Kommunikation zur Auswahl. Über das standardisierte GSM-Protokoll besteht die Möglichkeit, quasi infrastrukturlos mit überliegenden Systemen zu kommunizieren. Die de facto weltweite Verfügbarkeit von GSM-Mobilfunk an Flughäfen garantiert eine ständige Erreichbarkeit eines SmartULD. Dieser Kommunikationskanal soll genutzt werden, um z. B. Alarme an überliegende Systeme zu melden. Über eine Short-Range Wireless (SRW)-Technologie kann jeder SmartULD mit anderen SmartULDs der nahen Umgebung kommunizieren. Hier werden keine Basisstationen und kein Provider wie bei GSM benötigt, jeder ULD ist eine Basisstation - dafür ist die Reichweite deutlich geringer. Mit der SRW-Kommunikation kann so festgestellt werden, welche ULDs in einer Gruppe zusammenstehen. Dadurch können z. B. Zusammenlagerungsverbote bei Gefahrgütern überwacht werden. Der Energieverbrauch spielt bei der Datenübermittlung eine große Rolle. GSM benötigt einige Größenordnungen mehr Energie als die SRW-Kommunikation, so dass derjenige SmartULD in einer Gruppe Nachrichten per GSM an eine Leitstelle weiterleitet, der noch am meisten Energiereserven übrig hat. Weiterhin könnte auch die Vergabe eines Transportauftrags von den SmartULDs vor Ort selbst verhandelt werden. Es wird dann dem SmartULD der Auftrag erteilt, der z. B. den kürzesten Antransport zum Build-up hat, mit den passenden Sensoren ausgestattet ist oder noch genügend Energie zur Verfügung hat. Nutzen und weitere Verwendbarkeit Durch den Einsatz des intelligenten ULD kann die Prozesstransparenz erhöht werden. Die Fluggesellschaft kennt zu jedem Zeitpunkt die exakte Ortsinformation des ULD, kann ermitteln, ob während des Transports Alarme, wie z. B. Temperaturüber- oder -unterschreitungen aufgetreten sind oder ob der ULD starken Erschütterungen ausgesetzt wurde. Dadurch kann die Fluggesellschaft für ihre Kunden einen unbeschadeten Transportverlauf sicherstellen. Außerdem können durch die Zielinformationen, die der ULD enthält, unter Zuhilfenahme der Ortsinformationen Fehlverladungen vermieden werden. Der ULD kann dafür seine aktuelle Position ermitteln und entsprechend auf die Zielstation hinsteuern. Stimmen die Routeninformationen nicht mit der Planung überein, schlägt der ULD Alarm. Aufgrund des eingebauten Türöfnungssensors kann ermittelt werden, wann und wo die Ladeluke des ULD geöfnet und geschlossen wurde. So kann bei fehlenden Gütern festgestellt werden, wann und wo diese entwendet worden sein könnten. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen ist DyCoNet auch für die wissenschaftliche Forschung wertvoll. In den letzten Jahren wurde intensiv in dem Thema „Internet der Dinge“ geforscht. Es wurden viele Konzepte im Bereich der Software und Hardware entwickelt. Mit DyCoNet können die entwickelten Ansätze auf die Praxis übertragen werden. Somit ermöglicht das Forschungsvorhaben nicht nur die Umsetzung des Zielthemas „Internet der Dinge“, sondern eröfnet darüber hinaus auch die Möglichkeit, die bisherigen Forschungsergebnisse weiter zu untersuchen, zu validieren und neue Felder zu besetzen. Nach Projektende kann diese Technologie zunächst auf andere ULD-Containertypen, aber auch auf andere Bereiche außerhalb der Luftfahrt, wie z. B. auf den Land- oder Schifsverkehr übertragen werden. Das Projekt wird voraussichtlich Mitte 2013 beendet, weitere Projektinformationen finden Sie unter www.dyconet.de. ɷ Martin Fiedler, Dipl.-Inform. Abteilung Verpackungs- und Handels-Logistik, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Dortmund martin.fiedler@iml.fraunhofer.de Arkadius Schier, Dipl.-Inform. Abteilung Software Engineering Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Dortmund arkadius.schier@iml.fraunhofer.de TECHNOLOGIE Verkehrsmanagement Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 58 Potenziale dynamischer Tourenplanung Die Realisierung von stadtverträglichen und emissionsarmen Lieferverkehren bei weiter wachsendem Verkehrsaufkommen stellt gerade für städtische Ballungsräume eine besondere Herausforderung dar. Diese kann durch ein integriertes Verkehrsmanagement gemeistert werden. Ein Beispiel hierfür ist das Pilotprojekt MULi. M it einem Anteil von 20 % stellt der Verkehrssektor laut Umweltbundesamt eine der Hauptquellen der energiebedingten CO 2 -Emissionen dar (siehe Abbildung-1). [1] Maßgeblich getrieben wird dieser wachsende Anteil vom Güterverkehr. In den letzten vierzig Jahren hat die Transportleistung des Straßengüterverkehrs in Deutschland um das Fünfache zugenommen [2]. Innerstädtische Güterverkehre machen zwar lediglich 5 - 15 % des Verkehrsaukommens aus, sind jedoch für 40 - 80 % der Luft- und Lärmemissionen verantwortlich. [3] An diesem Punkt setzt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Minimierung der Umweltbelastung durch den Lieferverkehr in Ballungsgebieten mittels intelligenter Verkehrslageinformationen und -prognosen“ (MULi) an. Im Zeitraum von August 2010 bis Juli 2012 wird das Potenzial der Verwendung von Verkehrsinformationen und -prognosen in Telematik-systemen für die dynamische Touren- und Routenplanung untersucht. Der Fokus liegt dabei in Abb. 1: Anteil der energiebedingten CO 2 -Emissionen in Deutschland Quelle: Umweltbundesamt der CO 2 -Reduktion von transportainen Dienstleistungen. Hierzu wird eine wirtschaftliche Telematiklösung entwickelt, welche die dynamische Tourenplanung hinsichtlich der zurückzulegenden Strecke emissionsarm optimiert sowie ein verkehrslageabhängiges Fahrzeugrouting ermöglicht. Durch Rückgrif auf ofene Standards und aktuelle Technologien wird das System auf die Bedürfnisse von mittelständischen Unternehmen zugeschnitten. Die Zielgruppe sind zunächst Logistikdienstleister und Unternehmen, die ihre Transporte selbst disponieren. Bei erfolgreicher Pilotierung lässt sich das System z. B. auf Vertriebsfahrten im Außendienst und den individuellen Personentransport adaptieren. In einem ersten Schritt wurde mittels eines Telematiksystems ein Monitoringmodell erstellt. Dieses System wurde in die IT-Landschaft und in die Fahrzeuge des Praxispartners City Clean GmbH & Co. KG, einem mittelständischen Dienstleister im Bereich Matten-, Waschraum- und Mopp-Service mit ca. 80 000 Kunden und 18 Standorten in Deutschland, integriert. Die eingesetzte Telematiksoftware des IT-Partners VIOM GmbH ermöglicht die Einbindung von aktuellen Verkehrsinformationen und -prognosen für eine dynamische Touren- und Routenplanung. Darüber hinaus werden reale Tour-, Fahrzeug-, Positions- und Emissionsdaten der selbst durchgeführten Sammel- und Lieferverkehre des Praxispartners erfasst und analysiert (siehe Abbildung 2). Die Pilotumsetzung des Systems erfolgt in den Ballungsgebieten und City Clean-Standorten Berlin und Nürnberg in ausgewählten Fahrzeugen. Zur modularisierten individuellen Anwendung bei unterschiedlichen Fahrzeugtypen wurde ein Hardwarekonzept ausgewählt, das eine fahrzeugunabhängige Installation, einen beschädigungsfreien Ausbau und eine Reinstallation in ein neues Fahrzeug erlaubt. Dadurch wird gewährleistet, dass nur einmalig Investitionskosten entstehen und z. B. keine Leasingvertragsrechte verletzt werden. In einem weiteren Schritt wird ein Planungs-/ Routingmodell erstellt, das eine prognosebasierte Tourenplanung und ein verkehrslageabhängiges Fahrzeugrouting durch Verkehrsinformationen und -prognosen ermöglicht. Durch die im Fahrzeug gemessenen realen CO 2 -Emissionsdaten wird das Potenzial der Nutzung von Verkehrsdaten zur Emissionsreduzierung und Bewertung der Nachhaltigkeit von transportainen Dienstleistungen transparent. Die Verkehrsinformationen und -prognosen werden durch die Verkehrsinformationslieferanten ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V., VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH und VIB Verkehrsinformationsagentur Bayern GmbH zur Verfügung gestellt. Im weiteren Projektverlauf werden sowohl die Verkehrsdaten als auch die dynamische Touren- und Routenplanung hinsichtlich der praktischen Anwendbarkeit untersucht und durch Feldversuche evaluiert. Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 59 Telematiksysteme zur CO 2 -Reduzierung im Verkehr Kooperationen, Netzwerk- und Prozessoptimierungen wie z. B. Bündelungen, Reduzierung der Fahrstrecken, aber auch Fahrerschulungen sind einige Möglichkeiten zur CO 2 -Senkung im Verkehrs- und Transportbereich.[4] Dafür ist eine hohe Transparenz der Prozesse erforderlich, die durch Telematiklösungen als Verknüpfung von mobilen und/ oder stationären EDV-Systemen ermöglicht werden kann. Telematiksysteme bieten verschiedene Funktionen wie Betriebsdatenerfassung, Unterstützung des Fahrers, Auftragsmanagement, Fahrzeugortung und Tourenoptimierung an.[5] Obwohl durchschnittliche Investitionskosten von ca. 2 000 EUR und laufende monatlichen Kosten von 25-150 EUR, je nach genutzten Funktionen und Art des Telematiksystems, pro Fahrzeug entstehen, lassen sich Amortisationsdauern von nur 5-9 Monaten realisieren.[6] Maßgebliche Treiber für diese kurze Amortisationsdauer sind Kraftstof- und Zeiteinsparungen durch die Reduzierung von Leer- und Umwegfahrten. Telematiksysteme unterstützen die Durchführung einer dynamischen Tourenplanung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht alle Informationen vor Abschluss des Tourenplanungsprozesses bekannt sind bzw. sich nachträglich ändern können. [7] Neben auftrags- und flottenbezogenen Informationen zählen demnach auch Verkehrsinformationen und -prognosen, wie Staumeldungen, Baustellen oder Veranstaltungen zu den dynamischen, zu berücksichtigenden Informationen im Tourenplanungsprozess. Durch die Einbindung und Verarbeitung von Verkehrsdaten z. B. in ein Navigationssystem kann die dynamische Touren- und Routenplanung optimiert werden. Somit kann nachhaltig zur CO 2 - Reduktion durch ein verkehrslageabhängiges Fahrzeugrouting beigetragen werden. Durch das vorgestellte Pilotprojekt MULi können die CO 2 -Reduzierungen im Rahmen einer dynamischen Touren- und Routenplanung bezifert und anhand des umfang- LITERATUR 1] Umweltbundesamt: Emissionsentwicklung 1990-2009 Treibhausgase, Dessau: UBA 2011. [2] VCD Fakten: Güterverkehr in der Stadt, Berlin: 2006. [3] DIETRICH, W.: Güterverkehr in Städten, 1996. [4] STRAUBE, F. und NAGEL, A. (Hrsg.): Global Logistics Umweltschutz und Ressourcene zienz, Hamburg: 2010. [5] FENNEMANN, V. und STEINWENDER, F.: Absichern von Investitionsentscheidungen beim Einsatz von Telematiklösungen in der Entsorgungslogistik, Kassel: 2009. [6] WITTENBRINK, P.: Transportkostenrechnung im Straßengüterverkehr. Wiesbaden: 2011. VOIGT, S.: Den Telematik-Markt auf einen Blick. In: Telematik Spezial/ 2010, Verkehrsrundschau KERSTEN, T.: Telematik senkt die Kosten. In: Deutsche Verkehrs- Zeitung Nr. 136, 2007. [7] VOGT, M.: Tourenplanung in Ballungsgebieten, Wiesbaden: 1998. Seyit Elektirikçi, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter TU Berlin Fachbereich Logistik elektirikci@logistik.tu-berlin.de Arnfried Nagel, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter TU Berlin Fachbereich Logistik nagel@logistik.tu-berlin.de Abb. 2: Pilotsystem des MULi-Projektes 15. - 17. FEBRUAR 2012 MESSE KARLSRUHE www.IT-TRANS.org IT-Lösungen im öffentlichen Personenverkehr Internationale Konferenz und Fachmesse Veranstalter: +++ E-Ticketing +++ Integriertes Fahrgeldmanagement +++ Echtzeit-Fahrgastinformation +++ +++ Software +++ Verkehrsmanagement +++ Sicherheitssysteme +++ +++ Infotainmentsysteme +++ und weitere +++ reichen Datenbestandes unterschiedlichen Maßnahmen zugerechnet werden. ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 60 Smarte Tourenplanung Mitte dieses Jahres hat die PTV-AG ihre neue Tourenplanungssoftware vorgestellt. Die Einsatzgebiete und der Anwendungsnutzen sind außergewöhnlich. Nicht zuletzt durch die nach Herstellerangaben schnellste Distanzmatrix der Welt und Einsparpotenziale von bis zu 15 %. D ie neue Tourenplanungssoftware PTV SmarTour kann gemischte Verkehre planen, etwa Abholungen und Lieferungen im Nah- und Regionalverkehr als Rundtour, Schadstofemissionen ermitteln und vieles mehr. PTV SmarTour ist multiuser-fähig. Das bedeutet, die Software kann an mehreren Arbeitsplätzen eingesetzt werden, damit die Disponenten kooperativ im Team die Touren planen - bei getrennten Verantwortlichkeiten. Sie haben den Überblick über alle Kunden, Depots, Fahrzeuge, Warenströme und Niederlassungen. Auch die getrennte Planung mit Übersicht über die Planungen der Kollegen ist möglich. Dabei kann das Unternehmen den Grad der Kooperation und Integration individuell festlegen. Die an Standardprogrammen orientierte Oberfläche erlaubt den intuitiven Zugrif auf alle nötigen Funktionen und lässt sich auf die Bedürfnisse anpassen. Individuelle Distanzmatrix Eine Distanzmatrix, kurz DIMA, ist bei vielen Tourenplanungsprogrammen nötig. Doch sie bildet nicht immer exakt die Realität ab. Schließlich ist ein Sprinter schneller als ein Vierzigtonner, der außerdem nicht unbedingt die gleichen Strecken fahren kann, wie ein kleineres Fahrzeug. Deshalb Abb. 1: Der Disponent erhält alle Informationen übersichtlich und anschaulich auf der modernen, benutzerfreundlichen Oberfläche angezeigt. gibt es nun für verschiedene Fahrzeugprofile eine eigene DIMA, was die Planung wesentlich realistischer macht. Musste ein Disponent früher bei komplexen Aufgaben bis zu zwei Stunden warten, bis die DIMA aufgebaut war, so ist dies nun in wenigen Sekunden erledigt. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Theoretische Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat PTV ein Routingverfahren entwickelt, das auf einem intelligent ausgedünnten Streckennetz rechnet („Contraction Hierarchies“). Auf Basis von individuell einstellbaren Suchgraphen liefert dieses Verfahren schnellere und zuverlässigere Ergebnisse. Die Software ist beliebig skalierbar und der Anwender bekommt genau so viel Applikation und Performance, wie er benötigt. Messbarer Nutzen Einen der größten Hebel zur Kostensenkung in der Logistik stellt die Verbesserung der Transportabläufe dar. Denn häufig bleiben viel Zeit, Kilometer und damit Geld auf der Strecke. Um Aufträge kostenoptimal zu Touren zusammenzustellen, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden: geografische (Wo sitzen welche Kunden? ), zeitliche (Öfnungszeiten beim Kunden, Lieferzeitfenster, Lenk- und Ruhezeiten, fixe Besuchstermine) und fahrzeugbezogene (Welcher Fahrzeugtyp für welche Lieferung? Welche Fahrzeuge sind frei? ). Je komplexer die Randbedingungen sind, desto schwieriger ist es für den Disponenten, die Touren bestmöglich zu planen. Gefüttert mit den relevanten Daten, schlägt die Software automatisch Touren vor und berücksichtigt dank ihrer Algorithmen alle wichtigen Restriktionen. Dennoch wird der Disponent keineswegs überflüssig. Er weiß am besten, wie er reagieren muss, wenn ein Fahrer ausfällt, die Straße gesperrt ist oder ein Kunde die Warenannahme verweigert. Aber die Software entlastet ihn und kann die Kosten um bis zu 15 % senken − ein Einsparpotenzial, das bei einer manuellen Planung nicht ausgeschöpft werden kann. Die Software lohnt sich für jeden, der einen Fuhrpark ab fünf Fahrzeugen steuert. Davon profitieren die Warendisposition und das Controlling der Transportleistung ebenso wie der Lieferservice für den Kunden. Amortisiert hat sich die Investition aufgrund der deutlichen Ersparnis hinsichtlich Tourlänge, Tourdauer und Kosten oft innerhalb eines Jahres. Lekkerland, Nobilia, Rockwool International, CWS oder Viessmann − Unternehmen verschiedenster Branchen vertrauen seit Jahren auf Tourenplanungssoftware der PTV. Zu den ersten Kunden, die sich für PTV SmarTour entschieden haben, gehören die MeierExpress Sàrl, ein europaweit tätiges Feinlogistik-Unternehmen, und die GWS Sicherheitsservice Geld-, Wert- und Sachtransporte GmbH. Die PTV bietet auf ihrer Webseite den kostenlosen Quick Check an, der konkret an den eigenen Daten zeigt, welche Optimierungspotenziale die Software bietet. www.ptv.de/ quick-check. ɷ Petra Gust-Kazakos, M.A. PR-Managerin, Corporate Communications PTV Planung Transport Verkehr AG petra.gust-kazakos@ptv.de TECHNOLOGIE Tourenplanung Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 61 Algerien Erste Metrolinie in Algier Der algerische Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika eröfnete am 31.-Oktober die erste Metrolinie der Hauptstadt Algier. Als Konsortialführer übergab Siemens die Bahngesamtanlage schlüsselfertig. Zum Lieferumfang von Siemens gehörten das automatische Zugbeeinflussungssystem Trainguard MT CBTC, das Funkübertragungssystem Airlink und das Zugortungssystem Digiloc. Installiert wurden ferner das Telekommunikationssystem, die Bahnstromversorgung, die Gleisanlagen sowie das Fahrkartenbezahlsystem. Das Unternehmen zeichnet zudem für die Technik der Betriebsleitzentrale, das Projektmanagement und die gesamte Projektplanung verantwortlich. Konsortialpartner waren Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles S.A. (CAF) und Vinci Construction. Auftraggeber ist die Verkehrsgesellschaft Entreprise Métro d’Alger (EMA). Eröfnet wurde der erste Streckenabschnitt der Linie 1. Die Strecke verläuft mit zehn Stationen von Süden kommend in Richtung Norden und entlang der Küstenlinie in Richtung Westen bis ins Stadtzentrum von Algier. Mittelfristig beabsichtigt EMA, die Linie um 3,5 km zu verlängern. Betrieben wird das erste Teilstück von RATP El Djazaïr, einer Tochtergesellschaft der Pariser Verkehrsbetriebe. Für die gesamte Metrolinie rechnet EMA mit etwa 300 000 Fahrgästen pro Tag. Ein weiterer Ausbau des Metronetzes in Algier auf insgesamt drei Linien ist geplant. (cm/ zp) Siemens ETCS für ÖBB-Nordbahn Die Österreichische Bundesbahnen Infrastruktur AG hat Siemens Mobility and Logistics mit der Ausrüstung der Nordbahn-Strecke zwischen Wien und Břeclav (Tschechien) mit dem europäischen Zugsicherungssystem (ETCS) beauftragt. Auf dem 87 km langen Teilstück wird ETCS Level 2 vom Typ Trainguard 200 RBC installiert und es werden elf Bahnhöfe damit ausgestattet. Das gesamte Auftragsvolumen beträgt rund 7-Mio. EUR. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2013 geplant. Zusätzlich beinhaltet der Vertrag eine Option für die Ausrüstung des zentralen Verkehrsknotenpunkts Wien-Hauptbahnhof für rund 4,5 Mio. EUR. (zp) Schweiz Verbot der Grauguss-Bremssohlen Die Schweiz will bis zum Jahr 2020 die Lärm verursachenden Grauguss-Bremssohlen von Güterwaggons verbieten. So soll das Potenzial zur Lärmminderung in diesem Segment ausgenutzt werden. Das gab Dr. Peter Füglistaler, Direktor im Bundesamt für Verkehr BAV Schweiz, auf einem parlamentarischen Abend der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im deutschen Bundestag Ende Oktober bekannt. Im Gegenzug ist ein Umrüstprogramm für Wagen geplant, die durch die Schweiz fahren. Daraus sollen auch ausländische Fahrzeughalter finanzielle Mittel für ihre Umrüstung erhalten. Füglistaler sieht die Schweiz damit in einer Vorreiterrolle, um den Bahnverkehr in Europa leiser zu machen. (zp) Eisenbahn-Bundesamt / Bundesamt für Verkehr Weniger Zulassungsbürokratie Deutschland und die Schweiz wollen künftig ihre Zulassungsverfahren für Schienenfahrzeuge gegenseitig anerkennen. Ein entsprechendes Abkommen haben die Leiter der beiden Zulassungsbehörden Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und Bundesamt für Verkehr (BAV) Ende September unterzeichnet. Die neue Vereinbarung konkretisiert ein Memorandum of Understanding (MoU) zur gegenseitigen Anerkennung von Zulassungsverfahren für Fahrzeuge („Cross Acceptance“) der Verkehrsminister der Niederlande, Deutschlands, der Schweiz, Italiens und Österreichs aus dem Jahr 2007. Aufbauend auf dem MoU haben EBA und BAV nun Rahmenbedingungen für die Inbetriebnahmegenehmigung von Eisenbahnfahrzeugen vereinbart, die auch eine Liste gemeinsamer technischer Anforderungen enthalten. Damit soll künftig die Doppelprüfung zahlreicher Punkte vermieden und so der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Antragsteller reduziert werden. Der Zugang zum schweizerischen Netz bleibt dabei an die Ausstellung einer Konformitätsbescheinigung durch den Infrastrukturbetreiber für jede betrofene Strecke gebunden. Auf deutscher Seite müssen Schweizer Fahrzeuge auch weiterhin die Bestimmungen des Infrastrukturbetreibers DB Netz erfüllen. In beiden Ländern benötigen laut EBA jährlich zwischen 50 und 100 Fahrzeuge die Zulassung für das Netz des Nachbarlands. Bisher wurden für das Verfahren jeweils rund zwölf Monate angesetzt. (cm/ zp) Stadler Rail Züge für Tschechien Anfang November hat die Stadler Pankow GmbH die ersten Fahrzeuge von insgesamt 33 Dieseltriebwagen vom Typ Regio-Shuttle RS1 an die Tschechische Staatsbahn České dráhy ausgeliefert. 