Internationales Verkehrswesen
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Das strukturierte Chaos Megatrends in der Verkehrsindustrie POLITIK Neuer europäischer Standard EN 16258 LOGISTIK Chancen und Risiken des russischen Logistikmarkts INFRASTRUKTUR Grenzen des Güterverkehrswachstums werden sichtbar Im Interview: Uwe Clausen, Fraunhofer www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 6 November/ Dezember l 2012 Tanken Sie Profit - wir schützen Sie vor Betrug. Weitere Informationen finden Sie auf www.fuellingyourprofits.com oder rufen Sie uns an unter: 0049 (0) 2102 968520 Wir bei IDS wissen, dass jede Firma ihre eigenen Bedürfnisse hat. Deshalb bieten wir Ihnen mehr Kontrolle über das Management Ihrer Treibstoffkäufe. Wir stellen Ihnen flexible Optionen für die Bezahlung, individuelle Sicherheitseinstellungen und einen maßgeschneiderten Rund-um-die- Uhr-Service zur Verfügung, der durch ein erweitertes Netzwerk strategisch geschickt platzierter Tankstellen in ganz Europa unterstützt wird. 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The fastest route to smart fuelling. i W i W r e b e i I D S w i s s s s e n , ids_profit_fraud_297x210_DE.indd 1 15-10-2012 10: 11: 08 EDITORIAL Frank Straube Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 3 »Die Infrastruktur ist unterfinanziert! « D ie Leistungsfähigkeit der Infrastruktur eines Landes unterstützt die Intensität nationaler wie internationaler wirtschaftlicher Beziehungen. Die Logistik nimmt hierbei eine Schlüsselfunktion ein. Sie unterstützt Handel und Produktion durch integrierte verkehrsträgerübergreifend konzipierte Transportnetzwerke. Mit ihren − auch die Anforderungen des Personenverkehrs integrierenden − Ansätzen sorgt sie für eine bestmögliche Harmonisierung innerbetrieblicher Logistik mit den Erfordernissen des Transports. Die Erfüllung dieser Funktion ist nur möglich durch eine gut ausgebaute und belastbare Infrastruktur. Investitionen in Neu- und Ausbau sowie in Instandhaltung sollten somit ein zentraler Bestandteil aktiver Wirtschaftspolitik sein. Der Verkehrsetat ist mit ca. 10- Mrd.- EUR seit längerem strukturell unterinanziert. Nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sind für die Instandhaltung der vorhandenen Infrastruktur jährlich ca. 9-Mrd.-EUR notwendig. Neu- und Ausbaumaßnahmen erfordern weitere 5- Mrd.- EUR, was zu einem Fehlbedarf von ca. 4-Mrd.-EUR führt. Die vorhandenen knappen Mittel müssen folgerichtig bedarfsgerecht eingesetzt werden. Die hierzu notwendigen Verkehrsprognosedaten werden zurzeit in relativ großen Abständen erhoben, so dass beispielsweise der aktuelle Investitionsrahmenplan 2011 bis 2015 sich teilweise noch auf Daten von 2001 bezieht. Zur Verbesserung dieser Prognose können Unternehmen der Verkehrsbranche einen entscheidenden Beitrag leisten. Deren rollierende Jahresplanung berücksichtigt nicht nur das wirtschaftliche Geschehen ex post, sondern antizipiert auch die Entwicklung logistischer Trends, wie immer kleiner werdende Auftragsgrößen, volatile Nachfragen sowie Auswirkungen von Produktionsstandortentscheidungen zugunsten lokaler und/ oder globaler Standorte. Diese bedarfsgerechtere Mittelallokation kann durch eine Vernetzung der Akteure, aus Personen- und Güterverkehr, weiter unterstützt werden, so dass infrastrukturelle Engpässe priorisiert werden. Der Zugang zur Infrastruktur bei monopolistischen Engpässen wird in vielen Fällen mit dem Ziel reguliert, die Netzwerkeizienz zu steigern. Das Interessante hier ist, dass beispielsweise die Bodenabfertigung an Flughäfen anders reguliert wird als die Containerabfertigung an Häfen. Oftmals sind diese unterschiedlichen Regulierungsvorschriften nicht verkehrsträgerspeziisch zu begründen. Es erscheint sinnvoll, die Regulierungsmechanismen im Hinblick auf die Steigerung der Netzwerkeizienz zu untersuchen und die Übertragbarkeit auf andere Verkehrsträger zu prüfen. Jedoch ist bei allen Verbesserungen der Infrastruktur der Bürger proaktiv zu beteiligen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass zukünftig eine bessere Form der Bürgerbeteiligung mit kürzeren Planungszeiten und besserer Kommunikation erforderlich ist. Ein „Mobilitätsdialog Deutschland“ kann bei der Schafung eines Bewusstseins für die Notwendigkeit einzelner Infrastrukturmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen, indem er lokale wie nationale Unternehmen, Bürgerinitiativen und Politik mit einbezieht und somit die Bedeutung der Infrastruktur für den Wohlstand der Bevölkerung und der Wirtschaft verdeutlicht. Ihr Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de »Verkehrsprognosen sollten öfter aktualisiert werden.« Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 4 POLITIK 12 Der neue Standard EN 16258 Martin Schmied Philipp Wüthrich 16 Fachkräfte fehlen, bessere Bedingungen auch Kerstin Zapp INFRASTRUKTUR 34 Grenzen des Güterverkehrswachstums werden sichtbar Christian Hey Carl-Friedrich Elmer LOGISTIK 24 Chancen und Risiken des russischen Logistikmarkts Dieter Bock 28 Organisation des Einzelwagenverkehrs Paul Wittenbrink Stefan Hagenlocher Bernhard Heizmann 31 Betrieb von Ofshore-Windparks Gerd Holbach Christopher Stanik »Gut organisierte Kooperation der Verkehrsträger! « Prof. Dr.-Ing. Uwe Clausen, ist seit 2003 Vorsitzender der Fraunhofer-Allianz Verkehr und zugleich seit Februar 2001 Leiter des Instituts für Transportlogistik an der TU Dortmund sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialluss und Logistik (IML). Seite 40 INTERVIEW Systemwechsel zur vernetzten Mobilität WISSENSCHAFT 37 Regulierung monopolistischer Engpässe Sebastian Jürgens Sebastian Keitel WISSENSCHAFT 19 Kenngrößen der Verkehrssicherheit Janina Küter Rita Bartz Jan-André Bühne Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 5 INHALT Nov./ Dez. 2012 MOBILITÄT 42 Ansätze umweltschonender Mobilität Roman Suthold 47 Bezahlbare E-Mobilität Achim Kampker TECHNOLOGIE DVWG-Nachrichten 65 Bewegte Zeiten Sebastian Belz 69 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen ➼ www. Sie inden „Internationales Verkehrswesen“ im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: b umfangreichem Hefte-Archiv b aktuellen Branchennews und Terminen RUBRIKEN 03 Editorial 06 Momentaufnahme 08 Nachrichten 09 Stellenmarkt 1 1 Kurz + Kritisch 23 Bericht aus Brüssel 62 Industrie+Technik 70 Service 73 Beirat Gastkommentar von Jörg-Werner Mendel, Präsident des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) Seite 74 WISSENSCHAFT 49 Gesundheitsrisiko durch elektromagnetische Felder? Dirk Geschwentner Gernot Schmid 52 Der Lkw auf der Datenautobahn Ralf Kalmar Jens Knodel 55 Mobilitätserhebungen mit Smartphones Marc Schelewsky Dirk Stürzekarn Benno Bock 58 Amsterdam mit neuem Betriebsleitsystem Volker Vorburg 60 Telematik für schwere Lkw Ralf Forcher MOMENTAUFNAHME Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 6 Santiago Calatrava Valls Architekt, Bauingenieur Zürich, Paris, Valencia www.calatrava.com Es ist der wichtigste Bahnhof in der belgischen Region Wallonien: la Gare Liège-Guillemins. Täglich verkehren dort rund 500 Züge. Den 2009 fertiggestellten Um- und Neubau hat der spanische Architekt und Künstler Santiago Calatrava geplant. Dominiert wird das Bahnhofsgebäude von seinem spektakulären Dach. 39 Stahlbögen, zum Teil 40 m hoch, tragen eine auf- und abschwingende Kuppel, eine gewaltige Welle, die sich über knapp 200 m erstreckt. Die Gestaltungsprinzipien sind Bewegung, Kommunikation, Transparenz. Auf die klassische Bahnhofsfassade hat Calatrava verzichtet. Stattdessen gehen Außen und Innen nahtlos ineinander über. “The project, as a whole, creates a new gateway into Liège and re-establishes a relationship with the city”, so beschreibt Calatrava seinen Lütticher Bau, der ganz großer Bahnhof ist − eigentlich zu schade für die Durchreise. Großer Bahnhof Foto: www.palladium.de, Barbara Burg/ Oliver Schuh Foto: Suzanne De Chillo Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 7 Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 8 NACHGEFRAGT Monika Heiming I m Oktober 2011 verplichtete der Europäische Verband der unabhängigen Schieneninfrastrukturbetreiber Monika Heiming als neue Exekutivdirektorin. Rund ein Jahr später hat sich die EIM auf dem Brüsseler Parkett einen neuen Namen gemacht. Dies zeigt insbesondere auch die Diskussion über das geplante 4.- Eisenbahnpaket. So liegt die EU-Kommission in der Frage der künftigen Organisationsstruktur von Bahnunternehmen eindeutig auf einer Linie mit der EIM. Für Verkehrskommissar Siim Kallas sollen die Mitgliedstaaten eine rechtliche, kaufmännische und inanzielle Trennung der Schieneninfrastrukturbetreiber von den Verkehrsunternehmen vornehmen. Um die Unabhängigkeit der Netzbetreiber sicherzustellen, soll die Deinition der im EU-Recht verankerten Kompetenzen ausgedehnt werden. Neben der Trassenbepreisung und -zuweisung sollen sich die Netzbetreiber künftig auch für Investitionen, Kundenbeziehungen, Fahrpläne, Fahrdienstleitung sowie Instandhaltung, Erneuerung und Ausbau des Netzes verantwortlich zeigen. Diesen Ansatz vertritt seit jeher auch die EIM: „Dem Netzbetreiber der Zukunft müssen alle Werkzeuge an die Hand gegeben werden, damit er den Erwartungen des Marktes und vor allem der Kunden gerecht werden kann. Das sind Eizienz, Investitionen und kundenorientierte Leistung“, erläutert Monika Heiming. Dabei unterstützt die EIM alle Vorschläge, die den Netzbetreiber hinsichtlich seiner Neutralität über alle Zweifel erhaben machen. Und dazu gehöre die strikte Trennung von Netz und Betrieb. Denn nur Regelungen, die Interessenkonlikte bei den Netzbetreibern von vornherein ausschließen, seien ein Garant für einen eizienten und leistungsstarken Eisenbahnmarkt. 4. Eisenbahnpaket: Die Rolle der Netzbetreiber Um den Erwartungen des Marktes und der Kunden gerecht werden zu können, müssen für die EIM drei Voraussetzungen gegeben sein: Stärkung der Kompetenzen, Konzentration der Kompetenzen und größere Unabhängigkeit der Netzbetreiber. „Die im EU-Recht vorgesehenen Kompetenzen der Netzbetreiber müssen auf alle Funktionen ausgedehnt werden, die sie benötigen, um den Betrieb als Wirtschaftsunternehmen führen zu können. Eine Aufteilung der Zuständigkeiten ist sowohl unter Kostenals auch unter Leistungsgesichtspunkten unzweckmäßig“, hebt Heiming hervor. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn der Netzbetreiber trotz formaler Trennung nicht den nötigen Handlungsspielraum besitze, weil ein Verkehrsunternehmen einzelne Aufgaben der Infrastrukturverwaltung wahrnehme. Größere Unabhängigkeit ist für die EIM-Exekutivdirektorin auch unabdingbar für Transparenz, damit bei Entscheidungen der Netzbetreiber jegliche Interessenkonlikte ausgeschlossen werden können. „Der Netzbetreiber muss daher in seinen Entscheidungen völlige Freiheit von allen Verkehrsunternehmen genießen.“ Vor diesem Hintergrund ist die EIM nicht an Dogmen oder Schlagwörtern interessiert: „Unsere Mitglieder fühlen sich neben der Sicherheit vor allem den Kunden und ihren Für die European Rail Infrastructure Managers (EIM), den Europäischen Verband der unabhängigen Schieneninfrastrukturbetreiber, ist das 4.-Eisenbahnpaket längst überfällig. Alle Akteure erwarten ein klares Signal von der Kommission, wie der einheitliche europäische Bahnmarkt vollendet werden soll. Das gilt insbesondere für Frankreich und andere Mitgliedstaaten, die über eine Restrukturierung ihrer Bahnen nachdenken. Eigentümern verplichtet. Darum steht für uns die Leistung, Eizienz und Transparenz des Bahnmarktes im Mittelpunkt. Durch Kompetenzerweiterung und Unabhängigkeit erhalten die Netzbetreiber die Möglichkeit, dies umsetzen. Und die Organisationsmodelle müssen die Neutralität der Netzbetreiber sicherstellen.“ Das hat für Heiming auch den Vorteil, dass sich der seit zehn Jahren ständig neu strukturierende Bahnmarkt endlich stabilisiert. „Wir erwarten von der Kommission Vorschläge für eine verbindliche Deinition der Rolle des Netzbetreibers. Es darf nicht sein, dass Ressourcen vergeudet werden, weil der Netzbetreiber bei allem Tun und Lassen überprüfen muss, ob er gegen Rechtsnormen verstößt, die Interpretationsspielräume lassen“, unterstreicht Heiming. Denn wenn Rechtssicherheit bestünde, könnten die Ressourcen sehr viel nutzbringender in den Dienst des Kunden gestellt werden. Für die EIM ist das 4.- Eisenbahnpaket längst überfällig. Neben harmonisierten Regelungen ist für die EIM aber auch die Zusammenarbeit unter den Infrastrukturbetreibern unerlässlich. „Eine EU-weit harmonisierte Deinition der Kompetenzen der Netzbetreiber und klare Transparenzvorgaben werden auch die Kooperation unter den Netzbetreibern verbessern“, ist sich Heiming sicher. Das brächte auch den Kunden Vorteile. „Die EIM-Mitglieder haben sich verplichtet, das Schienennetz über nationale Interessen hinaus und im Dienste der Bahnkunden zum Rückgrat des europäischen Transportsystems zu machen. Das ist ein wichtiger Monika Heiming, seit Oktober 2011 EIM-Exekutivdirektorin »Die Schieneninfrastrukturbetreiber brauchen die nötigen Kompetenzen, um den Kundenwünschen gerecht werden zu können.« Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 9 STELLENMARKT Ernst Basler + Partner ist ein unabhängiges Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmen mit Standorten in der Schweiz und Deutschland. Seit 1981 sind wir in diesen und weiteren Ländern erfolgreich tätig. Wir bauen unser Dienstleistungsangebot und unsere Marktpräsenz im Mobilitäts- und Verkehrsbereich in Deutschland schrittweise aus. Für diesen Aufbau und die spätere Leitung eines Teams am Standort Potsdam bzw. künftig Berlin suchen wir eine Führungspersönlichkeit für Mobilitäts- und Verkehrsberatung Ihre Aufgaben In enger Zusammenarbeit mit unserem Büro in Zürich stärken Sie unser Netzwerk mit vorrangig öffentlichen Auftraggebern und Partnerunternehmen. Sie akquirieren und bearbeiten standortübergreifende Projekte im Bereich Mobilität und Verkehr selbstständig und interdisziplinär in Projektteams. Sie helfen mit, in Potsdam ein Team von Fachleuten aus dem Bereich Mobilität und Verkehr aufzubauen. Ihre Kompetenzen • Langjährige Projekterfahrung mit einem breiten beruflichen Netzwerk im Bereich Mobilität und Verkehr • Fähigkeit und Freude ein Team zu führen • Vernetztes Denken über die Fachdisziplin hinaus • Initiative und Interesse, die Entwicklung von Themenfeldern aktiv zu gestalten • Ausgeprägte mündliche und schri�liche Kommunikationsfähigkeit in Deutsch und mit Vorteil in Englisch Wir bieten Ihnen Bei uns finden Sie den Spielraum für Ihre fachliche und persönliche Weiterentwicklung. Sie arbeiten an einem attraktiven Arbeitsort in Potsdam und voraussichtlich ab 2015 in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs Berlin. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Wir freuen uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen per Post oder E-Mail an Frau Karin Schweizer, Personaldienst (personaldienst@ebp.ch). Für mehr Informationen besuchen Sie unsere Homepage www.ebp.de oder kontaktieren Sie Herrn Patrick Ruggli, Leiter Geschäftsbereich Verkehr (+41 44 395 17 28, patrick.ruggli@ebp.ch) oder Herrn Dr. Ludger Paus, Geschäftsführer Ernst Basler + Partner, Deutschland (+49 331 74 75 9 10, ludger.paus@ebp.de). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Basler + Partner AG, Zollikerstrasse 65, 8702 Zollikon Telefon + 41 44 395 11 11, www.ebp.ch Unterschied zu holdinggebundenen Netzbetreibern.“ Zudem habe die EIM im Vergleich zu Verbänden mit einer heterogenen Mitgliederstruktur einen großen Vorteil: „Wir können uns voll und ganz auf die Interessen und das Kerngeschäft unserer Mitglieder konzentrieren“, betont Heiming. Die EIM entwickele sich zu einem One-stop-Shop für den Austausch von „Best practice“ und sei bevorzugter Ansprechpartner nicht nur für die Mitglieder sondern auch EU-Institutionen, Kunden, Verlader, Spediteure und Regulierer. „Der Mehrwert, den wir zudem noch durch eigene Initiativen generieren, wird einen natürlichen Pull-Efekt erzeugen“, ist Heiming zuversichtlich. Gelassen reagiert sie auf die Vielzahl von Studien unterschiedlicher Auftraggeber, welche die Vorzüge des integrierten Systems untermauern sollen. Grundsätzlich sei festzustellen, dass Studien, die das integrierte und getrennte Bahnmodell verglichen, ihre Grenzen hätten. Es fehle an belastbarem Zahlenmaterial, um die Kosten, Leistung und Eizienz der beiden Modelle bewerten zu können. „Bahnsysteme außerhalb Europas, die durch Monopole beherrscht werden oder über keinen Güterverkehr verfügen, dienen nicht als Beispiel für den europäischen Markt“, bemerkt Heiming. „Wir sollten uns daher auf den europäischen Bahnmarkt konzentrieren, der weltweit ohnehin einzigartig ist. Deshalb sind darauf speziell abgestimmte Maßnahmen notwendig, um die Eizienz und Leistungsfähigkeit steigern zu können.“ ■ NACHRICHTEN Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 10 Die Mitgliederversammlung des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) hat Adalbert Wandt zum neuen Präsidenten gewählt. Der Braunschweiger Spediteur tritt damit die Nachfolge von Hermann Grewer an, der nach 17 Jahren Amtszeit als BGL-Präsident nicht mehr kandidierte. Grewer wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt. BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt wurde zum geschäftsführenden Präsidiumsmitglied berufen. Claus-O. Herzig, Hans-Dieter Otto, Klaus Peter Röskes, Thomas Usinger und Hans Wormser sind weiterhin Vizepräsidenten des BGL. (zp) Deutsche Seehäfen Weniger Wachstum Im laufenden Jahr werden die Umschlagmengen in den deutschen Seehäfen mit plus 3 % (insgesamt 304-Mio.-t) spürbar langsamer wachsen als zuletzt (2011: plus 7,3 %). Und auch für 2013 ist Klaus-Dieter Peters, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), nur gedämpft optimistisch. Er rechnet mit einer Zunahme des Umschlags um 1 bis 3 %. Als Grund nennt Peters die weltwirtschaftlichen Abkühlung. Er wies jedoch darauf hin, dass der Hafenhinterlandverkehr der deutschen Seehäfen weiter deutlich anziehe. Schienen- und Straßeninfrastruktur im Hinterland hätten ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. (hel/ zp) Frankreich SNCF und RFF rücken zusammen Um „Bahndienstleistungen von hoher Qualität und im Sinne eines öfentlichen Dienstes“ zu gewährleisten, plant der französische Verkehrsminister Frédéric Cuvillier die Zusammenführung von Betrieb (SNCF) und Netz (RFF) der französischen Bahn. Als zentraler Punkt der Bahnreform soll RFF zu einem einheitlichen Infrastruktur-Pool GUI (gestionnaire d´infrastructure unique) ausgebaut und unter einem Dach wieder mit der Staatsbahn SNCF zusammengelegt werden unter Wahrung eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Netz. (zp) Emissionshandel Luft Verschoben Die EU-Kommission wird Flüge von und nach Europa vorerst nicht in ihr Emissionshandelssystem einbeziehen. Das teilte Kommissarin Connie Hedegaard Mitte November mit. Sie begründete dies mit dem Beschluss der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Icao, einen weltweiten Rahmen für die Reduzierung der CO 2 -Emissionen im Flugverkehr auszuarbeiten. Für innereuropäische Flüge müssen die Fluggesellschaften weiterhin Emissionstitel erwerben. (wal/ zp) BMVBS Bürger entscheiden Die Bürger sollen künftig bei großen Verkehrsbauvorhaben früher und besser eingebunden werden als bisher. Das sieht das „Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung“ vor, das Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im November vorgestellt hat. Das Handbuch empiehlt, die Bürger schon frühzeitig und weit vor der formaljuristischen Beteiligung bei Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren einzubeziehen. Auch die Vorbereitung für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2015 werde der öffentlichen Diskussion ausgesetzt. Das Buch stellt mögliche Instrumente für Bürgerbeteiligung vor, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. (roe/ zp) Verkehrshaushalt Mehr Geld für 2013 Die Wasserstraße wird bei der Verteilung der im November zusätzlich vom Haushaltsausschuss bewilligten 750-Mio.-EUR für den Verkehrsetat 2013 noch einmal besser gestellt. Sie erhält statt der ursprünglich angedachten 100- Mio.- EUR 140- Mio.- EUR, hat der Bundestags-Haushaltsausschuss beschlossen. Das Geld soll für dringend nötige Ersatzinvestitionen verwendet werden, teilte das BMVBS mit. Verlierer ist zum einen die Schiene, die statt der angedachten 50-Mio.-EUR lediglich 40- Mio.- EUR für ein neues Lärmschutzpaket erhält. Zum anderen bekommt die Straße statt geplanter 590- Mio.- EUR nur 570- Mio.- EUR. Darüber hinaus bewilligte der Haushaltsausschuss jene 25- Mio.- EUR für die Infrastruktur der Nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen), auf die sich die Koalition zuvor im Verkehrsausschuss geeinigt hatte. (zp) Lufthansa Cargo Schmitt im Vorstand Lufthansa Cargo hat Dr. Martin Schmitt mit Wirkung zum 1.-Januar- 2013 zum Vorstand Finanzen/ Personal bestellt. Bisher leitet er den Bereich „Personalpolitik Konzern" Bei Lufthansa. Im Cargo- Bereich wird er Nachfolger von Peter Gerber, der im vergangenen Juni in den Passagevorstand gewechselt ist. (ma/ zp) VDA Wissmann bleibt Der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, bleibt zwei weitere Jahre im Amt. Der frühere CDU-Bundesverkehrsminister führt den Verband seit 2007. Vizepräsidenten bleiben Daimler- Vorstandschef Dieter Zetsche und Schaeler-Vorstandschef Jürgen Geißinger. Hinzu kommt der neu gewählte Vizepräsident Ulrich Schöpker, der Vorstand des Lkw-Anhängerproduzenten Schmitz Cargobull ist. (zp) BGL Wandt neuer Präsident VDV Fenske weiter Präsident BMVBS Odenwald neuer Staatssekretär Michael Odenwald erhielt im Oktober die Ernennungsurkunde zum beamteten Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Er folgt damit Prof. Klaus-Dieter Scheurle nach, der zum 1. Januar 2013 neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung (DFS) wird. Zu Scheurles Zuständigkeitsbereich im Ministerium gehörte auch die Abteilung Landverkehr (Eisenbahn und Straße). Zuvor war Odenwald Leiter der Zentralabteilung und damit unter anderem für den Einzelplan 12 des Bundeshaushalts verantwortlich, in dem die Verkehrsinvestitionen enthalten sind. (ici/ zp) Jürgen Fenske Foto: VDV Adalbert Wandt Foto: BGL Jürgen Fenske bleibt für weitere drei Jahre Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Auf der Präsidiumssitzung im November votierten die Mitglieder einstimmig für seine zweite Amtszeit. Auch drei der insgesamt fünf VDV-Vizepräsidenten wurden wiedergewählt: Herbert König, Horst Klein und Prof. Knut Ringat. Jürgen Fenske ist hauptamtlich Vorstandsvorsitzender der Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB). (zp) Siemens Neue Position für Grundmann Hans-Jörg Grundmann wechselt innerhalb des Siemenskonzerns: Er ist seit Oktober Chief Compliance Oicer (CCO). Seit 2008 leitete er die Division Mobility beziehungsweise Rail Systems. Nachfolger von Grundmann ist Jochen Eickholt, zuvor unter Grundmann Leiter der Sparte Leit- und Signaltechnik. Der bisherige CCO Josef Winter ist als Landeschef nach Indonesien gegangen. (zp) KURZ + KRITISCH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 11 D er Online-Handel boomt. Kurier-, Express- und Paketunternehmen (KEP-Branche) konnten 2011 ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 5 % auf 17,8-Mrd.-EUR steigern und damit das Ergebnis des Vorkrisenjahres 2007 noch übertrefen. 2,45- Mrd. Sendungen wurden 2011 abgewickelt; den höchsten Umsatzanteil mit 44 % (7,8- Mrd.- EUR) erzielten die Paketdienste, gefolgt vom Expressgeschäft mit 22 % (3,85- Mrd.- EUR). Beim Produktenanteil rangieren die Pakete mit 80 % (1,16-Mrd. Sendungen) dominant vor den Express- und Kurierleistungen. Wichtige Segmente des Handels beabsichtigen, das internetbasierte Online-Geschäft mit Endkunden und damit auch den Paketversand in Zukunft erheblich zu steigern, um dem Trend im Einkaufsverhalten im Konsumsektor entsprechen zu können. Neben Büchern, Elektro- und Textilartikeln laufen verstärkt Versuche, auch Teile des Lebensmittelverkaufs über Online-Bestellungen durch Hauszustellung attraktiv für den Besteller zu gestalten. Aufgrund des erwarteten internetbasierten Paketbooms investiert die Deutsche Bundespost für ihre Tochter DHL nahe Frankfurt/ Main 750- Mio.- EUR in das zukünftig größte deutsche Paketzentrum. Auf der anderen Seite leidet zunehmend der stationäre Handel. Davon zeugen Umsatzrückgänge und Ladenschließungen, insbesondere feststellbar im Buch- und Textileinzelhandel. Die Attraktivität der Innenstädte sinkt. Sie werden von zwei Seiten bedrängt: den großen peripheren Einkaufszentren und zusätzlich durch den Online-Handel. Innenstädte mittlerer Größe leiden und drohen sukzessive zu veröden. Hinzu tritt eine gravierende logistische und transportspeziische Problematik. Individuelles Einkaufen der Endverbraucher im stationären Handel mit Eigentransport der Waren wird im Online-Geschäftsmodell durch gewerbliche Transportleistungen ersetzt. Dies erfreut die KEP-Industrie und ist Grundlage ihrer sehr positiven Zukunftserwartungen. Nicht berücksichtigt werden dabei jedoch die erheblichen Negativefekte wirtschaftlicher und sozialer, aber auch ökologischer Art. B2C-Transportleistungen zeichnen sich, im Unterschied zu B2B- Transporten, durch hohe Quoten des Nichtantrefens der Empfänger mit dem Erfordernis von Zweit- und Drittzustellungsversu- »Es besteht kein Grund zum Jubel über die prognostizierte Entwicklung im Online-Handel und das damit verbundene Wachstum des Paketaukommens.« Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche »Online-Handel: Beispiel für Problemverdrängung« chen aus. Ebenfalls sehr hoch ist die Retourenquote, die etwa bei Textilien 50 % erreicht und zusätzliche Transporte verlangt. Die Zustellfahrzeuge müssen in den Städten mangels Parkmöglichkeiten häuig in der zweiten Reihe halten und verstärken hierdurch die Stausituationen. Mit niedrigen, häuig sogar extrem geringen Fahrerentgelten, die teilweise auch auf Basis der erfolgreich (! ) ausgelieferten Pakete bemessen werden, und sehr engen vorgegebenen Zeitfenstern sind die Fahrer faktisch zu Geschwindigkeitsübertretungen gezwungen. Dies verdeutlicht sich auch auf den Autobahnen und in gefährlichen Fahrmanövern, wie etwa Überholvorgängen in Baustellen trotz Überholverboten bei Fahrstreifenbreiten von nur 2,00 bzw. 2,10 m. Fakt ist, dass die dem Online-Kunden in Rechnung gestellten Zustellentgelte bis zu 50 % unter den tatsächlichen Kosten liegen. Diese Subventionierung der Zustellungen im B2C-Segment ist wesentlich mitverantwortlich für die sozialen Missstände in weiten Teilen der KEP-Industrie und die hohen externen Kosten zulasten der Gesellschaft. Der Online-Handel wird künstlich forciert. Es besteht daher kein Grund zum Jubel über die prognostizierte Entwicklung im Online-Handel und das damit verbundene Wachstum des Paketaukommens. Allerdings ist es für die Politik und große Teile der Wirtschaft ofensichtlich nicht opportun, die dunkle Kehrseite des angeblichen Online-Fortschritts im Konsumentenhandel bewusst und entscheidungsrelevant zur Kenntnis zu nehmen. POLITIK Umwelt Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 12 Der neue Standard EN 16258 Bislang fehlen in allen Normen und Standards konkrete Regelungen, wie die Klimaauswirkungen speziell von Transporten bilanziert werden sollen. Die neue europäische Norm-EN-16258 „Methode zur Berechnung und Deklaration des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen (Güter- und Personenverkehr)“ soll dies nun ändern und macht den Unternehmen der Transportbranche wie Fluggesellschaften, Bahnunternehmen, ÖPNV-Betrieben oder Firmen der Logistik- und Speditionsbranche entsprechende Vorgaben. Z war schreiben die ISO- Norm- 14064-1 und die „Corporate Accounting and Reporting Standards“ des Greenhouse Gas (GHG)-Protocol bereits heute vor, wie Klimabilanzen von Unternehmen - sogenannte Corporate Carbon Footprints - erstellt werden müssen [1]. Für die Klimabilanzen von Produkten deinieren der in Großbritannien entwickelte „PAS- 2050“ oder der „Product Life Cycle Accounting and Reporting Standard“ des GHG-Protocol klare Anforderungen, und für solche Product Carbon Footprints wird zudem Mitte 2013 die ISO-Norm-14067 als weiterer Standard zur Verfügung stehen [2]. Jedoch fehlen in all diesen Normen und Standards konkrete Regelungen, wie die Klimaauswirkungen speziell von Transporten bilanziert werden sollen. Deshalb stellte Frankreich im Jahr- 2008 einen Normungsantrag beim European Committee for Standardisation (CEN). Bereits damals beabsichtigte Frankreich, die Transporteure gesetzlich dazu zu verplichten, ihren Kunden die transportbedingten CO 2 -Emissionen auszuweisen. Allerdings war unklar, nach welcher Methode die Emissionen ermittelt werden sollten. In der Zwischenzeit sind die Arbeiten an der neuen europäischen Norm abgeschlossen. Die Norm, die Anfang-2013 vom Deutschen Institut für Normung als DIN-EN-16258 veröfentlicht wird [3], beschreibt die Methodik zur Berechnung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen von Transportdienstleistungen, deiniert hierzu Systemgrenzen und gibt Empfehlungen, welche Daten für die Berechnung verwendet werden können. Zudem macht sie Vorgaben für die Deklaration der Ergebnisse. Adressaten und Systemgrenzen Die Norm richtet sich an Unternehmen, die Transportdienstleistungen anbieten oder organisieren, sowie deren Kunden. Die Anwendung der Norm ist freiwillig. Es ist jedoch davon auszugehen, dass vor allem Logistiker und Spediteure, da von ihren Kunden eingefordert, zukünftig den neuen Standard anwenden werden. Die Norm fokussiert in der bisherigen Form ausschließlich auf Transportdienstleistungen, d. h. auf Transporte von Personen und Waren unabhängig davon, ob diese Transporte selbst oder von Dritten (sog. Subdienstleistern) durchgeführt werden. Der Umschlag von Gütern oder auch der Energieverbrauch von Flughäfen oder Bahnhöfen werden in der vorliegenden Version des Standards nicht erfasst. Auch die Herstellung der Fahrzeuge oder der Verkehrsinfrastruktur bleiben durch die Norm bisher unberücksichtigt (Tabelle- 1). Zukünftige Ausgaben des Standards sollen zumindest den Umschlag von Waren einschließen. Bis dahin können die Treibhausgasemissionen dieser nicht erfassten Bereiche bilanziert werden, müssen aber getrennt von den „normkonform“ berechneten Ergebnissen der Transporte dargestellt werden. Die dazu verwendeten Methoden sollen transparent beschrieben werden. Wer die Norm zukünftig anwendet, muss nicht nur die Treibhausgasemissionen der Transporte, sondern auch den damit verbundenen Energieverbrauch normiert in Joule ausweisen. Die Treibhausgasemissionen müssen außer CO 2 auch die anderen im Kyoto-Protokoll aufgeführten, klimawirksamen Emissionen wie z. B. Methan oder Lachgas berücksichtigen. Neben dem direkten Energieverbrauch des Fahrzeugs und den direkten verbrennungsbedingten Emissionen (als „Tank-to-Wheel“ bezeichnet, kurz: TTW) müssen auch Energieverbrauch und Emissionen bei der Kraftstof- oder Stromproduktion berücksichtigt werden („Well-to-Wheel“, kurz: WTW). Dies ist notwendig, um die Klimawirksamkeit von elektrisch angetriebenen Verkehrsmitteln oder Biokraftstofen richtig darzustellen. Vorgehensweise Sofern Kraftstof- oder Stromverbrauch der Transportdienstleistung bekannt sind, ist die Berechnung des normierten Energieverbrauchs in Joule und der Treibhausgasemissionen in kg als TTW- und WTW-Werte mit Hilfe der Norm leicht möglich. Sie liefert die passenden Umrechnungsfaktoren pro Liter oder kg Kraftstof, die auf aktuellen europäischen und internationalen Quellen basieren (Tabelle- 2). Für Strom enthält die Richtlinie keine konkreten Umrechnungsfaktoren, da diese vom Lieferanten Die Autoren: Martin Schmied, Philipp Wüthrich Tab. 1: Systemgrenzen der europäischen Norm EN 16258 Enthaltene Prozesse Nicht enthaltene Prozesse • alle Transporte unabhängig davon, ob es sich um eigene Transporte oder um Transporte von Subdienstleistern handelt • Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen (alle sechs Kyoto-Gase) • Tank-to-Wheel und Well-to-Wheel (also inkl. Herstellung von Kraftstofen und Strom) • Energieverbrauch und Emissionen von Lagern, Büros und Umschlagseinrichtungen • Hilfsmittel für Handling und Umschlag • Herstellung, Unterhalt und Entsorgung von Fahrzeugen und Verkehrsinfrastrukturen • Kältemittelverluste • mögliche höhere Klimawirkung des Luftverkehrs Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 13 oder vom Bezugsnetz abhängen. Vorgabe ist, dass der gesamte Herstellungsprozess − Gewinnung der Energieträger, deren Transport in die Kraftwerke, deren Umwandlung in Strom und die Netzverluste − einbezogen werden muss. Um Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen einer Transportdienstleistung zu bestimmen, müssen die Verbrauchswerte (Kraftstof, Strom) getrennt für jede Teilstrecke ermittelt werden, auf der kein Fahrzeug- oder Verkehrsmittelwechsel stattindet. Dabei ist es nicht ausreichend, die Energieverbräuche nur für den Streckenabschnitt zu ermitteln, auf dem die betrachtete Person oder Sendung unterwegs ist. Nach der Norm muss der Energieverbrauch für den gesamten Fahrzeugumlauf (in der Norm als Fahrzeugeinsatzsystem bzw. Vehicle Operation System bezeichnet), einschließlich Leerfahrten, ermittelt werden. Hierzu lässt die Norm vier Möglichkeiten zu (Abbildung 1): • individuelle Messung • Messung als Durchschnitt für die konkret eingesetzten Fahrzeugtypen oder für die betrachtete Route (als „Speziischer Wert des Transportdienstleisters“ bezeichnet), • Messungen als Durchschnitt für die Fahrzeuglotte des Transportdienstleisters („Flottenwert des Transportdienstleisters“), • Verwendung von Vorgabewerten (sogenannte Default-Werte). Die Norm bevorzugt explizit individuelle Messungen, die konkret für das Fahrzeugeinsatzsystem durchgeführt werden, mit dem die betrachtete Person oder Sendung transportiert wurde. Die speziischen Werte oder Flottenwerte des Transportdienstleisters müssen repräsentativ für die betrachtete Transportdienstleistung sein, können aber als Mittelwert über einen längeren Messzeitraum (z. B. Jahr) ermittelt werden. Vorgabewerte - z. B. Standard-Dieselverbräuche für einen 40 t-Sattelzug bei gegebener Auslastung - sollten als letztes Mittel verwendet werden, wenn keine gemessenen Werte vorliegen. Die Norm führt hierzu im Anhang mögliche Quellen auf (z. B. Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs 1 oder EcoTransIT 2 ). Liegt schließlich der Energieverbrauch für das Fahrzeugeinsatzsystem vor, muss er auf die einzelnen Passagiere und Sendungen aufgeteilt werden. Für diesen Schritt, der als Allokation bezeichnet wird, empiehlt die Norm die Kenngrößen Personenkilometer und Tonnenkilometer, erlaubt aber auch andere Angaben (z. B. Anzahl Sendungen oder Paletten-Kilometer beim Güterverkehr). Die so für jede Teilstrecke ermittelten Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen müssen dann abschließend wieder zum Gesamtwert für die Transportdienstleistung aufsummiert werden (Abbildung 2). Deklaration und Zertiizierung Dem Kunden von Transportdienstleistungen müssen laut Norm in einer Deklaration immer alle vier berechneten Werte (TTW- und WTW-Energieverbrauch sowie TTW und WTW-Treibhausgasemissionen) sowie die verwendete Methodik kommuniziert werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, auf einem Fahrschein oder einer Rechnung nur die WTW-Treibhausgasemissionen aus- Normierter Energieverbrauch Treibhausgasemissionen (berechnet als CO 2 -Äquivalente) Tank-to-Wheel Well-to-Wheel Tank-to-Wheel Well-to-Wheel MJ/ kg MJ/ l MJ/ kg MJ/ l kgCO 2 e/ kg kgCO 2 e/ l kgCO 2 e/ kg kgCO 2 e/ l Benzin 43,2 32,2 50,5 37,7 3,25 2,42 3,86 2,88 Ethanol 26,8 21,3 65,7 52,1 0,00 0,00 1,56 1,24 Diesel 43,1 35,9 51,3 42,7 3,21 2,67 3,90 3,24 Biodiesel 36,8 32,8 76,9 68,5 0,00 0,00 2,16 1,92 Erdgas (CNG) 45,1 x 50,5 x 2,68 x 3,07 x Flüssiggas (LPG) 46,0 25,3 51,5 28,3 3,10 1,70 3,46 1,90 Flugbenzin 44,3 35,4 51,8 41,5 3,13 2,50 3,76 3,01 Kerosin 44,1 35,3 52,5 42,0 3,18 2,54 3,88 3,10 Schweröl (HFO) 40,5 39,3 44,1 42,7 3,15 3,05 3,41 3,31 Marine Diesel Oil (MDO) 43,0 38,7 51,2 46,1 3,24 2,92 3,92 3,53 Marine Gas Oil (MGO) 43,0 38,3 51,2 45,5 3,24 2,88 3,92 3,49 Tab. 2: Umrechnungsfaktoren für standardisierten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen nach der Norm EN 16258 Abb. 1: Die vier Möglichkeiten der Norm zur Ermittlung des Energieverbrauchs für den gesamten Fahrzeugumlauf POLITIK Umwelt Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 14 zuweisen. Dann müssen die anderen Werte und methodische Hinweise z. B. auf einer Internetseite zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich müssen alle Abweichungen von Empfehlungen der Norm, die zur Allokation genutzten Größen (z. B. Anzahl Sendungen oder Tonnenkilometer) sowie alle verwendeten Default-Werte und deren Quellen zusammen mit den Ergebnissen mitgeteilt werden. Damit trägt die Norm nicht nur zur Vereinheitlichung der Berechnungsmethode bei, sondern führt zu einer transparenten Darstellung der Vorgehensweise. Eine Zertiizierung der Berechnungen sieht die Norm übrigens nicht vor. Unternehmen können ihre Berechnung freiwillig zertiizieren lassen, müssen dann aber die Regelungen der DIN- EN- 45011 (zukünftig die DIN-EN-ISO/ IEC-17065) einhalten, die Zertiizierung darf also nur durch akkreditierte Zertiizierer erfolgen. Die französische CO 2 -Verordnung In der Zwischenzeit wurde auch die französische Verordnung Nr.- 2011-1336 zur „Information über die Menge der Kohlendioxidemissionen einer Beförderungsleistung“ veröfentlicht. Sie schreibt vor, dass bis spätestens 31.12.2013 CO 2 -Werte von kommerziell durchgeführten Personen- und Gütertransporten, die einen Start- oder Zielpunkt in Frankreich haben, dem Kunden ausgewiesen werden müssen. Methodisch entspricht die Verordnung grundsätzlich dem europäischen Standard. Es gibt aber auch deutliche Unterschiede zur Norm. Philipp Wüthrich Senior Projektleiter der INFRAS AG in Bern, Schweizer Vertreter beim CEN-Arbeitsausschuss philipp.wuethrich@infras.ch Martin Schmied Bereichsleiter Umwelt und Verkehr der INFRAS AG in Bern Obmann des DIN-Arbeitsausschusses zur Norm EN 16258 martin.schmied@infras.ch LITERATUR [1] Kranke, A.; Schmied, M.; Schön, A.: CO2-Berechnung in der Logistik: Datenquellen, Formeln, Standards. München: Verlag Heinrich Vogel, 2011 [2] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Bundesverband der Deutschen Industrie: Produktbezogene Klimaschutzstrategien: Product Carbon Footprint verstehen und nutzen. Berlin: 2010 [3] Beuth Verlag: DIN EN 16258. Methode zur Berechnung und Deklaration des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen (Güter- und Personenverkehr). Berlin: Februar 2013 (geplanter Erscheinungstermin) [4] Deutscher Speditions- und Logistikverband: Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik: Begriffe, Methoden, Beispiele / Schmied, M.; Knörr, W. Köln: 2011 So müssen nach der französischen Verordnung ausschließlich CO 2 -Emissionen ermittelt und dem Kunden ausgewiesen werden. Die CO 2 -Umrechnungsfaktoren pro Liter oder kg Kraftstof müssen einem Erlass des französischen Verkehrsministeriums entnommen werden. Diese Umrechnungsfaktoren basieren auf französischen Quellen und entsprechen nicht denen der Norm EN 16258. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist: Der französische Erlass schreibt vor, welche Default-Werte für den speziischen Energieverbrauch pro Fahrzeug-, Bahn- oder Schifskilometer zu verwenden sind. Die europäische Norm EN- 16258 hat sich bewusst gegen die Vorgabe strikter Werte entschieden. Insbesondere beim Güterverkehr gibt es zu viele betriebliche Situationen, die mit solchen Werten kaum korrekt berechnet werden können. Ausblick Die neue europäische Norm EN- 16258 ermöglicht es Unternehmen erstmals, Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen von Transporten nach einer europaweit einheitlichen Methode zu berechnen. Deklarationen in Übereinstimmung mit der Norm werden zudem dazu beitragen, dass Kunden der Transporte die Berechnungen besser nachvollziehen können. Nationale Regelungen, wie sie Frankreich derzeit umsetzt, sind dabei wenig zielführend. Gerade bei Gütertransporten in einer globalisierten Welt machen sie wenig Sinn. Es wäre vielmehr zu begrüßen, wenn die europäische Norm EN- 16258 als Vorlage für eine internationale ISO-Norm dienen könnte. Standardisierte Treibhausgasberechnungen werden oft gefordert, um Transportdienstleistungen unter ökologischen Gesichtspunkten besser vergleichen zu können. Dies wird aber auch zukünftig trotz Norm nur dann möglich sein, wenn es sich um Transporte mit exakt gleichen Rahmenbedingungen handelt. Weniger wird gesehen, dass die Norm EN- 16258 den Transportunternehmen selbst helfen wird, eine verlässliche Zahlenbasis für ihre Klimaschutzstrategien zu erheben. Denn es gilt: “What you cannot measure you cannot manage.” Hilfestellung für die normkonforme Berechnung inden Logistiker im Leitfaden „Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik“, den der Deutsche Speditions- und Logistikverband mit inanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Umweltbundesamtes herausgegeben hat [4]. 3 Für ÖPNV-Unternehmen wird in Kürze das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung einen entsprechenden Leitfaden veröfentlichen. ■ 1 Siehe www.hbefa.net. 2 Siehe www.ecotransit.org. 3 Siehe www.spediteure.de/ de/ site/ 1575/ / n64/ page/ n64/ index.xml. Aktuell wird der Leitfaden an die endgültige Fassung der Norm EN 16258 angepasst. Abb. 2: Vorgehensweise zur Ermittlung der Energieverbräuche Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 16 Fachkräfte fehlen, bessere Bedingungen auch Fachkräftemangel in der Verkehrsbranche - das lässt sich so pauschal nicht sagen. Einerseits sind die hier vertretenen Berufe äußerst vielfältig und reichen von kaufmännischen Mitarbeitern über Arbeiter, Fahrer und Ingenieure bis zu Wissenschaftlern diverser Disziplinen. Andererseits gibt es sowohl regionale als auch verkehrsträger- und fachspeziische Unterschiede, etwa bei Ingenieuren. D er demograische Wandel soll dazu führen, dass der deutschen Wirtschaft im Jahr- 2025 bis zu 6- Mio.- Menschen im erwerbsfähigen Alter fehlen. Entsprechend kümmern sich diverse Bundesministerien darum, dem Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig eine ausreichende Fachkräftebasis zu sichern. Ebenso sind die Unternehmen aktiv, um auch künftig Stellen und Ausbildungsplätze besetzen zu können. Die politische Seite unterstützt Maßnahmen, die die Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren erhöhen, arbeitslose Menschen qualiizieren, die Abbrecherquoten bei Schülern, Auszubildenden und Studenten senken sowie die Zuwanderung qualiizierter Arbeitnehmer aus dem Ausland ankurbeln. Ein Großteil der deutschen Unternehmen konnte im Jahr-2011 seinen Fachkräftebedarf noch vollständig decken. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nach einer repräsentativen Befragung von 16 000 Betrieben. Viele Firmen stellten sich jedoch auf einen erwarteten Fachkräfteengpass ein. Jeder vierte Betrieb will laut Umfrage ältere Beschäftigte länger halten. Mehr als zwei Drittel der Ausbildungsabsolventen wurden 2011 übernommen. Auf 53 Prozent gestiegen ist der Anteil der Unternehmen, die ausbilden. Gestiegen ist ebenfalls der Anteil der Mitarbeiter, die sich weiterbilden. Dazu gehören auch immer mehr ältere Arbeitnehmer. Laut der Studie „Fachkräftemangel- 2012“ der Manpower Group Deutschland haben dagegen aktuell 42 % der deutschen Unternehmen Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Fachkräften. Das hat der Personalberater Ende Mai bekannt gegeben. Für Deutschland wurden 1007 Unternehmen quer durch alle Branchen befragt. Die Autorin: Kerstin Zapp POLITIK Fachkräftemangel Foto: Gregor Schläger/ Lufthansa Technik AG Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 17 Logistik bleibt auf Rekordniveau - Umsatz und Arbeitsplätze in Deutschland (Quelle: BVL) Was gilt für die Verkehrsbranche? Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) hat im Herbst den vierten Turnusbericht zur Arbeitsmarktsituation und zu den Arbeitsbedingungen in Güterverkehr und Logistik im Jahr- 2011 vorgestellt. Die Vernetzung der globalen Handels- und Verkehrsströme habe in den vergangenen Jahren zu einer steigenden Nachfrage nach Speditions-, Transport- und Logistikdienstleistungen geführt, so der Bericht. In der Folge hätten sich in weiten Teilen der Branche ein wachsender Personalbedarf und eine insgesamt erhöhte Nachfrage nach qualiizierten Arbeitskräften gezeigt. In einigen Bereichen der Verkehrsbranche bereite den Unternehmen die Deckung des Fachkräftebedarfs und der Stellenbesetzungen zunehmend Schwierigkeiten. Im Schienengüterverkehr könnte das Personal in den kommenden Jahren zu einem limitierenden Faktor für Wachstum werden, so der BAG-Bericht. Hier sind besonders Lokführer zu nennen. Ebenso wie LKW-Fahrer klagen sie über schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Bei den Fahrern kommt hinzu, dass das Image des Berufs mäßig ist, so Dirk Lohre, Professor für Verkehrslogistik und logistische Dienstleistungen an der Hochschule Heilbronn. „Dass die Fahrer ein besseres Image beinahe genauso hoch bewerten wie eine angemessene Vergütung, hat uns auch überrascht“, sagte er mit Blick auf eine von ihm geleitete Studie. Doch auch andere Mitarbeitergruppen in Verkehr und Logistik klagen, obwohl die Zukunft des Wirtschaftsbereichs Logistik laut Bundesvereinigung Logistik (BVL) vielversprechend ist. Entsprechend liegt „eine nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen im existenziellen Interesse der Branche“, wie Prof. Dr. Gerd Aberle in Ausgabe 5/ 12 von „Internationales Verkehrswesen“ formulierte. Aberle spricht ebenfalls ein weiteres Problem an: eine ungünstige öfentliche Einschätzung der Branche sowie Negativberichte in den Medien und Negativdarstellungen des Speditionsgewerbes in Krimis. Dagegen steht, dass 2011 in Deutschland ein Rekordjahr der Logistik war. Der Umsatz stieg nach BVL- Angaben auf 222- Mrd.- EUR, plus 5,5 Prozent gegenüber 2010. Für 2012 erwartet die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services, die das statistische Basiswerk für den Wirtschaftsbereich Logistik erstellt, ein Umsatzwachstum von minus 1 bis plus 2 Prozent. Die Zahl der Arbeitsplätze, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen ist, soll laut BVL von gut 2,8- Millionen in 2011 nochmals um rund 50 000 steigen. Etwa ein Drittel der Ausbildungsplätze in Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit waren laut Bundesagentur für Arbeit (BA) zum Ausbildungsbeginn 1.- August- 2012 noch ofen. Das entsprach 10 313 ofenen Lehrstellen. Allein in der Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammern (IHK) gab es noch rund 960 Stellenangebote im Transport- und Logistiksegment, wobei die kaufmännischen Berufe nach Angaben der BA am besten zu besetzen sind. Große Logistiker hätten zudem keine Probleme, Auszubildende zu inden, und zum Teil die Zahl ihrer Lehrstellen aufgestockt. Als Ursache für die unbesetzten Plätze gibt die BA schrumpfende Schülerzahlen an. Verkehrsträgerspeziische Besonderheiten Auch IT-Spezialisten und Ingenieure sind erforderlich, um die Unternehmen der Branche am Laufen zu halten. Noch mehr Ingenieure brauchen die Zulieferer und Fahrzeughersteller - ob LKW, Bus, Bahn, Schif oder Flugzeug. Ebenso sind die Infrastrukturbauer und -instandhalter auf Ingenieure diverser Sparten angewiesen. Entsprechend laut tönen die Klagen des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), des Verbands Deutscher Ingenieure (VDI) und von berufsspeziischen Ingenieurverbänden wie dem Verband Deutscher Eisenbahn-Ingenieure (VDEI). Fachkräftelücken von mehr als 100 000 Ingenieuren werden angeführt - und von anderer Stelle wieder in Frage gestellt. Und nicht nur das: Andere sprechen von lautem Geschrei, um aus noch mehr Bewerbern nur die allerbesten auswählen und zudem das Gehaltsniveau drücken zu können. Grundsätzlich gilt, dass Statistiken wie so oft Interpretationssache sind. Schon die Fragen, aus welchen Bereichen die ofenen Stellen einbezogen oder welche Faktoren für die tatsächliche Berechnung der Zahl ofener Stellen zugrunde gelegt werden, lassen Spielraum. Hinzu kommen 20 000 arbeitslose Ingenieure und eine Gehaltsentwicklung, die nicht für eine Knappheit spricht: Laut Untersuchung der Personalberatung Kienbaum bekamen Ingenieure im Jahr-2011 2,9 % mehr Geld als 2010 - das VDV-Zahlen Die mehr als 350 deutschen Personenverkehrsbetreiber im Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beschäftigen 130 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ÖPNV und weitere 106 000 im SPNV. Davon sind laut VDV im ÖPNV fast 60 000 Arbeitnehmer in der Personenbeförderung mit Bus und Bahn tätig, rund 33 000 sorgen für die tägliche Instandhaltung von Bussen, Bahnen und der dazugehörigen Infrastruktur (Gleise, Schienen, Fahrleitungen, Betriebshöfe usw.). Mehr als 24 000 Menschen arbeiten in Kundenbetreuung, Marketing und kaufmännischen sowie betrieblichen Managementfunktionen. Etwa 4100 Auszubildende sind gemeldet. Besonders Busfahrer - erfahrene ebenso wie Ausbildungsanwärter - sind schwer zu inden. Von 2009 bis 2015 will die Branche insgesamt 32 000 neue Mitarbeiter einstellen. Grund: 36 % der Beschäftigten sind älter als 50 Jahre und werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Der Frauenanteil in den Unternehmen soll ebenfalls steigen, in Führungspositionen beispielsweise von derzeit 5 auf 11 %. ÖPNV UND SPNV POLITIK Fachkräftemangel Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 18 Ergebnis eines Boomjahrs. Darüber hinaus führt Karl Brenke, Referent des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in einer Studie aus, dass es auch im Maschinenbau keinen Grund zur Sorge gebe. Pro Jahr würden in der Wirtschaft nur 9000 Stellen für Maschinenbauer frei, während die Universitäten 22 000 Absolventen ausspuckten. Sicher ist aber, dass die Bahnindustrie schwerer Ingenieure indet als Flugzeug- und PKW-Bauer. Auch sie hat ein angestaubtes Imageproblem. Dabei sind gerade in diesem Bereich die Studienbedingungen sehr gut: wenige Studenten, viele Praxisprojekte mit der Industrie und meist schon vor Abschluss des (Master-) Studiums ein Arbeitsvertrag. Master deshalb, weil der Bachelor dem bisherigen Dipl.-Ing. hinterherhinkt (mehr Informationen zur Karriere in der Bahnbranche: www. eurailpress. de). Davon können andere Ingenieure nur träumen. Viele führt der Weg nach dem Studium in projektbezogene Zeitverträge oder in Zeitarbeitsirmen mit entsprechender Bezahlung. - Und das, nachdem man sich durch die Studienzeit gebissen hat ohne aufzugeben. Studienabbrecher und Auszubildende, die die Prüfungen nicht schafen, sind ein weiteres Problem für die Nachwuchsrekrutierung - ebenso wie junge Menschen, denen Grundlagenkenntnisse in Grammatik, Rechnen oder Mathematik fehlen und die zunächst geschult werden müssen, um ihre Deizite ausgleichen zu können - nicht nur in Brückenkursen an Hochschulen, sondern auch in ausbildungswilligen Unternehmen. In der Schiffahrt wird vor allem ein Mangel an Nachwuchs in nautischen Berufen gemeldet, also jenen, die zur See fahren. Schon heute könnten nicht alle ofenen Stellen besetzt werden, die Negativschlagzeilen etwa über Piratenangrife täten ihr Übriges, so der Verband Deutscher Reeder (VDR). Dabei macht der Handelsschiffahrt besonders die Altersstruktur der derzeitigen Seeleute Sorgen. Anders die Luftfahrtindustrie. Einerseits sind die Ingenieursstellen im Flugzeugbau etwa bei Airbus oder Lufthansa Technik, aber auch bei den diversen Zulieferern, äußerst begehrt. Andererseits fährt die größte deutsche Fluggesellschaft derzeit ein strenges Sparprogramm, das auch den Personalstand betrift. Ende September hatte Lufthansa-Konzernchef Christoph Franz angekündigt, sein Unternehmen werde noch schärfer sparen als bislang vorgesehen. Die Fortschritte des Sparprogramms „Score“, mit dem der Gewinn des Unternehmens bis 2014 um 1,5-Mrd. Euro gesteigert werden soll und das Einsparungen von rund einem Viertel der bisherigen Personalkosten vorsieht, würden in diesem Jahr nicht wie gewünscht „ergebnisverbessernd sichtbar“. Dabei hat das Unternehmen im 3.- Quartal einen Gewinnsprung verzeichnet. Im Mai hatte der Konzern bereits angekündigt, in den nächsten Jahren allein in Deutschland 2500 Verwaltungsjobs einsparen zu wollen - weltweit werden 3500 der knapp 17 000 Stellen in diesem Bereich wegfallen. Insgesamt beschäftigt Lufthansa rund 120 000 Mitarbeiter. Abhilfe Die demograische Entwicklung in Deutschland wird immer wieder angeführt, um einen drohenden Fachkräftemangel plausibel darzustellen. Wie will die Verkehrsbranche Abhilfe schafen? Vor allem durch Versuche, ihr Image in den verschiedenen Sparten etwa auf Messen und durch Informationskampagnen aufzupolieren. Initiativen wie sie kürzlich auf der IAA, der Innotrans und der SMM zu erleben waren oder auf der „transport logistic“ in München üblich sind, sind entsprechende Beispiele. Zudem gibt es diverse Aktionen, die speziell junge Frauen ansprechen sollen, sich für die Berufe der Verkehrsbranche und auch für Ingenieurstudiengänge der so genannten Mint-Fächer (Mint = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu interessieren (weitere Informationen: http: / / www. eurailpress.de/ jobs-karriere/ bahnbranchedaten-fakten-frauen.html). Es arbeiten bisher deutlich weniger Frauen als Männer in Logistikunternehmen. In Führungsjobs und Positionen des mittleren Managements liegt der Frauenanteil noch niedriger als bei der Gesamtbelegschaft. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Fokusgruppenbefragung der Bundesvereinigung Logistik (BVL) unter ausgewählten Unternehmen. Immerhin nehme die Zahl der jungen Akademikerinnen, die sich für ein Logistikstudium entscheiden, zu. Der akademische Nachwuchs - ob Ingenieure, BWLer, männlich oder weiblich - wird jedoch nicht allein weder den aktuell stark steigenden Bedarf noch den langfristigen Bedarf an Fachkräften in der Logistik decken können. Zudem machen die Dynamik und die kontinuierlichen Veränderungen im Tätigkeitsfeld lebenslanges Lernen und berufsbegleitende Weiterbildungen notwendig, nicht nur in der Logistik. ■ Wenige Übernahmezusagen Im letzten Jahr der Ausbildung haben mehr als die Hälfte der Auszubildenden noch keine Übernahmezusage. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ende Juni 2012 veröfentlichte Befragung der DGB-Jugend unter Auszubildenden in sechs Bundesländern im letzten Ausbildungsjahr. Danach gaben nur 43 Prozent der Befragten an, dass sie bereits eine sichere Perspektive im Betrieb über die Ausbildungszeit hinaus haben. 25 % wissen, dass sie nicht übernommen werden. Die, die einen Anschlussvertrag erhalten, werden oft nur zeitlich befristet übernommen (59 % der Azubis mit Übernahmezusage). AUSZUBILDENDE Mehr Mitarbeiter, mehr Frauen Bis Ende 2012 will die Deutsche-Bahn-AG mehr als 300 000 Mitarbeiter beschäftigen. Das gab Ulrich Weber, Personalvorstand des Konzerns, im Oktober bekannt. Ende September seien 299 400 Arbeitnehmer bei der DB AG tätig gewesen, davon 104 100 im Ausland. In den ersten neun Monaten wuchs die Belegschaft unterm Strich um 2200 Menschen. Weber will im Konzern die Vielfalt an Arbeitszeitmodellen erhöhen, damit die Beschäftigten bei steigenden Anforderungen Beruf und Privatleben in den jeweiligen Lebensphasen besser in Einklang bringen könnten. Der Anteil von Frauen im gesamten Unternehmen soll bis 2015 von derzeit 21 auf 25 % wachsen, der Anteil weiblicher Führungskräfte von derzeit knapp 16 auf 20 %. Dazu hat die DB AG mehrere Aktionen gestartet. Eine ausdrückliche Frauenförderung soll es allerdings nicht geben, so Ute Plambeck, Konzernbevollmächtigte für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bei DB-Mobility-Networks-Logistics. Aktuell sind bei der DB in Deutschland (ohne Schenker Logistik und Busgesellschaften) mehr als 33 000 Frauen beschäftigt. DEUTSCHE BAHN Kerstin Zapp (zp) freie Fachjournalistin Redaktionsteam „Internationales Verkehrswesen“, DVV Media Group GmbH, Hamburg kerstin.zapp@dvvmedia.com Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 19 POLITIK Wissenschaft D ie Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr ist eine wesentliche Aufgabe der europäischen und nationalen Verkehrspolitik. Im Jahre 2010 kamen EU-weit rund 30-700 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Alleine in Deutschland beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden durch Unfälle im Straßenverkehr auf über 30- Mrd. EUR jährlich [1]. Die EU-Kommission und die nationalen Regierungen sind daher bestrebt, mit Hilfe eines Bündels an Maßnahmen, die Zahl der Unfallopfer in den nächsten zehn Jahren in starkem Maße zu senken. Um die Auswahl und Wirksamkeit geeigneter Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf deutschen Straßen bestimmen zu können, bedarf es auch eines kontinuierlichen Monitorings von Kenngrößen der Verkehrssicherheit. Europäische und nationale Ziele Zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr wird auf europäischer Ebene das Ziel verfolgt, die Anzahl der getöteten Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr innerhalb von 10-Jahren (2010 - 2020) um 50 % zu senken (vormalige Zielsetzung 2001 - 2010: 50 % Reduktion der Getöteten) [2]. Die Bundesregierung hat in ihrem Verkehrssicherheitsprogramm 2011 eine Reduktion der tödlich verletzten Unfallopfer um 40- % bis 2020 als Ziel veröfentlicht [3]. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 3648 getötete Verkehrsteilnehmer registriert; daraus leitet sich eine weitere Verringerung der tödlich verletzten Unfallopfer um ca. 1460 bis zum Jahr 2020 ab. Wie der Soll-Ist-Vergleich für die letzte Periode von 2001 bis 2010 zeigt (siehe Abbildung- 1), ist eine automatische Zielerreichung nicht garantiert. EU-weit und national wurde das Ziel der Halbierung der Anzahl der im Straßenverkehr tödlich verletzten Unfallopfer nur knapp verfehlt. Eine weitergehende Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit benötigt verlässliche verkehrssicherheitsrelevante Indikatoren. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) führt daher im Rahmen eines Forschungsprojektes regelmäßig ein Monitoring von Kenngrößen der Verkehrssicherheit durch. Im Rahmen dieses Projektes werden die jeweiligen Indikatoren Kenngrößen der Verkehrssicherheit Die Identiikation von Ansatzpunkten für verkehrspolitische Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr bedarf einer verlässlichen Datenbasis. Um nationalen und europäischen Erfordernissen gerecht zu werden, führt die Bundesanstalt für Straßenwesen ein kontinuierliches Monitoring von Kenngrößen der Verkehrssicherheit durch. Die Autoren: Janina Küter, Rita Bartz, Jan-André Bühne Abb. 1: Übersicht über die Anzahl der getöteten Verkehrsteilnehmer in Deutschland sowie den Zielerreichungsgrad im Zeitablauf POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 20 töteten um 50 % zu reduzieren 2 , hätte für Kinder bis 15 Jahre bei 115 Getöteten im Jahr 2010 gelegen. Das Ziel in dieser Altersklasse wurde erreicht, die Anzahl Getöteter lag um 11 besser als der Zielwert. Bei der Gruppe der Fahranfänger und jungen Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren konnte die Anzahl Getöteter sogar um 113 reduziert und somit das Ziel übererfüllt werden. Anders sieht es hingegen bei den Senioren aus, dort wurde das Ziel um 269 verfehlt, was eine genauere Betrachtung dieser Altersklasse nahelegt. Für 2020 hat das neue Verkehrssicherheitsprogramm 2011 für Deutschland das Ziel gesetzt, die Anzahl getöteter Verkehrsteilnehmer um 40 % zu reduzieren, bezogen auf das Basisjahr 2010. Zur Ermittlung von hypothetischen Zielwerten für die einzelnen Jahre (2011 bis 2020) wurde wieder ein exponentieller Rückgang unterstellt, der jährliche Verbesserungen der Getötetenzahlen in den einzelnen Kategorien zugrunde legt. Daraus ergeben sich letztlich Soll-Werte, die in der Tabelle für das Jahr 2011 aufgeführt sind. Bei den unter 15-Jährigen wurde das Soll für 2011 erfüllt, für alle anderen Altersklassen hingegen nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 2011 gegenüber 2010 erstmals der Trend der vorangegangenen 20- Jahre von abnehmenden Getötetenzahlen durchbrochen wurde. Ursächlich dafür sind die sehr unterschiedlichen Witterungsbedingungen in 2010 und 2011 [5]. Die Verringerung der Anzahl der im Straßenverkehr tödlich verletzten Unfallopfer war zudem von 2009 auf 2010 mit 12 % ungewöhnlich hoch, was auch zur Verschlechterung in 2011 beiträgt. Die Entwicklung zeigt, dass die Arbeit im Bereich der Verkehrssicherheit weiterhin konsequent erfolgen muss und weitere Anstrengungen nötig sind. Besonders hoch fällt die Diferenz bei den 25 - 64-Jährigen (273 Abweichung) und bei den Senioren ab 65 Jahre (180 Abweichung) aus. Die deutliche Abweichung der im Straßenverkehr tödlich verletzten Unfallopfer bei den Senioren legt gezielte Maßnahmen für diese Altersgruppe nahe. Im Verkehrssicherheitsprogramm 2011 inden sich entsprechende Maßnahmen für Senioren [3]: vor dem Hintergrund der nationalen und europäischen Zielvorgaben zusammengestellt und analysiert. Durch eine monatliche statistische Analyse der Entwicklung der Unfalldaten können Abweichungen von der Zielgröße erkannt werden und als Grundlage für die Ausrichtung von Maßnahmen der Verkehrssicherheitspolitik dienen. Dafür wird für jede Kenngröße als Zielindikator über 10-Jahre ein exponentieller Trend zwischen dem Basiswert-2010 und dem Ziel-2020 gewählt. Dabei wird eine konstante prozentuale Abnahme unterstellt. Der Zielkurve werden die tatsächlichen getöteten Verkehrsteilnehmer kumuliert über die letzten 12- Monate gegenübergestellt. Die jahreszeitlichen Schwankungen sind dabei in jeder Summe enthalten. Neben dem Monitoring der Gesamtzahl der Getöteten werden weitere Kenngrößen zur Straßenverkehrssicherheit (Zielindikatoren, Ist- Werte und Abweichungen) statistisch aubereitet und analysiert. Dabei werden absolute Zahlen betrachtet. 1 Die zugrundeliegenden Unfalldaten werden dabei nach unterschiedlichen Gesichtspunkten (Alter, Verkehrsbeteiligung, Ortslage, Unfallursachen und -typen) diferenziert. Im Folgenden werden exemplarisch für die Zielgröße „Entwicklung der Getöteten im Straßenverkehr“ absolute einzelne Indikatoren detaillierter vorgestellt. Kenngrößen der Verkehrssicherheit in Deutschland Um genauere Ansatzpunkte für notwendige Maßnahmen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit zu identiizieren, sind neben Kenntnissen der Gesamtanzahl der Getöteten genauere Informationen nötig, beispielsweise ob es deutliche Unterschiede bei verschiedenen Altersklassen gibt, die speziische Maßnahmen begründen können. Tabelle- 1 gibt die Anzahl getöteter Verkehrsteilnehmer nach Altersgruppen wieder. Für den Zeitraum bis 2010 fehlen nationale Reduktionsziele wie im neuen Verkehrssicherheitsprogramm 2011. Als analytisches Hilfsmittel werden daher nachfolgend die europäischen Zielvorgaben national angewendet. Das aus dem EU-Ziel 2010 abgeleitete Ziel, die Anzahl der Ge- - EU Zielvorgabe -50 % 2010 D Zielvorgabe -40 % 2011 Basiswert 2001 [n] Ziel 2010 [n] Ist [n] Abweichung Soll-Ist [n] Basiswert 2010 [n] Ziel 2020 [n] Soll [n] Ist [n] Abweichung Soll-Ist [n] unter 15 231 115 104 - 11 104 62 99 86 - 13 15 - 17 286 143 101 - 42 101 61 96 116 + 20 18 - 24 1606 803 690 - 113 690 414 656 737 + 81 25 - 64 3571 1786 1842 + 56 1842 1106 1752 2025 + 273 65 und mehr 1283 641 910 + 269 910 546 864 1044 + 180 Eigene Berechnungen auf Basis von [4] Tab. 1: Entwicklung der Anzahl getöteter Verkehrsteilnehmer nach Altersgruppen (Zielvorgabe 2010 und 2020) Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 21 POLITIK Wissenschaft Fahrradnutzern im Verkehrssicherheitsprogramm 2011 umfassen beispielsweise folgende Aspekte: • Förderung des Tragens von Radhelmen, • Verbesserung der Sichtbarkeit von Fahrradfahrern, • Neugestaltung von Radverkehrsanlagen an gefährlichen Punkten. Eine weitere Kenngröße der Verkehrssicherheit stellt die Entwicklung der Anzahl an tödlich verletzten Unfallopfern je nach Ortslage dar. Wie aus Tabelle-3 ersichtlich wird, ist der Soll-Ist-Ver- • Werbung für freiwillige Gesundheitschecks, • Erweiterung der Angebote zur verkehrsmedizinischen Beratung älterer Verkehrsteilnehmer, • Maßnahmen im Bereich der Fahrzeugtechnik 3 zur Nutzung der Potenziale von Fahrerassistenzsystemen für Senioren. Neben altersgruppenspeziischen Entwicklungen ist für die Identiikation von geeigneten Maßnahmen zur Reduktion der Anzahl der im Straßenverkehr tödlich verletzten Unfallopfer eine Betrachtung der Art der Verkehrsbeteiligung angezeigt. Tabelle-2 diferenziert insbesondere zwischen Motorrad, Fahrrad, Fußgänger und Pkw und vergleicht die tatsächlichen Zahlen von 2010 mit dem EU-Ziel (-50 % bezogen auf das Basisjahr 2001). Positiv fällt auf, dass der hypothetische Zielwert bei den Pkw-Nutzern für 2010 um 171 Getötete übererfüllt wurde, d. h. eine überproportionale deutliche Reduktion der Anzahl der im Straßenverkehr tödlich verletzten Unfallopfer stattfand. Nicht ganz wurde das Ziel bei den Fußgängern erreicht. Eine größere Diferenz besteht bei den Fahrradnutzern (64) und am höchsten ist die Abweichung bei den Motorradnutzern, wo das Ziel um 153 tödlich verletzte Unfallopfer verfehlt wurde. Die Ergebnisse legen nahe, dass insbesondere bei Fußgängern, Fahrradfahrern, Motorradfahrern und Mitfahrern angesetzt werden sollte. Dies spiegelt sich auch im Verkehrssicherheitsprogramm 2011 wider. Bestimmte Maßnahmen sollen hier gezielt dazu beitragen, die Verkehrssicherheit dieser Gruppen zu erhöhen und somit auch die Anzahl der im Straßenverkehr tödlich verletzten Unfallopfer zu senken. 4 Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von EU Zielvorgabe -50 % 2010 Basiswert 2001 [n] Ziel 2010 [n] Ist [n] Abweichung Soll-Ist [n] Mofa/ Moped 138 69 74 + 5 Motorrad 15 bis 17 18 bis 24 25 bis 64 65 und älter 964 59 187 700 15 482 29 93 3527 635 27 103 465 39 + 153 - 2 + 10 + 113 + 32 Fahrrad unter 15 15 bis 17 18 bis 24 25 bis 64 65 und älter 635 53 30 19 268 265 317 26 15 9 133 134 381 209 12 143 197 + 64 - 6 - 6 + 3 + 10 + 63 Fußgänger unter 15 15 bis 17 18 bis 24 25 bis 64 65 und älter 900 72 24 47 325 432 450 36 12 23 162 217 476 28 9 40 171 227 + 26 - 8 - 3 + 17 + 9 + 10 Pkw unter 15 15 bis 17 18 bis 24 25 bis 64 65 und älter 4.023 93 147 1.303 1.974 506 2.011 46 73 652 987 253 1.840 49 39 508 851 393 - 171 + 3 - 34 - 144 - 136 + 140 Eigene Berechnungen auf Basis von [4] Tab. 2: Entwicklung der Anzahl getöteter Verkehrsteilnehmer nach Art der Verkehrsbeteiligung EU Zielvorgabe -50 % 2010 D Zielvorgabe - 40 % 2011 Basiswert 2001 [n] Ziel 2010 [n] Ist [n] Abweichung Soll-Ist [n] Basiswert 2010 [n] Ziel 2010 [n] Soll [n] Ist [n] Abweichung Soll-Ist [n] Insgesamt 6977 3488 3648 + 160 3648 2189 3466 4009 + 543 Autobahn 770 385 430 + 45 430 258 409 453 + 44 Außerorts (ohne BAB) 4481 2240 2207 - 33 2207 1324 2097 2441 + 344 Bundesstraßen 1718 859 829 - 30 829 497 788 958 + 170 Landstraßen 1682 841 839 - 2 839 503 797 869 + 72 Kreisstraßen 792 396 391 - 5 391 234 372 447 + 75 Andere Straßen 289 145 148 + 4 148 89 139 164 + 25 Innerorts 1726 863 1011 + 148 1011 607 961 1115 + 154 Bundesstraßen 410 205 185 - 20 185 111 176 193 + 17 Landstraßen 390 195 259 + 64 259 155 246 274 + 28 Kreisstraßen 178 89 96 + 7 96 58 91 97 + 6 Andere Straßen 748 374 471 + 97 471 283 448 547 + 99 Tab. 3: Entwicklung der Anzahl getöteter Verkehrsteilnehmer nach Ortslage POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 22 • motorradfreundliche Schutzeinrichtungen, • zusätzliche Überholfahrstreifen, • Einsatz von Geschwindigkeitsüberwachung an Unfallbrennpunkten. Fazit Im Zeitraum von 2001 bis 2010 konnte die Sicherheit im Straßenverkehr in erheblichem Maße gesteigert werden. Um das Ziel 2020, - eine weitere Reduktion der Anzahl tödlich verletzter Unfallopfer um 40 % - zu erreichen, sind in den nächsten Jahren weitere Anstrengungen nötig, wie im neuen Verkehrssicherheitsprogramm dargestellt wird. Ein Monitoring von Verkehrssicherheitskennzahlen nach Größen wie Alter, Art der Verkehrsbeteiligung, Ortslage etc. trägt dazu bei, kritische Handlungsfelder identiizieren zu können. ■ 1 Eine weitergehende Analyse relativer Kenngrößen, welche u. a. die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen, wird im Rahmen des Forschungsprojektes durchgeführt. 2 Bezogen auf den Ausgangswert 2001 wird für alle Altersklassen einheitlich das Reduktionsziel von -50 % unterstellt. 3 die aktive Sicherheit betrefend 4 Erfolgte Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, speziell für schwächere Verkehrsteilnehmer, zu denen u. a. Fußgänger und Radfahrer zählen, sind in dem alle zwei Jahre herausgegebenem Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr zu inden [6]. gleich für den ersten Zeitraum 2001 bis 2010 insbesondere auf den Straßen außerorts ohne Autobahnen positiv verlaufen. Hier konnten in fast allen Kategorien die Zielwerte für 2010 unterschritten werden. Hingegen gab es jeweils eine Überschreitung der hypothetischen Zielwerte für Autobahnen und Straßen innerorts. Für den neuen Zeitraum 2010 bis 2020 wurde der hypothetische Zielwert für das erste Jahr 2011 in allen Kategorien nicht erreicht. Die relative Abweichung auf Autobahnen iel dabei geringer aus als bei den anderen Straßenlagen. Die bereits genannten starken Unterschiede der Witterungsbedingungen in den Jahren 2010 und 2011 haben vermutlich zu den unterschiedlichen Abweichungen beigetragen. Dies könnte darin begründet sein, dass der Anteil an verschiedenen Verkehrsbeteiligten (Fußgänger, Radfahrer, Pkw- und Motorrad-Nutzer) innerorts und außerorts ohne Autobahnen witterungsbedingt stärker schwankt als auf Autobahnen. Letztlich bleibt allerdings festzuhalten, dass nach wie vor die absolute Zahl an getöteten Verkehrsteilnehmern außerorts (ohne BAB) im Vergleich am höchsten ist. Um eine weitere Reduktion dieser Zahl zu unterstützen, enthält das Verkehrssicherheitsprogramm 2011 zahlreiche Maßnahmen im Infrastrukturbereich der Landstraßen wie beispielsweise: Jan-André Bühne, Dr. Wissenschaftlicher Angestellter Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach buehne@bast.de Rita Bartz, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wissenschaftliche Angestellte Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach bartz@bast.de Janina Küter, Dipl.-Kfr. Wissenschaftliche Angestellte Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach kueter@bast.de LITERATUR [1] BASt (Bundesanstalt für Straßenwesen), Volkswirtschaftliche Kosten durch Straßenverkehrsunfälle 2009, Forschung kompakt 04/ 11, URL: http: / / www.bast.de/ cln_031/ nn_622184/ DE/ Publikationen/ Forschung-kompakt/ 2011-2010/ 2011-04.html), Bergisch Gladbach 2011. [2] EC (European Commission), Towards a European road safety area: policy orientations on road safety 2011 - 2020, Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, COM(2010) 389 inal, Brussels, 20.07.2010. [3] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Verkehrssicherheitsprogramm 2011, Berlin 2011. [4] Statistisches Bundesamt, Verkehr: Verkehrsunfälle Dezember 2011, Fachserie 8 Reihe 7, Wiesbaden 2012. [5] Statistisches Bundesamt, 2011 erstmals seit 20 Jahren wieder mehr Todesopfer im Straßenverkehr, Pressemitteilung vom 6. Juli 2012 - 230/ 12, Wiesbaden 2012. [6] Bundesregierung, Bericht über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr 2010 und 2011 (Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2010/ 2011), Drucksache 17/ 10600 vom 03.0 09.2012, Berlin. Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 23 Versprochen ist versprochen? E uropäische Union - das ist für die meisten Brüssel. Sie sprechen entweder polemisch von unsäglichen Brüsseler Bürokraten oder wohlwollend von verdienstvollen Brüsseler Institutionen. In der Regel machen sich weder Skeptiker noch Befürworter klar, dass ihre jeweilige Regierung eine ganze Menge mit der EU zu tun hat - dass Berlin, Paris oder etwa Kopenhagen sehr viel stärker „EU sind“ als allgemein angenommen. Der Krümmungsgrad der Gurke etwa, den auch deutsche Politiker immer wieder gerne beifallheischend als Beleg für die Monstrosität der Brüsseler Bürokratie anführen, wurde auf maßgeblichen Druck der deutschen Regierung festgelegt, der die Handelskonzerne im Nacken saßen. Wie stark die nationalen Regierungen „EU sind“, zeigt sich derzeit bei einem verkehrspolitischen Thema, dem einheitlichen europäischen Luftraum (SES). Er sollte am Himmel logisches Pendant des einheitlichen europäischen Verkehrsmarkts am Boden werden. Am 4. Dezember 2012 sollten mehr als 30 nationale Flugsicherungen zu neun Funktionalen Luftraumblöcken (FAB) zusammengefasst sein. Dazu hatten sich die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten verplichtet. Erfüllt haben sie ihre Plicht bislang nicht. EU-Kommission, Europäisches Parlament und mit beiden die europäische Luftfahrtbranche müssen zähneknirschend zusehen, wie die meisten Regierungen ihren Beitrag zum SES einfach nicht liefern. So ändert sich am europäischen Himmel vorerst nichts. Es bleibt dabei, dass Piloten auf einem Flug von Wien nach Mailand - Entfernung: rund 400 km, Flugdauer: rund 40 min - mit drei verschiedenen Bodenkontrollen klarkommen müssen: Austrocontrol, Tirolcontrol, bei der die Schweiz und Italien bestimmen, und schließlich Italcontrol. Drei der 38 Flugsicherungsorganisationen, die über einen in 650 Sektoren aufgeteilten Luftraum für Ordnung und Sicherheit sorgen. Deren Überwachung muss sich oft den nationalen Grenzen anpassen, und dadurch zwingen sie die Fluggesellschaften immer wieder zum Zickzack-Kurs. Geradlinige Verbindungen zwischen Ablug- und Zielorten in Europa gibt es deshalb nur in den Bordmagazinen. Das ist ineizient und teuer. Die EU-Kommission und der Verband der Europäischen Airlines (AEA) bezifern die Kosten dieser lächerlichen Fragmentierung auf 5- Mrd.- EUR pro Jahr. Da ihrer Schät- Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN zung zufolge der Aufwand der Fluggesellschaften für die Luftraumüberwachung zwischen 6 und 12 % der Tarife ausmachen, zahlen Passagiere und Frachtkunden die Zeche. AEA geht von „Hunderten von Stunden“ Verspätungen aufgrund der ineizienten Luftraumüberwachung aus. Zickzack- und Umweglüge verlängern jeden Flug um durchschnittlich 42 km und sorgen für einen überlüssigen CO 2 - Ausstoß von 16- Mio.- t, immerhin 12 % des Ausstoßes aller europäischen Luftfahrtgesellschaften. Kerosin im Wert von 3,7- Mrd.- EUR wird dadurch vergeudet. Diese Zahlen machen die Untätigkeit der Mitgliedstaaten nicht gerade verständlich. Vor zehn Jahren wollte die Kommission ganz Europa zu einem einheitlichen Luftblock zusammenfassen, der zentral gesteuert wird. Ähnlich wie in den USA, wo eine Flugsicherungsorganisation den Luftraum zwischen Boston und Los Angeles überwacht. Auf Druck der nationalen Regierungen, die ihre eigene Luftraumüberwachung nicht aus der Hand geben wollten, wurde lediglich ein Kompromiss vereinbart: Der Himmel über Europa wurde unter Beteiligung einiger benachbarter Nicht-EU-Staaten in die erwähnten neun FAB aufgeteilt. Vier Wochen vor Ablauf der Frist ist kein einziger funktionstüchtig. Der wichtigste ist der sogenannte Fabec, dem Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz angehören. 55 % des EU-Luftverkehrs indet dort statt. Hier geht es nicht voran, weil Berlin und Paris sich über den Status der zentralisierten Luftüberwachung streiten: staatlich oder privat. Beide Staaten stehen unter dem Druck der Beschäftigten in den nationalen Luftkontroll-Unternehmen, die um ihre Besitzstände fürchten, wenn Kompetenzen zusammengelegt werden. Ähnlich sieht es in den meisten anderen FAB aus. Die Mitgliedstaaten zeigen den anderen Institutionen, wie sehr sie „EU sind“. Die EU-Kommission sollte nicht zögern, gegen die verantwortlichen Regierungen, die ihre eigenen Beschlüsse nicht umsetzen, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Das ist die einzige wirksame Sanktion, die sie in der Hand hat. Sie hat bereits einen strengeren Gesetzentwurf für das Frühjahr 2013 angekündigt. Der soll ihr durch Verschärfung der bestehenden Gesetze kräftigere juristische Mittel an die Hand geben, um gegen säumige Mitgliedstaaten vorzugehen. Nicht nur das Europäische Parlament, auch die Mitgliedstaaten müssen dem Gesetzentwurf zustimmen. Und die werden dann wieder zeigen können, wie sehr sie „EU sind“. ■ »Die EU-Mitgliedstaaten blockieren den einheitlichen Luftraum.« Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 24 Chancen und Risiken des russischen Logistikmarkts In kaum einem Land sind die Gegensätze so groß wie in Russland. Immer mehr Unternehmen engagieren sich im boomenden Logistiksektor. Der Eintritt in diesen Markt will jedoch gut vorbereitet sein, um das richtige Leistungsproil, die richtige Region, den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Partner zu deinieren. R ussland wird durch die politische und gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre in Deutschland oftmals negativ wahrgenommen. Dies führte in weiten Teilen der Bevölkerung zu einer distanzierten Skepsis. In fachlicher Hinsicht besteht jedoch reger Austausch. Allein in diesem Sommer fanden unter anderem der Deutsch-Russische Logistikkongress in Moskau sowie der Jahreskongress Russland in Berlin statt. Beide haben zu einem besseren gegenseitigen Verständnis des individuellen Status quo beitragen und die Herausforderungen der Zukunft benannt. Dieser Artikel entstand aus den Erkenntnissen beider Kongresse. Er soll ein möglichst umfassendes Bild Russlands mit starkem Fokus auf die Logistik zeichnen. Politisch-ökonomische Situation Russlands Ein guter Gradmesser zur Einschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, und der damit oftmals verbundenen politischen Stabilität, ist die Staatsverschuldung. So zeigt sich hier ein vermeintlicher Widerspruch, wenn man die Staaten der Euro-Zone mit der Russischen Föderation vergleicht. Nach Angaben des International Monetary Fund betrug die Staatsverschuldung in der Euro-Zone ca. 87 % des Bruttoinlandsproduktes per 31.12.2011. Die Russische Föderation wies zum gleichen Stichtag 9,6% aus. Dieser Anteil ist umso beeindruckender, als dass eine stetige Verminderung des Verschuldungsgrades seit 2002 zu beobachten ist. Von einem Niveau von über 40 % wurde, mit Ausnahme des Krisenjahre 2009 Der Autor: Dieter Bock LOGISTIK Russland »Wir brauchen eine neue Wirtschaft, mit konkurrenzfähiger Industrie und Infrastruktur, einem entwickelten Dienstleistungssektor und einer effektiven Landwirtschaft.« (Wladimir Putin, Präsident der Russischen Föderation) Foto: D. Azovtsev Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 25 und 2010, in denen ein leichter Anstieg zu verzeichnen war, die Staatsverschuldung kontinuierlich auf das oben genannte Niveau zurückgeführt. Im westlichen Europa wird fälschlicherweise vermutet das das steigende Wohlstandsniveau Russlands nur einer kleinen Oberschicht zu Gute kommt. Betrachtet man sich jedoch die Zahlen, die Dr. Lenga, Generalbevollmächtigter der Knauf Gruppe für Russland und die GUS Staaten, offenbart sich ein diferenzierteres Bild. Im Gegensatz zu den meisten BRIC-Staaten verfügen knapp über 50 % der Haushalte über ein Einkommen zwischen TEUR- 15,0 und TEUR-50,0. Berücksichtigt man zusätzlich den Anteil der Einkommen, die über TEUR-50,0 liegen, so lassen sich insgesamt 2/ 3 der russischen Haushalte einer Mittel- und Oberschicht zuordnen (s. Abb.- 1). Wie bereits oben erwähnt ist eine breite Mittel- und Oberschicht eine wesentliche Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Dieser breit verbreitete Wohlstand ist unter anderem auch ein Grund warum die „Regierung Putin“ als so erfolgreich beurteilt wird und regelmäßig mit einem hohen Stimmenanteil die Wahlen gewinnt. Infrastruktur Russlands Ein verkehrsträgerübergreifender integrierter Ansatz zum Ausbau der Infrastruktur ist zurzeit, unter anderem wegen einer großen Anzahl unterschiedlicher Akteure, nur sehr schwer darstellbar. Staatsregierung, Regionen, Gouvernements und Oblaste sowie die russische Staatsbahn (RZD) entwickeln eigene Konzepte, die im Wesentlichen an die eigenen Interessen angepasst sind. So werden weder die Wasserstraßen noch die vorhandenen großen Transportmagistralen nicht in die Planung integriert. Nach Kirill Vlasov von STS Logistics ist die gegenwärtige Situation der Infrastrukturmaßnahmen gekennzeichnet durch: 1. Privatinvestitionen in lokale Objekte 2. Kurze Amortisationszeiten 3. Hohe Preise für Infrastrukturnutzung. Diese Punkte bezog er ausdrücklich auch auf quasi „öfentliche“ Investitionen wie Häfen, Flughäfen sowie Straßen. Perspektivisch sieht er, vor dem Hintergrund des Regierungsprogramms folgende Entwicklungen: • Industrieclusterbildung durch den Staat • Fertigstellung der Versorgungsleitungen • Zuweisung von Grundstücken für die Bebauung • Infrastrukturkostenoptimierung Bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten wird im Allgemeinen die große Zeitspanne zwischen der ersten Idee bis zur Realisierung bemängelt. Bürokratische Hürden auf regionaler Ebener sind, trotz einer fortschreitenden Zentralisierung, das größte Hindernis. So verwundert es auch nicht, wenn die Projektverantwortlichen etwas neidvoll zum großen südöstlichen Nachbarn schauen, in dem - zwar von Staats wegen verordnet - einmal beschlossene Projekte sehr zügig umgesetzt werden können. Dennoch sind viele Großprojekte in Planung bzw. Umsetzung. Die Häfen werden ausgebaut, von Wladiwostok über die Schwarzmeerhäfen bis Ust-Luga. Ebenso die Flughäfen, ob der staatliche Scheremetjewo von Moskau oder das Luftfrachtzentrum in Uljanowsk. In Scheremetjewo auch die Landanbindung durch eine Schnellbahn mit der City von Moskau. Eine der größten Infrastrukturmaßnahmen ist die Transsibirische Eisenbahn (Transsib), die China mit Mitteleuropa verbinden soll. Alles in allem ist die Infrastruktur zurzeit noch weit hinter den Erfordernissen für ein schnelles wirtschaftliches Wachstum zurück. Bei Investitionen ist dies zur berücksichtigen. Aktuelle Situation der Logistik Dienstleistung Nach Angaben von Lengley/ Cap Gemini sowie Fraunhofer hat der Logistikmarkt in Russland ein Volumen von 225- Mrd.- USD Jahr 2011 Einkommen der Haushalte unter USD 15.000 (untere Mittelschicht/ arm) über USD 15.000 (Mittelschicht) Russland 30 % 67 % davon wohlhabend (über USD 50.000): 15 % China 76 % 24 % davon wohlhabend (über USD 50.000): 2 % Indien 87 % 13 % davon wohlhabend (über USD 50.000): 1 % Brasilien 65 % 35 % davon wohlhabend (über USD 50.000): 4 % Tab. 1: „Wohlhabend“ ist Teil von „Mittelschicht“, Aufrundungsungenauigkeiten Quelle: Agentur DT Global Business Consulting »Auftrag des Präsidenten ist, das Land bis 2018 vom 120. auf den 20. Platz bei den Bedingungen für die wirtschaftliche Tätigkeit hinauf zu führen.« (Quelle: Kommersant, 07.06.2012) Abb. 1: Terminal D des staatlichen Flughafens Scheremetjewo in Moskau Foto A: Savin LOGISTIK Russland Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 26 und macht somit 13,4 % des BIP des Landes aus. Zum Vergleich wird die Marktgröße in Deutschland auf 280- Mrd.- USD geschätzt, was einem BIP-Anteil von 8,4 % entspricht. Gründe für diese große Diferenz liegen in der geringeren Produktivität der Dienstleistungen sowie in den oben genannten Einschränkungen durch die Infrastruktur. Auch tragen staatliche Monopolpreise und das ausgedehnte Territorium dazu bei. Ein weiteres Merkmal des Marktes der russischen Dienstleister ist seine starke Fragmentierung. Dennoch haben sich Unternehmen, wie STS Logistics (Spedition) oder ALIDI (Warehousing/ Contract Logistics), herausgebildet, die mitteleuropäische Standards implementiert haben. Eine besondere Herausforderung für die Logistikdienstleister ist die starke, kontinuierlich wachsende Bedeutung des Online- Handels in Russland. Der CEO von arvato Russland erwartet aufgrund dieser Einschätzung eine Steigerung der pro Tag versendeten Pakete von 240 000 in 2010 auf 1,8-Mio. innerhalb von zehn Jahren. Zur Realisierung dieser Wachstumsrate sind seiner Ansicht nach die Probleme der Zahlungsabwicklung und Zustellung zu lösen. Auch muss der gestiegene Bedarf an Fachkräften befriedigt werden. Der zunehmende Onlinehandel wirkt sich darüber hinaus positiv auf die Aufweichung der Monopolstellung der Russischen Post aus. Der stetig wachsende Umsatz erhöht den Bedarf an KEP-Leistungen und motiviert andere Anbieter wie DPD und Hermes, einen Markteintritt in Russland zu versuchen. Ausbildung Die Ausbildungsaktivitäten bleiben stark hinter denen Deutschlands zurück. Auf der Jahreskonferenz Russland in Berlin wurde die Einschätzung geäußert, dass der Bedarf in Russland nur zu 9 % durch eigene Ausbildungsbemühungen gedeckt wird, was einem Zehntel der deutschen Aktivitäten entspricht. Es existiert zwar eine sehr gut ausgebildete „Logistiker-Elite“, jedoch fehlen Fachkräfte im Mittelbau. Dieser Herausforderung sollte man mit einer Kooperationsinitiative begegnen. Vorstellbar ist hier auch ein aktiveres Engagement der Bundesvereinigung Logistik (BVL), die eine Vorreiterrolle übernehmen könnte. Russische Staatsbahn (RZD) Das Russische Eisenbahnstreckennetz ist mit 86 000 km das größte in Europa. Auf ihm werden 1,5- Mrd.- t Güter pro Jahr befördert, was einem Anteil von 90 % aller in Russland transportierten Güter entspricht. Somit ist die russische Staatsbahn in fast allen Transportketten ein entscheidender Akteur. Im Jahr 2001 wurde ein Privatisierungsprozess für die Russische Staatsbahn angestoßen. Über die Zeit hatten sich die in allen „monolithischen“ staatlichen Eisenbahnen auindbaren Problemfelder herausgebildet; beispielhaft sind die Absenkung der Servicequalität sowie wachsender Verschleiß der Grundmittel zu nennen. Professor Alexander Kolik stellte im Juni auf der Konferenz in Moskau die drei Etappen der Reform dar: • Erste Etappe (2001-2002): Funktionsaufteilung der staatlichen Verwaltung und der wirtschaftlichen Tätigkeit, Einrichtung einer staatlichen Eisenbahngesellschaft • Zweite Etappe (2003-2005): Absonderung von einzelnen Tätigkeitsarten • Dritte Etappe (2006-2010): weitgehende Heranziehung von privaten Anlagen, Wettbewerbsentwicklung Für die wirtschaftliche Entwicklung Russlands wird es wichtig sein, wie sich die RZD innerrussisch aufstellt. Nach Ansicht von Salman Babajew, Vorstandmitglied der RZD, wird zukünftig die Herstellung eines leistungsfähigen Schienenwegs auf der West- Ost Achse, also der Verbindung mit China, ein entscheidender Faktor sein. Über die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landwegs mit dem Seeweg mag hier nicht spekuliert werden, das wird der Markt entscheiden. Prof. Alexander Kolik fasste dies zusammen unter der Überschrift: „Optimismus mit Vorsicht“. Seine wichtigsten Punkte waren: • Die Ausnutzung des Potenzials der Ei- Abb. 2: Schnellbahn Aeroexpress in Moskau Foto: A. Savin Abb. 3: Die Brücke über das Goldene Horn, jetzt: Solotoi-Brücke, war anlässlich des APEC-Gipfels 2012 in Wladiwostok gebaut und fertiggestellt worden; einige Hotels blieben unvollendet. Foto: B. Guiot Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 27 Dieter Bock Mitglied des Beirats und Osteuropa- Beauftragter der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in Deutschland bock@bvl.de senbahnen kann zu einem Durchbruch in der Entwicklung der russischen Wirtschaft verhelfen. • Die Regierung hat ein Programm für die Fortsetzung der Reform bis 2015 gefasst. • Das Programm sieht die Entwicklung von echtem Wettbewerb in der Branche vor. • In die Branche ist ernsthaftes Privatkapital eingelossen. • Viele Wagenoperateure sind bereit, zu Beförderern zu werden. • Die Logistikprovider sind zur Integration mit den Eisenbahnen bereit. Ausblick Die politisch Verantwortlichen haben die Bedeutung der Logistik für die wirtschaftliche Entwicklung erkannt. Die strategische Arbeit ist in großen Zügen getan, Wirtschaftszentren sind benannt, die Magistralen zur Verbindung dieser in einer Art Wegeplan ixiert, die strategisch wichtigen Gateways zum Ausland − Luft, See, Schiene − festgelegt, die innerrussischen bimodalen Hauptumschlagspunkte abgestimmt. Bis 2018 sollen 125 Mrd. EUR in die Infrastruktur investiert werden, die Seehäfen sollen bis dahin ebenfalls deutlich besser an das Inlandschienennetz angebunden sein. Zur Prozessbeschleunigung wurden Entscheidungsbefugnisse zentralisiert; dies gilt insbesondere für die Mittelvergabe. Jedoch ist der politische und planerische Einluss der Gouvernements nach wie vor hoch. Dies führt zu Interessenkonlikten, die sich bis auf die Ebene der konkreten privatwirtschaftlichen Investitionen auswirken. Betrachtet man gerade die ruralen Regionen Russlands, so kommt ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu: Die im Kontrast zu Moskau Laissez-faire-Lebenseinstellung. Eine verlässliche Planung ist somit kaum möglich und behindert die Entwicklung der Logistik. Die Zahl der Unternehmen, die logistische Dienstleistungen auf internationalem Niveau anbieten nimmt stetig zu. Kooperationen zwischen europäischen und russischen Dienstleistern werden immer häuiger gebildet und die Notwendigkeit zur Ausbildung von Fach- und Führungskräften ist erkannt. Leider sind in diesem Bereich Lehrkräfte Mangelware. Adornos Aussage: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, trift auf Russland nicht zu. Richtiges und weniger Richtiges sind in Russland in einer engen dialektischen Beziehung. Für Engagements in Russland gilt es in besonderer Weise abzuwägen, mit den richtigen Partnern den richtigen Weg zu inden. Auf diese Weise wird sich Russland erschließen als ein Land, das nicht nur schätzens-, sondern auch liebenswert ist, mit dem es sich lohnt, eine feste Verbindung einzugehen. ■ tere Informationen inden Sie in Kürze unter www.eurailpress.de! Bauen bei der Deutschen Bahn Hrsg. DB ProjektBau GmbH Das Schienennetz der Deutschen Bahn bildet Lebensadern für die deutsche und die europäische Wirtschaft. Die im Rahmen der Infrastrukturprojekte errichteten Bauwerke tragen zur grünen Mobilität in Deutschland für Güter und Menschen bei. Das Buch zeigt große Ausbauprojekte, Knotenprojekte und breit angelegte Infrastrukturverbesserungen, riesige Stellwerkserneuerungen unter dem rollenden Rad, neueste Gleistechnologie mit Fester Fahrbahn, beeindruckende Brücken und tiefe Tunnel. In ihren Fachbeiträgen beleuchten Ingenieure der DB ProjektBau, aus Ingenieurbüros und aus der Bauwirtschaft unterschiedliche Aspekte der Projekte. Bestellen Sie jetzt Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ infrastrukturprojekte Technische Daten: : ISBN 978-3-7771-0445-4, 248 Seiten, Format 210 x 297 mm, Hardcover Preis: € 48,00 inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Kontakt: DVV Media Group GmbH, Nordkanalstr. 36, 20097 Hamburg, Germany, Telefon: +49 40/ 237 14-440, E-Mail: buch@dvvmedia.com Infrastrukturprojekte 2012 NEU LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 28 Organisation des Einzelwagenverkehrs Während beim Einzelwagenverkehr zumeist die Sanierung im Mittelpunkt steht, blieb bisher die Frage, welche organisatorischen Optionen für diese Verkehrsart möglich sind, weitgehend unbeachtet. Im Rahmen einer Studie für das Schweizer Bundesamt für Verkehr (BAV) 1 wurden nun die Kostenstrukturen und die mit dem Einzelwagenverkehr verbundenen Prozessschritte analysiert, um darauf aufbauend prozessbezogene Größen- und Verbundvorteile zu prüfen und mögliche Organisationsalternativen abzuleiten. F ür die Ableitung von Organisationsvarianten ist es zunächst notwendig, für den Einzelwagenverkehr typische Kostenstrukturen zu ermitteln, wozu die Autoren ein eigenes Kostenmodell für den Einzelwagenverkehr mit typischen Abläufen entwickelten. Kostenstrukturen Einzelwagenverkehr Dabei ist die größte Kostenposition die Nahbereichsbedienung (vgl. Abbildung- 1). Aufgrund der Vorhaltung von Rangierlokomotiven und der Rangierteams ergeben sich Fixkosten, die von der zu befördernden Waggonanzahl erst einmal unabhängig sind. Zweitgrößter Kostenblock sind bei den heutigen, i. d. R. von den ehemaligen Staatsbahnen betriebenen Einzelwagenverkeh- Abb. 1: Kostenverteilung des iktiven EWLV-Systems (Schweiz) Quelle: Simulationsmodell hwh ren, die Overheadbzw. Verwaltungskosten. Neben den Waggonkosten sind die Kosten für die Ferntraktion zwischen den Rangierbahnhöfen und den Knotenbahnhöfen ein weiterer großer Kostenbestandteil. Schließlich machen die Kosten für die Nutzung der Trassen (inkl. Bahnstrom) sowie der Rangierbahnhöfe dem Modell nach, bezogen auf Schweizer Verhältnisse, insgesamt ca. 20 % der Gesamtkosten aus. Synergien zwischen Teilprozessen Ausgehend von den Kostenstrukturen kann der Frage nachgegangen werden, inwiefern Synergien zwischen den jeweiligen Teilprozessen eines EWLV-Systems bestehen und ob diese Synergien so hoch sind, dass eine Leistungserstellung des jeweiligen Teilprozesses oder auch des Gesamtsystems aus einer Hand erfolgen sollte. Zu diesem Zweck werden mögliche Produktions 2 - und Transaktionskostenvorteile 3 einer Verbundproduktion unterschiedlicher Prozesse analysiert und bewertet. Abbildung-2 zeigt das Ergebnis in Form einer Matrix, in der mögliche Kombinationen sowohl zwischen verschiedenen als auch zwischen identischen Prozessen bewertet werden. Sind die Synergien zwischen einzelnen Prozessen sehr ausgeprägt (hohe Zahlenwerte), macht es Sinn, die Teilprozesse gemeinsam in einer Organisation zu produzieren. Ebenso sprechen hohe Zahlenwerte identischer Prozesse für ausgeprägte Größenvorteile, so dass die gesamte Produktion dieses Prozesses am kostengünstigsten aus einer Hand erfolgen sollte, was für das Vorhandensein eines natürlichen Monopols 4 spricht. Nur geringe Synergien zwischen Prozessen Insgesamt zeigt sich, dass es nur sehr wenige Prozesse gibt, bei denen eine gemeinsame Erstellung in einer Unternehmenseinheit so große Produktions- oder Transaktionskostenvorteile mit sich bringen würde, dass eine Verbundproduktion unabdingbar ist. Dies ist z. B. bei der gemeinsamen Erstellung Angebotsplanung/ Vertrieb/ Leistungseinkauf und Auftragsabwicklung der Fall. Hier bestehen zwar kaum Produktionskostenvorteile einer gemeinsamen Produktion. Allerdings ist die intensive Abstimmung zwischen den Bereichen Vertrieb und Auftragsabwicklung sehr wichtig, um z. B. bei Unregelmäßigkeiten im Verkehr sehr schnell reagieren zu können oder auch Kundenprojekte zu entwickeln. Insgesamt bestehen hier erhebliche Koordinations- und Transaktionskostenvorteile, so dass die Aufgaben sicherlich einfacher in einer Organisationseinheit zu bewerkstelli- Die Autoren: Paul Wittenbrink, Stefan Hagenlocher, Bernhard Heizmann Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 29 Abb. 2: Bewertung von Synergien und Größenvorteilen bei Teilprozessen des Einzelwagenverkehrs Quelle: Analyse hwh gen sind als in getrennten Organisationen. Weitere Beispiele für das Vorliegen von Synergien können zwischen der Auftragsabwicklung und den Produktionseinheiten oder auch zwischen dem Nah- und Fernbereich bestehen. Die Synergiepotenziale werden hier jedoch nicht so hoch eingeschätzt, dass eine gemeinsame Erstellung zwingend erfolgen muss. Vorhandensein natürlicher Monopole? Bei zwei Prozessen - der Nahbereichsbedienung und dem Rangierbahnhof - handelt es sich der Analyse nach um ein „natürliches Monopol“ (vgl. Abbildung- 3). So ist davon auszugehen, dass durch die Aufteilung der Leistungserstellung auf Rangierbahnhöfen oder im Nahbereich auf mehrere Anbieter Synergien verloren gehen. Aufgrund der vsl. zu geringen Auslastung der jeweiligen Anbieter würden die Produktionskosten steigen. Daher ist es i. d. R. ökonomisch sinnvoll, dass es für den einzelnen Rangierbahnhof oder Nahbereich jeweils nur einen Anbieter in der Leistungserstellung gibt. Allerdings ist es durchaus möglich, dass die Leistungserstellung in verschiedenen Nahbereichsregionen oder Rangierbahnhöfen durch verschiedene Anbieter erbracht werden kann, ohne dass größere Synergievorteile verloren gehen. Ebenfalls ist es vorstellbar, dass in besonders aukommensstarken Nahbereichsregionen mehrere Anbieter parallel existieren können, ohne dass eine hinreichende Auslastung gefährdet ist bzw. es zu Produktionskostennachteilen kommen muss. Systemführer oder Wettbewerbsmodell? Aubauend auf der Analyse von Grössen- und Verbundvorteilen bei den Primär- und Sekundärprozessen stellt sich die Frage, welche Organisationsformen sich für den Einzelwagenverkehr anbieten. Ohne an dieser Stelle auf sämtliche möglichen Varianten eingehen zu können, gibt es zwei grundsätzliche Ansätze - die Modelle „Systemführer“ und „Wettbewerbsmodell“. Das Modell „Systemführer“ entspricht dem heutigen Status quo, bei dem zumeist ehemalige Staatsbahnen als Systemführer und integriertes Unternehmen auftreten. Hier liegen zumeist der Vertrieb, die Produktentwicklung, das Auslastungsrisiko und die gesamte Produktion (bei einer zumeist sehr hohen Fertigungstiefe) in einer Hand. Heutige Organisationsform nicht nachhaltig Allerdings ist anzunehmen, dass dieser Status quo nicht nachhaltig ist, also keine hohe Stabilität ausweist, da nahezu alle heutigen EWLV-Systeme seit Jahren nicht kostendeckend betrieben werden können, die regelmäßigen Sanierungsbemühungen zumeist mit einer Angebotsverknappung und damit Attraktivitätssenkung verbunden sind und darüber hinaus die Systeme ständig durch das Herausbrechen bündelungsfähiger Teilmengen gefährdet sind. Systemanbieter anstatt Systemführer Untersuchungen der hwh 5 zu möglichen Organisationsansätzen zeigen, dass nicht der eine Systemführer benötigt wird, sondern dass es durchaus möglich ist, dass mehrere Systemanbieter im Einzelwagenverkehr tätig sind. Bei diesem als Wettbewerbsmodell bezeichneten Ansatz dimensionieren die Systemanbieter ihre Netzwerke, kaufen die einzelnen Teilleistungen (Traktion, Rangierleistungen, Nahbereichsbedienung…) ein, übernehmen das Auslastungsrisiko und bieten ihr Netz den Kunden an - Aufgaben die heutige Business-Units der Bahnen oder auch Bahnspeditionen übernehmen können. Durch diese eher wettbewerbsorientierten Variante steigen mit dem erhöhten intermodalen Wettbewerbsdruck die Chancen, weitere Produktivitäts- und Serviceverbesserungspotenziale auszuschöpfen auch vermehrt Produkt-, Technik- und Verfahrensinnovationen zu nutzen, was mittel- und langfristig zu positiven verkehrlichen Wirkungen führt. Optimale Fertigungstiefe Im Hinblick auf die Organisation stellt sich auch die Frage, ob die Aufgaben des Systemanbieters, wie heute üblich, zwingend mit der Produktion der Leistung verbunden sein müssen, d. h. ob „Bereitstellen“ und „Herstellen“ in einer Hand liegen müssen. Hier besteht die Gefahr, einer hohen Komplexität, die es schwer zu steuern LOGISTIK Einzelwagenverkehr Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 30 Bernhard Heizmann, Dr. Gesellschafter der hwh, Karlsruhe heizmann@hwh-transport.de Stefan Hagenlocher Gesellschafter und Geschäftsführer der hwh hagenlocher@hwh-transport.de Paul Wittenbrink, Prof. Dr. Professor für Transport und Logistik an der DHBW Lörrach und Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH, Karlsruhe wittenbrink@dhbw-loerrach.de gilt. Dies gilt es umso mehr zu beachten, da insbesondere ehemalige Staatsbahnen eine geringe Neigung haben, komplexe Strukturen zu vereinfachen - das Gegenteil ist zumeist der Fall. Zudem führt die heute hohe Fertigungstiefe zu einer enormen Konjunkturabhängigkeit. Insofern sollten sich die notwendigen Sanierungsanstrengungen nicht nur auf die Angebotsverknappung, sondern insbesondere auf die Realisierung einer optimalen Fertigungstiefe fokussieren und die Kapazitäten mehr an der Grundanstatt an der Spitzenlast ausrichten. Diskriminierungsfreier Zugang zu Rangierbahnhöfen und Nahbereichsbedienung Wichtig ist bei der Variante mit mehreren Anbietern, dass der diskriminierungsfreie Zugang zu den Teilleistungen, insbesondere den Rangierbahnhöfen und den Nahbereichsbedienungen, gewährleistet ist. Hier ist bezogen auf die Rangierleistungen sicherlich das Schweizer Modell wegweisend, bei dem die Rangierbahnhöfe von der Infrastruktur und nicht vom dem konkurrierenden EVU betrieben werden. So ist z. B. der heutige Betrieb der Rangierbahnhöfe durch DB Schenker Rail mit einem Wettbewerbsmodell kaum vereinbar. Darüber hinaus wird in Bezug auf die Nahbereichsbedienung in vielen Fällen eine marktbeherrschende Stellung heutiger Anbieter vorliegen, die schon aus kartellrechtlichen Gründen einer besonderen Beobachtung bedarf. Geringes Renditepotenzial ist größte Markteintrittsbarriere Was aber hält heutige potenzielle Anbieter davon ab, im großen Stil in den Einzelwagenverkehr einzusteigen? Abgesehen davon, dass es schon einige Beispiele gibt, bei denen Kunden für Teilnetze andere Anbieter beauftragen, ist die größte Markteintrittsbarriere heute das geringe Renditepotenzial im Einzelwagenverkehr. Dies kann z. B. eine Frage des Preisniveaus, der richtigen Dimensionierung des Netzes oder auch der unzureichenden Ausschöpfung von Produktivitätssteigerungspotenzialen sein. Und auch Produkt- und Technikinnovationen sind in der eher strukturkonservativen Eisenbahnbranche gefragt. Schließlich kann der Staat, ist dieser mit dem Marktergebnis nicht zufrieden, den Einzelwagenverkehr fördern. Hier bieten sich neben der Infrastrukturinanzierung insbesondere die Förderung der Nahbereichsbedienung an, idealerweise in Form von Ausschreibungen, bei dem der Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis den Zuschlag erhält. Verbunden mit den oben beschriebenen Wettbewerbselementen können dadurch ganz neue Perspektiven für den Einzelwagenverkehr resultieren. ■ 1 Der Beitrag basiert auf den Erkenntnissen einer noch unveröfentlichten Studie im Auftrag des Bundesamtes für Verkehr, Bern, zur Ableitung eizienter Organisationsformen im Schweizer Schienengüterverkehr in der Fläche. Der Beitrag gibt aber ausdrücklich die Meinung der Autoren wieder (Kontakt: wittenbrink@hwh-transport.de). Weitere Informationen zur hwh: www.hwh-transport.de 2 Unter Produktionskosten wird ein bewerteter Ressourcenverzehr zur Produktion von Gütern verstanden. Zum Kostenbegrif vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2000), 15. Aulage, S. 1832, Wiesbaden. 3 Unter Transaktionskosten werden dabei die Kosten der Nutzung einer Institution oder Koordinationsform (z.- B. Märkte, aber auch eine unternehmensinterne Koordination) verstanden. Zur Transaktionskostentheorie vgl. Erlei, Matthias, Leschke, Martin, Sauerland, Dirk (2007), Neue Institutionenökonomik, 2. Aulage, Stuttgart, S. 199f.; Rennings, K. (1992), Zur Relevanz der Transaktionskostentheorie für die Verkehrswirtschaft, in: Rennings, K., Fonger, M., Meyer, H. (1990), Make or Buy - Transaktionskostentheorie als Entscheidungshilfe für die Verkehrswirtschaft, Göttingen, S. 15. Zu den Transaktionskosten werden insbesondere die Anbahnungskosten, Vereinbarungskosten, Kontrollkosten und Änderungskosten gezählt. 4 Zur Theorie des Marktversagens und der Situation bei natürlichen Monopolen, die hier im Rahmen des Konzepts der Unteilbarkeiten betrachtet werden, vgl. Fritsch, M., Wein, T., Ewers, H.-J. (2005), Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 6.-Aulage, München, S.