eJournals

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
31
2013
651
Modellfall Stadt Nachhaltiger Individualverkehr im Fokus POLITIK Wenn Golf-Carrier weiter wachsen LOGISTIK Schnittstelle Rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze MOBILITÄT Nachhaltigkeit von Megastädten im Vergleich Im Interview: Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg www.internationalesverkehrswesen.de Heft 1 März l 2013 first in intralogistics Wir nehmen Ihre Daten persönlich! Fleet Data Services - Vertrauen durch Transparenz. Sie wünschen sich Transparenz, Flexibilität und Selbstbestimmung für Ihre innerbetriebliche Logistik? Mit Fleet Data Services bieten wir Ihnen Softwareprodukte für die intelligente Erfassung, Aufbereitung und Online-Verfügbarkeit Ihrer Fahrzeug- und Fahrerdaten. Somit sind Ihre Informationen rund um die Uhr verfügbar und durch die intuitive Bedienung leicht zu handhaben. www.still.de/ fds edITOrIaL Frank Straube Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 3 »Transeuropäisches Verkehrsnetz - von Leitlinien zur Realität« D er Begrif Transeuropäische Netze (TEN) umfasst die Verkehrsinfrastruktur sowie die Infrastruktur für Kommunikation und Energie in Europa. Für den Verkehrsbereich wurden in den letzten Jahren Leitlinien entwickelt, um eine leistungsfähige Infrastruktur und ein europäisches Verkehrsmanagementsystem zu realisieren. Die Kosten hierfür werden nach letzten Bewertungen der Kommission auf etwa 600 Mrd. EUR geschätzt. Hierin sind auch Vorhaben in assoziierten Staaten enthalten. Die Finanzierung ist durch die Mitgliedsländer sicherzustellen und kommt aus dem EU-Haushalt, europäischen Fonds (EFRE und Kohäsionsfonds) sowie aus der europäischen Investitionsbank. Ein nicht unwesentlicher Teil der Finanzierung muss aber aus nationalen Haushalten sichergestellt werden. In den meisten nationalen Haushalten sind die hierfür notwendigen Mittel nicht budgetiert. Neben Anstrengungen zur Finanzierung der notwendigen Infrastruktur sind also Initiativen zur Verbesserung der Eizienz und Integration europäischer Verkehre und Logistiksysteme notwendig. Die Mobilitätsanforderungen der Menschen in Ballungsräumen und Anforderungen der Verkehrsnetzwerke der Wirtschaft sollten hierbei Taktgeber sein. Nachhaltigkeit, Flexibilität, volatile Mengenstrukturen, Sicherheit, Termintreue und Kostenefizienz sind Standortfaktoren, mit denen Europa im globalen Wettbewerb bestehen kann. Die Planung und Steuerung von Verkehrsnetzwerken muss die Integration von Ballungsräumen im Sinne eines „End-to-end“-Gedankens bis zur Belieferung und Entsorgung des privaten oder industriellen Endkunden erreichen. Im Oktober 2012 hat die EU eine interessante Initiative unter dem Begrif „European Platform Driving Knowledge to Innovations in Freight Logistics (WINN)“ gestartet. Ziel ist der Aubau einer „European Technology Platform on Logistics (ETP)“, die eine weitreichende Kooperation aller Verkehrsakteure erreichen soll. Die ETP hat eine Schlüsselrolle bei der Deinition der „Logistics Innovation Agenda“ der Europäischen Kommission 2014-2020, die rund 80 Mrd. EUR umfassen wird. Nur durch innovative Verkehrs- und Logistikkonzepte, die den europäischen Endkunden in den Mittelpunkt stellen und nachhaltig kooperieren, werden unsere Infrastrukturen mit künftigen Herausforderungen fertig werden. Im ersten Heft des Jahres 2013 richten wir den Blick auf große Infrastrukturvorhaben, neue Mobilitätskonzepte, nachhaltige Lösungen für Megacities und Technologien für kooperative Systeme und berichten über Pläne der EU- Kommission zur Zukunft der Verkehrsinfrastrukturinanzierung. Ich freue mich auf Ihre inhaltlichen Anregungen und fachlichen Beiträge. Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de »Integrierte Mobilität ist ein Erfolgsfaktor für Europa« Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 4 POLITIK 10 Wenn Golf-Carrier weiter wachsen Wolfgang Grimme Sven Maertens 14 ein neuer Haarschnitt für das eisenbahnrecht? Anne Steinmann 16 Plädoyer für ein neues Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetz Felix Huber Klaus J. Beckmann 19 Ist eine Mineralölsteuererhöhung zur Budgetsanierung geeignet? Sebastian Kummer Maria Dieplinger Sabine Lenzbauer INFRASTRUKTUR 34 Qingdao auf dem Weg an die Spitze Dirk Ruppik LOGISTIK 24 Moderne Logistik lehren Borislav Bjelicic Christian Femerling Michael Schröder »Möglichst viel Wettbewerb im SPNV« Winfried Hermann, Minister für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg. Seite 32 IntervIew Der Ausbau der Schienenverbindungen ist kein Selbstläufer mehr WISSeNSCHAFT 28 Schnittstelle rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze Paul Wittenbrink Andreas Scheuer Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 5 InHALt März 2013 MOBILITÄT 38 Innovative urbane Mobilitätsdienstleistungen Thomas Sauter-Servaes Stephan Rammler 42 e-Carsharing: erfahrungen, Nutzerakzeptanz und Kundenwünsche Christian Scherf Josephine Steiner Frank Wolter 45 Klingt weiß leise? Von Farben und Geräuschen Ferdinand Dudenhöfer Henrike Koczwara 48 abkehr vom auto? Antje Flade 50 Liegt die Zukunft der e-Mobilität bei zweirädrigen Fahrzeugen? Ueli Haefeli Heidi Hofmann TeCHNOLOGIe DVWG-Nachrichten 67 eine Kultur der ermunterung Knut Ringat 71 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen ➼ www. Sie inden „Internationales Verkehrswesen“ im Internet unter: www.internationalesverkehrswesen.de mit: ● umfangreichem Hefte-Archiv ● aktuellen Branchennews und Terminen RUBRIKeN 03 editorial 06 Im Fokus 09 Kurz + Kritisch 13 Stellenmarkt 23 Bericht aus Brüssel 60 Industrie + Technik 64 Service 72 Impressum | Termine 73 Beirat Gastkommentar von Patrick Ulrich, Projektleiter Deloitte Mittelstandsinstitut, Otto-Friedrich- Universität Bamberg Seite 74 WISSeNSCHAFT 53 Vergleichende Bewertung der Nachhaltigkeit von Megastädten Anna Figiel Alev Kirazli Ran An Axel Haas Frank Straube 58 elektromobilität für den alltag Stefan Spychalski IM FOKuS Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 6 Zu wenig Geld für die Infrastruktur Für die Verkehrswege in Deutschland stehen in diesem Jahr rund 10,7 Mrd. EUR Investitionsmittel zur Verfügung. Darin enthalten sind die zusätzlichen 750 Mio. EUR (auf zwei Jahre verteilt), für die sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im Rahmen der Haushaltsverhandlungen eingesetzt hat. Mit den Extramitteln werden laufende Straßenneubaumaßnahmen beschleunigt, zusätzlicher Spielraum für Erhalt und Modernisierung geschafen und Radwege gebaut. Im Bereich Schiene wird ein Lärmschutzpaket geschnürt. Zudem werden auf den Wasserstraßen Brücken, Schleusen und Wehre saniert. daehre-Kommission will Nutzerinanzierung verstärken Bundesinanzminister Wolfgang Schäuble will 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und muss dazu 6 Mrd. EUR einsparen. Er überlegt, ob das BMVBS 22 Prozent der gesamten Sparanstrengungen schultern könnte. Dabei hatte die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ unter Vorsitz von Dr. Karl-Heinz Daehre in ihrem Abschlussbericht Ende 2012 bereits die jährliche Unterinanzierung der Verkehrsinfrastruktur von Bund, Ländern und Gemeinden auf mehrere Milliarden Euro bezifert. Die Kommission hält das Problem für lösbar, würden die Einnahmen aus der Mineralöl- und Kfz-Steuer für die Verkehrsinfrastruktur bereitstehen. Eine derartige Zweckbindung sei jedoch politisch nicht zu erreichen. Den Ausweg sieht die Kommission in einer stärkeren Finanzierung durch die Nutzer, etwa durch weitere