eJournals

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
51
2012
643
POLITIK Sind Elektrizität und Biokraftsto e die Zukunft des Automobils? LOGISTIK City-Logistik als strategische Option für Postdienstleister INFRASTRUKTUR Ausbau der Hafeninfrastruktur für die Schnellstraße Brasilien − China Im Interview: Ralph Beisel, ADV www.internationalesverkehrswesen.de Heft 3 Mai/ Juni | 2012 Transport and Mobility Management Infrastrukturausbau an deutschen Flughäfen Höhenflug edItorIal Frank Straube Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 3 »Luftverkehr wächst - trotz Turbulenzen der Wirtschaft« D ie Luftfahrt ermöglicht in einer global vernetzten Welt eine fast unbegrenzte Güter- und Personenmobilität. Deutlich wird dies in den vorläuigen Auswertungen des „Airports Council International“ für 2011. Sie weisen, trotz internationaler wirtschaftlicher Turbulenzen, einen weltweiten Anstieg des Personenverkehrs um 6,4 % aus. Das Luftfrachtvolumen stieg, nach einem Zuwachs in 2010 von 15,3 % auf 91,0-Mio.-t, nur leicht. Deutschland ist eine weltweite Verkehrsdrehscheibe und muss auch im Flugverkehr Kapazitäten erweitern, um weltweit konkurrenzfähig zu bleiben. Jedoch sollten verständliche Bedenken von Anwohnern ernsthaft in Ausbauplanungen integriert werden, um die Verhängung von Nachtlugverboten möglichst zu verhindern. Verkehrslogistisch bedeuten Nachtlugverbote, dass ganze Segmente aus Geschäftsmodellen der Luftfracht nicht bedient werden können, mit negativen Auswirkungen auf Beschafungs- und Distributionskonzepte und somit auf Arbeitsplätze in Handel und Industrie. Im Passagierbereich ist die Umsteigfunktion eines Flughafens ein entscheidender Wachstumsfaktor. Die Hubfunktion ermöglicht neben den originär abliegenden und ankommenden Passagieren ein Wachstum im Umsteigerbereich mit positiven Wirkungen auf Frachtvolumina durch Beiladung in Passagierlugzeugen. Dieses Konzept wurde auch bei der Planung des neuen Hauptstadtlughafens (BER) verfolgt. Der neue Willy-Brandt-Airport wird erstmals in der Metropolregion Berlin-Brandenburg ein nennenswertes Umsteigen zu internationalen Destinationen ermöglichen. Nach Inbetriebnahme sollen 27,0- Mio. Fluggäste im Jahr abgefertigt werden können, was in etwa dem Originäraukommen des Flughafens Frankfurt mit 26,0- Mio. Fluggästen pro Jahr entspricht. Weiteres Wachstum soll durch Umsteigerverkehre entstehen. Dies wurde im Vorfeld durch die Möglichkeit des modularen Ausbaus auf bis zu 45,0- Mio. Fluggäste berücksichtigt. In der Luftfracht ist die Zukunftsstrategie des BER auf Osteuropa und Asien ausgerichtet. Somit bleibt der Region nur eine schnellstmögliche Inbetriebnahme und einen dauerhaft zuverlässigen Flugbetrieb ihres neuen Flughafens zu wünschen. Neben Informationen zu Verkehrskonzepten in der Luftfahrt inden Sie in der vorliegenden Ausgabe Beiträge aus Praxis und Wissenschaft zu Themen, welche die Verkehrsprobleme von morgen lösen können. Nachhaltige Gestaltung citylogistischer Systeme, die Herausforderungen und Strategien von Expressdienstleistern in der Wachstumsregion Türkei oder die Anstrengungen Brasiliens, dem rasanten Güterverkehrsaukommen eine adäquate Verkehrsinfrastruktur bereit zu stellen, sind ebenso Thema wie die Nutzenbewertung abgasärmerer Motoren in der Binnenschiffahrt oder die Biokraftstofpolitik der Bundesregierung. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und nützliche Erkenntnisse. » Das Hubkonzept ermöglicht ein internationales Fluggastaufkommen. « Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de Ihr Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 4 POLITIK 14 Sind elektrizität und Biokraftstof die Zukunft? Andreas Kossak INFRASTRUKTUR 36 ralph Beisel Ein Interview mit dem Hauptgeschäftsführer der ADV über den Luftverkehr in Deutschland 38 Viel Neues im Westen Holger Ackermann 41 die drehscheibe in der Wüste Gernot Brauer 44 Schnellstraße Brasilien − China Dirk Ruppik LOGISTIK 20 logistikimmobilienmarkt: Kennzahlen, trends, Standorte Uwe Veres-Homm 23 tigerstaat am Bosporus Dirk Ruppik 25 Sprachkenntnisse und Kontakte unverzichtbar Kerstin Zapp 26 trimodal die Seehäfen entlasten Kerstin Zapp ➼ www. Sie inden „Internationales Verkehrswesen“ im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: b umfangreichem Hefte-Archiv b aktuellen Branchennews und Terminen HINWEIS Dieser Ausgabe liegt ein Newsletter der Trierer Hafengesellschaft mbH bei. Wir bitten um freundliche Beachtung. WISSENSCHAFT 16 externe efekte Peter Cerwenka Olaf Meyer-Rühle Stefan Rommerskirchen Kristin Stefan WISSENSCHAFT 47 Konsumentenrente versus ersparnisansatz Christian Winkler WISSENSCHAFT 28 City-logistik für das 21. Jahrhundert Stefan Spinler Matthias Winkenbach 32 ressourceneinsatz als nachhaltige Zielgröße in logistiksystemen Arnfried Nagel Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 5 INHALT Mai/ Juni 2012 DVWG-Nachrichten 69 Jahrestagung 2012 Strukturwandel - Strategien für die Mobilität 2030 73 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen RUBRIKEN 03 editorial 06 Momentaufnahme 08 Nachrichten 1 3 Kurz + Kritisch 61 Bericht aus Brüssel 62 Veranstaltungen 64 Industrie+technik 74 Service 77 Beirat Gastkommentar von Martin Zeil, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie und Stellvertreter des Ministerpräsidenten Seite 78 MOBILITÄT 52 Chancengerechtigkeit in der Mobilität Wiebke Unbehaun Tina Uhlmann Gerd Sammer Alexandra Millonig Bettina Mandl 56 Seit 111 Jahren elektrisiert Stephan Anemüller TECHNOLOGIE 58 abgasärmere Schifsmotoren fördern Jörg Rusche »Wir brauchen optimal miteinander vernetzte Verkehrswege.« ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrslughäfen (ADV) e.V., Berlin Seite 36 INTERvIEW INFRASTRUKTUR Eizienz durch bessere An- und Ablugverfahren MoMeNtaUFNaHMe Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 6 Hermann albers Präsident des Bundesverbandes Windenergie e.V., Berlin Kaum eine andere Technologie kann eine so große Leistungssteigerung vorweisen wie die Windenergie. In nur 20-Jahren hat sich die installierte Leistung der Anlagen von damals etwa 300 kW hin zu einer Leistung von bis zu 7500 kW entwickelt. Gegenwärtig ist über die Hälfte der 22 000 Windenergieanlagen in Deutschland älter als zehn Jahre. Dies zeigt das enorme Repoweringpotenzial − das Ersetzen alter Anlagen durch neue, leistungsfähigere bei gleichzeitiger Reduzierung der Anlagenanzahl. Doch bisher kommt das Repowering nur schleppend in Gang. Im Jahr-2011 wurden gerade einmal 123 MW durch 238 MW Leistung beim Repowering ersetzt. Das Problem: Überzogene Höhen- und Abstandsbegrenzungen vor Ort verhindern oft den Einsatz e zienterer Technologien. Hier brauchen wir ein Umdenken. Aus alt mach neu Foto: elbhoeft repower Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 7 Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 8 Salzburg Bessere Schienenanbindung Das Container Terminal Salzburg CTS steht vor einem Entwicklungssprung: Der wichtigste Umschlagplatz für Kombinierte Verkehre in Westösterreich und Südostbayern erhält nach 30 Jahren die direkte Anbindung an das Schienennetz aus Richtung Deutschland durch die so genannte „Westweiche“. Salzburg wurde im TEN-T Netzwerk der EU-Kommission zum „Comprehensive Network Gateway“ erklärt. Der Baubeginn ist für Ende Juli 2012 geplant, die Fertigstellung im Herbst 2013 vorgesehen. Die Inbetriebnahme ist mit der Umstellung auf den Winterfahrplan am 12. Dezember 2013 angesetzt. (hec/ zp) VDV Schmitz macht technik Voraussichtlich Anfang September wird Dipl.-Ing. Martin Schmitz Geschäftsführer Technik des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Er kommt aus der Geschäftsleitung der Vossloh Kiepe GmbH, Bereich Straßenfahrzeuge. Derzeit berät der frühere Hauptgeschäftsführer Adolf Müller-Hellmann den VDV in technischen Fragen. (ri/ zp) Flughafen Leipzig/ Halle ausbau läuft Der Flughafen Leipzig/ Halle erweitert seine Infrastruktur: Für 40- Mio.- EUR werden bis Ende 2012 im Nordbereich direkt neben dem Flughafen-Tower ein weiteres Vorfeld für bis zu sechs Großraumlugzeuge und ein Hangar gebaut. Auf der neuen Wartungsbasis sollen künftig unter anderem die am Flughafen stationierten Einheiten der Frachtluggesellschaft Volga- Dnepr vom Typ Antonow-124 untergebracht werden. (zp) Maschinen von Typ Antonov AN- 124 auf dem Vorfeld des Frachtbereichs Süd in Leipzig/ Halle. Foto: Mitteldeutsche Airport Holding / Schoßig Daimler Bernhard bleibt Dr. Wolfgang Bernhard bleibt bis mindestens Ende Februar 2018 im Vorstand der Daimler AG und Teil des Teams von Mercedes- Benz Cars. Der Aufsichtsrat des Unternehmens hat seinen Vertrag entsprechend verlängert. Bernhard ist seit 1992 im Konzern und seit Februar 2010 Vorstandsmitglied der Daimler AG und in dieser Funktion verantwortlich für die Produktion und den Einkauf Mercedes-Benz Cars sowie das gesamte Geschäftsfeld Mercedes-Benz Vans. (zp) Dr. Wolfgang Bernhards Vertrag läuft bis 2018. Foto: Daimler AG BGL Wandt kandidiert Hermann Grewer, seit 1995 Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), möchte aus Altersgründen im Oktober auf der Mitgliederversammlung des Verbands seinen Posten abgeben. Das Präsidium wünscht sich Adalbert Wandt, Präsident des Gesamtverbands des Verkehrsgewerbes Niedersachsen (GVN) und seit 1994 Vizepräsident des BGL, als Nachfolger. Er hat einer Kandidatur zugestimmt. (zp) Dortmund-Ems-Kanal ausbau Münster kommt Das letzte Nadelöhr des etwa 80 km langen Dortmund-Ems-Kanals zwischen Datteln und dem Abzweig zum Mittellandkanal bei Rheine wird nun ebenfalls beseitigt: 4 km in Münster, die breiter und tiefer werden sollen. Dann könnte in etwa zehn Jahren der Wasserweg zwischen dem Rhein und Berlin für große Frachtschife und Schubverbände mit 2,85 m Tiefgang und 11,45 m Breite durchgängig befahrbar sein. Dafür müssen unter anderem acht Brücken, die zum Teil zu den Hauptverkehrsachsen der Stadt zählen, nach und nach neu gebaut werden. Die Vorarbeiten sollen im September beginnen. (zp) Alpenregion toll+ kommt voran In den kommenden zwei Jahren soll das zur Steuerung des alpenquerenden Schwerlastverkehrs gedachte Mautsystem „Toll+“ vorangetrieben werden. Das haben die Verkehrsminister der Alpenländer auf ihrer gemeinsamen Konferenz im Rahmen des 5. Weltverkehrsforums Anfang Mai in Leipzig beschlossen. So wollen die Alpenstaaten zu einer verursachergerechten Anlastung externer Kosten der Umweltbelastung in der Alpenregion kommen. Grundlage des Beschlusses ist die zuvor verabschiedete „Legalp-Studie". Sie befasst sich mit der Vereinbarkeit dreier Verkehrssteuerungsinstrumente für den Schwerlastverkehr in der Alpenregion mit den Vorgaben des EU-Rechts, des internationalen Rechts sowie des nationalen Rechts. Die Alpentransitbörse, der Handel mit Emissionsrechten und das Mautsystem standen im Fokus der Studie. Sie ergab, dass die rechtlichen Hürden für Toll+ am niedrigsten sind. Das Konzept sieht Abgaben in variabler Höhe vor, die sich nach der Verkehrsdichte richten. Die Minister der Alpenländer wollen nun einen Zeitplan für die Umsetzung erarbeiten. Im Zeitraum 2025/ 2030 soll ein limitierendes Schwerverkehrsmanagementinstrument für den gesamten Alpenraum entstehen. (sm/ zp) BMVBS a8 und HGV Der oizielle Baubeginn der Hochgeschwindigkeitsstrecke Stuttgart - Ulm ist Anfang Mai erfolgt, gleichzeitig beginnt der sechsstreiige Ausbau der parallel verlaufenden A 8 zwischen Hohenstadt und Ulm-West. Mit der Umgestaltung des Stuttgarter Knotens und dem Neubau der Strecke über die Schwäbische Alb bis 2018 werden Engpässe auf dieser europäischen Achse beseitigt. Mit der neuen Schienenverbindung wird eines der dynamischsten Wirtschaftszentren Deutschlands mit Flughafen und Messe an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden. Die Fahrzeit von Stuttgart nach Ulm auf der Schiene soll mit Fertigstellung voraussichtlich 2020 von derzeit 54 auf 28 Minuten sinken. Durch die gemeinsame Realisierung beider Projekte soll die Belastung der Anwohner während der Bauphase gering gehalten werden. (zp) Still Verlängerung für Knoef Bernd-Jan Knoef bleibt bis mindestens 2017. Foto: Still GmbH Der Aufsichtsrat der Still GmbH hat den Vertrag des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Bert- Jan Knoef, um weitere vier Jahre verlängert. Knoef wird den Gabelstaplerhersteller und Anbieter für Intralogistiklösungen damit bis 2017 führen. Knoef ist seit 2005 Mitglied der Geschäftsführung bei Still und kommt von Linde Kältetechnik. (zp) Bei der neuen Logistik geht es um Geschwindigkeit. UPS liefert an mehr Geschäftsadressen bis 9 Uhr morgens als alle anderen. UPS transportiert jährlich fast 4 Milliarden Pakete und Dokumente und viele davon haben eine Geld-zurück-Garantie. Um die Anforderungen Ihres Unternehmens als auch die Bedürfnisse Ihrer Kunden zu erfüllen, können Sie aus zahlreichen Zustelloptionen wählen. Und was Sie versprechen, können Sie nun noch besser einhalten. Nutzen Sie diesen Wettbewerbsvorteil. Lassen Sie die neue Logistik für sich arbeiten. ups.com/ dieneuelogistik © 2012 United Parcel Service of America, Inc. Hessen Posch zurückgetreten Der hessische Verkehrs- und Wirtschaftsminister Dieter Posch hat sein Amt wie angekündigt zum 1.- Juni- 2012 abgegeben, um seinem Nachfolger vor der nächsten Landtagswahl Ende 2013 genug Zeit zur Einarbeitung zu geben. Nachfolger ist der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Florian Rentsch. (cm/ zp) Saarland Maas neuer Minister Neuer Saar-Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Arbeit und stellvertretender Ministerpräsident ist Heiko Maas, der SPD-Landesvorsitzende. Staatssekretär wird der Schatzmeister der Landes-SPD und Unternehmer Jürgen Barke. Das Kabinett von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wurde am 9.-Mai vereidigt. (cm/ zp) ITF Viegas Generalsekretär Die Verkehrsminister von 53 Mitgliedsstaaten haben José Manuel Viegas zum neuen Generalsekretär des Internationalen Transport Forums (ITF) gewählt. Er ist Professor für Bauingenieurwesen an der Universität in Lissabon und Vorsitzender eines Beratungsunternehmens für Transport- und Innovationssysteme. Das ITF ist eine zwischenstaatliche Organisation innerhalb der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) zur Förderung von Konsensbildung und Kooperation zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Öfentlichkeit und Politik bei der Gestaltung verkehrspolitischer Trends und Strategien. (zp) Slowakei Pociatek für Verkehr Neuer slowakischer Minister für Verkehr, Bauwesen und Regionalentwicklung ist Jan Pociatek. Nach seinem Amtsantritt hat er die Spitzen der Bahninfrastrukturgesellschaft ZSR, der staatlichen Güterbahn und der Personenverkehrsgesellschaft ausgetauscht. Pociatek war von 2006 bis 2010 bereits Finanzminister unter dem jetzt wieder amtierenden Premier Robert Fico. (roe/ zp) Bombardier, VDB, Allianz, Verkehrsforum Clausecker erhält diverse Posten Michael Clausecker, seit Ende März neuer Vorsitzender der Geschäftsführung bei Bombardier Transportation Deutschland, ist Mitte April zum neuen Sprecher der Unternehmen in der Allianz pro Schiene gewählt worden. Clausecker übernimmt das Amt von seinem Bombardier-Vorgänger Klaus Baur, der aus Altersgründen nicht noch einmal kandidierte. Als Förderkreissprecher und damit auch stellvertretender Vorsitzender der Allianz pro Schiene vertritt Clausecker künftig die Interessen von Bahnindustrie, Bahnbetreibern und Zulieferirmen im Schienenbündnis. Das Präsidium des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e. V. hat Clausecker Ende April zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Clausecker übernimmt diese Position ebenfalls von Baur, der auch aus dem Präsidium des Deutschen Verkehrsforums ausgeschieden ist, in das Clausecker ebenso gewählt wurde. Neu im Präsidium des Verkehrsforums sind darüber hinaus Reinhard Clemens (Deutsche Telekom AG), Dr. Ottmar Gast (Hamburg Süd), Stefan Kölbl (Dekra) und Michael Schmidt (BP). Dr. Uwe Franke (BP) und Prof. Dr. Gerhard Zeidler (Dekra) sind aus dem Präsidium ausgeschieden. (zp) Wissenschaftlicher Beirat BMWi Vorsitzwechsel Turnusgemäß hat der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) einen neuen Vorsitz gewählt. Prof. Achim Wambach, bisher stellvertretender Vorsitzender, löst Prof. Dr. Claudia Buch ab. Prof. Dr. Eckhard Janeba ist neuer Stellvertreter. Wambach hat einen Lehrstuhl für wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Uni Köln, Janeba ist Inhaber des Lehrstuhls für VWL, insbesondere Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik, an der Universität Mannheim. (zp) The future of mobility Messe Berlin GmbH · Messedamm 22 · 14055 Berlin Tel. +49(0)30/ 3038-2376 · Fax +49(0)30/ 3038-2190 innotrans@messe-berlin.de Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik Innovative Komponenten · Fahrzeuge · Systeme 18. - 21. September · Berlin www.innotrans.de InnoTrans 2012 NaCHrICHteN Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 11 Mega-Hub Lehrte Finanzierung zugesagt Die Finanzierung des Mega- Hubs in Lehrte scheint endlich gesichert. Wie Niedersachsens Verkehrsminister Jörg Bode am 7.- Mai sagte, habe Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer schriftlich die Finanzierung des Vorhabens nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz zugesagt. Allerdings fehle noch die Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und der Deutsche Bahn AG. Die Kosten für den Mega-Hub belaufen sich auf etwa 100-Mio.-EUR. (cm/ zp) Scandlines Führungswechsel Der Chef der deutsch-dänischen Fährreederei Scandlines, Bengt Pihl, hat Ende April das Unternehmen verlassen. Sein Nachfolger als CEO ist Søren Poulsgaard-Jensen, der bereits seit November 2009 maßgeblich an der Umstrukturierung von Scandlines beteiligt ist. Neuer Chief Financial O cer (CFO) wird Anfang August Per Madsen. Er ist seit 2008 CFO des Flughafens von Kopenhagen. (zp) Bosch denner wird Chef Dr. Volkmar Denner wird Anfang Juli neuer Bosch-Chef. Er übernimmt den Posten von Franz Fehrenbach, der zum 1.-Juli-2012 in den Aufsichtsrat wechselt. Denner ist seit 1986 bei Bosch beschäftigt, seit 2006 Mitglied der Geschäftsführung und ist für die Zentralbereiche Forschung und Vorausentwicklung, Technikkoordination und Produktplanung sowie User Experience aller drei Unternehmensbereiche zuständig. Im Juli wird er zusätzlich eine neue Funktion als Gesellschafter in der Robert Bosch Industrietreuhand KG übernehmen. (zp) Hamburg Süd Konrad im ruhestand Peter Frederiksen und Frank Smet teilen sich seit dem 1.- Mai die vielfältigen Aufgaben von Joachim A. Konrad, stellvertretender Sprecher der Geschäftsführung bei der Reederei Hamburg-Süd. Konrad wurde in den Ruhestand verabschiedet. Frederiksen war bisher kommerzieller Leiter der Region Europa für Hamburg Süd und ist nun für Sales & Marketing, Customer Order Management und die Region Europa verantwortlich. Smet hat zuletzt bei der Reederei die Hauptabteilung Line Management aufgebaut und ist nun unter anderem für das Network Management, Logistics und die Region Caribbean/ Latin America West Coast verantwortlich. (sm/ zp) VBW Interimspräsident Hans van der Werf wurde Ende März auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins für europäische Binnenschiffahrt und Wasserstraßen e. V. (VBW) interimistisch zum Präsidenten gewählt. Die Interimswahl war notwendig geworden, da Philippe Grulois zum Jahresanfang vom Präsidentenamt zurückgetreten war. (zp) BSH Kaufmann leitet Schiffahrt Seit dem 1. Mai leitet Jörg Kaufmann die Abteilung Schiffahrt des Bundesamts für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH). Er hat Christoph Brockmann abgelöst, der sich künftig auf seine Aufgaben als Vizepräsident der maritimen Behörde konzentriert. Kaufmann hat zuvor die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) geleitet. (zp) Österreich Start am Semmering Der Bau des „Semmering-Basistunnel neu“ (SBTn) hat Ende April oiziell mit dem ersten Spatenstich begonnen. Der 27,3 km lange Tunnel für rund 3,1-Mrd.-EUR soll Ende-2024 fertig sein. Der erste Tunnelvortrieb ist 2014 im Fröschnitzgraben geplant. (cm/ zp) HHLA / DB Getrennte Kombiwege Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und die Deutsche Bahn AG (DB AG) bereinigen ihre gemeinsamen Beteiligungen an Gesellschaften für den Containertransport auf der Schiene. Die HHLA übernimmt die Anteile der DB an Polzug (33,3 %) und Metrans (35 %). Im Gegenzug geht die bisherige 50 %-Beteiligung der HHLA an TFG Transfracht auf die DB über. Die operative Zusammenarbeit zwischen TFG und den HHLA-Containerterminals im Schienenverkehr mit dem Hamburger Hafen bleibt bestehen. Dies gilt auch für den Leistungseinkauf von Metrans und Polzug bei der DB und ihren Tochtergesellschaften. Über die Kaufpreise wurde Stillschweigen vereinbart. (zp) 8. ADAC / BASt-Symposium • 8 th ADAC / BASt-Symposium Kongresshaus Baden-Baden • 5. Oktober 2012 • 5 th October 2012 Sicher fahren in Europa Driving Safely in Europe Weitere Informationen und Rückfragen • For further information please contact: ADAC e. V. EU-Seeverkehr Zollformalitäten fallen weg Künftig können Waren auch im Seeverkehr zwischen EU-Häfen ohne aufwändige Zoll- und Grenzformalitäten befördert werden. Darauf haben sich das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten Mitte April unter dänischem Ratsvorsitz geeinigt. Mit technischer Unterstützung durch die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (Emsa) und ihr Safe Sea Net System wird kontrolliert, dass Schife im Short-Sea-Verkehr den europäischen Binnenmarkt nicht verlassen. (zp) DB AG Ziele 2020 Die Deutsche Bahn AG will bis 2020 ihren Umsatz auf 70-Mrd.-EUR nahezu verdoppeln, mit einer neuen Unternehmenskultur unter die zehn beliebtesten Arbeitgeber in Deutschland vorstoßen und in der Branche Vorreiter beim Umweltschutz werden. Diese Ziele sind Teil der neuen Strategie „DB 2020“, die Konzernchef Rüdiger Grube Ende März präsentiert hat. (zp) Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 12 Heft Nr. 4/ 12 IntellIgente Verkehrssysteme •    Große Messeausgabe zur InnoTrans, 18. - 21.09.2012 Berlin Industrieschaufenster Innovative Fahrzeugentwicklungen •    IAA Nutzfahrzeuge, 20. - 27.09.2012 Hannover Neueste Entwicklungen bei Lkw und Bussen erscheinungstermin: 06.08.2012 Anzeigenschluss: 09.07.2012 Heft Nr. 5/ 12 sICherheIt In Verkehr UnD trAnsPOrt •    New mobility, 22. - 24.10.2012 Leipzig Konzepte für die Mobilität von morgen •    TrolleyMotion, 23. - 24.10. 2012 Leipzig Neue Horizonte im Stadtverkehr - innovative elektrische Stadtverkehrssysteme •    ITS World Congress, 22. - 26.10.2012 Wien erscheinungstermin: 05.10.2012 Anzeigenschluss 10.09.2012 Heft Nr. 6/ 12 märkte UnD megAtrenDs In Der VerkehrsInDUstrIe (Alle Verkehrsträger) •    Dienstleister, Consultants •    Elektromobilität erscheinungstermin: 06.12.2012 Anzeigenschluss: 12.11.2012 Ihre Ansprechpartnerin: Sophie Elfendahl Tel.: 040/ 23714-220 sophie.elfendahl@dvvmedia.com Brunsbüttel / Nord-Ostsee-Kanal Neue Schleusenkammer Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat Mitte April den ersten Spatenstich für den Neubau der 5.- Schleusenkammer und somit die Sanierung der Schleusen in Brunsbüttel am Nord-Ostsee-Kanal gesetzt. Bauvorbereitende Maßnahmen wie Leitungsverlegungen laufen bereits, das Vergabeverfahren für die Hauptbauleistung soll in diesem Monat eingeleitet werden. Für den Neubau der 5.-Kammer ist mit einer fünfjährigen Bauzeit zu rechnen. Nach der Fertigstellung der 5.- Schleusenkammer als dritte große Schleuse in Brunsbüttel können die beiden vorhandenen, fast 100- Jahre alten großen Kammern saniert werden, ohne die Schiffahrt im Kanal erheblich zu beeinträchtigen. Mit mehr als 33 000 Schifen haben 5 % mehr Einheiten im vergangenen Jahr den Nord- Ostsee-Kanal im Transit- und Teilstreckenverkehr genutzt als 2010. (zp) Österreich ohne Handelsschiffahrt Österreich hat sich oiziell aus der gewerbsmäßigen Seefahrt zurückgezogen, weil das letzte Hochseeschif unter österreichischer Flagge 2011 seine Fahrten über die Weltmeere beendete. Die Umsetzung weiterer EU-Regelungen in diesem Bereich verursache einen unnötigen Mehraufwand. (zp) Planfeststellungsbeschluss elbvertiefung möglich Die Planfeststellungsbehörde der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord in Kiel und die der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation haben Ende April den Planfeststellungsbeschluss für die „Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe für 14,5 m tiefgehende Containerschife“ erlassen. Damit liegt die Genehmigung zum Bau vor. Voraussetzung dafür war das Einvernehmen der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Zum Schutz von Natur und Umwelt haben die beiden Planfeststellungsbehörden zusätzliche Regelungen getrofen wie eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Elbe. (zp) Flughafen Berlin Brandenburg eröfnung verschoben Der neue Flughafen Berlin Brandenburg (BER) in Schönefeld wird nicht wie geplant am 3.-Juni-2012 eröfnet. Das hat die Betreibergesellschaft am 8.- Mai mitgeteilt. Tests haben Probleme im Brand- und Katastrophenschutz, bei Meldewegen und Türabsperrungen aufgezeigt. Entsprechend bleiben die drei derzeitigen Berliner Airports in Betrieb und sollen den geplanten Sommerlugplan übernehmen. Neuer Starttermin wird voraussichtlich der 17. März 2013 sein. (zp) Metrans Zweites terminal Im tschechischen Česká Trebová baut Metrans derzeit ein zweites Terminal für den Kombinierten Verkehr (KV). Česká Třebová liegt etwa 180 km östlich von Prag, wo bereits ein Terminal existiert. In der ersten Baustufe soll die Umschlaganlage eine Abfertigungskapazität von etwa 150 Zügen pro Woche und einer Lagerkapazität von zunächst 4500 Standardcontainern (TEU) haben. Die Anlage wird über drei 90 m breite Portalkräne und sechs Gleise mit einer Länge von jeweils 700 m verfügen, wobei mit E-Loks direkt in das Terminal gefahren werden kann. Der Betriebsbeginn ist für Sommer 2012 geplant. (cm/ zp) Bundesstraßenmaut für LKW Von august an Nicht nur auf Autobahnen, sondern auch auf vielen wichtigen Bundesstraßen wird vom 1.- August 2012 an für LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 12 t eine Maut fällig. 1000 km Strecke werden in das System von Toll Collect einbezogen. Die Mautsätze sind denen für die Autobahnnutzung angepasst. Bei der Festlegung der mautplichtigen Bundesstraßen seien auch Rückmeldungen von Kommunen berücksichtigt worden, um Lkw-Ausweichverkehr von Autobahnen zu vermeiden. Der Bund erhoft sich zusätzliche Einnahmen von 100 Mio. EUR im Jahr, die in Straßeninvestitionen ließen sollen. Beim LKW-Mautsystem auf Autobahnen, für das Toll Collect einen Betreibervertrag bis 2015 hat, soll eine „technologieoffene“ Ausschreibung vorbereitet werden. Die Einführung des Systems für die Bundesstraßen kostet 14,3 Mio. EUR. Toll-Collect soll als Betreiber eine jährliche Vergütung von 30-Mio. EUR erhalten. (zp) Passagier- und Gepäckabfertigung: Probelauf in Berlin Foto: Günter Wicker/ Flughafen Berlin Brandenburg KUrZ + KrItISCH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 13 D er Kunde zahlt für das Auto und nicht für die Logistik - dies die kürzlich in einer Fachzeitschrift veröfentlichte Interviewmeinung des Logistikchefs eines bedeutenden süddeutschen Automobilherstellers. Wäre diese Aussage nicht vor dem Hintergrund von Preisverhandlungen mit Transportunternehmen gefallen, dann hätte man sie als unsinnige Bemerkung abtun können. Denn dass bei allen gehandelten Gütern die Logistikleistungen eingepreist und selbstverständlich als Produktbestandteil angesehen werden, ist unstrittig. Die gleichen Tatbestände gelten für alle anderen Vorleistungen, wie etwa Reifen, Autolacke, Sitze, Steuerungselektronik u. ä., aber auch für Marketingmaßnahmen und die milliardenschweren Werbeausgaben. Hier wäre übrigens die Frage angebracht, ob der Kunde beim Autokauf diese Werbeaufwendungen in Zeitschriften und elektronischen Medien wirklich bezahlen möchte. Jeder Kunde weiß, dass aufgrund des hohen Outsourcing von Teilelementen des Endprodukts die Transportlogistik entscheidend zur Produktentstehung und Marktfähigkeit beiträgt, ja unverzichtbar ist. In der Automobillogistik kommt noch hinzu, dass der Pkw-Endnachfrager in der Regel mit vergleichsweise hohen Überführungsentgelten vom Produktionsort bis zum Händler belastet wird. Diese sog. Überführungskosten werden jedoch nur anteilig den speziellen Transportdienstleistern vergütet und stellen damit sogar noch Zusatzerlöse für die Hersteller dar. Nein, die mehr als eigenwillige Feststellung des Logistikchefs ist keine amüsierende oder einfach nur Kopfschütteln bewirkende These. Das Problem liegt tiefer, ist genereller Natur und seit vielen Jahren den Beteiligten im Logistikmarkt (un-)wohl bekannt. Es geht um das Spannungsfeld von wirtschaftlicher Macht und Logistik. Die meist bei der modellhaften Ableitung optimierter Logistikkonzepte unterstellte Machtfreiheit geht an der Logistikrealität vorbei, einer Realität, die sehr häuig solche Logistikkonzepte umsetzt, die der marktstärkere Logistikpartner zur Optimierung seiner Abläufe durchsetzt. Dies bedeutet zugleich, dass Logistikkosten auf die schwächeren Marktteilnehmer verlagert werden und nur partielle Optimierungen der Logistikkette möglich sind. Zu diesen marktmachtschwächeren Logistikpartnern zählen viele Zulieferer generell und die Transportwirtschaft speziell. Bei fast allen Transportunternehmen, ob Güterbahnen oder Straßengüterverkehr, Binnen- oder Seeschiffahrt, zeigen sich strukturelle und gra- »Es geht um das Spannungsfeld von wirtschaftlicher Macht und Logistik.« Prof. Gerd aberle zu themen der Verkehrsbranche »Was ein Logistikchef glaubt feststellen zu müssen …« vierende Margenschwächen. Auf der anderen Seite können Verlader im Industriebereich vergleichsweise hohe, oft mit dem Faktor-3 und höher ausgestattete Margen erzielen. Und neben dem Preisdruck bei den Transportdienstleistern verdeutlicht ein zunehmend rüder Verhandlungsstil, wer letztlich das Sagen, sprich: die Marktmacht hat. Das spüren nicht nur kleine und mittelständische Transportbetriebe, sondern auch große und international aufgestellte Verkehrsunternehmen mit Milliardenumsätzen, aber fast existenzgefährdend niedrigen Umsatzrenditen im Transportgeschäft. Wenn derzeit, also in einer Phase hoher Verkäufe und satter Gewinne in der Premiumklasse der Automobilindustrie, einer dieser Hersteller die Logistikkosten als nicht vom Kunden akzeptierte Kosten darzustellen versucht, ist das nichts anderes als eine spezielle Ausprägung des Machtfaktors bei Ausschreibungen und Preisverhandlungen. Eine altbekannte betriebswirtschaftliche Erkenntnis lautet: Der Gewinn eines Unternehmens wird vor allem im Einkauf realisiert. Dies bedeutet aber auch, dass Vorleistungsprodukte einem ständigen und sich verschärfenden Margendruck unterliegen. Insbesondere die Transportwirtschaft kann hiervon mehr als ein Lied singen. Sich dann aber vom Logistikchef eines hochproitablen Industrieunternehmens sagen zu lassen, dass seine Kunden nicht bereit seien, für die Logistikleistungen zu zahlen, um mit dieser Feststellung Ausschreibungen und Preisverhandlungen zu begleiten, ist ein trauriges Beispiel für die Ausspielung von Marktmacht. Aber auch für die Verrohung der Umgangsformen im Logistikgeschäft. PolItIK Kraftstofe Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 14 Sind Elektrizität und Biokraftstof die Zukunft? Weltweit gibt es zahlreiche Studien zur Zukunft des Automobils. Diese weichen in ihren Zielvorstellungen teilweise erheblich voneinander ab und werfen die Frage auf, ob die aktuelle Biokraftsto -Politik der Bundesregierung den richtigen Ansatz verfolgt. U nter dem Eindruck der ersten „Erdölkrise“ Anfang/ Mitte der 1970er Jahre haben mehrere Staaten weltweit Studien zur „Zukunft des Automobils“ in Auftrag gegeben - darunter auch die USA und die Bundesrepublik. Der Titel der US-Studie lautete: „Changes in the Future Use and Characteristics of the Automobile Transportation System“; sie wurde 1979 veröfentlicht [1]. Der Titel der deutschen Studie war: „Szenario Automobil 2000“; sie wurde um 1980 abgeschlossen [2]. In jenen Tagen haben nicht wenige selbsternannte Fachleute „vorausgesagt“, dass es in Folge der Erschöpfung der Vorräte fossiler Energieträger spätestens im Jahr 2000 keinen motorisierten Automobilverkehr mehr geben werde - jedenfalls keinen mineralölbasierten. Foto: D. Schwen It has to be mandated Gemeinsam mit den Chefs der Forschungsabteilungen großer internationaler Automobilkonzerne war der Verfasser seinerzeit zu einer Anhörung des US-Kongresses zu dem Thema geladen. In deren Rahmen fragten Kongress-Mitglieder, ob es möglich sei, den mittleren Flottenverbrauch von Neu-Pkw auf 3 l Benzin/ Diesel je 100 km zu reduzieren - und wenn ja, wie lange das dauern würde. Die Antwort war: Es ist möglich! Ohne staatliche Förderung sind gut 20- Jahre erforderlich (drei Entwicklungszyklen), mit staatlicher Förderung wäre es in knapp zehn Jahren machbar. Es folgte die entscheidende Einschränkung: „But, it has to be mandated”; aber, es muss politisch angeordnet werden! Bekanntlich wurde es nicht angeordnet. Aufgrund der relativ geringen Energiedichte der seinerzeit verfügbaren Batterien und der Prognosen hinsichtlich der bis zum Jahr 2000 möglichen Fortschritte wurde das Elektroauto damals für absehbare Zeit nicht als auch nur annähernd substanzielle Alternative eingeordnet. Status 2012 Gut 30 Jahre später sind rund doppelt so viele Kraftfahrzeuge in Deutschland zugelassen; sie verwenden nach wie vor fast ausschließlich fossil basierte Kraftstofe. Nicht die kleinen energiesparenden Pkw oder Elektroautos sind die Stars der internationalen Automobil-Shows, sondern die schnellen, großen und teuren Modelle mit hohem Kraftstofverbrauch. Allerdings hat es in den vergangenen Jahren tatsächlich eine durchaus beträchtliche Entwicklung hin zu größerer Energieeizienz und geringerem Kraftstofverbrauch gegeben. Auch bei der Nutzung regenerativer Energien im Kfz-Verkehr sind Fortschritte erzielt worden; in Zweifel zu ziehen ist allerdings, ob die dabei verfolgten Schwerpunkte richtig gesetzt bzw. überhaupt verantwortbar sind. Im Jahr 2010 verkündete die Bundesregierung als politisches Ziel eine Million deutsche Elektroautos in 2020; für die Erreichung wurden/ werden 1- Mrd.