-219f. 5 Vgl. www.hwh-transport.de Abb. 3: Prüfung der Prozesse des Einzelwagenverkehrs auf das Vorhandensein natürlicher Monopole Quelle: Eigene Darstellung hw LOGISTIK Ofshore Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 31 Betrieb von Ofshore-Windparks Vor den deutschen Küsten steigt die Anzahl an Ausbauprojekten für Ofshore-Windparks in den nächsten Jahren exponentiell an. Insbesondere die Wetterproblematik erschwert neben der Errichtung auch den Betrieb der Ofshore-Windenergieanlagen (OWEA). Deutsche Reedereien, Werften und maritime Zulieferer verfügen über Fähigkeiten, um als potenzielle Dienstleister Lösungen anzubieten. D ie Ziele der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 den Ausbau der Ofshore-Windenergie zu einer installierten Leistung von 10 000 MW voranzutreiben [1], wurden in den letzten Monaten von einigen Experten als zu ambitioniert betrachtet [2]. Häuig genannte Missstände sind dabei Fragen der Finanzierung und Haftung für den Netzanschluss von Ofshore-Windparks. Wegen der enormen Relevanz des Ausbaus der Ofshore-Windenergie für die Energiewende im Rahmen der EU-Klimapolitik hat sich die Bundesregierung die Klärung dieser offenen Fragen zur eigenen Aufgabe gesetzt, mit dem Ziel, die Kinderkrankheiten der neuen Technologie zu überwinden. Dienstleistungsbedarfe im Windparkbetrieb Der Ausbau der Ofshore-Windenergie vor Abb. 1: Ofshore-Windparkprojekte in der deutschen Nord- und Ostsee Quelle: WAB e.V, www.wab.net den deutschen Küsten oferiert nicht nur für Energieerzeuger und Windparkbetreiber ein lukratives Geschäftsfeld. Deutsche Werften, Reedereien und maritime Zulieferer bieten hervorragende Kompetenzen für maritime Arbeiten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) an [3]. Während des Betriebs von Ofshore-Windparks existiert ein Outsourcing-Potenzial von Betriebsprozessen der Windparkbetreiber, sodass sich ein Markt für maritime Dienstleistungen ergibt. Das Forschungsprojekt „Ofshore-Solutions“ der TU Berlin und der IPRI gGmbH hat basierend auf den vorhandenen Prozessen in und um den Ofshore-Windparkbetrieb acht verschiedene Dienstleistungen ermittelt, denen jeweils konkrete Leistungsbereiche untergeordnet wurden. Für die Ermittlung dieser Dienstleistungen und Leistungsbereiche wurden Interviewgespräche mit Energieerzeugern, Windparkbetreibern, Reedereien, Werften und maritimen Zulieferern geführt. Die Verabschiedung der Dienstleistungsbedarfe wurde durch einen projektbegleitenden Ausschuss vorgenommen, der aus renommierten Unternehmen der Windenergiebranche und der maritimen Industrie besteht [4]. Versorgung des Ofshore-Windparks Die Versorgung des Windparks mit Service- Technikern und Ersatzteilen stellt das „Bottleneck“ des Betriebs dar. Den vorhandenen Schifstypen für die Personal- und Materialversorgung stehen in Abhängigkeit von der Wetterlage unterschiedliche Einsatzfenster zur Verfügung. Die Einsatzfenster sind eng mit der energetischen Verfügbarkeit der OWEA verbunden. Schife mit höheren Einsatzfenstern weisen jedoch ebenso höhere Anschafungskosten auf. Das vorrangige Die Autoren: Gerd Holbach, Christopher Stanik Maritime Dienstleistungspotenziale LOGISTIK Ofshore Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 32 Ziel der Windparkbetreiber ist eine maximale energetische Verfügbarkeit der OWEA unter möglichst geringen Betriebskosten. Aus diesem Grund sind auch die einzusetzenden Transportmittel möglichst so zu wählen, dass für den jeweiligen Windpark die Gesamtkosten aus den Transportkosten und den Kosten der Nichtverfügbarkeit der Anlagen minimiert werden. Ofshore-Sicherheit hat Priorität Der wichtigste Faktor im Ofshore-Windparkbetrieb ist die Sicherheit. Jeder Service- Techniker, der für Instandhaltungsaufgaben im Ofshore-Windpark eingesetzt werden soll, muss wiederholt ein Ofshore-Sicherheitstraining absolvieren. Insbesondere der Personenüberstieg von und zu den OWEA verbirgt ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Service- Techniker, weshalb dieser bei den Personenbeförderungsfahrzeugen nur bis zu einer bestimmten signiikanten Wellenhöhe ermöglicht werden kann (siehe Abbildung-3). Je nachdem wo sich ein Ofshore-Windpark beindet, unterscheiden sich der vorhandene Seegang und somit die möglichen Einsatzfenster der Crew Transfer Vessels erheblich [5]. Ist ein sicherer Überstieg der Service-Techniker nicht mehr möglich, bleibt nur noch die Variante auf Helikopter zurückzugreifen. Helikopter oder Crew Transfer Vessel? Vor allem in den Wintermonaten kam im ersten deutschen Ofshore-Windparktestfeld „alpha ventus“ in den letzten Jahren vorwiegend der Helikopter zum Einsatz, da wegen der hohen durchschnittlichen signiikanten Wellenhöhen in der Nordsee ein sicherer Überstieg vom Crew Transfer Vessel (CTV) häuig nicht mehr gewährleistet werden konnte. Von Betriebsbeginn an wiesen Schifstransporte in diesem Windpark eine Erreichbarkeit der Anlagen von über 60 % auf, während sie für Helikoptereinsätze bei über 90 % lag [6]. Wegen des größeren Einsatzfensters des Helikopters setzt der Turbinenhersteller Areva Wind beispielsweise auf eine überwiegende Helikopterlösung für den Personentransfer auf die Windenergieanlagen innerhalb ihrer Operation & Maintenance-Aktivitäten. Neben der erhöhten Zugänglichkeit sind bei Helikoptereinsätzen die Zeitersparnis sowie der Vorteil, dass die Service-Techniker nicht seekrank werden und somit direkt nach dem Transfer einsatzbereit sind, zu erwähnen. Jedoch weist der Helikopter im Verhältnis zum Schif eine sehr viel geringere Zuladungsmöglichkeit und höhere Betriebskosten auf. Erfahrungen aus dem Betrieb des Ostsee- Windparks „EnBW Baltic- 1“ zeigen, dass die Transportkosten eines CTVs für 12 Personen bei 500- EUR/ h liegen, während sie bei einem Helikopter für 6 Personen 2400-EUR/ h ausmachen [7]. Ofshore-Helikoptereinsätze sind bis zu einer Windstärke von 11 Beaufort möglich, wobei solche Einsätze nur noch für Rettungsaktionen vorgenommen werden. Fällt die Windenergieanlage bei schlechteren Wetterverhältnissen aus, bleibt nur noch das Abwarten auf eine bessere Wetterlage. Maritime Lösungsansätze Basierend auf den ermittelten Randbedingungen für den Personentransport werden innerhalb von „Ofshore-Solutions“ maritime Lösungsansätze für die logistische Versorgung von Ofshore-Personal evaluiert und Mengengerüste und Marktvolumina für den Einsatz der unterschiedlichen Transportmittel bestimmt. Als weitere Eingangsdaten liegen Informationen zum täglichen Personalbedarf etablierter Windparkprojekte und Ausfallwahrscheinlichkeiten unterschiedlicher OWEA-Komponenten zugrunde. In Abbildung- 5 ist beispielsweise der tägliche Ofshore-Personalbedarf über der OWEA-Anzahl je Windpark abgetragen. Die Plandaten (schwarze Punkte) stammen dabei aus Interviewgesprächen mit Energieerzeugern, Windparkbetreibern und Ofshore-Versorgungsdienstleistern. Mit Abb. 2. Prozesse, Dienstleistungen und Leistungsbereiche während des Ofshore-Windparkbetriebs Abb. 3: Einsatzfenster repräsentativer CTV-Schifstypen für Ofshore-Windparks in der Nordsee (oben: BSH-Nordseeboje „NSB3“) und in der Ostsee (unten: BSH-Ostseeboje „Arkona“) Quelle: Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, www.bsh.de Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 33 Abb. 4: Links: SWATH@A&R-Tender „Natalia Bekker“ während des Personenüberstiegs auf eine Ofshore-Windenergieanlage im Windpark „BARD Ofshore 1“ Quelle (links): Abeking & Rasmussen Rechts: Abseilen eines Service-Technikers auf die Areva Wind Multibrid M5000 im Windpark „alpha ventus“ Quelle (rechts): Wiking Helikopter Service zunehmender Windparkgröße wird durch Skalenefekte ein degressiver Efekt bezüglich des Personalbedarfs je Windpark erzeugt. Es wird davon ausgegangen, dass sich der tägliche Ofshore-Personalbedarf für einen Windpark innerhalb der Maximal- und Minimalszenarien bewegt, da die Windparkbetreiber unterschiedliche Service- und Betriebskonzepte fokussieren und allgemeingültige Aussagen nur durch das Aufstellen dieser Szenarien ermöglicht wird. Im Rahmen der Jahreswartung in den Sommermonaten, fällt der Personalbedarf sogar doppelt bis dreifach so hoch aus wie in Abbildung- 5 gekennzeichnet. Die Marktpotenziale für Personentransporte werden in „Ofshore-Solutions“ für sämtliche deutschen Ofshore-Windparks innerhalb der aufgestellten Minimal- und Maximalszenarien inklusive der Jahreswartungen hochgerechnet. Entsprechend der Methodik zur Mengengerüst- und Marktvoluminakalkulation für Personentransporte, lassen sich diese auch für Materialtransporte in Ofshore-Windparks hochrechnen, wobei auch hierbei ladungs-, transport- und wetterbedingte Randbedingungen einzuhalten sind. Um eine genaue Aussage zu Dienstleistungspotenzialen für die maritime Industrie zu treffen, gilt es, die vorhandenen Kompetenzen der Werften, Reedereien und maritimen Zulieferern zu konkretisieren und mit den Chancen und Risiken abzugleichen, die sich aus den Lösungsansätzen für die ermittelten Leistungsbereiche ergeben. Durch „Ofshore-Solutions“ werden schließlich potenzielle Handlungspfade für eine erfolgreiche Positionierung der maritimen Industrie als Lösungsanbieter während des Ofshore- Windparkbetriebs aufgezeigt. Das IGF-Vorhaben-394-ZN der Forschungsvereinigung Center of Maritime Technologies- e. V. (CMT) wird über die AiF- e. V. im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung Abb. 5: Täglicher Ofshore-Personalbedarf während des Windparkbetriebs und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert. ■ LITERATUR [1] Bundesregierung (Hrsg): Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energie, August 2010 [2] BRIESE, D.: Logistische Herausforderungen und Bedarfe für die Errichtung von Ofshore-Windparks in Europa - Schife, Häfen, Hinterland, Wind: Research, Wind & Maritim 2012 in Rostock, Mai 2012. [3] HOLBACH, G. und SEITER, M.: Ofshore-Solutions: Dienstleistungspotenziale von Werften und Reedereien als Lösungsanbieter während des Betriebs von Ofshore-Windparks, Schif & Hafen, Jg. 63, S. 50-51, Dezember 2011. [4] HOLBACH, G. und STANIK, C.: Auf dem Weg zum Lösungsanbieter für den Betrieb von Ofshore-Windparks, Ingenieurspiegel, Ausg. 2, S. 87-88, Mai 2012. [5] BSH: Seegangsstatistik der Messtationen in der Deutschen Bucht und der westlichen Ostsee im Jahr 2011, online unter www.bsh.de, Januar 2012. [6] DEBIERRE, F.: AREVA Wind: Lessons learnt alpha ventus, CEO der AREVA Wind GmbH, HUSUM WindEnergy, September 2010. [7] BOLL, M.: Service-Konzept und erste Betriebserfahrungen des Ofshore-Windparks EnBW Baltic 1, EnBW Erneuerbare Energien GmbH, KELI Berlin, Mai 2012. Gerd Holbach, Prof. Dr.-Ing. Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme Institut für Land- und Seeverkehr TU Berlin gerd.holbach@tu-berlin.de Christopher Stanik, Dipl.-Ing. Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme Institut für Land- und Seeverkehr TU Berlin christopher.stanik@tu-berlin.de Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 34 Grenzen des Güterverkehrswachstums werden sichtbar Die bisher zugrunde gelegten Wachstumsprognosen der Güterverkehrsleistungen scheinen zu hoch angesetzt. Sie erfordern einen dynamischen Zubau von Infrastrukturen, der angesichts stark wachsender Kosten und begrenzter Budgets nicht realistisch erscheint. D ie Bundesregierung lässt derzeit - als Datengrundlage für die Erstellung des Bundesverkehrswegeplans 2015 - eine aktuelle Verkehrsprognose mit Projektionshorizont 2030 erstellen. Die regelmäßig hohen Wachstumsprognosen für den Güterverkehr sind Gegenstand eines unversöhnlichen Konlikts. Für die einen führen sie wiederholt zum Ruf nach erhöhten Infrastrukturinvestitionen, die erst Voraussetzung dafür sind, dass sich die Wachstumsprognosen erfüllen können. Für die anderen beleuchten sie ein ungelöstes Umweltproblem: ein angemessener Beitrag des Güterverkehrs zum Klimaschutz ist nicht in Sicht. In seinem Umweltgutachten 2012 hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen Gründe dafür genannt, Trends der Vergangenheit nicht in die Zukunft zu extrapolieren und wachstumsbremsende Einlussfaktoren genau zu analysieren [1]. Eine realistische Sicht könnte die Konlikte um den Güterverkehr entschärfen. Deutschland im internationalen Vergleich In Deutschland lag das Wachstum des Güterverkehrs in den letzen beiden Dekaden über demjenigen des Bruttosozialprodukts. Demgegenüber fällt im internationalen Vergleich auf, dass in einigen Industrieländern eine relative Entkopplung von Wirtschafts- und Güterverkehrswachstum festgestellt werden kann [2, 3]. Deutliche Sättigungstendenzen sind beispielsweise in den USA zu beobachten, allerdings auf einem sehr hohen Niveau der Verkehrsintensität. Bei traditionell äußerst niedriger Transportintensität sind auch in Japan Tendenzen einer relativen Entkopplung erkennbar. Auf europäischer Ebene zeigen sich deutliche Unterschiede in der Entwicklung zwischen den verschiedenen Staaten. Während die Güterverkehrsintensität in Europa (EU-27) insgesamt im Zeitraum von 1995 bis zu Beginn der Krise im Jahr 2008 weitgehend stabil blieb, konnte in den meisten Staaten der EU-15 eine relative Entkopplung der Güterverkehrsleistung vom BIP erreicht werden (vgl. Abbildung 1). Hingegen wuchs in der Mehrheit der neuen osteuropäischen Mitgliedstaaten sowie auf der iberischen Halbinsel die Güterverkehrsleistung deutlich schneller als das BIP. Letzteres lässt sich mit der nachholenden Wirtschaftsentwicklung und der Integration der neuen Die Autoren: Christian Hey, Carl-Friedrich Elmer INFRASTRUKTUR Verkehrsprognose Foto: Deutsche Bahn AG: Uwe Winkler Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 35 Abb. 1: Entwicklung der Güterverkehrsleistung im Verhältnis zum BIP in Europa zwischen 1995 und 2008 Quelle: Eurostat Mitgliedstaaten in den europäischen Binnenmarkt sowie einem erheblichen Infrastrukturzubau erklären. Die von anderen EU-15-Staaten abweichende Entwicklung der Güterverkehrsleistung in Deutschland liegt in wesentlichen Teilen auch in der Rolle Deutschlands als wichtigem Handelspartner und Transitland für die osteuropäischen EU-Staaten begründet. Hierbei dürfte es sich allerdings um zeitlich begrenzte Sonderfaktoren handeln. Es erscheint wahrscheinlich, dass sich nach einer Phase rasanten Wachstums im Außenhandel die Zuwachsraten von Außenhandel und BIP künftig zunehmend angleichen werden Prognostizierte Entwicklung in Deutschland Im Gegensatz zum grundsätzlichen Trend für Gesamteuropa wird für Deutschland in bisherigen Studien mehrheitlich auch weiterhin keine Entkopplung erwartet, wodurch sich der verkehrs- und klimapolitische Handlungsdruck erhöht. Gemäß der letzten Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverlechtungen aus dem Jahr 2007 würde die Güterverkehrsleistung bis 2025 erneut um die Hälfte wachsen [4]. Mithin überträfe das Wachstum der Güterverkehrsleistung das Wirtschaftswachstum weiterhin deutlich, die Transportelastizität läge im Bereich zwischen 1,5 und 1,8. Bis zum Jahr 2050 erwartet Progtrans eine Verdoppelung der gegenwärtigen Verkehrsleistung, wobei die Transportintensität bis 2040 weiter ansteigt und danach stagniert [5]. Im Referenzszenario für das Energiekonzept der Bundesregierung wird - bei höherem Ölpreis und niedrigerem Wirtschaftswachstum - zwar ein deutlich geringerer Zuwachs bei der Güterverkehrsleistung erwartet; eine Entkopplung indet jedoch trotz im Zeitverlauf abnehmender Transportelastizität nicht statt [6]. In der „Leitstudie 2011“ des Bundesumweltministeriums zum Ausbau der erneuerbaren Energien wird - bei gleichen Annahmen zum BIP und ähnlichem Ölpreisniveau wie in [6] - erst nach dem Jahr 2030 eine zunächst relative und später auch absolute Entkopplung prognostiziert [7]. Selbst wenn die absolute Güterverkehrsleistung in Deutschland in den kommenden Jahren weiter steigen wird, so ist doch eine dauerhafte Fortschreibung vergangener, deutlich über dem Wirtschaftswachstum liegender Wachstumsraten kritisch zu hinterfragen. Generell lässt sich bereits die Tendenz feststellen, dass gerade in jüngeren Prognosen regelmäßig ein signiikant geringeres Wachstum der Güterverkehrsleistung erwartet wird. Die Ursachen hierfür liegen sicherlich zum einen in den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/ 2009. Zum anderen sprechen jedoch verschiedene langfristige Nachfrage- und Angebotstrends grundsätzlich für eine sich deutlich verlangsamende Wachstumsdynamik (siehe [1] für eine ausführlichere Darstellung und weitere Nachweise). Strukturwandel der Nachfrage Es gibt Anzeichen dafür, dass sich wichtige Nachfragetrends nicht bis 2050 ungebrochen fortsetzen. Dämpfend dürften sich die folgenden Faktoren auf das Güterverkehrswachstum auswirken: • Tendenziell ist mit ablachenden wirtschaftlichen Wachstumsraten zu rechnen, wobei die langfristigen Auswirkungen der aktuellen Schulden- und Währungskrise bisher noch kaum absehbar sind. Derzeit ist weitgehend unklar, wie lange die Krise anhalten, inwieweit sie den internationalen Handel beeinlussen und in welchem Ausmaß sie auf Deutschland überschlagen wird. • Das Wirtschaftswachstum sowie die ökonomische Integration der osteuropäischen Länder in den europäischen Binnenmarkt und der Strukturwandel in diesen Ländern werden sich nach einer dynamischen Auholphase stabilisieren. Mit voranschreitender wirtschaftlicher Konvergenz ist überdies eine Zunahme der Transportkostensensitivität zu erwarten. Transportkostensteigerungen könnten demnach eine stärker dämpfende Wirkung auf das Güterverkehrswachstum haben. • Die Tertiarisierung der Ökonomie, das heißt ein fortschreitender wirtschaftlicher Bedeutungszugewinn des Dienstleistungssektors, macht auch vor Deutschland nicht halt. Der Anteil des Industriesektors wird zwar im internationalen Vergleich hoch bleiben, der Trend zur Tertiarisierung wird aber zeitverzögert ebenfalls nachvollzogen. • Eine relative Dematerialisierung der Ökonomie indet seit Jahrzehnten statt, INFRASTRUKTUR Verkehrsprognose Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 36 das heißt der gesamte inländische Materialverbrauch ist in den letzten Jahrzehnten in der EU und in Deutschland deutlich langsamer gestiegen als das BIP [8]. Diese Markttrends werden sich mit der absehbaren weiteren Verteuerung mineralischer und biogener Rohstofe in Zukunft weiter fortsetzen. Da mit jedem Materialeinsatz in der Regel auch Transportvorgänge verbunden sind, wird dies einen dämpfenden Efekt auf die Verkehrsleistung haben. • Trotz der Grundtendenz der vergangenen Jahrzehnte einer zunehmend weiträumigeren (internationalen) Arbeitsteilung sind auch Gegentrends verbrauchernaher Erzeugung zu beobachten. Dies gilt insbesondere für die produktionsnahe Beschafungslogistik durch die enderzeugernahe Ansiedlung von Zulieferindustrien. • Ferner schlägt sich das Wachstum der Güterverkehrsleistung aufgrund von Eizienzverbesserungen in der logistischen Kette nicht in einem proportionalen Zuwachs der Fahrleistung nieder. Dies ist insbesondere auf die bessere Koordination und das bessere Auslastungsmanagement in großen Güterverkehrszentren zurückzuführen Angebotstrends: Kostensteigerungen und Infrastrukturengpässe Wichtige Angebotsfaktoren für das bisherige Güterverkehrswachstum sind die Transportgeschwindigkeit, die Transportkosten und die Eizienz in der logistischen Kette. Diese Faktoren haben in den letzten Jahren physische und ökonomische Raumwiderstände vermindert und damit den Radius der Verlechtungen und ihre Komplexität erhöht. Gerade diese Raum-Zeit-Ökonomie ist jedoch einem Strukturwandel unterworfen. • Das Verharren auf hohem Niveau bzw. ein weiterer Anstieg des Ölpreises und damit der Transportkosten ist wahrscheinlich. Auch eine konsequente Klimapolitik würde zu einer signiikanten Erhöhung der Transportkosten führen. Dabei ist insgesamt zu beachten, dass die Transportkostenelastizität des zwischeneuropäischen Handels, der trotz eines abnehmenden Anteils am Gesamthandel weiterhin eine dominante Rolle einnimmt, hoch ist. • Die Infrastrukturinvestitionen werden selbst bei deutlicher Erhöhung nicht mit dem Kapazitätsbedarf des bisher prognostizierten Güterverkehrswachstums mithalten können. Im Bereich der Verkehrswegeinvestitionen für den Schienenwie auch für den Straßenverkehr LITERATUR [1] SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen) (2012): Umweltgutachten 2012. Verantwortung in einer begrenzten Welt. Kapitel 4. Güterverkehr und Klimaschutz. Berlin. http: / / www. umweltrat.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ 01_Umweltgutachten/ 2012_Umweltgutachten_Kap_04.html. [2] International Transport Forum (ITF) (2010): Transport Greenhouse Gas Emissions - Country Data 2010. Paris. [3] OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) (2006): Decoupling the Environmental Impacts of Transport from Economic Growth. Paris. [4] Intraplan Consult, BVU (Beratergruppe Verkehr + Umwelt) (2007): Prognose der deutschlandweiten Verkehsverlechtungen 2025. München, Freiburg. [5] Progtrans (2007): Abschätzung der langfristigen Entwicklung des Güterverkehrs in Deutschland bis 2050. Schlussbericht. Basel. [6] Prognos, EWI (Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln), GWS (Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung) (2010): Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung. Basel, Köln, Osnabrück. [7] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES), Ingenieurbüro für neue Energien (IFNE) (2010): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. Stuttgart, Kassel, Teltow. [8] European Environment Agency (EEA) (2010): The European Environment - State and Outlook 2010. Synthesis. Copenhagen. Christian Hey, DirProf. Dr. Generalsekretär Sachverständigenrat für Umweltfragen, Berlin christian.hey@umweltrat.de Carl-Friedrich Elmer, Dipl.-Volksw. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Sachverständigenrat für Umweltfragen, Berlin carl-friedrich.elmer@umweltrat.de liegt Deutschland signiikant unter dem Niveau anderer europäischer Länder. Bei deutlich steigenden Baukosten stagnieren die Verkehrswegeinvestitionen - abgesehen von nur vorübergehenden Sonderefekten der Konjunkturprogramme I und II - in absoluten Zahlen zwischen 2001 und 2012. Dies hat zu deutlichen Verzögerungen bei der Abarbeitung der Projekte des vordringlichen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003 und der Unterinanzierung der dort genannten Neubauprojekte und Instandhaltungsmaßnahmen geführt. • Mit Infrastrukturengpässen und wachsender Komplexität der Transportketten steigt auch das Friktionsrisiko, das heißt die Möglichkeit, dass die Transportkette nicht zeitgenau und reibungslos organisiert werden kann. Zur Vermeidung solcher Risiken haben Unternehmen verschiedene mittelbis langfristig umsetzbare Handlungsoptionen, die mit einer Verminderung der Transportintensität einhergehen können, wie beispielsweise den Wiederaubau von Lagern als Pufer oder die Ansiedelung von Zulieferern in der Nähe der Endfertigung. Schlussfolgerungen Aus internationalen Vergleichen lässt sich erkennen, dass Wirtschafts- und Güterverkehrswachstum nicht durch ein starres Verhältnis gekennzeichnet sind und die Verkehrsintensität der Wirtschaft grundsätzlich beeinlussbar ist. Eine zukunftsfähige und realitätsorientierte Verkehrspolitik sollte die genannten Faktoren auf der Nachfrage- und Angebotsseite aufgreifen und sie in der Verkehrsprognose und Verkehrswegeplanung berücksichtigen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt wird dabei sein, das Versprechen einer immerwährenden Anpassung der Straßeninfrastrukturkapazitäten an eine scheinbar naturwüchsig steigende Nachfrage aufzugeben. Stattdessen sollte die Politik gezielt bestimmte Entkopplungstendenzen verstärken sowie unternehmerische Innovations- und Standortstrategien zur Anpassung an entstehende Angebotsengpässe und Transportkostensteigerungen unterstützen. Leitbilder für eine Senkung der Verkehrsintensität der Wirtschaft sind eine verstärkte Dematerialisierung, verkehrssparende Raumstrukturen sowie eine verbesserte Eizienz der Logistikketten. Beispielhafte Ansatzpunkte hierzu sind im Hinblick auf ihre Verkehrsauswirkungen optimierte Güterverkehrszentren oder eine verbesserte Kommunikationsinfrastruktur zur Förderung der Zusammenarbeit verschiedener Logistikanbieter. Auch die regionale und übergeordnete Wirtschaftspolitik können einen Beitrag zur Verstärkung von Entkopplungstendenzen der Verkehrsnachfrage leisten, indem nahräumliche Wirtschaftsverlechtungen und Unternehmenscluster gefördert werden. ■ Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 37 INFRASTRUKTUR Wissenschaft D ie Diskussion und Forschung zur Regulierung von Verkehrsinfrastruktur wird hauptsächlich auf zwei Ebenen mit unterschiedlichen theoretischen Hintergründen geführt. Stand der Forschung Zum einen auf einer volkswirtschaftlichen Ebene im Hinblick auf die Netzökonomie. Hier dominieren Fragestellungen zu ehemals staatlichen Monopolbereichen (z.- B. Energie, Telekommunikation, Post, Eisenbahn) und der organisatorischen Entlechtung ihrer physischen Netzebenen. 1 Zum anderen mit verkehrsträgerspeziischen Diskussionen, die auf dem verkehrswissenschaftlichen Expertenwissen für den jeweiligen Verkehrsträger basieren. 2 Sie werden teilweise unabhängig voneinander, in unterschiedlicher Detailtiefe und ohne erkennbaren Gesamtzusammenhang geführt. So ist die Zahl der Wettbewerber für Bodenabfertigungsdienste auf europäischen Flughäfen reguliert, während eine entsprechende Regelung für Terminalbetreiber im Hafen gescheitert ist. Allgemein ist die Regulierungsdiskussion für Eisenbahninfrastruktur am weitesten fortgeschritten - der aktuelle Fokus liegt hier u.- a. auf dem Zugang zu Serviceeinrichtungen und Fahrkartenverkaufslächen sowie der Bepreisung von Bahnstrom. Insbesondere die beiden zuletzt genannten Bereiche werden dabei als Beispiele für monopolistische Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur genannt. 3 Der abweichende Regulierungsgrad unterschiedlicher Verkehrsträger ist zu einem Teil in deren Speziika begründet. Um eine größere Konsistenz herzustellen und insbesondere auch, um intermodale Betrachtungsweisen stärker in die Regulierungsdiskussion einließen lassen zu können, sollten jedoch zusätzlich verkehrsträgerübergreifende Vergleiche in die Forschung integriert werden. Hierzu ist es sinnvoll, ein übergreifendes Ordnungskriterium für monopolistische Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur, und zwar zunächst unabhängig vom Personen- oder Güterverkehr, einzuführen. Ein Engpass ist gegeben, sofern knappe Kapazitäten auftreten. Zur Bewertung des monopolistischen Charakters von Engpässen wird in der aktuellen Diskussion auf das Kriterium der „Essential Facilities“ zurückgegrifen, dessen Ursprünge im US-amerikanischen Wettbewerbsrecht liegen. Demnach ist ein monopolistischer Engpass gegeben, wenn (1) ohne den Zugang zu dieser Einrichtung der Zugang zu einem nachgelagerten Markt nicht möglich ist und (2) es den Marktteilnehmern des Komplementärmarkts nicht möglich ist, die Einrichtung unter Einsatz angemessener Mittel zu duplizieren und kein Substitut vorhanden ist. 4 In abgewandelter Form wird diese Deinition auch durch die Europäische Union zur Regulierungsdiskussion in der Telekommunikationsindustrie empfohlen. Zur Bestimmung der Regulierungswürdigkeit eines Marktes ist durch Staaten demnach zu testen, ob (1) hohe und dauerhafte Markteintrittsbarrieren vorliegen, (2) der Markt im relevanten Betrachtungszeitraum nicht zu efektivem Wettbewerb tendiert und (3) das ordentliche Wettbewerbsrecht zur Regulierung des Marktes nicht ausreicht. 5 Diese Deinitionen, die aus den Diskussionen um physische Netze entstanden sind, erscheinen in Bezug auf Verkehrsinfrastrukturen als nicht weitreichend genug. So wird das Angebot von Flugsicherungsleistungen nicht als monopolistischer Engpass deklariert, da eine Verlagerung der Infrastruktur von einem Einsatzort zu einem anderen möglich sei. 6 Dass die Flugsicherung einen Engpass im Luftverkehr darstellt, zeigt sich jedoch z. B. durch die Auswirkung einzelner Störungen im Betriebsablauf der Fluglotsen. Es erscheint als nicht sinnvoll für die Eizienz des Gesamtsystems Flugsicherung, eine doppelte Netzstruktur aufzubauen. Gleichzeitig gilt es jedoch, auch einzelne Subsysteme zu betrachten. So sollte die Sicherung des Rollverkehrs und des An- und Ablugs jeweils regional durch einen Regulierung monopolistischer Engpässe Die zukünftigen Fragen der Regulierung lassen sich ohne ein einheitliches verkehrswissenschaftlich unterlegtes Ordnungskriterium nicht lösen. Die zentrale Rolle spielt hierbei eine erweiterte Prüfung der Regulierungsbedürftigkeit monopolistischer Engpässe, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung von Nutzungs- und Preiseizienz. Die Autoren: Sebastian Jürgens, Sebastian Keitel INFRASTRUKTUR Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 38 auf eine Analyse des Verkehrslusses und die Anwendung intermodaler Konzepte, abzuleiten. Verkehrswissenschaftliche Betrachtung unter Einbezug des Eizienzkriteriums Zur Einordnung einer Verkehrsinfrastruktureinrichtung als monopolistischer Engpass sollten demnach grundsätzlich sowohl die Engpass-, als auch die Monopoleigenschaft bewertet werden. Erst danach sollte über die Regulierungsbedürftigkeit des monopolistischen Engpasses entschieden werden. In allen Fällen sollte eine Eizienzprüfung vorgenommen werden. Hierbei stellen Nutzungs- und Preiseizienz die beiden wichtigsten Kriterien dar. Das Regulierungsinstrument sollte dann entsprechend der identiizierten Ineizienz gewählt werden. Zunächst ist festzustellen, ob ein Engpass vorliegt. Dabei ist neben dem klassischen Kriterium der Marktzugangsvoraussetzung eine Prüfung der Nutzungseizienz vorzunehmen. Besonders die Nutzungseizienz der bestehenden Verkehrsinfrastruktur im Hinblick auf Auslastungsgrad und Verfügbarkeit ist vor dem Hintergrund der stetig steigenden Hürden in der Umsetzung diverser Neu- und Ausbauprojekte von aktueller Bedeutung. So ist zu beantworten, ob die Auslastung der Verkehrsträgerkapazität ausreichend ist, um die prognostizierte Nachfrage in einem bestimmten Zeitraum zu bedienen. Dabei sind intermodale und integrierte Logistikkonzepte und Wettbewerbssituationen ausdrücklich einzubeziehen. Sofern ein Engpass gegeben ist, muss eine Monopolsituation festgestellt werden. Die klassischen Prüfungskriterien der Duplizierbarkeit und der Substituierbarkeit sollten wiederum um ein Eizienzkriterium erweitert werden. Ein Schwerpunkt im Rahmen dieses Prüfungskomplexes sollte auf der Preiseizienz liegen. Dazu müsste die Wettbewerbssituation eine eiziente Preisbildung verhindern. In diesem Fall kann das System kostengünstiger und damit ggf. attraktiv Anbieter durchgeführt werden. Im Bereich der Streckenkontrolle ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, warum einzelne Regionen bzw. alternative Flugrouten nicht in den Wettbewerb, z. B. durch Ausschreibungen, gestellt werden könnten. Eine ähnliche Diskussion ergibt sich in der Eisenbahninfrastruktur im Hinblick auf Fahrdienstleiter. Auch dieser Bereich wird nicht als monopolistischer Engpass klassiiziert. 7 Die praktische Erfahrung zeigt jedoch in einzelnen Fällen, dass die Einrichtung zu disaggregierter Marktmacht und somit zu Diskriminierungsmöglichkeiten führen kann. 8 Beide Beispiele machen deutlich, dass eine diferenzierte Betrachtung aller Stufen nicht nur der Verkehrslüsse, sondern insbesondere der jeweiligen logistischen Wertschöpfungsketten bis hin zum Endkunden geboten ist. Dies lässt sich anhand eines weiteren Beispiels belegen: Im Schienenverkehr werden insbesondere Werkstätten und Rangiereinrichtungen als Engpässe mit monopolistischem Diskriminierungspotenzial angesehen. 9 Diese werden zum Teil reguliert, obwohl Marktteilnehmer, die von den jeweiligen Einrichtungen ausgeschlossen wurden, trotzdem erfolgreich in den Markt eintreten konnten. 10 Dass Dritte mit vergleichsweise niedrigen Investitionen, insbesondere im angrenzenden osteuropäischen Bereich, eine relativ kostengünstige Struktur aubauen können, wird dabei weitgehend vernachlässigt. 11 Demgegenüber wird berechtigterweise unterstellt, dass im Seehafenbetrieb die großen Terminalbetreiber dreistellige Millionenbeträge zum Aubau einer Suprastruktur nach marktwirtschaftlichen Kriterien investieren und sich mögliche Engpässe auf diese Weise in kurzer Zeit aulösen. 12 In beiden Fällen sind ausführliche Betrachtungen der logistischen Wertschöpfungsketten, der jeweiligen Engpässe und der (verkehrsträgerübergreifenden) Lösungsmöglichkeiten vorzunehmen. Aus diesen Analysen sind die daraus folgenden Regulierungseingrife, insbesondere im Hinblick Abb. 1: Prüfung der Regulierungsbedürftigkeit monopolistischer Engpässe Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 39 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Das Team am Fachgebiet für Logistik der TU Berlin strebt die Entwicklung einer solchen verkehrswissenschaftlichen Kennzahl zur Nutzungseizienz an, die einen zusätzlichen Anhaltspunkt bei der Beurteilung der Regulierungswürdigkeit monopolitischer Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur geben soll. Zugleich wird erforscht, ob ein systematischer, verkehrsträgerübergreifender Zusammenhang zwischen der Art der Ineizienz und der Wahl von Regulierungsinstrumenten existiert. Hierbei wird auf die umfangreiche Erfahrung des Lehrstuhls aus der (Verkehrs-)Logistikforschung, aus integrierten Verkehrsträgerprojekten sowie die vielfältigen Praxiskontakte aufgebaut. Gleichzeitig wird der umfassende Dialog mit bestehenden Forschungseinrichtungen gesucht. 15 ■ 1 Vgl. Aberle (1992), Knieps (2007), Lüdemann (2008), Institut für Wirtschaftsforschung (2012) 2 Vgl. Götz, Pakula (2011), Jahn (2004, 2010), Brooks (2004), Mitusch/ Liedtke (2010a, 2010b), Siegmann (2010), Beckers (2006), Madas / Zografos (2006), Notteboom / Pallis (2012), Notteboom/ Verhoeven/ Fontanet (2012) 3 Vgl. Miram (2012), Monopolkommission (2011) 4 Vgl. Knieps/ Weiß (2009) 5 Vgl. Commission of the European Communities (2007) 6 Vgl. Knieps/ Weiß (2009) 7 Vgl. Knieps/ Weiß (2009) 8 Vgl. Monopolkommission (2011) 9 Vgl. Monopolkommission (2011) 10 Vgl. Monopolkommission (2011), Mitusch/ Liedtke (2010b) 11 Vgl. Viatrans.eu (2012) 12 Vgl. Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (2005) 13 Zur Bewertung der Kosten- und Preiseizienz sind bereits unterschiedliche Konzepte eingeführt. (z. B. Grenzkostentheorie, Ramsey-Preise, etc.) 14 Vgl. Hauler (2009) 15 Etablierte Forschungsgruppen umfassen u. a. die Florence School of Regulation, den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der TU Berlin, das Dusseldorf Institute for Competition Economics und das Institut für Verkehrswissenschaft und Regionalpolitik der Universität Freiburg. für weitere Mengen werden. Die wesentlichen Kriterien hierfür sind die Kosten der Leistungserbringung, der Preis im nachgelagerten Markt sowie der jeweilige Investitionsbedarf in die Infrastruktur, auch unter Berücksichtigung von Innovationen in Technik und Leistungserbringung. 13 Im Anschluss an die Identiikation monopolistischer Engpässe steht die Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gesicherte, auch zeitlich begrenzte Monopole in einzelnen Fällen zu einer gestiegenen Investitionsbereitschaft und -tätigkeit führen. Dies sollte in Zeiten eingeschränkter öfentlicher Investitionsmittel in die Entscheidung zur Regulierungsbedürftigkeit einließen, um eine höchstmögliche Efektivität bei der Mittelzuteilung und -verwendung zu erreichen. Sollte sich ein Veränderungsbedarf im Hinblick auf eine (De-)Regulierung ergeben und damit absehbar mehr Nachfrage im System zu verarbeiten sein, sind potenzielle neue Engpässe durch eine erneute Simulation festzustellen. Abschließend steht die Wahl des Regulierungsinstruments, die möglichst in Abhängigkeit zur festgestellten Art der Ineizienz geschehen sollte. Zur Auswahl stehen Konzepte zur Zugangs-, Preis- und Anreizregulierung, die derzeit erforscht und teilweise in der Praxis angewendet werden. 14 Bei der Entscheidung zu (De-)Regulierungsinstrumenten sollten unbedingt praktische Erfahrungen bereits etablierter Konzepte bewertet werden, um daraus insbesondere auch verkehrsträgerübergreifende Rückschlüsse ziehen zu können. Beispiele hierfür sind die Vergabesystematik für Trassen im Schienenverkehr und die Slotvergabe im Luftverkehr sowie die Bodenabfertigung an Flughäfen und Terminaldienstleistungen in Häfen. Schrittweise Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit Mithilfe des skizzierten Prüfschemas wird sichergestellt, dass die ganzheitliche Betrachtung logistischer Wertschöpfungsketten, einschließlich der Verkehrslussanalysen, als wichtiger Baustein in die Beurteilung von Regulierungsentscheidungen einließt. Damit werden die Verkehrssysteme anhand ihrer faktischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten überprüft, bevor eine eventuelle Regulierungsentscheidung getrofen wird. Die verkehrswissenschaftliche Eizienzbewertung wird dabei zur Grundlage für (De-)Regulierungsentscheidungen monopolistischer Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur, und zwar im Hinblick auf die Notwendigkeit der Regulierung und ggf. der Auswahl des Regulierungsinstruments. LITERATUR ABERLE, G.: Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik; 2. Aulage; Berlin, Köln; 1992 BECKERS, T.: Regulierung und Privatisierung von Flughäfen in Deutschland; Nürnberg; 2006 BROOKS, M.: The Governance Structure of Ports; Review of Network Economics; Vol. 3, Issue 2, 2004/ 06 Commission of the European Communities: Commission Recommendation; C(2007) 5406 rev 1; Brussels; 2007 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Regulierung netzbasierter Sektoren; Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung: 1.2012, 81. Jahrgang; Berlin: Duncker & Humblot; 2012 GÖTZ, G.; PAKULA, B.: Wettbewerb und Regulierung des Bahnmarktes; In: Wirtschaftsdienst, Vol. 91(4), April 2011, S. 270-275 HAUFLER, A.: Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik; München; 2009 Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik: Folgenabschätzung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Marktzugang für Hafendienste (Port Package II); Bremen; September 2005 JAHN, C.: Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen; Berlin: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; 2010 JAHN. 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Jahrgang, S. 149-165; Berlin: Duncker & Humblot; 2012 MITUSCH, K.; LIEDTKE, G.: Aktuelle Diskriminierungspotentiale im deutschen Eisenbahnsektor; Berlin: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; 2010a MITUSCH, K.; LIEDTKE, G.: Zugangsregulierung zu Serviceeinrichtungen des Eisenbahnsektors; Berlin: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; 2010b Monopolkommission: Bahn 2011: Wettbewerbspolitik unter Zugzwang; Bonn; 2011 NOTTEBOOM, T.; PALLIS, A.; FARRELL, S.: Terminal concessions in seaports revisited; In: Maritime Policy & Management, Vol. 39: 1, S. 1-5; 2012 NOTTEBOOM, T.; VERHOEVEN, P.; FONTANET, M.: Current Practices in European ports on the awarding of seaport terminals to private operators: toward an industry good practice guide; In: Maritime Policy & Management, Vol. 39: 1, S. 107-123; 2012 SIEGMANN, J.: Die Verfügbarkeit adäquater Eisenbahninfrastruktur als wesentliche Voraussetzung zur Erbringung von Schienenverkehrsdienstleistungen; Berlin: BMVBS; 2010 Viatrans.eu: Best Practice in the Field of Intermodal Transport: Metrans; 2012 Sebastian Jürgens, Prof. Dr. Honorarprofessor am Fachgebiet für Logistik, TU Berlin juergens@logistik.tu-berlin.de Sebastian Keitel, Dipl.