16 der Leichtverbrennungstriebwagen Bis Ende 2012 erhält Tschechien 33 Regio-Shuttles. Foto: Stadler Rail mit Niederflurtechnik sollen künftig im Landkreis Liberec am Rande des Riesengebirges unterwegs sein, die restlichen 17 in der Region Vysočina im Süden Tschechiens. Die komplette Auslieferung ist bis Ende 2012 vorgesehen. (zp) Schleswig-Holstein Beheizte Brücke Die bundesweit erste Brücke mit durch Erdwärme beheizter Fahrbahn wurde Mitte Oktober freigegeben. Die Brücke in Berkenthin im Kreis Herzogtum Lauenburg über den Elbe-Lübeck-Kanal wird beheizt, um Glatteisunfälle zu verhindern und ihren Zustand den Verhältnissen auf bodengebundenen Straßen anzugleichen. Die Energie zur Temperierung der Fahrbahn kommt aus rund 80 m Tiefe. Von dort wird 11°C warmes Wasser an die Oberfläche gepumpt, wo es in einem Wärmetauscher ein Wasser-Glykol-Gemisch erwärmt. Dieses Gemisch erwärmt in einem geschlossenen Röhrensystem den Fahrbahnbelag, während das unbelastete Grundwasser mit Genehmigung der Wasserbehörde in den Elbe-Lübeck-Kanal geleitet wird. Wann, wo und wie lange die Heizung anspringen soll, wird durch ein kompliziertes Messsystem ermittelt. Das Rostocker Ingenieurbüro für Angewandte und Umwelttechnologie H.S.W. ist für die Fachplanung und die Überwachung der Anlage zuständig. (zp) INDUSTRIE + TECHNIK Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 62 Volvo Sound für Elektrofahrzeuge Um die Sicherheit im Verkehrsalltag zu erhöhen, gleichzeitig aber auch anzuzeigen, dass ein umweltfreundliches Elektrofahrzeug anrollt, entwickelt der schwedische Fahrzeughersteller Volvo in seinem Akustiklabor einen speziellen Sound. Zudem ist der Sound wichtig, um störende Nebengeräusche im Fahrzeug, die normalerweise vom typischen Motorengeräusch überdeckt werden, abzudecken - etwa Lüftung, Klimaanlage oder Fahrbahn- und Windgeräusche. Darüber hinaus wird im Labor auch daran gearbeitet, die Komponenten leiser zu machen. (zp) Atlantia Mautsystem für Frankreich Die italienische Autobahngesellschaft Atlantia hat als Mehrheitseigner des Konsortiums Ecomouv SAS mit dem französischen Verkehrsministerium einen Vertrag über die Errichtung eines satellitengestützten LKW-Mautsystems unterzeichnet. Damit soll auf einem 15 000 km langen Straßennetz die Ökosteuer eingenommen werden. Die Bauphase wird mit 21 Monaten angegeben. An Ecomouv ist unter anderem auch die Französische Staatsbahn SNCF mit 10 % beteiligt. (kk/ zp) Siemens Fahrerlose U-Bahn für Paris Seit einigen Wochen verkehren auf der ältesten und am stärksten frequentierten (bis zu 725 000 Fahrgäste täglich) Linie der Pariser Metro die ersten Züge fahrerlos. Siemens rüstete hierfür die Linie 1 mit einem vollautomatischen Zugsicherungssystem vom Typ Trainguard MT CBTC aus. „Unter rollendem Rad“ erfolgte die Installation der streckenseitigen Betriebsleittechnik und des kompletten Telekommunikationssystems. Auch die Umrüstung der Fahrzeuge sowie die Ausstattung der neuen Betriebsleitzentrale lag in den Händen der Bahnautomatisierungssparte des Unternehmens, das im November 2005 einen entsprechenden Auftrag der Pariser Verkehrsbetriebe (Régie Autonome des Transports Parisiens, RATP) erhielt. Mit dem vollautomatischen System können laut Hersteller eine dichtere Zugfolge und eine schnellere Fahrgastbeförderung realisiert werden als bei herkömmlichen fahrergeführten Systemen. Die Züge der Linie 1 können in einem Abstand von 85 Sekunden statt wie bisher 105 Sekunden fahren. Die Taktfolge der Züge kann zudem an das jeweilige Fahrgastaufkommen angepasst werden. Zunächst betreibt RATP die Strecke im Mischbetrieb. Bis Anfang 2013 sollen alle 49 Fahrzeuge für den fahrerlosen Betrieb umgerüstet sein. Die Zugbewegungen werden von der Leitzentrale gesteuert, die ebenfalls von Siemens geliefert wurde. Für zusätzliche Sicherheit an allen 25 Stationen sorgen spezielle Türen an den Bahnsteigen. (zp) Saudi-Arabien Mekka - Medina vergeben Die Saudi Railways Organization (SRO) hat Ende Oktober die Auftragsvergabe für die Haramain-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Mekka und Medina verkündet. Danach besteht das Konsortium unter Führung der saudischen Al Shoula aus dem saudischen Unternehmen Al Rosan sowie den spanischen Firmen Indra, Consultrans, Copasa, Imathia, Cobra, Dimetronic, Inabensa, der spanischen Tochter von Invensys Rail, der Renfe, Netzbetreiber ADIF, Ineco (Engineering-Unternehmen des spanischen Verkehrsministeriums) sowie Talgo. Der Auftragswert umfasst 6,736 Mrd. EUR. Zu dem Auftrag gehört der Bau der 444 km langen Strecke, die Lieferung von 35 Zügen mit einer Option auf 23 weitere Einheiten sowie der Betrieb über zwölf Jahre. Die Strecke wird für 320 km/ h, die Fahrzeuge werden für 300 km/ h ausgelegt. Die Talgo-Einheiten entsprechen den bei der Renfe eingesetzten Einheiten der Serie 102 und 112. Invensys Rail soll die Strecke mit 25 kV elektrifizieren und mit dem Zugsicherungssystem ETCS Level 2 ausrüsten. Zum Lieferumfang von 298 Mio. EUR gehört auch die Ausrüstung der Züge mit ETCS. Die Fahrzeit zwischen Mekka und Medina beträgt nach Fertigstellung nur noch 2,5 Stunden. (cm/ zp) Plasser & Theurer Weltneuheit zum Schweißen Einen neuen vollautomatischen Schienenschweißroboter hat Plasser & Theurer jetzt vorgestellt. Der APT 1500 R erfüllt die steigenden Anforderungen an die elektrische Abbrennstumpfschweißung und die neue europäische Schweißnorm EN 14587-2. Vor allem eine höhere Geometriegenauigkeit nach der Schweißung, der erfolgreiche Umgang mit hohen Bruchkräften und verbesserte Dauerfestigkeitswerte der geschweißten Schienen zeichnen das Gerät nach Herstellerangaben aus. Die neue Norm fordert zudem die Trennung von Einbringen des Schweißstroms, Klemmen der Schiene und Abscheren des Schweißwulsts in Druckrichtung. Die Schweißstromübertragung erfolgt an der Schienenkopfunterseite sowie an der Schienenfußoberseite. Dadurch verringern sich die Schleifvorbereitungsarbeiten. Die Klemmbacken sind so gestaltet, dass das Abschlei- Vollautomatisches Schienenschweißen Foto: Plasser & Theurer fen von Schienenkennzeichen (Walzzeichen) am Schienensteg nicht mehr notwendig ist. Eine weitere Besonderheit des neuen Schweißroboters ist die weltweit erste Wechselstromversorgung mit 1000 Hz Mittelfrequenz. Für die Schweißung selbst kommt Gleichstrom zur Anwendung, wodurch sich keine weiteren Abhängigkeiten von der Impedanz des Stromkreises ergeben. Die hohe Frequenz des Wechselstroms ergibt nach der Gleichrichtung eine sehr geringe Restwelligkeit der elektrischen Schweißspannung, was sich positiv auf die Schweißqualität auswirkt. Der Schweißroboter verschweißt Fahrschienen sowie vorgelagerte Schienen und kann Schlussbzw. Verspannungsschweißungen durchführen. Des Weiteren kann er zur Überbrückung in Stationäranlagen oder zum Schweißen in Schienenlagern eingesetzt werden. (zp) Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 63 Vossloh Kiepe / Hess Batteriebusse für Zürich Zwölf Batterie-Trolleybusse haben die Züricher Verkehrsbetriebe (VBZ) bei der Schweizer Hess AG und dem Düsseldorfer Antriebsspezialisten Vossloh Kiepe GmbH bestellt. Die Dopppelgelenk-Trolleybusse vom Typ Ligh Tram sind jeweils 24 m lang und verfügen über eine besonders große Beförderungskapazität. Der vollkommen emissionsfreie Betrieb wird durch den Elektroantrieb möglich, bei dem statt des sonst üblichen Dieselgeneratoraggregats eine Li- Ionen-Batterie eingesetzt wird und Oberleitungsbetrieb und Energiespeicherung über Li- Traktionsbatterien gekoppelt Die neuen Trolleybusse für die VBZ Foto: Vossloh Kiepe werden. Die Batterien werden während des Fahrens an der Oberleitung aufgeladen. Ergänzt wird die Leistungselektronik um ein leistungsstarkes Batterieladegerät, das in der Lage ist, die Batterie auch mit Bremsenergie zu laden. Dieses wird im Dachgerätegehäuse integriert und kann die Traktionsbatterie während eines Linienumlaufs wieder aufladen. Das System ist entsprechend den Züricher Anforderungen ausgelegt und kann oberleitungsfreie Strecken von bis zu 1,5 km im Linienbetrieb überbrücken. Die Lieferung der neuen Fahrzeuge an die VBZ beginnt im Herbst 2012. (zp) MAN Ausbau in Brasilien Forschung, Entwicklung und Produktion am brasilianischen Standort Resende im Bundesstaat Rio de Janeiro will der Nutzfahrzeughersteller MAN massiv ausbauen. Zwischen 2012 und 2016 sollen mehr als 400 Mio. EUR in Brasilien investiert werden. Von 2012 an will MAN die bislang vornehmlich in Europa verkaufte Marke MAN in Lateinamerika einführen. Dazu soll in Resende eine eigene Montagelinie für schwere Lastkraftwagen ab 400 PS eingerichtet werden. Bisher verkauft MAN in Südamerika Fahrzeuge unter der Marke VW. Die Marke wurde beibehalten, nachdem die Münchner 2009 Volkswagen das Lastwagengeschäft in Südamerika abgekauft hatten. (zp) Frost & Sullivan Ladeinfrastruktur für E-Autos Bis zum Jahr 2017 wird es voraussichtlich mehr als 2 Mio. öfentliche Ladestationen für Elektromobile in Europa geben. Das ist notwendig, um mit dem für den Markt für Elektrofahrzeuge erwarteten Aufschwung mithalten zu können. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan zur öfentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge wird der Markt von weniger als 10 000 öfentlichen Ladestationen im Jahr 2010 entsprechend anwachsen. Von den neuen Ladestationen sollen 3 % mit schnellen und induktiven DC/ DC- Ladekonzepten ausgestattet sein. Laut Studie belaufen sich die für die nächsten sieben Jahre geplanten Investitionen in Ladeinfrastruktur in Europa auf etwa 5 Mrd. EUR. Das Verhältnis der Anzahl von Elektroautos zu den Ladestationen beträgt in Europa derzeit 2,5 und soll bis 2017 auf 1,8 absinken. Die Wachstumsrate der öfentlichen Ladeinfrastruktur sei vor allem aufgrund der Initiativen von lokalen Verwaltungen in verschiedenen Ländern sehr hoch, so die Studie. Zudem müsse die bisher am meisten verbreitete Option langsamen Ladens innerhalb von sechs bis acht Stunden durch Schnellladesysteme ergänzt werden, damit immer genug freie Stationen im Stadtraum für den akuten Bedarf zur Verfügung stünden. Eine Schnellladung der Akkus sei jedoch derzeit noch relativ teuer und mit Sicherheitsproblemen behaftet. (zp) Fraunhofer IFF Wandel Moskaus in Hightech-Megacity Die Millionenstadt Moskau soll sicherer und intelligenter werden. Daran arbeitet das russische Unternehmen RTI Technologies. Das Magdeburger Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF soll den Konzern dabei als Forschungspartner unterstützen. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung ist in diesem Herbst unterzeichnet worden. Im Jahr 2030 werden schätzungsweise 20 Mio. Menschen in Moskau leben und arbeiten. Nun entwickelt das Privatunternehmen RTI Technologies im Auftrag der russischen Regierung Konzepte für eine intelligente und sichere Megacity. Das betrift zentrale Bereiche des gesamten Lebens der Millionenstadt: Transport und Verkehr, öffentliche Sicherheit, Wohnen und kommunale Dienste, Medizin und den Schutz vor Naturkatastrophen. In all diesen Bereichen sollen modernste Technologien das Leben in Moskau erleichtern. Beispiel Verkehr: Ein System aus Bildverarbeitung und satellitengestützten Navigationsdiensten soll künftig bei besonders hohem Verkehrsaufkommen Verbesserungen bringen, unterstützt von den IFF-Experten auf dem Gebiet der RFID- und satellitengestützten Logistik. Neben dem Fraunhofer IFF sind international agierende Unternehmen wie IBM, Microsoft, Thales oder EADS als Partner dabei. (zp) DLR Braunschweig als Verkehrstestfeld Unter der Regie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird Braunschweig zur „Anwendungsplattform Intelligente Mobilität“ (AIM), einem Testfeld für neue Mobilitäts- und Fahrzeugtechnologien, um den Straßenverkehr sicherer und fließender zu machen. Bis Ende 2013 soll eine entsprechende technische Infrastruktur installiert werden, die Unternehmen und Forschungseinrichtungen zur Erprobung neuer Technologien wie Fahrerassistenzsystemen oder fließenden „grünen Wellen“ nutzen können sollen. Mit dem dauerhaften Testgebiet soll die immer wieder neue Installation von Technik für meist kurzfristige Verkehrsforschungsprojekte künftig vermieden werden. Für die energieoptimale Kreuzung ohne Staus und Stopps wird bereits ein erstes Demonstrationsprojekt vom DLR vorbereitet: Die intelligente Ampel sendet die Zeitdauer der verbleibenden Grünphase und gibt diese per Funk an das sich nähernde Fahrzeug. Das verknüpft diese Information mit seinen Positionsdaten und leitet daraus eine Tempoempfehlung ab, die direkt im Tachofeld des Autos angezeigt wird. Um künftig die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger zu fördern, wäre auch eine Anzeige der Abfahrtzeiten von Zügen möglich sowie die verbleibende Zeit, die der Autofahrer noch bis zum Bahnhof hat. Zudem ist ein Simulationsmodell zum Verkehrsnetz und -fluss der Stadt zu unterschiedlichsten Zeiten vorgesehen. Darüber hinaus sind Car-to-Car-Kommunikationstests etwa zur Vermeidung von Zusammenstößen geplant. Der Bund und das Land Niedersachsen fördern AIM zunächst mit rund 15 Mio. EUR. (zp) INDUSTRIE + TECHNIK Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 64 Honeywell Aerospace Weniger Verspätungen und Unfälle Das kombinierte Enhanced Vision System / Synthetic Vision System (EVS/ SVS) von Honeywell Aerospace verspricht weniger Flugverspätungen und -ausfälle aufgrund schlechter Wetterverhältnisse und weniger Unfälle beim Landen. Die Technologie ermöglicht eine auf GPS gestützte 3D-Ansicht der Umgebung in Echtzeit. So wird die Flughöhe, bei der ein Landungsvorgang abgebrochen werden muss, weil die Landebahn nicht eingesehen werden kann, reduziert. Bisher gilt ein Wert von 200 ft Flughöhe, mit dem System soll die Entscheidungshöhe um mindestens 50 ft sinken. Somit sinkt auch die Zahl der Anflüge, die abgebrochen werden müssen. EVS/ SVS liefert dem Piloten zudem kontinuierlich Informationen, mit denen der zu erwartende Touch-down-Punkt ermittelt werden kann. So können Flugverhalten und die Endphase des Anflugs weiter angepasst werden. So genannte „runway excursions“ (unabsichtliches Verlassen der Landebahn), eine häufige Unfallursache im Flugverkehr, werden reduziert. Die Zertifizierung des kombinierten Systems durch die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) wird innerhalb der nächsten zwei Jahre erwartet. Honeywell Aerospace ist mit seinen Entwicklungen für das Air Traic Management (ATM) einer der Teilnehmer am Single European Sky ATM Research Programme (Sesar-Programm), einer von der EU-Kommission und Eurocontrol ins Leben gerufenen paneuropäische Initiative zur Vereinheitlichung, Harmonisierung und Synchronisierung der Dienste im Rahmen des europäischen Flugverkehrsmanagements. (zp) Skysails / Solarwaterworld Ökoyacht mit Wind und Sonne Eine Null-Emissionen-Yacht entwickeln gemeinsam das Hamburger Unternehmen Skysails und die Berliner Firma Solarwaterworld. Eine entsprechende Vereinbarung wurde Ende Oktober unterzeichnet. Die Yacht soll sowohl Solarkollektoren als auch einen Zugdrachen erhalten und damit die Vorzüge von Seglern und Motorbooten vereinen. Ist der Drachen gesetzt, dreht sich der Propeller unter Wasser mit, treibt einen Elektromotor an, der wiederum als Generator Strom erzeugt, der dann an Bord gespeichert wird. Nicht benötigte Energie könnte dann im Hafen ins Netz eingespeist werden. Auch ohne Sonnenschein und Wind soll die Yacht acht bis zehn Stunden fahren können. Ein Prototyp soll Ende 2012 fertig sein. Die Serienfertigung könnte dann 2013 beginnen. (zp) Fuso Schwer-Lkw mit Hybridantrieb Auf der Technik des „Canter Eco Hybrid" baut der zum Daimler- Konzern gehörende japanische Nutzfahrzeughersteller Fuso einen schweren Hybrid-Lkw auf. Das neue Fahrzeugkonzept feiert auf der „Tokyo Motor Show" vom 30. November bis 11. Dezember 2011 Messepremiere. Der jetzt vorgestellte „Super Great HEV" ist mit einem konventionellen Dieselmotor, einem Elektromotor/ Generator (Wandlung von Bremsenergie in elektrische Energie), einer Lithium-Ionen-Batterie zur Speicherung der Bremsenergie und der dazugehörigen Steuerungssoftware ausgerüstet und verfügt über ein paralleles Hybridsystem. Die Antriebskraft des Fahrzeugs wird also vom Elektromotor, dem Dieselmotor oder beiden erzeugt. Die ersten unter Realbedingungen durchgeführten Tests zeigen nach Angaben des Herstellers eine Verbesserung der Kraftstofeizienz um bis zu 10 % gegenüber konventionellen Fahrzeugen mit Dieselmotor im Langstreckenverkehr. Bremsenergie könne speziell bei Bergabfahrten gewonnen werden. (zp) Krone Neuer Trailer für Elvis Die Elvis Teilladungssystem GmbH hat Ende Oktober einen neu entwickelten Trailer vorgestellt, der die Ladekapazitäten pro Zug fast verdoppeln soll. Der Trailer wurde gemeinsam mit dem Fahrzeugwerk Bernard Krone entwickelt. Grundlage der Konstruktion ist das Chassis des Megaliners. Die Besonderheit liegt in der zweiten Ladeebene, die durch höhenverstellbare Zwischenböden entsteht. Die Zwischenböden sind unabhängig voneinander in drei Segmenten des Fahrzeugs in ihrer Position veränderbar und können so an die jeweils zu verladenden Sendungen angepasst werden. Durch diese Konstruktion können flache Packstücke in zwei Ebenen übereinander gestellt werden, auch wenn die Packstücke an sich nicht stapelbar sind. Eine weitere Besonderheit, deren Notwendigkeit sich aus der operativen Praxis im Teilladungssystem ergeben hat, ist die verlängerte Planenführung, die es ermöglicht, die Seite des Fahrzeugs komplett zu öfnen, ohne dass die zusammen geschobene Plane einen Teil der Öfnung verdeckt. Das Fahrzeug wird unter dem Namen „Elvis Vario Liner" zunächst exklusiv für die Kooperation Elvis produziert und verfügt über eine Kapazität von bis zu 60 Stellplätzen gegenüber 34-Plätzen bei herkömmlichen Trailern. (zp) Günzburger Steigtechnik Enteisungshilfe für Lkw Lkw-Fahrer müssen die Dächer und Planen ihrer Fahrzeuge vor der Fahrt von Eis und Schnee befreien. Die Günzburger Steigtechnik GmbH hat Enteisungsanlagen entwickelt, die an Raststätten oder Autohöfen sowie bei Speditionen oder Fuhrunternehmen fest installiert werden können und den Fahrern die Arbeit erleichtern. Handläufe am Aufstieg und ein Geländer sorgen für die Sicherheit der Fernfahrer. Foto: Günzburger Steigtechnik Die bis zu 18 m langen Konstruktionen bestehen aus Leichtmetallprofilen mit einem Plattformbelag aus Stahl-Gitterrost und stabiler Unterkonstruktion. Handläufe am Treppenaufstieg, ein Geländer an den Stirn- und Längsseiten sowie eine Sicherungskette sorgen für Sicherheit beim Begehen der Enteisungsgestelle und beim Arbeiten am Lkw. (zp) Deutscher Umweltpreis 2011 Preis für Energieforschungsprojekt des BMWi Ende Oktober erhielt die WS Wärmeprozesstechnik GmbH den Deutschen Umweltpreis 2011 der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Entwicklung der flammenlosen Oxidation (Flox). Durch eine besondere Durchmischung von Brenngas, Brennluft und rezirkulierendem Abgas reduzieren Flox-Brenner den Brennstofeinsatz um bis zu 50 % und die Stickoxidemissionen um bis zu 90 %. (zp) Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 65 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. 6. Heft November 2011 Europa am Ende? L iebe Kolleginnen und Kollegen, im vergangenen Jahr ist der Ton erneut schärfer geworden in Europa. Die globale Finanzkrise hat für die Webfehler innerhalb der europäischen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft als perfekter Katalysator gewirkt: wie im Domino standen und stehen vor allem die südeuropäischen Staaten der Reihe nach vor der Pleite. Sie konnten nur unter ganz erheblichen Anstrengungen aller EU-Partner gerettet werden - bislang. Wäre ein neuer Separatismus, der (Rück-)Weg zu den Nationalstaaten der bessere, der billigere Weg? Für Norwegen vielleicht. Für alle anderen Länder Europas dürften solche Erwägungen allerdings eine Sackgasse sein, führen sie doch zu einer Marginalisierung im globalen Maßstab und zu einer noch schnelleren Abhängigkeit von China und den Märkten Asiens. Die vernetzte Realwirtschaft würde so eine Kehrtwende ohnehin nur schwerlich nachvollziehen. Europa ist also keineswegs schon am Ende - hofentlich. Unser Verkehr wird weiterhin europäisch wachsen, die Entscheidungen dafür werden weiter in Brüssel fallen. So ist es folgerichtig, dass die DVWG sich erneut an der Ausrichtung des Europäischen Verkehrskongresses ETC (European Transport Congress) der Europäischen Plattform der Verkehrswissenschaften EPTS (European Platform of Transport Sciences) beteiligt hat. Er fand vom 09.