Mauterhebungen. Die so eingenommenen Mittel sollten aber nur in Betrieb, Erhaltung und Engpassbeseitigung ließen. Zudem ist geplant, sie in einem separaten Fonds getrennt vom steuerinanzierten Haushalt zu verwalten. Neu- und Ausbau sollte nur aus Steuermitteln inanziert werden. Die im Straßenetat freigesetzten Steuermittel sollen Schiene und Wasserstraße zugutekommen, wo die Kommission kaum Luft für mehr Nutzerinanzierung sieht. Bei der Schiene mahnt die Kommission an, die Zwangsdividende der Infrastruktur zukommen zu lassen. Grund für die Fondslösung sind die Lehren aus der Erfahrung mit der LKW-Maut 2005. Sie kam entgegen vorheriger Zusagen dem Etat nicht zusätzlich zugute, sondern wurde dazu benutzt, den steuerinanzierten Anteil abzuschmelzen. Zudem erleichtere eine Fondslösung überjähriges Wirtschaften und das Verschieben von Mitteln zwischen Projekten, so die Kommission. Politik und Verbände sehen noch viele ofene Fragen. Laut Deutschem Verkehrsforum fehlt die Zusammenführung der Reforminstrumente zu einem schlüssigen Gesamtkonzept mit Investitions- und Erhaltungsprogramm. Zudem seien freigesetzte Steuermittel immer in Gefahr, in andere Kanäle zu ließen als den Verkehrsetat. Die Daehre-Kommission müsse ihre Arbeit fortsetzen, ist die einhellige Meinung, um beispielsweise den eizienten Einsatz von Mitteln zu deinieren. (zp) www.bundesrat.de Abschlussbericht: Suchwort „Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ Mautbrücke an der A81 (Foto: Klaus Foehl/ Wikipedia) E-Mobilität als Teil der Verkehrsplanung Wie fügt sich die Elektromobilität in moderne Verkehrskonzepte ein? Welche Bedeutung wird sie für Nutzerinnen und Nutzer haben? Im Projekt „eVerkehrsraum Stuttgart“ führt das Institut für Verkehrswesen (IfV) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) Rahmenbedingungen wie Reichweite und Ladeinfrastrukturen mit den Auswirkungen der Elektromobilität auf das Mobilitätsverhalten in einem Modell für die künftige Verkehrsplanung zusammen. Ziel des Vorhabens ist die Einbettung der Elektromobilität in moderne Mobilitäts- und Verkehrskonzepte. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass sich das Mobilitätsverhalten mit zunehmender Nutzung der Elektromobilität verändert. Im Fokus des Projekts steht die Region Stuttgart mit ihrer hohen Bevölkerungs- und Verkehrsdichte. Die KIT-Wissenschaftler entwickeln eine Software für die künftige Planung elektromobiler Angebote und ihrer Rahmenbedingungen, die anschließend auch auf andere Standorte übertragen werden soll. „Wir ergänzen dafür die Daten aus bestehenden Verkehrsmodellen ohne Elektromobilität beispielsweise um die Bewegungsproile der Elektrolotte und die Ladeinfrastrukturen aus anderen Projekten des Schaufensters Elektromobilität“, sagt Dr. Martin Kagerbauer vom IfV. Methodische Grundlage ist die mikroskopische Multi-Agenten- Simulation „mobiTopp“: Dieses Modell bildet das Verkehrsverhalten aller Personen in der Region Stuttgart über eine ganze Woche ab. So lassen sich auch individuelle Verhaltensmuster und -änderungen darstellen. „Das ist deshalb wichtig, weil das Verkehrsverhalten künftig noch variabler und diferenzierter sein wird“, so Kagerbauer. „Die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel auf unterschiedlichen Wegen (multimodales Verhalten), vor allem aber auch die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel auf einem Weg (intermodales Verhalten) werden durch die Elektromobilität zunehmen.“ Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fördert das Projekt „eVerkehrsraum Stuttgart“ seit Anfang 2013 über drei Jahre mit knapp 460 000 EUR im Rahmen des Schaufensters Elektromobilität „LivingLabBWe mobil“ in Baden Württemberg. Hier erforschen mehr als 100 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und öfentlicher Hand in 40 Projekten Elektromobilität in der Praxis. (zp) www.ifv.kit.edu/ 26_365.php Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 7 E-Mobilität: Batteriemarkt bleibt spannend Der Batteriemarkt für Hybrid- und Elektrofahrzeuge wächst bis 2025 auf über 100 Mrd. USD weltweit, allein in Europa auf mehr als 20 Mrd. USD. Doch durch Preisdruck, Überkapazitäten und Investitionsbedarfe gerät die Industrie gerade in Europa unter Druck. Das sind die Kernaussagen der Ende 2012 veröfentlichten A.T. Kearney-Studie „E-Drive Batteries 2025“. Nur wer die nächsten fünf Jahre überstehe, könne von den langfristigen Umsatzpotenzialen des Markts proitieren. Fallende Batteriepreise Heute kosten Batterien für Elektrofahrzeuge noch etwa 600 bis 800- USD pro kW/ h, so dass gegenüber einem herkömmlichen Fahrzeug schnell Zusatzkosten von 12 000 USD und mehr aulaufen. Doch die Voraussetzung für mehr Elektromobilität sind fallende Batteriepreise. „Wir erwarten, dass die Batteriekosten bis 2025 um mehr als die Hälfte auf etwa 290 USD je Kilowattstunde sinken“, so Stephan Krubasik, Principal bei A.T. Kearney und Autor der Studie. Zum einen werde dies durch neue Technologien wie etwa Hochvolt-Kathoden, Silizium-Anoden und verbesserte Elektrolyte erreicht, zum anderen ließen sich die Kosten in der Pack- und Zellherstellung bei größeren Mengen deutlich reduzieren. Aktuell bauen weltweit über 30 Zellhersteller Produktionskapazitäten auf. Die Nachfrage läuft aber nur langsam an. „Bis 2015 rechnen wir mit einer weltweit installierten Produktionskapazität von etwa 50 GWh“, so Krubasik. „Davon werden nur 50 bis 60 Prozent durch Nachfrage ausgelastet sein - es drohen erhebliche Überkapazitäten.“ Dadurch seien die Zellhersteller mit einem enormen Preisdruck seitens der Automobilhersteller konfrontiert, was zur Marktkonsolidierung führen werde. Krubasik: „Wir erwarten, dass es von den heute über 30 Herstellern von Batteriezellen für elektrische Antriebe bis 2025 nur noch etwa 10 geben wird.“ europa kämpft Schon heute gibt es nur eine Handvoll europäischer Unternehmen auf dem Markt. Und diese sind laut A.T. Kearney im Verhältnis zu ihren asiatischen Wettbewerbern oft zu klein und arbeiten zu teuer, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu sein. Asiatische Unternehmen bauen zudem eigene Kapazitäten in Europa auf. Um ihre Marktstellung auszubauen und zu sichern, arbeiten beispielsweise die Hamburger Kroenert GmbH & Co KG, ein international tätiger Hersteller von Beschichtungs- und Kaschieranlagen, und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in einer strategischen Partnerschaft zur Entwicklung industrietauglicher Beschichtungsanlagen für Lithium-Ionen-Batterien zusammen. Siemens wiederum bietet Planungs- und Konstruktionssoftware an, um die Fertigung großer Batterien zu automatisieren. Das Verbundprojekt Alpha-Laion zur Entwicklung von Hochenergie-Traktionsbatterien für Elektrofahrzeuge wurde im Januar 2013 oiziell gestartet und wird über drei Jahre vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert. Ziel ist die Entwicklung von Lithium-Ionen-Zellen mit besonders hoher Energiedichte (mehr als 250 Wh/ kg) auf Basis innovativer Materialien und ihrer besonderen Kombination, um die Reichweite von Elektroautos zu steigern. Partner sind BASF, Wacker, die SGL Group, Daimler, BMW und Bosch. Das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLiB) und die Innovationsallianz LIB 2015 führen alle Erkenntnisse um Forschung, Entwicklung, Produktion und Einsatz von Lithium-Ionen- Batterien zusammen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland in der Batterietechnologie zu stärken. (zp) www.atkearney.de Carsharing in Europa Unternehmens-Carsharing, Carsharing mit Elektrofahrzeugen