-Ing. Fachgebiet Logistik TU Berlin keitel@logistik.tu-berlin.de MOBILITÄT Interview Uwe Clausen Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 40 Systemwechsel zur vernetzten Mobilität Die Beförderungsleistung aller Verkehrsträger im Personen- und Güterverkehr wächst stetig. Nicht zuletzt, weil der Mobilitätsbedarf von Waren und Menschen sowie der Urbanisierungsgrad steigen. Gleichzeitig nehmen Energiebedarf und Sicherheitsbedürfnis zu. Was können Verkehrswirtschaft und -wissenschaft tun, um auch künftig den Verkehr ließen zu lassen sowie mit Ressourcen verantwortlich umzugehen? Darüber sprach Kerstin Zapp mit Prof. Dr.-Ing. Uwe Clausen, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Verkehr. Herr Professor Clausen, welche weltweiten Megatrends haben Ihrer Meinung nach Einluss auf den Bereich Verkehr? Globalisierung, d. h. insbesondere weltweite Kommunikation und Arbeitsteiligkeit, sorgt für steigenden Güterverkehr und Personenmobilität. Urbanisierung bedeutet, dass immer mehr Menschen in Städte ziehen - und sie möchten natürlich auch hier mobil sein. Auch der Transport von Gütern im urbanen Raum nimmt zu, obwohl der Schwerpunkt hier auf den großen Korridoren zwischen industriellen Zentren und Distributionszentren sowie im Seehafenhinterlandverkehr liegt. Nachhaltigkeit ist eine Jahrhundertaufgabe. Der Verkehr muss energieeizienter werden und damit seinen CO 2 -Footprint verringern, aber auch der Verkehrslärm ist weiterhin eine Herausforderung. Wie stellen sich die Fraunhofer-Kunden aus der Verkehrswirtschaft auf die zu erwartenden Entwicklungen ein? Im öfentlichen Personenverkehr stehen Herausforderungen wie Qualität und Komfort im Vordergrund, d. h. konkret Anschlusssicherung, Zugang zum einzelnen Verkehrsmittel und Mobile Ticketing stehen im Fokus unserer Kunden. Um die entstehenden Mobilitätsbedarfe noch besser zu bedienen, sind Themen wie Car-Sharing oder auch Bike-Sharing auf der Agenda. Im Verbundvorhaben „Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität“ sind unsere Institute mit Forschung an Schnittstellen zwischen Stromnetz und Fahrzeug bis hin zu neuen Fahrzeugkonzepten und einer künftigen Infrastruktur beteiligt. Im Güterverkehr stehen Themen wie die Nachhaltigkeit, Sicherheit und Robustheit, die Versorgung im urbanen Raum, die Optimierung globaler Logistiknetzwerke sowie der intermodale Verkehr im Fokus. Wie und in welchen Bereichen können die Fraunhofer-Institute der Allianz Verkehr der Praxis helfen? Als Fraunhofer-Allianz Verkehr bündeln und kommunizieren wir die Kompetenzen unserer Institute in allen verkehrsrelevanten Bereichen, die wir in unseren Arbeitsgruppen Automotive, Aviation, Rail, Waterborne und Mobility organisiert haben. Die Kompetenzen reichen von der Messtechnik zur Infrastruktursicherung im Bahnsektor über die Verkehrslogistik zur Planung ganzer Häfen bis zur Entwicklung von Mobilitätskonzepten für Mega-Cities. In den Fraunhofer-Galileo-Labs tüfteln wir an neuen Anwendungen der Satellitennavigation in Verkehr und Logistik. Mit welchen Ideen begegnen Sie beispielsweise der wachsenden Urbanisierung und machen das Leben in Megastädten lebenswert? Aus Sicht des Verkehrs ist vor allem Eizienz im Umgang mit Fläche und Energie sowie die abgestimmte Planung von Personen- und Güterverkehr wichtig. Die Infrastruktur in vielen Städten gelangt heute bereits oft an Ihre Kapazitätsgrenze, ein Ausbau ist nicht immer möglich. Neben einer Verlagerung auf den ÖPNV noch stärker als bisher denken wir darüber nach, den Personenverkehr zeitlich vom Güterverkehr zu entkoppeln. Es ist nicht sinnvoll, Güter während der Rush Hour durch eine Stadt zu befördern. Hier müssen Ansätze gefunden werden, Randzeiten stärker zu nutzen. Wohin werden die Megatrends Nachhaltigkeit und Energieeizienz letztlich führen - in fünf und in 20 Jahren? In den nächsten fünf Jahren erwarte ich, dass sich vor allem die Datengrundlage und das Bewusstsein deutlich verbessern. Unternehmen brauchen Kennzahlen, die nicht nur grobe Schätz- oder Mittelwerte sind, sondern verbrauchsnah und belastbar Aussagen über die ökologischen Efekte verschiedener Logistkprozesse und -systeme zulassen. Auf dieser Basis werden wir im Güterverkehr vom Fahrertraining über das Benchmarking von Logistikstandorten bis hin zur Optimierung von Strukturen Fortschritte sehen, zu der die Forschung etwa im EizienzCluster LogistikRuhr derzeit wichtige Grundlagen erarbeitet. Im Personenverkehr wird der „E-Mobility-Hype“ nachlassen, eine realistische Betrachtung aller Mobilitätsangebote und Antriebstechniken Einzug halten und insbesondere im urbanen Raum der massenleistungsfähige Schienenverkehr gestärkt werden. Sicher 20 Jahre oder länger wird es dauern, bis wir etwas erreichen, was ich als „Systemwechsel zur vernetzten Mobilität“ bezeichnen möchte. Dahinter steht das Ziel, dass die Verkehrsträger nicht vorrangig miteinander konkurrieren, sondern in Kooperation Transport- und Wegeketten realisiert Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 41 werden, die die Kunden akzeptieren und die zugleich die Nachhaltigkeit des Gesamtverkehrssystems stärken. Neuartige Fahrzeugtypen werden dann ebenso zu wichtigen Bestandteilen des Verkehrssystems wie innovative Informations- und Bezahlsysteme. An welchen konkreten Projekten arbeiten Sie hier derzeit? Können Sie ein Beispiel pro Verkehrsträger nennen? Im Bereich Automotive ist ein aktuelles Thema die AutoTram® Extra Grand des Fraunhofer IVI aus Dresden, eine neue Fahrzeugtechnologie für den ÖPNV. Dieses Transportsystem vereint die Ausweichlexibilität, einfache Infrastruktur und vergleichsweise geringere Lebenszykluskosten eines Busses mit der hohen Transportkapazität, dem Fahrkomfort sowie den umweltverträglichen Antriebssystemen einer Bahn. Mit Projekten zur Infrastruktursicherung beschäftigen wir uns im Bahnbereich, wo unser Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg augensichere 3D- Laserscanner entwickelt, die so schnell und präzise messen, dass sie aus einem mit 100 Stundenkilometer fahrenden Zug die Position der Oberleitung oder den Fahrweg räumlich vermessen und überwachen können. Unsere jüngste Arbeitsgruppe, die AG Waterborne, arbeitet u. a. aktuell sowohl an der Schifsentwicklung als auch an der Logistik für einen zuverlässigen Einsatz von Binnenschifen im intermodalen Verkehr. Im Projekt „Multimodal Promotion“ des Fraunhofer IML steht z.B. im Fokus, dass mehr Güter auf Schiene oder Binnenschif transportiert werden, indem Verladern verbesserte, individuelle Informationen zur Verfügung stehen. Um Umweltwirkungen des Luftverkehrs drastisch zu verringern, forschen wir in den Instituten der AG Aviation im Rahmen der europäischen Initiative „Clean Sky“ an vielen Stellschrauben für den Luftverkehr von morgen. Information bzw. Vernetzung gilt ebenfalls als Megatrend im Verkehr. Welche Entwicklungen sind zu erkennen? Vernetzte Mobilität steht für einen Trend, vielleicht wird man einmal sagen können: einen Systemwechsel in der Mobilität. Neben der Konkurrenz zwischen Verkehrsträgern wird es dann vielmehr gut organisierte Kooperation geben. Flexible Wahl der für einen Transportzweck optimal geeigneten Kombination von Verkehrsmitteln wird ein zentrales Element der vernetzten Mobilität sein. Separate Informations-, Buchungs- und Ticketsysteme für die verschiedenen Verkehrsmittel wie ÖPNV, Car-Sharing oder die Bahn im Fernverkehr gehören dann für den Personenverkehr der Vergangenheit an und im urbanen Raum werden der Personen- und Güterverkehr enger miteinander verzahnt und abgestimmt. Abgesehen von Verkehrsmitteln - wie wird sich die Verkehrsinfrastruktur Ihrer Meinung nach verändern? Die Herausforderung besteht darin, dass die vorhandene Infrastruktur mit den herkömmlichen Mobilitätskonzepten zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt und ein Ausbau der Infrastruktur teuer und ein langwieriger Prozess ist. Es geht also um die optimale Nutzung der bestehenden Infrastruktur, u.a. auch durch die bessere Erfassung und Beförderung von Informationen. Wechselbeschilderung auf Autobahnen ist hier nur ein kleiner erster Schritt. Daneben müssen wir mehr auf Sicherheit achten: Unfallschwerpunkte entschärfen, Tempo 30 in Wohngebieten, Raser und Chaoten aus dem Verkehr ziehen, Fuß- und Radwege sichtbar machen, Ladungssicherung und Lkw-Routing … Es gibt noch viel zu tun. Jeden Tag sterben im Mittel über 100 Menschen allein auf Europas Straßen - in den Schwellenländern Asiens noch viel mehr, das ist inakzeptabel. Und was erwarten Sie bei Logistikstrukturen und -prozessen? Die weltweite Arbeitsteiligkeit von Wirtschaft und Produktion sorgt für weitere Distanzen zwischen Versender und Empfänger, die Diferenzierung der Produkte und das Bestreben, die Kapitalbindungskosten zu verringern, für hohe Frequenzen und kleiner werdende Sendungsgrößen. Mehr und mehr Menschen nutzen Angebote des Online-Handels oder werden selbst Anbieter von gebrauchten oder neuen Waren. Als Fraunhofer-Allianz Verkehr leisten wir Beiträge, um Verkehrswege und verkehrslogistische Anlagen so eizient wie möglich zu nutzen. Optimale Betriebsstrategien sind für Containerterminals, Paketzentren oder Stückgutspeditionsanlagen unverzichtbar, um die steigenden Sendungsmengen in Zukunft zu bewältigen. ■ Prof. Dr.-Ing. Uwe Clausen ist seit 2003 Vorsitzender der Fraunhofer-Allianz Verkehr und zugleich seit Februar 2001 Leiter des Instituts für Transportlogistik an der TU Dortmund sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialluss und Logistik (IML). ZUR PERSON Die Fraunhofer-Allianz Verkehr entwickelt technische und konzeptionelle Lösungen für öfentliche und industrielle Auftraggeber und überführt diese in die Anwendung. Die Allianz analysiert den Marktbedarf und entwickelt institutsübergreifende Systemangebote. Zudem sammelt und vermarktet sie verkehrsrelevante Kompetenzen ihrer Mitglieder. Ein enger Branchenbezug wird durch Arbeitsgruppen wie Automotive, Rail, Aviation und Waterborne gewährleistet. Durch internationale Forschungsprogramme und -aufträge sind die Mitgliedsinstitute weltweit mit verkehrsrelevanten Wirtschafts- und Forschungsunternehmen vernetzt. ZUR ALLIANZ (Fotos: IML) Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 42 Ansätze umweltschonender Mobilität Mit Einführung der Umweltzonen wurde ein Fahrverbotssystem installiert, mit dem künftig auch andere Umwelteinlüsse bekämpft werden können. Welche positiven Ansätze gibt es und welches Potenzial haben sie? E inen Königsweg beim Umweltschutz gibt es sicherlich nicht. Vielmehr ist in der Praxis die Kombination einer Vielzahl von umweltgerechten Maßnahmen notwendig. Um einen Überblick über die Möglichkeiten einer umweltgerechten Mobilität in der Stadt der Zukunft zu erhalten, lassen sich aus Sicht der Verbraucher drei Handlungsfelder unterscheiden: Mensch, Fahrzeug und Infrastruktur. Mensch Mobilitätsverhalten Der Mensch kann über ein verändertes Mobilitätsverhalten sehr viel dazu beitragen, die negativen Efekte von Verkehr und Mobilität einzudämmen. Insbesondere Auklärung und Anreize tragen zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens bei. Dabei hat sich das Mobilitätsverhalten in den letzten Jahrzehnten - insbesondere bei den jüngeren Männern - geändert. Das Auto verliert an Kultstatus und wird „pragmatischer“ gesehen als noch vor 20- Jahren - auch aus Kostengründen. Parallel sinkt die Bedeutung des Autos als Mittel zur sozialen Teilhabe und wird zunehmend durch das Internet ersetzt. 1 Dennoch bleibt der Bedarf an individueller Mobilität sehr hoch und wird sicherlich durch die Vielzahl der Lebens- und Arbeitsformen in Zukunft eher noch steigen. Dabei werden aufgrund der technischen Möglichkeiten lexible und individuelle Mobilitätslösungen an Bedeutung gewinnen. Metromobiler Mensch Ziel könnte der „metromobile Mensch“ sein, der zu 25 % mit dem Rad fährt, zu 25 % den ÖPNV nutzt, 25 % der Wege zu Fuß geht und zu 25 % das Auto nutzt. Experten schätzen, dass das zukünftige Potenzial der metromobilen Menschen von derzeit 3,5- Mio. auf rund 8-Mio. Personen steigen wird. 2 Auf der Kurzstrecke haben das Fahrrad und der Fußverkehr die größten Potenziale, denn 50 % aller Autofahrten liegen in einem Radius unter fünf Kilometern. Auf der Mittelstrecke wird das Auto auch weiterhin der dominierende Verkehrsträger sein.- Es wird aber intelligente intermodale Lösungen geben, die dazu führen, dass das Auto bzw. der Individualverkehr „öfentlicher“ wird. Durch eine verbesserte Kommunikation und Vernetzung des Fahrzeugs mit der Umgebung und anderen Mobilitätsangeboten (ÖPNV etc.) sind verlässliche Staumeldungen, ÖPNV-Fahrzeiten und P+R-Belegungen in Echtzeit abrubar. Auch werden zukünftig in Ballungszentren verstärkt sogenannte EcoMobile mit E-Antrieb in Leichtbauweise und mit Radnabenmotor unterwegs sein. 3 Der Autor: Roman Suthold Foto: ADAC MOBILITÄT Umwelt Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 43 Abb. 1: Beispiel für die Verlagerung von Personenverkehrsleistungen von Straße auf Schiene Graik: Steichele 2011 Verlagerungspotenziale Straße zur Schiene Die Politik wünscht sich seit Jahrzehnten eine Verlagerung des Individualverkehrs von der Straße auf die Schiene. Die Potenziale des ÖPNV sind jedoch relativ gering einzustufen. Ein Beispiel zeigt es ganz deutlich: 10 % Verlagerung der Personenverkehrsleistungen von Straße auf den ÖPNV bzw. die Schiene würde eine benötigte Kapazitätssteigerung zwischen 60 und 110 % auf der Schiene voraussetzen, so Expertenschätzungen. 4 Das ist im Alltag nur schwer realisierbar. Dennoch sind die bestehenden Möglichkeiten einer stärkeren Vernetzung von Individualverkehr und öfentlichem Verkehr weiter auszunutzen. Gerade in Ballungsräumen mit erheblichen Kapazitätsproblemen in allen Infrastrukturbereichen ist die Mischung der Verkehrsträger ein Lösungsansatz. So wird vermutlich Carsharing 5 in Zukunft ein Bindeglied zwischen Individualverkehr und öfentlichem Verkehr darstellen, wenn die Nutzung anstatt der Besitz des Fahrzeuges stärker in den Fokus rückt. Eine solche Tendenz zeigt sich zumindest heute in Ballungszentren wie Berlin, wo 289 private Pkw pro 1000- Einwohner zugelassen sind. In Dortmund sind es hingegen 410-Pkw pro 1000-Einwohner. 6 Mobilitäts-Apps Nicht zuletzt können beispielsweise Informationen über ökonomisches Fahrverhalten (Sprit-Spar-Training) zur ökologischeren Verhaltensweise der Verkehrsteilnehmer beitragen. Einen großen Einluss auf das Mobilitätsverhalten gewinnen derzeit Applikationen für ein Smartphone. Diese bekommen durch GPS-Ortung und Near-Field-Communication (NFC) - basierend auf RFID (Radio Frequency Identiikation) - neue Anwendungsgebiete. Standortbezogene Anwendungen und Ad-hoc-Lösungen werden durch die neuen Technologien möglich und helfen bei der Bezahlung von Parkscheinen. Mitfahr-Apps erleichtern die Bildung von Fahrgemeinschaften auf Kurz- und Langstrecken. Die Idee dahinter: Autos sollen nicht nur einen höheren Besetzungsgrad erreichen, sondern es sollen auch der Benzinverbrauch und das Verkehrsaukommen reduziert werden. Im Handlungsfeld „Mensch“ lassen sich somit fünf Anwendungsgebiete von Mobilitäts-Apps identiizieren: • Bezahlung, • Identiizierung, • Datenübermittlung, • Fernsteuerung und • Berechnung des optimalen Verkehrsmittels. Fahrzeug Beim Fahrzeug stehen alternative Antriebstechnologien und Leichtbauweisen sowie deren zukünftige Einsatzmöglichkeiten im Vordergrund der Betrachtung. Potenziale für einen umweltfreundlicheren motorisierten Individualverkehr bietet neben einer Optimierung der klassischen Verbrennungsmotoren auch die Elektriizierung. E-Mobilität Der Autofahrer möchte ein sicheres, sauberes, bezahlbares und alltagstaugliches Fahrzeug fahren, so eine ADAC Umfrage. 38 % der Befragten würden sogar mehr Geld für ein Elektroauto zahlen, die Schmerzgrenze liegt bei 2 000- EUR. Bei Platzangebot und Reichweite wollen die Verbraucher keine großen Rückschritte hinnehmen. Rund ein Drittel der Autofahrer wünscht sich eine elektrische Reichweite von 500 km. E-Mobilität in der Stadt indet zunächst über E-Bikes (Pedelec) statt. Außerdem ist nachhaltiger Strom die Voraussetzung für umweltfreundliche Elektromobilität, wie der ADAC Vergleich von einem Diesel- Smart mit einem Strom-Smart belegt. Ebenso ist bei „leisen“ E-Fahrzeugen akustische Wahrnehmung für die anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr gegeben. Die Verbraucher müssen über die Vor- und Nachteile neuer Technologien informiert und bestehende Probleme überwunden werden. Auch dürfen bei zukünftig kompakteren Fahrzeugkonzepten die Verkehrssicherheitsaspekte (Crash-Kompatibilität) nicht vernachlässigt werden. Nicht zuletzt müssen Rettungskräfte und Pannenhelfer im Umgang mit der Hochvolttechnik von E-Mobilen geschult werden. iCar Private Daten können aufgrund der Konnektivität mit dem Fahrzeug synchronisiert Abb. 2: Kommunikationsmaßnahmen wie die „Autofahrerkampagne“ von ADAC und VRS können zu einem besseren Mobilitätsmix in Ballungsräumen beitragen. Quelle: VRS MOBILITÄT Umwelt Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 44 werden. Fahrzeuge sind immer online und übermitteln ihren Status an andere Fahrzeuge und Road-Side-Units. Sie dienen aufgrund ihrer Ortungsfähigkeit beispielsweise als Ersthelfer bei einer Panne, als Stauwarner oder können anzeigen, welche Tankstelle in der Nähe am günstigsten ist. Insgesamt bietet das Themenfeld „vernetztes Auto“ eine Chance, die Nutzer Abb. 3: Befragungsergebnisse zur E-Mobilität Quelle: ADAC (Hrsg.), ADAC Umfrage zur E-Mobilität, in: ADACmotorwelt, München Heft 8/ 2010, S.-16f. Abb. 4: Eco-Mobil der Zukunft Foto: Renault Abb. 5: Fahrradverleihsystem in Lyon Foto: ADAC bei der Mobilitätswahl zu unterstützen. Der „persönliche Mobilitätsassistent“ kennt die Vorlieben und zeigt bei Staus Umsteigemöglichkeiten in Echtzeit auf. Herausforderungen ergeben sich für die Automobilindustrie, weil hier völlig unterschiedliche technische Welten mit unterschiedlichen Entwicklungszyklen aufeinandertrefen. 7 Carsharing 2.0 Vor allem durch den Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sollen Carsharing-Fahrzeuge künftig fast so lexibel nutzbar sein wie das eigene Auto. Innovative Carsharing-Angebote machen über RFID-Identiizierung und Smartphone eine spontane Nutzung von Mietwagen möglich. Auch Einwegfahrten sind problemlos möglich, da innerhalb des deinierten Geschäftsgebietes keine festen Stationen angefahren werden müssen. Die Fahrzeuge sind mit Parkvignetten ausgestattet und können - dort, wo es erlaubt ist - im öfentlichen Parkraum abgestellt werden. Fahrradverleihsysteme Im Rahmen eines europaweiten Tests wurden im Frühjahr- 2012 Fahrradverleihsysteme in 40- Städten per Internetrecherche und Anbieterbefragung verglichen. Das einzige „sehr gut“ erhielt Lyon. Einfach, schnell und attraktiv - so ist das System in der französischen Metropole zu charakterisieren. Nach der kostenlosen Registrierung per Internet, App oder direkt an den Terminals stehen 4000-Leihräder rund um die Uhr an 343- Stationen zur Verfügung. Allerdings bleibt noch viel zu tun: Die Verbraucher wünschen sich ein möglichst lächendeckendes Angebot mit guter Anbindung zum ÖPNV, abgestimmten Tarifen und Zugänglichkeit auch für Gelegenheitskunden. 8 Eco-Taxi-Zertifikat In den Städten könnten verstärkt Eco-Taxis eingesetzt werden, um die Umweltbelastungen in Ballungsräumen abzusenken. Praxistests zeigen, dass sich hierdurch die CO 2 - Emissionen gegenüber Standard-Taxis etwa halbieren lassen. Damit würden Einsparungen von rund 9-t-CO 2 pro Jahr und Taxi realisiert. Diese Taxis stoßen außerdem fast keinen Feinstaub und Stickoxide aus. Deshalb zeichnet der ADAC besonders umweltfreundliche Fahrzeuge mit dem ADAC Zertiikat „Eco-Taxi“ aus. Erfolgreiche Beispiele für den Einsatz von Eco Taxis in Ballungszentren und Metropolen gibt es in New York, Berlin, Hamburg und München. Grüne Citylogistik Der Lieferverkehr in den Ballungszentren wird in Zukunft weiter steigen. Alleine im Jahr 2010 wurden in Deutschland Waren im Wert von über 20-Mrd.-EUR online bestellt. 9 Experten rechnen mit einem jährlichen Wachstum von 15 % im Bereich E-Commerce. 10 Der Einsatz neuartiger Lieferfahrzeuge in den Städten kann zum umweltfreundlichen Versand von Waren beitragen. Nicht zuletzt bieten große Logistikunternehmen Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 45 CO 2 -neutrale Versandoptionen und testen in ihren Flotten neue Antriebstechnologien und Leichtbauweisen. So bietet die Deutsche Post beispielsweise seit dem Jahr 2006 CO 2 -neutrale Versandoptionen an und erprobt derzeit 120-E-Fahrzeuge im täglichen Brief- und Paketdienst. Als möglichen Ansatz verfolgen manche Städte auch das Thema Citylogistik. Bei der klassischen Citylogistik darf man jedoch die logistischen Schwierigkeiten bei Kooperationen nicht unterschätzen. Man muss, wenn man eine Kooperation von sechs oder sieben Unternehmen hat, die Waren an sechs oder sieben Hallen abholen, bevor man in die Innenstadt fahren kann. Erfahrungsgemäß ist es bei der Auslieferung dann schon nach 10 oder 11-Uhr. Aus rechtlichen Gründen kann man ein solches Fahrzeug nicht dahingehend bevorzugen, dass es zu diesem Zeitpunkt trotz Lieferbeschränkungen in die Fußgängerzone fahren darf. An solchen Rahmenbedingungen scheitern die Citylogistik-Kooperationen häuig. 11 Infrastruktur Um der Stauproblematik und ihren negativen Folgen entgegenzuwirken, muss die Leistungsfähigkeit des Verkehrs auf den innerstädtischen Hauptachsen erhalten bzw. erhöht werden. Hierzu kann der Verkehr verstetigt werden, indem man Lichtsignalanlagen durch andere Betriebsformen (Kreisverkehre und Zebrastreifen) ersetzt. Auch Stauvermeidungsstrategien tragen zum Umweltschutz bei, denn die Mehrzahl der innerstädtischen Staus ist auf Kapazitätsprobleme zurückzuführen. Da der reine Infrastrukturausbau in Ballungszentren an natürliche Grenzen stößt, müssen auch andere kapazitätserweiternde Maßnahmen berücksichtigt werden. So liegen beispielsweise die Potenziale einer optimierten „Grünen Welle“ bei 25 % geringerem Partikelausstoß und einer Halbierung der NOx- und NO 2 -Werte. 12 Lärmoptimierte Fahrbahnbeläge (LOA) sind häuig die einzige aktive Lärmschutzmaßnahme an dicht bebauten innerstädtischen Straßen. Der LOA kann den Verkehrslärm auf städtischen Hauptverkehrsstraßen (geringer Lkw-Anteil) gegenüber herkömmlichen Fahrbahnbelägen um mindestens 3 dB(A) senken. Diese Potenziale müssen in Zukunft noch stärker durch die Kommunen genutzt werden. SimplyCity Derzeit werden in mehreren europäischen Ländern Konzepte erprobt, mit Hilfe eines entsprechenden Straßenentwurfs in Kombination mit Verhaltensregeln und Vorschriften eine höhere Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit für zentrale städtische Bereiche zu erwirken. Beispiele sind der „Verkehrsberuhigte Geschäftsbereich“, die „Begegnungszone“, die neben der Schweiz nun auch in Belgien und Frankreich Einzug gefunden hat, oder die in den Niederlanden entwickelte Planungsphilosophie von „Shared Space“. In Deutschland, insbesondere in Nordrhein- Westfalen, wird ein neues Stadtverkehrskonzept unter dem Titel „SimplyCity - weniger ist mehr! “ in den Modellstädten Mülheim an der Ruhr und Arnsberg untersucht. SimplyCity will den öfentlichen Stadt- und Verkehrsraum von allen baulichen Anlagen sowie verkehrstechnischen und möblierungsspeziischen Elementen (Bänke, Papierkörbe, Infostellen etc.) befreien, die überlüssig oder kontraproduktiv sind, indem sie das Fahren, die Bewegung oder den Aufenthalt erschweren sowie das Stadtbild hinsichtlich seiner visuellen Erlebbarkeit negativ beeinlussen. Nicht zuletzt sind durch die Anwendung des neuen Stadtverkehrskonzepts Ressourceneinsparpotenziale realisierbar. 13 Mobilitätsknotenpunkte Ein Faktor zur Vermeidung von unnötigem Pkw-Kurzstreckenverkehr ist die Neuordnung des ruhenden Verkehrs. Es muss eine Zentralisierung des ruhenden Verkehrs angestrebt werden. Ballungszentren brauchen mehr Quartiersgaragen und Kurzparkzonen im öfentlichen Raum. Diese sollten zu Mobilitätsknotenpunkten ausgebaut werden, an denen es einen ÖPNV-Anschluss, Ladeinfrastruktur für E-Mobile, Fahrradstationen, Parkplätze und ein Carsharing-Angebot gibt. Dabei darf es nicht um eine Verknappung von Parkraum gehen. Vielmehr sollte Parkraum zentralisiert und damit verlagert werden. Mitfahrerparkplätze Der Ausbau von Mitfahrerparkplätzen an Autobahnen kann zudem zu verbesserten Pendlerverkehren in die Stadt beitragen. Mitfahrerparkplätze sind Plätze im Bereich von Anschlussstellen an Autobahnen, die von Pendlern genutzt werden können, um regelmäßig die gleiche Strecke zu fahren und gemeinsam Sprit zu sparen. Der ADAC hat in NRW 130 empfehlenswerte Mitfahrerparkplätze getestet und in einer oiziellen Liste zusammengestellt. Das Ergebnis des Tests ist eindeutig. Die Kapazitäten sind in vielen Fällen überlastet und müssen dringend ausgebaut werden. Fazit Die Analyse hat gezeigt, dass die Potenzialabschätzung von Maßnahmen wissenschaftlich noch genauer untersucht werden kann. Jedoch trägt nur ein Zusammenspiel der drei Handlungsfelder (Mensch, Fahrzeug, Infrastruktur) zu einer umweltfreundlicheren Mobilität bei. ■ 1 Vgl. Institut für Mobilitätsforschung, Mobilität junger Menschen im Wandel - multimodaler und weiblicher, ifmo- Studien, München 2012. 2 Vgl. Knie, A., Neue Mobilität, Vortrag am 24.11.2010 auf der Fachtagung des Netzwerkes Verkehrssichere Städte und Gemeinden im Rheinland im Kreishaus Düren und Knie, A., Neue Beweglichkeit, in: Internationales Verkehrswesen, Heft 4 2011, S. 70-71. 3 Vgl. ADAC (Hrsg.), Verkehr von morgen - Szenarien & Visionen, München 2011. 4 Vgl. Baum, H., Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses Bauen, Wohnen und Verkehr des Landtags von Nordrhein-Westfalen zum Thema „Schienen- und Straßenbauprojekte zügig umsetzen“, Düsseldorf 23. März 2011, S.-3. 5 Der ADAC hat im Zuge seiner Verbraucherschutztätigkeit in Nordrhein-Westfalen das Serviceangebot und die Servicequalität der Carsharing-Anbieter an 25 Standorten untersucht. Die Auswertung gibt einen umfangreichen Überblick über die verschiedenen Anbieter in Nordrhein- Westfalen und deren Leistungen. Als Anbieter mit der besten Serviceorientierung wurde ein Unternehmen mit Standorten in Aachen, Bielefeld und Köln ermittelt. 6 Vgl. CAR - Center Automotive Research (Hrsg.), Anzahl der Privat-Pkw pro 1.000 Einwohner - Bundesvergleich, Duisburg/ Essen 2012. Abb. 6: Eco-Taxis Foto: ADAC MOBILITÄT Umwelt 7 Vgl. Center of Automotive Management (Hrsg.), Jugend und Automobil 2010 - eine empirische Studie zur Erstellung von Verhaltensmustern von 18bis 25nJährigen in Deutschland - Zusammenfassung, Bergisch Gladbach 2010. 8 Vgl. ADAC e.V. (Hrsg.), Mietfahrräder in europäischen Städten 2012, München 2012, http: / / www.adac.de/ sp/ presse/ meldungen/ test/ sonstige_tests/ ADAC_Studie_Mietfahrraeder%20.aspx? ComponentId=136831&SourcePage Id=86736; abgerufen am: 27.07.2012. 9 Vgl. Der Handel (Hrsg.), E-Commerce-Umsatz erstmals mehr als 20 Milliarden Euro, http: / / www.derhandel.de/ news/ technik/ pages/ show.php? id=8293, abgerufen am 27.07.2012. 10 Vgl. Reckling, M., Interview in: IST magazine Heft 1 / 2012, S. 10. 11 Vgl. Kühlkamp, W., mündliche Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses Bauen, Wohnen und Verkehr des Landtages von Nordrhein-Westfalen zum Thema „Lärmschutz an Autobahnen“, Düsseldorf 6. Juli 2011. 12 Vgl. Suthold, R., Umweltgerechte Mobilität, Vortrag: 9. Deutscher Verkehrsexpertentag des GUVU, 22.-Juni 2010 in Köln. 13 Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), SimplyCity - Die Kunst der Einfachheit! , Düsseldorf 2010. Roman Suthold, Dr. Leiter Verkehr und Umwelt ADAC Nordrhein roman.suthold@nrh.adac.de LITERATUR ADAC e. V. (Hrsg.), Mietfahrräder in europäischen Städten 2012, München 2012, http: / / www.adac.de/ sp/ presse/ meldungen/ test/ sonstige_tests/ ADAC_Studie_Mietfahrraeder%20.aspx ? ComponentId=136831&SourcePageId=86736; abgerufen an: 27.07.2012. ADAC (Hrsg.), Shared Space - mehr Sicherheit durch weniger Regeln im Verkehr? , München 2009. ADAC (Hrsg.), ADAC-Zertiikat Eco-Taxi, abrufbar unter: www. adac.de ADAC (Hrsg.), ADAC-Umfrage zur E-Mobilität, in: ADACmotorwelt, München , Heft 8/ 2010, S. 16 f. AGSF (Hrsg.), Nahmobilität im Lebensraum Stadt, Krefeld 2. Aulage 2010, S. 26. BAUM, H., Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses Bauen, Wohnen und Verkehr des Landtags von Nordrhein-Westfalen zum Thema „Schienen- und Straßenbauprojekte zügig umsetzen“, Düsseldorf 23. März 2011, S. 3. Center of Automotive Management (Hrsg.), Jugend und Automobil 2010 - eine empirische Studie zur Erstellung von Verhaltensmustern von 18 bis 25 Jährigen in Deutschland - Zusammenfassung, Bergisch Gladbach 2010. CAR - Center Automotive Research (Hrsg.), Anzahl der Privat- Pkw pro 1.000 Einwohner - Bundesvergleich, Duisburg/ Essen 2012. Fraunhofer ISI (Hrsg.), VIVER - Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland, Working Paper Sustainability and Innovation No. S 3/ 2001, Karlsruhe 2011. Institut für Mobilitätsforschung, Mobilität junger Menschen im Wandel - multimodaler und weiblicher, ifmo-Studien, München 2012. KNIE, A., Neue Mobilität, Vortrag am 24.11.2010 auf der Fachtagung des Netzwerkes Verkehrssichere Städte und Gemeinden im Rheinland im Kreishaus Düren. KNIE, A., Neue Beweglichkeit, in: Internationales Verkehrswesen, Heft 4 2011, S. 70-71. KÜHLKAMP, W., mündliche Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses Bauen, Wohnen und Verkehr des Landtages von Nordrhein-Westfalen zum Thema „Lärmschutz an Autobahnen“, Düsseldorf 6. Juli 2011. Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Hrsg.), SimplyCity - Die Kunst der Einfachheit! , Düsseldorf 2010. o. V., E-Commerce-Umsatz erstmals mehr als 20 Milliarden Euro, in: Der Handel (Hrsg.), http: / / www.derhandel.de/ news/ technik/ pages/ show.php? id=8293, abgerufen am 27.07.2012. RECKLING, M., Interview in: IST magazine Heft 1 / 2012, S. 6 f. STEICHELE, W., ADAC Verkehrs- und Unfallstatistik aktuell - Juni 2011/ 1, München 2011. SUTHOLD, R., Umweltschonende Mobilität in der Stadt - ein Blick aus Sicht der Verbraucher, Vortrag: 12. Aachener Kolloquium „Mobilität und Stadt“ des ISB Aachen, Aachen 16. September 2011. SUTHOLD, R., Umweltgerechte Mobilität, Vortrag: 9. Deutscher Verkehrsexpertentag des GUVU, Köln 22. Juni 2010. Kontakt: DVV Media Group GmbH, Nordkanalstr. 36, 20097 Hamburg, Germany, Telefon: +49 40/ 237 14-440, E-Mail: buch@dvvmedia.com Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0439-3, 166 Seiten, Format 205 x 235 mm, Hardcover, Preis: € 42,00 inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Was ist ein Verbund? Warum gibt es ihn? Was macht der MVV genau? Wie hat sich in den vergangenen 40 Jahren alles entwickelt? Nach einer Zeitreise durch Themen wie Verbundtarif, Fahrgastinformation, Öfentlichkeitsarbeit und Verkehrsforschung ziehen die Autoren Bilanz und bieten einen Blick sowohl auf die Gegenwart als auch auf die Zukunft des MVVs. Zahlreiche Grußworte runden das Geburtstagsbuch ab. Jetzt bestellen unter www.eurailpress.de/ mvv Das MVV - Geburtstagsbuch Vierzig Jahre Münchener Verkehrs- und Tarifverbund NEU! MOBILITÄT Szenarien Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 47 Bezahlbare E-Mobilität Die Veränderung und Weiterentwicklung der Mobilität gehört zu den zentralen Bestandteilen unserer modernen Welt. Keiner weiß, wie wir uns in 50 Jahren fortbewegen werden. Sicher ist nur, dass wir dies anders tun werden. Damit eine positive Zukunft stattinden kann, müssen wir Szenarien ersinnen und diese erforschen, aber auch erleben, testen und umsetzen. D ie Zukunft der Mobilität wird den Lebensalltag aller Menschen entscheidend prägen. Zwei Kernfragen spielen dabei eine zentrale Rolle: Bleibt die individuelle Mobilität für die breite Masse erschwinglich und gelingt es, nachhaltige Lösungen massenmarkttauglich zu machen? Sicher ist: Ohne wesentliche Kosteninnovationen ist das Konzept der individuellen Mobilität ein Auslaufmodell. Autos von morgen müssen nicht nur attraktiv für Kunden sein, sondern auch für breite Käuferschichten bezahlbar bleiben und die immer strikteren gesetzlichen Aulagen erfüllen. Nur wenn dies gelingt, wird das Auto auch in Zukunft das weltweit bevorzugte Fortbewegungsmittel bleiben. Die Durchschnittsgeschwindigkeit für Autos in Städten, die oft infrastrukturell ungenügend ausgestattetet sind, wird zukünftig unter zehn Stundenkilometern liegen, bei einer Autonutzungsdauer von etwa drei Stunden pro Tag! Und das, obwohl im urbanen Verkehr 60 % der Wege kürzer sind als 5 km. Die sich daraus ergebenden Stre- Abb. 1: Stadtfahrzeug als Ergänzung zu den bisherigen Fahrzeugklassen ckenproile unter 150 km sind zumeist für den eizienten Einsatz von Verbrennungsmotoren nur bedingt geeignet und durch hohe Energieverbräuche gekennzeichnet. Gerade bei diesen Proilen kommt die Stärke des E-Antriebs zum Tragen. Trotz geringer km-Leistungen liegt ein hoher Energieverbrauch vor und damit sind die laufenden Kosten von E-Fahrzeugen deutlich geringer. Auf diese Herausforderung wird die E-Mobilität ein Teil einer positiven Antwort sein. Allerdings müssen hierfür neue Wege und intelligente Ansätze verfolgt werden. Tatsache ist, dass E-Fahrzeuge heute teurer als konventionelle Fahrzeuge sind und weniger Reichweite besitzen. Aber wer will oder kann „mehr Geld für weniger Leistung“ ausgeben? Befragungen zeigen, dass die Menschen kaum mehr für Elektrofahrzeuge ausgeben möchten als für herkömmliche Fahrzeuge. Die Lösung dieser Herausforderung liegt zum einen in den Gesamtkosten von E-Fahrzeugen, den sogenannten Total Cost of Ownership, denn die laufenden Kosten sind deutlich geringer als bei vergleichbaren konventionellen Autos. Zum anderen liegt die Lösung in E-Fahrzeugen, die genau auf einen Anwendungszweck ausgerichtet sind - das sog. „Purpose Design“ - und damit an keiner Stelle zu viel oder zu wenig Auto für den Kunden bedeuten. Das Netzwerk rund um die StreetScooter GmbH hat sich den beschriebenen Herausforderungen gestellt. Über 80 Industrieunternehmen sind Partner im Verbund und treiben Ideen rund um das E-Fahrzeug voran. Im Gesamtergebnis entstehen wirtschaftlich wettbewerbsfähige, nachhaltige Mobilitätslösungen. Das Ziel: jenseits etablierter Prozesse und Methoden ein kostengünstiges Elektroauto entwickeln und die Produzierbarkeit nachweisen. Hierfür haben sich Automobilzulieferer aus den Kompetenzbereichen Karosserie, Thermomanagement, Antriebsstrang, Batterieentwicklung, Bordnetz und Herstellung zum StreetScooter-Konsortium zusammengeschlossen. Dieser „Grüne-Wiese“-Ansatz bietet Freiräume für eine hochagile Zusammenarbeit, in der Produkt- und Prozessinnovationen gleichzeitig und gleichberechtigt entstehen. Für die Entwicklung des E-Mobils „Concept Zeitgeist“ werden auch organisatorische Innovationen in Struktur und Ablauf unter der Überschrift „Disruptive Network Approach“ verfolgt. Dieser Ansatz zeichnet sich aus durch lache Strukturen und kurze Wege. Alle Partner liefern auf Augenhöhe untereinander Ideen und Lösungen, sodass die Innovationsausbeute in der Wertschöpfungskette überdurchschnittlich groß ausfällt. Man konzentriert sich auf den Bedarf bestimmter Segmente im Mobilitätsangebot. Übergeordnet wird die Klasse der „Short Distance Vehicle“ gebildet. Allen Derivaten liegt also die Annahme zugrunde, dass Streckenproile unter 150 km am Tag und Fahrzeug vorhanden sind. Für die Strecken, die eine höhere Streckenleistung beinhalten, müssen andere Fahrzeugen genutzt werden. Der StreetScooter ist nicht als Konkurrenz gegenüber Fahrzeugen derzeitiger Automobilhersteller zu verstehen, sondern vielmehr als eiziente Ergänzung. Er wird Der Autor: Achim Kampker MOBILITÄT Szenarien Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 48 vorerst nicht zum Kauf für Privatkunden angeboten, sondern über Carsharing-Unternehmen oder andere Flottenbetreiber dem Markt zur Verfügung gestellt. Gewerbliche Flotten haben bei der Verbreitung von E-Mobilität eine Schlüsselrolle, weil sie gleich große Stückzahlen ordern. Laut Marktforschungsinstitut Polk haben Flotten mit 57 % (in 2010) zudem den größeren Anteil an Neuzulassungen. Das Fahrzeug „StreetScooter“ wird daher nicht als „Einzelstück“, sondern gleich in größeren Stückzahlen vermarktet - on demand und an gewerbliche Flottenbetreiber. Als Dienstwagen, Auslieferungsfahrzeuge oder als Mietwagen für eine Carsharing-Flotte. Stückzahlen für interessierte Flottenbetreiber sind bereits ab 100-Fahrzeugen möglich. Daher konzentriert man sich bei StreetScooter auf die „Total Cost of Ownership“, sprich: die Gesamtausgaben für die Fahrzeuge bzw. die benötigte Mobilität. Neben den technischen Aspekten des Fahrzeugs werden Schadensanalysen und reale Fahrzyklen für bestimmte Kundengruppen zugrunde gelegt und so die Service- und Reparaturkosten für die Fahrzeuglotte minimiert, in dem z. B. an bestimmten Stellen leicht austauschbare, günstige Teile eingesetzt werden, die im Falle leichter Schäden am Fahrzeug schnell und günstig zu ersetzen sind. Weiterhin werden verschiedene Partner und Experten für eine speziische Innenraumgestaltung - z. B. für den Transport spezieller Werkzeuge - eingebunden. Ein erstes, aber bedeutendes Beispiel für diesen Ansatz ist ein Projekt zwischen der Deutschen Post DHL und StreetScooter. Hier wird gemeinsam ein Konzept für ein Elektroauto speziell für die Brief- und Paketzustellung entwickelt. Diese Produktentwicklung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden, was bislang noch einzigartig ist. Somit kann das Fahrzeug direkt entsprechend kundenspeziischer Wünsche und Anforderungen konzipiert werden. Das spezielle Ziel der Kooperation ist es, ein vollkommen neues Zustellfahrzeug zu schafen, das die besonderen Anforderungen der Deutschen Post hinsichtlich Alltagstauglichkeit im Betrieb und Wirtschaftlichkeit erfüllt und zudem vollständig emissionsfrei unterwegs ist. Auf Basis der bereits bestehenden Plattform wird bis zum Herbst- 2012 ein fahrbereiter Prototyp entstehen. Umweltschutz ist ein erklärtes Ziel der Deutschen Post DHL. Als Betreiber einer der größten Fahrzeuglotten in Deutschland besteht besonderes Interesse, emissionsfreie und dabei wirtschaftliche Fahrzeuge einzusetzen, die auch den harten Belastungen des Postalltags gewachsen sind. Das neu zu entwickelnde Elektrofahrzeug für die Brief- und Paketzustellung der Deutschen Post muss bis zu 200- Stopps und Anfahrvorgänge bewältigen und bis zu 300- Tage im Jahr im Einsatz sein. Das Fahrzeug muss genügend Ladevolumen für die Briefe und Pakete haben und außerdem über eine robuste Ausstattung verfügen, die allen Sicherheitsanforderungen entspricht. Die aktuell auf dem Markt vorhandenen Elektrofahrzeuge erfüllen diese Anforderungen nur zum Teil und sind in der Produktion noch nicht wirtschaftlich. Das speziell für die Deutsche Post konzipierte Fahrzeug muss keine hohen Geschwindigkeiten fahren und ist speziell für Kurzstrecken konzipiert. Somit liegt ein Beispiel vor, wie „Purpose Design“ zu wirtschaftlichen und nachhaltigen Lösungen führen kann. Dies soll nun schrittweise auf andere Flottenbetreiber übertragen werden. Dieses Beispiel beweist, dass für jeden beliebigen Flottenbetreiber ein individuelles Elektrofahrzeug auf Basis des Street- Scooter entwickelt werden kann. Außerdem verspricht eine integrierte Produkt- und Prozessentwicklung eine optimale, kostengünstige Produktion der Fahrzeuge, da bereits in der Entwicklungsphase unnötige Kostentreiber der Produktion identiiziert und weitestgehend vermieden werden. Dies wird durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Produktentwicklern und Fachleuten für die Fahrzeugproduktion erzielt. Für eine gesamthaft attraktive Lösung braucht es aber nicht nur ein Elektrofahrzeug, das von Null neu konstruiert werden muss, sondern eines, das von Anfang an mit der Infrastruktur verbunden ist und sich in ganzheitliche Mobilitätskonzepte einbindet. Deshalb beinhaltet das Konzept weitere Leistungen und Angebote rund um die Mobilität von morgen. So ist der StreetScooter durch ein weitreichendes Serviceangebot der Hess-Gruppe (mit Werkstätten, Autoteilen etc.) sehr gut für den laufenden Betrieb gerüstet. Zudem wird der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zusammen mit den Stadtwerken Aachen (STAWAG) vorangetrieben. ■ Achim Kampker, Prof. Dr.