- EUR Fördermittel zur Verfügung gestellt. Wenn die mittlere Fahrleistung von Elektroautos in Betracht gezogen wird, ist das dann gleichbedeutend mit weniger als 1 % der Verkehrsleistungen im Pkw-Verkehr und 0 % der Verkehrsleistungen im Lkw-Verkehr auf deutschen Straßen. Nach Überzeugung ernstzunehmender Fachleute ist es darüber hinaus alles andere als sicher, dass die Benutzung von Elektroautos die Inanspruchnahme nicht regenerativer Energien im Verkehrssektor tatsächlich (wenn überhaupt) nennenswert reduziert. Nicht der Energieverbrauch im Fahrmodus Der Autor: andreas Kossak Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 15 (einschließlich der Klimaanlagen) ist ausschlaggebend, sondern die Gesamtbilanz einschließlich der Fertigung der Fahrzeuge und Bereitstellung der Infrastruktur sowie der Primärenergie zur Speisung der Batterien. Noch wesentlich fragwürdiger ist jedoch die Tendenz bzw. der politische Wille, künftig auch Biokraftstofe in erheblichem Umfang im Transportsektor einzusetzen. Ende Januar diesen Jahres hat der deutsche „BioÖkonomieRat“ eine Studie zur nachhaltigen Nutzung der Bioenergie vorgelegt [3]. Er unterstützt darin nachdrücklich das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis 2050 den Anteil der Biomasse am Energieverbrauch von derzeit 8 % auf 23 % zu steigern. Bedenken hinsichtlich potenzieller nachteiliger Auswirkungen auf das Klima und die weltweite Nahrungsmittelversorgung werden mit Argumenten zu den Möglichkeiten von Eizienzsteigerungen in der Biomassegewinnung, in der Verwendung der Bioenergie (Wirkungsgrad), von Importen und einer „Kaskadennutzung“ heruntergespielt bzw. vermeintlich widerlegt. Selbst wenn nicht in Frage gestellt wird, dass die vom „Rat“ geltend gemachten Argumente theoretisch belastbar fundiert sind, ist es doch höchst unwahrscheinlich, dass die betrefenden Potenziale und Möglichkeiten im weltweiten Maßstab in der realen Welt auch nur annähernd hinreichend ausgeschöpft werden. Nicht zuletzt sind schon heute deutsche Fonds an Spekulationen auf Nahrungsmittel- und Futterpreise an internationalen Märkten aktiv. Biokraftstof-Politik Die aktuelle Politik der Bundesregierung steht in Übereinstimmung mit der (noch) gültigen Politik der EU Kommission, ebenso wie beispielsweise der in Brasilien, Indonesien und Japan. Sie steht allerdings unter anderem in totalem Widerspruch zu den Ergebnissen und Empfehlungen des Komitees „Economic and Environmental Impacts of increasing Biofuels Production“ des Forschungsrates der Nationalen Akademien der Wissenschaften der USA. In ihrem kürzlich erschienenen Bericht „Potential Economic and Environmental Efects of the U.S. Biofuel Policy“ [4] wird die gegenwärtige Biokraftstof-Politik nachdrücklich als falscher Ansatz gebrandmarkt, weil er die Verzerrung/ Erhöhung der Preise für Energie, Boden/ Land sowie Nahrungs- und Futtermittel weltweit fördert/ bewirkt. In einem Sonderbericht mit dem Titel „Feeding the World“ in der Zeitschrift „The Economist“ vom Februar 2011 heißt es in Einklang damit: „Einer der einfachsten Schritte, um sicher zu stellen, dass die Weltbevölkerung in 2050 noch genügend zu Essen hat, ist die ‚Verschrottung’ aller Biokraftstof-Ziele“. Vor diesem Hintergrund formulierte der „Director of Transportation“ der renommierten „Reason Foundation“, Dr. Robert Poole: „Hungertod ist zweifellos nicht das Ziel der forcierten Biokraftstof-Politik; aber nun, nachdem wir dies wissen, ist es unmoralisch, sie weiter zu verfolgen“ [5]. Eine im Auftrag der EU Kommission erstellte und kürzlich abgeschlossene Studie bestätigt die betrefenden Befunde. Nachdenklich stimmen sollte in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass in jüngster Zeit sehr umfangreiche bisher unbekannte Erdölvorkommen entdeckt wurden: „Wir haben noch für hunderte Jahre Öl“ [6]. ■ LITERATUR [1] Congress of the United States, Oice of Technology Assessment: Changes in the Future Use and Characteristics of the Automobile Transportation System; Washington 1979 [2] Div. Verfasser: Szenario Automobil 2000; Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bonn 1980 [3] BioÖkonomieRat: Nachhaltige Nutzung von Bioenergie; Berlin, Januar 2012 [4] Committee on Economic and Environmental Impacts of increasing Biofuels Production, National Research Council of the US National Academies: Potential Economic and Environmental Efects of the U.S. Biofuel Policy; Washington, Oktober 2011 [5] POOLE, R.: Biofuels Policy Slammed by National Academy of Sciences; in Surface Transportation Innovations, Januar 2012 [6] SCHUBERT, C.: „Die Welt hat noch für Hunderte Jahre Öl“; FAZ-Gespräch; in FAZ 28. 02. 2012 andreas Kossak, Dr.-Ing. Eigentümer Kosssak Forschung & Beratung, Hamburg DrKossak@aol.com BEGEISTERUNG SCHAFFEN … Was benötigen Sie für Ihren Event? Professioneller Service, hochwertiges Design, lichtdurchflutete Räume kombiniert mit modernster Medientechnik … … und eine Parkanlage mit Terrassen und Pavillons für Outdoorevents: All das bietet Ihnen Lufthansa Seeheim - zentral und doch mitten im Grünen. Prämienmeilengutschrift mit Miles & More Vielfliegerprogramm möglich. Tel +49 (0)69 696 13 9100 www.lufthansa-seeheim.de Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 16 J ede verbale Konstituierung von Begrifen ist eine intersubjektiv getrofene Vereinbarung (also ein normativer Vorgang), um sprachlich unmissverständlich miteinander kommunizieren zu können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen umgangssprachlicher Verwendung von Begrifen einerseits, wo unscharfe, mehrdeutige, auch klangfarblich bestimmte Emotionen erzeugende Wörter mit ließenden Bedeutungsübergängen und nuancenreichen Variierungen verwendet werden, und deren Verwendung in wissenschaftlichen Arbeiten andererseits, wo man alles das strikt vermeiden und äußerst diszipliniert sowie mit logischer Schärfe, unverwechselbar und eindeutig seine Bezeichnungen wählen und ihre Bedeutungsinhalte festlegen muss. Letzterem dient der erste Teil dieses Beitrages in Bezug auf den Begrif „externe Efekte“. Externe Efekte Mit (ökonomisch) externen E ekten befassen sich zahlreiche Fachbeiträge auch im Verkehrswesen. Diese setzen dabei eine Begrilichkeit jener entweder voraus oder verweisen auf einschlägige Literatur oder geben selber eine Deinition, die in aller Regel zwar zu akzeptieren ist, aber in bestimmten Anwendungsfällen noch Ermessensspielräume ofen lässt. Nachfolgend werden diese Unschärfen durch Präzisierung zu beseitigen versucht. Für das Beispiel Straßenverkehrsstau wird dann dessen ökonomischer Status geklärt. Die Autoren: Peter Cerwenka, olaf Meyer-rühle, Stefan rommerskirchen, Kristin Stefan Foto: picture alliance/ dpa Begriliche Grundlagen und verkehrspolitische Implikationen für den Umgang mit Stau PolItIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 17 PolItIK Wissenschaft von Interessenten in der einen oder anderen Richtung einseitig auszuschöpfen versucht werden. Die Autoren haben daher die oben gegebene „Prosa-Deinition“ in fünf strenge und eindeutig abprübare Bedingungen für externe Efekte gefasst, die alle erfüllt sein müssen, damit einer ökonomischen Wirkungskonstellation das Attribut „extern“ zugeordnet werden kann. Diese fünf Bedingungen (die nicht gänzlich frei von Redundanz sind, was jedoch im Sinne einer erhöhten Verständlichkeit in Kauf genommen wird) sind: 1. Es indet keine Internalisierung von wirtschaftlichen Aktivitäten (Produktion oder Konsum) durch Marktprozesse statt: Kostenund/ oder Nutzentransfers erfolgen außerhalb des Marktes, also ohne Preisbildung. (Diese Bedingung für sich allein trift auch für Geschenke, Erbschaften und Diebstähle zu.) 2. Der durch externe Kosten Geschädigte (oder dessen - private oder öfentliche - Interessenvertretung, falls der Geschädigte sich nicht selbst artikulieren bzw. Gehör verschafen kann) bzw. der Stifter externer Nutzen empindet eine ungerechtfertigte Benachteiligung und hat daher den Wunsch zur Einbeziehung der Externalität in die Marktprozesse. (Bei der Einschaltung einer - insbesondere öfentlichen - Interessenvertretung ist sorgfältig darauf zu achten, dass diese kein Eigeninteresse entfaltet, sondern strikt ausschließlich die Interessen jener verfolgt, die sie zu vertreten beansprucht.) 3. Ein externer Efekt muss gesamtwirtschaftlich manifest sein, also ohne seine Internalisierung zu einem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust führen. Als (für die Internalisierung) relevant wird eine Externalität dann bezeichnet, wenn die (Transaktions-)Kosten des Internalisierungsvorganges selbst (Identiizierung, quantitative Ermittlung, monetäre Bewertung, verursachergerechte Anlastung, Verrechnung, Inkasso und Kontrolle) kleiner bleiben als die Externalität. Diese Transaktionskosten sind in der Regel nicht extern, sie sind aber zwingend mit dem Internalisierungsprozess verbunden. 4. Der Geschädigte externer Kosten bzw. der Nutznießer externer Nutzen darf nicht gleichzeitig und nicht am gleichen Ort an der physischen Hervorbringung der Externalität beteiligt sein. Externalität ist wesentlich durch eine situativ-simultane Spannungskonstellation zwischen einem physischen Hervorbringer und einem nicht vorgesehenen Rezipienten gekennzeichnet. Diese Konstellation wird hier „polarisierende Komplementarität“ genannt. 5. Es muss nachweislich eine logisch kausale Beziehung oder Beziehungskette zwischen physischer Hervorbringung und Rezipierung bestehen. Diese Beziehung bzw. Beziehungskette verläuft zumeist indirekt über ein (weder marktfähiges noch über Verfügungsrechte vertraglich geregeltes) Medium (z. B. Deinition externer Efekte Bei der nachfolgenden begrifsklärenden Behandlung externer Efekte (wofür synonym auch das Wort „Externalitäten“ verwendet wird) sind stets vollkommen gleichberechtigt die beiden möglichen Ausprägungsformen „externe Kosten“ und „externe Nutzen“ einbezogen. Dabei sind insgesamt vier (zwei jeweils paarweise polarisierende) Beteiligungen an externen Efekten zu unterscheiden, nämlich die folgenden: Bei den externen Kosten: • physische Hervorbringer externer Kosten („Kostenverursacher“) • unfreiwillige Rezipienten externer Kosten („Geschädigte“, „Benachteiligte“) Bei den externen Nutzen: • physische Hervorbringer externer Nutzen („Nutzenstifter“) • nicht vorgesehene Rezipienten externer Nutzen („Nutznießer“, „Trittbrettfahrer“) Die Begrilichkeit der „Externalität“ entstammt der ökonomischen Wohlfahrtstheorie und muss daher in diesem Kontext behandelt werden. Fragen der Ethik sowie Fragen der sozialen Gerechtigkeit sollen nach Aufassung der Autoren keinesfalls mit Kategorien dieser ökonomischen Argumentation vermengt werden, was nicht bedeutet, dass sie nicht entscheidungsrelevant sein können. Aber sie müssen nach anderen (außerökonomischen) Kriterien behandelt werden. Externe Efekte - bei der Produktion oder beim Konsum - treten auf, wenn durch wirtschaftliche Aktivitäten Wirkungen außerhalb der Marktprozesse entstehen, weil sie also in den Marktpreisen keine wertmäßige Entsprechung inden. Diese fehlende Internalisierung in die Preise führt zu einer Fehlallokation gesamtwirtschaftlich knapper Ressourcen (Marktversagen) und zu einer suboptimalen gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt. Das Kalkül externer Efekte leitet sich folglich aus dem Anspruch ab, dass die Steuerung von Angebot und Nachfrage durch die Preise optimiert wird, weil die Marktteilnehmer erst durch vollkommene Preise zu gesamtwirtschaftlich optimalem Verhalten angeregt werden und sie durch fehlende oder unvollkommene Preise kein Signal für ein adäquates Marktverhalten empfangen können. Die Internalisierung externer Effekte stellt somit eine notwendige Voraussetzung für einen die Wohlfahrt maximierenden Marktmechanismus dar. Die Berechtigung zur Internalisierung externer Efekte setzt außerdem einen nachweisbaren Kausalzusammenhang zwischen Verursachung und Wirkung voraus. Die damit gegebene „Prosa-Deinition“ des Grundprinzips externer Efekte dürfte als unstrittig gelten. Es hat sich jedoch in einigen konkreten Anwendungsfällen gezeigt, dass sie noch Ermessens- und Interpretationsspielräume ofen lässt, die im Einzelfall wegen der starken ideologischen Auladung der Externalitäten- Ökonomik (es geht oft um Anlastung sowie um reale Transfers von erheblichen Geldbeträgen) POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 18 ving along C. In these circumstances a rightly chosen measure of diferential taxation against road B would create an ‘artiicial’ situation superior to the ‘natural’ one. But the measure of diferentiation must be rightly chosen.“ Bei Kenntnisnahme dieses Zitates ist festzustellen, dass hier nirgends von „external costs“ oder „externalities“ die Rede ist. Darüber hinaus erscheint das Wort „shifting“ von besonderer Bedeutung, das man heute gerne und zu Recht im Deutschen mit „Lenkung“ übersetzt. Gelenkt werden soll also (gemäß Pigou) mit einer „diferential taxation“, die aus dem natürlichen Gleichgewichtszustand einen diesem (ökonomisch) überlegenen künstlichen Zustand erschaft. Außerordentlich bemerkenswert und nach Kenntnis der Autoren nirgends erwähnt ist die Tatsache, dass just dieses kurze Chapter VIII aus Part II (der Erstaulage) und damit auch die elf Zeilen, welche einzig die Staulenkungsabgabe betrefen, von Pigou bereits in der zweiten Auflage (1924) eliminiert worden sind und auch in der dritten (1929) und vierten (letzten) Aulage (1932) fehlen, und zwar aufgrund substanzieller Einwendungen von Robertson [5] sowie auch solcher von Knight [6], der fast gleichzeitig speziell an Pigous Interpretation des Staubeispiels Kritik übte. Knight schreibt zu diesem Vorgang in einer Fußnote [6, S. 583]: „Professor Pigou admits the particular error in his analysis and states that it is to be eradicated in a forthcoming revised edition of his book.“ Das Fehlen der Staulenkungsabgabe bei Pigou ab der zweiten Aulage ist umso bemerkenswerter, als just ab dieser Aulage jenes berühmte Chapter mit der Bezeichnung „Divergences between Marginal Social Net Product and Marginal Private Net Product” enthalten ist, in das eine Staulenkungsabgabe nach Meinung der erwähnten Protagonisten ja wohl gehört und das unter dieser Bezeichnung in der ersten Aulage noch gar nicht vorhanden war. Ofenbar hatte Pigou selbst Skrupel, Stauzeitverlustkosten in die „divergences“ zwischen marginalen „social costs“ und „private costs“, also in das, was man heute als „externe Kosten“ bezeichnet, einzuordnen. Wer tatsächlich erstmals ein Junktim von Stauzeitverlustkosten und externen Kosten hergestellt hat, konnten die Autoren bisher nicht ermitteln. Die Schlussfolgerung aus diesem Abschnitt ist natürlich nicht, dass Stauabgaben grundsätzlich nicht zu rechtfertigen seien, sie sind aber nicht mit dem Argument von Externalitäten zu rechtfertigen, sondern mit der Übernutzung eines knappen Gutes durch eine Vielzahl von Konkurrenten ohne Bezahlung eines angemessenen Preises [6]. Die Erhebung von eizienten Stauabgaben ist außerdem an bestimmte konstitutive Bedingungen geknüpft: • Sämtliche an einem Stau Beteiligten haben eine solche Abgabe zu entrichten. • Die Abgabe darf nur an Orten und zu Zeiten tatsächlichen oder üblicherweise erwartbaren Staus erhoben werden. Einbringung von Schadstofen in das Medium Luft, ehe sie bei Rezipienten schädliche Wirkungen und damit Kosten verursachen). Bei der konkreten Anlastung externer Kosten muss außerdem ein eindeutiger Bezug (eigentlich eine zumindest institutionelle Identität) zwischen Verursacher und Adressat der Anlastung bestehen (Verursacherprinzip). Analoges gilt bei der Abgeltung externer Nutzen zwischen Trittbrettfahrer und Adressat der Anlastung. Textkritische Analyse zu Pigous Stauabgabe und die Folgen Zunächst ist hier der Begrif der Stauzeitkosten zu klären, wofür öfters unscharf auch synonym der Begrif Staukosten verwendet wird. Nun sind aber in Staukosten außer den Stauzeitkosten auch noch andere Komponenten (etwa Kosten eines erhöhten Kraftstofverbrauches oder eines verstärkten Schadstofausstoßes) enthalten. Da diese genannten Komponenten nach ziemlich einhelliger Aufassung im Vergleich zu den Stauzeitkosten als sehr gering eingeschätzt werden, wird im vorliegenden Beitrag nicht auf sie eingegangen. Gleichwohl ist auch die Bezeichnung Stauzeitkosten noch nicht völlig korrekt, denn es geht in Wirklichkeit um eine Diferenz von Stauzeitkosten gegenüber den Zeitkosten ohne Stau, also um Stauzeitverlustkosten. Diese Bezeichnung wird nachfolgend von den Autoren durchgängig verwendet, es sei denn, es handelt sich um anders lautende Zitate; in diesen Fällen wird die Schreibweise „Stau(zeitverlust)kosten“ gewählt. Viele zeitgenössische Autoren (etwa Hirte [1], Rauh [2], Borrmann/ Peistrup [3]) rechtfertigen eine Stauabgabe damit, dass es sich bei Stauzeitverlustkosten bzw. bei erheblichen Teilen davon um externe Kosten handle, und sie berufen sich dabei zumeist auf den klassischen Wohlfahrtsökonomen Pigou, fast immer ohne dafür die genaue Quelle anzugeben. Wenn man die Urquelle im unverfälschten Original liest, so muss man allerdings den Eindruck gewinnen, dass die Protagonisten der angeführten Rechtfertigung die Urquelle nie zu Gesicht bekommen haben. Es lohnt daher, dieser Sache auf den Grund zu gehen, was nachfolgend geschieht. In der Tat wird man in der Erstausgabe von Pigous etwa 1000 Seiten umfassendem Klassiker „The Economics of Welfare“ [4] aus dem Jahre 1920 fündig. Dort inden sich einzig in Chapter VIII von Part II auf Seite 194 genau elf Zeilen, die das Thema berühren. Sie werden nachfolgend aus dem Original wörtlich zitiert: „Suppose there are two roads ABD and ACD both leading from A to D. If left to itself, traic would be so distributed that the trouble involved in driving a ‘representative’ cart along each of the two roads would be equal. But, in some circumstances, it would be possible, by shifting a few carts from route B to route C, greatly to lessen the trouble of driving those still left on B, while only slightly increasing the trouble of dri- POLITIK Wissenschaft • Die Abgabe darf keinen Ertragszweck des die Abgabe Erhebenden verfolgen; sie ist eine lupenreine Lenkungsabgabe, die Staus möglichst eizient abbauen helfen soll, und sonst nichts. Die Ermittlung der Höhe von Stauabgaben ist nicht Anliegen des vorliegenden Beitrages. Einstufung von Stauzeitverlustkosten Hier ist nun in der Gegenüberstellung der oben gegebenen Deinition mit den realen physischen Attributen von Staus einwandfrei abzuklären, ob es sich bei Stauzeitverlustkosten um interne oder externe Kosten handelt. Die Antwort ist unmissverständlich zu geben; Stauzeitverlustkosten sind eindeutig intern, denn die 4. Bedingung (polarisierende Komplementarität) ist klar nicht erfüllt: Ein Stau ist ein physisch unteilbares Verbundsystem, eine - abgesehen von unfallbedingtem Stau - nicht in zwei Polaritäten (hier Verursachung - dort Geschädigtsein) sortierbare Gemengelage von Beteiligten, die ja alle gleichzeitig Verursacher und Geschädigte sind. Die beiden erstgenannten Autoren dieses Beitrages haben diese klare Zuordnung bereits 2008 publiziert und begründet [7], allerdings dort noch nicht jene präzisierte Deinition für Externalität geliefert, wie sie nun im vorliegenden Beitrag gegeben QUELLEN [1] HIRTE, GEORG: Externe Staukosten existieren und sind relevant! In: Internationales Verkehrswesen, 61(2009), Nr. 11, S. 438-439. [2] RAUH, WOLFGANG: Staukosten: Ein starkes Argument für den öfentlichen Verkehr. In: Der Nahverkehr, 28(2010), Nr. 7-8, S. 21-24. [3] BORRMANN, MATTHIAS; PEISTRUP, MATTHIAS: City-Maut auf Basis von Grenzkostenpreisen. In: Internationales Verkehrswesen, 56(2004), Nr. 11, S. 488-492. [4] PIGOU, ARTHUR CECIL: The Economics of Welfare, London, 1920 (2.-Aulage 1924, 3. Aulage 1929, 4. Aulage 1932). [5] ROBERTSON, DENNIS HOLME: Those Empty Boxes. In: The Economic Journal, 34(1924), Nr. 133, S. 16-31. [6] KNIGHT, FRANK HYNEMAN: Some Fallacies in the Interpretation of Social Cost. In: The Quarterly Journal of Economics, 38(1924), Nr. 4, S.-582-606. [7] CERWENKA, PETER; MEYER-RÜHLE, OLAF: Sind Staukosten externe Kosten? In: Internationales Verkehrswesen, 60(2008), Nr. 10, S. 391-396. [8] HIRTE, GEORG: Führt das Verursacherprinzip zu einer Mehrbelastung für den Straßenverkehr? In: Internationales Verkehrswesen, 61(2009), Nr. 5, S. 149-154. Olaf Meyer-Rühle, Techn. Dipl.-Volkswirt Seniorberater ProgTrans AG (Basel/ Schweiz) olaf.meyer-ruehle@progtrans.com Peter Cerwenka, Univ.-Prof. i. R. Dr. Wissenschaftlicher Beirat ProgTrans AG (Basel/ Schweiz) peter.cerwenka@progtrans.com Kristin Stefan, Dipl.-Verkehrswirtschaftlerin Beraterin ProgTrans AG (Basel/ Schweiz) kristin.stefan@progtrans.com Stefan Rommerskirchen, Dr. rer. pol. Geschäftsführer ProgTrans AG (Basel/ Schweiz) stefan.rommerskirchen@progtrans.com wurde. Zu letzterer sahen die Autoren sich veranlasst, da bald nach der genannten Publizierung eine heftige kontroverse Diskussion in dieser Fachzeitschrift einsetzte, in der vor allem Hirte [1, 8] die Gegenposition bezog. Statt aber seinerseits eine präzise Deinition für Externalität zu liefern, verweist Hirte immer wieder auf viel Literatur, die seine Aufassung bestätige. Fazit: Bei Abprüfung des Begrifes „Externalität“ an einer eindeutigen Deinition, die keine Ermessensspielräume ofen lässt, sind Stauzeitverlustkosten eindeutig interne Kosten. Wortspiele wie etwa „interne Externalitäten“ ändern an diesem Sachverhalt nichts. ■ DEUTSCHLANDS ERFOLGREICHSTE OFFSHORE-KONFERENZ WAB Offshore-Konferenz - 50 internationale Redner / 800 Teilnehmer Deutschlands erste Offshore-Messe - mehr als 200 Aussteller Kommen Sie nach Bremen! Informieren Sie sich dort, wo die Branche zu Hause ist! KOMMEN SIE ZUM GRÖSSTEN BRANCHENTREFF! Aussteller-Infos und Buchung: www.windforce2012.com Mediapartner: Mit freundlicher Unterstützung von: RECHARGE The global source for renewable energy news DV V MARITIME JOURNALS LOgISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 20 Logistikimmobilienmarkt: Kennzahlen, Trends, Standorte Logistikimmobilien locken Investoren und Projektentwickler wieder mit überdurchschnittlichen Renditen und einem dynamischen Marktwachstum. Wie reagiert der Markt auf die veränderten Rahmenbedingungen nach der Krise? Welche Standorte sind für welche logistischen Aufgaben am besten geeignet? Diese und weitere Fragen zum Logistikimmobilienmarkt wurden in einer aktuellen Studie der Fraunhofer- Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) untersucht. D ie Logistikwirtschaft arbeitet seit einigen Jahren unter erschwerten Bedingungen: Unsichere konjunkturelle Entwicklungen, steigende Preise und erhöhte Anforderungen an die Sicherheit und Nachhaltigkeit von Transportketten verlangen von Unternehmen und Dienstleistern robuste Strukturen bei größtmöglicher Flexibilität und Innovationskraft. Auch am Markt für Logistikimmobilien sind diese Entwicklungen mit restriktiveren Finanzierungsrichtlinien, einem Rückgang der spekulativen Bautätigkeit und strategischen Umstrukturierungsmaßnahmen bei Projektentwicklern nicht spurlos vorübergegangen. In der Studie „Logistikimmobilien - Markt und Standorte 2011“ [1] wurde der Logistikimmobilienmarkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz umfassend analysiert und bewertet. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Studie zum Thema Abb. 1: Neubauentwicklung Logistikimmobilien in Deutschland seit 2002 zeigt sich: Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung bescherte dem Markt 2011 insgesamt ein dynamisches Jahr; in vielen Bereichen konnte er die heftigsten Nachwehen der Krise von 2008 und 2009 hinter sich lassen. Doch so abhängig der Markt von wirtschaftlichen Entwicklungen und politischen Rahmenbedingungen auch ist: Über den langfristigen Erfolg oder Misserfolg von Logistikimmobilienprojekten und die Entwicklung von Logistikstandorten entscheiden nicht nur diese äußeren, schwer zu beeinlussenden Faktoren, sondern auch die richtige Ausrichtung des Angebots. Hier die harten Fakten. Kennzahlen zum Logistikimmobilienmarkt Für die strukturellen Marktkennzahlen wurde eine kontinuierlich geplegte Datenbank mit mehr als 6000 Logistikimmobilien in Deutschland ausgewertet. Die Durchschnittsgröße von Logistikimmobilien in der Bundesrepublik liegt demzufolge bei 16 000 m 2 , allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Nutzungsarten. Während moderne Distributionszentren im Schnitt mit gut 26 000 m 2 deutlich größer ausfallen, umfassen reine Umschlagimmobilien, wie sie beispielsweise von KEP-Dienstleistern oder Stückgutkooperationen genutzt werden, meist nur um die 9000 m 2 . Auch die Branche des Nutzers entscheidet über die Größe der Immobilie: So liegen mehr als die Hälfte der von Industrieunternehmen genutzten Logistikhallen unter 10 000 m 2 , während der Handel auffällig häuig Objekte mit mehr als 20 000 m 2 errichtet. Logistikdienstleister nutzen je nach Ausrichtung und Kundenauftrag jede Größenordnung, lediglich Objekte über 100 000 m 2 sind hier sehr selten anzutreffen. Die in Deutschland erfassten Logistiklächen verteilen sich dabei zu 55 % auf Lo- Der Autor: Uwe Veres-Homm Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 21 gistikdienstleister, 28 % werden vom Handel genutzt und 17 % von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Die durchschnittlichen Investitionskosten betragen rund 1-Mio.-EUR pro 1000 m 2 Hallenläche, darin sind die Ausgaben für Lagerausstattung und Technik allerdings schon enthalten. Der Logistikimmobilienmarkt in Österreich und der Schweiz fällt wesentlich kleiner aus als in Deutschland. Dementsprechend ist auch die Datensituation noch nicht ausreichend, um ähnlich detaillierte Ergebnisse zu erhalten. Aufällig ist jedoch die eindeutig geringere Durchschnittsgröße der dortigen Logistikimmobilien, die bei etwas über 11 000 m 2 in Österreich und rund 8500 m 2 in der Schweiz liegt. Die jüngste Entwicklung: Krise und Erholung Der Logistikimmobilienmarkt hat sich im vergangenen Jahrzehnt von einem absoluten Nischensegment zu einer festen Größe in der Immobilienwirtschaft entwickelt. Das in Deutschland lange Jahre andauernde Wachstum des Neubauvolumens von rund 20 % pro Jahr fand mit Beginn der Wirtschaftskrise Ende 2008 ein jähes Ende. Dabei reagiert die Logistikimmobilienbranche aufgrund der abgeleiteten Nachfrage aus Industrie und Handel auf Veränderungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Während 2008 noch Rekordwerte von über 4- Mio.- m 2 Neubauläche realisiert wurden, iel der Abschwung 2009 umso deutlicher aus: Weniger als 50 % des Vorjahreswerts wurde an neuen Logistikimmobilien errichtet. Zahlreiche Planungen und angekündigte Großprojekte wurden auf Eis gelegt, die spekulative Bautätigkeit kam nahezu vollständig zum Erliegen. Im Jahr 2010 wurden angesichts der sich auhellenden Konjunktur zunächst die entstandenen Leerstände abgebaut, die Vermietung von Bestandsobjekten zeigte bereits eine deutliche Erholung. Im Bereich der Neubauentwicklungen kann jedoch erst 2011 von einem Überwinden der Krise gesprochen werden; dieser Aufschwung war aber aufgrund zahlreicher jetzt realisierter Großprojekte umso deutlicher und lag mit mehr als 2,5- Mio.- m 2 um 50 % über dem Vorjahreswert (Abbildung 1). Ohne eine sehr konstante Neubauaktivität des Handels auch während der Krise wäre der Rückgang noch drastischer ausgefallen. Zahlreiche Handelsketten nutzten die günstigeren Preise zur Restrukturierung ihrer Logistiknetzwerke und investierten ausgiebig in neue Logistikzentren - ein Trend, der bis heute anhält. Die Rückgänge in den Krisenjahren sind also nahezu ausschließlich auf Nutzer aus der Industrie und auf Logistikdienstleister zurückzuführen. Diese zeigten erst 2011 wieder erhöhtes Interesse an Projektentwicklungen im Logistikimmobilienbereich. Von dieser Entwicklung konnten vor allem die 20 Logistikregionen in Deutschland proitieren. Sowohl im Miet-, als auch im Neubaubereich waren sehr hohe Aktivitäten zu verzeichnen. Die fünf bekanntesten Logistikstandorte Hamburg, Berlin, München, Frankfurt und Duisburg berichten von 2011 als Jahr mit Rekordwerten beim Umsatz von Logistiklächen. Aber auch die anderen Logistikregionen verzeichneten gegenüber dem Vorjahr Zuwächse im zweistelligen Bereich. 2012: Positive Erwartungen Fraunhofer SCS geht bei einer ersten, vorsichtigen Prognose für 2012 davon aus, dass das hohe Neubauvolumen vom Vorjahr nahezu wieder erreicht werden kann. Zwar sind die durch die Krise aufgeschobenen Projekte mittlerweile zum großen Teil umgesetzt und der milde Winter führte zu einer hohen Bauaktivität bis zum Jahresende 2011. Anfang 2012 zeigt sich deshalb zunächst ein relativ ruhiger Markt. Dennoch sind nach wie vor einige große Investitionen angekündigt. Außerdem ist das Outsourcing-Potenzial für Kontraktlogistiker in der Industrie noch nicht ausgeschöpft, die Restrukturierungsmaßnahmen der Einzelhändler halten an und auch das spekulative Bauen nimmt angesichts geringer Leerstände wieder Fahrt auf. Insgesamt also zahlreiche Indikatoren für eine positive Entwicklung des deutschen Logistikimmobilienmarkts. Anforderungen an moderne Logistikimmobilien Welche Eigenschaften eine Logistikimmobilie konkret aufweisen muss, ist in hohem Maß vom speziischen Bedarf des jeweiligen Nutzers abhängig. Die typischen Anforderungen der Finanzierer und Investoren an die Charakteristika von Logistikimmobilien lassen sich hingegen schlicht mit „Drittverwendungsfähigkeit“ zusammenfassen. So ist die Wahrscheinlichkeit, nach Ablauf des Mietvertrags einen Folgenutzer zu inden, und somit auch die Sicherheit des Investments am höchsten. Im Trend liegen deshalb möglichst lexible, größtenteils standardisierte Hallenmodule von rund 10 000 m 2 , die jeweils nutzerspeziisch weiter unterteilt werden können. Wichtige Kriterien für die Drittverwendungsfähigkeit sind darüber hinaus: Erweiterbarkeit, Hallenhöhe 10 bis 12 m, möglichst stützenfreie Konstruktion und rund 10 % Bürolächenanteil. Das Thema Nachhaltigkeit ist zwar aktuell in der Immobilienbranche sehr verbreitet, bleibt aber abgesehen von Maßnahmen für eine eiziente Beleuchtung, Dämmung und der Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien noch ein Nischenthema für besonders image- oder umweltaine Nutzer. Das logistische Kerngeschäft ist in den meisten Fällen zu kostengetrieben, um die Mehraufwände, die für die Nutzung erneuerbarer Energien oder gar die Errichtung komplett CO 2 -neutraler Logistikimmobilien vorgesehen werden müssten, lächendeckend in Kauf zu nehmen. diferenzierter Standortwettbewerb Während weitestgehend Konsens bezüglich der Gebäudemerkmale besteht, fallen die Bedürfnisse bezüglich des Standorts wesentlich unterschiedlicher aus - je nachdem, welche Aufgabe von einem Standort aus erfüllt werden soll. Nutzer, die beispielsweise ihre weltweite Logistik zentral von einem Standort aus koordinieren, haben ganz andere Anforderungen als solche, die einen bestimmten Ballungsraum zuverlässig mit Gütern versorgen müssen. Dabei geht es nicht nur um die Lage an sich. Auch Kriterien wie Flächenpreise, Arbeitskräfteverfügbarkeit oder Flughafenanbindung können von unterschiedlicher Bedeutung sein. Ein Standort steht also grundsätzlich nicht mit allen Logistikregionen im Wettbewerb, sondern nur mit denjenigen, die eine ähnliche Kombination von Standortfaktoren aufweisen und somit vergleichbare logistische Funktionen übernehmen. In der Studie werden deshalb mehrere Typen von Logistikstandorten unterschieden, Primäre logistikaufgaben logistikregionen Globale Air & Sea Gateways Hamburg, Rhein-Main, Bremen Europäische Gateways Duisburg-Niederrhein, Hannover, Nürnberg, Basel, Leipzig Regionale Ballungsraumversorger Kölner Bucht, östliches Ruhrgebiet, Berlin, München, Wien, Zürich Regionale Industrieversorger Stuttgart, Rhein-Neckar, Schwaben, Münster-Osnabrück, Donau, Linz, Saarland, Westschweiz, Graz Interregionale Portale Oberrhein, Salzburg, Klagenfurt Zentrale Hubs Mitte Deutschlands, Erfurt Abb. 2: Unterschiedliche Logistikaufgaben und ihre Regionen LOgISTIK Immobilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 22 Uwe Veres-Homm, Dipl.-Kfm. wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS, Fraunhofer IIS, Nürnberg uwe.veres-homm@scs.fraunhofer.de LITERATUR [1] NEHM, A.; VERES-HOMM, U.; KÜBLER, A.: Logistikimmobilien - Markt und Standorte 2011: Deutschland, Österreich, Schweiz; Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS, Nürnberg, 2011 Abb. 3: Die Top-Logistikregionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die jeweils stellvertretend für die wichtigsten Logistikaufgaben in der jeweiligen Region stehen (Abbildung 2). Top-Logistikstandorte Ausschlaggebend für die Aufnahme einer Region in die Riege der Fraunhofer Top- Logistikstandorte ist die überdurchschnittliche Bewertung in zwei Analyseaspekten: Während mit der „Logistikattraktivität“ die vorhandene Kombination von logistikrelevanten Standortfaktoren bewertet wird, misst die „Logistikintensität“ die tatsächliche Konzentration der Logistikwirtschaft in einer Region. Jede der insgesamt 28 identiizierten Regionen hebt sich hinsichtlich ihrer Standortattraktivität und der Intensität der angesiedelten Logistikimmobilien also deutlich von den übrigen Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz ab (Abbildung 3 und 4). Bezüglich ihrer Bedeutung für den Logistikimmobilienmarkt weisen aber auch diese Top-Standorte starke Unterschiede auf. Am oberen Ende der Skala beinden sich die bekannten „Champions“ Hamburg, Rhein- Main und Duisburg, „Verfolger“ wie etwa Erfurt, Salzburg oder die Westschweiz stellen hingegen noch relativ kleine und junge Logistikimmobilienmärkte dar. Dazwischen liegen „klassische“ und „etablierte“ Logistikregionen, die aufgrund ihrer großen Bevölkerung und Wirtschaftskraft bzw. ihrer speziellen logistischen Ausrichtung zu den interessanten Märkten für die Entwicklung von Logistikimmobilien zählen. Wo im konkreten Fall die Ansiedlungsentscheidung für ein Logistikzentrum fällt, bleibt in hohem Maß von der Ausrichtung des jeweiligen Nutzers abhängig. Eine fokussierte Ausrichtung des regionalen Ansiedlungsmanagements und der Wirtschaftsförderung auf die jeweiligen logistischen Kernaufgaben kann jedoch entscheidend zur weiteren Etablierung und zum weiteren Wachstum der Regionen als Logistikstandorte beitragen. ■ Abb. 4: Wer ist Verfolger, etabliert, Klassiker oder Champion? LOgISTIK Expressmarkt Türkei Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 23 Tigerstaat am Bosporus Die großen Expressdienstleister DHL, TNT und UPS beurteilen die Aussichten für die Türkei als vielversprechend. Durch die optimale Lage kann das Land die Einlüsse durch die Krise in Europa und den politischen Umschwung in den arabischen Frühlingsstaaten abpufern und auf Handelspartner in Asien, Afrika, dem Nahen Osten und Russland setzen. Der logistische Ausbau jedoch steckt noch in den Kinderschuhen. T rotz der euopäischen Schuldenkrise und dem arabischen Frühling ist das BIP der Türkei laut Turkstat um 8,8 % im zweiten Halbjahr 2011 gewachsen. Das Land gilt unter Kennern als „kleines China“, da die Produktionskosten vergleichbar niedrig liegen. Natürlich besteht der große Vorteil des 74- Mio.-Einwohner-Landes verglichen mit dem Land der Mitte in kürzeren Versorgungsketten und geringeren Risiken. Das Land investiert in den Ausbau seiner Verkehrsinfrastruktur. Seit 2009 werden laut Germany Trade & Invest (Gtai) insbesondere die Straßen- und Eisenbahnverbindungen ausgebaut. Rund 85 % des Logistikumsatzes wird über den Straßentransport von Gütern erzielt. Danach folgt die Seefracht mit rund 7 %. Bisher existieren allerdings noch keine verkehrstechnisch gut angebundenen Logistikzentren mit Freihandelszonen. Nun sollen nach dem Vorbild von Dubai durch die Staatsbahn TCDD integrierte Logistikdörfer in elf wichtigen Städten entstehen. Die Standorte dieser Logistikdörfer sind: Istanbul (Halkali), Izmit (Köseköy), Samsun (Gelemen), Eskisehir (Hasanbey), Kayseri (Bogazköprü), Balikesir (Gökköy), Mersin (Yenice), Erzurum (Palandöken), Konya (Kayacik), Denizli (Kaklik) und Usak. Der Geschäftsführer von TNT Express Türkei, Turgut Yildiz, sieht die wirtschaftliche Zukunft des Landes positiv: „Die türkische Wirtschaft wächst stark und schneller als die vieler anderer Länder. Ich bin optimistisch, da die Türkei eine junge und dynamische Bevölkerung besitzt und die geograische Lage perfekt ist. Das Land hat einen kulturellen Vorteil beim Handel mit dem Nahen Osten, Afrika und den früheren UDSSR- Republiken Georgien, Aserbaidschan, Usbekistan, etc. Nachteilig ist, dass die Wirtschaft durch eine hohe Inlation und hohe staatliche Ausgaben geplagt wird.“ Er fügt an: „Der türkische Markt ist momentan der Krise in Europa ausgesetzt, doch aufgrund seiner guten Lage, können wir immer noch Handel mit dem Nahen Osten, Afrika und Asien betreiben.“ Die Hauptlieferländer des Landes am Bosporus sind Russland, Deutschland, China, Italien und die USA. Innerhalb Europas übernimmt Deutschland die Führungsrolle. Hauptabnehmerländer sind Deutschland, das Vereinigte Königreich, Italien, Frankreich und der Irak. „Der einzig fehlende Teil ist noch die logistische Infrastruktur im Lande, die noch weiter entwickelt werden muss. Damit sind nicht nur Straßen und Depots gemeint, sondern auch die Zollbestimmungen, die Richtlinien für Auslandsinvestitionen, etc.“, sagt Yildiz. UPS sieht die Stärken des Landes in einer wachsenden Mittelklasse, die ein starkes Wachstum der Fertigung und der Einzelhandelsverkäufe untermauert. Zudem wollen türkische Unternehmen zunehmend international agieren. Viele österreichische Unternehmen haben gemäß InvestTurkey die Türkei inzwischen als Wachstumsmarkt entdeckt. Die Exporte von Österreich in die Türkei stiegen von 482- Mio.