und Carsharing für Einwegfahrten - das sind die Segmente, die den Carsharing-Markt in Europa bis 2020 aufgrund fortschreitender Urbanisierung und sich veränderndem Sozialverhalten weiter vorantreiben werden. Zudem wird ein wachsendes Interesse an Peer-to-Peer-Diensten Carsharing in weniger besiedelten Regionen Europas voranbringen. Davon sind die Macher der Frost & Sullivan- Studie „Business Models and Opportunities in the European Traditional and Peer-to-Peer Carsharing Market“, die im Herbst 2012 veröfentlicht wurde, überzeugt. Bereits im Jahr 2011 bestanden über 200 traditionelle Carsharing- Organisationen (CSOs) sowie 24 „Peer-to-Peer“-CSOs. Ende 2011 zählte der europäische Markt 0,7 Mio. Teilnehmer, knapp 15 Mio. sollen es 2020 sein. Die Zahl der Fahrzeuge wird sich dabei von etwa 21 000 in 2011 auf rund 240 000 erhöhen, geht aus der Studie hervor. Besonders viele Anbieter besetzen den deutschen Markt, mehr als 130 Unternehmen sind hier vertreten. Allgemein haben die Forscher in Europa eine Konsolidierung bei konventionellen Carsharing-Diensten beobachtet, besonders in Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Spanien und Österreich. Bis zum Ende des vergangenen Jahrzehnts waren die Teilnehmer des europäischen Carsharing-Geschäfts konventionelle Betreiber. Ende 2011 waren bereits auch Autohersteller, Leasingirmen, Verkehrsunternehmen sowie Parkraum-Management-Unternehmen im Markt vertreten. Diese neuen Marktteilnehmer werden laut Frost & Sullivan mehr und mehr Bedeutung erlangen. Zudem sorgten Regierungsprogramme dafür, dass der Markt an Teilnehmern gewinne. (zp) www.frost.com IM FOKuS Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 8 Gotthard: Straße und Schiene it für die Zukunft Die Schweiz und Italien haben im Dezember 2012 vereinbart, den Vier-Meter-Korridor für den Schienengüterverkehr, den die Schweiz auf der Gotthard-Achse plant, in Norditalien fortzusetzen. Der neue Gotthard-Tunnel lässt bereits den Transport von Sattelauliegern mit 4 m Eckhöhe auf der Schiene zu, die Zu- und Ablaufstrecken jedoch nicht. Die beiden Länder wollen zwischen Chiasso und Mailand sowie zwischen Ranzo und Gallarate die nötigen Ausbauten vornehmen. Zudem wollen sie in Mailand die Errichtung eines neuen Terminals für den Kombinierten Verkehr unterstützen. Die Schweiz hat angekündigt, sich im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten inanziell auch am Bau weiterer Terminals zu beteiligen sowie die nötigen Proilanpassungen auf den oben genannten Strecken vollständig zu inanzieren, um die Verlagerung von Güterverkehr durch die Alpen von der Straße auf die Schiene zu beschleunigen. Ab 2020 könnten zusätzliche 200 000 Lkw-Fahrten durch die Schweizer Alpen vermieden werden. Insgesamt kosten die geplanten Maßnahmen rund 780 Mio. EUR. Dem Vorhaben muss das Schweizer Parlament noch zustimmen. Zweiter Straßentunnel ohne Kapazitätserhöhung Der 1980 in Betrieb genommene Gotthard-Straßentunnel muss saniert werden. Damit die für die Schweiz und Europa wichtige Gotthard-Verbindung auch während der Sanierung erhalten bleibt, hat der Schweizer Bundesrat schon im Sommer 2012 den Bau einer zweiten Röhre beschlossen. Diese soll aber die Kapazität der Straßenachse über den Gotthard nicht erhöhen, der Alpenschutzartikel in der Bundesverfassung wird somit nicht tangiert. Es soll pro Tunnelröhre jeweils nur eine Fahrspur pro Richtung in Betrieb sein, die andere soll für Rettungen oder bei Sperrung von einer der Röhren genutzt werden. Mit der Inbetriebnahme der neuen Tunnelröhre kann frühestens 2027 gerechnet werden. Die anschließende Sanierung des bestehenden Tunnels wird mit 2,5 Jahren angegeben. Die Regierung ist überzeugt, dass der Bau einer zweiten Röhre ohne Kapazitätsausbau sowohl vom Aufwand und den Kosten als auch von der Sicherheit her langfristig die sinnvollste Lösung ist.