-Ing. Lehrstuhl für Produktionsmanagement der RWTH Aachen und Geschäftsführer der StreetScooter GmbH A.Kampker@wzl.rwth-aachen.de Abb. 2: Speziische E-Fahrzeugfunktionen umfassen sowohl die ferngesteuerte Ladekontrolle und das Auladen des Akkus als auch die Steuerung der thermischen Vorbereitung von Akku und Innenraum per Fernbedienung. Abb. 3: Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ist Teil eines ganzheitlichen Mobilitätskonzepts. Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 49 MOBILITÄT Wissenschaft U m für die Beantwortung dieser Frage eine belastbare Datengrundlage zu schafen, hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Zeitraum von 2008 bis 2009 eine umfassende Studie durchführen lassen. Das Forschungsvorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplans des Bundesumweltministeriums (BMU) wurde von der Seibersdorf Labor GmbH mit Sitz bei Wien (Österreich) durchgeführt. 2 Untersuchungsgegenstand waren reine Elektrofahrzeuge (zwei Pkw, ein Nutzfahrzeug) und Fahrzeuge mit Hybridantrieb, darunter ein Pkw mit Mild-Hybrid- und zwei mit Voll-Hybridtechnik, ein Lkw sowie ein öfentlicher Personennahverkehrsbus. Ergänzend zu den Arbeiten in der o. g. Studie wurden kürzlich drei weitere aktuelle Pkw mit reinem Elektroantrieb untersucht. Die Nennleistung der Elektromotoren deckt eine Spannbreite von 28 bis 185 kW ab. Messungen erfolgten unter stationären Lastbedingungen auf einem Leistungsprüfstand für Kraftfahrzeuge (nur Pkw) sowie unter realistischen Bedingungen bei Messfahrten im öfentlichen Straßenverkehr oder auf abgesperrten Strecken. Gemessen wurden die Magnetfeldimmissionen, die an deinierten Positionen auf den Sitzplätzen der Fahrzeuge bei verschiedenen Lastzuständen der elektrischen Antriebsmotoren auftreten. Gesundheitliche Bewertung elektrischer und magnetischer Feldexpositionen Für eine gesundheitliche Bewertung sind vor allem die von den elektriizierten Komponenten emittierten Magnetfelder relevant. Magnetische Wechselfelder induzieren im menschlichen Körper elektrische Felder und Ströme, die Nerven- und Muskelzellen reizen, d.- h. elektrisch erregen können. Diese akuten Wirkungen sind gut untersucht und es ist bekannt, dass sie erst ab bestimmten Schwellenwerten auftreten. Maßstab für die gesundheitliche Bewertung ist die EU- Ratsempfehlung 1999/ 519/ EG 3 , die auf Leitlinien der Internationalen Kommission zum Schutz Gesundheitsrisiko durch elektromagnetische Felder? Nach Plänen der Bundesregierung sollen bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf bundesdeutschen Straßen fahren 1 . Aus Sicht des Gesundheitsschutzes stellt sich die Frage, ob von dem elektriizierten Antriebsstrang eines Elektro- oder Hybridfahrzeugs eine Gesundheitsgefahr für die Passagiere durch die im Betrieb auftretenden elektrischen und magnetischen Felder ausgehen kann. Schließlich ließen je nach Lastsituation Ströme von mehreren 100 Ampere in unmittelbarer Nähe der Fahrzeuginsassen. Die Autoren: Dirk Geschwentner, Gernot Schmid Abb. 1: V.l.n.r.: Aus Hartschaumstof gefertigtes Körpermodell zur Festlegung der Messpunkte; eindeutige Deinition der Messpositionen durch die in das Körpermodell eingearbeiteten Vorrichtungen zur genauen Platzierung der Messsonde MOBILITÄT Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 50 nale Krebsforschungsagentur (IARC, www.iarc.fr) hat niederfrequente Magnetfelder deshalb als „möglicherweise kanzerogen“ klassiiziert. Ausschlaggebend waren Ergebnisse epidemiologischer Studien (Bevölkerungsbeobachtungsstudien), die ein leicht, aber signiikant erhöhtes Risiko gefunden haben, wenn Kinder zeitlich gemittelt netzfrequenten Magnetfeldern im Bereich über 0,3 bis 0,4 μ T ausgesetzt waren. Der EU-Referenzwert liegt für 50 Hz deutlich höher bei 100 μ T. Derzeit ist kein plausibler und akzeptierter Wirkmechanismus bekannt, der das erhöhte Risiko erklären könnte. Ein möglicher Zusammenhang mit Magnetfeldern wird auch von Laborstudien z. B. an Zellkulturen und Versuchstieren derzeit nicht gestützt. Ein kausaler Zusammenhang gilt deshalb als nicht nachgewiesen. Die vorliegenden Hinweise geben aber Anlass für Vorsorgemaßnahmen. Dazu gehört, dass unnötige Expositionen vermieden und vermeidbare Expositionen möglichst minimiert werden sollten. Dies gilt für den gesamten Bereich niederfrequenter Felder bis in den Kilohertzbereich. Ergebnisse Die Höhe der resultierenden Magnetfeldexposition sowie die spektrale Zusammensetzung der Immissionen (von wenigen Hertz bis 80 kHz) erwies sich als stark abhängig von der Anordnung der elektrischen Komponenten des Antriebssystems in Relation zur Sitzposition der Fahrzeuginsassen, von der gefahrenen Geschwindigkeit bzw. vom anliegenden Drehmoment sowie vom aktuellen Betriebszustand des Fahrzeugs (Beschleunigung, gleichmäßiges Fahren, Rekuperation, etc.). In den Hybrid-Pkw lagen die lokal auftretenden Maximalimmissionen als gewichtete Summen der auf die frequenzabhängigen Referenzwerte der EU-Ratsempfehlung bezogenen Spektralanteile bei 29 bis 35 %. Bei den reinen Elektrofahrzeugen waren die Unterschiede größer, hier betrugen die Werte etwa 3 bis 47 %. Die Unterschiede zwischen Körpermittelwerten und räumlichen Maximalwerten (Abbildung-3) zeigt, dass die Feldverteilungen in den Fahrgastzellen stark inhomogen sind. Die höchsten Expositionen wurden zumeist an Plätzen in der Nähe des Konverters bzw. nahe der Batterieanschlussklemmen gefunden. Im untersuchten Nahverkehrsbus wurden am höchst exponierten Fahrgastplatz Magnetfelder in Höhe von 19 % bezogen auf die Referenzwerte festgestellt. Am Platz des Busfahrers ergaben die Messungen maximale Werte im Bereich des Kopfes von ca. 2,6 % der ICNIRP-Referenzwerte für beruliche Exposition, entsprechend 13 % der niedrigeren EU-Referenzwerte für die allgemeine Bevölkerung. Weil die Referenzwerte in allen Fällen unterschritten wurden, kann auch von der Einhaltung der maßgeblichen Basiswerte ausgegangen werden. Auf dem Fahrer- und Beifahrerplatz traten räumliche Maxima zumeist im Fuß- oder Unterschenkelbereich auf, während die höchsten vor Nichtionisierender Strahlung (ICNIRP, www.icnirp.org) beruht. Die ICNIRP ist eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO, www. who.int) formal anerkannte Organisation, die sich mit den Wirkungen und dem Schutz vor nichtionisierender Strahlung einschließlich elektrischer und magnetischer Wechselfelder befasst. Bei der Bewertung sind Referenz- und Basiswerte zu unterscheiden. Die Basiswerte beziehen sich unmittelbar auf die im Körper induzierten Größen und sind messtechnisch entsprechend schwierig zu erfassen. Die Referenzwerte werden als außerhalb des Körpers und deshalb einfacher zu messende Größen angegeben, nämlich als elektrische Feldstärke- E und magnetische Flussdichte- B. Wenn die Referenzwerte eingehalten werden, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Basiswerte eingehalten sind und dass die gesundheitlich relevanten Schwellenwerte für direkte Gesundheitswirkungen nicht überschritten werden. Werden die Referenzwerte hingegen überschritten, müssen weitere, aufwendigere Analysen z. B. mittels numerischer Simulationsrechnungen durchgeführt werden, um zu prüfen, ob die Basiswerte eingehalten werden. Aufgrund der biologischen und physikalischen Gegebenheiten hängen die Referenzwerte von der Frequenz ab (vgl. Abbildung-2). Treten gleichzeitig mehrere unterschiedliche Frequenzen auf, dürfen die einzelnen Spektralanteile jeweils nur einen Bruchteil des jeweiligen Referenzwerts erreichen, damit in Summe keine zu hohe Exposition der Passagiere resultieren kann. Langzeitwirkungen Bereits seit den 1970er Jahren wird untersucht, ob die Exposition gegenüber netzfrequenten (50 bis 60 Hz) niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern langfristige Gesundheitsrisiken, insbesondere Krebsrisiken, birgt. Bei Erwachsenen konnte kein solcher Zusammenhang gefunden werden. Wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs zwischen Leukämieerkrankungen bei Kindern und niedrigen, aber langanhaltenden Magnetfeldexpositionen. Die zur WHO gehörende Internatio- Abb. 2: Frequenzabhängigkeit der Referenzwerte für die magnetische Flussdichte B im Frequenzbereich von 1 Hz bis 10 MHz Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 51 MOBILITÄT Wissenschaft 4 N. Leitgeb, R. Cech, J. Schröttner, P. Lehofer, U. Schmidpeter and M. Rampetsreiter: “Magnetic emission ranking of electrical appliances. A comprehensive market survey”, Radiat Prot Dosimetry (2008) 129 (4): 439-445. doi: 10.1093/ rpd/ ncm460 5 Hentschel K, Goltz S, Ruppe I, Eggert S, Neuschulz H, Angerer M. 1998. Schienengebundene Transportsysteme, Teil 2: Exposition durch statische und niederfrequente elektrische und magnetische Felder an Fernbahn, S-, U-Bahn und Straßenbahn, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Forschung Fb 800, Dortmund/ Berlin 1998 Werte auf der Rückbank bedingt durch die Lage von Batterie und Verkabelung zumeist im Unterleibsbereich beobachtet wurden. Die installierte elektrische Leistung in den Fahrzeugen scheint zudem kein verlässlicher Anhaltspunkt für die zu erwartende Exposition der Fahrzeuginsassen zu sein. Ausschlaggebend sind vielmehr die Anordnung der Systemkomponenten sowie die Verkabelung dazwischen. Andere Quellen magnetischer Wechselfelder Die elektrischen Komponenten des Antriebssystems sind nicht die einzigen Quellen magnetischer Wechselfelder im Automobil: Klimaanlagen, Lüfter, Sitzheizungen sowie z. B. bei der Herstellung unbeabsichtigt magnetisierte Felgen und Stahlgürtelreifen können zur Exposition beitragen. Diese Quellen, die auch in Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb vorhanden sind, können ähnlich hohe Felder hervorrufen wie die Antriebskomponenten der untersuchten Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Lokal wurden auch höhere Werte beobachtet. Im Haushalt entstehen Expositionen, wenn Elektrogeräte genutzt werden. An der Oberläche einiger Geräte können die Referenzwerte deutlich überschritten 4 sein, mit zunehmendem Abstand nehmen die Feldstärken jedoch schnell ab. Im Unterschied zu Pkw sind Magnetfelder in den Fahrgastabteilen von Eisenbahnen wegen des größeren Abstands zu den Quellen in der Regel homogener verteilt. Vorliegende Messwerte 5 liegen in einer vergleichbaren Größenordnung wie die Spitzenwerte, die in Pkw mit Hybrid- und Elektroantrieb gefunden wurden. Fazit Bei den untersuchten Hybrid- und Elektrofahrzeugen liegen die von den elektrischen Antriebskomponenten im Fahrgastraum verursachten Magnetfeldimmissionen deutlich unterhalb der von der EU und der ICNIRP empfohlenen Referenzwerte. Von der Einhaltung der für den Gesundheitsschutz maßgeblichen Basiswerte kann ausgegangen werden. Die Spannbreite der Untersuchungsergebnisse deutet jedoch auch darauf hin, dass in vielen Fahrzeugen, unabhängig davon, ob konventionell oder mit alternativem Antriebssystem ausgestattet, Potenzial zur Verminderung von Magnetfeldimmissionen besteht. Bereits bei der Fahrzeugentwicklung sollten daher aus Vorsorgegründen geeignete konstruktive Maßnahmen zur Minimierung möglicher Expositionen genutzt werden. 1 Nationaler Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung, August 2009, http: / / www.bmu.de/ iles/ pdfs/ allgemein/ application/ pdf/ nep_09_bmu_bf.pdf 2 Forschungsvorhaben 3608S04574 „Bestimmung der Exposition durch Magnetfelder alternativer Antriebskonzepte“, Oktober 2009, http: / / doris.bfs.de/ jspui/ handle/ urn: nbn: de: 0221-2009082182 3 EMPFEHLUNG DES RATES vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz), http: / / eur-lex.europa.eu/ LexUriServ/ LexUriServ.do? uri=CELEX: 31999H0519: DE: HTML Abb. 3: Magnetfeldimmissionen in den untersuchten Pkw an verschiedenen Sitzplätzen, oben gemittelt über die verschiedenen untersuchten stationären Lastverhältnisse (konstante Geschwindigkeit und konstantes Drehmoment), unten während Beschleunigung und Verzögerung. Die Fehlerindikatoren zeigen für den Ort des räumlichen Maximums den Variationsbereich in Abhängigkeit der untersuchten Lastzustände (Geschwindigkeit und Lastmoment) an. Gernot Schmid, Dipl.-Ing. Projektleiter Elektromagnetische Verträglichkeit Seibersdorf Labor GmbH gernot.schmid@seibersdorf-laboratories.at Dirk Geschwentner, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Referent Arbeitsgruppe SG1.2 Bundesamt für Strahlenschutz dgeschwentner@bfs.de Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 52 Der Lkw auf der Datenautobahn Die Vernetzung mit der IT-Infrastruktur macht künftig auch Fahrzeuge künftig zu einem Teil des Internets. Innovative Systeme integrieren Fahrzeuge in Arbeits- und Geschäftsprozesse der Unternehmen. Auch untereinander werden Fahrzeuge immer stärker vernetzt sein. Entscheidende Grundlagen hierfür liefert der Fraunhofer-Innovationscluster „Digitale Nutzfahrzeugtechnologie“. I n den vergangenen Jahren ist Software zu einem der wichtigsten Faktoren für Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft geworden. Zum einen werden komplexe Abläufe mit Fahrzeugbezug in Geschäftsprozessen automatisiert und durch die Verfügbarkeit von Informationen und Daten in Echtzeit optimiert. Zum anderen haben Software und Elektronik die Steuerung und Qualität der Fahrzeuge selbst verbessert, so dass ohne Zutun der Software Innovationen kaum noch möglich sind. Zukünftige Funktionen setzen diesen Trend fort und vernetzen die Fahrzeuge immer stärker mit der digitalen Welt der Daten und Dienste. Der Lkw wird also zu einem Knoten im Netz, der sowohl Erzeuger als auch Nutzer von Daten ist, d. h. innovative Dienste interagieren dynamisch mit den Fahrzeugen und beobachten, steuern und optimieren den Verkehr. Für einzelne Systeme lassen sich die Fragestellungen bei der Erzeugung und Auswertung von Daten in Echtzeit noch verhältnismäßig leicht lösen. Aber bereits bei einem unternehmensübergreifenden Logistikszenario, wie im Forschungsprojekt ADiWa (Allianz digitaler Warenluss [1]) behandelt, zeigen sich vielfältige Herausforderungen: Notwendige Informationen werden nicht bereitgestellt oder Datenschnittstellen sind überaus heterogen. Außerdem sind Prozesse derzeit eher reaktiv ausgelegt, ohne die vorhandenen Echtzeit-Informationen für proaktives Handeln zu nutzen. Durch eine Integration unterschiedlicher Technologiebausteine konnte bei ADiWA gezeigt werden, dass hohes Nutzenpotenzial besteht. Das Logistikszenario greift allerdings nur auf wenige Fahrzeugfunktionen zu. Dies ändert sich, sobald Fahrzeuge Teil des „Internets der Dinge“ werden. Software übernimmt die wesentliche Rolle bei der Realisierung dieser Zukunftsvision. Physische Objekte (sprich: Fahrzeuge, Verkehrsinfrastruktur, etc.) und digitale Dienste werden zu Teilnehmern in einem „Software-Ökosystem“, das die unterschiedlichen Systeme, Dienste, Prozesse und Objekte zu einem Ganzen integriert und sich bei Änderungen dynamisch an neue Situa- Die Autoren: Ralf Kalmar, Jens Knodel Abb. 1: Vorreiter in der Vernetzung zwischen Fahrzeugen und IT-Infrastrukturen ist die Logistik. Doch dies ist erst der Anfang. TECHNOLOGIE Vernetzung Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 53 tionen anpasst (vgl. Abbildung- 2). Der Lkw fährt auf der Datenautobahn und wird Teil des Ökosystems. Der Fraunhofer-Innovationscluster „Digitale Nutzfahrzeugtechnologie“ [2], ein durch das Land Rheinland-Pfalz, den europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und die Fraunhofer-Gesellschaft gefördertes Vorhaben, beschäftigt sich seit 2010 mit Herausforderungen der Integration von Fahrzeugen mit der IT-Infrastruktur: • Methoden zur Konstruktion von Systemen für das Ökosystem, die eine Zusammenarbeit mit anderen Systemen im Ökosystem ermöglichen und dabei einerseits ofen, andererseits aber auch sicher und zuverlässig sind; • Technologien zur Beherrschung der Komplexität bei der Entwicklung und zur Qualitätssicherung des eigenen Systems innerhalb des Ökosystems. Lösungsansätze werden im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Fraunhofer-Innovationscluster vorangetrieben. Dabei arbeiten die Clusterpartner vorwettbewerblich zusammen, setzen darauf aubauend aber auch einzelne Lösungsschritte bilateral mit Forschern und Dienstleistern um. Darüber müssen tragfähige Geschäftsmodelle gefunden werden, die auch über Wertschöpfungsketten und Systemgrenzen hinweg funktionieren und damit zur Antriebsfeder des Software-Ökosystems werden. Konstruktion ofener Systeme Die wichtigste Entscheidung bei der Konstruktion von Systemen, die innerhalb eines Ökosystems operieren, ist die Frage über den Grad der Öfnung. Welche Daten und welche Funktionen dürfen wann, wie und auf welche Weise von anderen Teilnehmern des Ökosystems genutzt werden. Zudem muss über die Mechanismen zur Öfnung des Systems und den Zeitpunkt der Einbindung von Erweiterungen (statisch während der Entwicklung oder dynamisch zur Laufzeit) bestimmt werden. Je intelligenter das Ökosystem gestaltet ist, desto dynamischer muss jedes einzelne System auf Änderungen in seinem Kontext reagieren. Im einfachen Fall sind dies Änderungen von Datenwerten, die nur lokale Auswirkungen auf ein System haben (z. B. die Berechnung einer Ankunftszeit). Dynamische Anpassungen zur Laufzeit können jedoch auch Auswirkungen auf das gesamte Ökosystems verursachen (z. B. die Verfügbarkeit von Diensten) und damit Beeinträchtigungen von anderen Systemen zur Folge haben (Zeitverhalten, Dienstqualität). Solche Änderungen können bei komplexen Software-Ökosystemen nicht mehr zur Entwicklungszeit vorhergesehen werden; insbesondere Permutationen und Wechselwirkungen einzelner Änderungen machen dies praktisch unmöglich. Daher müssen die Systeme sich selbst zur Laufzeit adaptieren. Zu den größten Herausforderungen zählt dabei, die Rückwirkungen einer Adaption auf die Integrität, Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gesamtsystems zu bestimmen und ggf. korrigierend einzugreifen. In der Forschung werden dazu derzeit Methoden zu modularen und bedingten Nachweisen für die Funktionssicherheit (Safety) untersucht [3]. Ebenso wie die Systeme selbst setzen sich die Nachweise zur Qualitätssicherung auch dynamisch aus einzelnen Teilen zusammen. Der Nachweis der Funktionssicherheit wird also zur Laufzeit erbracht, und zwar jeweils für das konkrete Zusammenspiel der einzelnen Funktionen im Ökosystem. In einem Internet der Dinge müssen Fahrzeuge zusätzlich gegen böswillige Angrife abgesichert werden (Security). Dies stellt gerade für Hersteller von Nutzfahrzeugen oft noch Neuland dar. Darüber hinaus stellen die Daten des Fahrzeugs wertvolle Informationen dar, die nicht für jeden einsehbar sein sollen. Bei der Vernetzung von Fahrzeugen geht es deshalb insbesondere auch darum, kritische Wechselwirkungen von Security und Safety zu unterbinden. Wer möchte schon, dass ein Hacker auf der Autobahnbrücke eine Vollbremsung des Fahrzeugs auslöst? Fraunhofer-Forscher arbeiten daran, die etablierten Verfahren des Safety-Engineerings mit den Methoden des Security-Engineering zu integrieren, um neben Bedrohungen für die Unversehrtheit der Systemnutzer auch böswillige Angriffe auf die Verfügbarkeit und Integrität des Systems durch konstruktive Maßnahmen zu vereiteln. Beherrschung der Komplexität Software-Ökosysteme sind ein komplexes Gebilde, bei dem klassische Entwicklungsmethoden an ihre Grenzen stoßen werden. Das Zusammenspiel vieler Teilnehmer, die ständige Weiterentwicklung von einzelnen Systemen, die Einbindung neuer sowie der Wegfall bestehender Systeme innerhalb des Ökosystems verhindern, das Ökosystem als Ganzes zu erfassen, geschweige denn zu beherrschen. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma folgt dem Paradigma „Teilen und Herrschen“. Der Architektur kommen dabei zentrale Aufgaben zu: die Deinition von modularen Systemkomponenten, die Festlegung von Schnittstellen, die Regelung des Verhaltens sowie die Zusicherung der Abb. 2: Verschiedene Ebenen in einem Software-Ökosystem TECHNOLOGIE Vernetzung Qualitätseigenschaften im Zusammenspiel mit anderen, während der Entwicklung oft noch unbekannten Komponenten in verschiedenen Versionen und Varianten. Nur wenn Fahrzeuge als eigenständige Komponenten innerhalb des Ökosystems begrifen werden, kann der Erfolg letztendlich auch wirtschaftlich möglich sein. Die Modularisierung ermöglicht nicht nur die Reduktion von Komplexität, sie sorgt auch dafür, dass schnell auf Änderungen bei Anforderungen reagiert werden kann. Ähnliches gilt für die Qualitätssicherung: Nur wenn es gelingt, von zwei nachweislich sicheren Teilsystemen wiederum die Sicherheit des Gesamtsystems nachzuweisen, ohne dabei die Teilsysteme wiederholt zu prüfen, können abgesicherte Ökosysteme rund ums Fahrzeug entstehen. Der Aspekt der Integration von sicheren Teilsystemen wird in aktuellen Forschungsprojekten bearbeitet [4]. Der Lkw im Internet der Dinge In einem zukünftigen Internet der Dinge sind neben den Nutzfahrzeugen auch andere physische Objekte wie Ampeln, Parkplätze, Ladehöfe oder Transportkisten in smarten Umgebungen miteinander vernetzt. Die so entstandenen Ökosysteme ermöglichen die dynamische Optimierung der Arbeits- und Geschäftsprozesse nach unterschiedlichen Kriterien und befähigen regionale Unternehmen, ihre Erfahrungen und Kenntnisse im Anwendungsfeld gewinnbringend einzubringen - solche Systeme sichern damit die Zukunft in einer globalisierten Wirtschaft [5]. Der Lkw wird also zu einem Knoten im Netz, der Dienste nutzt, aber auch anbietet. Dies mag sich heute noch wie Science- Fiction anhören − um jedoch in zehn Jahren eigene Produkte in ein entsprechendes Software-Ökosystem einzubringen, müssen Unternehmen schon jetzt die Grundlagen schafen. Forschungsseitig werden die technologischen Herausforderungen seit einigen Jahren angegangen und es gibt vielversprechende Lösungsansätze, z. B. im Bereich der funktionalen Sicherheit. Spannend bleibt die Frage der Geschäftsmodelle: Wer in den Zukunftsszenarien das meiste Geld verdient, ist noch ofen - die etablierten Hersteller, Zulieferer oder Firmen wie Google, Apple oder IBM? Sicher ist nur: Die Fähigkeit einer Organisation, schnell auf neue Anforderungen zu reagieren, entscheidet über den Markterfolg. ■ LITERATUR [1] BERGER, WEBEL, u. a.: ADiWa: Luftfrachtlogistik im digitalen Zeitalter, Deine Bahn, Ausgabe 03/ 2012, S. 34f, BFV, Berlin. [2] Fraunhofer-Innovationscluster „Digitale Nutzfahrzeugtechnologie; Fahrzeug-Umwelt-Mensch-Interaktion“, www. nutzfahrzeugcluster.de (besucht: September 2012) [3] SCHNEIDER, D.; TRAPP, M.: A Safety Engineering Framework for Open Adaptive Systems, In Proceedings of the Fifth IEEE International Conference on Self-Adaptive and Self-Organizing Systems, Ann Arbor, Michigan, USA; October 3 - October 7, 2011. [4] SeSaM − Secure and Safe Microkernel Made in Germany: Förderprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, http: / / www.sysgo.com/ company/ about-sysgo/ rdprojects/ the-sesam-project/ (besucht September 2012) [5] PORTER, M. E.: „Unternehmen können von regionaler Vernetzung proitieren“, Harvard Business Manager 3/ 1999, S. 55. Ralf Kalmar Geschäftsfeldleiter Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE), Kaiserslautern ralf.kalmar@iese.fraunhofer.de Jens Knodel, Dr. Leiter Forschungsbereich „Vertically integrated Systems“, Fraunhofer- Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE), Kaiserslautern jens.knodel@iese.fraunhofer.de Handbuch Erdbauwerke der Bahnen Planung - Bemessung - Ausführung - Instandhaltung Handbuch Erdbauwerke der Bahnen informiert über die wesentlichen Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Oberbau, Unterbau und Untergrund unter den Einwirkungen aus dem System Fahrzeug-Fahrweg. Einbezogen wurden wesentliche Änderungen und Erweiterungen, wie vor allem die Einführung des Eurocode 7 (EC 7) mit dem neuen Teilsicherheitskonzept bei der Bemessung geotechnischer Bauwerke der Eisenbahn, die Weiterentwicklung der Richtlinie Ril 836 der DB AG, der neu entwickelte Nachweis der dynamischen Stabilität als Teil des Grenzzustandes der Gebrauchstauglichkeit, - Neuentwicklungen in der Bau- und Verfahrenstechnik, - Änderungen bei Begrifen, Deinitionen und Formelzeichen sowie neuentwickelte Berechnungsbeispiele nach EC 7. Dieses Handbuch ist ein praxisorientiertes Nachschlagewerk und eine Handlungsanleitung für ein instandhaltungsarmes Fundament des Fahrweges. ISBN: 978-3-7771-0430-0 Preis: EUR 68,00 ; 555 Seiten Zweite komplett überarbeitete und erweiterte Aulage Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ HEB Hier inden Sie auch eine Leseprobe. 5114_anz_erp_hb_erdbauwerke_210x148.indd 1 19.11.2012 10: 53: 21 TECHNOLOGIE Ortung Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 55 Mobilitätserhebungen mit Smartphones Der Einsatz von Ortungstechnologien in verkehrswissenschaftlichen Untersuchungen hat sich noch nicht etabliert, obwohl sich damit die Wirkung von verkehrlichen Interventionen und Mobilitätsangeboten genau quantiizieren ließe. Mit der Verbreitung von Smartphones könnte sich dies nun ändern. Im Rahmen des vom BMWi geförderten Forschungsprojekts cairo (context aware intermodal routing) wurde mit HaCon, DB Rent und InnoZ ein solches Erhebungsinstrument entwickelt. D ie ersten Mobilitätsstudien mit GPS-Tracker dienten zur Ermittlung von Korrekturfaktoren, um vergessene Wege in Wegetagebüchern auszugleichen. Es zeigte sich, dass die herkömmlichen Erhebungsverfahren oft ungenau und fehlerhaft waren und für speziische Aussagen, z. B. über Änderungen des Modal Split, nicht ausreichten. Die Nutzung von GPS bot hier eine verlockende Alternative (Doherty et al. 2001; Pearson 2001). Doch auch die Qualität von GPS-Daten ist oft lückenhaft und fehlerbehaftet. Ein weiterer Nachteil von GPS-Tracks gegenüber Wegetagebü- Abb. 1: Einstellungsbildschirm des Tracking-Tools chern zeigt sich bei der Identiikation von Wegezwecken, die ohne zusätzliche Interaktion der Probanden nahezu unmöglich sind. Die Ausstattung von GPS-Trackern mit Funktionstasten sollte darauhin Probanden die Eingabe von Verkehrsmitteln und Wegezwecken ermöglichen, wie z. B. in der CHASE-Methode unter Nutzung eines „Prompted Recall Survey“ (Stropher 2008). Im cairo-Projekt wurden Erfahrungen mit solchen GPS-Trackern gesammelt. Es zeigte sich, dass beim Umgang mit solchen ungewohnten technischen Geräten Bedienschwierigkeiten auftreten können und die ergänzenden Eingaben häuig unvollständig oder fehlerhaft waren. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, dass der Ladestand der Geräte nicht beachtet wurde. Zudem wurde das Mitführen eines zusätzlichen Geräts als Belastung empfunden und es daher nicht mehr auf allen Wegen mitgeführt. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde eine Applikation für Android-Smartphones entwickelt, die unter Rückgrif auf die GPS- Sensoren bzw. den Positioning-Layer den gleichen Leistungsumfang wie GPS-Tracker erreicht, aber die Handling- und Usability- Probleme vermeidet. Dieser Ansatz wurde bereits in der MASI-Studie und beim Erhebungssystem TRAC-IT erprobt (verkehrplus et al. 2010; Winter et al. 2008). Wichtige Vorteile bei dem Einsatz von Smartphones als Erhebungsinstrument bestehen vor allem in deren Alltagstauglichkeit als Kommunikationsmedium: Die meisten Smartphone- Besitzer führen die Geräte stets bei sich und achten zudem auf den Ladestand. Der Umgang ist vertraut und stellt selten große Herausforderungen dar (Schelewsky et al. 2012). Konzeption des Trackingtools Der Einsatz des Smartphone als Erhebungsinstrument darf die alltägliche Nutzung nicht einschränken. Die Anwendung soll unbemerkt im Hintergrund arbeiten, ohne dass der Benutzer regelmäßig interagieren muss. Ein Hauptaugenmerk liegt daher auf größtmöglicher Automatisierung, sowohl im eigentlichen Client als auch bei der Datenaubereitung. Die Interaktion der Probranden wurde dazu auf ein Minimum begrenzt: Nach dem Start der Applikation wird zunächst eine Benutzerkennung eingegeben, über die sich der Proband pseudonymisiert, bevor die Tracking-Funktion aktiviert werden kann. Nutzerseitige Einstellungsmöglichkeiten betrefen den zeitlichen Maximalabstand zwischen zwei Positionsbestimmungen und den Übertragungszeitpunkt der Daten zum Server für die Datenaubereitung. Des Weiteren kann der Nutzer die zu verwendenden Ortungstechniken bestimmen sowie in einer Karte bestimmte Orte taggen, um für die Auswertung z. B. Wegezwecke zu bestimmen (vgl. Abbildung-1). Die technische Herausforderung in der ersten Entwicklungsphase resultiert aus dem Spannungsverhältnis einer möglichst genauen und umfassenden Datenerfassung bei möglichst geringem Energieverbrauch, um die Akkulaufzeit zu maximieren. Dazu wurde in einem ersten Schritt die Frequenz der Positionsbestimmungen direkt von der Bewegungsgeschwindigkeit des Geräts abhängig gemacht. Während das Tool bei Stillstand in einem festen, niedrigen Takt neue Positionen ermittelt, wird die Frequenz beim Erkennen von Bewegung mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter erhöht. Auf GPS-Daten basierende Geschwindigkeitsmessungen werden aber immer erst verzögert, d. h. beim Registrieren des nächsten Datenpunkts wahrgenommen (Abbildung- 2). Dadurch können Schwierigkeiten beim Erfassen von sehr kurzen Wegen entstehen. Die Autoren: Marc Schelewsky, Dirk Stürzekarn, Benno Bock TECHNOLOGIE Ortung Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 56 Zudem wird die Identiikation von Verkehrsmitteln erschwert, da eine große Distanz zwischen den ersten Datenpunkten zurückgelegt wird. Um diesen Anforderungen zu begegnen, wurde die Tracking-Frequenz mit dem Beschleunigungssensor des Smartphone gekoppelt. Dadurch lassen sich Ortsveränderungen unmittelbar registrieren und die Tracking-Frequenz wird gesteigert. Einen weiteren Beitrag zur Energieeinsparung kann die Wahl der Ortungstechnik leisten. Insbesondere die GPS-Ortung benötigt im Vergleich zur GSM- oder WLAN- Ortung viel Energie. Allerdings ist die Ortung über Mobilfunknetze mit starken Ungenauigkeiten verbunden. Deshalb muss immer abgewogen werden, ob die Güte einer Messung per Netzwerk ausreicht, um eine GPS-Position zu ersetzen. Die Ortung über Mobilfunk und WLAN erfolgt anhand von Datenbanken, in denen die Standorte der einzelnen Netzwerke erfasst sind. Diese Daten sind nicht notwendigerweise aktuell, was zu Messfehlern führen kann. Auf der anderen Seite verfügen die GPS- Module heutiger Smartphones meist über eine so geringe Leistung, dass sie schon bei geringer Abschirmung z. B. durch Gebäudekomplexe keine Satellitensignale mehr empfangen können. Informationen über die Qualität der Positionsbestimmung sind hierbei nur begrenzt zugänglich. Ein Zugrif auf die Sensordaten ist nicht direkt möglich. Das Betriebssystem stellt ein Application Programming Interface (API) zur Verfügung, über das die Positionen alle vorhandenen Module bereits in aufgearbeiteter Form in einem festen Format geliefert werden. So erhält man nur noch sehr grobe Informationen über die Güte der Messung, die als Genauigkeit in Metern angegeben wird. Datenaufbereitung Auch wenn die täglich anfallende Datenmenge bei nur 300 kB pro Proband und Tag liegt, kann die Interpretation der gesammelten Daten nur automatisiert erfolgen. Als Basisinformation werden zu jedem GPS-Track die Geokoordinaten, die Uhrzeit, die Genauigkeit der Messung und die Geschwindigkeit erfasst. Als weitere Informationen dienen Nutzerangaben. Hat der Benutzer Orte getaggt, kann aus diesen Angaben automatisiert der Wegezweck erkannt werden, wenn beispielsweise ein Weg von der „Wohnung“ zum „Arbeitsplatz“ erkannt wird. Die Datenaubereitung beginnt dann mit der Identiikation von Ruhephasen und Änderungen im Bewegungsverhalten, um den Track in einzelne Wege und Wegeabschnitte zu unterteilen. Diese Wegeabschnitte können dann auf drei Arten einem Verkehrsmittel zugeordnet werden: • durch Verknüpfung der Tracks mit dem bekannten Verkehrswegenetz, • durch Extraktion von Haltepunkten und Abgleich mit den Fahrplandaten sowie • durch Ermittlung der Durchschnittsgeschwindigkeit und Vergleich mit typischen Geschwindigkeiten von Verkehrsmitteln. Ein Beispiel für eine bereits vorhandene Technik zur Erkennung von genutzten ÖV- Verbindungen in Echtzeit stellt die in cairo eingesetzte „Match me“-Funktionalität dar (vgl. Abbildung- 3). Der Server bestimmt anhand der aktuellen Verkehrslage, welche öfentlichen Verkehrsmittel sich in einem bestimmten Umkreis rund um die übermittelten Positionen beinden. Da das „Match me“-System allerdings auf eine Nutzerinteraktion setzt, ist die dort durchgeführte Suche sehr unscharf. Die verbleibende Auswahl muss anhand von weiteren Algorithmen nach Plausibilität geiltert werden. Eine Identiizierung von Carsharing- oder Bikesharing-Fahrten ist theoretisch in ähnlicher Weise möglich, dazu müsste die „Match me“-Funktion um Buchungsdaten erweitert werden. Das setzt die Bereitschaft entsprechender Mobilitätsanbieter voraus. Ergebnisse und Ausblick Der Nutzen des Tracking-Tools muss nicht allein auf die Erstellung von Wegetagebüchern in der Verkehrsforschung beschränkt bleiben. Insbesondere im Hinblick auf die Erkennung von ÖV-Anteilen innerhalb der erfassten Wegstrecken lassen sich noch andere Einsatzbereiche vorstellen. Graisch ansprechende Statistiken könnten dem Nutzer beispielsweise seine gelebte Mobilität transparenter werden lassen. Auf dieser Basis wäre es denkbar, monatliche Übersichten zu Kostenstruktur und CO 2 -Ausstoß zu generieren. Auch ließe sich die Nutzung von Abb. 2: Track mit Geschwindigkeitsheuristik Abb. 3: Funktion „aktuelle Fahrt ermitteln“ mit dem „Match me“-System Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 57 E-Ticketingsystemen mit Check-in/ Checkout-Funktionalität vereinfachen, indem der Check-out-Vorgang über die Identiikation der genutzten Verkehrsmittel automatisiert erkannt wird. Ein solcher Anwendungsfall stellt jedoch hohe Anforderungen an den Datenschutz und ist derzeit auch technisch eine große Herausforderung. ■ Marc Schelewsky, Dipl.