-11. Oktober 2011 zum 9. Mal statt, diesmal in Warschau. Polen, das einzige EU-Land mit kontinuierlichem Wachstum in den zurückliegenden Krisenjahren, erwies sich dabei als idealer Gastgeber. Unter Leitung von Prof. Elzbieta Zaloga, Universität Stettin, und MEP Prof. Boguslav Liberadzki, Universität Warschau, diskutierten über 200 Teilnehmer aus 10 europäischen Nationen das Thema „Transport after the Crisis - what now? “. In vier Panelsitzungen wurde die Thematik aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und zu Kernaussagen verdichtet: •• Das Verkehrsaukommen in Europa wird weiter wachsen •• Die Kosten der Mobilität werden global weiter steigen •• Der Wert der Mobilität ist höher als ihr heutiger Preis Speziell wurde gefordert, dass die internationale Rolle der Schiene im Güter- und Personenverkehr im nachhaltigen Mobilitätsmix deutlich ausgebaut werden müsse. Während des ETC wurde zum 7. Mal der Europäische Friedrich- List-Preis für Nachwuchswissenschaftler vergeben. Zum Abschluss der Veranstaltung übergaben die Ausrichter die Kongressflagge und damit die Verantwortung für die kommende Veranstaltung an Dr. Janos Toth, Generalsekretär der KTE (Ungarische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft), der die gesamte EPTS für den Herbst 2012 zum dann 10. ETC nach Budapest einlud. Sie sehen: Europa ist noch nicht am Ende. Wenn es nach uns geht, noch lange nicht - versprochen. Kommen Sie und machen Sie mit - jetzt! Herzliche Grüße, Ihr V.l.n.r.: Sebastian Belz (EPTS), Sebastian Frohwann (Preisträger), Dr. Malgorzata Zielenkiewicz (Preisträgerin), Prof. Teresa Kaminska (Universität Gdansk), Prof. Piotr Niedzielski (Dekan Universität Szczecin), Boguslaw Liberadzki (MEP), Prof. Elzbieta Zaloga (EPTS) Foto: DVWG Sebastian Belz Generalsekretär der EPTS DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 66 Hybridbusse und mehr − der ganzheitliche Ansatz der Stadtwerke Krefeld zur Elektromobilität Am 31.05.2011 besuchte die Bezirksvereinigung Rhein Ruhr den Betriebshof der SWK Mobil GmbH in Krefeld. Burkhard Kuphal, Prokurist und Leiter der Instandhaltung Fahrzeuge und Infrastruktur, informierte uns hierbei in einem hochinteressanten Vortrag über das Projekt „Hybridbusse und mehr − der ganzheitliche Ansatz der Stadtwerke Krefeld zur Elektromobilität“. Die SWK Mobil GmbH ist über ihre Aufgaben im ÖPNV hinaus zuständig für die Instandhaltung sämtlicher 900 Fahrzeuge aller Art des Gesamtkonzerns Stadtwerke Krefeld-AG. Der Ansatz zur Einführung der Elektromobilität umfasst daher vier Fahrzeugkategorien der unterschiedlichsten Art: Straßenbahn, Hybridbusse, Elektro-Pkw und Abfall-Sammelfahrzeuge in Hybridtechnik. Darüber hinaus beinhaltet das Konzept die Leitthemen Energiereinsparung, aber auch Sauberkeit und Immissionsreduzierung, die als Marketinginstrumente auch zur Gewinnung zusätzlicher ÖPNV-Kunden dienen sollen. Elektromobilität ist in Krefeld zu allererst geprägt durch den bestehenden bewährten Straßenbahnbetrieb, der gerade erst durch die Neubeschafung von 19 Niederflur- Zweirichtungsgelenktriebwagen der Hersteller Bombardier und Vossloh/ Kiepe eine deutliche Modernisierung erfahren hat. Die neuen Fahrzeuge zeichnen sich u. a. aus durch ein erheblich vermindertes Fahrgeräusch, insbesondere in engen Kurven. Dies wird erreicht durch Kurvenschmierungsbzw. Schienenkopbehandlungsanlagen, die wahlweise in dem mittigen Laufgestell untergebracht werden können. Die Beschaffung einer zweiten Fahrzeugserie steht an. Bei der Erprobung von Hybridbussen beteiligt sich die SWK Mobil an einem Versuch Axel Sindram, Bezirksvereinigung Rhein-Ruhr in Regie des Verkehrsverbundes Rhein- Ruhr. Hierbei wurden für Verbundunternehmen mit unterschiedlichen Einsatzgebieten insgesamt 21 Fahrzeuge von fünf Herstellern beschaft. Die wissenschaftliche Begleitung obliegt dabei der TH Aachen. Ziel des Versuchs ist es, für die jeweiligen Verbundunternehmen das bestgeeignete Fahrzeug unter objektiven Kriterien zu ermitteln. Die Fahrzeuge werden im regulären Linienbetrieb eingesetzt, so dass von vornherein eine hohe Verfügbarkeit gefordert ist. Die Messergebnisse, insbesondere die Verbrauchsdaten, werden täglich an die zentrale Plattform des Bundes gemeldet. Die SWK Mobil hat zunächst vier Niederflur-Gelenkbusse MB-Citaro mit serieller Hybridtechnik beschaft. Sie verfügen über einen 4,6 l-Dieselmotor mit 160 KW Leistung im Vergleich zu üblichen Motorisierungen von 12 l und 240 KW. Hinzu kommt der Generator mit einer Leistung von 190 KW. Die Leistung der vier radnahen Elektromotoren an den Achsen 2 und 3 beträgt jeweils 80 KW, das maximale Drehmoment liegt bei 810 Nm. Die Lithium-Ionen-Batterie erbringt ein Gewicht von 350 kg. Hier hat schon eine deutliche Gewichtsreduzierung stattgefunden. Auch der Gewichtsunterschied des Gesamtfahrzeuges im Vergleich zu konventionellen Dieselbussen ist mittlerweile erheblich geringer geworden, beträgt jedoch insgesamt immer noch mehr als 1 t. Es wird angestrebt, etwa die Hälfte der Betriebszeit im rein elektrischen Betrieb abzuwickeln. Insbesondere das An- und Abfahren von Haltestellen könnte GPS-gesteuert regelmäßig abgasfrei erfolgen - ein Nutzen, der unmittelbar den Fahrgästen zugute kommt. Etwa 2/ 3 der Haltestellen im Liniennetz der SWK Mobil kämen für dieses Verfahren in Frage. Im Ergebnis werden als Folge der anstehenden Änderungen an den Fahrzeugen nennenswerte Ersparnisse im Verbrauchsverhalten eintreten. Mit der Beschafung von Elektro-Pkw für den unternehmensinternen Gebrauch möchte das Unternehmen die Komponenten erproben, die für eine weitere Verbreitung individueller Elektromobilität entwickelt und optimiert werden müssen, insbesondere öfentliche Ladestationen, Kupplungen sowie Registrierungs- und Bezahlsysteme. Es kommen zwei Pkw-Kastenwagen des Typs Fiat Fiorino zum Einsatz, die von mobilen Reinigungsteams benutzt werden. Diese bestehen aus zwei Mitarbeitern, welche die Haltestellen anfahren. Der Beifahrer reinigt ggf. die Bahn, während der Fahrer die Haltestelle reinigt. Anschließend fährt dieser der Bahn hinterher und nimmt den Beifahrer wieder auf. Das Qualitätsmerkmal „Sauberkeit“ wird den Fahrgästen auf diese Weise doppelt vermittelt. Bestellt, aber noch nicht im Einsatz sind vier Faun-Abfallsammelfahrzeuge in Hybridtechnik. Die Anschafung ist um etwa 50 % teurer als bei normalen Müllfahrzeugen und wird durch das BMVBS gefördert. Die technische Besonderheit dieser Fahrzeuge besteht in der rein elektrischen Auslegung aller Nebenantriebe (Ladevorrichtung, Presse), was zu einer Lärmreduzierung von 70 % gegenüber der herkömmlichen Technik führt. Der Fahrmotor wird nur für die Fahrten zum Einsatzgebiet und zur Entladestelle benötigt. Während der Ladefahrten kommt ein zusätzlicher 2 l-Pkw-Dieselmotor zum Einsatz, der für die Stromversorgung der Nebenaggregate und die Ladefahrt ohne weiteres ausreicht. Die gewonnene Bremsenergie wird hier in einen Supercap-Kondensator geleitet, der für die Aufnahme der zahlreichen kurzen Bremsvorgänge bis zum Stillstand besonders geeignet ist. Wenn alle vier Fahrzeuge ausgeliefert sind, werden sie die innerstädtischen Routen abdecken. Im Anschluss an den Vortrag konnte die Zentralwerkstatt mit den neuen Dach-Arbeitsständen für die Niederflurbahnen besichtigt werden. Zum Abschluss demonstrierte uns der neue Betriebsleiter, Stefan Fuchs, auf einer kurzen Stadtfahrt, dass der Hybridbus im alltäglichen Stadtverkehr auch über einen größeren Streckenabschnitt rein elektrisch gefahren werden kann. ɷ rhein-ruhr@dvwg.de Die „saubere Flotte“ für Krefeld Foto: DVWG Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 67 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Moderne Verkehrsbauten für neue Nahverkehrssysteme im Mittleren Osten D as Bauen boomt schon seit Jahren im Mittleren Osten. Herausragende Architekturen wie der Burj Khalifa in Dubai als höchstes Gebäude der Welt dominieren die Medien. Weniger lebhaft werden die Investitionen in neue Verkehrsinfrastrukturen und ihre Ausgestaltung diskutiert. Der Architekt Fabian Zimmermann vom Büro Atelier 4d (Berlin) ist schon seit Jahren planerisch in der Region unterwegs, u. a. für die Deutsche Bahn. Sein Anliegen ist es, die verkehrstechnischen Anforderungen mit der gestalterischen Ausbildung von Verkehrsbauten im Schienenverkehr zusammenzubringen. Über seine Strategien und Erfahrungen berichtete er in einem Vortrag, zu dem die Bezirksvereinigung Oberrhein und das Architekturschaufenster Karlsruhe im Juni geladen hatten. Städte wie Dubai, Abu Dhabi oder Doha sehen keine Alternativen zu neuen Bahninfrastrukturen, um dem enormen Bevölkerungszuwachs verkehrlich Paroli bieten und die Funktionsfähigkeit der Städte sicherstellen zu können. Entsprechende Programme haben die Städte aufgelegt. Die Metro in Dubai ist als erste in Betrieb gegangen und ist mit ihrer Architektur und ihrer Technik schon ein Highlight für sich. Zimmermann beleuchtete als erstes die Position des Kunden. Der Kunde fordert jeweils den letzten Stand der Technik, mag sich aber weder mit den technischen Details noch dem Zusammenwirken der Komponenten oder gar der Realisierung selbst beschäftigen. Die neuen Infrastrukturen müssen den subjektiven Wünschen und Erwartungen des Kunden entsprechen, versehen mit einem belastbaren Preisschild. Fragen des Planers hinsichtlich Details in der Aufgabenstellung und der Anforderungen gehen oft ins Leere. Also muss der Planer für eine Metro oder Stadtbahn sich zu Beginn selbst um die Anforderungen zum Beispiel an einen „Bahnhof“ oder um die „Bahnhofsdefinition“ kümmern. Was für eine städtebauliche Identität soll die neue Bahn bekommen? Bei allen Entwürfen gilt es, sich an internationalen Benchmarks zu orientieren. So ist es sehr mühsam herauszuarbeiten, wieso die Ausgestaltung der bekannten U-Bahnen von London oder Hongkong allen gefällt, nun gerade aber nicht auf Doha oder Abu Dhabi umsetzbar ist. Der Weg einer Definition eines Projektes dauert dann schon gerne mal länger als ein Jahr. Dr. Günter Koch, Bezirksvereinigung Oberrhein West Bay Central Station, Doha, Qatar, 2008 Foto: DB International GmbH/ Atkon AG Der Vortrag stellte beispielhaft die vielfältigen Anforderungen vor, die in einem Metroprojekt zu lösen sind. Nachhaltigkeit, Beleuchtung, Klima, Sicherheit und Brandschutz verbunden mit den gestalterischen Ansprüchen sind die herausragenden Themen für die Architektur. Das lokale Klima erfordert eine Auslegung aller