- EUR im Jahr-2000 auf 1064-Mio.-EUR im Jahr-2010. Ähnlich verhält es sich beim Import. Im 1.- Quartal 2011 wurden von Österreich Waren im Wert von über 300-Mio.-EUR in die Türkei exportiert. Ein Wachstum von mehr als 40 % im Vergleich zum 1.- Quartal- 2010. Die Importe nahmen um über 26 % zu. Der Autor: Dirk Ruppik Abb. 1: Turgut Yildiz (TNT Express Türkei) Abb. 2: Michel Akavi (DHL Express Türkei) LOgISTIK Expressmarkt Türkei Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 24 Expressmarkt Der Logistikmarkt der Türkei (inklusive Luftfracht, Seeschiffahrt, Straßen- und Eisenbahntransport sowie verbundene Infrastruktur und Dienstleistungen) wächst laut Yildiz um 12 - 13 % p. a. „Als Teil des Logistikmarktes wächst natürlich auch der inländische und der internationale Expressmarkt. Im lokalen Markt agieren hauptsächlich kleinere türkische Unternehmen. Der internationale Markt wird durch die großen Integratoren bestimmt.“ Gemäß des Geschäftsführers von DHL Express Türkei, Michel Akavi, liegt eine Besonderheit des Marktes darin, dass er durch das Ministerium für Außenhandel und Zollbelange geregelt wird. Akavi erklärt, dass mehr als 50 % des internationalen Marktes durch DHL Express beherrscht werden. Der Rest wird gemeinsam von TNT, UPS und FedEx bedient. „Nach dem Textilbereich bedienen wir den Technologie- und Automobilsektor sowie den Baubereich und die Chemische Industrie. In 2011 hatten wir das größte Wachstum im Baubereich zu verzeichnen. Dieser Sektor nahm um 44 % gegenüber 2011 zu. Danach folgen der Automobilbereich mit 37 % und die Schwermaschinenbauindustrie mit 32 % Zuwachs“, erklärt er und fügt an: „Als Wermutstropfen muss ich leider einige zyklische und strukturelle Probleme nennen. Zwei wichtige strukturelle Herausforderungen sind das große Leistungsbilanzsaldo und die hohe Arbeitslosigkeit. Zyklische Probleme sind der hohe Außenhandelsüberschuss in einigen Ländern des „arabischen Frühlings“ sowie die sinkende Nachfrage seitens der EU-Länder, aufgrund der Krise und der hohen Preise für Wirtschaftsgüter. Ich erwarte, dass unser Handelsvolumen steigt, sobald die Stabilität im Nahen Osten und Nordafrika erzielt ist.“ Akavi glaubt, dass 2012 ein hartes Jahr wird. Die Befürchtungen, die durch das Leugnen des hohen Kreditbedarfs durch Griechenland, die Abwertung von Spanien und Italien sowie den Kauf von faulen Anleihen durch Banken ausgelöst wurden, haben an den globalen Börsen zu einem Schaden von 8 Bio. USD (rund 6-Bio.-EUR) geführt. „Unterdessen zeigt unser Land eine erstaunliche wirtschaftliche Leistungskraft. Die Türkei wird Perioden der wirtschaftlichen Depression mit minimalen Verlusten überwinden. Wir werden unser Investment in Infrastruktur und den Arbeitsmarkt weiterführen, da die Türkei sich auf ein Exportziel von 380 Mrd. EUR in 2023 zubewegt.“ Strategien für den Markt UPS besitzt in der Türkei über 230 Servicestationen, 25 Betriebsstätten sowie 1200 Zustellfahrzeuge und 2500 Angestellte. Täglich wird ein Flug von Istanbul nach Köln und zurück durchgeführt. Der Expressdienstleister bedient die Türkei seit 1988. Michael Harrell, Ländermanager UPS Türkei erläutert: „Unsere Strategie besteht darin - grob gesagt - in allen Geschäftsfeldern zu wachsen. Speziischer zur Türkei: Wir wollen hier Wege inden, um unsere Kernbereiche zu stärken und unsere Beziehungen zu Kunden zu vertiefen. Trotz eines durchgängig gemeinsamen Marktes wird der weltweite Handel in den nächsten Jahren immer komplexer. Eine der größten Stärken von UPS ist, Geschäftsprozesse zu vereinfachen und zu synchronisieren.“ Harrell erklärt weiter: „UPS ist der einzige internationale Expressdienstleister, der auch Inlandsdienste anbietet. Die Akquisition von Unsped in 2009 zeigt deutlich, dass wir an ein langfristiges Wachstum des türkischen Marktes glauben. Durch den Zukauf können wir auf dem Erfolg von Unsped aufbauen und er ermöglicht uns einen direkten Zugang zu unserer Kundenbasis.“ DHL ist dabei, seine „Internationale Spezialisten“- Position zu stärken. Dazu hat das Unternehmen u. a. eine neuartige Studie in den Bereichen „Information, Erziehung, Standardisierung und Zertiizierung“ begonnen. Sie wird 42- Schlüsselmärkte umfassen und mit einer Anzeigenkampagne ins Visier nehmen. 100 000 Angestellte des Unternehmens haben daher an einem Trainingsprogramm mit angeschlossener Zertiizierung teilgenommen. „DHL Express investiert und erweitert sein Service-Netzwerk in der Türkei, da wir das große Potenzial des Landes und die Möglichkeit sehen, dass es in den kommenden Jahren ein Transporthub wird“, erklärt Akavi und fügt an, dass DHL in 2011 das Servicenetzwerk ausgebaut und die Kapazität in Adana um den Faktor zehn durch die Eröfnung des neuen Servicegebäudes erweitert hat. „Im ersten Halbjahr 2011 sind wir um ungefähr 12 bis 15 % gewachsen. Die momentanen Versendungen erreichen zirka 8000 bis 9000. Die Anzahl soll in 2012 auf 10 000 steigen. Zusammen sollen sich die Inbound- und die Outboundversendungen auf 20 000 belaufen.“ TNT plant momentan keine Akquisitionen. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de 2 0 . 0 3 . 2 0 1 2 1 5 : 2 1 : 0 9 I I t r a S w i s s _ 1 a . i n d d 1 2 7 . 0 3 . 1 2 1 0 : 0 5 OBSOLESZENZ Der Umgang mit Obsoleszenzen am am Beispiel von BÜSA AXLE COUNTERS New generation systems with benefits for integrators and operators WEICHEN Diagnosesystem für verfügbarkeitsrelevante, stark belastete Weichen A p r i l | € 1 5 | C 1 1 1 8 0 www.eurailpress.de/ sd 4 / 2012 Euro 15.00 | C 2566 April 2012 04 | 12 I N T E R N AT I O N A L E FA C H Z E I T S C H R I F T F Ü R S C H I E N E N V E R K E H R & T E C H N I K ! 56. Eisenbahntechnische Fachtagung im Rückblick ! Die „Sicherheitsrichtlinie Fahrzeug“ - ein Überblick ! Dynamik von Losrad- und Radsatzfahrwerk in Straßenbahnen ! Zweikraft-Lokomotive für Nordamerika ! Schotteroberbau für Hochgeschwindigkeitsstrecken ! Aktuell: H E R A U S G E B E R V E R B A N D D E U T S C H E R E I S E N B A H N - I N G E N I E U R E E . V. DER EISENBAHN INGENIEUR EI Kleiner Aufwand Maximaler Efekt Nutzen Sie Ihren Sonderdruck für Ihre Firmenpräsentation z.B. auf der InnoTrans Ihre Sonderdrucke aus unseren Fachzeitschriften Gerne erstelle ich Ihnen ein individuelles Angebot! cornelia.baer@dvvmedia.com „ Tel.: +49 402 3714 -120 LOgISTIK Osteuropa Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 25 Sprachkenntnisse und Kontakte unverzichtbar Schienengüterverkehre von und nach Osteuropa sind heutzutage weniger abenteuerlich als noch vor zehn oder gar 20 Jahren. Doch manche Schwierigkeiten sind geblieben. Zudem hat sich die Bedeutung des Begrifs „Osteuropa“ verändert. W er in der EU und auf der Normalspur bleibt, hat es heute einfacher, Transporte auf der Schiene von und nach Osteuropa zu organisieren. Die Verzollung und damit diverse bürokratische Grenzprobleme fallen weg und das System des Einzelwagenverkehrs funktioniert besser als in Westeuropa. Darüber hinaus sind die Eisenbahnmärkte in Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Slowenien liberalisiert, so dass nicht nur auf Staatsbahnen, sondern auch auf private Gesellschaften zurückgegrifen werden kann. Zudem können Beförderungspreise auch mit den Staatsbahnen mittlerweile ausgehandelt werden, sind also nicht mehr starr tarifgebunden. Das berichtet Aleksandra Zlobinska, Geschäftsführerin der Ermefret GmbH, Berlin, in der Ausgabe 11/ 12 von „Rail Business“. Ermefret betreibt vor allem Eisenbahnlogistik für die chemische Industrie sowie Mineralöl- und Gasprodukte. Licht und Schatten Zlobinska spricht in dem Interview aber auch von den Schwierigkeiten. Sie beginnen an der Grenze zwischen Breit- und Normalspur, an der die Waren umgeladen und die Frachtbriefe umgeschrieben werden müssen von SMGS im Osten zu CIM im Westen und umgekehrt. Bei der Re-Expedition erweise sich zudem besonders die Ladungsgewichtsbestimmung gerade bei Bulkware als schwierig. Da auf beiden Seiten mit unterschiedlichen Waagen gewogen werde, komme es auf jeden Fall zu Mengendiferenzen und somit zu Komplikationen für die Zolldokumente. In der Regel erhalte der Händler auf der Westseite weniger Ware als er oder sein Kollege auf der Ostseite eingekauft habe. Ein weiteres Problem sind für Zlobinska die Standgelder, die in den Umschlagterminals berechnet werden, wenn Breit- und Normalspurwagen zu unterschiedlichen Zeiten eintrefen. Die Zeiten ließen sich nur dann einigermaßen vorausbestimmen, wenn der Spediteur sowohl für die Organisation des Transports auf dem Streckenteil in den GUS-Ländern als auch für den Teil innerhalb der EU verantwortlich sei. Oft werde die Logistik jedoch an der Grenze gebrochen, weil die Ware über mehrere Händler vermittelt werde. Handlungsbedarf Als Osteuropa deiniert Ermefret heute vor allem den europäischen Teil der GUS-Länder wie Russland, Ukraine, Weißrussland und Litauen. Vor wenigen Jahren waren damit noch Länder wie Polen und Tschechien gemeint. Anders als in diesen Ländern ist der Transporteur in den europäischen GUS-Staaten immer die jeweilige Staatsbahn. Entsprechend können laut Zlobinska die Preise auch nicht verhandelt werden. Hier bleibe allenfalls die Möglichkeit, eine Routenalternative zu suchen. Doch abgesehen von den Problemen im Breitspurnetz liege auch auf dem osteuropäischen Normalspurnetz einiges im Argen. Dies seien vor allem die hohen Trassenpreise etwa in Polen und der Slowakei, der schlechte Zustand des Netzes, der meist nur Transporte mit 80 t schweren beladenen Waggons (also rund 10 t weniger als der Standard in Westeuropa erlaubt) ermögliche, und die unterentwickelten Informationssysteme, die eine Bestimmung des jeweiligen Standorts von Wagen und Ladung erschwere. Hier regiere noch das Telefon. Darüber hinaus müsse dringend in den Bau von intermodalen Terminals investiert werden. Dass Transporte von und nach Osteuropa trotzdem erfolgreich organisiert werden können, führt Zlobinska vor allem darauf zurück, dass die Ermefret-Mitarbeiter die Sprachen der jeweiligen Länder beherrschen und sehr gute Beziehungen zu den vor Ort Tätigen plegen. Sie hielten einen persönlichen Kontakt zum Personal an wichtigen Bahnhöfen und an den Grenzübergängen sowie zu den verschiedenen Staatsbahnen. Darüber hinaus werde versucht, Einzelwagen und Wagengruppen zu Ganzzügen zu bündeln oder an solche anzuhängen. ■ Die Autorin: Kerstin Zapp Kerstin Zapp (zp) freie Fachjournalistin Redaktionsteam „Internationales Verkehrswesen“, DVV Media Group GmbH, Hamburg kerstin.zapp@dvvmedia.com Das Metrans-Terminal in Prag. Metrans ist eine Tochter der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und sorgt vor allem für die Anbindung des osteuropäischen Hinterlands an die deutschen Seehäfen. Foto: HHLA LOgISTIK Hinterlandverkehr Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 26 Trimodal die Seehäfen entlasten Diverse deutsche Binnenhäfen bauen ihre Kapazitäten aus, um als Hinterland-Hubs für die Seehäfen zur Verfügung zu stehen. Besonders trimodale Ansätze (Straße / Schiene / Binnenschif) spielen dabei eine Rolle. Trimodale Hafenstandorte gelten als Bausteine für nachhaltige Transport- und Verkehrskonzepte. D er von der EU-Kommission im Rahmen der neuen TEN-T- Richtlinien gewählte Ansatz für ein europäisches Transportnetz aus Hauptkorridoren und Ergänzungsnetzen bringt der Binnenschiffahrt große Chancen, ihr Potenzial stärker als bisher auszuschöpfen. Das betonte Jean-Eric Paquet, Director European Mobility Network bei der DG Move der EU-Kommission, Anfang 2012 in Straßburg. Paquet forderte See- und Binnenhäfen auf, schon jetzt gemeinsame Projekte zur Verbesserung der Hinterlandanbindung vorzubereiten, die dann mit Beginn der neuen Verkehrsnetzpolitik ab 2014 umgesetzt werden können. In Deutschland haben die Binnenhäfen bereits diverse Projekte in Angrif genommen. Einige Beispiele. Rhein Angetrieben wird die Entwicklung am Rhein durch die Westhäfen Rotterdam, Amsterdam, Antwerpen und Zeebrügge, die Am Containerterminal Dortmund trefen die Verkehrsträger Schif und Bahn direkt aufeinander. Foto: Container Terminal Dortmund GmbH in neue Containerterminals investieren. Sie setzen sowohl auf die Bahn als auch auf das Binnenschif, um die Verweildauer der Boxen auf den Terminals zu reduzieren, und sehen den Rhein als Verbindung mit dem europäischen Hinterland. „RheinCargo“ heißt ein großes Projekt zwischen Wesel und Bonn: Das Bundeskartellamt hat die geplante Kooperation der Neuss-Düsseldorfer Häfen (NDH) und Köln (HGK) Anfang Februar genehmigt. Mitte 2012 soll das Gemeinschaftsunternehmen Rheincargo startbereit sein, das Hafenumschlag und Eisenbahngeschäft beider Partner unter ein Dach bringt. 2010 schlugen die Unternehmen zusammen 41 Mio. t um. HGK baut ein neues Containerterminal für den Kombinierten Verkehr (KV) im Industriepark Nord, das 2013 operativ starten soll. Darüber hinaus steht der Ausbau des Godorfer Hafens im Kölner Süden mit einem vierten Hafenbecken an. NDH plant ein KV-Containerterminal bei ihrer Hafentochter in Krefeld. Zuvor erhält jedoch Neuss Trimodal zwei neue Containerkranbrücken und zwei zusätzliche Gleise. Der Marktführer am Rhein, der Duisburger Hafen, konnte 2010 einen Umschlag von 54 Mio. t verbuchen und im vergangenen Jahr 64 Mio. t. Der Gesamtumschlag in den öfentlichen und privaten Häfen erreichte 125,6 Mio. t in 2011. Duisburg ist der weltgrößte Containerhafen im Binnenland, dessen Kapazität von derzeit 3,5 Mio. TEU auf 6 Mio. TEU ausgebaut werden soll. Hier wird weiter daran gearbeitet, Duisburg als die Logistikdrehscheibe im Hinterland der Seehäfen zu entwickeln und das eigene Netzwerk zu ergänzen, beispielsweise durch eine Kooperation von Duisport mit dem neuen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven, Jade-Weser-Port. Spekuliert wird unter anderem über eine künftige regelmäßige Bahnverbindung. Im Norden von Duisburg entsteht darüber hinaus ein KV-Hub der DB-AG, das den Hafen anbinden wird. Dagegen kommt der Bau des neuen KV-Terminals in Duisburg-Hohenbudberg nicht so schnell voran wie geplant. Das internationale Logistikunternehmen Samskip baut hier seine Aktivitäten im Hafen gemeinsam mit seinem Tochterunternehmen Van Dieren aus. Der europäische Shortsea- und Multimodal-Operator ist bereits seit vielen Jahren im Hafen aktiv und wickelt seine schifsseitigen Verkehre über das DeCeTe-Terminal ab. Damit in Zukunft auch die bahnseitigen Verkehre von Van Dieren über Duisburg laufen können, vereinbarte das Unternehmen mit der Duisport-Gruppe den Bau des neuen KV- Terminals in Hohenbudberg. Betriebsstart ist in diesem Jahr geplant. Ein alter Hase in Duisburg ist ebenfalls die Haeger & Schmidt International GmbH. Das Unternehmen bietet einerseits durch regelmäßige Binnenschifsabfahrten in nahezu allen Verkehrsrelationen und andererseits durch die Einbindung in das in- Die Autorin: Kerstin Zapp Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 27 ternationale Verkehrsnetz der belgischen Staatsbahn SNCB multimodale Transportketten. Allein in Duisburg schlägt Haeger & Schmidt rund 2 Mio. t pro Jahr um. Um die Komplettlösungen für kombinierte Barge-Rail-Transporte weiter ausbauen zu können, will das Unternehmen den Hafen Andernach als wichtige Drehscheibe am Mittelrhein noch stärker nutzen. Zudem sind die H&S Container Line GmbH und die Haeger & Schmidt International GmbH Anfang 2011 dem ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (SPC) beigetreten. Bislang ist der Hafen Dortmund (Umschlag 2011: 5,18 Mio. t) die Hauptdrehscheibe von und nach Bremerhaven. Jade-Weser-Port- Betreiber Eurogate ist im Rahmen seines Hinterlandnetzwerks am Containerterminal im Hafen Dortmund beteiligt. Gleichzeitig ist die Duisport-Gruppe aber auch Kooperationspartner der Dortmunder Hafen AG. Motor künftiger Entwicklungen in Dortmund könnte die geplante neue KV- Anlage „Am Hafenbahnhof“ im Norden des Hafens sein, die in Abstimmung mit Duisport errichtet wird und Ende 2013 an den Start gehen soll. Wer die Anlage betreiben wird, war Anfang April noch ofen. Des Weiteren wird darüber gesprochen, den Logistikpark Westfalenhütte per Schiene an den Hafen anzubinden und darüber, ein Schwergutterminal im Hafen zu errichten. Der Hafen Straßburg liegt zwar in Frankreich, aber die Nähe zu Deutschland könnte künftig für deutsche Kunden interessanter werden. Im Gegensatz zu Kehl und weiter lussabwärts Karlsruhe, Wörth und Germersheim kann Straßburg große Erweiterungslächen bieten. Im Rahmen des Projekts „Lauterbourg“ entstehen beispielsweise ein neues Containerterminal (Betriebsstart: 2014) und Gewerbelächen. Neben der Wasseranbindung bietet Straßburg Bahnverbindungen nach Antwerpen, Rotterdam, Le Havre, Lyon/ Marseille-Fos, Ludwigshafen und Obernai. Die Schweizer Rheinhäfen stellen sich mit einem neuen trimodalen Terminal in Basel Nord auf steigende Mengen im intermodalen Verkehr mit den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen ein. In Zusammenarbeit mit SBB Cargo soll ein neues Containerterminal in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hafen Kleinhüningen gebaut werden, direkt am Bahnkorridor Rotterdam - Genua. Die Planungsarbeiten für die Anlage sollen bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Zunächst wird das Terminal für den KV ausgelegt, in einer zweiten Bauphase kommt der Anschluss an den Rhein hinzu. Nach dem ersten Jahr seines Basel-Multimodal-Express (BME) zieht der Containerlogistik-Spezialist Contargo eine positive Bilanz: Mit der ersten trimodalen Transportverbindung zwischen Basel und den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen wurden bereits rund 13 500 TEU befördert. Seit Februar 2011 kombiniert der BME die Vorteile von drei Verkehrsträgern: Den Zubringerdienst zwischen den Westhäfen und Emmerich übernehmen Binnenschife. Anders als bei Direktzugverbindungen können sie die Container direkt und lexibel an allen gängigen Seehafenterminals in Rotterdam und Antwerpen abholen oder anliefern. Das ebenfalls zum Contargo-Netzwerk zählende trimodale Terminal in Emmerich dient als Hub und Schnittstelle zwischen Binnenschif und Bahn. Mit der Bahn werden die Container über Nacht zwischen Emmerich und Basel hin- und hergefahren. Die Transporte zwischen Basel und Hinterland übernehmen Lkw. Main-Donau-Kanal/ Donau Ende April hat der Wirtschaftsraum Nürnberg/ Oberfranken eine direkte Kombizuganbindung an Rotterdam erhalten. Partner ist TX Logistik, zuständig für Organisation, Disposition und Traktion. Vermarktung und Auslastungsrisiko teilt sich der Dienstleister mit dem Rotterdamer Umschlagunternehmen ECT. Damit tritt Rotterdam in direkten Wettbewerb zu Hamburg um das süddeutsche Hinterland. Neue Verbindungen wie der tägliche Shuttlezug Bamberg - Nürnberg seit Dezember 2011 stärken die regionale Wirtschaft, die Synergien zwischen den Bayernhafen-Standorten und die Hubfunktion von Nürnberg. Seit Anfang Januar 2012 arbeitet das Aschafenburger Containerterminal unter neuer Flagge: Die TCA Trimodales Containerterminal Aschaffenburg GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Bayernhäfen (49 %) und der Container Depot Nürnberg GmbH (CDN; 51%). Die Bayernhafen Gruppe mit ihren sechs Standorten Aschafenburg, Bamberg, Nürnberg, Roth, Regensburg und Passau hat 2011 29,8 Mio. t mit Schif, Bahn und Lkw umgeschlagen. Der Donauhafen Straubing-Sand war auch 2011 mit einem Gesamtumschlag von 4,2 Mio. t Niederbayerns leistungsstärkstes Güterverkehrszentrum. Um den Anteil der Bahnverkehre (derzeit nur 8,3 % am Umschlag) noch zu steigern, ist ein neues KV- Terminal im Osten des Hafens geplant. Der Bau könnte noch 2012 beginnen. Mittellandkanal/ Weser Auch am Mittellandkanal tut sich was: Die Häfen Preußisch Oldendorf, Lübbecke, Espelkamp, Hille, Minden und Bückeburg kooperieren seit 2008 miteinander und arbeiten daran, erster Ansprechpartner für Anfragen rund um die Integration der Verkehrsmittel Binnenschif und Bahn in die Transportkonzepte der Region Ostwestfalen-Lippe und Umgebung zu werden. Die Lage an der A2 und der Ost-West-Bahntrasse sowie die Anbindung über den Mittellandkanal und das Wasserstraßenkreuz in Minden an die deutschen Seehäfen ist gut, um künftig als Drehkreuz im Seehafenhinterlandverkehr eine größere Rolle zu spielen. Noch besser wird die Infrastruktur, wenn voraussichtlich Ende 2013 der Bau der neuen Weserschleuse in Minden und 2015/ 16 der Ausbau der Mittelweser abgeschlossen sein werden. Dann können auch Großmotorgüterschife in die Region gelangen. Zur Abfertigung dieser Einheiten ist in Minden ein neues Containerterminal direkt am Mittellandkanal geplant. Der neue „RegioPort Weser“ soll 2014 in Betrieb gehen. Elbe Flexibilität ist Trumpf in Dresden. Ob Eisgang die Binnenschiffahrt unmöglich macht oder Störungen der Bahnverbindungen den Schienenverkehr zum Erliegen bringen: Die Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO) haben oft die Möglichkeit, Ladung vom einen auf den anderen Verkehrsträger zu verlagern. So geschehen beispielsweise beim Elbe-Niedrigwasser im November 2011 und 2010 bei Bahnproblemen für den Kunden Wacker Chemie. Umweltschutz prägt die Geschäfte in Magdeburg. Die Firma Enercon GmbH als führender Produzent von Windenergieanlagen am Standort Magdeburg, die Städtische Werke Magdeburg GmbH (SWM) als innovativer Konzeptführer bei der Versorgung der Landeshauptstadt mit umweltfreundlichen Energien und die Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH haben eine Projektvereinbarung geschlossen: Magdeburg wird als erster Hinterlandhafen zu einem Greenport entwickelt. Die neu gebauten und künftigen Kaianlagen werden mit Elektranten ausgestattet. Durch eine vor kurzem in Hafennähe errichtete Windenergie-Referenzanlage von Enercon können dann Binnenschife mit regenerativem Landstrom versorgt und der CO 2 -Ausstoß im Hafen maßgeblich reduziert werden. Ein Großteil der Rangier- und Überfuhrdienste der Hafenbahn soll bereits in diesem Jahr durch eine Hybridlok erbracht werden. ■ Kerstin Zapp (zp) freie Fachjournalistin Redaktionsteam „Internationales Verkehrswesen“, DVV Media Group GmbH, Hamburg kerstin.zapp@dvvmedia.com Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 28 E s wird beispielsweise erwartet, dass durch die fortschreitende Urbanisierung der Anteil der Bevölkerung aller OECD-Staaten, der in Städten lebt, bis zum Jahr 2020 auf ca. 83 % anwachsen wird, womit unweigerlich auch ein rapide ansteigendes Personen- und Güterverkehrsaukommen einhergehen wird [vgl. OECD 2001]. Nachhaltigkeit durch City-Logistik Dem allgemeinen Trend hin zu schlanken Prozessen, zentralisierter und geographisch von der Produktion entkoppelter Lagerhaltung sowie bedarfsorientierter Lieferung folgend konzentrieren immer mehr Unternehmen ihre Produktionskapazitäten auf eine geringere Zahl von Standorten, wobei Produktion, Beschafung und Distribution zunehmend globaler werden. Dadurch muss die häuig im Stadtgebiet erfolgende Überwindung der „letzten Meile” wesentlich stärker als bislang mit den Abläufen innerhalb der restlichen globalen Supply Chain integriert und synchronisiert werden. Ein zunehmend komplexer städtischer Güterverkehr mit einer steigenden Zahl an benötigten Transportbewegungen ist die Folge. Auch die wachsende Bedeutung von Reverse Logistics-Lösungen trägt zum Anstieg des innerstädtischen Güterverkehrs bei City-Logistik für das 21. Jahrhundert Ein funktionierender Gütertransport ist Voraussetzung für jede Form von sozialer und wirtschaftlicher Aktivität in unseren Städten. Gleichzeitig ergeben sich aus einem zunehmenden Güterverkehr auch Störungen und Belastungen für den innerstädtischen Lebens- und Wirtschaftsraum. Aufbauend auf echten Daten der Groupe La Poste wurde ein mathematisches Optimierungsmodell in Form eines „integrated location-routing problems” (LRP) entwickelt, das zur Bestimmung eines optimalen Infrastruktur- und Flottendesigns herangezogen werden kann. Die Autoren: Stefan Spinler, Matthias Winkenbach Graik: Weidmüller Interface LOgISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 29 LOgISTIK Wissenschaft [vgl. OECD 2003, S. 26]. Das Konzept der City- Logistik (CL) beabsichtigt, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung die Belastungen durch den städtischen Gütertransport zu reduzieren, ohne dabei das soziale und wirtschaftliche Leben innerhalb der Stadt zu beeinträchtigen. Hierbei soll vor allem eine stärkere Koordination und Konsolidierung individueller Warenströme zu signiikanten Eizienzverbesserungen führen, die eine Reduktion der erforderlichen Transportbewegungen sowie der Anzahl, Größe und Emissionswerte der im Stadtgebiet operierenden Fahrzeuge ermöglichen. Kernpunkt des Konzepts ist die Abkehr von einer Betrachtung einzelner Warensendungen, Transportunternehmen und Fahrzeuge auf individueller Ebene und die Hinwendung zu einer Betrachtung dieser Elemente als Komponenten eines einzigen integrierten Logistiksystems. Insbesondere verfolgt CL das Ziel, zu einer optimierten Konsolidierung der Sendungen verschiedener Absender und Transporteure innerhalb ein und derselben Fahrzeuglotte zu gelangen. Vor allem der Optimierungsaspekt des Konzeptes wird jedoch in Literatur und Praxis bislang nur unzureichend berücksichtigt [vgl. Crainic et al. 2009]. City-Logistik als strategische Option für Postdienstleister Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes der WHU − Otto Beisheim School of Management in Vallendar, INSEAD in Fontaine- und rückt die integrierte Betrachtung von Auslieferung und Abholung stärker in den Fokus des Interesses [vgl. OECD 2003]. Ein auch in Zukunft bedeutender Treiber für die Zunahme des städtischen Güterverkehrs ist der elektronische Handel. Der massive Zuwachs an E-Commerce getriebenen Direktlieferungen stellt die städtische Gütertransportinfrastruktur nicht nur hinsichtlich höherer Volumina, sondern auch aufgrund der zunehmenden Fragmentierung der Sendungen vor völlig neue Herausforderungen [vgl. OECD 2003]. Die Kapazitäten der städtischen Transportinfrastruktur sind physisch stark begrenzt und kaum skalierbar. Angesichts eines stetig steigenden Bedarfs an Personen- und Gütertransport innerhalb des Stadtgebiets ergeben sich hieraus zunehmend Interessenkonlikte zwischen den beteiligten Akteuren. Eine unkoordinierte Zunahme des Verkehrsaukommens führt nicht nur zu regelmäßigeren Überlastungen der Verkehrsinfrastruktur und damit zu einem efektiven Verlust an Mobilität, sondern auch zu einer verstärkten Belastung durch Luftverschmutzung, Lärm und ähnlichem. Die OECD deiniert den Begrif der nachhaltigen Entwicklung als die Zusammenführung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele der Gesellschaft mit der Absicht, das gegenwärtige menschliche Wohlergehen zu maximieren, ohne dabei die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Deckung ihrer Bedürfnisse zu mindern Abb. 1: City-Logistik als strategische Option LOgISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 30 wurde ein mathematisches Optimierungsmodell in Form eines „integrated location-routing problems” (LRP) entwickelt, das zur Bestimmung eines optimalen Infrastruktur- und Flottendesigns herangezogen werden kann. Die Modellierung erfolgte anhand folgender Gesichtspunkte: • Unterscheidung zweier Güterklassen: größere Sendungen zum direkten Transport zwischen einem zentralen Konsolidierungs-Hub und ihrem Bestimmungs-/ Ursprungsort und kleinere Sendungen zum indirekten Transport über eine zweite Konsolidierungsebene (Zwischendepots); • Integrierte Betrachtung von Abholung und Lieferung; • Verarbeitung komplexer Geograien und Nachfrageverteilungen; • Einbezug unterschiedlicher Fahrzeugtypen und gemischter Flotten; • Kapazitätsbeschränkte Fahrzeuge und Konsolidierungseinrichtungen; • Berücksichtigung von Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Stadtsegmenten für bestimmte Fahrzeugtypen; • Berücksichtigung existierender Infrastruktur; • Zeitlimits für Zustellung und Abholung; • Minimierung der Gesamtkosten für Konsolidierung und Transport. Das Optimierungsproblem wurde als statisches Mixed Integer Linear Programming Model (MIP) implementiert und kann aubauend auf leistungsfähigen Solver-Algorithmen wie IBM ILOG CPLEX oder GUROBI mithilfe numerischer Optimierungsverfahren gelöst werden. Es können dabei bis zu 1 600 Stadtsegmente, bis zu 400 diskret vorgegebene Standorte für Konsolidierungseinrichtungen, vier Fahrzeugtypen und zwei Konsolidierungsebenen berücksichtigt werden. Das Modell ist auf Grundlage deterministischer Eingabedaten in der Lage, die Anzahl und Positionierung der benötigten Konsolidierungsbleau und der französischen Groupe La Poste wurde untersucht, welche Synergien Postdienstleister durch die Verbindung ihres bestehenden Postbetriebs und der Abwicklung städtischer Wareneinzelsendungen heben können. Derartige Synergien können beispielsweise dadurch entstehen, dass ein Flottenbetrieb im Umfang eines großen Postdienstleisters aufgrund von Skalen- und Verbundefekten eine höhere Fahrzeugauslastung ermöglicht. Gleichzeitig kann die Integration solcher Dienstleistungen mit bestehenden Postdiensten neben zusätzlichen Umsätzen auch Eizienzsteigerungen generieren. Angesichts der inanziellen Herausforderungen, denen viele Postdienstleister aufgrund der fortschreitenden elektronischen Substitution ihrer etablierten Produkte gegenüberstehen, stellt der Eintritt in den Markt für CL eine möglicherweise proitable Option dar, die eigene Geschäftstätigkeit aubauend auf bestehender Infrastruktur und vorhandenem Know-how stärker zu diversiizieren. Die vielschichtigen Herausforderungen eines Vorstoßes in diese Sparte sind in Abbildung- 1 illustriert. Um zu bestimmen, ob und wie die zentrale Koordination und Konsolidierung städtischer Warensendungen technisch und wirtschaftlich sinnvoll realisiert werden kann, muss die hierfür benötigte Transport- und Konsolidierungsinfrastruktur, die Zusammensetzung der benötigten Fahrzeuglotte sowie die anfallenden Investitions- und Betriebskosten ermittelt werden. Zielsetzung dieses Forschungsprojektes war es daher, ein tiefergehendes Verständnis für die eiziente und nachhaltige Erbringung von CL-Dienstleistungen zu erlangen und darauf aubauend die Groupe La Poste in ihrer Entscheidung hinsichtlich des strategischen Einstiegs in diesen Markt und des optimalen Infrastruktur- und Flottendesigns zu unterstützen. Aubauend auf echten Daten der Groupe La Poste Abb. 2: Kosten pro Stopp für unterschiedliche Fahrzeugtypen Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 31 LOgISTIK Wissenschaft einrichtungen, die Zuordnung von Stadtsegmenten zu einer bestimmten Konsolidierungseinrichtung, die Auswahl des für die Versorgung eines Stadtsegments verwendeten Fahrzeugtyps sowie die Routenführung der Fahrzeuge integriert zu optimieren. Um die Berechnungszeiten trotz der großen Modelldimensionen gering zu halten, wurde aubauend auf einer Formulierung von Smilowitz und Daganzo eine Approximationsformel für die Routenführungskosten innerhalb eines Stadtsegments entwickelt, die analytisch Heuristiken wie dem Clarke-Wright- Savings-Algorithmus [vgl. Clarke und Wright 1964] eine hinreichende Approximationsgüte aufweist [vgl. Winkenbach et al.]: f r , , A , q m t w 2 r s w c n t s w c n c f d,i d,i n i i d,i d,i s d,i o v d,i a i v d,i h v ( ) ( ) ( ) ≈ + + + + + + + Analyseergebnisse Anhand der Modellergebnisse lassen sich unter anderem Rückschlüsse auf die relativen Vor- und Nachteile einzelner Fahrzeugtypen ziehen. So lässt sich etwa feststellen, dass für den Transport kleinerer Paketsendungen Fahrzeuge mit moderater Geschwindigkeit, geringen operativen Kosten und hoher Agilität, wie zum Beispiel Transportfahrräder, weitestgehend kostenoptimal sind. Nur für Stadtsegmente, die in sehr engem Umkreis um das jeweilige Zwischenlager liegen und sehr hohe Nachfragedichten aufweisen, können zu Fuß agierende Zusteller eine kostengünstigere Anbindung schafen. Motorisierte Fahrzeuge kommen erst bei weit entfernt gelegenen Stadtsegmenten zum Einsatz (vgl. Abbildung-2). Darüber hinaus wird anhand des Models ein zentraler Trade-of bei der Infrastrukturgestaltung deutlich. Während die Gesamtkosten für Konsolidierung und Transport mit einer zunehmenden Zahl an Zwischendepots zunächst Abb. 3: Kostenoptimales Infrastrukturdesign deutlich abnehmen, da deren Einlussbereiche und damit die durchschnittlich zurückzulegenden Distanzen kleiner werden, nehmen sie ab einer bestimmten Anzahl an Zwischendepots wieder zu, sodass sich ein ausgeprägtes Kostenminimum ermitteln lässt. Der Grund für den erneuten Anstieg besteht in der mit der Zahl an Zwischendepots zunehmenden Fragmentierung des Warentransports zwischen den beiden Konsolidierungsebenen (vgl. Abbildung-3). Auf Grundlage des Models lassen sich die Gesamtkosten zudem in die wichtigsten Kostentreiber aufschlüsseln und umfangreichen Sensitivitätsanalysen unterziehen. ■ Stefan Spinler, Prof. Dr. Kühne Stiftungslehrstuhl für Logistikmanagement, WHU − Otto Beisheim School of Management, Vallendar stefan.spinler@whu.edu Matthias Winkenbach, M.Sc. Doktorand/ Wissenschaftlicher Mitarbeiter Kühne Stiftungslehrstuhl für Logistikmanagement, WHU − Otto Beisheim School of Management, Vallendar matthias.winkenbach@whu.edu QUELLEN CLARKE, G.; WRIGHT, J. W.: Scheduling of vehicles from a central depot to a number of delivery points. Operations Research, 12: 568-581, 1964. CRAINIC, T. G.; RICCIARDI, N.; STORCHI, G.: Models for evaluating and planning city logistics systems. Transportation Science, 43(4): 432-454, 2009. OECD. OECD environmental outlook 2001. Technical report, Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD Publishing, Paris, 2001. URL http: / / www.oecdbookshop.org. OECD. Delivering the goods: 21st century challenges to urban goods transport. Technical report, Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD Publishing, 2003. URL http: / / www.oecdbookshop.org. SMILOWITZ, K.R.; DAGANZO, C.F.: Cost modeling and design techniques for integrated package distribution systems. 2005. Working Paper. WINKENBACH, M.; KLEINDORFER, P. R.; ROSET, A.; SPINLER, S.: A mixed integer linear programming model for solving large-scale integrated location-routing problems for urban logistics applications at groupe la poste, unveröfentlichtes Working Paper. LOgISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 32 I nsbesondere der durch weltweit anhaltend hohe Emissionen an Kohlenstofdioxid bedingte und voranschreitende Klimawandel, die ordnungspolitischen Interventionen und das gestiegene öfentliche Interesse an nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen erfordern eine verstärkte ressourcenorientierte nachhaltige Unternehmenslogistik. Die Wissenschaft hat die Berücksichtigung von Umwelt- und Ressourcenschutz zum Megatrend in der Logistik erklärt und prognostiziert zukünftig eine integrale Berücksichtigung von ökologischen Aspekten in der Logistikstrategie. 