-Soz. InnoZ GmbH, Berlin marc.schelewsky@innoz.de Dirk Stürzekarn, Dipl.-Math. HaCon Ingenieurgesellschaft mbH, Hannover dirk.stuerzekarn@hacon.de Benno Bock, Dipl.-Ing. InnoZ GmbH, Berlin benno.bock@innoz.de LITERATUR CASAS, J.; ARCE, C.H. (1999): Trip Reporting in Household Travel Diaries: A Comparison to GPS Collected Data, In: 78th Annual Meeting of the Transportation Research Board. Washington D.C.: Transportation Research Board SCHELEWSKY, M.; BOCK, B.; JONUSCHAT, H. (2012, im Erscheinen): Einfach und komplex. Nutzeranforderungen an intermodale Smartphone-Applikationen zur individuellen Routenplanung. InnoZ-Baustein Nr. 13, Berlin: InnoZ DOHERTY, S. T., NOËL, N., GOSSELIN, M.L., SIROIS, C., UENO, M. (2001) Moving beyond observed outcomes: integrating global positioning systems and interactive computer-based travel behavior surveys. Washington D.C.: Transportation Research Board PEARSON, D. (2001): Global Positioning System (GPS) and travel surveys: Results from the 1997 Austin household survey, In: Eighth Conference on the Application of Transportation Planning Methods. Corpus Christi STOPHER, P., CLIFFORD, E., J. ZHANG, J. (2008) Determining trip information using GPS data. Sydney: University of Sydney. VERKEHRPLUS, EASYMOBIZ, X-SAMPLE (2010): MASI_activ. Konzeption eines mobilfunkgestützten Erhebungssystems für Mobilitätsbefragungen. Graz-Wien: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie WINTER, P.L., BARBEAU, S.J., GEORGGI, N.L. (2008): Smart Phone Application to Inluence Travel Behavior. Tampa: University of South Florida Europäische Bahnen '12 '13 Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und infrastrukturunternehmen 29 Länder 1.121 Unternehmen 2.300 Ansprechpartner 13.500 Triebfahrzeuge Die Marktübersicht Europäische Bahnen liefert Ihnen zum Bahnmarkt in Europa einen aktuellen Überblick. In der 6. Aulage inden Sie: Einleitungskapitel zu jedem Land mit Informationen zum aktuellen Stand des Bahnmarkts, zur Marktstruktur sowie Adressen zu Aufsichtsbehörden Übersichts-Streckenkarten zu den behandelten Ländern Und ganz neu, Streckenkarten und Organigramme ausgewählter Unternehmen In Zahlen bedeutet dies: rund 1.121 Unternehmen mit allen Daten zu Gesellschaftern, Management, Historie und Verkehren ein Personenindex mit mehr als 2.300 Einträgen 29 Länder und mehr als 13.500 Triebfahrzeuge der privaten Bahngesellschaften mit ihren Herstellerdaten Diese Datenfülle mit ihrem hohen Qualitätsstandard ist einzigartig in Europa. Mit dem Buch erhalten Sie eine CD-ROM. Diese enthält detaillierte Fahrzeuglisten sowie alle Inhalte des Buches als PDF (Volltextsuche möglich). Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ eb NEU Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0437-9 Format 148 x 215mm Preis: EUR 128,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) rabattierter Preis (für Rail.Business Abonnenten): EUR 96,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress Telefon: +49/ 40/ 2 37 14-440 · Fax +49/ 40/ 2 37 14-450 E-Mail: buch@dvvmedia.com 4887_anz_erp_eb_rbs_210x297.indd 1 13.09.2012 12: 23: 07 TECHNOLOGIE Fahrgastinformation Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 58 Amsterdam mit neuem Betriebsleitsystem Wegen unbefriedigender Pünktlichkeit und mangelhafter Qualität der Fahrgastinformation hat die niederländische GVB in Amsterdam mit einem modernen, leistungsfähigen Betriebsleitsystem eine neue Ära eingeläutet. A ußer den knapp 800 000 Einwohnern bevölkern jährlich zehn Millionen Touristen die niederländische Metropole Amsterdam. Die GVB (Gemeente Vervoer Bedrijf ) in Amsterdam, das größte städtische Verkehrsunternehmen der Niederlande, befördert in diesem Ballungsraum mit fast 600 Fahrzeugen täglich fast 800 000 Fahrgäste. Das Streckennetz umfasst heute 42 Bus-, 16 Straßenbahn- und vier U-Bahnlinien sowie fünf Fährverbindungen. Die GVB bedient ein außerordentlich dicht besiedeltes Gebiet; nicht zuletzt darum heißt es für alle Fahrzeuge: Green Power. Der Strom für Straßen- und U-Bahnen stammt aus der Müllverbrennung. Und seit 2004 beteiligt sich das Verkehrsunternehmen an einem europäischen Projekt mit Brennstofzellen. Die Zellen nutzen Wasserstof als Energiequelle, den sie in elektrischen Strom umwandeln. Die Busse treibt dann ein Elektromotor an. Moderne Ausstattung Zu Beginn des neuen Jahrtausends stattete die GVB ihre Busse und Straßenbahnen mit neuen Bordrechnern aus, um mit einem modernen rechnergestützten Betriebsleitsystem (RBL) die Qualität der Dienstleistungen und Fahrgastinformationen zu steigern. Darüber hinaus erhielt die Berliner PSI Transcom GmbH im August-2002 nach einer Ausschreibung den Auftrag zur Realisierung des neuen Betriebsleitsystems auf der Basis ihrer Systemplattform PSItraic. Zum Auftragsumfang gehörten neben Standardfunktionen wie permanenter Verfolgung der Fahrzeugpositionen oder Anzeige dynamischer Fahrgastinformationen auch spezielle Lösungen wie die Integration vorhandener Infrastruktur, beispielsweise der Weichenstellung. Auch eine Vielzahl von Schnittstellen - etwa zum Analogfunk oder der Fahreranmeldung auf den Bordrechnern - sollten programmiert werden. Regularität entzerrt Die neuen Bordrechner hatten allerdings Probleme, die korrekte Fahrzeugposition zu ermitteln. Das gyroskopische Ortungsverfahren kombiniert mit GPS und Sensoren an den Rädern sowie ein häuig ausfallender Datenfunk führten teilweise zu Abweichungen von mehreren hundert Metern. Trotzdem nahm die GVB das neue ITCS (Intermodal Transport Control System) 2005 in Betrieb. Seither stiegen die Anforderungen der Gemeinde Amsterdam an die Pünktlichkeit und die Prognosequalität - die an den Haltestellen angezeigten Ankunftszeiten - stetig an. In Amsterdam gibt es ein Bonus-Malus-System, das die Verkehrsunternehmen zu Bußgeldzahlungen verplichtet, wenn sie Verkehre nicht bedienen oder eine bestimmte Pünktlichkeitsrate nicht erfüllen. Daher galt es, Pünktlichkeit und Informationen stetig anzupassen und zu verbessern. Zu diesen Verbesserungen tragen ausgeklügelte Funktionen wie die Steuerung der Regularität, also der Regelmäßigkeit, bei. Eine Straßenbahnlinie besteht aus einer bestimmten Anzahl von Haltestellen, die zehn oder 20 Fahrzeuge in einem bestimmten zeitlichen Takt bedienen. Gibt es eine Störung im Streckenverlauf, stauen sich die Bahnen. Können sie schließlich wei- Der Autor: Volker Vorburg Foto: Chris0693 Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 59 Abb. 1: Brennstofzellenbus (Foto: GVB) Abb. 2: Haltestellendisplays (Foto: PSI Transcom) terfahren, kommt ein ganzer Pulk an der Endhaltestelle an. Da es wenig sinnvoll ist, alle wieder gemeinsam auf die Rückfahrt zu schicken, gibt es im ITCS den Dienst „Regelmäßigkeit“, der den Verkehr entzerrt. Er zeigt den Fahrern an den Endhaltestellen auf dem sogenannten EndPointHouse ihre veränderten Abfahrtzeiten, so dass sie schließlich ungefähr in ihrem ursprünglichen zeitlichen Abstand fahren. Displays stets aktuell An der Centralstation, dem wichtigsten Verkehrsknoten Amsterdams, gibt es für die Straßenbahnen vier Spuren zu den Bahnsteigen, an denen immer jeweils zwei Bahnen halten können. Die Zufahrt zu diesen Tracks ist aber einspurig. Nun kann es passieren, dass die Linien- 1 und 5 in dieser Reihenfolge ankommen, fahrplanmäßig aber in umgekehrter Reihenfolge abfahren müssten. PSItraic bildet dann anhand der Positionsmeldungen eine Zufahrtsreihenfolge zu den Bahnsteigen, die eine fahrplanmäßige Abfahrt gewährleistet und steuert die Weichen und Anzeigedisplays entsprechend. Entstehen Störungen im Streckenverlauf, kann das ITCS eine Umleitung organisieren. Das sind in der Regel im Vorfeld deinierte Strecken, die das System automatisch schaltet. Der Dispatcher kann aber auch eine spontane freie Umleitung zwischen zwei Punkten aktivieren. In jedem Fall aktualisiert das System den Streckenverlauf, berechnet die neuen Abfahrtzeiten, korrigiert die Weichenstellungen und zeigt alle Änderungen im gesamten Streckenverlauf in den Displays der Haltestellen an. Positionstelegramme Inzwischen besteht eine konstante partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen GVB und PSI Transcom. Erst im vergangenen Jahr wurden die Anforderungen wieder erhöht. Die Positionsmeldungen, die auf GPS-Daten, Geschwindigkeitsmessungen, der Sensortechnik an den Rädern und gyroskopischen Messergebnissen basieren, sind bei hoher oder niedriger Geschwindigkeit oft ungenau. Bei über 450 Fahrzeugen reichen bereits kleine Ungenauigkeiten, um ein Fahrzeug in einer Zufahrtsliste fälschlich um ein oder zwei Positionen nach vorn oder hinten zu verschieben. Das wiederum bringt die gesamte Weichensteuerung in Gefahr. Um den Positionsalgorithmus der Bordrechner zu umgehen, schickt jetzt jedes Fahrzeug beim Verlassen einer Haltestelle zusätzlich ein Telegramm. Alle Informationen laufen im System zusammen, das sie für die Positionsanzeigen und die Kalkulation der Ankunfts- und Abfahrtszeiten nutzt. Immer, wenn eine Positionsmeldung kommt, berechnet das System die aktuelle Fahrt sowie die nächsten zwei Folgefahrten. Fazit Und noch etwas Neues brachte das vergangene Jahr. Die niederländische Regierung möchte alle Nahverkehrsunternehmen bündeln und deren Informationen an einem zentralen Ort zusammenzufassen. Ziel ist es, öfentliche Displays - etwa am Flughafen oder im Internet - mit aktuellen Verkehrsinformationen zu versorgen und die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Verkehrs zu überprüfen. Dazu mussten Schnittstellen für die Übermittlung sämtlicher Soll- und Istdaten programmiert werden. Heute ermöglichen diese Schnittstellen Routenplaner, deren Informationen auf wenige Sekunden alten Daten beruhen. Die Positionsmeldung eines Busses oder einer Straßenbahn kann so bereits nach sieben Sekunden weltweit genutzt werden. Aufgrund des Bonus-Malus-Systems der Stadt Amsterdam musste GVB in den letzten Jahren keine Strafzahlungen mehr leisten. Im Gegenteil, vor zwei Jahren zahlte die Stadt eine große Summe zurück. ■ Volker Vorburg Journalist und Redakteur mit den Themenschwerpunkten IT, Telematik, Telekommunikation und Logistik Vaihingen/ Enz V.Vorburg@gmx.de TECHNOLOGIE Telematik Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 60 Telematik für schwere Lkw Das Transportgewerbe mit schweren Lkw hat ein gewaltiges Päckchen zu schultern, um die künftigen Herausforderungen des europäischen Güterverkehrs zu bewältigen. Mit Hilfe von Telematiksystemen können Reserven angezapft werden, die bei einem ressourcenschonenden Fahrzeugumgang eine nicht unerhebliche Rolle spielen. S eit der Öfnung des Binnenmarkts in Europa steht ein breites Warenangebot zur Auswahl und sorgt für den kontinuierlichen Aufwärtstrend von Gütertransportleistungen. Laut Statistischem Bundesamt stieg das Transportaukommen in Deutschland 2011 um 6,5 % gegenüber dem Vorjahr auf 4,3 Mrd. t, die höchste Steigerung gegenüber einem Vorjahr seit 1994. Den stärksten Anteil daran hatte mit 77,5 % und 3,4 Mrd. t der Beförderungsmenge der Straßengüterverkehr. Europaweit gehen drei Viertel der Güterverkehrsleistungen auf das Konto der Straße. Bis 2030 soll die europäische Transportleistung bei mehr als 3700-Mrd. Tonnenkilometer liegen; beim Modal Split, der Aufteilung der Marktanteile der einzelnen Verkehrsträger, bleibt die Straße federführend. Trotz optimistischer Langfristprognosen ist das Gütertransportgeschäft kein Zuckerschlecken. Steigende Kosten, sinkende Frachterlöse und knapper Laderaum verteuern Transporte für Verlader und Ein- Abb. 1: Entwicklung des Güterverkehrs in der EU-27 bis 2030 käufer. Jede Dieselkraftstof-Preiserhöhung trift die Transportbranche hart und lässt Speditionen ins Straucheln geraten. Hinzu kommen Engpässe bei der Verkehrsinfrastruktur, der Ruf nach grünen Logistikprozessen, Aulagen und Einschränkungen, etwa durch die Lkw-Maut oder Lenk- und Ruhezeitenverordnung. Diese Einlussfaktoren führen zu Veränderungen bei Verkehrsverhalten, Gestaltung von Logistikabläufen und Einsatz treibstofsparender Technologien. In den frühen 1980er Jahren wurden in der Daimler AG bereits erste Prototypen zur Verknüpfung von Fahrzeuginformationen und Dispositionszentrale konzipiert. Als 1990 die Welt noch analog war, verbaute Mercedes-Benz bereits elektronische Fahrzeugdiagnosesysteme und stellte zur IAA Nutzfahrzeuge 1998 erstmalig das Telematiksystem Fleet- Board in Form eines Bordrechners vor. Steigende Datenübertragungsmengen und sinkende -gebühren führten zur Etablierung internetbasierter Telematikdienste. Telematiksysteme greifen mittels einer im Fahrzeug verbauten Hardware, auch On- Board-Computer genannt, über eine Fahrzeugschnittstelle auf die Elektronik des Lkw zu. Via mobiler Datenübertragung werden Fahrzeug-, Einsatzanalyse- und Auftragsdaten an Server übermittelt und von dort aus in Form von Telematikdiensten gesichert und passwortgeschützt über das Internet zur Verfügung gestellt. Fiktives Beispiel Über den gesamten Tagesablauf eines Disponenten geschaut, spielen Telematiksysteme eine wesentliche Rolle. Um das an einem iktiven Beispiel zu verdeutlichen: Nachdem sich Disponent Lehmann der europaweit tätigen Beispielspedition in seine Flotte bestehend aus Mercedes-Benz Nutzfahrzeugen und Lkw anderer Hersteller eingeloggt hat, verschaft er sich einen ersten Überblick über die 35-Beispielfahrzeuge auf der digitalen Europakarte − bei Bedarf bis auf Straßenebene. Einige Lkw setzen 30-Sekunden-Positionsintervalle ab. Be- und Entladeorte von Bestandskunden sind als POI (Point of interest) markiert. Besonders im grenzüberschreitenden Verkehr und bei der Ansteuerung großer Ballungszentren ist hoch aulösendes Kartenmaterial ein Segen. Mittels elektronischer Fahrtenaufzeichnung hat Herr Lehmann Fahrt- und Standzeiten, Fahrten und Pausen, Tankfüll- und Kilometerstände im Blick. So erhält der Disponent über die Telematik in seinem bestehenden Speditionssoftwareprogramm alle für seine Arbeit notwendigen Informationen aufgezeigt. Damit plant er die anstehende Tour zum Transport von Elektroteilen und versendet alle Auftragsdetails, z. B. sensible Ware, Kontaktinformationen und Packstückliste über das Fahrzeug-Endgerät DispoPilot.mobile direkt an Fahrer Wohlfahrt ins Fahrerhaus. Die erweiterte Worklow-Funktion leitet den Fahrer optimal an: Er kann den Auftrag durch Bestätigung der einzelnen Prozessschritte abarbeiten und bei Bedarf durch Freitextmeldungen während der Tour mit Der Autor: Ralf Forcher Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 61 Abb. 2: Über die gesamte Nutzungsdauer eines Lkw gehören vor allem Kraftstof-, Personal- und Verwaltungskosten zu den maßgeblichen Faktoren, die über die Wirtschaftlichkeit entscheiden. der Zentrale kommunizieren. Wohlfahrt übernimmt die geokodierte Zieladresse per Knopfdruck in die Lkw-Navigation und startet seinen neuen Mercedes-Benz Actros- 1845 BlueTec- 6. Unterwegs beachtet er die Gebote des wirtschaftlichen Fahrens; so kann er sich am Steuer entspannen. Sein Fahrzeug ist standardmäßig mit dem Fleet- Board-Fahrzeugrechner ausgestattet, der alle Fahrdaten an die Zentrale übermittelt. Da der Beispiel-Fahrer auf Basis der Telematikdaten regelmäßig geschult wird, weiß er um die Auswirkung eines höheren Retardereinsatzes und wann welche Leistung sinnvoll ist. Herr Lehmann freut sich über die Sensibilisierung seiner Fahrer in puncto verschleiß- und verbrauchsreduzierter Fahrweise. Er analysiert wöchentlich mit Hilfe der Einsatzanalyse alle Fahrdaten seines Mischfuhrparks, wie Geschwindigkeiten, Bremseinsatz, Motorkennfeld, Stopps und Standzeiten mit laufendem Motor sowie die Schwere der Einsätze mit mittlerer Steigung und Fahrzeuggewicht. So kann er z. B. schlussfolgern, ob Geschwindigkeitsproile dem Einsatz angemessen sind. Die neuen Actros liefern ihm weitere Einsatzmerkmale, wie z. B. Tempomat, Eco-Roll oder Kickdown-Nutzung. Auf Basis des FleetBoard Datenfundus wird das eiziente Fahrverhalten in Notenform berechnet und darauf basierend Trainingsmaßnahmen abgeleitet. Die kontinuierliche Arbeit an einem wirtschaftlichen Fahrstil kann 5 bis 15 % Kraftstofreduktion, auf Fahrzeug und Jahr gerechnet, bringen. Einen Teil der Ersparnis gibt Herr Lehmann in Form von Prämien an seine Fahrer weiter und wirbt bei seinen Kunden mit einer nachhaltigen Transportabwicklung. Fahrer Wohlfahrt ist in einen Stau geraten und gibt mittels DispoPilot.mobile über die Verzögerung Bescheid. Disponent Lehmann informiert umgehend den Auftraggeber, denn dessen Beladungszeitfenster sind eng getaktet. Für den Verlader ist das in Ordnung, da er über die telematikgestützte Gebietsüberwachung rechtzeitig eine Information erhält, sobald Wohlfahrt 20 km vom Werk entfernt ist. Der Informationsluss zwischen Wohlfahrt, Rampe- 8 und Herrn Lehmann läuft perfekt. Herr Schneider ist gestern an der österreichischen Grenze gestartet und fährt mit einer Ladung Medikamente auf der A3 zum Umschlagbahnhof Köln-Eifeltor. Da er durch die Nacht gefahren ist, verfügt er kaum noch über Restlenkzeit und muss pausieren. Lehmann weiß durch die direkte Anbindung der Telematik-Hardware an den digitalen Tachographen Bescheid und hatte das bei der Tourenplanung berücksichtigt. Zum Ende des Monats wird er die Arbeitszeiten seiner Fahrer an die Lohnbuchhaltung weiterleiten. Mit Hilfe des im DispoPilot.mobile integrierten Barcodescanners erfasst Wohlfahrt an Rampe-8 die zu transportierenden Pakete und setzt Beladebeginn und -ende als Statusmeldung ab. Sollte er zu einem falschen Paket greifen, gibt es eine Fehlermeldung. Nach Auslieferung der Ware wird der Autohersteller den Empfang mittels elektronischer Unterschrift auf dem DispoPilot. mobile quittieren und die Disposition kann fast zeitgleich den Rechnungslauf starten. Der gesamte Transportauftrag wird professionell abgewickelt, ohne dass ein direkter Kontakt zwischen Fahrer und Dispo erfolgte. Auf der A7 kurz vor Hamburg gibt es Probleme: Ein dringendes Termingut muss bis 18 Uhr einen Containerterminal im Hafen erreichen und der Lkw ist liegen geblieben. Das Fahrzeug steht kurz vor der Wartung, die mit Unterstützung des Telematiksystems von der Vertragswerkstatt geplant wurde. Über die Wartungsplanung hatte sich auch Lehmann vor zwei Tagen bezüglich Abnutzungsgrad der Bremsbeläge und Verschleißteile informiert. Doch ein Fehler am Steuergerät führt zum Fahrzeugstillstand. Die Werkstatt kann mittels Remote- Diagnose das Fehlerbild analysieren, ohne das Fahrzeug abzuschleppen, indem der Fahrer die Diagnosedaten per Knopfdruck über das Telematiksystem an die Werkstatt überträgt. Ein Service-Mitarbeiter fährt mit dem passenden Austauschsteuergerät zum Pannenort, wo das Problem direkt behoben werden kann. Fazit Die Einbindung von Telematikdiensten in den Transportalltag bedeutet nicht nur große Erleichterung und Ersparnis, sondern trägt gleichermaßen zu einer verantwortungsvollen Abwicklung von Warentransporten und Unfallprävention bei. Eine zunehmend wichtige Rolle spielt die Bereitstellung von Fahr-, Auftrags- und Fahrzeuginformationen auf Smartphones, um via iPhone oder iPad jederzeit und von überall Flottensteuerung zu betreiben. So kann man sich z. B. spontan über Fahrzeugpositionen oder Restlenkzeiten informieren, um einen kurzfristigen Auftrag anzunehmen und Leerfahrten zu vermeiden. Auf mehr Unterstützung bei der pünktlichen und sicheren Fahrzeugführung ohne waghalsige Wendemanöver können sich Fahrer freuen. Im Fahrzeug werden neue Generationen von Navigationssystemen mit großen und hochaulösenden Displays den Fahrer besser und situativer unterstützen. Dazu gehören unter anderem Detailkarten von Logistiklächen oder Hafengeländen, auf denen die einzelnen Laderampen exakt vermerkt sind. Gerade dieses letzte Stück des Weges kann dem Fahrer große Schwierigkeiten bereiten. Und gerade die aus modernen Transportunternehmen nicht mehr abkömmlichen Telematiksysteme können Disposition und Fahrer dabei wirkungsvoll unterstützen, bei den steigenden Anforderungen in puncto Globalität, Nachhaltigkeit und Sicherheit des Transportgewerbes eine stabile, umweltschonende und vernetzte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. ■ Ralf Forcher, Dr.-Ing. Geschäftsführer Daimler FleetBoard ralf.forcher@daimler.com INDUSTRIE+TECHNIK Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 62 ZF Friedrichshafen Neues Werk in Rayong Die ZF Friedrichshafen AG baut ihre Präsenz in der Region Asien- Paziik weiter aus: Der Automobilzulieferkonzern hat sein neues Werk im thailändischen Rayong oiziell eröfnet. Dort produziert die regionale Tochtergesellschaft ZF Lemforder (Thailand) Co. Ltd. Achssysteme für Pkw. ZF hat mit dem neuen Standort die Produktionsläche in Thailand auf 7000 m² verdoppelt, eine weitere Ausbaureserve besteht. (zp) Langh Container für Coils Langh Ship Cargo Solutions hat neue Muldencontainer für den Bahnverkehr entwickelt, in denen auch Bandstahlrollen transportiert werden können. Die Behälter können auf normalen Wagen für 20- und 40-Fuß-Standardcontainer eingesetzt werden, spezielle Coil-Waggons sind nicht erforderlich. Die Klappboden-Muldencontainer sind auch als Flachbodencontainer verwendbar. (zp) Siemens / Rampini Vollelektrobus für Wien Die Wiener Linien haben den ersten Elektrobus (eBus) von Siemens (Konzept und Antriebstechnik) und dem Bushersteller Rampini in der österreichischen Hauptstadt in Betrieb genommen. Bis zum Sommer 2013 sollen mit zwölf Fahrzeugen zwei Citybuslinien komplett auf elektrischen Betrieb umgestellt werden. Die benötigte Energie bezieht der Elektrobus mittels eines Dachstromabnehmers an den Endhaltestellen und speichert sie innerhalb von 15 Minuten in den Batterien. Zusätzlich wird die Bremsenergie zurückgewonnen. Die Reichweite beträgt 120 bis 150 Kilometer. Der Energiebedarf soll im Vergleich zu Diesel- oder Gas-Bussen um rund 25 % niedriger liegen. (zp) Wir wünschen unseren Lesern, Autoren und Inserenten fröhliche Weihnachten und alles Gute für ein gesundes und erfolgreiches 2013! Redaktion und Verlag Der eBus in Wien Foto: Siemens LKW-Branche Produktion gedrosselt Ob Scania, Volvo, MAN oder Mercedes-Benz: Alle Lkw-Hersteller haben im Herbst ihre Produktion gedrosselt und für einige Tage ihre Bänder stillgelegt. Die Nachfrage nach Lkw ist in 2012 kontinuierlich zurückgegangen, da angesichts der schwächelnden Konjunktur weniger Waren befördert und damit weniger Lkw eingesetzt werden mussten. (ben/ zp) Daimler / Kamaz Kooperation vertieft Der Daimler-Konzern weitet seine Zusammenarbeit mit dem russischen Nutzfahrzeughersteller Kamaz aus. Jährlich liefern die Stuttgarter nun rund 7000 Motoren und 15 000 Achsen für Lkw und Busse nach Russland, teilte Daimler im November mit. Beide Unternehmen hatten zuvor bereits einen Lkw gemeinsam entwickelt. Künftig planen sie zudem ein Gemeinschaftsunternehmen zur Fertigung von Achsen in Russland. Daimler hatte seinen Anteil an Kamaz zu Jahresbeginn auf die Sperrminorität von gut einem Viertel erhöht. Damit geht bei zentralen Weichenstellungen nichts ohne die Zustimmung der Schwaben. (zp) Schmitz Cargobull Joint Venture in China Die Schmitz Cargobull AG, nach eigenen Angaben Europas größter Hersteller von Trailern, hat mit der Dongfeng Motor Group, einem der drei großen Lkw-Hersteller in China, ein Joint Venture vereinbart. Beide wollen bei der Herstellung von Sattelauliegern für den chinesischen Markt zusammenarbeiten. In einem ersten Schritt soll in Wuhan ein hochmodernes Werk mit einer jährlichen Produktionskapazität von 40 000 Sattelauliegern entstehen. (zp) CMA CGM 16 000-TEU-Schif Die französische Reedereigruppe CMA CGM hat im November das nach eigenen Angaben weltgrößte Containerschif, die „CMA CGM Marco Polo“, auf Jungfernfahrt geschickt. Der 16 000-TEU- Frachter unter britischer Flagge wurde auf der südkoreanischen Werft Daewoo Shipbuilding and Marine Engineering gebaut, ist 396 m lang, 54 m breit, hat 16 m Tiefgang und ist mit diversen besonders umweltfreundlichen Techniken ausgestattet. Er ist das erste einer Serie von drei Schifen dieser Größenordnung. Die beiden anderen sollen 2013 ausgeliefert werden. (kk/ zp) Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 63 BASF / SGL Leichte Autokarossen Der Chemiekonzern BASF und der Kohlenstofspezialist SGL entwickeln gemeinsam einen neuen Verbundwerkstof für leichte Autokarossen aus so genanntem reaktivem Polyamid und Carbonfasern. Das Besondere ist nach Unternehmensangaben, dass die den Werkstof stabilisierenden Carbonfasern in dem noch lüssigen Kunststof getränkt würden, so dass durch eine chemische Reaktion eine besonders stabile Verbindung entstehe. Der neue Verbundwerkstof sei zudem besonders leicht und vergleichsweise einfach in Form zu bringen. Das ist etwa für die Serienherstellung von Bauteilen wichtig. (zp) Boeing Milliardenauftrag aus Brasilien Die brasilianische Fluggesellschaft GOL hat 60 Mittelstrecken-Jets vom neuen Typ- 737 MAX beim Airbus-Rivalen Boeing geordert. Laut Liste summiert sich der Kaufpreis auf umgerechnet 4,7-Mrd.-EUR. (zp) Gefco RZD übernimmt 75 Prozent Die Russische Staatsbahn RZD übernimmt 75 % des französischen Logistikdienstleisters Gefco, der zu PSA Peugeot Citroën gehört. Die Mehrheit an Gefco sichert der RZD Zugrif auf Know-how aus der Kontrakt- und der Transportlogistik. Besonders die Automobillogistik von Gefco steht im Visier der Russen, die in den Transporten von Fertigfahrzeugen und Automobilteilen ein Wachstumsfeld für ihr Eisenbahngeschäft sehen. Die Transaktion für 800 Mio. EUR soll bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. (zp) TUHH Seegang im Windkanal Ein neuer Bewegungssimulator an der TU Hamburg-Harburg (TUHH) soll helfen, die Rollbewegungen von Schifen zu erforschen. Mit den Ergebnissen könnten Rumpformen so abgewandelt werden, dass diese Bewegungen verringert und so die Sicherheit erhöht werden könnte. Im 42 m langen Windkanal können Windgeschwindigkeiten von bis zu 35 m pro Sekunde erzeugt werden, die das 100 kg schwere Rumpfmodell in Schwingung versetzen. Beim „Rollen“ bewegt sich ein Schif um seine Längsachse und ist damit der Gefahr des Kenterns ausgesetzt. (reg/ zp) BEGEISTERUNG SCHAFFEN … Was benötigen Sie für Ihren Event? Professioneller Service, hochwertiges Design, lichtdurchflutete Räume kombiniert mit modernster Medientechnik … … und eine Parkanlage mit Terrassen und Pavillons für Outdoorevents: All das bietet Ihnen Lufthansa Seeheim - zentral und doch mitten im Grünen. Prämienmeilengutschrift mit Miles & More Vielfliegerprogramm möglich. Tel +49 (0)69 696 13 9100 www.lufthansa-seeheim.de Der Bewegungssimulator soll helfen, die Gefahren der Rollbewegung einzudämmen. Foto: Reggentin Deutsche Post Mega-Paketzentrum Für einen zweistelligen Millionenbetrag lässt die Deutsche Post (DP) in Obertshausen bei Frankfurt am Main ihr bisher größtes Paketzentrum errichten. Die Sortierkapazität soll bei 50 000 Sendungen pro Stunde liegen. Die Fertigstellung ist bis Frühjahr 2014 geplant. Der Neubau ist Teil des DP-Vorhabens, das Paketnetz umfassend zu modernisieren. (ma/ zp) BVG Baustellenentsorgung per Binnenschif Eigens für den Bau der Berliner U-Bahn-Linie- 5 ist an der Spree in Berlin-Mitte für 1- Mio.- EUR ein kleiner Hafen gebaut worden. Täglich sollen bis zu drei Lastkähne den Baustellenaushub abtransportieren. Der Projektleiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für die U5, Jörg Seegers, sagte: „Insgesamt sollen die Kähne bis 2015 rund 250000 Tonnen Abraum befördern. Das heißt, es werden 9000- Lkw-Fahrten durch die Berliner Mitte vermieden.“ Die ausgehobene Erde wird ins Umland gebracht und großteils für den Bau von Straßen in Berlin und Brandenburg verwendet. Die 430-Mio.-EUR teure und 2,2 km lange Verlängerung der Linie- 5 vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor ist eines der großen Berliner Bauprojekte. Die Strecke soll 2019 fertig sein. (zp) www.internationalesverkehrswesen.de/ app DVV Media Group GmbH | Tel. +49 40/ 237 14-114 | Fax +49 40/ 237 14-104 | E-Mail: kirsten.striedieck@dvvmedia.com Mobilität, Logistik, Infrastruktur, Technologie und Politik: Wer sich ein Urteil bilden will, sollte umfassend informiert sein. JETZT 3 IN 1: Printausgabe e-Paper App-Ausgabe & (Eurailpress-Kiosk) Die digitalen Ausgaben sind für Abonnenten kostenfrei! Registrieren Sie sich einfach unter www.internationalesverkehrswesen.de/ app und wir senden Ihnen Ihre persönlichen Zugangsdaten. Sie haben kein Abonnement? Unter www.eurailpress.de/ kiosk können Sie die App herunterladen und das Angebot kostenfrei testen. Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 65 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. 6. Heft Dezember 2012 Bewegte Zeiten L iebe Mitglieder und Freunde der DVWG, seien Sie doch mal ehrlich: Glauben Sie noch an Europa? Haben Sie nicht schon längst den Überblick zwischen all den Rettungsschirmen, Hebeln und Staatsgarantien verloren? Fühlen Sie sich mitsamt Ihrem Ersparten hillos den Mächten der Welt ausgeliefert? Dann gehören Sie der großen Mehrheit der hiesigen Bevölkerung an. In diesen Zeiten, wo mit der Spekulation über das Schicksal Griechenlands und der anderen südeuropäischen Staaten die zerstörerische Paranoia in den Stein des Hauses Europa Einzug halten soll, wo uralte Ängste vor dem Feind im Nachbarlande und überhaupt vor allem Unbekannten und Fremden wieder hochkommen, gehört eine gehörige Portion Mut und Nerven dazu, positiv, sachlich und der Zukunft zugewandt zu bleiben. Um ehrlich zu bleiben: Auch ich vermag keine Prognose abzugeben, wie tief die Krise noch gehen wird und wann genau sie überstanden ist. Die Grundsubstanz der europäischen Ökonomie scheint mir persönlich stark genug zu sein, um sie bei Anwendung solider Finanzierungsprinzipien meistern zu können. Irrationale Entscheidungen und Wetten kann aber auch ich nicht qualiiziert berechnen. Es gehört aber auch zur Ehrlichkeit, dass es nachgerade fatal wäre, an der Krise auseinanderzubrechen, denn das Szenario des geeinten Europas ist tatsächlich unter den erstrebenswerten alternativlos. Wenn wir nicht alle bereit sind, dafür Opfer zu bringen, würde das nicht nur das Ende der europäischen Nachkriegsordnung, sondern auch den Abstieg des Westens aus der ersten Welt besiegeln. Das dürfen wir nicht zulassen, und darum gehören positive Ereignisse wie der 10. Europäische Verkehrskongress der EPTS, der Anfang November 2012 in Budapest mit rund 250 Teilnehmern aus 16- Ländern stattgefunden hat, zu den unbedingten Muss-Nachrichten in diesen bewegten Zeiten. Ja, wir haben es geschaft, in widrigstem Umfeld eine Dekade der Zusammenarbeit europäischer verkehrswissenschaftlicher Gesellschaften aus zehn Nationen zu absolvieren. In dieser Zeit sind grundlegende grenzüberschreitende Kooperationen entstanden, die ich nicht mehr missen möchte, und an deren Stabilität ich glaube. Wissensnetzwerke wie dieses sind eine Währung ohne Inlationsrisiko. Sie stellen heute Vieles in Frage? Auch Dinge, von denen Sie geglaubt hatten, Sie blieben stabil bis ans Ende aller Tage? Das ist gut so, denn Vieles ändert sich im Moment tatsächlich. Die Bereitschaft, bestehende Verhältnisse aktiv in Frage zu stellen, gelegentlich das Steuerrad machtvoll auf neuen Kurs zu bringen, ist ein Gestaltungsvorzug des freien und erwachsenen Geistes. Ich möchte Sie aufordern: Seien Sie mutig und unverzagt! Nichts ist unendlich − gestalten Sie mit an unserem Europa und an der gemeinsamen DVWG-Zukunft! Nur weil alles im Fluss ist, ist noch lange nicht alles über die Wupper. Herzliche Grüße, »Gestalten Sie mit an unserem Europa und an der gemeinsamen DVWG-Zukunft« Ihr Sebastian Belz Generalsekretär der EPTS Beisitzer im Präsidium der DVWG DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 66 Über Tunnel, Häfen und eine Universität D ie Kombifähre „Tom Sawyer“ der TT- Line ist unterwegs von Trelleborg nach Rostock. Nach dem Auslaufmanöver im südschwedischen Fährhafen haben Vertreter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft Mecklenburg- Vorpommern die Möglichkeit zu einem Besuch der Brücke des Schifes und einem Gespräch mit dem Kapitän. Der Törn ist für die DVWG-Mitglieder aus MV die letzte Station einer interessanten Exkursion, die sie nach Kopenhagen zu den Planern der festen Fehmarnbelt-Querung, in die Weltschiffahrtsuniversität nach Malmö und in den Hafen Kopenhagen/ Malmö führte. Die Heimreise auf der 85-Seemeilen-Distanz nach Rostock wird für sie dank der Informationen von Kapitän Martin Ondrusch über sein Schif und seine Reederei kurzweilig. Die Fähre „Tom Sawyer“ (ex „Robin Hood“, ex „Nils Holgersson“) verkehrt seit 2001 auf der Relation zwischen Trelleborg und Rostock. Die Fährlinie war 1992 gemeinsam mit der Deutschen Seereederei (DSR) unter dem Namen TR-Line aus der Taufe gehoben worden. Der Auftakt erfolgte seinerzeit mit einer Guiness-Rekordfahrt: 226 Trabbis schipperten damals mit der „Marco Polo“ nach Trelleborg und zurück. 