Anlagen auf bis zu 60 ºC. Die Tunnelanlagen selbst müssen auf 45 ºC heruntergekühlt werden, um zum Beispiel noch eine Selbstrettung der Fahrgäste im Evakuierungsfall möglich zu machen. Die erforderlichen Raumvolumina der Station werden weniger von verkehrlichen Ansprüchen, als vielmehr vom Raumbedarf der notwendigen Technikräume, vor allem der Klimaanlagen, bestimmt. Nicht mehr die Bahnsteiglänge ist das Maß für die unterirdischen Stationen. Aus der europäischen Planungsperspektive ist das gewöhnungsbedürftig. Eine weitere Herausforderung sind die lokalen sozialen Randbedingungen. Forderungen nach bis zu drei Fahrgastklassen stellen enorme logistische Anforderungen an die Ausgestaltung der Bahnhofsanlagen und Fahrzeuge. Schließlich soll jede Gruppe den ihr zugedachten Komfort vorfinden. Das Beispiel Doha in Katar zeigt, dass für ein System mit über 100 Stationen nur durch eine konsequente Typisierung und Kategorisierung eine Planung in kürzester Zeit überhaupt möglich ist. Hier ist die Deadline mit der Austragung der WM 2022 gesetzt. Identitätsstudien für System und Linien sollen die Unverwechselbarkeit der Bahn herausstreichen. Abu Dhabi hingegen setzt auf den Bezug zur eigenen, sehr jungen Geschichte und versucht sich an gerade definierten Landmarken zu orientieren. Dabei müssen Herangehensweise und Ergebnisse der Planung genauestens hergeleitet und dokumentiert werden, um eine Zustimmung zur Planung durch den Kunden und die anderen Stakeholder zu erhalten. Die Planungstiefe ist letztlich eine ganz andere, die frühen Planungsphasen treten in den Vordergrund, die Ausschreibung wird zur reinen Arbeitsleistung und alle weiteren Details werden vom künftigen (General-) Unternehmer erwartet. In Mitteleuropa wäre eine solche Vorgehensweise undenkbar. Die noch junge Planungskultur der Region mit geringen eigenen Ressourcen muss sich auf die Kernaufgabe konzentrieren. Mit vielen Beispielen und Anekdoten öfnete Zimmermann den Blick auf eine andere Planungswelt, die sich im Wesentlichen auf westliche Technologien und Erfahrungen stützt, aber pragmatisch ihren eigenen Weg im Rahmen des Möglichen und Notwendigen sucht. ɷ oberrhein@dvwg.de DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 68 Im Westen geht die Sonne auf! − Junges Forum NRW am Neuanfang A m 29.09.2011 trafen sich in Wuppertal zum ersten Mal Vertreter des Jungen Forums aller vier nordrhein-westfälischen Bezirksvereinigungen, um eine gemeinsame Strategie für die künftigen Aktivitäten des verkehrswissenschaftlichen Nachwuchses im bevölkerungs- und hochschulreichsten Bundesland zu entwickeln. Obwohl das Potenzial der Zielgruppe in NRW insgesamt sehr hoch ist, war es in der Vergangenheit aufgrund der weiträumigen Verteilung der Standorte nicht gelungen, es in größerem Umfang zu aktivieren - es fehlte ein natürlicher Mittelpunkt! Dies wird sich nun ändern, indem „Ortsgruppen“ (das sind in der Regel Junges-Forum-Vertreter Vertreter des Jungen Forums aller vier nordrhein-westfälischen Bezirksvereinigungen beim Trefen in Wuppertal Foto: Sebastian Belz jeweils eines Hochschulstandorts) an einem zentralen Ort (z. B. Düsseldorf, Essen oder Bochum) organisiert werden. Ergänzt wird der Veranstaltungskalender von weiteren lokalen Veranstaltungen der jeweiligen Bezirksvereinigungen. Pro Jahr kommen 2-3 Organisationstermine hinzu. Auf diese Weise erhält man ein „gemeinsames Gerüst“ fixer Termine, etwa im Monatsrhythmus, die ausreichend Gelegenheit zum hochschulübergreifenden Informationsaustausch und Kontakteknüpfen geben. In einem ersten Schritt werden 2012 die Ortsgruppen an den Hochschulen Aachen, Köln, Wuppertal, Essen, Bochum, Dortmund und Münster eingerichtet. An jedem dieser Orte wird es einen benannten „Kümmerer“ geben, der die Termine des Jungen Forums NRW bekannt gibt und als Ansprechperson der DVWG zur Verfügung steht. Das Grundprogramm 2012 mit einem ersten Vortrag am 11.01.2012 (E-Ticket Deutschland in Köln) steht bereits. Der nächste Vorbereitungstermin findet im November statt, wiederum an einem zentralen Ort in NRW. Das Junge Forum NRW lädt alle Interessierten herzlich zum Mitmachen ein. Bitte meldet Euch/ melden Sie sich unverbindlich bei Sandra Hohmann (Bochum) oder Hendrik Ammoser (Köln). ɷ sandra.hohmann@rub.de, H-Ammoser@gmx.de Russisches Erdgas durch die Ostsee kann kommen I m November 2011 wird das erste Erdgas durch die vom internationalen Joint Venture Nord Stream AG geplante, erbaute und auch betriebene Ostseepipeline vom russischen Wyborg nach Lubmin bei Greifswald fließen. Der erste Strang dieser etwa 1220 km langen Gasleitung ist inzwischen komplett auf dem Boden der Ostsee verlegt worden. Er wurde am 25. April 2011 mit der Erdgasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindung-Leitung) verbunden. Damit ist die Verbindung zwischen den großen Erdgasstätten in Sibirien und dem europäischen Festland hergestellt. Der zweite Strang der Ostseepipeline befindet sich ebenfalls bereits im Bau und soll zum Ende des kommenden Jahres fertiggestellt werden. In einer gut besuchten Gemeinschaftsveranstaltung der Bezirksvereinigung Mecklenburg-Vorpommern der DVWG, dem Ostseeinstitut für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität Rostock sowie der Industrie- und Handelskammer zu Rostock berichtete der Kommunikationsbeauftragte der Nord Stream AG, Stefen Ebert, am 27. September 2011 in Rostock über die Planung und den Bau des Projekts. Nachdem alle umwelt- und baurelevanten Genehmigungen erteilt waren, wurde im April 2010 mit der Verlegung des ersten Stranges der Ostseepipeline begonnen. Insgesamt sind für die vorgesehenen zwei Rohrstränge je 100 000 Rohre mit einer Länge von 12,2 m und einem Innendurchmesser von 1,2 m zu verlegen. Die Produktion der 200 000 Rohre erfolgt zum größten Teil bei der Firma Europipe im deutschen Mühlheim (140 000). Der Rest wird im russischen Wyborg (50 000) und in Japan (10 000) gefertigt. Die von Nord Stream mit Modellcharakter für ähnliche Infrastrukturprojekte entwickelte Logistik umfasst im Wesentlichen den Transport der Rohre von den verschiedenen Produktionsstätten nach Mukran auf der Insel Rügen (am westlichen Ende der Pipeline) oder zum finnischen Kotka (am östlichen Ende der Pipeline), die Ummantelung der Rohre mit Schwerbeton und schließlich die Lagerung und zeitkritische Auslieferung der Rohre an die Verlegungsschife. Die Lieferung der Rohre nach Mukran bzw. Kotka erfolgt auf umweltfreundliche Weise hauptsächlich mit der Eisenbahn und zu einem geringen Teil per Schif. In Mukran und Kotka erhalten die Rohre eine Ummantelung aus Schwerbeton, die zum Schutz und für die sichere Lage auf dem Meeresboden Prof. Uwe Laue, BV Mecklenburg-Vorpommern Sebastian Belz erforderlich ist. Die dafür notwendigen Betonbeschichtungswerke wurden in Mukran und Kotka neu gebaut. Dadurch konnten im Vergleich zur möglichen Nutzung vorhandener Werke in Norwegen, Schottland oder Frankreich 60- Mio.- EUR Transportkosten und etwa 200 000 t CO 2 eingespart werden. Die Lagerung der ummantelten Rohre erfolgt in Mukran und Kotka sowie in drei weiteren Häfen (Karlskrona, Slite, Hanko). Diese fünf Standorte wurden so ausgewählt, dass die Entfernung vom jeweils nächstgelegenen Lagerplatz zu jedem Punkt der Verlegungstrasse 100 km nicht überschreitet. Dadurch können die Fahrten der Spezialtransportschife zum und vom Verlegungsschif innerhalb von 24 h durchgeführt werden. Um ein reibungsloses Verlegen der Rohre gewährleisten zu können, wurden vor Beginn der Verlegungsarbeiten bereits zwei Drittel der erforderlichen Rohre in den fünf Lagerorten eingelagert. Die Verlegung der Rohre erfolgt durch drei spezielle Verlegungsschiffe, auf denen die Einzelrohre miteinander verschweißt und dann in das Wasser und auf den Meeresboden abgelegt werden. Nach der bevorstehenden Inbetriebnahme des ersten Stranges der Ostseepipeline können jährlich 27,5 Mrd. m 3 Erdgas und nach Fertigstellung des zweiten Stranges insgesamt 55 Mrd. m 3 Erdgas für die Länder der Europäischen Union geliefert werden. Mit dieser Menge kann der Energiebedarf von fast 30-Mio. europäischer Haushalte gedeckt werden. ɷ mecklenburg-vorpommern@dvwg.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 69 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Nürnberg 24.04.2012 Forum Bahntechnik Innovationen der Bahntechnik für eine nachhaltige und umweltschonende Mobilität Karlsruhe 09.-11.05.2012 DVWG Jahrestagung und Jahresverkehrskongress Berlin 17.09.2012 10. DVWG Bahnforum Dresden 29./ 30.03.2012 23. Verkehrswissenschaftliche Tage Herausforderung Elektromobilität - Wie weiter mit dem öfentlichen Verkehr? Bitte vormerken für 2012: Berlin 08.12.2011 DVWG-Expertenforum: Mobilität sichern durch Kommunikation der Notwendigkeiten Kiel 01./ 02.12.2011 Kieler Seminar zu aktuellen Fragen der See- und Küstenschiffahrt Bezirk eMail 08.12.2011, 16.00 Uhr Crowd Management bei Großveranstaltungen Referent: Sabine Funk, GF wissenswerk Ort: Bergische Universität Wuppertal, Eugen-Langen-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7, Wuppertal 12.01.2012, 16.00 Uhr Neue Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung (ESG) Referent: Dr.-Ing. Harald Heinze, HJP Planer, Aachen Ort: Bergische Universität Wuppertal, Eugen-Langen-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7, Wuppertal Berg & Mark berg-mark@dvwg.de Berlin-Brandenburg Berlin-Brandenburg@dvwg.de 29.11.2011, 18.00 Uhr Auswirkungen der Fehmarnbeltquerung auf den Verkehr in den Ostseeanrainerstaaten Moderation: Christian Wiesenhütter (Stv. Hauptgeschäftsführer IHK Berlin) Referenten: Speditionsverband Hamburg, Scandlines, Schwedische Handelskammer Malmö, Femern A/ S Ort: Feleshus der Nordischen Botschaften in Berlin 18.01.2012, 16.00 Uhr Mitgliederversammlung der DVWG e.V. Bezirksvereinigung Berlin-Brandenburg Ort: IHK Berlin Mendelssohnsaal, Fasanenstr. 86, 10623 Berlin Nordbayern nordbayern@dvwg.de 08.12.2011, 16.00 Uhr Führung und Besichtigung Museum Industriekultur (anschließend Jahresausklang in der Tafelhalle) Referent: Matthias Murko , Leiter des Museums Industriekultur, Nürnberg Ort: Nürnberg, Äußere Sulzbacher Straße 60 - 62 19.01.2012, 16.00 Uhr Mitfahrerzentrale Nürnberg Referent: Jörg Prätorius, München Ort: Nürnberg, Verkehrsmuseum Nürnberg, Lessingstr. 