1 Für Unternehmen bedeutet dies in der Praxis: konkrete Zielsetzungen abzuleiten und unterstützende Maßnahmen zu implementieren, die das eigene Logistiksystem auf die Herausforderungen eines ökologisch nachhaltigen Wirtschaftssystems umstellen, ohne die wirtschaftliche Existenz der eigenen Unternehmung zu gefährden. Gründe für die fehlende Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsfragen liegen dabei in der nicht vorhandenen Transparenz der ökologisch nachhaltigen Hebelwirkung logistischer Systeme und dem Einluss von Maßnahmen auf die ökonomische Geschäftstätigkeit. Die Zieloperationalisierung ist der erste Schritt, dem die Zuordnung und Bewertung von ökologisch induzierten Maßnahmen nachfolgt. Dabei wird auf Teilergebnisse der Dissertation des Autors, die an der Technischen Universität Berlin am Fachbereich Logistik Ende 2011 abgeschlossen wurde, zurückgegrifen. Die Senkung des Ressourceneinsatzes der Logistik kann als Topziel der ökonomisch und ökologisch induzierten Unternehmensstrategie aufgestellt werden. Unternehmensziele sind in zeitlicher, räumlicher und quantitativer Größe im konkreten Anwendungsfall zu operationalisieren, was auf der Ebene unternehmensweiter Nachhaltigkeitssteigerung bspw. von der Deutschen Post in Form der Senkung der unternehmenseigenen CO 2 -Emissionen um 30 % bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Ausgangsjahr 2007 bereits gemacht wird. Für einen Überblick über den ganzheitlichen Ansatz des Ressourcenverbrauchs im Logistiksystem ergibt sich ein Zweck-Mittel-Hebelbaum ausgehend vom Topziel Ressourceneinsatz bis hinunter in die operative Logistiksteuerung über Teilziele. In Abbildung- 1 ist dieser gesamte logische Hebelbaum dargestellt. Der Ressourceneinsatz lässt sich zum einen durch eine Reduzierung der Logistikleistung verringern, zum anderen wenn sich logistische Eizienzsteigerungen erzielen lassen, welche die gleiche Logistikleistung bei weniger Ressourceneinsatz erzielen. Eine Beschränkung der Logistikleistung kann aus zwei unterschiedlichen Richtungen erfolgen. Zum einen können logistische Leistungen aufgrund ordnungspolitischen Eingreifens durch Aulagen und Veränderungen der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurückgedrängt werden. Zum anderen können Unternehmen aus eigenem Antrieb heraus die logistische Leistungserstellung reduzieren. Da Unternehmen nur bedingt Einluss auf ordnungspolitische Entscheidungen haben und bei ihnen altruistisches Verhalten zur Selbstbeschränkung ihrer Logistikleistung nicht vorausgesetzt werden kann, wird dieser Ast des Hebelbaums hier nicht weiter erörtert. Der für die praktische Anwendung im Unternehmenskontext relevante Aktionsraum der ökologisch nachhaltigen Logistik bedient sich der Handlungsfelder zur Steigerung der Öko- Eizienz in der Logistik. Die Öko-Eizienz der Logistik lässt sich einerseits durch die Erhöhung der Wertschöpfung in Form der Verbesserung der Logistikleistung bei gleichbleibenden Umweltauswirkungen gemessen an den Treib- Ressourceneinsatz als nachhaltige Zielgröße in Logistiksystemen Durch die anhaltende Verlechtung und wachsende Dynamik der globalen Märkte sowie die zunehmende Verknappung von Rohstofen und die damit verbundenen Preissteigerungen von Energieträgern kommt der unternehmensübergreifenden Logistik eine wachsende Bedeutung zu. Der Artikel stellt die Integration ökologischer Nachhaltigkeit in das Logistiksystem durch die Entwicklung von Ressourceneizienz als strategische Zielgröße dar. Der Autor: Arnfried Nagel Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 33 LOgISTIK Wissenschaft Der Mengenfaktor Die Bevölkerungszahl gilt als das beschreibende Merkmal für den Mengenfaktor. Es stellt unabhängig vom Bezugspunkt des Systems das Maß für die absolute Nachfrage nach Produkt und Dienstleistung innerhalb einer zu betrachtenden Supply Chain dar. Schon früh wurde wissenschaftlich 3 und später auch auf politischer Ebene 4 der Zusammenhang von Weltbevölkerungswachstum als entscheidender Treiber der Umweltverschmutzung hergestellt. Die Tatsache, dass die Bevölkerungszahl und das Bevölkerungswachstum in wirtschaftlich unterschiedlich stark entwickelten Regionen der Welt verschieden sind, legt die Erkenntnis nah, dass wirtschaftlicher Erfolg und Bevölkerungswachstum korrelieren. Als Mengenfaktor stellt die Bevölkerungszahl einen Multiplikator für die absolute Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen dar. Da die Entwicklung der Weltbevölkerung nicht im Einlussbereich, sondern lediglich die pure Anzahl an Personen im Versorgungsfokus von Unternehmen steht, obliegt die Beeinlussung politischer Institutionen. Der Wohlstandsfaktor Der Pro-Kopf-Logistik-Verbrauch gilt als wichtiger Indikator für den Wohlstand, der einer der drei Haupteinlussfaktoren auf die Umweltbelastung ist. Der Wohlstand einer Gesellschaft lässt sich in Nachfragefaktor und Durchsatzfaktor gliedern und lässt sich mathematisch auf den Kilometerbedarf pro Person als Nachfrage logishausgasemissionen der Logistik erzielen oder andererseits durch eine Reduzierung der Umweltauswirkungen durch weniger Emissionen von Treibhausgasen bei gleichbleibender Leistung des Logistiksystems. Mit der Steigerung der Wertschöpfung der Logistik wird direkt die Leistungsfähigkeit des Logistiksystems angesprochen. Diese lässt sich anhand der klassischen Logistikziele Kosten, Flexibilität, Qualität, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit abbilden und adressiert damit hinlänglich bekannte Leistungsparameter der Logistik. Die Umweltauswirkungen der Logistik werden im Folgenden durch die emittierten Treibhausgase in Form von CO 2 als den bestimmenden Parameter für die Umweltbelastung beschrieben und bilden damit das zu reduzierende Unterziel der Ressourcenreduzierung. Die Umweltbelastung (Impact) der Logistik setzt sich demnach aus der zu befriedigenden Menge (People), dem erreichten Wohlstandslevel (Aluence) sowie den eingesetzten Technologien (Technology) zusammen. Dies entspricht der auf die Logistik angewandten IPAT-Gleichung von Meadows: 2 Umweltbelastung (I) = Menge (P) * Wohlstand (A) * Technologie (T) Werden die dargestellten Faktoren speziiziert und auf Berechenbarkeit innerhalb eines Logistiksystems hin überprüft, ergibt sich ein mathematischer Zusammenhang der in Abbildung 2 dargestellt ist. Abb. 1: Hebelbaum der Zweck-Mittel-Beziehung zum Topziel der ökologischen Nachhaltigkeit in der Logistik LOgISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 34 Der Technikfaktor Der Technikfaktor stellt den dritten Hebel der Beeinlussung der Umweltauswirkungen der Logistik dar und bringt die Schadstofemissionen in Form des Schadens gemessen in Treibhausgasemissionen pro bewegte Einheit in die Gleichung ein. Der Technikfaktor setzt sich aus Eizienzfaktoren, die in erster Linie das Produktionssystem der logistischen Leistung adressieren, und Emissionsfaktoren, die vor allem technische Lösungen auf ihre ökologische Nachhaltigkeit hin untersuchen, zusammen. Die Ermittlung der Umweltbelastung ergibt sich aus dem Energiebedarf pro Gewichtseinheit [J/ kg] als Einheit des Eizienzfaktors und aus den Emissionen pro eingesetzte Energieeinheit [CO 2 / J] als Messgröße des Emissionsfaktors. Der Eizienzfaktor Der Eizienzfaktor adressiert die Reduzierung der eingesetzten Energie bei der Leistungserbringung des logistischen Systems. Im Einzelnen umfasst er die Steigerung des Nutzungsgrades vorhandener Strukturen, die Verbesserung des Umwandlungsgrades der eingesetzten Energie (ohne die explizite Berücksichtigung technologischer Neuerungen) und die Umgestaltung der Logistikstruktur. Der Nutzungsgrad in einem Logistiksystem soll in Form der Auslastung der zur Verfügung stehenden Betriebsmittel im System beschrieben werden. Dazu werden Parameter eines Logistiknetzwerks, die Netzwerkknoten (Logistikgebäude) und Netzwerkkanten (Transporte), sowie die Unternehmenskooperationen im Netzwerk zu untersuchen sein. Um die Auslastung der Transportvorgänge eines Logistiknetzwerks zu erhöhen, muss entweder die Menge und/ oder das Gewicht der zu transportierenden Güter pro Transportvorgang erhöht werden. Dazu zählen zum Beispiel die Doppelstock-Verladung in Containern oder Lkw. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die erhöhte Auslastung des zulässigen Gesamtgewichts einer Transporteinheit durch Kombination unterschiedlich schwerer Güterarten, die für sich allein genommen schnell an die Gewichtsgrenze bzw. die Raumgrenze stoßen. Kooperationen im Netzwerk können auf horizontaler Ebene beispielsweise durch abgestimmte gemeinsame Transporte von Gütern, das Planen von Transportrouten sowie das Betreiben gemeinsamer Lager und Distributionszentren saisonbedingte Schwankungen einzelner Netzwerkpartner bei Transportvorgängen und im Lagersystem ausgleichen. Vertikale Kooperationen stellen unternehmensübergreifend Visibilität in Bezug auf planungsrelevante Größen wie Lagerbestände oder Bedarfskapazitäten her. Durch diese Informationen werden Handlungsspielräume geschafen und die CO 2 -Bilanz von Wertschöpfungsketten reduziert. 5 tischer Leistungen und Gewicht pro Kilometer als Leistungsfähigkeit eines logistischen Systems ausdrücken. Die Nachfrage pro Kopf nach einem Produkt oder einer Dienstleistung wird durch den Güterbedarf pro Person determiniert. Unter logistischen Gesichtspunkten kann dieser Güterbedarf in Kilometerbedarf pro Person ausgedrückt werden. Angebotsseitig hat das Streben nach Diversiikation und Innovation von Produkten und Dienstleistungen das Ziel, Kundenwünsche durch einen Zusatznutzen des neuen Produktes zielgerichteter zu erfüllen. Durch die Zunahme des Produktangebots wird der Kilometerbedarf pro Person erhöht. In Bezug auf ein logistisches System lässt sich der Durchsatz als bearbeitete Materialmenge pro bewegte Gütereinheit in der Einheit Kilogramm pro Kilometer beschreiben. Die Durchsatzfähigkeit eines logistischen Systems wird an dieser Stelle nur auf die bedingenden Produkteigenschaften wie Produktdesign, Produktentwicklung und Produktlebensdauer bezogen. Z.B. nimmt das Design eines Produktes durch Maße und Gewicht Einluss auf den Durchsatz eines logistischen Systems und somit auf die transportierte Masse (Kilogramm) pro Kilometer. Bei voranschreitender Industrialisierung der Entwicklungs- und Schwellenländer kommt es neben einem Bevölkerungswachstum auch zu Wirtschafts- und Wohlstandswachstum. Es liegt an ordnungspolitischen Institutionen durch Regularien, die Nachfrage nach Gütern, die durch ihren Transport einen hohen Ausstoß an Treibhausgasen hervorrufen, einzudämmen bzw. ihnen die induzierten externen Efekte anzulasten. Auf der anderen Seite müssen Unternehmen auf den Durchsatz Einluss nehmen, sodass sich die beschreibende Einheit des Wohlstandsfaktors Kilogramm pro transportiertem Kilometer verringert. Möglichkeiten liegen in der Entwicklung und Gestaltung der Produkte: Einerseits kann durch Marketing und verbesserte Produktmerkmale auf eine längere Nutzungsdauer abgezielt werden, andererseits kann bei der Gestaltung der Produkte und insbesondere ihrer Verpackungen durch schlichte und wenig voluminöse Formen auf eine optimale Transportfähigkeit Rücksicht genommen werden. Abb. 2: Berechnung der Umweltbelastung Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 35 LOgISTIK Wissenschaft Der Umwandlungsgrad wird mittels der aufgewendeten Energie für einen Transportvorgang im speziischen Kontext der Transportmittelwahl interpretiert. Die dritte Ebene des Eizienzfaktors zielt auf die Ausbildung von Logistikstrukturen unter Berücksichtigung ökologisch/ ökonomischer Randbedingungen ab. Dies beinhaltet in erster Linie die Netzwerkgestaltung. Das Logistiksystem bedient sich zur Erfüllung seiner Leistungen Technologien, die Energie verbrauchen. Für ökologische Nachhaltigkeit in der Logistik ergibt sich die Anforderung, den Energieverbrauch unter Berücksichtigung des notwendigen Logistikverständnisses durch den Einsatz energieeizienterer Technologien zu verbessern. Zum einen sind fahrzeugbezogene Technologien zu untersuchen, die das Fahrzeugdesign, die Antriebsform und den Einsatz alternativer Kraftstofe adressieren. Die zweite Kategorie bilden verkehrsbezogene Technologien, die den Einsatz von Verkehrsmanagementsystemen, Informations- und Kommunikationssysteme und die verkehrsträgerspeziische Verwendung und deren Kombination in der Logistik hervorheben. Abschließend werden die Emissionen in der Logistik durch das Einsatzfeld von nachhaltigen Produktions- und Gebäudetechnologien beeinlusst. Fazit Aus dem dargestellten Hebelbaum zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Logistiksystemen lässt sich das deinierte Topziel Ressourceneinsatz in der Logistik als speziisches Nachhaltigkeitsziel in das unternehmensweite Zielsystem überführen. Die Abhängigkeiten zu anderen Unternehmenszielen sind durch die notwendige Bedingung der Eizienzsteigerung berücksichtigt, sodass in erster Linie Maßnahmen umgesetzt werden, die dem Eizienzanspruch in komplementärer Weise zuträglich sind. Die unterste Ebene des Hebelbaums ist im praktischen Anwendungsfall mit ökologisch induzierten Maßnahmen zu versehen, die aufgrund der mathematischen Abhängigkeiten auf ihre Erfolgswirksamkeit zur Eizienzsteigerung hin überprüft werden können. ■ 1 Vgl. Straube/ Pfohl (2008), S. 13 2 Vgl. Meadows/ Meadows/ Randers (1993), S. 132 3 Vgl. Meadows et al. (1972), S. 75 f. 4 Vgl. Jöst (2002), S. 1 5 Vgl. Bretzke/ Barkawi (2010), S. 209 f LITERATUR BRETZKE, WOLF-RÜDIGER/ BARKAWI, KARIM (2010): Nachhaltige Logistik. Antworten auf eine globale Herausforderung. Berlin. JÖST, FRANK (2002): Bevölkerungswachstum und Umweltnutzung. Eine ökonomische Analyse ; mit 10 Tabellen. Heidelberg. MEADOWS, DENNIS ET AL. (1972): Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart. MEADOWS, DONELLA H./ MEADOWS, DENNIS L./ RANDERS, JØRGEN (1993): Die neuen Grenzen des Wachstums. Die Lage der Menschheit: Bedrohung und Zukunftschancen. Stuttgart. NAGEL, ARNFRIED (2011): Logistik im Kontext der Nachhaltigkeit - Ökologische Nachhaltigkeit als Zielgröße bei der Gestaltung logistischer Netzwerke. Berlin. STRAUBE, FRANK / PFOHL, HANS-CHRISTIAN (2008): Trends und Strategien in der Logistik : globale Netzwerke im Wandel ; Umwelt, Sicherheit, Internationalisierung, Menschen. Hamburg. Arnfried Nagel, Dr.-Ing.. Wissenschaftlicher Mitarbeiter TU Berlin Fachbereich Logistik nagel@logistik.tu-berlin.de Besonders schnell, bestens gedämmt. Das Spiraltor HS 7030 PU Das Spiraltor HS 7030 PU macht mit Öffnungsgeschwindigkeiten von bis zu 2,5 m/ Sek. den Weg frei. Zusätzlich überzeugen die feuerverzinkten, doppelwandigen Lamellen mit PU-Hartschaum-Füllung und edler Micrograin Oberfläche mit einem U-Wert von 1,95 W/ (m 2 ·K). Serienmäßige Sicherheit durch berührungslose Abschaltautomatik Mehr Infos unter: www.hoermann.de Tel. 0 18 05-750 100 * Fax 0 18 05-750 101 * *0,14 €/ Min. aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €/ Min. max. 2,5 m/ Sek. Spiraltor HS 7030 P U INFRASTRUKTUR Interview Ralph Beisel Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 36 Eizienz durch bessere An- und Ablugverfahren 2,1 Mio. gewerbliche Flugbewegungen (2,7 % mehr Starts und Landungen als 2010), 198,2 Mio. ein- und aussteigende Passagiere (plus 5 %) und gut 4,4 Mio. t Frachtumschlag (plus 4,8 %) waren im vergangenen Jahr an deutschen Flughäfen zu verzeichnen. Gute Zahlen, doch auch geprägt durch die Ausfälle in 2010 aufgrund des Vulkanausbruchs und des kalten Winters. Kerstin Zapp fragte Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer der ADV, was den Luftverkehr in Deutschland derzeit umtreibt. Herr Beisel, 65 Jahre gibt es die ADv nun schon. Worin liegt heute ihre Daseinsberechtigung? Als Sprachrohr der Flughäfen gilt es, die Positionen der Flughäfen gegenüber der Politik, den Medien und der Öfentlichkeit mit großem Engagement zu vertreten. Der Erfolg unserer politischen Kommunikation basiert auf einer fundierten Facharbeit. Die ADV setzt sich für einen wettbewerbsfähigen Luftverkehr und moderne, leistungsfähige Flughäfen in Deutschland ein. Im Zuge dessen wird es aber auch immer bedeutsamer, für ein gutes Miteinander von Anwohnern und Flughäfen einzutreten. Stichwort Wettbewerb: Laut ADv ist die Luftverkehrssteuer der Grund, warum zwei Drittel aller deutschen Flughäfen 2011 mit stagnierenden oder rückläuigen Passagierzahlen kämpften. Tatsächlich hat die Einführung der Luftverkehrssteuer im vergangenen Jahr deutliche Spuren in der Verkehrsentwicklung an den Flughäfen hinterlassen. Ein großer Teil des Wachstums in 2011 geht auf statistische Basisefekte zurück. Insgesamt hat das Marktwachstum im Passagierverkehr in Deutschland bei lediglich plus 3,0 % gelegen. Hinzu kommt, dass sich diese Zuwächse vor allem auf die größeren Flughäfen und solche mit Drehkreuzfunktionen konzentrieren. Während viele kleinere grenznahe Flughäfen in Deutschland teilweise erhebliche Passagierverluste hinnehmen mussten, sind grenznahe Flughäfen im benachbarten Ausland deutlich stärker gewachsen. Der innerdeutsche Luftverkehr hat mit einem Zuwachs von lediglich plus 1,6 % praktisch stagniert und vor allem im Low-Cost-Verkehr ist ein deutlicher Rückgang von minus 5,2 % eingetreten. Diese Entwicklung ist eindeutig auf die Luftverkehrssteuer zurückzuführen, die den deutschen Flughäfen einen erheblichen Standort- und Wettbewerbsnachteil beschert hat. Darüber hinaus ist die Steuer iskalisch ein Flop. Zwar wurden die erwarteten Einnahmen erreicht. Doch die inanziellen Einbußen der Flughäfen haben letztlich zu Mindereinnahmen bei Steuern und Sozialbeiträgen und Mehrausgaben bei Ländern und Kommunen geführt, Neben Luftverkehrssteuer und Luftfrachtsicherheitsgebühr ist für die europäische Branche die Einbeziehung in den Emissionshandel seit Anfang 2012 ein Problem. Ist eine Lösung in Sicht? Wir fordern weiterhin, den Emissionshandel wettbewerbsneutral auszugestalten. Zahlreiche Drittstaaten haben angekündigt, sich dem EU-ETS nicht unterwerfen zu wollen, darunter die USA und China. Immer mehr Staaten verlangen Ausnahmen für sich und drohen andernfalls mit empindlichen Gegenmaßnahmen. Eine Eskalation des Streits mit vielen unserer wichtigsten Handelspartner wäre fatal. Im Frühjahr 2013 startet voraussichtlich der neue Berliner Willy-Brandt-Flughafen. Was zeichnet ihn aus? Der neue Flughafen Berlin-Brandenburg wird zweifellos einer der modernsten Flughäfen der Welt sein. Mit der Inbetriebnahme wird der Luftverkehr der Hauptstadtregion „unter einem Dach“ gebündelt. Das schaft neue Möglichkeiten für die Fluggesellschaften bei kurzen Wegen für die Reisenden. Zusätzlich werden Luft-, Bahn- und Straßenverkehr am BER eizient miteinander vernetzt. Er setzt Maßstäbe für die Intermodalität. In welchen Bereichen könnten Prozesse überhaupt noch eizienter gestaltet werden, um den Durchsatz an Passagieren und Gepäck zu erhöhen? Viele Prozesse, wie wir sie heute kennen, sind schon sehr weit ausgereizt. Dies gilt insbesondere für die Bodenverkehrsdienste. Große Sprünge sind hier durch eine Optimierung nicht mehr zu erwarten. Eizienzgewinne sehen wir noch bei der Steuerung der Abfertigungs- und Terminalprozesse und an der Schnittstelle zu Airlines und Dienstleistern. Welche Bedeutung hat künftig der Hauptstadtlughafen im Ranking der deutschen Flughäfen? Die beiden Berliner Flughäfen lagen 2011 mit rund 24 Mio. Ein- und Aussteigern zusammen auf Platz 3 der größten deutschen Flughäfen hinter den Drehkreuzen Frankfurt und München. Auch der neue Berliner Flughafen wird seinen Platz sicher behaupten können. Die Eröfnung des Hauptstadt-Airports ist aber auch für alle deutschen Flughäfen ein sehr wichtiges Signal: Wenn Deutschland den Anschluss an die neuen Wachstumsregionen in der Weltwirtschaft künftig nicht verlieren und im Wettbewerb mit den neuen Schwergewichten in Asien, im Mittleren Osten und in Südamerika mithalten will, dann brauchen wir auch künftig leistungsfähige Infrastrukturen und bedarfsgerechte neue Kapazitäten. Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 37 Die Berliner beschwerten sich schon im vorfeld über den möglichen Lärm. Lärmdiskussionen werden auch an anderen Standorten geführt. Bleibt Deutschland als Luftverkehrsstandort da noch wettbewerbsfähig? Der umfassende Schutz vor Fluglärm hat seine Berechtigung und darf nicht vernachlässigt werden. Lange Genehmigungsverfahren machen es aber allen Seiten schwer, den Überblick zu behalten und transparente und nachvollziehbare Entscheidungen zu trefen. Es gilt, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Verkehrswachstum vom Fluglärm zu entkoppeln. Auf der Grundlage des neuen Fluglärmschutzgesetzes leisten die Flughäfen passiven Schallschutz, beispielsweise durch den Einbau entsprechender Fenster. Hinzu kommen die Maßnahmen des aktiven Schallschutzes. Dabei geht es um die Lärmvermeidung an der Quelle. Gemeinsam mit der Deutschen Flugsicherung müssen wir bei der Optimierung der An- und Ablugverfahren besser werden. Zusammen mit den Airlines haben wir den Einsatz von lärmarmen und sauberen Flugzeugen weiter zu befördern. Trotz aller Belastungen bleibt der Luftverkehr eine Wachstumsbranche. In diesem Jahr werden wir erstmals die Schwelle von 200 Mio. Passagieren überspringen. Für das Jahr 2025 erwarten wir 300 Mio. Passagiere. Hier müssen die Flughäfen mit Investitionen in eine hochleistungsfähige Infrastruktur Zukunftsvorsorge betreiben. Woher wird das Geld für die Infrastruktur künftig kommen? Hier haben wir in Deutschland ein strukturelles Problem. Es gilt das Prinzip der Nutzerinanzierung. Tatsächlich decken die Einnahmen aus Flughafenentgelten derzeit lediglich etwa 80 % der Kosten der Infrastruktur. Über die Nutzungsdauer werden die Flughäfen versuchen müssen, die Kostenunterdeckung für ihre Infrastruktur zu verringern. Ist eine privatwirtschaftliche Finanzierung aufgrund des Marktdrucks der Airlines nicht möglich, so setzt sich der Flughafenverband ADV für eine Lockerung der beihilferechtlichen EU-Vorschriften ein, so dass eine staatliche Mitinanzierung von Flughafeninfrastruktur nicht ausgeschlossen ist. Und wie könnte die vorhandene Infrastruktur noch besser genutzt werden? Flughäfen operieren vielerorts zumindest in Der Flughafenverband ADV wurde 1947 gegründet und zählt derzeit 22 internationale Verkehrslughäfen, 16-große Regionallughäfen sowie acht korrespondierende Flughäfen in Österreich und der Schweiz zu seinen Mitgliedern. Dazu kommen diverse außerordentliche Mitglieder. www.adv.aero den Spitzenzeiten an ihrer Kapazitätsgrenze. Für die optimale Nutzung der Start- und Landebahnen, der Vorfelder aber auch des Luftraums um die Flughäfen ist die Deutsche Flugsicherung DFS ein entscheidender Partner. Hier erwarten wir mehr noch als bisher innovative An- und Ablugverfahren. Ein Facharbeitsschwerpunkt der ADv ist „vernetzte verkehrsplanung“. Was steckt dahinter? Ein Flughafen ist schon lange keine singuläre, quasi alleinstehende, Infrastruktur mehr. Die Menschen denken immer stärker in Reiseketten, fordern abgestimmte Anschlüsse und kurze Wege. Deshalb brauchen wir optimal miteinander vernetzte Verkehrswege. Der Schwerpunkt vieler Verkehrsinvestitionen liegt deshalb heute auch zu Recht auf „den Knoten“, wie zum Beispiel den Flughäfen. Und hier müssen wir künftig noch stärker dafür werben, die An- und Einbindung der Flughäfen in den Straßen- und Schienenverkehr zu verbessern. Im Rahmen der ADV tauschen die Flughäfen ihre Erfahrungen zu diesem wichtigen Thema aus, stimmen Strategien zu nationalen oder europäischen Förderprogrammen ab und werben gemeinsam bei der Politik für die richtigen Schwerpunkte. Wie wird der Luftverkehrsmarkt zum 75. Geburtstag der ADv aussehen? Mit dem erwarteten wachsenden Passagieraukommen sind große wirtschaftliche Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland verbunden. Umso wichtiger ist es für die Flughäfen, die Infrastruktur und Kapazitäten eizient nutzen zu können. Hier ist die Politik gefragt. Darüber hinaus ist auch eine Konsolidierung im Luftverkehr möglich, bei den Airlines ebenso wie bei den Flughäfen. Auch werden wir weitere grenzüberschreitende Allianzen und Beteiligungen bei Airlines wie Flughäfen sehen. Herr Beisel, vielen Dank für das Gespräch. ■ Ralph Beisel ist Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrslughäfen (ADV) e.V., Berlin. Zuvor war er für Arthur D. Little und die Thomas Cook AG tätig. ZUR PERSON ZUM UNTERNEHMEN Fotos: ADV Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 38 Viel Neues im Westen Mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest am 21. Oktober 2011 wurden am Flughafen Frankfurt die Voraussetzungen geschafen, die luftseitige Kapazität entsprechend den zukünftigen Bedarfssteigerungen weiterzuentwickeln. Die darauf abgestimmte Kernmaßnahme zur Erhöhung der Kapazität des Terminals 1 ist der „Flugsteig A-Plus“. D as Erweiterungsvorhaben wird modernste Terminaleinrichtungen und vielfältigste Einzelhandels- und Gastronomie-Angebote für bis zu sechs Millionen Fluggäste pro Jahr bereitstellen. Die zusätzlichen Großraumpositionen am Gebäude, insbesondere für den Airbus A380, werden die Drehkreuzfunktion Frankfurts weiter stärken. Allein die Deutsche Lufthansa AG (DLH) hat 17- Airbus A380 bestellt, dazu zwanzig Boeing- 747-800, und alle werden in Frankfurt stationiert. DLH mit ihren Partnern innerhalb der „Star Alliance“ wird den Flugsteig A-Plus exklusiv nutzen. Das Zentrale Infrastrukturmanagement der Fraport Ag Im Zuge einer unternehmensweiten organisatorischen Umstrukturierung hat die Fraport AG zum 1.-Januar-2011 die Gesamtverantwortung für die Infrastruktur des Flughafens Frankfurt im Servicebereich „Zentrales Infrastrukturmanagement“ gebündelt. Die neu geschafene Organisationseinheit ist verantwortlich für die strategisch ganzheitliche Investitions- und Infrastrukturentwicklung am Standort Frankfurt, für die Wertsteuerung der Infrastrukturanlagen unter Lifecycle-Gesichtspunkten und für die Sicherstellung einer stringenten, gesamthaften Entwicklungsplanung für die Flughafeninfrastruktur. Innerhalb des Servicebereichs verantwortet die Abteilung „Investitionsmanagement Terminal A-Plus“ die aus einer Vielzahl von Einzelprojekten bestehende Gesamtmaßnahme A-Plus in der Rolle als unternehmensinterner Bauherr. Die Aufgaben umfassen die Führung der Anforderungsplanung und der Projektentwicklung sowie die Projektsicherung von A-Plus hinsichtlich der funktionalen, terminlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen bei der Planung und Umsetzung durch das Realisierungsmanagement. Der neue Flugsteig entsteht - eine kurze Chronologie Im Jahr 2005 verständigten sich Fraport und DLH auf die Erweiterung des Terminals 1 nach Westen in den Bereich der Lufthansa-Basis hinein - ein Entwicklungsansatz, wie er seinerzeit im Generalausbauplan 1985 für den Flughafen Frankfurt (mit einem anderem Footprint) dargestellt worden war. Die Terminalerweiterung A-Plus erforderte einen Teilabbruch der Bebauung auf der Lufthansa-Basis. Die Abbrucharbeiten begannen im Juni 2006. Insgesamt mussten 14 Gebäude mit einem umbauten Raum von rund 950 000 m 3 dem neuen Flugsteig wei- Der Autor: Holger Ackermann INFRASTRUKTUR Luftverkehr Foto: Fraport Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 39 chen. Dazu gehörte auch die Sprengung der unter dem Namen „Schmetterlingshalle“ bekannten Flugzeughalle 3 im Jahr 2007. Nach vorbereitenden Maßnahmen wurde am 10. Dezember 2008 symbolisch der erste Spatenstich für die Baugrube vorgenommen. Die Rohbauarbeiten begannen im Juli 2009. Der Grundstein wurde am 1. September 2009 gelegt. Nach nur 15 Monaten Bauzeit konnte am 2. Dezember 2010 das Richtfest gefeiert werden. Die Inbetriebnahme A-Plus erfolgt im Oktober 2012. A-Plus − ein Flugsteig der Superlative Mit dem neuen Flugsteig wird das Terminal- 1 geradlinig um ca. 800 m nach Westen erweitert. Das Hochbauprojekt umfasst den eigentlichen Pier, die sogenannte Wurzel A als Bindeglied zwischen Neubau und dem bestehenden Terminalbereich A sowie die Erweiterung der vorhandenen Gepäckausgabehalle A. Das Gebäude ist rund 22 m hoch und verfügt über vier Ober- und zwei Untergeschosse. Mit seinem baulichen und funktionalen Konzept schließt A-Plus ebenengleich an das Terminal-1 an. Die Dimensionen des Gebäudes sind beeindruckend: fast 1- Mio. m 3 umbauter Raum und 185 000 m 2 Brutto-Geschossläche. Es wurden 300 000 m 3 Erde ausgehoben. Mit Fertigstellung werden 100 000 m 3 Beton und 17 500 t Betonstahl verbaut, 66 000 m 2 Natursteinboden, ca. 67 km Rohrleitungen und 500 km Stromkabel verlegt sein. Rund 10 000 m 2 transparente Fassadenlächen sorgen für helle Wartebereiche und maximale Tageslichtausbeute. Die bestehende Gepäckförderanlage wird um weitere 7500 m Förderstrecke verlängert, die Gepäckabfertigungsläche um ca. 25 300 m 2 erweitert. Für ankommende Passagiere stehen künftig drei zusätzliche Gepäckausgabebänder mit jeweils 75 m Länge zur Verfügung. Die Fraport AG investiert mehr als 0,5-Mrd.-EUR in das Terminalprojekt. Der Airbus A380 - das Maß aller Dinge Der Flugsteig A-Plus verfügt über sieben Großraumpositionen. Vier sind auf den A380 (bzw. die Boeing B747-800) ausgelegt, oder erlauben alternativ die Doppelbelegung mit kleinerem Fluggerät bis Airbus A321. Die anderen drei Kontaktpositionen nehmen Flugzeugtypen bis Airbus A340- 600 (bzw. Boeing B747-400) auf. Im terminalnahen Vorfeldhof A können zusätzlich bis zu drei Flugzeuge der Größe bis Airbus A321 positioniert werden. Auf den A380- Positionen erlauben jeweils drei Fluggastbrücken das Zwei-Ebenen-Boarding für den Riesen-Airbus sowie die Brückenandienung bei Doppelpositionierung. An allen anderen Gebäudepositionen sind zwei Fluggastbrücken Standard. Aus Gründen der Nutzungslexibilität ermöglichen die Brückenbauwerke bis zu drei parallel durchführbare Abfertigungsprozesse. Die Gatebereiche - Passagierprozesse mit Komfort und Aufenthaltsqualität Auf der Ebene 1 beinden sich (neben Vorfeld- und Gepäckfunktionen) zusätzliche Busgates und Busankunftsstationen. Ebene-2 dient dem Schengen-Passagierverkehr (Ablug, Ankunft), die Ebenen- 3 (Ablug) und 4 (Ankunft) sind dem Non-Schengen- Passagierverkehr vorbehalten. Umsteiger wechseln die Fluggastebenen in zwei zentral angeordneten Transferkernen im Pier und im Wurzelbereich, von wo aus direkter Zugang zur Skyline-Station A mit schnellem Anschluss zu den anderen Terminalbereichen besteht. Insgesamt entstehen 27 neue Gates mit einer Gesamtläche von 12 100 m 2 . In allen Bereichen sind die Gates ofen gestaltet und erlauben den freien Blick auf das Flughafenvorfeld. Die Passagiere haben die Möglichkeit, sich bis kurz vor Boarding frei im Gebäude zu bewegen. Die Gateräume verfügen über ca. 6000 Sitzplätze. Bei der Konzeption des Gebäudes waren kurze Wege, eindeutige Orientierung und Übersichtlichkeit maßgebende Planungsprämissen. Für optimalen Passagierluss, barrierefreies Reisen und schnelles Umsteigen sorgen 43 Fahrtreppen, 22 Aufzüge und 31 Fahrsteige mit bis zu 70 m Länge. Die Erlebniswelt − Shopping, Gastronomie, Lounges Im Bereich der Wurzel entsteht auf zwei Ebenen ein weitläuiger Marktplatz mit attraktiven Geschäften, Restaurants und Services. Erstmalig am Flughafen Frankfurt wird das sogenannte „Walk-through-Konzept“ in den Duty-free- und Travel-value- Shops umgesetzt: Unmittelbar nach den Sicherheits- und Passkontrollen werden die Fluggäste im Zulauf auf den Marktplatz durch diese Shops geleitet. Auf fast 10 000 m 2 bietet sich ein vielfältiges Einzelhandelsangebot in über 60 Geschäften. Weltbekannte und regionale Marken sorgen für einen abwechslungsreichen und interessanten Mix. Auf rund 2100 m 2 wird regionale und internationale Küche angeboten; Bars, Bäckereien und Convenience- Konzepte bereichern das Angebot. Ebenfalls direkt am zentralen Markplatz beinden sich die großzügigen Business-, Senator- und First-Class-Lounges der DLH, die sie gemäß ihrem neuen Lounge-Design ausgestaltet. Insgesamt wird DLH fünf neue Lounges auf rund 7500 m 2 über drei Ebenen eröfnen. In der Mitte des Piers inden die Fluggäste vor dem Ablug oder auf dem Weg zum Anschlusslug einen weiteren, ergänzenden Marktplatz in der Schengen- und der Non-Schengen-Ebene. Der Anspruch − Architektur und Nachhaltigkeit Die Gestaltung des Innenraums − geprägt durch Licht, Glas und hochwertige Materialien - erzeugt ein architektonisch ansprechendes und abwechslungsreiches Ambiente. Das Lichtkonzept gliedert den neuen Flugsteig räumlich und diferenziert in die Abb. 1: Das Atrium ist das architektonische Highlight und Erkennungsmerkmal von A-Plus. Foto: Fraport INFRASTRUKTUR Luftverkehr Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 40 unterschiedlichen Funktionsbereiche; mittels linearer Beleuchtung wird ein difuses, gleichmäßiges Licht geschafen, punktförmige Lichtquellen setzen Akzente und erzeugen Kontraste. Im zentralen Marktplatz der Wurzel gewährt ein mittig angeordneter, über alle Passagierebenen reichender Lichtkegel faszinierende Einblicke und Perspektiven; er sorgt dank seiner gläsernen Überdachung mit einem Durchmesser von ca. 35 m für Tageslicht im Gebäudeinneren. Das „Atrium“ ist das architektonische Highlight und Erkennungsmerkmal von A-Plus. Ökologie und Nachhaltigkeit stehen im Fokus. Die Planungsvorgabe nach möglichst hoher Energieeizienz wird durch Minimierung des Energiebedarfs und Optimierung der Energiebereitstellung umgesetzt. Innovative Systeme führen zu einer Minderung von jährlich rund 10 000 t CO 2 . Das entspricht rund 40 % gegenüber konventionellen Anlagen, die noch nach der Energieeinsparverordnung EnEV 2007 ausgelegt sind. Die Fassade ist nach Norden weitgehend geschlossen. Nach Süden öfnet sie, verglast über die drei Obergeschosse, das Gebäude zum Vorfeld. Feststehende, rund einen Meter auskragende Elemente gliedern die Fassadenläche, bieten im Sommer Sonnenschutz und reduzieren die erforderliche Kälteleistung. Im Winter wird die tiefstehende Sonne jedoch im Innenraum wirksam. Der Einsatz eizienter Leuchtmittel hilft nicht nur Energie zu sparen, sondern reduziert auch die Erwärmung der Räume und somit den Kühlungsbedarf. Das Kühlsystem weist mehrere Optimierungsansätze auf. Qualitätsfühler in der Abluft steuern die transportierten Luftmengen entsprechend den hygienischen Erfordernissen und begrenzen sie auf den tatsächlichen Bedarf. Zur Abführung der Kühllasten werden wassergestützte Systeme realisiert, die große Energiemengen mit geringem Aufwand transportieren können. Das hohe Temperaturniveau der eingesetzten Kühlsysteme ermöglicht die Nutzung von Hybridkühltürmen, die den mit hohem Energieverbrauch verbundenen Kältemaschineneinsatz für viele Monate im Jahr ersetzen. Auch bei der Luftkühlung wird innovativ eingespart. In den Lüftungszentralgeräten wird Wasser in der Abluft versprüht und verdunstet; die dabei entstehende Kälte kühlt die angesaugte Frischluft. Der Kälteleistungsbedarf für die Luftkühlung konnte mit diesem Konzept halbiert werden. Zur Reduzierung des Trinkwasserverbrauchs wird das gesamte Regenwasser der Dachlächen von A-Plus sowie von Teilen des bestehenden Flugsteiges A in mehreren miteinander verbundenen Zisternen aufgefangen. Das Regenwasser wird für die Toilettenspülung, die Berieselung der Hybridkühltürme und für die adiabate Abluftbefeuchtung in den Lüftungszentralgeräten genutzt. Mit dieser Maßnahme sollen ca. 20 000 m 3 Trinkwasser pro Jahr durch Regenwasser ersetzt werden. Die Baustelle − eine logistische Herausforderung Für die Organisation und Steuerung der Material- und Personalströme sorgt ein komplexes Baulogistikkonzept, das die knappen Freilächen im unmittelbaren Baufeld optimal nutzt und die Abwicklung der zusätzlichen baubedingten Verkehrsmengen gewährleistet. Im Rahmen der Baustellenorganisation werden die Zu- und Abgänge von Personen und Fahrzeugen gesteuert, die Maßnahmen zur Ver- und Entsorgung der Baustelle geplant und Zutrittsberechtigungen für Baupersonal (in Spitzenzeiten sind bis zu 1000 Arbeiter zeitgleich auf der Baustelle tätig) und für Besucher erteilt. Mit der Umwidmung der A-Plus-Baustelle zum Sicherheitsbereich („Critical Part“) im Sommer 2012 wird sich die gesamte Baulogistik noch einmal grundlegend verändern. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Arbeiter, Werkzeuge und Baumaterialien vor Betreten bzw. Verbringen in den Sicherheitsbereich eine aufwändige Personal- und Warenkontrolle durchlaufen. Deshalb wird angestrebt, möglichst viele Bereiche des Innenausbaus, so auch in den Shops, Gastronomien und Lounges, inklusive der Möblierung bis zu diesem Zeitpunkt fertig zu stellen. Der Probebetrieb − auf Herz und Nieren testen Derzeit läuft ein umfassender technischer und operativer Probebetrieb; hierbei werden die künftigen Abläufe und Anlagenkomponenten ausgiebig getestet und aufeinander abgestimmt. Auch die Personalprozesse stehen auf dem Prüfstand. Ziel ist, vom ersten Tag der Eröfnung an alle Aviation- und Non-Aviation-Prozesse sowie das Facility- Management reibungslos zu gewährleisten. Die ersten Teilinbetriebnahmen Die erste Teilinbetriebnahme, die Non- Schengen-Luftsicherheitskontrollen in der Ebene- 3, erfolgte am 1.