1996 übernahm die TT-Line die Anteile der DSR und bedient seitdem die Linie allein. Die Reederei beging in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen: Vor 50 Jahren begann sie den regelmäßigen Fährdienst zwischen Travemünde und Trelleborg und seit 20 Jahren ist sie nun auch von Rostock aus mit zwei Schifen auf Schweden-Törn. Die DVWG-Vertreter erfahren mehr über die Geschichte der 177 m langen, 26 m breiten, Reiner Frank, Bezirksvereinigung Mecklenburg-Vorpommern 26 000- BRZ (Bruttoraumzahl) großen und 20 Knoten schnellen „Tom Sawyer“ und ihrer Schwester „Huckleberry Finn“. Auf 2200 Lademetern auf drei Decks inden hier 160 Trailer oder entsprechend Lkw, Busse und Pkw Platz. Die Passagierkapazität ist für 400 Personen ausgelegt. Während die Fähre ihren Weg gen Rostock nimmt, gehen die Gedanken der Exkursionsteilnehmer zurück zu den einzelnen Stationen ihrer Reise. In Kopenhagen berichtete Peter Lundhus, Technischer Direktor der Femern A/ S, über die Planungsfortschritte einer festen Querung über den Fehmarnbelt. Eingehend zunächst auf die vorausgegangenen festen Querungen über den Großen Belt und den Öresund, bei deren Bau er bereits dabei war, macht Lundhus mit den Vorkehrungen für dieses Bauprojekt bekannt, das den Planungen gemäß 30 % neuen Verkehr mit sich bringen soll. Als Vorzugslösung stellt er einen 17,6 km langen Absenktunnel vor. Die Linienführung erfolgt östlich der Fährhäfen in Puttgarden und Rödby. Er wird aus 217 m langen und etwa 70 000 t schweren Einzelelementen bestehen, die in einem Werk in Rödbyhavn gefertigt werden. In Sachen Zeitplan blieb Lundhus noch vage. Technologisch könne das Projekt neun Monate eher fertiggestellt sein als zunächst angesteuert - nach den Vorstellungen des Planers also 2020 bzw. 2021. Ein genauer Termin für den Baubeginn (etwa Sommer 2014) aber steht noch nicht fest. Ebenso unklar ist, wann die Anbindungen für das nutzerinanzierte Vorhaben fertig werden. Deutschland ist für die Anbindung des Bauwerks an das deutsche Schienen- und Straßennetz zuständig. Zweite Station war der Copenhagen Malmö Port (CMP). Hafenchef Lennart Pettersson und der Technische Direktor Olof Jansson gaben hier einen Einblick in die Entwicklung des länderübergreifenden Hafens in der Öresund-Region. 2011 rollten hier 419 000 Autos über die Kaikanten, 2012 könnten es nahezu 500 000 werden. Der Containerumschlag stagnierte 2011 bei etwa 153 000 TEU (Standardcontainer). 3,4- Mio. Trockengüter und 4,5-Mio. Flüssiggüter stehen für CMP zu Buche. Ein Aktivposten ist bekanntlich vor allem in Kopenhagen die Kreuzschiffahrt. In der Saison 2012 erfolgten hier und in Malmö 375 Anläufe, sechs folgen vor Weihnachten noch im Dezember. Die Zahl der Kreuzfahrtpassagiere war schon 2011 auf 820 000 gestiegen, als 370 Schife mit 22,2- Mio.- GT (Gross Tonnage) festmachten. Nicht von ungefähr gibt es also für Kopenhagen Planungen für eine 1100 m lange weitere Kreuzliner-Pier und auch in Malmö ist ein weiterer Anleger für kleinere Cruiser geplant. Breiten Raum in den Ausführungen der beiden Hafenmanager nahm vor allem die geplante Erweiterung der Hafenbereiche in Malmö bis etwa 2020 ein. Bislang ungenutzte Flächen werden nach dieser Vision erschlossen, so wird z. B. der Nordhafen zu einem wichtigen Logistikzentrum mit angegliedertem KLV- Terminal und Containerumschlagslächen entwickelt. Bei einer Rundfahrt durch den Hafen können sich die DVWG-Mitglieder selbst ein Bild von dem imposanten Vorhaben machen, das für die Wachstumsregion am Öresund mit ihren 3,8-Mio. Einwohnern von großer Bedeutung sein dürfte. Dabei können sie am RoRo-Terminal auch die Be- Abb. 1: V.l.: Olof Jansson, Copenhagen Malmö Port und Thomas Ney, Region Skane Foto: Reiner Frank Abb. 2: RoPax-Fähre „Finnclipper“ im Hafen Malmö Foto: Volker Gronau Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 67 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Exkursion im Raum Heilbronn/ Würzburg V on der Herstellung von Spezialtransportfahrzeugen über die Mainschiffahrt bis zur steilsten Straßenbahn Deutschlands sowie einem Blick auf Urlaubstrends reichte das Programm für die 18 Teilnehmer der Exkursion in zwei Tagen. Bei der Firma Scheuerle, Pfedelbach, werden die ca. 2 m hohen, meist 4- und 6-achsigen selbst fahrenden Tragmodule gefertigt, die sich beliebig zu rollenden Plattformen zusammenfügen lassen, um Schwerstlasten im Landtransport zu bewegen. Imponierend die Fertigungstiefe, die aufgrund der ungemein hohen Anforderungen an die Ausführungsqualität bis zur eigenen Rahmenherstellung für das Chassis reicht. Nach Darstellungen der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Süd, der WSV Schweinfurt und der Würzburger Häfen verliert die Mainschiffahrt Kunden im Massengüterbereich. Die freien Kapazitäten des Wasserwegs werden mehr und mehr von der Flusskreuzfahrt und Sportfreizeit genutzt, gerade für Würzburg eine Chance im Fremdenverkehr, der bereits zu einem merklichen Anteil davon bestimmt wird. Die Wasserwirtschaft wird sich diesen Herausforderungen durch Vermehrung der Liegeplätze stellen. Probleme ergeben sich in Abstimmung mit dem Naturschutz und im Hinblick auf die Vertiefung der Fahrrinne. Neue Straßenbahnlinien in Würzburg soll es noch geben: Die Stadtteile mit großem Verkehrsaukommen durch die Universitätserweiterung auf dem ehemaligen Kasernenareal sollen an das Netz angebunden werden (Hublandlinie). Doch sind neue Straßenbahnlinien bei der heutigen Infrastruktur- Klaus Füsslin, Bezirksvereinigung Freiburg Straßenbahnen in Würzburg inanzierung immer schwieriger realisierbar. Die Komfort- und Sicherheitsstandards werden eher politisch hochgeschraubt, was rein betrieblich nicht sein müsste. Rationalisierung und Standardisierung müssen weiter entwickelt werden. Beeindruckend die Fahrt auf der Steilstrecke (91 ‰ ) mit ihren Sicherheitseinrichtungen, den baulichen und technischen Besonderheiten der Fahrzeuge (Rekuperationsbremse, dynamische Zwangsbremsung) sowie die eigene Gleisbiegeeinrichtung im Betriebshof für Erneuerungen des Fahrweges. Der Trend zu luxuriösem Mobilhome- Urlaub wird im Verkaufszentrum Hymer und Entladung der Finnlines-Fähre „Finnclipper“ verfolgen, die Malmö mit Travemünde verbindet. In der World Maritime University empfängt mit Sebastian Klaes ein alter Bekannter die Gäste aus MV. Seit zwei Jahren ist der Diplomingenieur, Absolvent des Warnemünder Fachbereichs Seefahrt der Hochschule Wismar, hier als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Seite des Warnemünder Prof. Dr.-Ing. Michael Baldauf tätig. Klaes macht mit der Geschichte der internationalen Ausbildungs- und Forschungsstätte bekannt, die 1983 durch die International Maritime Organisation (IMO) gegründet wurde. Ihr Hauptsitz ist Malmö (Schweden). Weitere Einrichtungen bestehen in Shanghai und Dalian ( jeweils in China). Ziel ist eine einheitliche Ausbildung der Studenten und die technische Zusammenarbeit. Über 100 Studierende absolvieren in Malmö gegenwärtig verschiedene Studiengänge − von Sicherheit und Umwelt bis zum maritimen Recht, vom Schifsmanagement bis zu Ozeanographie und Meereskunde. Eine große Rolle spielt das maritime Training im Simulationszentrum der Einrichtung. Die Studenten kommen aus Entwicklungsländern wie Nigeria, aber auch aus Asien und Osteuropa. Die Finanzierung erfolgt über Sponsoren und die IMO. Eine gewichtige Rolle spielen auch die Forschungen, in denen 30 bis 40-Mitarbeiter eingebunden sind. Ziel aller Projekte ist eine sichere Schiffahrt. Am Simulator gehen die DVWG-Mitglieder schließlich mit der Fähre „Mecklenburg-Vorpommern“ auf Fahrt durch den Bosporus. Dabei wird Feueralarm gegeben, die Bekämpfung des auf dem Fahrzeugdeck simulierten Brandes eingeleitet. Was real passieren kann, muss trainiert werden. Die WMU leistet dafür ihren internationalen Beitrag. Als Fazit kann Prof. Sönke Reise, Vorsitzender der DVWG MV, konstatieren: Eine interessante Exkursion, die den Teilnehmern gute Einblicke in aktuelle Verkehrsprojekte gab. ■ mecklenburg-vorpommern@dvwg.de (Expocamp) in Wertheim sichtbar, eine fast irreale Konsumwelt für einen wachsenden Markt? Daneben ein Factory-Outlet-Center im Kleinstadtidyll mit 110 Läden auf 2,2 ha, inanziert von britischen Investoren, mit einem Warenangebot von Premiummarken vorwiegend der Bekleidungsindustrie, ein Magnet für den automobilen Kunden nahe einer BAB-Anschlussstelle (ca. 2,2-Mio. Besucher 2011). All dies sorgt für Enge und Parkplatznot im unmittelbaren Umfeld. Trends und Chancen für die Zukunft werden dort optimistisch gesehen. ■ freiburg@dvwg.de DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 68 Berlin 23.01.2013 Jahresauftaktveranstaltung und Präsentation des DVWG-Jahresbandes 2011/ 12 ➼ DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Zentrale Veranstaltungen Erfolgreiche „ÖPNV-Woche Sachsen-Anhalt“ V om 17. − 22. September 2012 lud die DVWG-Bezirksvereinigung Sachsen- Anhalt Experten aus Wissenschaft, Kommunen, Landkreisen und Verkehrsunternehmen nach Magdeburg ein, um die Frage: „Ist öfentlicher Verkehr noch bezahlbar? − ÖPNV in Sachsen-Anhalt im Kontext der Bevölkerungsentwicklung“ zu erörtern. Zum Auftakt konstatierte Thomas Webel, Minister für Landesentwicklung und Verkehr Sachsen-Anhalt: „Diese ,ÖPNV-Woche Sachsen-Anhalt‘ als Teil der europäischen Woche der Mobilität bietet eine hervorragende Möglichkeit, Zukunftsthemen des öfentlichen Personennahverkehrs zu diskutieren. Die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft als Veranstalter schaft ein interessantes Forum für Fachleute und interessierte Bürger“. Parallel zur Veranstaltungswoche bot die Wanderausstellung „Spurwechsel“ Einblicke und Denkanstöße zum öfentlichen Personennahverkehr. Initiator Prof. Dr. Heiner Monheim eröfnete die ÖPNV-Woche mit einer Führung durch die Ausstellung. Am Eröfnungstag fanden vor allem Projekte Beachtung, die in Sachsen-Anhalt und in vergleichbaren Regionen bereits umgesetzt werden. So stellte Peter Panitz (NASA GmbH) das integrierte Bahn- und Bus- Landesnetz in Sachsen-Anhalt, Ines Weigel (Verkehrsgesellschaft Südharz mbH) den ServiceBus Mansfeld-Südharz, Andreas Fi- Bernd-Walter Schubert/ Martin Hofmann, Bezirksvereinigung Sachsen-Anhalt Die ÖPNV-Woche Sachsen-Anhalt bot die Gelegenheit, Zukunftsthemen des öfentlichen Personennahverkehrs zu diskutieren. scher (Vetter GmbH) die Anruf-Bussysteme in Anhalt-Bitterfeld bzw. Wittenberg sowie Constantin Pitzen (Fahrplangesellschaft B&B mbH) das KombiBus-System in der Uckermark vor. Ein Vortrag von Frau Birgit Münster-Rendel (Magdeburger Verkehrsbetriebe GmbH & Co. KG) zur Liniennetzentwicklung in einem Ballungsraum wie Magdeburg am Beispiel der 2. Nord-Süd- Verbindung ging auf die Perspektive eines städtischen ÖPNV ein. Am Ende des Tages diskutierten die Referenten und Teilnehmer zum Thema „ÖPNV als Mindestangebot zur Daseinsvorsorge des Staates oder kostendeckend zu Marktbedingungen - Möglichkeiten und Grenzen“. Der zweite Veranstaltungstag wurde mit einem Vortrag von Stefan Karnop (Referatsleiter, Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Sachsen-Anhalt) zum Thema „Sicherung der Nahmobilität“ eröfnet. Der Schwerpunkt an diesem Tag lag auf Konzepten und Ideen, die den Weg in die Praxis noch nicht oder noch nicht vollständig gefunden haben. So stellten Christoph Gipp (IGES Institut) und Sebastian Schmermbeck (NASA GmbH) interessante sektorübergreifende Mobilitätsangebote dar. Die Projektdarstellungen wurden durch den Vortrag „Akzeptanz innovativer ÖPNV- Konzepte bei professionellen Akteuren“ von Prof. Dr. Heiner Monheim abgerundet. Der Fokus des dritten Veranstaltungstages lag auf dem Thema „Fernbus“ und warf einen Blick über die Grenzen des ÖPNV hinaus. Bastian Roet (bdo), Jakob Kunze (Probst&Consorten) und Christoph Marquardt (Geschäftsführer Publicexpress) referierten über Entwicklungen und Chancen in diesem Sektor. Nach dem diesjährigen Erfolg der „ÖPNV-Woche Sachsen-Anhalt“ ist eine Neuaulage im nächsten Jahr bereits in Vorbereitung. ■ sachsen-anhalt@dvwg.de Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 69 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Bezirk eMail Berg & Mark berg-mark@dvwg.de 13.12.2012, 16.00 Uhr Erfahrungen seit der Einrichtung von Umweltzonen Referent: Dr.-Ing. Andreas Brandt, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW Ort: Bergische Universität Wuppertal, Eugen-Lange-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7 24.01.2013, 16.00 Uhr Förderung des Radverkehrs − Radschnellweg Ruhr Referent: Dipl.-Ing. Winfried Sagolla, Abteilungsleiter Verkehrsplanung im Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, Stadt Dortmund Ort: Bergische Universität Wuppertal, Eugen-Lange-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7 Nordhessen nordhessen@dvwg.de 10.01.2013, 16.00 Uhr Mobilität 2030 Tübingen − Vom Weg der Konzeptaufstellung bis zur Umsetzung Referent: Bernd Schott, Umwelt- und Klimaschutzbeauftragter, Universitätsstadt Tübingen Ort: Universität Kassel, Raum 2215, Mönchebergstraße 7 17.01.2013, 16.00 Uhr Elektromobilität als Lösung zum Klimaschutz? Referent: Dipl.-Ing. Volker Blandow, TÜV SÜD Product Service GmbH, Garching Ort: Universität Kassel, Raum 2215, Mönchebergstraße 7 14.02.2013, 16.00 Uhr Klimaschutz in Kassel − Was leistet der Verkehr? Referent: Dipl.-Geogr. Volker Ballhausen, Stadt Kassel Ort: Universität Kassel, Raum 2215, Mönchebergstraße 7 Nordbayern nordbayern@dvwg.de 13.12.2012, 16.00 Uhr Elektronisches Fahrgeldmanagement - Was wurde in den letzten Jahren im ÖPNV geleistet? Wie geht die Reise im VGN weiter? Referent: Thomas Seyfried, Leiter Verkaufsplanung/ Logistik/ Abrechnung VAG Ort: Verkehrsmuseum Nürnberg, Lessingstr. 6 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Württemberg e.V. wuerttemberg@dvwg.de 10.12.2012, 17.30 Uhr Perspektiven des S-Bahn-Verkehrs der Region Stuttgart Referent: Dr.-Ing. Jürgen Wurmthaler, Leitender Direktor für Wirtschaft und Infrastruktur, Verband Region Stuttgart Ort: Stuttgart, Verband Region Stuttgart, Kronenstraße 25 Südbayern e.V. suedbayern@dvwg.de 22.01.2013, 17.30 Uhr Aktivitäten in Lehre und Forschung an der Universität der Bundeswehr München − Institut für Verkehrswesen und Raumplanung IVR Referenten: Univ. Prof. Dr.-Ing. Klaus Bogenberger, Professor für Verkehrstechnik an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München, Neubiberg; Univ. Prof. Dr.-Ing. Christian Jacoby, Professor für Raumplanung und Mobilität an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München, Neubiberg Ort: Neubiberg, Universität der Bundeswehr München 31.01.2013, 17.00 Uhr Stadtreparatur: Tunnel Englischer Garten Referent: Hermann Grub, Architekt, Architekturbüro Grug-Lejeune, München Ort: München, ADAC 06. und 13.02.2013, 16.00 Uhr Besuch des BMW Forschungs- und Innovationszentrums (FIZ) Einführungsvortrag und Besuch ausgewählter Prüfeinrichtungen Referenten: Friederike Hähle, Referentin Öfentlichkeitsarbeit, BMW Group, München; Andreas Metzner, Referent Öfentlichkeitsarbeit, BMW Group, München Ort: München, BMW FIZ Thüringen thueringen@dvwg.de 31.01./ 01.02.2013 25. Gothaer Technologenseminar unter dem Leitthema: „Integrierter Personenverkehr − Champion oder Prinzip Hofnung? “ Ort: Staatliche Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr Gotha SERVICE Entdeckungen Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 70 D as Buch stellt einen ganzheitlichen Ansatz für die methodengestützte Projektabwicklung dar, um eigene Problemsituationen einzuordnen und systematisch Lösungswege zu entwickeln. Es beschreibt die Analyse- und Entscheidungssystematik zur Gestaltung der in die Produktionsprozesse integrierten Instandhaltung und Ersatzteillogistik. Der Autor zeigt, wie die Prozesse und Organisation der Instandhaltung sowie die damit verbundene Ersatzteillogistik unter Berücksichtigung ihrer Abhängigkeiten optimiert werden können. Der integrierte Planungsansatz fördert ein zielgerichtetes, schrittweises und strukturiertes Vorgehen mit einer nachvollziehbaren Entscheidungsindung. Neue Methoden zur Analyse und Bewertung ermöglichen es, anlagen- und komponentenspeziische Aspekte einzubeziehen. Das Buch beschreibt die Analyse- und Entscheidungssystematik zur Gestaltung der in die Produktionsprozesse integrierten Instandhaltung und Ersatzteillogistik. Es zeigt, wie die Prozesse und die Organisation der Instandhaltung sowie die damit verbundene Ersatzteillogistik unter Berücksichtigung ihrer Abhängigkeiten optimiert werden können. Der integrierte Planungsansatz fördert ein zielgerichtetes, schrittweises und strukturiertes Vorgehen mit einer nachvollziehbaren Entscheidungsindung. Neue Methoden zur Analyse und Bewertung ermöglichen es, anlagen- und komponentenspeziische Aspekte einzubeziehen. Innovative und in der Praxis bereits bewährte IT-Tools ermöglichen eine eiziente Pawellek, Günther 2013, 328 Seiten, gebundene Ausgabe, Springer Berlin, ISBN 978-3-642-31382-0 EUR 69,95 Integrierte Instandhaltung und Ersatzteillogistik Vorgehensweisen, Methoden, Tools Leitfaden für die betriebliche Praxis Methodenanwendung im Projekt. Ein permanentes Monitoring von Instandhaltungs- und Ersatzteillogistikstrategien bei Veränderungen von Anlagen- oder Störungsdaten wird unterstützt. Damit richtet sich das Buch sowohl an Ingenieure der Betriebstechnik als auch an Mitarbeiter und Führungskräfte der Instandhaltung und Ersatzteillogistik. Es stellt einen ganzheitlichen Ansatz für die methodengestützte Projektabwicklung dar, um eigene Problemsituationen einzuordnen und systematisch Lösungswege zu entwickeln. Aber auch für Studenten des Ingenieur- und Wirtschaftsingenieurwesens dient das Buch als Leitfaden für die Methodenanwendung zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen. ■ S eit Mitte der 1970er Jahre engagiert sich das Land Nordrhein-Westfalen in der Radverkehrsförderung und entwickelte unterschiedliche Strategien: Zunächst wurde ein touristisches Netz erarbeitet, das jedoch seitens der Kommunen nur wenig Akzeptanz fand. Daher leitete das Land einen weiteren Strategiewechsel von der Bottom-upzur Top-down- Strategie ein: 1995 wurde im Koalitionsvertrag die Realisierung des Radverkehrsnetz Nordrhein-Westfalen (RVN NRW) politisch beschlossen. Das RVN NRW wurde zwischen 1996 und 2007 unter vollständiger Finanzierung des Landes in enger Abstimmung mit 427 Kommunen und ca. 2000 Projektpartnern umgesetzt. Es hat bislang eine Länge von 14 155 km und wird weiter lokal verdichtet. Mit der Realisierung des RVN NRW wurde eine wesentliche Komponente entwickelt, um unter Berücksichtigung der ökologischen, ener- Kaulen, Ralf 2012, 384 Seiten, Broschur, 17 x 24 cm Verlag Dorothea Rohn ISBN 978-3-939486-72-5 EUR 39,00 Strategische Radverkehrsförderung Grundlage einer multimodalen Mobilität Handlungsempfehlungen für multimodale Mobilität getischen, demograischen und volkswirtschaftlichen Anforderungen an die Mobilität der Zukunft ein nachhaltiges selbsterklärendes multimodales Mobilitätssystem zu schafen. Das praktizierte Umsetzungsverfahren lässt sich auf eine Vielzahl von weiteren Zukunftsaufgaben übertragen. Allgemeingültige Handlungsempfehlungen zeigen den Weg auf, wie auch diese Visionen realisiert werden können. ■ SERVICE Entdeckungen Internationales Verkehrswesen (64) 5 | 2012 71 V erkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsverbesserung als Strategien einer integrierten und nachhaltigen Stadt- und Verkehrsplanung sind inzwischen weitgehend akzeptiert. Mobilitätsmanagement unterstützt diese Strategien und wird als Instrument seit vielen Jahren praktisch entwickelt und erprobt. Mobilitätsmanagement umfasst breite Handlungsbereiche und liegt in der Verantwortung vielfältiger Akteure. Seine Wirksamkeit und Einbindungsmöglichkeiten in kommunale und regionale Planungsprozesse werden erforscht. Der Sammelband stellt als Zwischenbilanz zur aktuellen Fach- und Praxisdiskussion vorliegende Ergebnisse und Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der praktischen Umsetzung zusammen. Er trägt zum Austausch unterschiedlicher Herangehensweisen zur Grundlagenerforschung des Mobilitätsmanagements bei und gibt Anregungen für die weitere Ausgestaltung und integrierte Betrachtung von Mobilitätsmanagement. Zahlreiche Praxisbeispiele veranschaulichen die Umsetzung. ■ Stiewe, Mechtild; Reutter, Ulrike (Hrsg.) 2012, Broschur, 296 Seiten, Abb., ISBN: 978-3-8375-0474-3 EUR 29,95 Mobilitätsmanagement Wissenschaftliche Grundlagen und Wirkungen in der Praxis Integrierte Betrachtung W as sind die Stärken und Schwächen der deutschen Automobilindustrie? Auf diese Frage gibt Professor Dr. Willi Diez in seinem Fachbuch mit Hilfe einer aktuellen Bestandsaufnahme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie in Deutschland Antwort. Zudem geht er auf methodische und konzeptionelle Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit von Industrien insgesamt ein. Auf diese Weise gelingt es, die deutsche Automobilindustrie klar von der Konkurrenz abzugrenzen und zu positionieren. Trotz der gravierenden strukturellen Veränderungen im Markt und der deutlich gestiegenen Wettbewerbsintensität verfügt Deutschland über eine starke Position im Weltautomobilmarkt. Dies gilt nicht nur für den Automobilstandort Deutschland, sondern auch für die deutschen Automobilhersteller. Die Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Automobilindustrie ist allerdings seit einigen Jahren stark rückläuig. Der Autor erkennt dieses Problem und geht zusätzlich auf künftige Herausforderungen sowie Risiko- und Chancenpotenziale für Deutschland ein. Das Buch eignet sich nicht nur für Praktiker, sondern auch für den akademischen Unterricht. ■ Diez, Willi 2012, 216 Seiten, Paperback, 23,8 x 16,8 cm Oldenbourg Wissenschaftsverlag, ISBN 978-3-486-71398-5 EUR 34,80 Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie Herausforderungen und Perspektiven Zeitenwende in der Automobilindustrie Verkehrs-App E ine kostenlose App informiert über die aktuelle Verkehrslage, Stauprognosen auf Autobahnen und Bundesstraßen, Unfälle und Blitzer einiger Regionen. Für iPhones und Android-Smartphones indet sich diese „VerkehrsApp“ im AppStore und als Android App bei Google Play. Blitzer-, Stau- und Unfallmeldungen werden in der Listenansicht nach Entfernung sortiert angezeigt zeigen; alternativ vermittelt die Kartenansicht einen Überblick über alle Gefahrenstellen auf der Route. Über die optionale Push-Funktion erhält man die Verkehrsinfos für ausgewählte Regionen direkt aufs Handy. Diese App lebt vom Mitmachen: Die Nutzer melden täglich Gefahrenstellen und proitieren wiederum von den Meldungen anderer Autofahrer. Die Meldungen der Nutzer werden − zumindest in einigen Regionen − mit Infos von oiziellen Quellen wie Polizei und Ordnungsamt ergänzt. Meldefunktion der VerkehrsApp (Graik: n-droid.de) SERVICE Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, frank.straube@tu-berlin.de Herausgeberassistenz Berlin: Axel Haas haas@logistik.tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Geschäftsführer: Martin Weber Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Verlagsredaktion Dr. Bettina Guiot (verantw.), (Durchwahl: -241) bettina.guiot@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Freie Mitarbeit: Kerstin Zapp kerstin.zapp@dvvmedia.com Dr. Karin Jäntschi-Haucke, hgs@dvwg.de (verantw. DVWG-Nachrichten) Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl: -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 49 vom 1. Januar 2012. Vertrieb Riccardo di Stefano Bezugsgebühren: Abonnement-Paket Inland: EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.); Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print, Digital und E-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Abonnement Ausland Print: EUR 162,00 (inkl. Porto). Abonnement Ausland Digital: EUR 146,00 Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 38,50 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: Titellayout: Getty Images Karl-Heinz Westerholt Druck: Knipping Druckerei und Verlag GmbH, Düsseldorf Herstellung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf, www.tz-verlag.de Internationales Verkehrswesen Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 13.12.12 Düsseldorf (D) Logistik für Ofshore-Windenergie-Anlagen Info: VDI Wissensforum Tel. +49 (0)211/ 6214-201 Fax +49 (0)211/ 6214-154 wissensforum@vdi.de 13.-19.1.13 Zürich (CH) IT13.rail A New Railway Age - Future Challenges and Opportunities in Quality and Capacity Optimization info@it13rail.ch www.it13rail.ch 16.1.13 Schwarzheide (D) 2. Fachtagung Schienengüterverkehr Brandenburg Info: BSL Beratung über Schienenlogistik und Infrastruktur ralf.jentges@schienen-verkehr.de 21.-22.1.13 Berlin (D) 10. Internationaler BBE/ UFO Fachkongress „Kraftstofe der Zukunft 2013“ Info: Bundesverband BioEnergie, Bonn Tel. +49 (0)228/ 81 002-22 Fax +49 (0)228/ 81 002-58 info@bioenergie.de 23.1.13 Chemnitz (D) Geotextilien im Ingenieur- und Verkehrswegebau reinhard.helbig@sti.de 30.1.13 Darmstadt (D) 20. Kolloquium Luftverkehr − Emissionshandel im Flugverkehr Info: Technische Universität Darmstadt Tel. +49 (0)6151/ 16 4277 Fax +49 (0)6151/ 16 6503 19.-20.2.13 Fulda (D) 15. Jahrestagung der Eisenbahnsachverständigen mit Präsentationsausstellung Info: DVV Media Group GmbH, c/ o punktgenau GmbH Tel. +49 (0)40 237 14-470 Fax +49 (0)40 237 14-471 eurailpress-events@dvvmedia.com www.eurailpress.de 19.-21.3.13 Amersfoort (NL) Rail-Tech Europe 2013 Info: Europoint BV info@europoint.eu www.railtech-europe.com 20.-21.3.13 Darmstadt (D) 1 st Interdisciplinary Conference on Production, Logistics, and Traic Tel. +49 (0)6151 16 4277 berbner@bwl.tu-darmstadt.de www.wi.tu-darmstadt.de 8.-12.4.13 Hannover (D) Hannover Messe Info: Deutsche Messe Tel. +49 (0)511 89-0 info@messe.de www.hannovermesse.de 26.-30.5.13 Genf (CH) 60 th UITP World Congress and Exhibition Info: UITP anhorn.philippe@tpg.ch www.uitpgeneva2013.org 27.-29.5.13 Bern (CH) suissetraic 2013 Info: Bernexpo AG Tel. +41 (0)31 340 11 11 Fax +41 (0)31 340 11 44 suissetraic@bernexpo.ch www.swisstraic.ch 4.-7.6.13 München (D) transport logistic 2013 Info: Messe München Tel. +49 (0)89/ 9 49-113 68 Fax +49 (0)89/ 9 49-113 69 info@transportlogistic.de www.transportlogistic.de TERMINE + VERANSTALTUNGEN 13.12.2012 bis 07.06.2013 Weitere Veranstaltungen inden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schifundhafen.de, www.dvz.de Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 73 HERAUSGEBERBEIRAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Mobilität und Kommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Michael P. Clausecker MBA Vorsitzender der Geschäftsführung Bombardier Transportation GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret Reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Leiter Sonderprojekte DB Mobility Logistics AG Frankfurt Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Oicer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolf Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Werner Lundt Dipl.-Ing., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Es fehlt der Mut zum Handeln! Herausgeberbeirat Oliver Wolf zur Zukunft der Entlechtungsmittel I m Herbst fand eine weitere Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern über die Zukunft der Entlechtungsmittel statt. Das Ergebnis war, dass es kein Ergebnis gab, wieder einmal. Für die Städte, Kommunen und deren Verkehrsunternehmen ist dieser Stillstand ein fatales Signal. Denn hier entscheiden Bund und Länder über nichts Geringeres als über die Zukunft unserer kommunalen Verkehrswege. Es geht um die Frage, ob und wenn ja in welcher Höhe ab 2014 noch Investitionsmittel für kommunale Verkehrsinfrastruktur aus dem Entlechtungsgesetz zur Verfügung stehen. Und es gilt hier nicht die alte Volksweisheit: Wer nichts macht, macht nichts falsch. Das Gegenteil ist der Fall, denn je länger die Zukunft der Entlechtungsmittel unklar bleibt, desto größer wird der Investitionsbedarf in die Verkehrsinfrastruktur. Planung von Infrastrukturprojekten braucht zeitlichen Vorlauf und damit frühzeitige inanzielle Klarheit. Doch ausgerechnet jetzt, rund ein Jahr vor dem Ende des Entlechtungsgesetzes, fehlt den politischen Entscheidungsträgern bei diesem Thema der Mut zum Handeln! »Dieser Stillstand ist ein fatales Signal.« GASTKOMMENTAR Jörg-Werner Mendel Internationales Verkehrswesen (64) 6 | 2012 74 Ein zuverlässiges Luftfrachtsystem ist unverzichtbar! E ine Exportnation wie Deutschland funktioniert nicht ohne ein zuverlässig agierendes Luftfrachtsystem. Doch der Luftverkehr ist aufgrund möglicher hoher Schäden, großer Symbolkraft und erzielbarer internationaler Aufmerksamkeit auch ein attraktives Anschlagsziel für Terroristen geworden. Daher haben die Luftverkehrswirtschaft und die Luftverkehrsfrachtindustrie in den vergangenen Jahren verschärfte Sicherheitsaulagen hinnehmen müssen. Generell darf Luftfracht nur mit dem Status „sicher“ (SPX oder SCO) in hierfür vorgesehene Flugzeuge verladen und verlogen werden. Produzierende Unternehmen, die ihre Produkte per Luftfracht versenden möchten, haben zwei Möglichkeiten, diesen Sicherheitsstatus zu erreichen: Die erste Möglichkeit ist, dass „unsichere“ Luftfracht mittels Kontrolle durch reglementierte Beauftragte oder Luftfahrtunternehmen nach den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben „sicher“ gemacht wird. Die Art und Weise der Sicherheitskontrolle legt der reglementierte Beauftragte oder das Luftfahrtunternehmen nach den Eigenschaften der zu prüfenden Luftfracht (zum Beispiel Dichte oder Größe des Materials) und den gesetzlichen Vorschriften fest. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass derartige Sicherheitskontrollen Zeit in Anspruch nehmen und der Aufwand in Rechnung gestellt werden kann. Die zweite Möglichkeit für produzierende Unternehmen, Luftfracht „sicher“ zu versenden, ist die behördliche Zulassung zum „bekannten Versender“. Der bekannte Versender gewährleistet eigenverantwortlich, dass die identiizierbare Luftfracht/ Luftpost an seinem Betriebsstandort oder auf seinem Betriebsgelände ausreichend vor unbefugtem Zugrif und Manipulationen geschützt wird. Somit muss die identiizierte Luftfracht des bekannten Versenders keiner erneuten Sicherheitskontrolle unterzogen werden, sondern kann an jedes Unternehmen, das den Status als reglementierten Beauftragten besitzt, sofort „sicher“ übergeben werden. Das Konzept der sicheren Lieferkette, zu deren wesentlichen Elementen die behördliche Zulassung von Luftfrachtversendern gehört, spielt also eine wichtige Rolle beim Transport von Luftfracht. Bis zum 25. März 2013 ist insofern für das Funktionieren dieses Systems die behördliche Zulassung als bekannte Versender zwingend erforderlich. Insgesamt liegen dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA) derzeit 4043 Interessenbekundungen/ unvollständige Anträge an einer Zulassung als bekannter Versender vor. Das LBA kann diese Anträge jedoch nur bearbeiten, wenn sie vollständig, d. h. mit einem Sicherheitsprogramm und den weiteren vorgeschriebenen Unterlagen eingereicht werden. Vorher kann das LBA das Zulassungsverfahren nicht endgültig abschließen und die Zulassung aussprechen. Insofern liegt es in der Hand der antragstellenden Unternehmen, dem LBA die notwendigen Unterlagen einzureichen und die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen zu schafen. Mit Stand 1.-November-2012 sind 643 Unternehmen vom Luftfahrt- Bundesamt als bekannte Versender zugelassen worden. Ferner beinden sich 354 Anträge im konkreten Zulassungsverfahren. Davon sind wiederum 181 vollständig und prüfähig, d. h. es kann zeitnah eine Prüfung vor Ort stattinden und bei Erfüllen der weiteren Zulassungsvoraussetzungen der Status des bekannten Versenders erteilt werden. Bei Betrachtung dieser Zahlen ist festzustellen, dass die aktuellen Antragszahlen noch hinter den Erwartungen des LBA liegen. Das LBA geht davon aus, dass nunmehr zeitnah zahlreiche Unternehmen ihre prüfähigen Anträge inklusive des Sicherheitsprogramms beim LBA einreichen. Denn die Dauer des Zulassungsverfahrens hängt von zahlreichen Faktoren ab, auf welche die Luftfahrtbehörde nur bedingt Einluss hat. Dazu zählen insbesondere die Qualität und Vollständigkeit der eingereichten Antragsunterlagen, sowie nicht zuletzt die Mitwirkung der Antragsteller. Der Teil des Zulassungsverfahrens, den das Luftfahrt-Bundesamt beeinlussen kann, wurde im Hinblick auf Dauer und Eizienz bereits optimiert. Das LBA hat ferner die personellen Voraussetzungen geschafen, um das prognostizierte Antragsaukommen zu bewältigen. Ich appelliere an die Teile der Industrie, die an einer Zulassung zum bekannten Versender Interesse haben, so schnell wie möglich mit dem LBA Kontakt aufzunehmen. Ich empfehle außerdem unsere Internetseite (www.lba.de), auf der sich umfangreiche Informationen zu dieser Thematik beinden. ■ Jörg-Werner Mendel (50) ist seit Mai 2012 Präsident des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA). Von 2002 bis 2007 leitete er im BMVBS das Referat Luftsicherheit. 2008 wechselte der Jurist im Auftrag des Ministeriums zur Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO). ZUR PERSON Foto: Luftfahrt-Bundesamt Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Interessensgebiete (Zutreffendes bitte ankreuzen) Personenverkehr Güterverkehr Verkehrsinfrastruktur Verkehrslogistik Kombinierter Verkehr Verkehrssicherheit Verkehrspolitik Straßenverkehr Luftverkehr Schienenverkehr ÖPNV Seeverkehr Binnenschifffahrt Fußgänger- und Radverkehr Verkehrsplanung Verkehrstechnik Verkehr und Umwelt Verkehrsforschung Telematik und Verkehrsmanagement Verkehrswirtschaft Verkehrsrecht Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: privat dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: ja nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: ja nein Ort/ Datum Unterschrift Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Tel.: 030 / 293 60 60 Fax: 030 / 293 60 629 Agricolastraße 25 www.dvwg.de 10555 Berlin hgs@dvwg.de Preisnachlass beim Bezug der Publikationen unserer Schriftenreihe (Bücher und CDs) Aufbau neuer und Vertiefung bestehender Kontakte im Bereich des Verkehrswesens auf deutscher und europäischer Ebene Gebührenermäßigung bei zentralen wissenschaftlichen Veranstaltungen der DVWG exklusiver Zugang zum Internetportal der DVWG (Mitgliederbereich und Download) Bezug der renommierten Fach- und Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ persönliche Einladung zu den Veranstaltungen Ihrer Bezirksvereinigung und der Hauptgeschäftsstelle Mitarbeit im Jungen Forum der DVWG (für Mitglieder bis 40 Jahre) Wir sind in Bewegung! jährliche Fachexkursionen ins Ausland (2010 - China, 2011 - Kanada) ... Kommen Sie mit! DVV Media Group GmbH Based on a survey conducted in the 55 largest rail markets worldwide, the UNIFE World Rail Market Study provides market volumes and growth predictions from 2012 to 2017. Based on the testimony of UNIFE members and rail experts from all around the globe, the WRMS gives an account of short-term and long-term growth for all rail product segments and regions. Strategic conclusions are elaborated for each product segment and region based on the order intake of UNIFE members, a sophisticated forecasting model and the expertise of selected high-level decisionmakers in the most important rail markets in the world. For the irst time the UNIFE World Rail Market Study will be available as personalised PDF, and by individual product segment. World Rail Market Study 2012 A study commissioned by UNIFE - The European Rail Industry Conducted by Roland Berger Strategy Consultants It is the largest study of its kind and a major reference for the rail community. www.eurailpress.de l www.railwaygazette.com Contact: DVV Media Group GmbH l Eurailpress More information (incl. executive summary-PDF) at www.eurailpress.de/ wrms Fourth edition now available!