6 Südbayern suedbayern@dvwg.de 08.12.2011, 17.00 Uhr Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Flughafen München GmbH Aktuelle Entwicklung am Flughafen München Referent: Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH Im Anschluss „Lichterfahrt“ über das Flughafengelände Ort: Flughafen München, Tagungszentrum Municon Württemberg wuerttemberg@dvwg.de 07.12.2011, 18.30 Uhr Verkehrsstammtisch des Jungen Forums der BV Württemberg Ort: Stuttgart, Weihnachtsmarkt auf dem Schlossplatz 12.12.2011, 17.30 Uhr Vorträge junger Verkehrswissenschaftler 2011 Ort: Stuttgart, Uni Vaihingen, Hörsaal V7.31 Niedersachsen-Bremen niedersachsen-bremen@dvwg.de 13.12.2011, 17.00 Uhr Kommt jetzt der Greyhound-Bus? - Die Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs in Deutschland Referent: Rainer Peters, Bereichsleiter der LNVG Ort: Hotel Loccumer Hof, Kurt-Schumacher-Str. 14/ 16, Hannover 19.00 Uhr Jahresempfang der BV Niedersachsen-Bremen Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen ➼ DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Zentrale Veranstaltungen SERVICE Entdeckungen Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 70 Dziekan, Katrin; Ahrend, Christine; Schreiber; Annika (Hrsg.) Reihe: Mobilität und Gesellschaft, Bd. 4, 2011, 240 S., broschiert, incl. CD ISBN 978-3-643-11121-0, EUR 29,90 easy.going Herausforderung barrierefreie Mobilität. Wirtschaft trift Wissenschaft Siebrandt, Michael 1. Aufl. 2010, 220 Seiten, kartoniert, Reihe: DVZ Praxis ISBN: 978-87154-494-7, EUR 54,- Professionelles Risikomanagement in der Logistik Chancen nutzen, Gefahren abwehren, Erfolg steigern W ir werden immer älter und wir wollen immer älter werden können - möglichst unter Beibehaltung einer hohen Lebensqualität. Wie können Autonomie und Mobilität in einer solchen Gesellschaft erhalten werden? Barrierefreie Mobilität ist dabei ein wichtiges Themenfeld, in dem auch kleine und mittlere Unternehmen zukünftige Marktchancen für ihre Produkte und Dienstleistungen sehen können. Zwei wichtige Themenfelder und deren Kombination sollen der Fachöfentlichkeit nahe gebracht werden: das Thema „Wissenstranfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft“, insbesondere mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), und das Thema „barrierefreie Mobilität im Sinne des Designs für Alle“. D as Taschenbuch „Professionelles Risikomanagement in der Logistik“ bietet eine kompakte Einführung in die Grundlagen und Methoden des Risikomanagements der Logistikbranche. Hierbei bilden Kapitel 5 und 6 die Schwerpunkte des Buches. Kapitel 5 beschäftigt sich mit potenziellen Risiken, die sowohl den Unternehmenserfolg eines Logistikdienstleisters als auch die Lieferkette seiner Kunden gefährden können. Immer komplexer werdende Supply Chains bringen eine immer größere Störungsanfälligkeit mit sich. Die Bandbreite reicht von IT- und Infrastrukturausfällen bis zu katastrophalen Großschäden. Anhand von zwei innovativen Pilotprojekten zeigt dieses Buch, wie konkrete technische Lösungen für die Beseitigung von Mobilitätsbarrieren in enger Kooperation von Wirtschaft, Wissenschaft und staatlichen Institutionen entwickelt wurden. Die barrierefreie Umfeldgestaltung sowie die Entwicklung von Produkten, die für alle Menschen gleichermaßen nutzbar sind, stellen angesichts der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Alterung der Gesellschaft eine wesentliche Herausforderung dar. Die Zahl der in Deutschland lebenden 80-Jährigen und Älteren wird kontinuierlich von heute etwa 4- Mio. auf rund 10- Mio. im Jahr 2050 steigen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft, Für die Logistikbranche ist Risikomanagement nicht nur eine existenzsichernde Maßnahme, sondern bietet darüber hinaus auch die Chance, dies für ganze Supply Chains zu übernehmen und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschafen. Das neue Buch „Professionelles Risikomanagement in der Logistik“: •• identifiziert die relevanten Risikobereiche •• zeigt konkrete Maßnahmen zur Identifikation, Bewertung, Reduzierung und Vermeidung von Risiken •• gibt konkrete Handlungsmöglichkeiten Das Konzept Design für Alle Rüstzeug für den Logistiker aber auch um die soziale Inklusion behinderter Menschen zu fördern, ist die Barrierefreiheit einer der Schlüsselfaktoren zur Sicherung einer hohen Lebensqualität, einer selbstbestimmten Lebensweise und sozialer Teilhabe. Die inhaltliche Forderung besteht darin, dass sowohl die bauliche Umwelt als auch das Verkehrssystem für alle Menschen ohne fremde Hilfe benutzbar sein muss. Dieses Ziel wird durch die 2009 in Deutschland in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention unterstützt. Das Buch soll Planungspraktiker, Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft, Studierende, Beauftragte für Menschen mit Behinderung, Mitarbeiter von Verbänden und alle Interessierten bei der Zusammenarbeit unterstützen. durch Checklisten, praktische Beispiele und Lösungsansätze. Erfolgreiches Risikomanagement erfordert ganzheitliches Denken und Handeln sowie Praxisbezug. Dieses Handbuch beleuchtet die verschiedenen Aspekte logistischen Risikomanagements - verbunden mit Arbeitshilfen, praktischen Beispielen und Lösungsansätzen - und stellt dem Leser das notwendige Handwerks- und Rüstzeug zur Verfügung. Es enthält zudem eine Reihe von Checklisten. Alternative Kreativitätsmethoden, beispielsweise szenario-orientierte Ansätze, werden weitestgehend ausgeblendet. SERVICE Entdeckungen Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 71 D ie Logistik hat sich als drittgrößte Branche im industriellen Umfeld etabliert. Sie ist in den letzten Jahren in hohem Maße interdisziplinär geworden und verbindet die Welt der Informationstechnik mit dem Management von Produktion und Handel sowie dem physischen Transport von Waren und Gütern. In dieser App finden sich die wichtigsten Begrife und Abkürzungen zu allen Facetten der modernen Logistik - von der IT bis zur Intralogistik, vom „A-Artikel" bis zum „Zweiseitenstapler". Die Inhalte basieren auf dem „Taschenlexikon Logistik“ von Prof. Michael ten Hompel und Dr. Volker Heidenblut. Die Einträge sind bewusst kurz und prägnant formuliert. So ist die App ein hilfreicher Begleiter bei der täglichen Arbeit ebenso wie im Studium. www.iml.fraunhofer.de E ine der größten Herausforderungen des 21.-Jahrhunderts ist die nachhaltige Energiegewinnung. Nanotechnologie bietet hier Lösungen, die bis vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären: Denn Energieumwandlung findet oft an Ober- und Grenzflächen statt − beides ist in Nanomaterialien überreichlich vorhanden. D ie neue Internetseite des VDI Wissensforums ist seit 10. Oktober online. Zentrales Werkzeug ist der Eventfinder, mit dem Ingenieure und technische Fach- und Führungskräfte Veranstaltungen einfach und gezielt suchen können. Die Auswahl erfolgt nach Themen und Rubriken - als Ergebnis werden alle passenden Events aufgelistet, vom großen internationalen Kongress bis zum Seminar. Der Eventfinder bleibt dem Nutzer auf allen Ebenen erhalten, sodass er auf jeder Seite und Unterseite darauf zurückgreifen kann. Nach Auswahl einer Veranstaltung bietet der Eventfinder unter anderem den Schnellzugrif auf das ausführliche Programm-Pdf mit dem detaillierten Ablauf und den Referenten sowie auf die bequeme Anmeldung per Online-Formular. Außerdem lässt sich zu jedem Event eine eigene Unterseite ansteuern, die alle wichtigen Informationen im Überblick gibt. Unternehmen, die sich auf einer Veranstaltung als Aussteller präsentieren möchten, können sich hierzu ebenfalls direkt informieren. Die Möglichkeit, Seiten über soziale Netzwerke oder per E-Mail zu empfehlen, rundet das Angebot ab. www.vdi-wissensforum.de Trotz dieses enormen Potenzials haben bislang weder praktikable noch visionäre Anwendungen einen Weg auf den Markt gefunden. Zum einen liegt dies darin begründet, dass die Übertragung von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in die Industrie noch verbesserungsbedürftig ist. Auf der anderen Seite standen bis heute keine ausreichenden Mengen der benötigten Nanomaterialien zur Verfügung. Die von CeNIDE-Mitglied Prof. Dr. Markus Winterer organisierte Winterschool „Nanomaterials for Energy Applications“ will die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Industrie vertiefen. Schwerpunkte der Winterschool sind die Anwendungen von Nanomaterialien in Batterien, Brennstofzellen, Solarzellen, Thermoelektrika und in der Katalyse. Die Winterschule findet vom 7. bis 9. Dezember 2011 in der Mercatorhalle im CityPalais in Duisburg statt. www.uni-due.de/ cenide/ winterschool Winterschule zu Nanomaterialien in der Energietechnik Gezielte Suche für Ingenieure Grafik: CeNIDE Grafik: Fraunhofer IML Foto: VDI APP IN DIE MODERNE LOGISTIK SERVICE Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, Straße des 17. Juni 135, D-10623 Berlin, frank.straube@tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas haas@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Freie Mitarbeit und Redaktion Spezial: Kerstin Zapp kerstin.zapp@dvvmedia.com Dr. Karin Jäntschi-Haucke, hgs@dvwg.de (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 48 vom 1. Januar 2011. Vertrieb Riccardo di Stefano Bezugsgebühren: Inland EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.), Ausland EUR 154,00 (inkl. Porto). Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 25,00 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. 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Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: Titellayout: Fiona McIntosh/ Karl-Heinz Westerholt Getty Images Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Herstellung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf, www.tz-verlag.de Internationales Verkehrswesen Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 29.11.-1.12.11 Hamburg (D) Intermodal Europe 2011 Info: IIIR Exhibitions, London Tel. +44/ 20 7017 79 09, Fax +44/ 20 7017 78 18 intermodal@iirx.co.uk www.intermodal-events.com 1.12.11 Hannover (D) Logistikland Niedersachsen - Quo vadis? Info: Logistikportal Niedersachsen, Hannover Tel. +49 (0)511/ 35 77 92 18 verein@logport-nds.de www.logport-nds.de 6.-8.12.11 Berlin (D) STUVA-Tagung '11 Info: Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e.V. Tel. +49 (0)221 597950, Fax +49 (0)221 5979550 info@stuva.de www.stuva.de 8.