- Februar dieses Jahres. Mit den Erfahrungen wurden die Vorbereitungsmaßnahmen der technischen und operativen Inbetriebnahme-Teams optimiert. Die nächste Teilinbetriebnahme ist für Juli 2012 geplant und umfasst die Schengen-Luftsicherheitskontrollen in der Ebene-2 und mehrere Busgates in der Ebene-1. Kommunikation − ein maßgeblicher Erfolgsfaktor Angesichts der Komplexität des Gesamtvorhabens und der vielfältigen Wechselwirkungen der Einzelmaßnahmen untereinander stiegen die Vernetzungsbedarfe und Steuerungsanforderungen bei allen Beteiligten. Daher wurde frühzeitig eine unternehmensübergreifende und planmäßige Regelkommunikation auf Ebene des Top- Managements von Fraport und DLH eingerichtet, welche die Abstimmungen und Entscheide im Projekt lankiert und absichert. ■ Abb. 2: Die Ebenen 3 (Ablug) und 4 (Ankunft) sind dem Non-Schengen-Passagierverkehr vorbehalten. Graik: Fraport Holger Ackermann, Dipl.-Ing. (TU) Leiter Investitionsmanagement Terminal A-Plus Fraport AG, Frankfurt/ M. h.ackermann@fraport.de INFRASTRUKTUR See- und Luftverkehr Dubai Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 41 Die Drehscheibe in der Wüste Keine andere Stadt weltweit setzt - trotz aller wirtschaftlichen Verwerfungen der letzten Jahre langfristig erfolgreich - so entschieden darauf, Menschen und Güter in Bewegung zu bringen. In atemberaubendem Tempo entwickelt Dubai seinen Handel, seinen Transport und dazu seinen Verkehr. D ie mit geschätzt 1,5- Mio. Einwohnern heute größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate war noch vor drei Generationen ein unbedeutendes Fischernest weitab von allen internationalen Routen. Die Entdeckung von Rohöl vor der Küste der Emirate änderte alles - auf Zeit. Denn relativ schnell wurde klar, dass Dubais Vorkommen nicht viel länger als eine Generation sprudeln würden - anders als im Nachbaremirat Abu Dhabi, das zugleich Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate ist und vor seinen Küsten noch für weitere 100- Jahre Öl fördern wird. Heute macht Rohöl nur noch 2 % des Dubaier Staatseinkommens aus. Das Emirat musste diversiizieren. Es nutzte dazu seine Lage als bereits erprobte Handelsdrehscheibe. Ein versandeter Meeresarm, der sich ein paar Kilometer landeinwärts erstreckt, der traditionelle Schifsanlegeplatz, arabisch Khor, englisch Creek genannt, wurde ausgebaggert. Trotzdem taugte er weiterhin nur als Liegeplatz für arabische, persische, indische, und pakistanische Dhaus. Das sind jene 20 - 30 m langen seetüchtigen Schife aus Holz, die in diesen Breiten seit jeher den Handel zwischen den Kontinenten organisieren. Zusätzlich ließ der Scheich von Dubai, der sein Emirat bis heute autokratisch regiert, neben der Creek-Mündung deshalb einen neuen Tiefwasserhafen errichten, den Port Rashid. Der nahm mit dem aukommenden Containerverkehr einen stürmischen Aufschwung. In den späten 1970er Jahren begann − rund 35 km entfernt, auf der seeseitigen Spitze eines rund 134 km 2 großen Geländes − der Bau eines weiteren Hafens, des Port Jebel Ali. Es war und ist die bislang größte Hafenanlage, die Menschen jemals geschafen haben. Dieser Hafen, in dem auch Flugzeugträger der Nimitz-Klasse festmachen können und der von der US Navy einfach the sandbox Abb. 1: Ölbohrtürme bestimmen das Hafenbild von Sharjah, eines Nachbarn Dubais Foto: Gernot Brauer genannt wird, hat letztes Jahr auf seinem derzeit rund 1 Mio. m 2 großen Containerterminal bereits 11,6 Mio. TEU umgeschlagen. Er wird derzeit auf 15 Mio. TEU ausgebaut. Umgeben ist dieser Port Jebel Ali von einer der in Dubai zahlreichen Freihandelszonen. Allein in dieser einen arbeiten mehr als fünftausend Firmen aus 120- Ländern mit eigenen Niederlassungen. Ähnliche Zonen gibt es auch im Emirat Abu Dhabi. Dort entsteht in der Khalifa Industrial Zone mit einem Aufwand von 240-Mio. USD derzeit eine der weltweit größten Freihandelszonen mit besten Infrastruktur-Voraussetzungen für petrochemische und metallverarbeitende Unternehmen. Der erste Bauabschnitt mit 2,7- Mio.- m 2 Industriegelände hinter 3,2 km Kailänge soll Ende 2014 in Betrieb gehen und zwölf Millionen Tonnen Container pro Jahr abfertigen können. Hauptumschlagsgüter sollen Petroleum und Planzenöle werden, Aluminium, Zement und Getreide und außerdem alles, was sich an verarbeiteten Gütern in Containern bewegen lässt. In der Umgebung von Jebel Ali wird bereits Aluminium erzeugt und Stahl verarbeitet, werden Kupfer und Blei, Nickel und Zink in großen Mengen gelagert. Hier werden Tanker entladen und natürlich unzählige Container verladen. In den Freihandelszonen der Vereinigten Arabischen Emirate werden wie in den gesamten sonstigen Emiraten keinerlei Steuern erhoben. Der Staat ist im großen Stil unternehmerisch tätig; das bringt genug ein. Anders als sonstwo in den Emiraten benötigen ausländische Firmen in Freihandelszonen auch keine einheimischen Mehrheitseigentümer. Sie können dort schalten, wie sie wollen, also Waren, Geld und Arbeitskräfte in beliebiger Menge einführen oder exportieren. Importierte Waren werden im großen Stil reexportiert. Denn die nur gut 5- Mio. Einwohner der Vereinigen Arabischen Emirate brauchen das Wenigste von dem, was da eingeführt wird. Drei Viertel aller Güter, die auf dem See- oder Luftweg nach Dubai gelangen, bleiben nicht dort. Arbeitskräfte bekommen eine Aufenthaltserlaubnis (für sich, keineswegs für ihre Familie) nur mit einem Arbeitsvertrag, und läuft dieser aus, haben sie genau 30- Tage Zeit, einen neuen Job zu inden oder das Land zu verlassen. Erst die seit rund fünf Jahren bestehende Möglichkeit, im Emirat auch als Ausländer eine Villa oder ein Appartement zu kaufen, eröfnete Besserverdienenden eine Chance, dieser unverzüglichen Abschiebung zu entgehen. Betreiber der Dubaier Häfen ist DP World. Der Autor: gernot Brauer INFRASTRUKTUR See- und Luftverkehr Dubai Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 42 Dieses Firmenkonglomerat wurde 2005 vom Regierungschef und Mehrheitsaktionär Scheich Mohammed bin Rashid al Maktoum gegründet und im Jahr darauf in die damals neu geschafene Finanzholding Dubai World eingebracht, ein von Dubai aus global agierendes Unternehmen mit rund 50 000 Beschäftigten in mehr als 100- Staaten für unter anderem mehr als 60- Hafen- Terminals in allen Kontinenten. Dubai World inanzierte ehrgeizigste Investmentprojekte auf Kredit. Prompt geriet dieses Firmenkonglomerat nach der Insolvenz des amerikanischen Investment-Bankhauses Lehmann Brothers im November- 2009 inanziell ins Straucheln. Es riss das ganze Emirat mit und ließ auch den Dow-Jones- Index um 1,5 % absacken. Die Ölpreise gaben als Reaktion sogar um 7 % nach. Die Verbindlichkeiten von Dubai World erreichten 59 Mrd. USD, zwei Drittel der insgesamt rund 80 Mrd. USD Schulden der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Regierung von Dubai verlangte und bekam Kreditprolongationen. Das führte dazu, dass zahlreiche weitgreifende Projekte abgebrochen oder zumindest auf Jahre unterbrochen wurden. Erst Anfang April-2012 mussten die Dubaier Trockendocks, ein weiteres Unternehmen in diesem Konglomerat, Kredite in Höhe von 2,2 Mrd. USD umschulden und gemäß einem Dekret des Scheichs von 2009 die Gläubiger aufordern, auf Kreditrückzahlungen mehrere Jahre zu warten. Nur so war eine Insolvenz der Docks zu vermeiden. Für ihre Gesundung ist ein Fünf-Jahres- Plan aufgestellt. Das Logistikgeschäft läuft DP World, das schon im Gründungsjahr 2005 für 7 Mrd. USD den bis dahin weltweit viertgrößten britischen Hafenbetreiber P&O übernommen hatte, hat 2010 weltweit rund 55 Mio. Standardcontainer umgeschlagen. Sein Stammhafen Jebel Ali soll in wenigen Jahren vom Dubaier Stadthafen Port Rashid den gesamten Dubaier Containerbetrieb übernehmen. Um Platz für zahlungskräftige Schifstouristen zu machen, hat die Port Authority eine Dubaier Erwerbung des Jahres- 2008 an einen minder attraktiven Hafenliegeplatz umdirigiert: die einstige „Königin der Meere“, die Queen Elizabeth- 2. Das Schif sollte für den zu Dubai World gehörenden Immobilienentwickler Nakheel neben dessen aus dem Boden schießenden Wohnhochhäusern als Luxushotel sowie als noble Theater- und Restaurantadresse fungieren, außerdem als schwimmendes Museum und nicht zuletzt als Möglichkeit, womöglich noch luxuriöser zu wohnen als an Land ohnehin möglich. Das ist bislang unterblieben. Ob die ehemalige Königin des Atlantiks eines Tages endgültig an den künstlichen Ufern der Palm Jumeirah festmachen wird, steht in den Sternen. Während dieses Kapitel des Seeverkehrs also auf seine Anknüpfung an die Gegenwart wartet, investierte das Dubaier Verkehrsministerium in die Transportinfrastruktur allein 2010 rund 2 Mrd. USD. Sie kommen den See- und Flughäfen, den Straßen und Schienenwegen des vergleichsweise kleinen Landes zugute. Das nur rund 70 km breite und etwa 50 km tiefe Emirat Dubai ist zu einem globalen bedeutenden Umschlag- und Marktplatz geworden. Dabei ist es im Wesentlichen nur entlang der Küste besiedelt. Und fast selbstverständlich liegen alle großen Infrastrukturprojekte sowohl Dubais wie seiner Nachbaremirate in Sichtweite der Küstenlinie. Ihr Wettbewerb untereinander wird täglich größer. Zwar machen sich die Dubaier Häfen Port Rashid und Jebel Ali wechselseitig keine Konkurrenz. Ende- 2010 ging im Nachbaremirat Abu Dhabi der erste Abschnitt des dortigen Hafens Port Khalifa in Betrieb. Dessen primärer Bauabschnitt soll Ende des Jahres- 2012 komplett sein und dann 2 Mio. TEU und 12 Mio. t Stückgut bewältigen. Langfristig soll der Port Khalifa den Dubaier Port Jebel Ali noch übertrefen: Bis- 2030 soll er 15 Mio. TEU und 35 Mio. t Stückgut verkraften. Die genannten Häfen sind nur durch die Meerenge von Hormuz zu erreichen, die Pulsader des globalen Rohöltransports, welche die Emirate vom Iran trennt. Häfen an der von diesem Nadelöhr unabhängigen Ostküste der Emirate gewinnen stetig an Bedeutung. Es sind Khorfakkan/ Hamrijah im Emirat Fujairah mit bislang 3 Mio. TEU Kapazität, Mina Saqr im Emirat Ras Al Khaimah, der diese 3 Mio. TEU bis 2020 bewältigen soll, und der Hafen Salalah im Oman. Alle diese Drehkreuze der Handelsschiffahrt haben trotz ihres geopolitisch gemeinsamen Vorteils der Lage jedoch einen entscheidenden Nachteil: die schwache Hinterlandanbindung. Alle diese Häfen sind nur per Lkw erreichbar. Dubai World Central International Airport Jebel Ali dagegen hat zumindest auf dem Papier einen unschlagbaren Vorteil: seine Lage am Meer und an einem internationalen Luftverkehrskreuz, das Dubai im Vorgrif auf dessen erst noch zu erringende Bedeutung schon jetzt Dubai World Central International Airport nennt. Für diesen Flughafen wurde in den Jahren- 2005 bis 2009 rund 44 km außerhalb der Dubaier Altstadt auf einem riesigen, 140 km 2 großen Wüstengelände zunächst eine ´4,5 km lange Start- und Landebahn mit Tower und Terminal mitten in die Wüste gebaut. Von den fünf geplanten parallelen Start- und Landebahnen des World Central Airport (ursprünglich war sogar von sechs Startpisten die Rede gewesen, alle 800 m von der nächsten entfernt und damit für gleichzeitige Starts und Landungen tauglich) wurde allerdings erst diese eine verwirklicht. Sie liegt nur 10 km landeinwärts vom Seehafen, ist über Autobahnen erschlossen und macht es so möglich, Waren binnen 4 h vom Schif ins Flugzeug zu laden. Das erspart Frachtführern, die Dubai als regionales Versorgungszentrum etwa für Ersatzteile in den gesamten Mittleren Osten benutzen, nach Ansicht des Group Vice President Middle East der Gulf Agency Company Dan Hjalmarsson 40 % der direkten Luftfrachtkosten auf dem Weg von oder nach Ostasien. Mitte 2010 landete die erste Frachtmaschine auf dem Dubai World Central Airport. Auch den nötigen Frachtterminal gibt es seit Mitte 2010. Abb. 2: Während sich der Dubaier Hafen Port Rashid zu einem Kreuzfahrtterminal wandelt (links), wird der Hafen Jebel Ali als Frachtumschlagplatz weiter ausgebaut. Fotos: DP World Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 43 Das ist erst der Anfang. Geplant sind satellitenartige Einrichtungen für Logistik in einer künftigen 25 km 2 großen Dubai Logistics City, für Luftfahrtforschung und -entwicklung, für die Luftfahrtindustrie, den Flugzeugservice und für Wartungsirmen in einer auf 12 km 2 ausgelegten Aviation City, dazu Wohnquartiere (Residential City und Golf City) sowie eine Commercial City mit bis zu 800- Hochhäusern. Und schließlich ist neben dem Dubai World Central Airport auch noch das Dubaier Messegelände geplant. Insgesamt sollen hier einmal 800 000 Menschen arbeiten. Der Airport soll dann pro Jahr 160-Mio. Passagiere und 12 Mio. t Luftfracht umschlagen, mehr als das Dreifache an Passagieren und das Fünfache an Fracht des Flughafens Frankfurt am Main. Flüge allerdings gibt es nach und von Dubai World Central bislang kaum. Außer Geschäftsmaschinen landet dort vor allem Fracht, unter ihnen zeitweilig solche von Air Cargo Germany, einer reinen Frachtlinie, die auf dem Flughafen Hahn in der Nähe von Frankfurt stationiert ist. Ein wesentlicher Grund für die bisherige Zurückhaltung ist in der anhaltenden Finanzkrise zu suchen. Einen weiteren sehen Experten darin, dass alle Baupläne rund um den Airport bisher nur auf dem Papier stehen. Wie auch immer - der World Central Airport wird in absehbarer Zeit mitnichten ein Zentrum der Welt. Technisch ist er aufs Modernste ausgerüstet. Trotzdem wird Luftfracht per Lkw von hier zum gewohnten innerstädtischen Flugplatz gefahren. Eine Metrolinie, die beide 49 km voneinander entfernten Airports mit bis zu 160 km/ h Zugtempo bei nur wenigen Zwischenstopps in nur 40 min verbinden sollte, existiert ebenfalls nur auf dem Papier. Deshalb bleibt der Stadtlughafen Dubai International Airport bis auf weiteres das wichtigste Drehkreuz. Bereits-2008 gehörte er im Passagierverkehr zu den 20- betriebsamsten Flughäfen weltweit, rangierte beim Frachtaukommen auf Platz- 11 und bei internationalen Passagieren sogar schon auf Platz- 6. Seine Verkehrsleistung erbringt 28 % des gesamten Bruttosozialprodukts im Emirat - und das, obwohl weitere internationale Flughäfen fast nebenan liegen: Sharjah International nur rund eine halbe Autostunde, Abu Dhabi International nur eine gute Autostunde und Al Ain International nur unwesentlich weiter entfernt. Während die schnell wachsenden Etihad Airlines in Abu Dhabi beheimatet sind, domiziliert Emirates Airlines auf Dubai International. Bezogen auf Flugkilometer internationaler Passagiere rangiert Emirates weltweit bereits auf Platz fünf. Einer von drei derzeit betriebenen Terminals auf Dubai International ist allein dieser Airline vorbehalten, ein vierter, ganz auf die Dimensionen des Airbus- 380 zugeschnitten, steht vor der Fertigstellung. Beide Terminals haben direkten Metroanschluss und verbinden die Schnellbahnstationen mit ihren Check-in-Schaltern über unterirdische Empfangspaläste unter dem Rollfeld. Es sind gigantische Räume. Verglichen mit ihnen wirken selbst die des Flughafens Frankfurt am Main spielzeughaft klein. Darin dauert die Grenzabfertigung allerdings selbst für Passagiere, deren Visum nur eine Formalie ist, operettenhaft lange. ■ gernot Brauer Freier Journalist München BrauerMUC@aol.com Abb. 3: So könnte der Dubai World Central Airport einmal aussehen. Realistische Pläne gibt es noch nicht. Graik: http: / / almaktouminternationalairport.eu/ dubai-world-central/ al-maktoum-airport Abb. 4: Blick in den im Herbst 2008 eröfneten Terminal 3 des Flughafens Dubai International. Quelle: www.dubaiairport.com INFRASTRUKTUR Brasilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 44 Schnellstraße Brasilien − China China ist auf der Suche nach Rohstofen und wird zunehmend durch Brasilien gefüttert. Der Flut chinesischer Konsum- und Industrieprodukte will man durch den Bau neuer Häfen und Infrastruktur Herr werden. Der größte Eisenerzexporteur der Welt Vale entwickelt eigens eine neue Schifsklasse, den Chinamax- Frachter. E s scheint so, als habe sich da ein Paar gefunden. China begehrt die Rohstofe, Stahl sowie Nahrungsmittel des südamerikanischen Power House. Der Partner Brasilien hat sich am Chinaieber angesteckt und exportiert einen Großteil seiner Waren ins Reich der Mitte. Der hungrige Drache wird neben Rohstofen mit Soja, Orangensaft, Getreide, Kafee, Zucker, Rindleisch, Holz etc. Abb. 1: Topograische Karte von Brasilien gefüttert. Im ersten Halbjahr 2010 lag Brasilien auf Platz acht der Hauptlieferländer (Platz vier USA, Deutschland Platz fünf ) Chinas. Umgekehrt hat China die USA von Platz eins der Hauptlieferländer (Deutschland Platz vier) für Wirtschaftsgüter an Brasilien in 2010 abgelöst. Die chinesische Wirtschaft hat den riesigen Konsumentenmarkt des südamerikanischen Landes mit fast 200-Mio. Einwohnern erschlossen. Der gelbe Riese liefert neben Konsumgütern u. a. Maschinen, Kfz, und elektronische Produkte. Zudem ist China Hauptabnehmer für brasilianische Wirtschaftsgüter. Laut Germany Trade & Invest (Gtai) soll das Konsumniveau in 2012 bei 5 % und damit über der erwarteten BIP-Zunahme von 3,7 % liegen. Der Konsum bleibt der Konjunkturmotor Nummer eins, auch wegen der Anhebung des Mindestlohns um 14 %. Durch öfentliche Aufträge im Rahmen des Investitionsförderprogramms PAC wird für 2012 eine Investitionsquote der Unternehmen von 6,5 % erwartet. Die starke Überbewertung der brasilianischen Währung Real führte zu einer gigantischen Importzunahme in 2010 von 42,2 %. Von Januar bis November 2011 lag sie erheblich niedriger bei 26,2 %. Der Export nahm im gleichen Zeitraum um 27,5 % zu. In 2010 führte das Land am Zuckerhut zum Beispiel rund 32 % mehr Maschinen ein, als in 2009. Dies wiederholte sich mit 32,7 % Importzuwachs im ersten Halbjahr 2011. Daher fürchtet der Fachverband Abimaq eine drohende Deindustrialisierung und bemüht sich um eine Importzollsteigerung für Maschinen, die auch im Lande gefertigt werden, von 14 auf 35 %. Beim Export machen Agrarerzeugnisse 42 % aus. Der Eisenerzexport stieg in 2010 um mehr als 40 % und in 2011 um 12,5 %. Neben der überbewerteten Währung stellen das extrem komplizierte politische System, die komplexe Steuergesetzgebung und die hohen Zinsraten um die 18 % große Herausforderungen dar. Brasilien benötigt schnelle, direkte und simple Reformen. Nadelöhr Transportinfrastruktur Die Infrastruktur stellt eines der Nadelöhre der brasilianischen Wirtschaft (globales Ranking Platz- 41) dar. Die Häfen sind der enormen Zunahme im Handelsvolumen nicht gewachsen. Gleiches gilt für die Der Autor: Dirk Ruppik Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 45 Abb. 2: Açu Superport Flughäfen, die nicht nur dem Warentransport nicht standhalten, sondern auch dem erwarteten Besucheransturm durch die Fußballweltmeisterschaft in 2014 und die Olympischen Spiele in 2016. Die Exportprodukte werden in vielen Regionen des Landes erzeugt und meist über die Straße transportiert. Der Schienenweg wird kaum genutzt. Daher hat das Transport Infrastructure Department ein Budget von 9,34-Mrd.-USD (rund 6,5-Mrd.-EUR) für 2011 bereitgestellt, das in gleichen Teilen für den Straßen-, Hafen- und Eisenbahnbau verwendet werden soll. Bis 2014 werden alleine 11,34-Mrd. - USD (rund 8-Mrd.- EUR) in den Hafenbau, insbesondere in den Containerbereich, investiert. Trotzdem wird bemängelt, dass die Gelder zu sehr in punktuelle Aktionen wie die genannten Sportevents ließen statt in langfristig nutzbringende Projekte. Im Vergleich zu China mit 5 % investiert Brasilien gerade einmal 0,5 % seines BIP in die Infrastruktur. Doch chinesische Unternehmen investieren zunehmend im großen Stil im südamerikanischen Land. Laut der Brazil-China Chamber of Trade and Industry legten chinesische Unternehmen in 2009 nur rund 270-Mio.-EUR in Brasilien an. In 2010 waren es schon sagenhafte rund 13-Mrd.-EUR. Gemäß Economic Times (India) sollen es in 2011 rund 7- Mrd.- EUR gewesen sein. Die Unternehmen aus dem Land der Mitte setzten die Gelder in diversen Sektoren vom Bankenbereich bis zur Fahrzeugproduktion ein. Einer der größten Deals wurde im Stahlerzeugungsbereich abgeschlossen. Das brasilianische Unternehmen LLX wird zusammen mit dem chinesischen Stahlunternehmen Wuhan Iron ein Stahlwerk im Wert von rund 3,5- Mrd.- EUR bis 2013 im Staat Rio de Janeiro auf dem Gebiet des Superhafens Açu aubauen. LLX gehört dem reichsten Mann des Landes Eike Batista. Das nationale brasilianische Energieunternehmen Petrobras gründete mit Chinas Petrochemical Group (Sinopec) ein Joint-Venture zur Exploration von Öl und will ebenso eine 1200 km lange Pipeline zwischen Süd- und Nordbrasilien bauen. Künftig steht die Erschließung der brasilianischen Ofshore-Erdölquellen an. Hauptstadt: Brasilia Regierung: Präsidiale Bundesrepublik mit Präsidentin Dilma Rousef, Demokratie seit 1985 Einwohner: Rund 195 Millionen (2011), fünftgrößter Staat der Erde Währung: Brasilianischer Real (BR) Rohstofe: Eisenerz, Erdöl, Erdgas, Uran, Eisen, Zinn, u. a. Herausforderungen: Kompliziertes politisches System, komplexe Steuergesetzgebung, hohe Zinsraten, unzureichende Infrastruktur, Fachkräftemangel Häfen: 17 Haupthäfen, 2 neue Superhäfen: Açu und Sudeste Handel: Hauptlieferländer für Brasilien: China, USA, Argentinien, Deutschland. China ist zudem Hauptabnehmer von brasilianischen Wirtschaftsgütern und Rohstofen noch vor den USA, Argentinien, den Niederlanden und Deutschland. Eisenerzexporteur Vale hat eigens die neue Schifsklasse Chinamax mit 400 000 t Leergewicht in Auftrag gegeben. Chinesische direktinvestitionen in Brasilien: 270 Mio. EUR (2009), 13 Mrd. EUR (2010), 7 Mrd. EUR (2011) Fußballweltmeisterschaft: 2014 olympische Spiele: 2016 BRASILIEN - DATEN UND FAKTEN INFRASTRUKTUR Brasilien Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 46 Milliardär Batista baut Superhäfen Laut der britischen Portstrategy haben lange Wartezeiten in den 17 bedeutensten Häfen Brasiliens in 2010 zu 850 Stornierungen bei den Hafeneinläufen geführt. Im Jahr davor waren es nur 457. Daraus kann man die Dringlichkeit für den Bau von neuer Hafeninfrastruktur ablesen. Genau das hat das Unternehmen des Industriemagnaten Eike Batista (laut Forbes achtreichster Mensch der Welt) erkannt und baut daher die zwei Superhäfen Açu und Sudeste. In einem CNN-Interview Ende 2010 sagte Batista: „Brasilien hat versäumt, in Infrastruktur zu investieren. Meine Unternehmen haben sich auf Logistik und Infrastukturbau, insbesondere Hafenbau, spezialisiert. Die größte Chance des Landes liegt in der Ofshore-Exploration mit einem Projektwert im Trillionen-US-Dollar-Bereich.“ Der bereits seit 2007 im Bau beindliche Superhafen 400 km nördlich von Rio soll 30-Liegeplätze besitzen und Stahl, Kohle, Petroleum, Granit, Eisenerz, lüssiges Schüttgut und allgemeine Fracht handeln. Ein gigantischer Pier ragt 2,9 km weit ins Meer. Der stellvertretende chinesische Handelsminister Jiang Yaoping bezeichnete ihn als „Schnellstraße nach China“. Açu soll 2012 in Betrieb genommen werden. Das Projekt umfasst einen 90 km 2 großen Industriepark. Neben der genannten Stahlmühle soll eine weitere Stahlmühle durch das italienischargentinische Stahlunternehmen Techint gebaut werden. Der Industriepark wird u. a. Zementfabriken, Ölverarbeitungsanlagen (Shell), Pelettierungsanlagen für Eisenerz und Automobilhersteller beherbergen. Die Nähe zu den Ofshore-Ölquellen im Campos Pre Salt Basin soll deren Exploration er- Abb. 3: Die 3607 TEU große „Norfolk Express“ an der Pier in Hongkong leichtern. LLX investiert in das gigantische Projekt rund 1,9-Mrd.-EUR und will weitere 28- Mrd.- EUR an Investitionen anlocken. Der Superhafen Sudeste in der Region Serra Azul ist seit Juli 2010 im Bau und insbesondere für den Eisenerzexport durch das Batista-Unternehmen MMX nach China vorgesehen. Die chinesische Firmengruppe Wuhan Iron and Steel Corporation (Wisco) erwarb 21,52 % an MMX. Der Hafen wird eine Wassertiefe von 21 m und zwei Ofshore-Liegeplätze besitzen, wenn er 2012 in Betrieb geht. Das Investment liegt bei 1,8-Mrd.-BR (rund 790-Mio.-EUR). Schifbau erlebt Boom Durch die Entdeckung der Ofshore-Erdölfelder in 2007 und 2008 boomt auch der Schibau. Mehr als 250 Schife und Ölplattformen hat laut Gtai alleine Petrobras geordert. Das Unternehmen benötigt 146 Schlepper und Versorgungsschife, mit denen die Ölplattformen bewegt werden sollen. Die Regierung stellt über den Marinefonds umgerechnet 2,5- Mrd.- EUR bereit. Eigens für den Eisenerztransport hat das zweitgrößte Bergbauunternehmen und größte Eisenerzexporteur der Welt Vale eine Bestellung für 36 erste, 360 m lange Schife der neuen Schifsklasse Chinamax bei der drittgrößten Schifswerft des Landes der Mitte Jiangsu Rongsheng Heavy Industries aufgegeben. Der größte Eisenerztranporter der Welt hat ein Eigengewicht von 400 000 t. Das Unternehmen versucht dadurch eine stärkere Kontrolle über seine Versorgungskette und Frachttarife zu bekommen. Die Eisenerzfrachter sollen in 2011 ausgeliefert werden. Es wird erwartet, dass die Chinamax-Klasse die Frachtraten gewaltig von rund 31 000- EUR (Capesize) auf 7000 bis 8000- EUR/ Tag drücken wird. abhängigkeit kann zum Verhängnis werden Laut Chinamining.org stiegen die Preise für Eisenerz im letzten Jahr auf ein Rekordniveau. Für 2012 wird ein hohes, aber schwankendes Preisniveau bei sinkender Nachfrage aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung in China erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des gelben Drachens lag laut National Bureau of Statistics of China bei rund 10 % in 2010 und bei 9,5 % in 2011. Der amerikanische Finanzdienstleister JP Morgan gibt ein BIP von 8,4 % für 2012 an. Jeder Abfall im BIP wird sich in einer geringeren Nachfrage widerspiegeln. Generell ist Brasilien extrem stark von der Rohstofnachfrage aus China abhängig. Ein Rückgang würde natürlich auch die Umschlagsvolumina in den Häfen drastisch vermindern. Die Auslegung der neuen Häfen und auch der Chinamax-Frachter von Vale könnten sich dann als überdimensioniert erweisen. China kann durch den Bezug von Eisenerz aus Australien Brasilien jederzeit unter Druck setzen. Zudem kommt, dass ein Großteil aller brasilianischen Konsumartikel-Exporte ins Land der Mitte gesendet wird. ■ dirk ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 47 INFRASTRUKTUR Wissenschaft E s soll an dieser Stelle betont werden, dass in diesem Beitrag ausschließlich der Nutzen der Verkehrsteilnehmer betrachtet wird. Mit dem Verkehr verbundene negative Efekte wie Lärm, Abgase etc. sind zusätzlich in einer Nutzen-Kosten-Analyse zu berücksichtigen. Diese muss jedoch methodisch unabhängig vom Nutzen der Verkehrsteilnehmer infolge von Reisezeit- und Reiskostenänderungen erfolgen und darf nicht vermischt werden. Änderung der Konsumentenrente Das Konzept der Konsumentenrente ist nicht neu und geht auf Dupuit, einen französischen Bauingenieur, zurück, der in einer 1844 veröffentlichten Arbeit Kritik an der zur damaligen Zeit vorherrschenden kostenorientierten Vorstellung über den Nutzen eines Gutes äußerte und ein alternatives Maß deinierte [Dupuit 1844]. Ziel seiner Überlegung war die Ermittlung des Wertes einer Brücke, der nicht allein durch die Gesamtkosten aller Überfahrten, d. h. der Gesamtausgaben, bestimmbar ist. Dieser Betrag stellt lediglich den Wert dar, den alle zum Zuge kommenden Nachfrager mindestens zu zahlen bereit sind. Unter der Annahme einer fallenden Nachfragekurve ist es jedoch ofensichtlich, dass ein Teil der Nachfrager einen - zum Teil erheblich - höheren Betrag zu zahlen bereit wäre. In Abbildung- 1 ist beispielhaft eine Nachfragekurve der Ortsveränderung von einer Quelle i zu einem Ziel j dargestellt, deren Quantität sich im Verkehrsstrom v ij ausdrückt. Dabei ist, wie in der Ökonomie üblich, die unabhängige Größe (hier die monetären generalisierten Kosten g ij , die aus der monetarisierten Reisezeit und den Reisekosten zusammengesetzt sind) auf der Ordinate abgetragen. Der Zusammenhang kann auch umgekehrt interpretiert werden, dann beschreibt die (inverse) Nachfragekurve die Zahlungsbereitschaftskurve der Verkehrsteilnehmer. Die Zahlungsbereitschaft drückt dabei jenen Betrag der generalisierten Kosten aus, den die einzelnen Verkehrsteilnehmer maximal bereit sind zu zahlen, um die Ortsveränderung durchzuführen. Damit wird also der maximale Nutzen - in monetärer Form - ausgedrückt, den die Verkehrsteilnehmer erzielen, wenn sie das Ziel wählen. Die Zahlungsbereitschaftskurve ergibt sich dadurch, dass die Verkehrsteilnehmer gemäß ihrer maximalen Zahlungsbereitschaft ZB von links (höchste ZB) nach rechts (niedrigste ZB) geordnet werden. Die Zahlungsbereitschaft entspricht dem Bruttonutzen, von dem die tatsächlich aufzubringenden Kosten, die für die Ortsveränderung notwendig sind, abzuziehen sind. Im Ohnefall, also dem Vergleichsfall der Nutzen-Kosten-Analyse, ist das g ij O . Der letzte zum Zuge kommende Verkehrsteilnehmer weist eine Zahlungsbereitschaft von eben diesen Kosten g ij O auf und ist gerade noch bereit, diese Ortsveränderung durchzuführen. Die Kosten g ij P sind der sogenannte Prohibitivpreis, bei dem die Nachfrage nach der betrachteten Relation eingestellt wird, da niemand bereit ist, diesen Preis zu zahlen. Die Konsumentenrente entspricht nun dem Überschuss an Zahlungsbereitschaft und wird für den Ohnefall O in Abbildung-1 durch die Fläche-I repräsentiert. Zur Bewertung von Verkehrsinvestitionen ist jedoch die Änderung der Konsumentenrente von noch wesentlich größerer Bedeutung. Führt eine zu bewertende Maßnahme im Mitfall-M zu einer Reduzierung der Reisezeit und Reisekosten für die betrachtete Quelle-Ziel- Relation, dann sinken die generalisierten Kosten auf g ij M . Die Änderung der Konsumentenrente ergibt sich aus der Diferenz der Konsumentenrenten des Mit- und des Ohnefalls und entspricht dem zusätzlichen Überschuss an Zahlungsbereit- Konsumentenrente versus Ersparnisansatz Investitionen in die Infrastruktur stellen einen Eingrif in den bestehenden Verkehrsmarkt dar. Die Maßnahmen führen zu neuen Reisezeiten und -kosten für die Verkehrsteilnehmer, woraus eine veränderte Verkehrsnachfrage resultiert. Zur Bewertung, ob eine Maßnahme realisierungswürdig ist, werden in Deutschland sogenannte standardisierte Bewertungsverfahren herangezogen, die im Kern eine Nutzen- Kosten-Analyse aufweisen. Vor dem Hintergrund der Überarbeitung der Bundesverkehrswegeplanung soll ein methodischer Vergleich der Bewertungskonzepte der Konsumentenrente und des Ersparnisansatzes aufgezeigt werden. Der Autor: Christian Winkler Wie wird der Nutzen der Verkehrsteilnehmer bestimmt? INFRASTRUKTUR Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 48 durch die relationsspeziischen Reduzierungen der generalisierten Kosten ergibt. Der Ansatz ist auch getrennt nach den Aufwandsgrößen Reisekosten und Reisezeiten anwendbar und für die derzeitige Praxis wohl am interessantesten, da dadurch ein externer Zeitwert (Value of time) zur Monetarisierung der Reisezeiteinsparungen vorgegeben werden kann. Aus Abbildung- 2 wird deutlich, dass die Halbierungsregel nur eine Näherung an das exakte Integral der Nachfragekurve liefert. Im Regelfall ist die Abweichung gering und die Lösung akzeptabel. Ansätze für die Genauigkeitsprüfung und gegebenenfalls notwendige Ansatzerweiterungen wurden ebenfalls entwickelt und sind einfach anwendbar [Nellthorp/ Hyman]. Ersparnisansatz Der Ersparnisansatz ist das in Deutschland dominierende Konzept der vergangenen Jahrzehnte und zielt im Gegensatz zur Konsumentenrente auf die Bestimmung der projektinduzierten Ausgabenänderungen ab. Aufgrund der sehr leichten Nachvollziehbarkeit genießt der Ansatz vor allem außerhalb der Ökonomie große Beliebtheit. Das Prinzip lautet, dass die Gesamtausgaben des Mitfalls von den Gesamtausgaben des Ohnefalls abzuziehen sind und eine positive Diferenz einen Nutzengewinn, in Form von Ressourcenersparnissen, liefert. Für die in Abbildung-2 betrachtete i-j-Relation ergeben sich die Ausgaben im Ohnefall durch die Flächen- I und III sowie für den Mitfall die Flächen- III und IV. Dabei stellt die Fläche- I die Einsparung des verbleibenden Verkehrs und die Fläche-IV die Ausgaben des induzierten Verkehrs dar. Fläche-III entspricht den Ausgaben des verbleibenden Verkehrs im Mitfall. Für die dargestellte Relation ergibt sich eine schaft infolge der Verkehrsinvestition. In Abbildung-1 ist dies die Summe der Flächen-II und III. Interessant dabei ist die Unterscheidung in die beiden Flächen, wobei Fläche-II dem Nutzen des verbleibenden und Fläche- III dem Nutzen des induzierten Verkehrs entspricht. Mathematisch ergibt sich die Änderung der Konsumentenrente aus dem Integral der Verkehrsnachfragefunktion in den Grenzen g ij M und g ij O . Das gezeigte Konzept der Konsumentenrente ist einfach, jedoch für den Fall mit mehr als einer Alternative (hier: mehrere Quelle-Ziel-Relationen) nicht ohne weiteres lösbar. Grund ist, dass für die Vielzahl der einzelnen Alternativen lediglich die Gleichgewichtspunkte, d. h. die Quantität des Verkehrsstroms und die dazugehörigen generalisierten Kosten, für den Mit- und den Ohnefall bestimmt werden. Somit sind nur die Punkte- O und M in Abbildung- 1 bekannt, nicht aber der Verlauf der Nachfragekurve. Die einfachste und für die derzeitigen Bewertungsverfahren problemlos übertragbare Lösung zur Integration der verschiedenen Nachfragekurven bietet die näherungsweise Integration der Einzelalternativen. Bei diesem Verfahren handelt es sich um den Ansatz der Halbierungsregel („Rule of the Half“), die bereits seit Jahrzehnten in Großbritannien zur Anwendung kommt und sich mittlerweile in einer Vielzahl anderer Staaten für die Bewertungsverfahren durchgesetzt hat. Der Ansatz ist in Abbildung- 2 graisch dargestellt und lautet formal : Die zur Berechnung der Änderung der Konsumentenrente ∆KR notwendigen Daten sind alle aus der Verkehrsnachfrageberechnung bekannt. Es ist ofensichtlich, dass sich ein Nutzengewinn Abb. 1 : Konsumentenrente Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 49 INFRASTRUKTUR Wissenschaft net) dargestellt. Durch die Aufwandsänderungen kommt es auch zu induziertem Verkehr. Die Ergebnisse und der Vergleich der Änderung der Konsumentenrente und der Ressourcenersparnis sind in Tabelle- 1 zusammengestellt. Die Berechnung erfolgt vereinfachend nur für einen Tag, was jedoch für den hier relevanten methodischen Vergleich genügt. Der Ersparnisansatz liefert eine deutliche Nutzenunterschätzung von ca. 35 %. Zu beachten ist, dass die Abweichung ausschließlich bei der Berechnung des induzierten Verkehrs auftritt. Der Nutzen des verbleibenden Verkehrs ist bei beiden Ansätzen identisch, da für diese Verkehrsteilnehmer die zusätzlich eingesparte Zahlungsbereitschaft gleich der Einsparung der Ausgaben ist. Der Unterschied beider Ansätze wird somit im Ergebnis des induzierten Verkehrs ofensichtlich. Während die Änderung der Konsumentenrente einen Nutzen in Form der frei gewordenen Zahlungsbereitschaften der Verkehrsteilnehmer ausweist, liefert der Ersparnisansatz einen negativen Nutzen, da es zu einer (teilweisen) Erhöhung der Ausgaben der Verkehrsteilnehmer des induzierten Verkehrs im Mitfall kommt. negative Einsparung, da Fläche IV- >- Fläche- I. Somit verursacht ausschließlich der induzierte Verkehr die im Mitfall höheren Ausgaben bei der betrachteten Alternative. Aber auch wenn in der Gesamtsumme aller relationsspeziischen Ausgabendiferenzen eine positive Ersparnis resultiert, so führt der induzierte Verkehr zwangsläuig zu einer reduzierten Gesamtersparnis. Formal lautet der Ansatz zur Ermittlung der Ersparnis-E: Der Ersparnisansatz führt für den Fall des induzierten Verkehrs zu einer Nutzenunterschätzung gegenüber der Änderung der Konsumentenrente. Wird jedoch kein induzierter Verkehr realisiert, d. h. v ij O - =- v ij M - =- v ij , dann entsprechen sich beide Ansätze: Grundsätzlich ist zu beachten, dass es nahezu bei jeder Verkehrsinvestition zu induziertem Verkehr kommt. Beispielrechnung Anhand einer Beispielrechnung werden die beiden Ansätze verglichen. Bewertungsgegenstand stellt eine (iktive) Ortsumgehung der Stadt Zwickau dar, die sich auf die Reisezeiten und Reisekosten des motorisierten Individualverkehrs auswirkt. Das verwendete Verkehrsnachfragemodell ist multimodal und umfasst die Verkehrsmodi motorisierter Individualverkehr, öfentlicher Personenverkehr, Radfahrer und Fußgänger. In Abbildung-3 ist das Angebotsmodell mit der zu bewertenden Investitionsmaßnahme (fett gezeich- Abb. 2 : Halbierungsregel DKR [EUR] E [EUR] E-DKR [EUR] ((E-DKR)/ DKR) · 100 [EUR] Gesamtergebnis 31.537,52 20.402,83 -11.134,69 -35,31 verbleibender Verkehr 27.326,42 27.326,42 0,00 0,00 induzierter Verkehr 4.211,10 -6.923,59 -11.134,69 -264,41 Tab. 1: Ergebnisse und Vergleich der Änderung der Konsumentenrente und der Ersparnis INFRASTRUKTUR Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 50 Diskussion Die Beispielrechnung zeigt den grundsätzlichen Unterschied der beiden Bewertungsansätze. Die Änderung der Konsumentenrente bestimmt den Nutzen der Verkehrsteilnehmer, den sie infolge der Realisierung der Maßnahme zusätzlich erfahren, in dem sie a) weniger Reisezeit und Reisekosten für die gleiche Alternative aubringen müssen (verbleibender Verkehr) oder Christian Winkler, Dr.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität Dresden Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr winkler@tvp-dresden.de LITERATUR DUPUIT, J. (1844): De la Mesure de l’Utilité des Travaux Publics. Annales des Ponts et Chaussées, 2. Serie, Vol. 8, zitiert nach ‚On the measurement of the utility of public works’, International Economic Papers 2 (1952) in: American Economic Association (Hrsg.), Readings in Welfare Economics, S. 255-283, 1969, London HANUSCH, H. (1994): Nutzen-Kosten-Analyse. 2. Aulage, Vahlen, München NELLTHORP, J.; HYMAN, G. (2001): Alternatives to the Rule of a Half in Matrix- Based Appraisal. In: Proceedings of the European Transport Conference, Cambridge WINKLER, C. (2012): Ein integriertes Verkehrsnachfrage- und Bewertungsmodell - Ansatz einer Synthese von Mikroökonomie und Verkehrsplanung. Schriftenreihe des Instituts für Verkehrsplanung und Straßenverkehr Heft 13, TU Dresden, Dresden Abb. 3: Angebotsmodell mit Bewertungsmaßnahme b) sich eine andere (bisher zu teure) Alternative leisten können (induzierter Verkehr). Der Ersparnisansatz ermittelt hingegen die Änderungen der Reisezeit- und Reisekostenausgaben aller Verkehrsteilnehmer und liefert einen geringeren Nutzen als die Änderung der Konsumentenrente. Betrachtet man nur den verbleibenden Verkehr, dann entsprechen sich die Ergebnisse. Welcher Ansatz ist aber zur Nutzenberechnung des induzierten Verkehrs richtig? Gesucht ist der Nutzen der Verkehrsteilnehmer des induzierten Verkehrs. Dieser Wert muss positiv sein, da die Verkehrsteilnehmer infolge ihrer Nachfrageänderung einen Nutzen erfahren. Andernfalls würden sie die Nachfrage nicht ändern. Der Nutzen der Verkehrsteilnehmer infolge von Reisezeit- und Reisekostenänderungen, der in der Nutzen-Kosten-Analyse zu berücksichtigen ist, wird durch die Änderung der Konsumentenrente korrekt ermittelt. Die durch den Ersparnisansatz bestimmte Diferenz der Gesamtausgaben ist hierfür irrelevant und kein korrektes Nutzenmaß, da dabei nur die Einsparung der aufzubringenden Ausgaben betrachtet werden. Die tatsächlich geleisteten Ressourcenausgaben der Verkehrsteilnehmer sind aber nicht mit dem Nutzen für die Ortsveränderung (Erreichung des Ziels) identisch, wie bereits Dupuit feststellte. Es ist somit die Konsumentenrente für die Anwendung in der Praxis zu empfehlen. Einerseits ist dieses Konzept konform mit der ökonomischen Theorie und indet dort als Nutzenmaß in der Nutzen-Kosten-Analyse Anwendung [Hanusch 1994]). Andererseits ist der Ansatz leicht berechenbar und bereits vielfach erprobt. Die praktische Umsetzung ist kurzfristig mittels des Näherungsansatzes der Halbierungsregel möglich. Längerfristig sollte und kann diese Näherungslösung durch ein integriertes Verkehrsnachfrage- und Bewertungsmodell abgelöst werden [Winkler 2012]. Der Ersparnisansatz hingegen führt bei induziertem Verkehr zu einem fehlerhaften Ergebnis und darf für diesen Fall nicht angewendet werden. ■ Ein Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Technische Daten: ISBN 978-3-87154-456-9, 368 Seiten, Format 135 x 180 mm, Broschur Preis : € 51,50 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 E-Mail: buch@dvvmedia.com 2011 / 2012 Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ viz. Hier inden Sie auch eine Leseprobe! Das jährlich neu aufgelegte Statistik- Handbuch „Verkehr in Zahlen“ informiert über nahezu alle Aspekte des Verkehrs einschließlich seiner Stellung in der Volkswirtschaft. Es wird von politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen, Banken und der gesamten Transportwirtschaft seit mehr als 30 Jahren genutzt. Diese Informationsquelle gibt eine aktuelle und zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität und Verkehrswirtschaft. Verkehr in Zahlen bietet eine verkehrsstatistische Datengrundlage, mit der Strukturveränderungen der Verkehrsmärkte erkannt und Entwicklungen verfolgt werden können. Auf der CD beinden sich umfangreiche Daten, die sich direkt oder als Graik leicht weiterverarbeiten lassen. Herausgeber ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 52 Chancengerechtigkeit in der Mobilität Das derzeitige Verkehrssystem bietet nicht allen Personen gerechte Zugangschancen zur Mobilitätsteilhabe. Für Österreich liegen bislang weder Kenntnisse dazu vor, wie groß die Zahl der Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen ist noch auf welche Art die Einschränkungen auf die Verkehrsteilhabe wirken oder wie sie von den betrofenen Personen wahrgenommen werden. Eine Untersuchung des Mobilitätsverhaltens von 540 Personen zeigt Unterschiede in den Teilhabechancen sowie Handlungsfelder für mehr Chancengerechtigkeit auf. G leichberechtigte Zugangschancen zum Verkehrssystem sind eine wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung verschiedener Grundbedürfnisse. Die derzeitige Verkehrsinfrastruktur, die Verkehrsangebote und die Gestaltung des öfentlichen Raums bieten nicht allen Personen die gleichen Chancen auf Teilhabe an der verkehrlichen Mobilität. Bislang liegen für Österreich nur unzureichende Kenntnisse darüber vor, welche personenbezogenen Merkmale auf welche Art und Weise nachteilig auf die Mobilitätsteilhabechancen wirken und wie diese subjektiv von den Betrofenen empfunden werden. Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich etwa ein Drittel der Bevölkerung von Einschränkungen in der Mobilitätsteilhabe betrofen sind (Gral et al. 2007), dessen Bedürfnisse jedoch kaum in Planungen und Umsetzungen einließen. Befragung zum Thema Mobilität Eine Möglichkeit, das Verkehrsverhalten zu analysieren und mögliche Mobilitätsbeeinträchtigungen aufzudecken, ist die Betrachtung der Mobilitätskennzifern der unter- Die Autoren: Wiebke Unbehaun, Tina Uhlmann, gerd Sammer, Alexandra Millonig, Bettina Mandl MOBILITÄT Barrierefreiheit Foto: Veolia Verkehrs Sachsen-Anhalt GmbH Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 53 suchten Personen und deren Abweichungen von den österreichweit gemessenen Durchschnittswerten. Hierzu stehen die Daten der bundesweiten Verkehrserhebung (Herry, Sammer 1996) für das Jahr 1995 zur Verfügung. Um Daten zum Mobilitätsverhalten von Personen mit möglicherweise mobilitätsbeeinträchtigenden Merkmalen zu erheben, wurde eine Mobilitätsuntersuchung durchgeführt. In 540 persönlichen Interviews wurden Personen befragt, die mindestens eines der folgenden Merkmale aufweisen: • körperliche oder sensorische Behinderung, • mangelnde Sprachund/ oder Lesekenntnisse, • peripherer Wohnstandort ohne PKW- Verfügbarkeit, • Alleinerziehend oder mit drei oder mehr Kindern, • Alter über 74 Jahre (hochbetagt), • Alter von 15 bis 17 Jahre ( jugendlich) oder 10 bis 14 Jahre (Kind) sowie • Armutsgefährdung. Anhand einer erweiterten Stichtagserhebung mit Wegeprotokollen (zwei Stichtage) wurden das Mobilitätsverhalten, auftretende Barrieren und Probleme sowie die subjektive Wahrnehmung der Mobilitätsbeeinträchtigungen ermittelt. Unterschiede im Mobilitätsverhalten Der Vergleich der Mobilitätskennzifern der Wohnbevölkerung in Österreich mit denen der Personen mit mobilitätsbeeinträchtigenden Merkmalen gibt einen Überblick über die zum Teil gravierenden quantitativen Unterschiede im Mobilitätsverhalten. Bei nahezu allen betrachteten Personengruppen liegt die werktägliche Tageswegehäuigkeit pro Person signiikant unter dem Durchschnitt (vgl. Abbildung- 1). Besonders niedrige Wegehäuigkeiten treten bei Personen mit Lernschwäche, rollstuhlfahrenden, gehörlosen und hochbetagten Personen auf (siehe auch Herry 2008). Höhere Werte liegen bei Alleinerziehenden vor. Die quantitative Betrachtung der Tageswegehäuigkeit lässt keinen Rückschluss auf die qualitative Bedeutung der Wegezahl zu, also ob es sich um notwendige oder optionale Wege handelt. Die Verkehrsmittelwahl spiegelt unter anderem die Verkehrsmittelverfügbarkeit wider. Besonders deutlich lassen sich die Unterschiede in der Verkehrsmittelwahl zwischen den untersuchten Personengruppen und der Vergleichsbevölkerung (vg. Abbildung- 2) an der häuigen Nutzung von öfentlichen Verkehrsmitteln und dem geringen Anteil der mit dem Pkw als Fahrer zurückgelegten Wege dokumentieren. Außer bei den Alleinerziehenden und großen Familien ist der Anteil der Wege, die mit dem Pkw als Fahrer zurückgelegt werden, mit maximal 26 % wesentlich niedriger als der bundesweite Durchschnitt von 40 %. Für ältere Personen wurde Vergleichbares auch von Mollenkopf und Flaschenträger (1996) erhoben. Die fehlende Autoverfügbarkeit wird von den meisten Betrofenen als Mobilitätseinschränkung per se wahrgenommen, die zu einer fremdbestimmten Mobilität und Abhängigkeit von anderen Personen führt. Die Verkehrsmittelwahl zugunsten des öffentlichen Personenverkehrs und des Fußverkehrs schlägt sich auch in den durchschnittlichen Wegedauern und Distanzen, die pro Weg zurückgelegt werden nieder und beeinlusst damit die Reisegeschwindigkeit. Für im Durchschnitt kürzere Wege benötigen Personen mit mobilitätsbeeinträchtigenden Merkmalen im Vergleich mehr Zeit, was unter Umständen einen Einluss auf die Zahl der möglichen täglichen Wege hat (siehe auch Herry 2008). Die rein quantitative Betrachtung der Mobilitätskennzifern deutet auf geringere Mobilitätsteilhabe und Zugangschancen der untersuchten Personengruppen hin. Diese Unterschiede zwischen Personen mit beeinträchtigenden Merkmalen und der durchschnittlichen Bevölkerung wurde auch von Dodson et al. (2010) nachgewiesen. Bei der Frage nach der Wahrnehmung ihrer eigenen Mobilitätschancen, geben 13 % der befragten Personen an, sich mäßig oder stark in ihrer täglichen Mobilität beeinträchtigt zu fühlen. Besonders betrofen fühlen sich vor allem alleinerziehende Personen, gehörlose Personen, Menschen mit Lernschwächen sowie Personen mit einer Geh- oder Sehbeeinträchtigung. Dies sind zum Teil Personengruppen, die derzeit nicht im Fokus von Planungen und Maßnahmen zur Reduzierung von Mobilitätshemmnissen stehen (vgl. Rau et al. 1997). Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit im Verkehr Die Barrieren im Mobilitätssystem, die für die objektiv gemessenen und subjektiv wahrgenommenen Beeinträchtigungen verantwortlich sind, sind vielschichtig und müssen durch Maßnahmen in verschiedensten Bereichen angesprochen werden. Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Verringerung der Probleme mobilitätsbeeinträchtigter Personen konzentrieren sich derzeit meist auf Bereiche der barrierefreien Gestaltung der öfentlichen Räume und des öfentlichen Verkehrs sowie auf Alternativen zu diesem und zum privaten Pkw. Für diese Bereiche liegen bereits eine Vielzahl Abb. 1: Vergleich der werktäglichen Tageswegehäuigkeit der mobilitätsbeeinträchtigten Personengruppen mit dem Durchschnitt der Bevölkerung (mit * gekennzeichnete Werte unterscheiden sich signiikant vom Durchschnittswert in Österreich 1995 mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %). MOBILITÄT Barrierefreiheit Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 54 gesetzlicher Vorgaben, Empfehlungen und Richtlinien vor (z. B. Witzmann und Hargl 2008). Die bestehenden Lösungsansätze heben jedoch nur zu einem Teil die von den befragten Personen genannten Barrieren und Probleme im Mobilitätszugang auf. Barrieren, die durch unzureichende Informationen über das Mobilitätssystem und falsches Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer entstehen, werden seltener beachtet und Maßnahmen in den Bereichen der Öfentlichkeitsarbeit und der zielgruppenspeziischen Informationsbereitstellung werden derzeit eher vernachlässigt. Bewusstseinsbildung und Öfentlichkeitsarbeit richten sich an unterschiedliche Zielgruppen (z. B. Planungs- und Entscheidungsträger, Betreiber von Mobilitätsdienstleistungen, Öfentlichkeit und Betrofene). Dabei stehen der Aubau von Kompetenzen im gegenseitigen Umgang, Abbau von Berührungsängsten, Stärkung der Eigeninitiative, Kenntnisse und Berücksichtigung der Belange in Planungen und Entscheidungen sowie die Entwicklung zielgruppenspeziischer Maßnahmen und Dienste im Zentrum. Ziel ist es, auch die Belange der Personengruppen in das Bewusstsein zu rücken, die über die üblicherweise beachteten Personengruppen (sensorisch und motorisch behinderte Personen) hinausgehen und die Partizipation aller betrofenen Personengruppen zu fördern (Pestalozzi et al. 2010). Zielgruppengerechte Informationen und deren Vermittlung können weitere Zugangsbarrieren zum Verkehrssystem abbauen und die Mobilitätsteilhabechancen erhöhen. Informationen müssen nicht nur zuverlässig, aktuell, lückenlos und verständlich, sondern auch schon vor Antritt der Wege sowie auf den Wegen − von der Haustür bis zu den Zielen der Wegekette − verfügbar sein. Sie sollten nach dem Mehr- Sinne-Prinzip sowohl über individuelle technologische Devices, als auch über gemeinschaftliche Quellen bereitgestellt werden und auf unvorhersehbare Situationen lexibel und zuverlässig reagieren. Die wichtigsten Handlungsfelder Zur Umsetzung von mehr Chancengleichheit im Mobilitätszugang ist ein integrierter Ansatz notwendig, der die gesamte Bandbreite an Maßnahmen einbezieht und eine intensive Kooperation der unterschiedlichen Akteure sowie die Einbindung der betrofenen Personengruppen umfasst. Folgende Handlungsfelder stehen dabei im Mittelpunkt: • Bewusstseinsbildung: Hierzu zählen vor allem die Sensibilisierung der Bevölkerung sowie der Entscheidungsträger, die Ausbildung und (verplichtende) Einbindung von Experten in Planung, Bau und Ausstattung von Einrichtungen, Mobilitätstrainings und Schulungen für Betrofene sowie die Weiterbildung und Schulung für Bedienstete der Mobilitätsanbieter. • Informationsvermittlung: Neben der Verbesserung der inhaltlichen und der Übermittlungsqualität bestehender Informationen ist die (Weiter-)Entwicklung zielgruppengerechter technologischer Hilfsmittel zur Informationsübermittlung ein Handlungsfeld. Ein großes Potenzial haben technische Hilfsmittel, wie z. B. Infoterminals mit Sprach- und Brailleschriftausgabe, akustische Anforderungssäulen und Fahrscheinautomaten sowie induktive Höranlagen. Neue Technologien, wie mobile Endgeräte mit Internetzugang, können personenspeziische Informationen bereitstellen. Ein Beispiel sind mobile Navigationssysteme mit auf die Bedürfnisse des Individuums Abb. 2: Vergleich der werktäglichen Verkehrsmittelverteilung der mobilitätsbeeinträchtigten Personengruppen mit dem Durchschnitt der Bevölkerung in % (mit * gekennzeichnete Werte unterscheiden sich signiikant vom Durchschnittswert in Österreich 1995 mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %). QUELLEN DODSON, J.; BURKE, M.; EVANS, R.; GLEESON, B.; SIPE, N.: Travel Behavior Patterns of Diferent Socially Disadvantaged Groups. In: Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, No. 2163, Transportation Research Board of the National Acadamies. Washington, D. C., 2010, pp. 24-31 GRAFL, W.; MESCHIK, M.; METH, D.; NEUMANN, A.; SAMMER, G.; UNBEHAUN, W.; MILLONIG, A.; SCHECHTNER, K.; DANGSCHAT, J.; PFAFFENBICHLER, P.: Intelligente Infrastruktur. ÉGALITÉ − Ein gleichberechtigter Alltag im telematikgestützten Verkehrsgeschehen, Endbericht. Wien, 2007 HERRY, M.; SAMMER, G.; SCHUSTER, M.; RÖSCHEL, G.; RUSS, M.: Allgemeine Mobilitätserhebung der Österreichischen Haushalte, Endbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, Wien, 1996 HERRY, M.; TOMSCHY, R.: Ways2go - Zukünftige Mobilitätsbedürfnisse - Grundlagenaufbereitung. Endbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovationen und Technologie, 2008 ILIS Integratives Leit- und Informationssystem. Verein zur Förderung der Blindenbildung, Hannover, 2007 MOLLENKOPF, H.; FLASCHENTRÄGER, P.: Mobilität zur sozialen Teilhabe im Alter. Veröfentlichung der Abteilung Sozialstruktur und Sozialberichterstattung des Forschungsschwerpunktes Sozialer Wandel, Institutionen und Vermittlungsprozesse des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, 1996 PESTALOZZI, Chr. et al.: Hindernisfreier Verkehrsraum - Anforderungen aus Sicht von Menschen mit Behinderungen. Eidgenössisches Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation. Schweiz, 2010 RAU, A. et al. Mobilitätsbehinderte Menschen im Verkehr. Issue 39. Grüne Reihe, Fachgebiet Verkehrswesen der Universität Kaiserslautern, 1997 SAMMER, G.; UHLMANN, T.; UNBEHAUN, W.; MILLONIG, A.; MANDL, B.; DANGSCHAT, J.; MAYR, R. (2012): Identiication of Mobility Impaired Persons and Analysis of Their Travel Behaviour as well as their Needs. Transportation Research Board 91st Annual Meeting, JAN 22-26, 2012, Washington, D.C. WITZMANN, U.; HARGL, M. (2008): Rechtliche Rahmenbedingungen, Richtlinien und Empfehlungen für barrierefreien ÖV, Forschungsgesellschaft Mobilität FGM abgestimmten Echtzeitinformationen, die verkehrsmittelübergreifend durch den Raum leiten (ILIS 2007). • Gestaltung der physisch-baulichen Umgebung: Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, Standards für barrierefreies Planen unter Einbindung betrofener Personen zu deinieren und die Umsetzung und Einhaltung dieser und der bereits bestehenden Richtlinien und Empfehlungen durch geeignete Maßnahmen voranzutreiben. • Mobilitätsangebote: Alternativen zum Pkw und zum öfentlichen Verkehr, wie z. B. Mikro-ÖV-Systeme oder mobilitätsersetzende Maßnahmen, sind zu entwickeln bzw. weiter voranzutreiben. Zudem sind das Angebot des traditionellen öfentlichen Verkehrs zu verbessern und die Infrastruktur alternativer und nicht-motorisierter Verkehrsmittel auszubauen. ■ Wiebke Unbehaun, Dipl.-Ing. Universität für Bodenkultur Wien Institut für Verkehrswesen wiebke.unbehaun@boku.ac.at Tina Uhlmann, Dipl.-Geogr. Universität für Bodenkultur Wien Institut für Verkehrswesen tina.uhlmann@boku.ac.at gerd Sammer, o. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Universität für Bodenkultur Wien Institut für Verkehrswesen Institutsleiter gerd.sammer@boku.ac.at Alexandra Millonig, Dipl.-Ing. Austrian Institute of Technology Wien Alexandra.millonig@ait.ac.at Bettina Mandl, MSc. Austrian Institute of Technology Wien bettina.mandl@ait.ac.at 5/ 12 30. Januar 2012 w w w.railbusines s.de IS SN 1867-2728 Der wöchentliche Branchenreport von Eurailpress und DVZ B U S I N E S S 1 Lang-Lkw: EU-Vorsitz setzt auf die Kommission Wettbewerb CER-Vorschläge wahren Einfluss der Nutzer auf die Infrastruktur Viertes Eisenbahnpaket In dieser Ausgabe: Foto: Düvelmeyer - Fotolia Auseinder gehen die Meinungen von EU und CER in der Frage des Infrastrukturzugriffs 30.1.2012 | 5/ 12 dd 1 27.01.2012 13: 36: 18 Jetzt Probe lesen unter www.railbusiness.de DVV Media Group GmbH | Eurailpress · Postfach 10 16 09 · 20097 Hamburg Fax: +49 40/ 237 14-104 · E-Mail: service@eurailpress.de · www.eurailpress.de „Bei uns kommt Rail Business regelmäßig zum Einsatz. Wir nutzen den Branchenreport um entscheidende Informationen zu erhalten, sowie um aktuelle und unternehmensrelevante Studien zu lesen. Besonders schätze ich die verschiedenen Sonderausgaben, die uns einen Einblick in den jeweils betrachteten Sektor geben.“ Michail Stahlhut CEO SBB Cargo International AG Rail Business ist ein Gemeinschaftsprodukt der Bahnfachleute von Eurailpress und DVZ „ Mit Rail Business sind wir nicht nur auf der Nord-Süd-Achse gut informiert .“ 4359_anz_RB_Testimonial_MichailStahlhut_210X99.indd 1 24.02.2012 14: 54: 20 MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 56 Seit 111 Jahren elektrisiert Köln feiert in diesem Jahr das 111jährige Jubiläum seiner ersten elektrischen Straßenbahn. Auf den ersten Blick scheint dies lediglich ein Ereignis der Verkehrshistorie zu sein. Doch der Blick in die Vergangenheit regt auch einen Vergleich mit der aktuellen politischen Entwicklung zur E-Mobilität an. Abb. 1: Die Erste Elektrische im Museum der E-Mobilität, dem Straßenbahnmuseum in Köln- Thielenbruch Foto: Sammlung Straßenbahn-Museum Thielenbruch A m 15. Oktober 1901 fuhr die erste elektrische Straßenbahn, heute kernig „Erste Elektrische“ genannt, über die ersten Strecken des kommunalen Schinennetzes in Köln, das in nur wenigen Jahren aus dem Netz verschiedener Pferdebahnen heraus- und weiterentwickelt wurde. Am 16. Juni 2012 wird deshalb die Erste Elektrische zusammen mit weiteren historischen Fahrzeugen der Kölner Straßenbahngeschichte auf dem Kölner Neumarkt zu begutachten sein. Die Der Autor: Stephan Anemüller Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) nutzen das 111jährige Jubiläum, um auf die lange Tradition der E-Mobilität im ÖPNV hinzuweisen (im traditionellen Köln sind alle 11er-Zahlen oder durch elf teilbaren Zahlen „rund“). Erstmalig wurden 1901 im Kölner Stadtverkehr Bahnfahrzeuge durch Strom angetrieben und bedienten bald die Ringbahn als Verbindung um den Innenstadtkern und die Strecke vom Kölner Dom zur Flora. Zuvor hatte die Pferdebahn, die allmählich aus dem alltäglichen Stadtbild verschwand, durch die Kombination von Fahrzeug und Schiene bereits einen städtischen Verkehrsstandard mit festen Linien vorgezeichnet 1 . Das Automobil hatte das Stadtbild noch nicht als regelmäßige Erscheinung erreicht. Innerhalb von nur drei Jahren „gelang die Elektriizierung fast des gesamten bestehenden Bahnnetzes und der Aubau neuer Strecken nach modernsten Standards“ [Lindemann 2002]. Erst am 1.- April- 1900 hatte die Stadt Köln die Pferdebahnen verschiedener Privatunternehmen übernommen. Der zunächst vorausgegangene verkehrspolitische Diskurs der Kommune umfasste Diskussionen über die geeignete Spurweite, die zu wählende Form der Energiezuführung, den Fahrgastkomfort, die Linienführung, die Fahrzeugbeschafung etc. Im Übrigen: Für die KVB, das Nachfolgeunternehmen des damaligen kommunalen Eigenbetriebs, ist die Entwicklung der Ersten Elektrischen auch eine wichtige „Blaupause“ für das aktuelle Projekt des Umbaus von Stadtbahnen der Serie- 2100. In der Fahrzeugentwicklung spielte damals die Verwendbarkeit der alten Pferdebahnen als Beiwagen für das neue, strombetriebene System eine große Rolle. Die Qualität der Wagenkästen war anscheinend ausgesprochen gut. Zugleich galt es, Kosten zu sparen. Auch wurden die Arbeiten an Fahrzeug und Infrastruktur weitgehend durch die Stadt und den sich damals bildenden Eigenbetrieb „Bahnen der Stadt Cöln“ geleistet. Dieses Grundmodell indet sich auch heute beim Umbau der „alten“ 2100er Stadtbahnwagen aus den 1980er- Jahren zu moderneren Fahrzeugen der neuen Baureihe-2400. Die Erste Elektrische stand in Köln für die wachsende Stadt Die Entscheidung zur Elektriizierung des Kölner ÖPNV iel im 1895/ 96 in eine Zeit hoher Prosperität der Stadt Köln während Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 57 Abb. 2: Stadtbahn Köln Foto: Stephan Anemüller der Industrialisierung. Damals wie heute hatte die Straßenbahn (respektive Stadtbahn) die Funktion eines Rückgrats im städtischen Verkehr und darüber hinaus auch der städtischen Entwicklung. Köln beabsichtigte um die Jahrhundertwende die städtischen Vororte besser an das Stadtzentrum anzuschließen, neue Wohngelände zu entwickeln, Wirtschaftsverbindungen zu schafen und die ländlichen Gemeinden im Rheintal wurden für die prosperierende Stadt immer bedeutender. Mit der Etablierung der elektrischen Bahn wurden Strecken in die Peripherie verlängert und das innerstädtische Netz verdichtet. Lindemann listet auf, dass das übernommene Netz der Pferdebahnen eine Gesamtlänge von 66 km umfasste. Weitere 57 km sollten bis 1903 hinzukommen. Auf insgesamt 13- Bahnstrecken wurden nicht weniger als 17-Linien im ersten Straßenbahnnetz unter Strom geführt. 2010 wurde eine Streckenverlängerung der KVB-Linie- 5 um 1,8 km in das Gewerbegebiet Butzweilerhof in Köln-Ossendorf gerade von den dortigen Unternehmen gefordert und tatkräftig durch einen inanziellen Zuschuss von 5- Mio.- EUR gefördert. Insgesamt 400- Unternehmen mit zusammen 11 000 Beschäftigten sind „am Butz“ beheimatet. In weniger als 25- min erreichen sie den Kölner Hauptbahnhof und die Innenstadt. Die Zahl der Fahrgäste zeigt die Bedeutung der Stadtbahn, die etwa zwei Drittel der Unternehmensleistung erbringt. Insgesamt 275-Mio. Fahrgäste nutzten im Jahr-2011 die Stadtbahnen und Busse des Unternehmens auf elf Stadtbahn- und 51-Buslinien. In einer aktuellen Expertise hat die KVB ermitteln lassen, wie hoch der in Geldwerten umrechenbare Nutzen ihrer Verkehrsleistung für Verkehrsteilnehmer, Unternehmen, Bürger und Stadt ist. Das Ergebnis: Für jeden Euro der in den Betrieb der KVB-Verkehre hineinließt, entsteht an verschiedenen Stellen ein Gesamtnutzen in Höhe von 5,3- EUR. Unter anderem würden die Kommune und die Verkehrsteilnehmer jährlich etwa 100- Mio.- EUR mehr für Mobilität aubringen müssen, wenn die Verkehrsleistung der KVB nur halb so groß wäre, wie sie es heute ist. 2 Sind die politischen Ziele richtig justiert? Im Gegensatz zur Automobilindustrie ist die E-Mobilität im ÖPNV also bereits seit über 100- Jahren Standard und beweist ihren gesellschaftlichen Nutzen. Die Einführung elektrischer Bahnen erfolgte im Gleichklang mit starken Impulsen für die Stadtentwicklung. Die Elektriizierung wurde seinerzeit vor allem durch die Kommune inanziell getragen. Fast parallel zur Elektriizierung des öfentlichen Personenverkehrs traten die ersten Innovationen des motorisierten Individualverkehrs hervor: Nicolaus August Otto erfand 1876 den Verbrennungsmotor, Gottlieb Daimler entwickelte in diesen Jahren sein erstes angetriebenes Fahrzeug und Carl Benz meldete 1886 ein Patent auf seinen Motorwagen an. Im Jahr-1900 sollen es weltweit bereits 12 000 Motorwagen gewesen sein. Im Individualverkehr galt es genauso wie im öfentlichen Personenverkehr, die Pferdekutsche abzulösen. Heute gilt es für beide Bereiche, die Abhängigkeit von fossilen Brennstofen zu reduzieren oder gar zu brechen. Auch der ÖPNV wird im Bereich des Busverkehrs noch auf Basis des Dieselkraftstofes angetrieben und unterliegt somit den, vor allem durch den Weltmarkt getriebenen, Preissteigerungen. Während der Bund zur Einführung der E-Mobilität im Individualverkehr sehr umfangreiche Finanzsummen beisteuert, droht gleichzeitig ein zentrales Finanzierungsinstrument des ÖPNV wegzubrechen. Nicht weniger als 3,8- Mrd.- EUR beabsichtigt der Staat in den nächsten Jahren für die Forschung und Entwicklung von Elektroautos bereitzustellen. Gleichzeitig will der Bund ab 2014 den Umfang der Finanzmittel nach dem alten Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetz (GVFG) drastisch reduzieren. Dieses Thema wird u. a. auch die VDV-Jahrestagung in diesem Jahr mitbestimmen. Derzeit weist der Bund den Ländern jährlich etwa 1,3- Mrd.- EUR zu, mit denen die Verkehrsverhältnisse in den Kommunen verbessert werden sollen. Nordrhein-Westfalen erhält hiervon einen Anteil von 19,43 %. Im Jahr 2013 werden es noch 259,49-Mio.-EUR sein, von denen jeweils die Hälfte den Investitionen des ÖPNV und dem kommunalen Straßenbau zugute kommt. Im Jahr 2018 sollen es nach jährlichen Reduzierungen insgesamt nur noch 153,22- Mio.- EUR für NRW sein. Die Zukunft der Förderung nach 2018 ist insgesamt fraglich. Während im Bereich der Automobilindustrie viel Geld in ganz Neues investiert wird, reduziert der Staat im bewährten ÖPNV seine aktive Rolle und entzieht dem Rückgrat wichtige Investitionsmittel. Für die KVB bedeutet das konkret, dass zum Beispiel die Bestrebungen zum weiteren Ausbau der Barrierefreiheit genauso in Frage gestellt werden müssen wie die Kapazitätserweiterung zur Bewältigung des starken Fahrgastzuwachses in den Spitzenzeiten, der Ausbau der dynamischen Fahrgastinformation oder die Erneuerung von Fahrtreppen. Die Erfolgsgeschichte des Kölner ÖPNV gerät in Gefahr. Zeitgleich inden die e-mobilen Automobilprodukte gerade einmal die ersten zehn Tankstellen im Kölner Netz. Ob die Justierung der politischen Schwerpunkte hier richtig geraten ist, mag bezweifelt werden. Eigentlich heißt es doch das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. ■ Stephan Anemüller Mediensprecher Kölner Verkehrs-Betriebe AG stephan.anemueller@kvb-koeln.de 1 LINDEMANN, DORIS (2002): Kölner Mobilität. 125 Jahre Bahnen und Busse. Insbes. S. 87 f. Herausgegeben durch die Kölner Verkehrs-Betriebe AG. 2 Kölner Verkehrs-Betriebe AG (Hrsg., 2012): Mobilität in Köln. Regionaler Nutzen der Kölner Verkehrs-Betriebe. TECHNOLOgIE Binnenschiffahrt Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 58 Abgasärmere Schifsmotoren fördern Seit April 2007 fördert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) den Einbau von emissionsarmen Dieselmotoren für den Antrieb von Binnenschifen. Das Programm folgt dem Prinzip der Übererfüllung von Umweltstandards. Finanzielle Unterstützung erhält nur, wer mehr tut als er nach den internationalen Abgasvorschriften für die Binnenschiffahrt ohnehin tun muss. M it nicht rückzahlbaren Zuschüssen fördert das BMVBS die Anschafung abgasärmerer Dieselmotoren, um die Erneuerung der Schifsmotoren im Interesse der Umwelt und der Flottenmodernisierung zu beschleunigen. Bewilligungsbehörde ist die Wasser- und Schiffahrtsdirektion (WSD) West, die für den Bund unter anderem auch die Förderprogramme für die Aus- und Weiterbildung in der Binnenschiffahrt erfolgreich durchführt. Funktionsweise Gefördert wird ein Motor, der bestimmte Partikelgrenzwerte unterschreitet. Bis Ende 2011 reichte eine Unterschreitung um 30 % der geltenden EU-Standards aus. Seit dem 1.-Januar-2012 muss der Grenzwert bei sich in Fahrt beindlichen Binnenschifen unter Seit fünf Jahren fördert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) den Einbau von emissionsarmen Dieselmotoren für den Antrieb von Binnenschifen. Foto: B. Sieker 0,14 g/ kWh und bei neu gebauten Schifen sogar unter 0,03 g/ kWh liegen. Eigentümer von im deutschen Binnenschifsregister eingetragenen Fahrzeugen erhalten unter Berücksichtigung der De-minimis-Regeln pro Motor den Prozentsatz einer Pauschale für die Mehrkosten gegenüber der Anschafung eines herkömmlichen Motors mit den allgemein geltenden Grenzwerten. Die pauschalierten Mehrkosten werden mit 22,50-EUR/ kW bei einer Motorleistung unter 500 kW angenommen. Bei einer Motorleistung ab 500 kW kommen 27-EUR/ kW in Betracht. Für die Hauptzielgruppe der ausgetauschten Motoren an Bord in Fahrt beindlicher Schife kommen noch Pauschalen für die Aus- und Einbaukosten von 50 000- EUR bzw. 40 000- EUR bei den Hauptantrieben oberhalb bzw. unterhalb der 500 kW-Grenze hinzu, die bei Hilfsmotoren wie dem Bugstrahl oder bei Lade- und Löschpumpen 20 000- EUR und bei Generatoren für den Schifsbetrieb 5000- EUR betragen. Liegekosten werden mit 6- EUR/ kW Motorenleistung angesetzt. Die Zuwendung beträgt 30 % der so berechneten Beträge. Bei KMU kann sie auf 40, in bestimmten Fördergebieten der neuen Bundesländer sogar auf bis zu 50 % steigen. Bei der ersten Fassung der Richtlinie stand das niederländische Förderprogramm VERS Pate. Die Niederlande hatten zwei Jahre vor Deutschland mit der Förderung begonnen. Allerdings änderten die Nachbarn die Fördervoraussetzungen jährlich bis hin zum Steuerabzug für Investitionen und weg vom Zuschuss. Diese Unstetigkeit dürfte ein Grund sein, warum eine Evaluierung von VERS für die Jahre 2005 - 2008 zu einer für die dortige Regierung enttäuschenden Einschätzung führte. Entwicklung über die Jahre Aus den in elwis.de eingestellten Kennzahlen für die Zuwendungen von emissionsärmeren Motoren ergibt sich zum Stand 1.- Januar- 2012 die in Tabelle- 1 und Tabelle- 2 dargestellte Bilanz. Aufällig ist, dass deutlich mehr Motoren als Abgasnachbehandlungssysteme gefördert wurden. Bei letzteren überwiegen die Partikelilter für Fahrgastschife. Erfreulich ist, dass vor allem Hauptmotoren gefördert wurden, was der Umwelt am meisten nutzt. Aufällig ist zudem, dass seit 2009 weniger Anträge gestellt werden. Finanzrahmen In den Jahren 2007 bis 2011 standen für das Programm 10- Mio.- EUR degressiv gestaffelt zur Verfügung. Für das laufende Haushaltsjahr 2012 ist 1- Mio.- EUR vorgesehen (Tabelle-3). Der Autor: Jörg Rusche Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 59 Nicht ausgegeben wurden vor allem in den ersten zwei Jahren des Programms rund 4 Mio. EUR, die noch aktiviert werden könnten. Dies gilt allerdings nur, wenn an anderer Stelle im Haushalt des BMVBS Einsparungen in derselben Höhe vorgenommen würden. Das fällt in Zeiten der Finanzkrise schwer und zeigt einen Webfehler des Programms: die 10 Mio. EUR wurden nicht ratierlich über die ersten fünft Haushaltsjahre verteilt, sondern degressiv gestafelt. Eine gleichmäßige Verteilung der Mittel über die Jahre wäre den Antragszahlen gerechter geworden und hätte dem Gewerbe und der Umwelt mehr genutzt. 2007 wurden noch kaum Motoren eingebaut. Nach dem Programmstart im April des Jahres traten zunächst Anlaufschwierigkeiten bei der Identiikation förderfähiger Motoren durch speziell für das deutsche Förderprogramm entwickelte Herstellererklärungen auf. Schon nach einem halben Jahr wurde zudem erkennbar, dass bei den Aus- und Einbaukosten, die bis zum 31.-Dezember- 2007 generell 20 000- EUR betrugen, die oben dargestellte Unterscheidung in die Gruppen der Haupt- und Hilfsmotoren angemessen war. Auch weil Fördermittel erst ausgekehrt werden, wenn die Rechnungen der Werften und Motorenlieferanten fällig werden, konnte im ersten Jahr kaum Geld ausgegeben werden. Folglich blieben die ersten 2- Mio.- EUR im Programm fast unangetastet. Eine wichtige Verbesserung des Programms bestand im Abbau von Bürokratie. Seit dem 2.- Juni- 2009 verzichtet die WSD auf den sogenannten Vorbescheid, so dass nach Erhalt einer Eingangsbestätigung für den Antrag ein Motor bestellt werden kann. Zuvor mussten sich Hersteller und Käufer über Wochen an ein Angebot gebunden halten. Damit ist zwar nicht die Flexibilität ausländischer Förderprogramme erreicht, die einen Kostennachweis nach dem Einbau des Motors genügen lassen. Doch zusammen mit dem 2011 ausgesprochenen Verzicht auf die Mitwirkung von Steuerberatern und Notaren bei der Antragstellung ist das Antragsverfahren inzwischen wesentlich verbessert. Der Verzicht auf den Vorbescheid hat dem Programm gut getan: Bis Ende 2010 hat die WSD 5,5- Mio.- EUR im Rahmen des Förderprogramms bewilligt. Bis April 2009 zählte man 340 geförderte Motoren auf 200 teilnehmenden Schifen. 