-10.12.11 Istanbul (TR) Logitrans 2011 Info: Messe München Tel. +49 (0)89/ 9 49-202 44 petra.gagel@messe-muenchen.de www.logitrans.com.tr 23.-24.1.12 Frankfurt/ Main (D) Ökonomie neu denken − Die Wirtschaftswissenschaften zwischen Wirtschaft und Wissenschaft Info: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen Tel. +49 (0)201-84 01-140 ann-katrin.schroeder@stifterverband.de www.stifterverband.info/ veranstaltungen 25.-27.1.12 Goslar (D) 50. Deutscher Verkehrsgerichtstag Info: Deutscher Verkehrsgerichtstag Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft, Hamburg Tel. +49 (0)40/ 89 38 89 service@deutscher-verkehrsgerichtstag.de www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de 26.1.12 Wilhelmshaven (D) 2. Regionalkonferenz Logistik - Grüne Logistik - Innovative Lösungsansätze in der betrieblichen Praxis Info: Oldenburgische Industrie- und Handelskammer, Oldenburg Tel. +49 (0)441/ 22 20-209 stefanie.buhrs@oldenburg.ihk.de www.ihk-oldenburg.de 6.2.-7.2.12 Berlin (D) Internationale Konferenz „Städtischer Wirtschaftsverkehr“ Info: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH Tel. +49 (0)30 39001-258 Bertz@difu.de www.difu.de/ veranstaltungen/ 2012-02-06/ internationale-konferenz-staedtischer-wirtschaftsverkehr.html 8.-9.2.12 Bochum (D) 12. Internationales CAR-Symposium Info: Lehrstuhl für A-BWL und Automobilwirtschaft Center Automotive Research, Universität Duisburg-Essen Tel. +49 (0)203/ 379 1111 ferdinand.dudenhoefer@uni-duisburg-essen.de www.uni-due.de/ car 9.2.-10.2.12 Dortmund (D) Dortmunder Konferenz 2012 − Raum- und Planungsforschung Info: TU Dortmund Tel. +49 (0)231 755 48 22 joachim.scheiner@tu-dortmund.de www.vpl.tu-dortmund.de 15.-17.2.12 Karlsruhe (D) IT-TRANS − IT-Lösungen im ö entlichen Personenverkehr Info: Karlsruhe - Messe und Kongresse Tel. +49 (0)721 3720 5140 jochen.georg@kmkg.de www.it-trans.org 29.3.-30.3.12 Dresden (D) Herausforderung Elektromobilität − Wie weiter mit dem ö entlichen Verkehr? Info: TU Dresden Tel. +49 (0) 351 2152 78 00 info@cmd-congress.de tu-dresden.de/ die_tu_dresden/ fakultaeten/ vkw/ events/ vwt/ vwt_aktuell/ mitwirkende/ veranstalter.html TERMINE + VERANSTALTUNGEN 29.11.2011 bis 30.03.2012 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schi undhafen.de, www.dvz.de Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 73 HERAUSGEBERBEIRAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Michael P. Clausecker MBA, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Leiter Sonderprojekte DB Mobility Logistics AG Frankfurt Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Heiner Hautau Prof. Dr., ehem. Präsident der DVWG, Geschäftsführer des Instituts für Stadt- und Raumplanung Instara GmbH, Bremen Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information O cer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Hans-Joachim Welsch Dipl.-Kfm., Geschäftsführer der Rogesa Roheisengesellschaft Saar mbH und der ZKS, Zentralkokerei Saar GmbH, Dillingen, sowie Ehrenbeirat des VBW, Duisburg Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolf Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Werner Lundt Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Klaus Milz Prof. Dr., Chief Country Representative European Union bei Bombardier Transportation, Machelen Stille Nacht am Flughafen? Herausgeberbeirat Annegret Reinhardt-Lehmann zum Nachtflugverbot D as Hessische Verwaltungsgericht hat am 11. Oktober 2011 dem Frankfurter Flughafen für die Nacht von 23: 00 Uhr bis 05: 00 Uhr ein absolutes Nachtflugverbot verhängt. Der Frankfurter Flughafen befürchtet, dass damit die Funktion des Flughafens als Tor zur Welt für die deutsche Wirtschaft gefährdet wird und wichtige Nachtflugfenster nach Übersee nicht mehr genutzt werden könnten. Frankfurt ist als einziger Flughafen Deutschlands mit Weltformat eng in das internationale Logistiknetzwerk eingebunden. Profiteure durch ein Nachtflugverbot wären vor allem Paris und Amsterdam, während die Luftfracht und die Arbeitsplätze in Frankfurt gefährdet würden. Den Belangen der Anwohner hatte der Planfeststellungsbeschluss Rechnung getragen, indem er eine Reduzierung der Nachtflüge von 50 auf 17 Maschinen ab dem 30. Oktober 2011 zwischen 23: 00 Uhr und 05: 00 Uhr festlegte. Darauf hatten sich der Flughafen und die Frachtwirtschaft eingestellt. Die Verunsicherung in der Branche ist groß. Alle Tangierten hofen nun auf ein schnelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, um Rechtssicherheit zu haben und auch künftig wirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu können. »Die Verunsicherung in der Luftfahrtbranche ist groß.« GASTKOMMENTAR Matthias von Randow Internationales Verkehrswesen (63) 6 | 2011 74 Verantwortungsvoll Luftverkehr gestalten! B eim Thema der Betriebszeiten unserer Flughäfen in Deutschland geht es nicht um ein Thema, das nur regionale Standorte oder einzelne Unternehmen betrift. •• Es geht um ein Thema von übergeordneter Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. •• Es geht um Deutschlands wichtigste internationale Luftverkehrskreuze. •• Insofern geht es darum, wie Deutschland als führende Exportnation an die internationale Mobilitätskette angebunden ist. Im letzten Jahr machte die Luftfracht nach Asien wertbezogen 32 % deutscher Exporte aus. Und bei den Exporten nach Übersee lag der Wertanteil der Luftfracht ebenfalls über 30 %. Und weil die Anbindung an die internationale Mobilitäts- und Logistikkette für Unternehmen so wichtig ist, suchen Unternehmen, die in Deutschland investieren, ganz bewusst Standorte in Flughafenumlandregionen: •• 83 % aller Direktinvestitionen in Deutschland erfolgen in diesen Flughafenumlandregionen. •• Rund ein Viertel der Unternehmen gibt an, dass sie ihren Standort wieder verlagern würden, wenn sich die Luftverkehrsanbindung erheblich verschlechtert. Hieraus leitet sich ein übergeordnetes staatliches Interesse für ein leistungsfähiges Luftverkehrssystem mit wettbewerbsfähigen Betriebszeiten ab. Ein Beispiel ist der Flughafen Frankfurt: Auf dieses Luftverkehrsdrehkreuz bezogen hat die Bundesregierung ein übergeordnetes staatliches Interesse an Nachtflügen mehrfach erklärt: •• 2007 in einer Stellungnahme des für Luftfahrt zuständigen Ministerialdirektors der Bundesregierung, •• 2009 in einem Schreiben des zuständigen Bundesverkehrsministers, •• im selben Jahr auch im Flughafenkonzept der Bundesregierung. Allerdings zeigt die Entwicklung, dass diese wirtschafts- und verkehrspolitische Verantwortung bis zum heutigen Tag nicht ausreichend in das Handeln der Bundesregierung umgesetzt werden konnte - und das obwohl nach dem Grundgesetz die Verantwortung für die Luftverkehrsverwaltung beim Bund liegt, also die Verantwortung, ein leistungsfähiges d. h. bedarfsdeckendes Luftverkehrssystem zu schafen. Bereits am 16./ 17. April 1998 hatten die Bundesländer auf ihrer Verkehrsministerkonferenz beschlossen, dass Bedarfsfeststellung und Planung der Flughafeninfrastruktur in die Bundesverkehrswegeplanung einbezogen werden soll. Bis heute aber gibt es kein Bedarfsgesetz für die Flughafeninfrastruktur in Deutschland. Wir leisten uns in Deutschland den Luxus, jede noch so kleine Ortsumgehung im Straßenbau erstens in einem aufwendigen Bundesverkehrswegeplan zu prüfen und festzuschreiben und zweitens dazu ein Bedarfsgesetz vom Deutschen Bundestag beschließen zu lassen. Aber für die für den Wirtschaftsstandort Deutschland so wichtigen internationalen Luftverkehrsdrehkreuze gibt es alles dies nicht. Was wir brauchen, ist eine stärkere Verankerung des staatlichen Interesses an einem leistungsfähigen Wirtschaftsstandort in der Bundesverkehrsplanung, die in einem engen Abstimmungsprozess zwischen Bund und Ländern zu erarbeiten ist. Eine solche Verantwortungsübernahme durch Bund und Länder würde die Meinungsbildung der Verwaltungsgerichte und insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts sicherlich mitprägen. Zumal das BVerwG gerade in seiner Entscheidung zu BER ja herausgestellt hat, dass standortspezifische Fragen durchaus relevante Argumente bei der Entscheidung über die Betriebszeiten von Flughäfen sind. ɷ Matthias von Randow Matthias von Randow (52) war bis Oktober 2008 Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), von Januar 2009 bis Juni 2011 Vostandsvollmächtiger bei der airberlin und ist seit dem 1. Juli 2011 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). ZUR PERSON Foto: Bildarchiv BDL Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Interessensgebiete (Zutreffendes bitte ankreuzen) Personenverkehr Güterverkehr Verkehrsinfrastruktur Verkehrslogistik Kombinierter Verkehr Verkehrssicherheit Verkehrspolitik Straßenverkehr Luftverkehr Schienenverkehr ÖPNV Seeverkehr Binnenschifffahrt Fußgänger- und Radverkehr Verkehrsplanung Verkehrstechnik Verkehr und Umwelt Verkehrsforschung Telematik und Verkehrsmanagement Verkehrswirtschaft Verkehrsrecht Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: privat dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: ja nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: ja nein Ort/ Datum Unterschrift Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. 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Heute ist es beinahe selbstverständlich, dass mit dem Zug im engen Takt auch ferne Ziele besser erreicht werden, als mit dem Flugzeug oder dem Auto. Allein in Deutschland nutzen jährlich 78 Millionen Reisende die ICE-Züge. Die ständig wachsenden Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft erfordern leistungsfähige und die Umwelt schonende Verkehre. Das führt zu einer integrierten Verkehrspolitik, bei der die Bahnen immer größere Verkehrsanteile übernehmen müssen. Erfahren Sie im Jahrbuch des Bahnwesens wie sich der Hochgeschwindigkeitsverkehr dieser Herausforderung stellt und welche nationalen und internationalen Perspektiven er hat. 20 Jahre Hochgeschwindigkeitsverkehr - nationale und internationale Perspektiven Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0429-4 Format 210 x 300 mm, 120 Seiten Preis: € 38,inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress, Telefon: +49/ 40/ 2 37 14-440, Fax: +49/ 40/ 2 37 14-450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Neuerscheinung Weitere Informationen sowie eine Leseprobe finden Sie unter www.eurailpress.de/ jdb Jahrbuch des Bahnwesens Edition 2011/ 12