21 wirtschaftlich schwierige Monate später gab es bereits über 600 Förderobjekte an Bord von 371 Schifen. Die Mittel allerdings, die vom Gewerbe nicht abgerufen werden konnten, müssen heute mit viel Mühe und unter Zurückstellung anderer legitimer verkehrspolitischer Ziele wieder im Verkehrshaushalt eingeworben werden. Daher ist die Botschaft für die Weiterentwicklung des Programms klar: Nicht so viel Geld zu Beginn eines Förderzeitraums einplanen. Es war bitter zu sehen, dass die Verwaltung im Jahr 2011 schon zur Jahresmitte Interessenten sagen musste, dass kaum noch Geld im Topf sei. Mit dieser Information verzichteten viele Unternehmer auf einen Förderantrag mit ungewissem Ausgang. Dieselbe Entwicklung zeichnet sich 2012 noch viel stärker ab. Ausblick in die Zukunft des Programms Gemäß Koalitionsvertrag soll an den Hilfen zur Flottenmodernisierung und zur Umrüstung auf abgasärmere Motoren festgehalten werden. Im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik des BMVBS wird eine Fortentwicklung des Programms festgelegt. Auch die Verbände der Hersteller, Werften und der Binnenschiffahrt möchten das Förderprogramm fortentwickeln. Dabei geht es um die Öfnung des Programms für dieselelektrische Antriebe und eine generelle Öfnung auch für andere erfolgversprechende Emissionsminderungstechnologien. Für die künftige Förderung der Dieselelektrik haben die Verbände erste Überlegungen angestellt. Unter einem diesel-elektrischer Antrieb verstehen sie dabei ein Antriebssystem, bei dem vom Dieselmotor ein oder mehrere Generatoren angetrieben werden, die den Strom für den Fahrmotor bereitstellen. Gedacht wird auch an den dieselelektrischer Hybridantrieb als Antriebssystem, das aus einem herkömmlichen diesel-mechanischen Teil sowie einem diesel-elektrischen Teil besteht. Entsprechende Fördertatbestände sind noch in keinem Förderprogramm in Europa dargestellt, so dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Deinition sauberer Antriebstechnik wahrnehmen könnte. Schließlich spielt das Bundesumweltministerium bei der Erarbeitung eines Vorschlags der Europäischen Kommission über künftige Abgasgrenzwerte in der Binnenschiffahrt eine aktive Rolle und schließlich hat das BMVBS Anfang 2012 einen Bericht veröfentlicht, der die noch bestehenden Schwierigkeiten beim Einsatz von Dieselpartikeliltern gerade bei Güterschifen mit großen Motoren, die allerdings bedingt durch Wassertiefe und Strömung selten mit Volllast fahren, veröfentlicht. Auch die europäische Vorgabe, Luftreinhaltepläne zu entwickeln, legt es nahe, die Förderung auch nach 2012 fortzusetzen. Der BDB wird sich dafür einsetzen, dass auch 2013 Fördermittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Das Motorenförderungsprogramm wird nach derzeitiger Absicht der Regierung auch über den 31.-Dezember-2012 hinaus mit leicht erhöhtem Etat verlängert. ■ Jörg Rusche Geschäftsführer Bundesverband der Deutschen Binnenschifahrt e.V. Duisburg BDB-Rusche@binnenschif.de Kalenderjahr Anträge geförderte Motoren geförderte Nachbehandlungssysteme 2007 96 71 6 2008 201 160 2 2009 201 187 9 2010 155 153 12 2011 114 104 2 Tab. 1: Förderung Motoren vs. Nachbehandlungssysteme Zur Förderung beantragte emissionsärmere Schifsdieselmotoren bei in Fahrt beindlichen Binnenschifen bei Schifsneubauten Hauptantriebsmotoren 305 59 Hilfsantriebsmotoren 50 23 Schifsbetriebsmotoren 225 56 Lade- und Löschpumpen 7 3 Tab. 2: Förderung umweltfreundlicherer Motoren 2007 2008 2009 2010 2011 und 2012 2,0 Mio. EUR 3,0 Mio. EUR 2,5 Mio. EUR 1,5 Mio. EUR je 1,0 Mio. EUR Tab. 3: Finanzrahmen Mehr Informationen zu den Büchern finden Sie im Shop „Bücher + CDs“ auf www.eurailpress.de Bei der DVV Media Group erschienen Verkehrsverbünde im ÖPNV - ein deutsches Modell für die Welt. EUR 42,00, 304 Seiten, ISBN 978-3-7771-0403-4 Elektrische Busse haben Zukunft! EUR 38,00, 312 Seiten, ISBN 978-3-7771-0366-2 Blaue Buchreihe des VDV Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 61 EU beseitigt Barrieren im europäischen Seeverkehr D ie EU schaft den hindernisfreien europäischen Seeverkehrsraum. Das Europäische Parlament (EP) und die dänische Ratspräsidentschaft als Vertreterin der Mitgliedstaaten einigten sich darauf, dass Waren auch im Seeverkehr zwischen EU- Häfen ohne aufwändige Zoll- und Grenzformalitäten befördert werden können. Was der Lkw längst darf, war für Schife bislang nicht möglich. Während Lastwagen ohne bürokratische Hindernisse die Grenzen von EU- Mitgliedstaaten überfahren können, sind Schife, die Güter von einem EU-Hafen in den eines anderen Mitgliedslandes transportieren, nach wie vor aufwändigen Zollformalitäten unterworfen. Denn der gemeinsame Binnenmarkt ist für den Seeverkehr bislang nicht verwirklicht. Noch bestehende Komplikationen im innereuropäischen Seeverkehr werden jetzt abgeschaft. Mit technischer Unterstützung der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (Emsa) und ihrem Safe Sea Net System wird es möglich sein, sicherzustellen, dass Schife im Short-Sea-Verkehr den europäischen Binnenmarkt nicht verlassen haben. Dass Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN sie etwa auf einer Fahrt vom EU-Hafen Porto zum EU-Port Piräus nicht im außerhalb der Union gelegenen marokkanischen Tanger festmachen. In diesem Fall verzichten die Behörden im Zielhafen Piräus auf die bislang noch erforderlichen Zollformalitäten. „Mit der technischen Hilfe der Emsa ist es möglich, einen wahren Binnenmarkt auf See zu schafen und die Hürden abzuschafen, die den maritimen Transport verkomplizieren“, sagt der Hamburger EP-Abgeordnete Knut Fleckenstein (CDU). Er führte die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten. Fleckenstein betont, dass deren Regierungen sich lange gesträubt hätten, der Emsa mehr Zuständigkeiten zu übertragen. Das gilt auch für die stärkere Einbeziehung der Agentur in Ausbildung und Training von europäischen Seefahrern. Das Parlament hätte etwa das Emsa-Muster-Curriculum gerne verbindlich für die Ausbildung in den EU-Ländern festgeschrieben. Dagegen wehrten sich die Regierungen erfolgreich, so dass ihnen jetzt freigestellt ist, die Expertise der Agentur bei der Ausbildung zu nutzen. „Jeder Mitgliedstaat fordert eine Verbesserung der maritimen Ausbildung und attraktivere Karriereperspektiven für die Schiffahrt. Nennenswerte Initiativen gab es aber bisher nicht“, kritisiert der Abgeordnete. ■ »Auch für Schifstransporte wird der gemeinsame Binnenmarkt Wirklichkeit.« Reeder brauchen mehr Zeit Kaum ein Seeschiffahrtsthema wurde in den vergangenen Monaten derart kontrovers diskutiert wie die Senkung der Schwefelemissionswerte. Die Reeder sehen in den besonders scharfen Bestimmungen für Nord- und Ostsee eine zu große Belastung, die ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Denn in dieser Region gilt von 2015 an ein Schwefelgrenzwert von 0,1 %. Der weltweite Standard hingegen wird 2012 von 4,5 auf zunächst nur 3,5 % sinken. Schätzungen der EU zufolge könnten die Schifsbetriebskosten um bis zu 40 % steigen; in der Folge zögen die Transportpreise an. Die in der Ostseefahrt tätigen Reedereien rechnen damit, dass ihnen für die Anpassung ihrer Flotten an die von 2015 an gültigen Umweltschutzvorschriften eine Übergangsfrist von fünf Jahren eingeräumt wird. Diese Zeit sei erforderlich, um die vorhandene Technologie zur Entschwefelung der Rauchgase an die Gegebenheiten in der Schiffahrt anzupassen. „Die Industrie ist noch nicht in der Lage, solche Anlagen für unsere Schife zu liefern“, sagte Hanns Heinrich Conzen, Geschäftsführer der TT-Line. In einem Pilotprojekt, das von der EU und dem Bund inanziell gefördert wird, will die TT-Line die Technik im Verkehr zwischen Deutschland und Schweden testen. Schife mit fast schwefelfreiem Treibstof zu betreiben, würde wegen der deutlich höheren Kosten zu einer Verlagerung von Verkehren auf den Landweg führen. Vor einem Zusammenbruch der Container-Feederschiffahrt warnte der Schifsmakler Torsten Westphal (Arkon Shipping). Weil der Einbau von Entschwefelungsanlagen bei den kleinen Schifen in der Regel nicht zu inanzieren sei, seien die Eigner dann gezwungen, Beschäftigung außerhalb Europas zu suchen. SHORT-SEA-vERKEHR Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 62 Wie geht es weiter mit den Flughäfen in Deutschland? Zwischen Jobmotor und Lärmteppich Der Luftverkehr ist sowohl im Bereich der Passage als auch der Luftfracht ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor. Doch Politik und Luftverkehrswirtschaft müssen sich zunehmend dem Antagonismus zwischen positiven wirtschaftlichen Efekten des Luftverkehrs für die Gesellschaft insgesamt und Belastungsfaktoren z. B. auf regionaler Ebene durch Flughafeninfrastrukturen stellen. Die Aufarbeitung dieser komplexen Problematik hat sich das 19.-Forum Luftverkehr der DVWG am 13.-Juni-2012 in Berlin zum Ziel gesetzt. L uftverkehr ermöglicht unserer Gesellschaft (fast) grenzenlose Mobilität und damit auch ein Stück persönlicher Freiheit. Zugleich hat er eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung: Knapp 200- Mio. Passagiere und 4,4- Mio.- t Fracht sind 2011 auf deutschen Flughäfen abgefertigt worden. Dies entspricht einem Wachstum von 5 % gegenüber dem Vorjahr. Mehr als 850 000 Arbeitsplätze und Einkommen hängen in Deutschland direkt oder indirekt vom Luftverkehr und damit von der zukünftigen Entwicklung der Flughäfen und deren Kunden ab. Die Verfügbarkeit von Luftverkehrsleistungen stellt mittlerweile vor allem für die immer bedeutenderen Dienstleistungsbranchen und den Tourismus eine Basisressource dar. Ohne einen leistungsfähigen Luftverkehrssektor dürften in vielen Bereichen der Wirtschaft die Wachstumsaussichten begrenzt bleiben. Einschlägige Studien belegen, dass eine gute Luftverkehrsanbindung die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands erhöht und somit Investitionen sowie Arbeitsplätze sichert. Für international agierende Unternehmen stellt eine adäquate Luftverkehrsanbindung sogar einen der wichtigsten Standortfaktoren dar, Die Autoren: Alexander Eisenkopf, Hartmut Fricke VERANSTALTUNgEN 19. Forum Luftverkehr Foto: Fraport Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 63 denn sie müssen die weltweite Mobilität Ihres Managements gewährleisten. Der Luftverkehr ist sowohl im Bereich der Passage als auch der Luftfracht ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor. Mit dem Wachstum der Weltwirtschaft und der fortschreitenden Globalisierung ist der wirtschaftliche Austausch in zunehmendem Maße auf den Luftfrachtverkehr angewiesen. In Bezug auf das Gewicht der grenzüberschreitend transportierten Güter hat die Luftfracht zwar nur einen Anteil von weniger als 1 %. Auf den Warenwert bezogen entfallen allerdings 40 % des Welthandels auf den Luftfrachtverkehr, der sich traditionell auf hochwertige, kurzlebige und verderbliche Güter konzentriert; mehr und mehr ist die Luftfracht heute auch in Just-in-time-Logistikkonzepte der Industrie eingebunden. Die hohe Relevanz des Luftfrachtsektors für die Weltwirtschaft lässt sich bereits daraus ablesen, dass die Entwicklung des Luftfrachtaukommens als guter Indikator für die globale konjunkturelle Entwicklung gilt. Auf der anderen Seite beindet sich der Luftverkehr im Konzert mit anderen Verkehrsträgern in Deutschland seit geraumer Zeit in einer gesellschaftlich exponierten Position. In Teilen der Bevölkerung und der Politik wird die Kritik am Luftverkehr lauter. Sie bezieht sich in genereller Form auf das schnelle Wachstum dieses vermeintlich als energie- und ressourcenintensiv qualiizierten Sektors und die damit verbundenen Externalitäten. Insbesondere die CO 2 -Emissionen des Luftverkehrs und deren Wirkungen auf die Erreichung der politisch deinierten Klimaschutzziele werden problematisiert. Die CO 2 -Emissionen des weltweiten Luftverkehrs machen zwar derzeit nur ca. 3 % der weltweiten anthropogenen Treibhausgasemissionen aus. CO 2 wird jedoch durch Luftfahrzeuge auch in ca. 10 km Höhe emittiert, wobei Kondensstreifen und Veränderungen der Bewölkung auftreten, die den Strahlungshaushalt zusätzlich im Sinne des Treibhausgasefekts beeinlussen können. Daher wird geschätzt, dass die Klimawirksamkeit des Luftverkehrs das Zweibis Vierfache eines vergleichbaren bodengebundenen CO 2 -Ausstoßes ausmacht. Hinzu kommt die auf internationaler Ebene auch in Zukunft ungebremste Wachstumsdynamik dieses Sektors, die alle vorhersehbaren Erfolge zur Eizienzsteigerung bei der Kraftstofnutzung überkompensieren wird. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie die auf europäischer Ebene aus internationaler Sicht sehr kritisch gestartete Einbeziehung des Luftverkehrs in ein CO 2 -Emissionshandelssystem zu bewerten ist und ggf. welche alternativen bzw. lankierenden Wege beschritten werden sollten. Negative externe Efekte wirken sich jedoch nicht nur auf globaler Ebene, sondern auch lokal aus. Hier steht insbesondere der Ausbau von Flughafeninfrastruktur im Fokus der Kritik, der in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland fast zwangsläuig Kompromissbereitschaft von den Anwohnern verlangt. Flughäfen werden in einschlägigen Studien zwar gerne als „Job- Maschinen“ gerechtfertigt, entfalten jedoch auch negative Efekte wie Lärm, Schadstofe und Unfallrisiken, die seit Jahren in eine gesellschaftliche Gesamtbewertung im Rahmen von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren einließen. Obwohl somit die aktuellen, für den Luftverkehr im Verkehrsträgervergleich einzigartig ausgestalteten Internalisierungsmethoden dieser externen Efekte konsequent angewendet werden, ist der Ruf nach umfassenden Kosten-Nutzen-Analysen seitens der direkt Betrofenen deutlich wahrzunehmen. Wie die aktuellen Auseinandersetzungen um die gerade in Betrieb genommene Landebahn am Flughafen Frankfurt oder den geplanten Bau einer dritten Start- und Landebahn in München zeigen, eröfnet sich mit diesem Thema ein Potenzial für explosiv wirkende gesellschaftliche Auseinandersetzungen, dem sich das Verkehrsministerium jüngst mit einem Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung bei Großvorhaben im Planungssektor zuwendet. Insgesamt müssen sich Politik und Luftverkehrswirtschaft dem Antagonismus zwischen positiven wirtschaftlichen Efekten des Luftverkehrs für die Gesellschaft insgesamt und Belastungsfaktoren z. B. auf regionaler Ebene durch Flughafeninfrastrukturen stellen. In einer demokratisch verfassten Gesellschaft, in der die Interessen betrofener Bürger vor Ort ernst genommen werden, können Flughafenprojekte nicht allein durch positive Wirkungen auf Wachstum und Beschäftigung legitimiert werden. Andererseits ist kritisch zu hinterfragen, mit welcher Legitimation geltendes Recht infrage gestellt werden darf, wie es sich insbesondere beim Thema Fluglärm und damit implizit auch beim Thema Flugrouten darstellt: Hier ist das komplexe Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm samt Berechnungsverfahren unter Beachtung der Fluglärmwirkforschung gerade erst im Jahre-2007 aktualisiert worden. Die Verkehrswissenschaft ist aufgefordert, für diese Diskussion auf der Grundlage einer objektiven fachlichen Argumentation Entscheidungshilfe zu leisten. Hierzu sind einerseits die Wachstums- und Wohlstandsefekte des Luftverkehrs herauszuarbeiten und einer kritischen Analyse zu unterziehen. Die Rechtfertigung infrastruktureller Maßnahmen im Luftverkehr bedarf belastbarer und objektiver Berechnungsgrundlagen, dies insbesondere in den zentralen Bereichen der Bedarfsbegründung über Verkehrsprognosen und Start-/ Landebahndimensionierungen. Auch Zielkonlikte zwischen Bauträgern in Flughafennähe und den Flughäfen selbst bedürfen klarer Regeln und somit einer Detaillierung aktuell geltender Richtlinien zu Bauschutzbereichen. So sollen auf wissenschaftlicher Basis Antworten für die ernstzunehmenden Bedenken der Bürger gefunden werden, um die Balance zwischen ökonomischen und gesellschaftlichen Ansprüchen zu halten. Die Aufarbeitung dieses Problemkontextes hat sich das 19.- Forum Luftverkehr der DVWG am 13.-Juni-2012 in Berlin zum Ziel gesetzt. Als unabhängige Plattform will die DVWG Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik zusammenbringen und damit die Akteure der Luftfahrt anregen, gemeinsam und im gesellschaftlichen Konsens nach Lösungen und Ansätzen für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu suchen. ■ Alexander Eisenkopf, Prof. Dr. rer. pol. Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management Zeppelin Universität, Friedrichshafen alexander.eisenkopf@zu.de Hartmut Fricke, Prof. Dr.-Ing. habil. Professur für Technologie und Logistik des Luftverkehrs, TU Dresden fricke@il.tu-dresden.de »Insgesamt müssen sich Politik und Luftverkehrswirtschaft dem Antagonismus zwischen positiven wirtschaftlichen Effekten des Luftverkehrs für die Gesellschaft insgesamt und Belastungsfaktoren z. B. auf regionaler Ebene durch Flughafeninfrastrukturen stellen.« INDUSTRIE+TECHNIK Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 64 Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik Berlin, 18. bis 21. September 2012 News +++ News +++ News +++ News +++ News +++ News +++ News +++ News +++ Die InnoTrans 2012 im Überblick: Fachmesse: 18. bis 21. September 2012 Publikumstage, nur Frei- und gleisgelände: 22./ 23. September 2012 Öfnungszeiten: 9: 00 - 18: 00 Uhr, 10: 00 - 18: 00 Uhr (Publikumstage) Veranstaltungsort: Messe Berlin Veranstalter: Messe Berlin GmbH, Messedamm 22, 14055 Berlin eintrittspreise: Tagesticket: 38,00 EUR Dauerticket: 50,00 EUR Publikumstage: 2,50 EUR Internet: www.innotrans.de · e-Mail: innotrans@messe-berlin.de Medienpartner der InnoTrans 2012: Innovationen für moderne Mobilität Public transport in sechs Hallen für eine moderne Gesellschaft einher. So werden unter anderem Innovationen aus den Bereichen Fahrgastsicherheit, Kommunikationstechnik und Passagierinformation präsentiert. Mehr als 50 % der Aussteller im Bereich Public Transport kommen aus dem Ausland. Die Anzahl der Messehallen im Bereich Public Transport hat sich seit der vergangenen Messe auf sechs verdoppelt. Mit diesem Wachstum geht auch eine erweiterte Produktpalette der internationalen Bahnindustrie für innovative und umweltfreundliche Mobilitätslösungen InnoTrans Convention Hochkarätige expertenrunden rungen im Personennahverkehr. Mit dem Public Transport & Interiors Hallenforum (PTI-Hallenforum) erhalten zwei Segmente der InnoTrans einen eigenen Programmbereich, in dem die Speakers' Corner, das Internationale Designforum und das DB-Lieferantenforum ihren Platz inden. Zu den Highlights der Convention gehört der European and Asian Rail Summit (EARS) unter dem neuen Namen Rail Leaders’ Summit (RLS), zu dem sich Verkehrsminister und Generaldirektoren internationaler Verkehrsunternehmen trefen und der als Plattform für die Diskussion weltweiter zukunftsweisender Eisenbahnprojekte gilt. Die InnoTrans lebt nicht nur von Ausstellern und Besuchern, sondern auch von Expertenrunden, Vorträgen und Diskussionsforen. Im Rahmen der InnoTrans Convention werden aktuelle Branchenthemen diskutiert und erörtert. Das Dialog Forum im Palais am Funkturm bildet den Schwerpunkt der Convention. Es wird von den Verbänden VDV, VDB, UNIFE und dem Deutschen Verkehrsforum organisiert. Fester Bestandteil ist auch das International Tunnel Forum der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen (STUVA). Das ÖPNV Forum vom Planungsbüro für Verkehr und der ETC Consultants GmbH widmet sich den Herausforde- National und regional Mehr Gemeinschaftsstände und Japan-Halle Australien oder Taiwan und Korea mit Nationalständen vertreten, neu dabei sind die USA und Ungarn. Erstmals belegt auch ein Land eine eigene Messehalle: Japan. In diesem Jahr inden sich insgesamt 37 Gemeinschaftsstände aus 22 Ländern auf dem Berliner Messegelände. Neben den europäischen Industrienationen sind auch Länder wie Brasilien, Design Forum Möglichkeiten, Material kreativ einzusetzen tenzial eizienter und kreativer Materialanwendung auf, stellen Innovationen vor und präsentieren Schnittstellen zwischen Design, Material und Innenausstattung für Fahrzeuge des ÖPNV. Begleitet wird das Programm von einer Ausstellung. Im Rahmen der Messe indet am 19. September von 13: 00h bis 18: 00h das Internationale Design Forum statt. Unter dem Titel „Spot on Materials“ laufen zwei Vorträge, eine Podiumsdiskussion und Portfolio-Schauen. Sie zeigen das Po- 37 Gemeinschaftsstände aus 22 Ländern - hier der französische Stand aus dem Jahr 2010 - präsentieren sich in diesem Jahr auf der InnoTrans. Foto: Messe Berlin Auftaktveranstaltung eröfnung mit Podiumsdiskussion ten der EU-Kommission, Siim Kallas, und Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer auch zahlreiche Verkehrsminister sowie Manager von Bahnherstellern und -betreibern aus der ganzen Welt teilnehmen. Ebenso hochkarätig besetzt ist die anschließende Podiumsdiskussion, bei der neben Kallas und Ramsauer auch Jürgen Fenske (Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen VDV), Dr. Rüdiger Grube (Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn AG), Henri Poupart-Lafarge (Präsident der Alstom Transport S.A.), André Navarri (Präsident von Bombardier Transportation) und Dr. Hans-Jörg Grundmann (CEO der Division Rail Systems der Siemens AG) Platz nehmen werden. Mehr als 1000 nationale und internationale Spitzenvertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden zur Eröfnung der InnoTrans 2012 am 18. September im Berliner Palais am Funkturm erwartet. Am Auftakt der Weltleitmesse für Schienenverkehrstechnik sollen neben dem Vizepräsiden- Siim Kallas wird auch 2012 wieder an der Eröfnung teilnehmen. Foto: Messe Berlin 5. EurailTelematics Konferenz 14.-15. Juni 2012 Renaissance Hotel Köln Kontakt Organisation Inken Kienzle Tel.: +49/ (0)40/ 23714-470 E-Mail: eurailpress-events@dvvmedia.com Sponsoring / Ausstellung Nicole Hagen Tel.: +49/ (0)40/ 23714-262 E-Mail: nicole.hagen@dvvmedia.com Programm Nicole Hagen Tel.: +49/ (0)40/ 23714-262 E-Mail: nicole.hagen@dvvmedia.com Lückenloser Informationsfluss im Schienengüterverkehr Autarke Telematik und internationaler Datenaustausch schafen Transparenz Veranstalter: In Kooperation mit: WEITERE INFORMATIONEN, DAS KOMPLETTE KONFERENZ- PROGRAMM UND SPONSORINGMÖGLICHKEITEN UNTER: Auf der EurailTelematics: ̇ ฀ ฀erhalten Sie einen Überblick über den Stand der Technik und geplanter Verbesserungen ̇ ฀ ฀werden Datenaustausch-Lösungen und mobile Telematiksysteme anhand von Beispielen erläutert ̇ ฀ ฀berichten Logistiker über ihre Erfahrungen zur Optimierung der Informationslüsse ̇ ฀ ฀lernen Sie Key-Player und Spezialisten aus den Bereichen Telematik und IT kennen ̇ ฀ ฀nehmen Sie an einer spannenden Fachdiskussion über Transport-Information im Schienengüterverkehr teil www.eurailtelematics.com Victor Behrends Eureka Navigation Solutions AG Dirk Esters HaCon Ingenieursgesellschaft mbH Mick Haynes Atos Colin Gerrish PJ Messtechnik GmbH Dr.-Ing. Thomas Rieckenberg International Railway Technology Consulting Dr. Eckhart Schultes Prof. Jürgen Siegmann Technische Universität Berlin Rainer Wilke Deutsche Bahn AG Marcello Tamietti Accenture Dienstleistungen GmbH David Krásenský, OLTIS Group a.s. Jean-Edouard Heller, IT Novem Moshe Rappoport, IBM Deutschland INDUSTRIE+TECHNIK Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 66 TU Hamburg-Harburg Leichtbau im Test Fahrzeuge wie Autos und Züge, Flugzeuge sowie Teile von Windkraftanlagen sollen leichter werden, um ihre Energieeizienz zu verbessern. Gut geeignet ist der Einsatz kohlenstoffaserverstärkter Kunststofe (CFK). Wie stabil die Bauteile aus diesem Stof tatsächlich sind, kann künftig an der TU Hamburg-Harburg getestet werden. Hier ist Anfang Mai eine Hexapod-Testanlage in Betrieb gegangen, in der auch größere Bauteile untersucht werden können. Bisher waren Tests nur an relativ kleinen Teilen möglich und getrennt nach Druck, Zug und Verdrehung. Darum wurden die Teile bisher dicker und damit schwerer konstruiert als eventuell nötig, um Unsicherheiten auszugleichen. Eine ähnliche Anlage wird auch an der TU Braunschweig errichtet. (zp) Flugzeugkabinen Crystal Cabin Award In sechs Kategorien wurde im Frühjahr erneut der Crystal Cabin Award auf der Aircraft Interiors Expo in Hamburg verliehen. Einer der Preisträger ist Lufthansa Systems mit einem Board Connect-Produkt. Die kabellose Infotainment-Lösung ist unkompliziert für Passagiere, die ihre eigenen WiFi-fähigen Endgeräte nutzen können, spart Gewicht und Investitionen in Technik und eröfnet Fluggesellschaften neue Einnahmequellen. (zp) Binnenschiffahrt Tanker fährt mit LNg Als erstes Unternehmen der Binnenschiffahrt will der Tankschifbefrachter Interstream Barging einen Tanker betreiben, der ausschließlich mit verlüssigtem Erdgas (LNG) fährt. Der so genannte „LNG Greenstream Tanker“ wird von Peters Shipyards in den Niederlanden gebaut und soll Ende 2012 in Dienst gestellt werden. (jpn/ zp) Bombardier in Brasilien Monorail-Fahrzeuge Im brasilianischen Sao Paulo hat Bombardier Transportation sein globales Produktionszentrum für Monorail-Fahrzeuge errichtet . In das Mitte April eröfnete Werk wurden 15 Mio. USD investiert. (cm/ zp) MAN Weniger CO 2 -Ausstoß Der Nutzfahrzeughersteller MAN will bis 2020 die eigenen CO 2 - Emissionen an den MAN-Standorten weltweit im Vergleich zu 2008 um 25 % reduzieren. Dies teilte das Unternehmen Anfang Mai in einer Pressemitteilung zur neuen Klimastrategie als Teil des MAN-Corporate-Responsibility- Berichts 2011 mit. Ein umfassendes Energiemanagement durch Abwärmenutzung der Motorenteststände zur Beheizung der Produktionshallen und die erweiterte Nutzung erneuerbarer Energiequellen sollen zur Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes an den Standorten beitragen. (zp) Iveco-Lkw Künftig aus Madrid Die Fiat-Tochter Iveco Magirus verlagert seine LKW-Produktion von Ulm nach Madrid. Grund ist laut Unternehmensangaben eine Unterauslastung des Werks in Ulm. Das Zentrum für Forschung und Entwicklung, der Testbereich und die Brandschutz-Sparte (u. a. Feuerwehrfahrzeuge) sollen in Ulm erhalten bleiben bzw. ausgebaut werden. (zp) Denza E-Konzeptfahrzeug Auf der Messe „Auto China“ hat die Shenzhen BYD Daimler New Technology Co., Ltd. (BDNT) unter der Marke „Denza“ das für China entwickelte Konzept eines New Energy Vehicle (NEV) vorgestellt. Erste Prototypen des rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugs rollen bereits. BDNT ist ein 50 : 50 Joint Venture des chinesischen Batterie- und Fahrzeugherstellers BYD und der Daimler AG mit Sitz in Shenzhen. Dort arbeiten mehr als 200 Ingenieure und Spezialisten zusammen und bringen ihre jeweiligen Spezialkenntnisse in die Fahrzeugentwicklung ein. (zp) Uni Ulm / Daimler Erfassung der Fahrzeugumgebung Die Universität Ulm und die Daimler AG bauen ihre langjährige Zusammenarbeit weiter aus. Mit dem „Daimler Research Institute for Vehicle Environment Perception at Ulm University“, kurz „driveU“, bündeln beide Partner ihre Forschungskompetenz auf dem Gebiet der Fahrzeugumgebungserfassung. Die Wissenschaftler des neu gegründeten Instituts werden insbesondere an präventiven und vorausschauenden Systemen forschen, die komplexe Verkehrssituationen sicher und umfassend analysieren und verstehen. Schwerpunkte sind etwa Kamera- und Radarsensorik, maschinelle Umgebungserfassung und Umfeldrepräsentation als Grundlage für künftige Sicherheitsinnovationen bei Daimler. (zp) DB Systemtechnik Neue Flüsterbremse NTV Mit 300 km/ h durch Italien Den technisch modernsten, schnellsten und leisesten Zug Europas lässt seit Ende April die neue private Bahngesellschaft Nuovo Trasporto Viaggiatori (NTV) durch Italien rollen. Der Hochgeschwindigkeitszug „Italo“ zeichnet sich durch hervorragende Aerodynamik, einen geringen Geräuschpegel und ein hohes Reisetempo von rund 300 km/ h auf dem vorhandenen italienischen Schienennetz aus. Die Motoren sind auf den gesamten 200- Meter langen Zug verteilt und ermöglichen eine Spitzengeschwindigkeit von 360 km/ h. Derzeit stehen sieben Züge bereit, produziert vom französischen Schienenfahrzeughersteller Alstom. Insgesamt sind 25 Züge für zusammen 750- Mio.- EUR geordert. Sie verbinden Neapel über Rom und Florenz mit Bologna und Mailand. Später soll eine Ost-West-Verbindung im Norden hinzukommen, an der auch Turin und Venedig liegen. (zp) Der AGV Italo Foto: Alstom Transport/ C.Sasso Das NEV von Denza Quelle: Daimler AG Um zehn Dezibel und damit die Hälfte des wahrgenommenen Lärms soll eine neuartige Flüsterbremse für Güterwagen die Lautstärke von vorbeifahrenden Zügen reduzieren. Die „LL-Sohle“ der Deutsche Bahn Systemtechnik GmbH wird voraussichtlich 2013 zugelassen. Bis 2020 will die Bahn alle 65 000 eigenen Waggons mit der neuen Bremse ausstatten. Insgesamt rollen rund 180 000 Wagen regelmäßig durch Deutschland. Aktuell sind laut DB-Angaben rund 7000 Güterwagen des Unternehmens mit der ebenfalls leisen „K-Sohle“ unterwegs. Diese Technologie soll in der Umrüstung allerdings drei Mal so teuer sein wie die Ausstattung mit LL-Sohlen. Durch neue Bremsklötze werden die Laulächen der Räder nicht mehr aufgeraut - mit glatten Rädern auf glatten Schienen rollen Züge dann leiser. (zp) Voith Turbo Hybrid-Fähren Im Sommer 2013 sollen die weltweit ersten zwei Fähren mit Hybridantrieb ihren Betrieb aufnehmen. Gebaut werden sie von Ferguson Shipbuilders in Glasgow für die Reederei CMAL. Sie werden mit jeweils zwei Voith-Schneider-Propellern ausgestattet mit einer Antriebsleistung von 375 kW pro Propeller. Der CO 2 -Ausstoß der Fähren soll durch den mit Lithium-Batterien kombinierten dieselelektrischen Antrieb um bis zu 20 % geringer sein als bei herkömmlichen Antrieben. Um den Dieselmotor zeitweise entlasten zu können, werden die beiden Lithium-Batterien je Fähre über Nacht mittels einer Landverbindung aufgeladen. Zudem verringert der Hybridantrieb die mechanischen Belastungen und den Geräuschpegel des Schifs deutlich. Als Einsatzgebiet sind verschiedene Fährverbindungen in schottischen Gewässern vorgesehen, die von starken Strömungen und kräftigen Winden geprägt sind. Die Schneider-Propeller unterstützen das nachhaltige Konzept der Fähren durch ihren hohen Wirkungsgrad bei geringem Tiefgang. Zudem verleihen sie den Schifen besonders gute Fahrleistungen und sichere Manövriereigenschaften. (zp) Knorr-Bremse Bremssysteme für Shinkansen E6 Der Knorr-Bremse-Konzern konnte in Japan einen wichtigen Auftrag gewinnen: Das Unternehmen wurde von JR East beauftragt, auch die neueste Generation E6 des in Japan eingesetzten Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen mit Bremssystemen auszustatten. Der Auftrag umfasst Bremsscheiben, Bremszangen und Bremsbeläge für die Motordrehgestelle von 23 neuen Zügen. Wie bereits bei der Vorgängergeneration E5 werden auch in den neuen E6-Zügen besonders kompakte und leichte Bremszangen verbaut. Die neuen Shinkansen E6 sollen vom nächsten Frühjahr an zunächst mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/ h zwischen Tokio und Akita an der Westküste der Hauptinsel Honshu verkehren, ab Frühjahr 2014 soll diese auf 320 km/ h angehoben werden. (cm/ zp) Fraunhofer IML Denkender Transportbehälter Einen intelligenten Transportbehälter hat das Fraunhofer-Institut für Materialluss und Logistik (IML) entwickelt und auf der Messe Logimat 2012 in Stuttgart vorgestellt. Die „inBin" genannte Innovation kommuniziert mit Mitarbeitern, Maschinen und anderen Behältern, trift eigenständig Entscheidungen, überwacht seine Umgebungsbedingungen und steuert den gesamten Kommissioniervorgang. Der Behälter soll robust, wartungsfrei und mit kostengünstiger Technik ausgestattet sowie dank Energy- Harvesting energieautark sein. Schon bei 400 Lux sollen spezielle Solarzellen reagieren. Alternativ können Beschleunigungen, Vibrationen oder starke Schwankungen in der Umgebungstemperatur als Energiequellen genutzt werden. Im Dunkeln abgestellt, kann sich der Behälter noch bis zu 7000 Mal melden, bevor er wieder Energie benötigt. (zp) Die Box und ihre Technik Foto: Fraunhofer IML Georg Kreitmair Geschäftsführer rail-assets „Das Werk Europäische Bahnen bietet eine große Informationsfülle für alle europäischen Bahnen! Wir als Marktplatz für Schienenfahrzeuge benutzen das Buch regelmäßig und inden es auch sehr wertvoll für die Länder in Ost- und Süd-Ost-Europa. Reizvoll an der neuen Ausgabe sind der Überblick zu jedem Land in Form der Landkarte und der kurzen Eisenbahngeschichte.“ www.eurailpress.de/ eb „ Europäische Bahnen 4393_anz_erp_EB-Testimonial_Kreitmair_210x99.indd 1 03.02.2012 13: 24: 53 Rail One Weichenschwellen für Neubaustrecke Für das Teilstück zwischen Erfurt und Leipzig/ Halle der Hochgeschwindigkeitsverbindung Berlin - München liefert die Rail One GmbH, Neumarkt, von August dieses Jahres an bis einschließlich April 2013 für den zweigleisigen Streckenabschnitt knapp 22 000 laufende Meter Weichenschwellen. Die Produktion der Betonschwellen vom Typ GWS 05-300W erfolgt voraussichtlich in Brandenburg- Kirchmöser. Nach erfolgreicher Erprobung des neuen Oberbaus für Feste Fahrbahn-Weichen werden diese nun im regulären Betrieb eingesetzt. Mit diesem einheitlichen Oberbau der Serie System 300 im Gleis- und Weichenbereich kann laut Hersteller die Steiigkeit individuell angepasst werden, was einen höheren Fahrkomfort auch bei Geschwindigkeiten bis 300 km/ h gewährleistet. (zp) Mittwoch, 13. Juni 2012 Flughäfen in Deutschland als Standort- und Wirtschaftsfaktor Take of 1 Ordnungs- und verkehrspolitische Perspektiven Take of 2 Wirtschaftliche und standortbezogene Perspektiven 19. DVWG Forum Luftverkehr 13. Juni 2012 Maritim Hotel Berlin Kontakt: Koordination und weitere Informationen: Markus Engemann - Tel: +49/ 30/ 293 60-622 E-Mail: markus.engemann@dvwg.de Anmeldung Katrin Schwark - Tel: +49/ 30/ 293 60-60 E-Mail: katrin.schwark@dvwg.de Firmenpräsentation Nicole Hagen - Tel: +49/ 40/ 237 14-262 E-Mail: nicole.hagen@dvvmedia.com JETZT ANMELDEN! Mehr Informationen und das Veranstaltungsprogramm inden Sie unter: www.internationalesverkehrswesen.de/ veranstaltung Prof. Dr. Andreas Lueg-Arndt Cologne Business School Prof. Dr.-Ing. Johannes Reichmuth DLR Prof. Dr. Sebastian Kummer Wirtschaftsuniversität Wien Christian Schmicke Chefredakteur travel one Prof. Dr. Roland Conrady FH Worms Medienpartner: In Kooperation mit: DVV Media Group Veranstalter: Moderation/ Leitung: Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf Zeppelin Universität Friedrichshafen Key note 1: „Perspektiven des Luftverkehrs in Deutschland“ Prof. Dr. Norbert Walter WALTER & TÖCHTER Consult Key note 2: „Luftverkehrsstandort Deutschland gestalten! “ Prof. Dr.-Ing. Hartmut Fricke TU Dresden Dr.-Ing. Heinrich Frye Projektzentrum Luftverkehrslogistik Fraunhofer-IML Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 69 v E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.v. 3. Heft Juni 2011 Strategien für die Mobilität 2030 M it dem verkehrswissenschaftlichen Jahresverkehrskongress am 10. und 11.- Mai- 2012 in Karlsruhe eröfnete die DVWG die Diskussion zum Jahresthema: „Strukturwandel - Strategien für die Mobilität- 2030“. DVWG-Präsident Prof. Knut Ringat begrüßte ca.- 140 Experten und Fachleute, Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaftler und Studenten zu dem Kongress, für dessen wissenschaftliche Leitung Prof. Dr.-Ing. Peter Vortisch vom Karlsruher Institut für Technologie verantwortlich zeichnete. Dr. Gisela Splett, Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, nannte als verkehrspolitischen Schwerpunkt der Landesregierung die Verkehrswende hin zum Öfentlichen Verkehr (ÖV), da die Grenzen der automobilen Gesellschaft erreicht seien. Die Efekte und Auswirkungen des Peak-oil werden in den kommenden zehn Jahren deutlicher als bisher zu spüren sein. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft müssen sich dem Strukturwandel gemeinsam stellen - auch die Automobilindustrie. Die Premiumprodukte von morgen heißen: klein und fein, efizient und irgendwann auch Zero-Emission. Teilnehmer und Referenten waren sich einig, dass bei aller Notwendigkeit integrierter Mobilitäts- und Logistikkonzepte für Stadt und Land eine zuverlässige und sichere Infrastruktur die entscheidende Grundlage einer erfolgreichen gemeinsamen Mobilitätspolitik durch Bund, Länder und Kommunen darstellt. In der inanziellen Ausstattung und in der Mittelverwendung liegen strukturelle Deizite, die grundsätzlich neu zu überdenken sind. Der Verkehr wird in seiner Bedeutung als Grundlage des internationalen Waren- und Güteraustausches zu nehmen. Die Prozesse im Güterverkehr verlaufen auch zukünftig wachstumsorientiert, wenn auch in starker Abhängigkeit zur Konjunktur. Der Personenverkehr aber zeigt in seiner Gesamtheit keine Wachstumstendenzen. Hier vollzieht sich ein Wandel im Zuge der sich verändernden strukturellen Rahmenbedingungen. Die Telematik als Instrument der Verkehrsregulierung und -steuerung hat sich im Alltag durchgesetzt. Mobile, stets abrubare und präsente Informationsdienste mit geringen Übertragungskosten sind mittlerweile für jeden Verkehrsteilnehmer nutzbar und verändern das Verkehrsverhalten. Weitere Aspekte für das sich deutlich verändernde Mobilitätsverhalten: grundsätzliche Einstellung zur Mobilität im Zusammenhang mit den anderen begleitenden Entwicklungen wie Social Media, Mobilitätsangebote wie Carsharing, Call-a-bike und Low- Cost-Carrier aber auch zunehmender Parkdruck, Benzinpreis- und technische Entwicklungen sowie europäische Normungen stehen im direkten Kontext zu den zu beobachtenden Tendenzen in der Mobilität. In diesem Zusammenhang stellte Prof. Frank Gauterin, Institut für Fahrzeugsystemtechnik am KIT, nicht nur die Zukunftskonzepte des Autos vor, sondern hob hervor, dass 95 % der 18bis 30-Jährigen einen Führerschein, aber nur noch 38 % ein eigenes Auto besitzen. Einigkeit herrschte unter den Experten hinsichtlich der grundlegenden Deizite in Gesellschaft und Wirtschaft bezüglich einer Langzeitstrategie. Zu den großen Megatrends rechnet Prof. Rolf Kreibich vom Berliner Institut für Zukunftsstudien auch die Umweltbelastung mit täglich 81 Mio.- t- CO 2 -Ausstoß auf der Erde. Die Entwicklung der Pkw-Dichte (Pkw je 1000 Einwohner) steht vor einer großen Herausforderung: USA: - 780, Deutschland: - 560, China: -21 (1,3-Mrd. Einwohner) und Indien: -9 (1,1-Mrd. Einwohner). Unterstellt man China und Indien gleichwertige Motorisierungstrends wie in Europa und den USA, steht die Welt vor einem Kollaps. Das 21.-Jahrhundert müsse das Jahrhundert der nachhaltigen Entwicklung werden. Dr. Katharina Klemt-Albert, Geschäftsführerin von DB International GmbH, belegte anhand weltweiter Schienenprojekte, dass die Megatrends Globalisierung, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung weltweit umfangreiche Investitionen in städtische Personenverkehrssysteme sowie in den Hochgeschwindigkeits- und Schienengüterverkehr auslösen. Deutschlands ingenieurtechnisches und Planungs-Know-how ist hier gefragt und ein Exportschlager. Die intensiven und von verkehrswissenschaftlicher Kompetenz bestimmten Diskussionen zu den Herausforderungen und Perspektiven der Mobilität für 2030 werden mit einem weiteren Jahresverkehrskongress „Postfossile urbane Mobilität und Logistik“ am 4. und 5.-Dezember 2012 in Hamburg fortgesetzt. Bleiben Sie interessiert! Markus Engemann DVWG Hauptgeschäftsstelle markus.engemann@dvwg.de Prof. Dr.-Ing. Peter Vortisch vom Karlsruher Institut für Technologie, wissenschaftlicher Leiter des DVWG-Jahresverkehrskongresses 2012 Ihr DVWg Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 70 Matthias Kuhnt, Bezirksvereinigung Oberrhein Jahresexkursion 2011 nach Salzburg N ach einer planmäßig verlaufenden Zugfahrt nach Salzburg begann das Programm mit einem Vortrag bei der Salzburger Wirtschaftskammer, vorgetragen von Stefen Pisterer, Referent für Infrastruktur und Regionalförderung. Die Wirtschaftskammer versteht sich als „Stimme der Wirtschaft“ und repräsentiert in Salzburg einige bekannte Großunternehmen wie z. B. Red Bull, Palinger sowie diverse deutsche Automobilhersteller, die dort ihren (Österreich-)Sitz haben. Herr Pisterer gab zu Beginn einen Einblick über den Wirtschaftsstandort Salzburg. In den letzten Jahren hat die Bevölkerung in den Umlandgemeinden stark zugelegt - seit 1994 um 14,6 %. Das Güterverkehrsaukommen auf der Straße hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Das Problem jedoch ist, dass die Verkehrsinfrastruktur nicht parallel mitgewachsen ist. Der Modal Split im Personenverkehr teilt sich zu 50 % auf Kfz, zu 11 % auf Rad und ÖV sowie zu 20 % auf Fußgänger auf. Im Eisenbahnnetz Österreichs gibt es mit der kurvenreichen Westbahnstrecke Salzburg − Linz ein Nadelöhr, das in den kommenden Jahren beseitigt werden soll. Die Strecke liegt an der Magistrale für Europa, der TEN- Strecke 17 von Paris nach Bratislava. Umweltpolitisch werden Überlegungen angestellt, Elektroautos in besonderer Weise zu bevorzugen. Dazu läuft gerade die Aktion „Ich teste ein Elektroauto“, bei der in einer Testphase 20 Fahrzeuge für die Dauer eines Jahres verschiedenen Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Diese wiederum können so ihren Angestellten die Möglichkeit geben, Erfahrung im Umgang mit einem Elektroauto zu sammeln. In der Elektromobilität ist Salzburg übrigens heute schon führend. Der städtische Busverkehr wird etwa zu 2/ 3 mit dem (vor Ort) emissionsfreien Obus abgewickelt. Nach diesem ersten Einblick in die regionale Wirtschaft ging es zum nächsten Programmpunkt nach Liefering zum Containerterminal Salzburg (CTS). Dieses gehört zur Kaindl-Gruppe, einem Holzverarbeiter, der u. a. mit 42 % Weltmarktführer in der Herstellung von Laminaten ist. Der Geschäftsführer des Terminals, Herr Hawlicek, führte durch die verschiedenen Bereiche des Terminals. Hier werden jährlich 250 000-TEU umgeschlagen. Die mit 70 km kürzeste Ganzzugrelation Europas von Salzburg nach Lungötz indet hier ebenfalls ihren Ausgang und dient der Firma Kaindl dem Rohstof- und Materialtransport zwischen den beiden Standorten. Der Folgetag startete im Tiebahnhof der Salzburger Lokalbahn (SLB). Hier wurden die Teilnehmer vom Direktor der SLB, Herrn Gunter Mackinger persönlich zu einer Fahrt im ET33 aus dem Jahre 1946 in den nahegelegenen Betriebshof begrüßt. Abb. 1: Die BV Oberrhein brach nach Österreich auf, um von den Nachbarn zu lernen. Foto: Günter Koch Abb. 2: Containerterminal Salzburg (CTS) Foto: Matthias Kuhnt Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 71 DVWg Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Ein spannender Vortrag gab dort Einblick in die Welt des spurgeführten Verkehrs in und um Salzburg. Die Lokalbahn, die kürzlich ihr 125jähriges Bestehen feiern durfte, ist ein überaus erfolgreiches Verkehrsunternehmen mit großer Tradition, das hauptsächlich in und um Salzburg aktiv ist. Jedoch gehören auch diverse Freizeitverkehre wie Bergbahnen oder die Schiffahrt auf dem Wolfgangsee zum Unternehmen. Seit 2009 wird auch die Berchtesgadener Landbahn in Deutschland von der SLB betrieben, ebenfalls wurde der Betrieb der Pinzgauer Lokalbahn von der ÖBB übernommen. Mittlerweile zählt die Lokalbahn 13 000 Fahrten pro Tag auf ihrem normalspurigen Schienennetz bei einem Jahresaukommen von 4,75-Mio. Fahrgästen. Das Schienennetz ist in Normalspur angelegt und auch im innerstädtischen Bereich mit einem Mindestradius von 50 m trassiert, um jederzeit und überall mit Eisenbahnfahrzeugen verkehren zu können. Alle Züge sind grundsätzlich mit Schafner besetzt und werden gemäß dem Motto „Einsteigen und bedienen lassen“ höchst wirtschaftlich betrieben, wiegt man den Personaleinsatz mit Verzicht auf Fahrscheinautomat, erhöhtes Sicherheitsgefühl, und eine verschwindend geringe Zahl von Vandalismusschäden auf. Als Fazit schloss Gunter Mackinger, dass nur Unternehmen, die kein Geld benötigen, ihren Betrieb ohne Schafner durchführen - zumindest im Regionalverkehr. Im Anschluss an den Unternehmensvortrag folgte eine Sonderfahrt mit einem modernen Gelenk-Obus. Die Fahrzeuge werden über die Oberleitung mit einer Spannung von 650 V versorgt, wobei die während der Bremsvorgänge freigesetzte Energie wieder in das Netz zurückgespeist wird. Dies erfolgt anteilig bis zu 25 %. An der Oberleitung, die gerade in den Knotenbereichen teils ausgedehnte Formen annimmt, stört sich übrigens niemand. Vielmehr wird diese mit einem gewissen Stolz als ein Zeichen des fortschrittlichen Verkehrs durch den Obus angesehen. Die modernen Fahrzeuge verfügen über einen Dieselhilfsmotor für Fahrgeschwindigkeiten bis 30 km/ h, die Oberleitung lässt dem Fahrzeug einen seitlichen Spielraum von 4 m Breite. Mit dem Obus wird heute ein emissionsfreier, elektrischer Stadtverkehr gefahren - und das bereits seit dem Jahr 1882. Mittlerweile weltweit anerkannt, fahren 40 000 Fahrzeuge in 47-Ländern der Welt. Es existieren länderübergreifende Öfentlichkeitskampagnen, die für alle Obusbetriebe frei zugänglich und nutzbar sind. Abb. 4: Führung über die Baustelle des Salzburger Hauptbahnhofes Foto: Matthias Kuhnt Abb. 3: Mit dem Obus von 1957 ging es in Richtung Altstadt. Foto: Matthias Kuhnt Pro gefahrenem Kilometer ist der Obus einschließlich der Infrastruktur um 0,20- EUR günstiger als der konventionelle Dieselbus. Die Kosten des Betriebs betragen ca. 2- € pro Fahrkilometer. Der Obus ist überall dort sinnvoll, wo starke Verkehrsachsen mit anschließender großlächiger Kleinverteilung vorhanden sind. In der Unterteilung der verschiedenen ÖV-Verkehrsmittel ist der Obus zwischen dem Bus und der Stadtbahn zu sehen. Nach diesem Vortrag wartete ein weiterer Höhepunkt des Tages auf die Teilnehmer: Für die Fahrt zurück in die Altstadt kam kein gewöhnlicher Alltags-Obus zum Einsatz, sondern ein liebevoll instand gehaltener Oldtimer aus dem Jahre 1957. Auch dieses Fahrzeug kommt jedoch hin und wieder im Alltag zum Einsatz, wenn es aus betrieblichen Gründen an Rollmaterial mangelt. Wie auch bei den Eisenbahnfahrzeugen gilt der Grundsatz, dass die historischen Fahrzeuge als eiserne Reserve vorgehalten werden. In der Altstadt stand die Fahrt mit der erst Anfang des Jahres runderneuerten Festungsbahn auf dem Programm. Die Standseilbahn ist die bequeme Verbindung von der Stadt hinauf auf die Salzburger Festung. Hier gewährte Herr Scharinger, Betriebsleiter der Festungsbahn, einen Einblick in die Betriebstechnik. Neben dieser modernen Bahnanlage konnte auch der sogenannte Reißzug, eine der ältesten noch in Betrieb beindlichen Standseilbahnen, bewundert werden. Heute dient dieser Zug noch immer der Erschließung und dem Materialtransport zu mehreren Gartengrundstücken unterhalb der Festung. Im Anschluss an diese vielfältigen technischen Einblicke konnte eine organisierte Führung durch die weitläuigen Anlagen der Festung wahrgenommen werden mit interessanten Einblicken in das frühere Leben auf der Festung. Der Sonntag startete erneut am Hauptbahnhof, dieses Mal jedoch im Infopavillon der Großbaustelle zum Umbau. Der Umbau dient insbesondere einer Kapazitätserhöhung des Bahnhofs, indem die heute teilweise vorhandenen Stumpfgleise zurückgebaut und durch Durchgangsgleise ersetzt werden. Mit einer Präsentation von der ÖBB gab es zum Einstieg einen guten Gesamtüberblick über die Maßnahme. In einer Führung über die Baustelle wurde die gerade neu errichtete Bahnsteighalle erläutert. Im Rahmen des Umbaus war diese vollständig demontiert, restauriert und anschließend wieder neu aufgebaut worden. Die gesamte Maßnahme des Bahnhofsumbaus soll bis 2014 abgeschlossen sein. Zum Ausklang der Exkursion konnte zwischen Kultur und Technik gewählt werden: Mozarts Geburtshaus oder der Lokwelt Freilassing. oberrhein@dvwg.de DVWg Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 72 JadeWeserPort-Konferenz der HTG, DGGT und DVWG am 21.8.2012 D er JadeWeserPort wird am 5. August 2012 oiziell seinen Betrieb aufnehmen. Unzählige Akteure unterschiedlichster Fachrichtungen haben zum Gelingen dieses in vielerlei Hinsicht außerordentlichen Projekts beigetragen, so dass sich die Hafentechnische Gesellschaft (HTG) zusammen mit Quelle: JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (DGGT) und der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG), Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen, entschieden haben, dem neuen Containerterminal an der deutschen Küste eine gemeinsame Veranstaltung zu widmen. Die „JadeWeserPort-Konferenz der HTG, DGGT und DVWG“ wird am 21. August 2012 im Pumpwerk in Wilhelmshaven stattinden. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die wesentlichen Meilensteine und Herausforderungen des Projekts in planerischer und technischer Hinsicht zu beleuchten und zugleich aufzuzeigen, welche Wirkung der neue Terminal für die Bundesrepublik Deutschland und den Hinterlandverkehr haben wird. Ein spannendes Programm mit hochkarätigen Referenten bildet den Rahmen für einen die verschiedenen Disziplinen und Fachgesellschaften übergreifenden Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Das ausführliche Konferenzprogramm und die Anmeldeformalitäten inden Sie unter http: / / com.htg-online.de/ media/ products/ 0617525001334123317.pdf " ■ Metropolen der Zukunft oder nur auf Sand gebaut? INTERNATIONALE FACHExKURSION DUBAI Vom 24. bis 31.03.2012 fand die diesjährige DVWG-Auslandsexkursion nach Dubai und Abu Dhabi statt. 18 Teilnehmer aus verschiedenen Berufs- und Altersgruppen absolvierten ein spannendes und abwechslungsreiches Fachprogramm zu verschiedenen Verkehrsträgern und -bereichen. Wichtige Ziele waren Die Teilnehmer der Dubai-Exkursion u. a. die Verkehrsbehörde Dubai (Road & Transportation Authority), die Planungsbehörde Abu Dhabi (Urban Planning Council) sowie die Ökostadt Masdar City. Einen ausführlichen Beitrag zu dieser Fachexkursion inden Sie in diesem Heft auf den Seiten 43 - 45 sowie unter www.dvwg.de A m Samstag, dem 24. März 2012, fand in Fulda die Bundesdelegiertenkonferenz des Jungen Forums statt. Sie wählte folgenden neuen Bundesvorstand: Bundesvorsitzende: Dr. Barbara Hüttmann (BV Hamburg) Stellvertretender Bundesvorsitzender Kommunikation: Dipl.-Ing. Nils-Friso Weber (BV Berlin-Brandenburg) Stellvertretender Bundesvorsitzender Finanzen und Veranstaltungen: Fabian Dobeschinsky (BV Württemberg) Beisitzer: Dipl.- Verkehrswirts. Ferry Quast (BV Sachsen) Teresa Krohn (BV Württemberg) Wir gratulieren und wünschen viel Erfolg! jungesforum@dvwg.de Neuer Bundesvorstand gewählt Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 73 DVWg Verkehrswissenschaftliche Nachrichten 08./ 09.11.2012 10. Europäischer Verkehrskongress der EPTS Neue Wege im Stadtverkehr Budapest Berlin 13.06.2012 19. DVWg Forum Luftverkehr Flughäfen in Deutschland - als Standort- und Wirtschaftsfaktor Berlin 20.09.2012 ÖPNV-Forum auf der INNOTRANS Infrastrukturen - Fahrzeuge - Wettbewerb ÖPNV - EIN System mit Zukunft Frankfurt 31.08.2012 Klausurtagung „Mitgliederofensive“ 01.09.2012 Sommerfest im rheingau Hamburg 04/ 05.12.2012 Jahresverkehrskongress II Postfossile urbane Mobilität und logistik Hamburg 05.12.2012 Bundesdelegiertenversammlung Berlin 17.09.2012 10. dVWG Bahnforum die europa-Bahn hat Zukunft Zentrale veranstaltungen Berg und Mark berg-mark@dvwg.de 28.06.2012, 16.00 Uhr Nachhaltiger Nahverkehr − Umsetzung von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen im ÖPNV Referent: Dr.-Ing. Dirk Boenke, Gruppenleiter Verkehr & Umwelt, Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e.V. Ort: Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich D, Eugen-Langen-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7, Wuppertal Berlin-Brandenburg berlin-brandenburg@dvwg.de 13.06.2012, 18.00 Uhr Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs − Konsequenzen, Chancen, Risiken? ! Im Anschluss: Sommerfest Junges Forum (mit Live-Übertragung des EM-Spiels Deutschland gegen Holland) Ort: Schmiede am Gasometer, EUREF-Campus, Torgauer Straße 12-15, 10829 Berlin Hamburg hamburg@dvwg.de 23.06.2012, 10.00 Uhr Tagesexkursion Das Netz der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) − Besichtigung und Fahrt mit dem Moorexpress Referent: Ulrich Koch, Geschäftsführer Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) Ort: Trefpunkt Hamburg Hauptbahnhof, Servicepoint am Südsteg Württemberg wuerttemberg@dvwg.de 11.06.2012, 17.30 Uhr Verkehrsplanungsrecht und Bürgerbeteiligung Referent: RA Dr. jur. Peter Schütz, Rechtsanwälte Kasper Knacke Ort: Verband Region Stuttgart, Kronenstraße 25, 70173 Stuttgart 25.06.2012, 17.30 Uhr System- und Avioniktechnologie in Verkehrslugzeugen: heute und morgen Referent: Prof. Dr.-Ing. Reinhard Reichel, Universität Stuttgart, Institut für Luftfahrtsysteme Ort: Verband Region Stuttgart, Kronenstraße 25, 70173 Stuttgart 23.07.2012, 17.30 Uhr Vorträge junger Verkehrswissenschaftler 2012/ 2 Ort: Stuttgart, Universität Stuttgart, Campus Vaihingen, Hörsaal V7.31 Südbayern suedbayern@dvwg.de 13.06.2012, 15.00 Uhr Besuch bei der Paulaner Brauerei München Bewältigung logistischer Herausforderungen Referent: Friedrich Seeger, Leiter Gesamtlogistik Paulaner Brauerei München 26.06.2012, 17.00 Uhr Stadtreparatur: Tunnel Englischer Garten Referent: Hermann Grub, Architekturbüro Grub-Lejeune, München Ort: München, ADAC Nordbayern nordbayern@dvwg.de 29.06.2012, 16.00 Uhr Eisenbahninfrastruktur in Deutschland - Weichen stellen für morgen Referent: Dr.-Ing. Volker Kefer, Vorstand Technik, Systemverbund und Dienstleistungen sowie Vorstand Infrastruktur Deutsche Bahn AG Ort: Nürnberg, Lessingstr. 6, Verkehrsmuseum 19.07.2012, 16.00 Uhr Patientenlogistik - was moderne Logistik jenseits des Personen- und Güterverkehrs bewirken kann Referent: Prof. em. Peter Klaus D.B.A./ Boston Univ. Ort: Nürnberg, Lessingstr. 6, Verkehrsmuseum veranstaltungen der Bezirksvereinigungen ➼ DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de SERVICE Entdeckungen Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 74 Ö fentliche Verkehrsunternehmen arbeiten mit Informationstechnik auf hohem Niveau, um ihre Flotten zu planen, zu optimieren und zu steuern. So ist selbst der Linienbus inzwischen zum Hightech-Fahrzeug geworden. Welche komplexen IT-Systeme dazu nötig sind, beschreibt das neue Fachbuch „IT-Systeme für Verkehrsunternehmen: Informationstechnik im öfentlichen Personenverkehr“. Auf 520 Seiten widmet sich Dr. Gero Scholz, Experte für Logistik und Informatik, den Aufgaben moderner Verkehrsunternehmen und den dahinterliegenden Daten und Prozessen. Durch das Zusammendenken von Verkehrs- und IT- Fragen wird erstmals eine Verständigungsbasis zwischen Verkehrsbetrieben und Systemanbietern geschafen, mit der die Kommunikation der Akteure erheblich vereinfacht wird. Dr. Scholz war lange Zeit Chefarchitekt der IVU Traic Technologies AG, die auf die Entwicklung von IT-Lösungen für den öfentlichen Verkehr spezialisiert ist. So lossen viele praktische Erfahrungen aus seiner täglichen Arbeitswelt in das Werk ein. Am Ende entstand ein umfassendes Fachbuch, welches das Knowhow aus Verkehr und Informatik, Wissenschaft und Praxis zusammendenkt. Dabei liegt die wesentliche Leistung in der detaillierten Erläuterung und übergreifenden Modellierung der zahlreichen Geschäftsprozesse im öfentlichen Scholz, Gero, Dr. 2011, 520 Seiten, dpunkt.verlag ISBN: 978-3898647700 EUR 54,90 IT-Systeme für Verkehrsunternehmen: Informationstechnik im öfentlichen Personenverkehr Verständigungsbasis zwischen Verkehrsbetrieben und Systemanbietern Bevorzugung der Straße gegenüber der Schiene Heft 2/ 2012, S. 43-46: Stephan Bunge: „Qualitative und raumordnerische Schwächen im deutschen SPFV“ D er Aufsatz erweckt mit der Überschrift die Vorstellung, dass sich hierin mit Problemen des SPFV auseinandergesetzt wird. Dies trift nicht zu. Es ist nicht in erster Linie die Aufgabe des SPFV in Deutschland, eine raumordnerische Erschließung vorzunehmen, sondern die großen Zentren mit attraktiven Reisegeschwindigkeiten zu verbinden. Für die raumordnerische Erschließung hat die Politik den Ausbau der Autobahnen forciert. Dies trift z. B. besonders stark für den Südwesten von Deutschland zu. So hat z. B. das Saarland die prozentual höchste Autobahndichte in ganz Deutschland. Von den südwestdeutschen Städten Trier, Saarbrücken und Kaiserslautern sind die Entfernungen zu den benachbarten Städten an der Rheinschiene auf der Autobahn deutlich kürzer als auf der Schiene (z. B. Trier - Mannheim um 22 %). Hier ist die Schiene ohne Chance gegenüber der Straße. Diese Zusammenhänge waren auch der tiefere Hintergrund für die Zurücknahme des 1 h-Taktes im SPFV auf der Achse Saarbrücken - Mannheim zum Fahrplan 2002. Die Bahn ist gezwungen, auf die Bevorzugung der Straße bei der Infrastrukturerstellung zu reagieren. Es sind also nicht „qualitative und raumordnerische Schwächen im deutschen SPFV“ zu konstatieren, wie der Autor meint feststellen zu müssen. Für den SPFV in Deutschland sind der Pkw und im Gegensatz zur Schweiz das Flugzeug die Konkurrenten der Bahn. Reisegeschwindigkeiten ≥ 160 km/ h bzw. Reisezeiten ≤ 3,5 h sind hier die Zielvorgaben, die anzustreben sind. Davon ist die Bahn vielfach noch weit entfernt. Dabei gilt bei der Angebotsplanung immer die Richtschnur: „Für die Mehrheit das bessere Angebot“. Der interessierte Leser fragt sich, was der Autor mit der Abbildung 2 „Fahrgastrelevante Zugverbindungen der Relation Düsseldorf Hbf - Erfurt Hbf“ auf Seite-44 eigentlich aussagen will. Da die angegebenen Fahrzeiten eindeutig die Relation Düsseldorf - Erfurt betrefen, müsste es doch korrekterweise in der ersten Spalte im Kopf „Abgangsbahnhof“ oder „Start“ heißen und nicht „Halt“ sowie darunter in allen Zeilen „Düsseldorf Hbf“ statt „Erfurt Hbf“. Da der Autor den inhaltlich gleichen Beitrag mit der gleichen Unkorrektheit schon vor fast zwei Jahren im DVWG-Jahresband 2009/ 2010 veröfentlicht hat, legt man diesen „aktualisierten“ Bericht verärgert zur Seite. Sven Andersen, Düsseldorf Personenverkehr als Grundlage für die Abbildung in IT-Systemen. Mittels der Modellierungssprache UML wird ein Branchenmodell (Domain-Modell) für Busse und Bahnen entwickelt, das die Kerngeschäftsprozesse und ein Klassenmodell als Architekturgrundlage von IT-Systemen und deren Vernetzung integriert. Von der Planung und Disposition der Fahrzeuge und Fahrer über das Steuern und Überwachen der Fahrzeuglotten im laufenden Betrieb bis hin zum Ticketing und zur umfassenden Information der Fahrgäste sowie Abrechnung der Leistungen - alle Aufgabenbereiche eines Verkehrsunternehmens werden ausführlich beleuchtet. bg SERVICE Leserbriefe Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 75 Abb. 3: Schweiz: Tonnage pro Lkw-Fahrt im alpenquerenden Verkehr 1981 - 2010 Ursprungsdaten: Bundesamt für Verkehr, Bern; Berechnungen und Darstellung: BGL e.V. Einspruch gegen „alte Mär“ Heft 1/ 2012, S. 10-11: Michael Cramer: „Eurovignette III: Kostenwahrheit in der Theorie, Kostenabwälzung in der Realität“ M it großem Interesse lesen wir regelmäßig das Internationale Verkehrswesen. An einer Stelle sind wir jedoch hängengeblieben: Im Beitrag von Herrn Michael Cramer wird auf Seite 11 die ebenso alte wie widerlegte Mär von der erfolgreichen Verlagerungswirkung der 2001 in der Schweiz eingeführten LSVA bemüht. Da die Realität eine andere ist, möchten wir diese Mär nicht unwidersprochen lassen: Anhand amtlicher schweizerischer Zahlen lässt sich nachweisen, dass der Schienenanteil im gesamten Güterverkehr in der Schweiz wie auch im alpenquerenden Verkehr durch die Schweiz vor Einführung der LSVA höher war als danach (siehe Abbildung- 1 und Abbildung- 2). Außerdem ist anhand der Abbildung- 3 zu erkennen, dass die Eizienzsteigerung im Straßengüterverkehr ebenfalls nicht von der LSVA herrührt, wie Herr Cramer annimmt, sondern schlicht und ergreifend von den höheren Gewichtslimiten für Lkw: Mit Einführung der LSVA wurde das Gewichtslimit in der Schweiz von 28 t auf 34 t und 2005 auf die EU-üblichen 40 t angehoben. Dies bedeutet innerhalb von vier Jahren eine Verdoppelung der Nutzlast - ein wahrer Eizienz- und Umwelt-Booster! Martin Bulheller, BUNDESVERBAND GÜTERKRAFTVERKEHR LOGISTIK UND ENTSORGUNG (BGL) e.V. Frankfurt Abb. 1: Schweiz: Schienenanteil am gesamten Güterverkehr nach tkm 2000 - 2010 - vor und nach der Einführung der LSVA anno 2001 Quelle: Bundesamt für Statistik BFS, Neuchatel und Berechnungen des GBL e.V. Abb. 2: Alpenquerender Güterverkehr in der Schweiz: Schienenanteil 2000 - 2011 (vor und nach der Einführung der LSVA anno 2001) Ursprungsdaten: Bundesamt für Verkehr, Bern; Berechnungen und Darstellung: BGL e.V. Leserbriefe sind keine Meinungsäußerung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, die Texte zu kürzen. SERVICE Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, frank.straube@tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas haas@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Geschäftsführer: Martin Weber Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Freie Mitarbeit: Kerstin Zapp kerstin.zapp@dvvmedia.com Dr. Karin Jäntschi-Haucke, hgs@dvwg.de (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 49 vom 1. Januar 2012. Vertrieb Riccardo di Stefano Bezugsgebühren: Inland EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.), Ausland EUR 154,00 (inkl. Porto). Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 25,00 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Bezugsbedingungen: Die Laufzeit eines Abonnements beträgt mindestens ein Jahr und kann danach mit einer Frist von sechs Wochen jeweils zum Ende einer Bezugszeit gekündigt werden. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlags oder infolge höherer Gewalt kann der Verlag nicht haftbar gemacht werden. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: Titellayout: Getty Images Karl-Heinz Westerholt Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Herstellung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf, www.tz-verlag.de Internationales Verkehrswesen Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 11.-13.6.12 Düsseldorf (D) vDv-Jahrestagung Info: VDV Tel. +49 (0)221 57979-0 info@vdv.de, www.vdv.de 13.6.12 Berlin (D) 19. DvWG Forum Luftverkehr: Flughäfen in Deutschland als Standort- und Wirtschaftsfaktor Info: DVWG-Hauptgeschäftsstelle Katrin Schwark Tel. +49 (0)30 - 2936060 Fax +49 (0)30 - 29360629 katrin.schwark@DVWG.de, www.dvwg.de 12.-14.6.12 Hamburg (D) Transfairlog Erste Fachmesse für internationales Transport- und Logistikmanagement Info: Euroexpo Tel. +49 (0)89 32391-253 peter.kazander@euroexpo.de, www.transfairlog.com/ 14.-15.6.12 Köln (D) EurailTelematics 2012 Info: DVV Media Group GmbH Tel. +49 (0)40 237 14-101 Fax +49 (0)40 237 14-104 riccardo.distefano@dvvmedia.com, www.eurailtelematics.com 18.-22.6.12 Berlin (D) Kuhmo Nectar Conference and Summer School on Transportation Economics 2012 Info: DIW kuhmonectar_support@diw.de, indico.conferences.dtu.dk/ conferenceDisplay.py? confId=101 3.-4.9.12 Hamburg (D) global maritime environmental congress (gmec) Info: Hamburg Messe Tel. +49 40 3569-2142 gmec@hamburg-messe.de gmec-hamburg.com/ 4.-7.9.12 Hamburg (D) 25. SMM shipbuilding, machinery & marine technology international trade fair Info: Hamburg Messe info@hamburg-messe.de, smm-hamburg.de/ 11.-16.9.12 Frankfurt (D) Automechanika 2012 Info: Messe Frankfurt Tel. +49 69 75 75 - 0 automechanika@messefrankfurt .com www.automechanika.com mailto: automechanika@messefrankfurt.com 11.-16.9.12 Berlin (D) ILA Berlin Air Show Info: BDLI e.V. Tel. +49 (0)30 2061-4013 schueller@bdli.de, www.ila-berlin.de 18.-21.9.12 Berlin (D) InnoTrans Messe Berlin GmbH Tel. +49 (0)30 30 38-0 innotrans@messe-berlin.de www.innotrans.de 20.-27.9.12 Hannover (D) IAA Nutzfahrzeuge Info: Messe Hannover Tel. +49 (0)511 890 info@iaa.de www.iaa.de 16.-17.10.12 Leipzig (D) Deutscher Straßen- und verkehrskongress Info: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) Tel. +49 (0)221 9 35 83-0 koeln@fgsv.de www.fgsv.de 22.-24.10.12 Leipzig (D) new mobility - Konzepte für die Mobilität von morgen Info: Leipziger Messe info@leipzig.de www.leipzig.de/ de/ business/ newsarchiv/ 2011/ new-mobility-Konzepte-fuer-die-Mobilitaetvon-morgen-21443.shtml TERMINE + vERANSTALTUNGEN 11.06.2012 bis 24.10.2012 Weitere veranstaltungen inden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schifundhafen.de, www.dvz.de Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 77 HERAUSgEBERBEIRAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Infrastruktur, Verkehr und Telekommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Michael P. Clausecker MBA Vorsitzender der Geschäftsführung Bombardier Transportation GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Leiter Sonderprojekte DB Mobility Logistics AG Frankfurt Ottmar gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Oicer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolf Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Werner lundt Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Verkehrsforschung in „Horizon 2020“ Herausgeberbeirat dr.-Ing. Christian Piehler zu den Plänen der EU-Kommission A m 30.11.2011 hat die Europäische Kommission den Entwurf zum Rahmenprogramm „Horizon2020“ veröfentlicht. Von 2014 bis 2020 sollen 87 Mrd. EUR in Forschung und Innovation ließen. Die Verkehrsforschung spielt in den Prioritäten Excellent Science, Industrial Leadership und Societal Challenges eine wichtige Rolle. Für ein nachhaltiges Innovationssystem ist bei der Programmgestaltung jedoch darauf zu achten, dass alle Prozessphasen von den Grundlagen bis zur Anwendung durchgehend berücksichtigt werden. Zudem gilt es, für bedarfsgerechte Instrumente zu sorgen, die von kleineren Projekten zur Förderung neuer Ideen und Technologien bis hin zu umfassenden Demonstrationsinitiativen reichen. Auch die Vereinfachung der administrativen Verfahren birgt im Detail noch einige Tücken. So macht die reduzierte Finanzierung für das Management von EU-Projekten die Übernahme einer Koordinatorenrolle wenig attraktiv. Und der Pauschalansatz für Gemeinkosten benachteiligt Forschungsinstitute mit großen Infrastrukturen. Die Kommission hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. Ein begrüßenswertes Angebot. » Für ein nachhaltiges Innovationssystem gilt es, alle Prozessphasen zu berücksichtigen. « gASTKOMMENTAR Martin Zeil Internationales Verkehrswesen (64) 3 | 2012 78 »Am Bau einer neuen dritten Start- und Landebahn führt kein Weg vorbei! « D er Flughafen München ist für Bayern ein unverzichtbarer und strategisch wichtiger Standortfaktor. Er trägt dazu bei, die Mobilität zu sichern, die Bürger und Wirtschaft benötigen. Um auch die Mobilitätsbedürfnisse von morgen erfüllen zu können, führt am Bau einer neuen dritten Start- und Landebahn kein Weg vorbei: • Durch die Erweiterung wird der Flughafen in die Lage versetzt, dem für das Jahr-2020 bzw. 2025 prognostizierten Verkehrsbedarf von rund 536 000 bzw. rund 590 000 Flugbewegungen gerecht zu werden. Diese Nachfrage kann auf dem bestehenden Zweibahnsystem mit einer maximalen Kapazität von rund 480 000 Flugbewegungen nicht abgewickelt werden. • Mit einer Exportquote von 50 % braucht die bayerische Wirtschaft dauerhaft gute internationale Luftverkehrsverbindungen. Im Sommer-2012 weist der Münchner Flugplan im regelmäßigen Flugverkehr insgesamt 215- Ziele in 61- Länder aus. Eine solche Anbindungsvielfalt lässt sich praktisch nur über einen Drehkreuzverkehr darstellen. Nur durch die mit der dritten Bahn verbundenen Wachstumsmöglichkeiten für die hier ansässigen weltweit agierenden Fluggesellschaften kann der Flughafen München seine Funktion als Hub von europäischem Rang auch in Zukunft behaupten. Erklärtes Ziel ist aber auch, dass der Ausbau für die betrofenen Anwohner so verträglich wie möglich gestaltet wird. Der Planfeststellungsbeschluss sieht bereits umfangreiche Maßnahmen vor, um Belastungen durch Fluglärm abzumildern: • Laute Flugzeuge ohne Lärmzulassung sowie sogenannte Kapitel-2-Flugzeuge werden ab 2012 generell vom Flughafenbetrieb ausgeschlossen. • Sogenannte Kapitel 3-Flugzeuge, welche die Lärmgrenzwerte nur knapp erfüllen, dürfen auf der dritten Bahn weder starten noch landen. • Auf der dritten Bahn wird grundsätzlich kein Nachtlug stattinden. • Für den künftig besonders betrofenen Ortsteil Attaching werden großzügige Entschädigungsgebiete für Übernahmeansprüche festgelegt. Ich habe schon im vergangenen Jahr erreicht, dass eine frühzeitige Einbindung meines Ministeriums in die Planung der künftigen Flugrouten erfolgt. Sobald belastbare Diskussionsgrundlagen vorliegen, werde ich auf eine Ofenlegung drängen, damit die Fluglärmkommission ihren gesetzlichen Beratungsauftrag efektiv wahrnehmen und zu möglichst ausgewogenen Lösungen für die betrofenen Anwohner gelangen kann. Wichtig ist mir außerdem eine gute Anbindung des Flughafens an das Schienennetz, um die anliegenden Gemeinden vom Straßenverkehr zu entlasten und gleichzeitig die Attraktivität des Flughafens zu steigern. Deshalb habe ich in einem umfassenden Gutachten alle denkbaren Möglichkeiten einer verbesserten Schienenanbindung des Flughafens München untersuchen und bewerten lassen und ein Konzept entwickelt, das eine direkte Schienenanbindung aller Landesteile an den Münchner Flughafen zum Ziel hat. Das Konzept ist Bestandteil des Bahnknotens München, wurde vom Bayerischen Landtag, der Bayerischen Staatsregierung sowie der Landeshauptstadt München im Jahr-2010 bestätigt und wird derzeit Schritt für Schritt geplant und realisiert. Die wesentlichen Bausteine sind: • Neufahrner Kurve zur Verbesserung der Anbindung aus Richtung Landshut, Regensburg sowie der übrigen Oberpfalz und Niederbayerns; • Lückenschluss Erding - Flughafen; • Ausbau und Elektriizierung der Strecke München - Mühldorf - Freilassing; • Walpertskirchner Spange zur direkten Flughafenanbindung aus Richtung Dorfen, Mühldorf, Salzburg und dem südöstlichen Oberbayern; • Ausbau des S-Bahn-Ostastes zum Flughafen zwischen Johanneskirchen und Dagling und Einrichtung einer Express-S-Bahn von München zum Flughafen. Mit diesen Maßnahmen möchte ich die Schienenanbindung des Flughafens München aus allen Landesteilen innerhalb der nächsten zehn Jahre verbessern und die Zahl der Fluggäste und Beschäftigen steigern, die den Öfentlichen Verkehr nutzen. Langfristig bietet dieses Konzept auch die Möglichkeit, überregionale Verkehre auf der Transeuropäischen Achse Paris - München - Wien über den Flughafen München zu lenken. www.stmwivt.bayern.de ■ Martin Zeil seit 30.10.2008 Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie und Stellvertreter des Ministerpräsidenten ZUR PERSON Foto: stmwivt Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Interessensgebiete (Zutreffendes bitte ankreuzen) Personenverkehr Güterverkehr Verkehrsinfrastruktur Verkehrslogistik Kombinierter Verkehr Verkehrssicherheit Verkehrspolitik Straßenverkehr Luftverkehr Schienenverkehr ÖPNV Seeverkehr Binnenschifffahrt Fußgänger- und Radverkehr Verkehrsplanung Verkehrstechnik Verkehr und Umwelt Verkehrsforschung Telematik und Verkehrsmanagement Verkehrswirtschaft Verkehrsrecht Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: privat dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: ja nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: ja nein Ort/ Datum Unterschrift Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Tel.: 030 / 293 60 60 Fax: 030 / 293 60 629 Agricolastraße 25 www.dvwg.de 10555 Berlin hgs@dvwg.de Preisnachlass beim Bezug der Publikationen unserer Schriftenreihe (Bücher und CDs) Aufbau neuer und Vertiefung bestehender Kontakte im Bereich des Verkehrswesens auf deutscher und europäischer Ebene Gebührenermäßigung bei zentralen wissenschaftlichen Veranstaltungen der DVWG exklusiver Zugang zum Internetportal der DVWG (Mitgliederbereich und Download) Bezug der renommierten Fach- und Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ persönliche Einladung zu den Veranstaltungen Ihrer Bezirksvereinigung und der Hauptgeschäftsstelle Mitarbeit im Jungen Forum der DVWG (für Mitglieder bis 40 Jahre) Wir sind in Bewegung! jährliche Fachexkursionen ins Ausland (2010 - China, 2011 - Kanada) ... Kommen Sie mit! INTELLIGENT VERNETZEN Die Hamburger Hafen und Logistik AG verknüpft Warenströme aus Übersee und Europa. An einer Nahtstelle der Weltwirtschaft ist sie mit effizienten Containerterminals, leistungsstarken Transportsystemen, umfassenden logistischen Dienstleistungen und ihren Logistikimmobilien präsent. So entstehen intelligente Netzwerke, die das Klima schonen und Voraussetzung für die Entwicklung der Weltwirtschaft sind. www.hhla.de DIE WELT WÄCHST ZUSAMMEN.