-Auf die Erhebung einer Tunnelgebühr will die Regierung auch in Zukunft verzichten. Das Tropfenzählersystem für Lkw wird beibehalten. (zp) www.bav.admin.ch Bundesverkehrswegeplan mit Bürgerbeteiligung Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat Ende Januar die Grundkonzeption und den Fahrplan für die Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2015 vorgestellt. Im BVWP wird auf Basis von Verkehrsprognosen und der volkswirtschaftlichen Bewertung von Projektvorschlägen festgelegt, welche Bundesstraßen, Autobahnen, Bundeswasserstraßen und Bundesschienenwege aus- oder neu gebaut werden sollen. Der BVWP wird von der Regierung beschlossen und ist die „Blaupause“ für die Investitionen des Bundes in die Verkehrsinfrastruktur. Laut Ramsauer soll der neue BVWP nur noch Projekte enthalten, die eine echte Chance auf Umsetzung haben. Das Grundkonzept sieht vor: 1. Klare Priorisierung der Verkehrsinvestitionen - Investitionen in den Erhalt haben Vorrang vor Aus- und Neubau. Der Schwerpunkt beim Aus- und Neubau liegt auf Engpassbeseitigung in den übergeordneten Netzen und auf Hauptachsen. Hier wird die neue Dringlichkeitskategorie „vorrangiger Bedarf Plus“ eingeführt. Bislang unterscheidet der BVWP nur zwischen „vordringlichem“ und „weiterem“ Bedarf. 2. Mehr Realismus bei der Finanzierbarkeit - höhere Anforderungen an die Kostenplanung bereits im Anmeldeverfahren und mehr Kostentransparenz. 3. Bürgerbeteiligung von Anfang an - Die Festlegungen für eine bundesweite Verkehrspolitik sollen nachvollziehbar und die Grundlagen transparent sein, die Öfentlichkeit wird beteiligt. Öfentlichkeitsbeteiligung Die Grundkonzeption für den neuen Bundesverkehrswegeplan wurde erstmalig öfentlich zur Diskussion gestellt. Sie konnte auf der Internetseite www.bmvbs.de des Bundesverkehrsministeriums (BMVBS) bis zum 15. März 2013 kommentiert werden. Erstmals werden bei einem BVWP die vorgeschlagenen Projekte nach einer ersten Bewertung im Internet veröfentlicht. Auch über die Bewertungsmethodik wird öfentlich informiert. Der Gesamtplanentwurf des BVWP 2015 soll darüber hinaus einem Konsultationsverfahren unterzogen werden. Ramsauer meint, die Öfentlichkeitsbeteiligung schafe Akzeptanz und könne dazu beitragen, eine „Dafür-Mentalität“ zu schafen. Fahrplan Bis Ende dieses Jahres werden die Verkehrsprognosen erarbeitet. Eine zusammenfassende Darstellung der Rahmenbedingungen der Verkehrsprognose 2030 wird laut BMVBS in Kürze ebenfalls auf seiner Internetseite eingestellt. Parallel wird die neue Bewertungsmethodik erstellt. Projektvorschläge werden bis September 2013 gesammelt. Im Anschluss erfolgen Bewertung und Priorisierung. Der Entwurf des BVWP wird 2015 vorgestellt und öfentlich diskutiert. Bis Ende 2015 soll der neue BVWP vom Kabinett beschlossen werden. (zp) www.bmvbs.de Baustelle Gotthard-Basistunnel bei Biasca. (Foto: AlpTransit Gotthard AG) KurZ + KrITISCH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 9 M itte Dezember 2012 hat die von den Bundesländern initiierte Daehre-Kommission ihren Schlussbericht vorgelegt. Die (Fach-)Öfentlichkeit wird durch das ermittelte Finanzierungsdeizit von jährlich 7,2 Mrd. EUR irritiert, liegt es doch außerordentlich weit über den bislang diskutierten Werten. Aber ein Blick in die Zahlengrundlagen verschaft Auklärung. Denn die Analyse bezieht sämtliche Gebietskörperschaften mit ein, also neben dem Bund auch die Länder und kommunalen Aufgabenträger sowie den ÖPNV. Zusätzlich enthalten die ausgewiesenen Werte auch den aufgelaufenen Finanzierungs-Nachholbedarf bei den Ersatzinvestitionen unter der Annahme seines Abbaus innerhalb von 15 Jahren. Bezogen auf die Bundesverkehrswege Straße, Schiene und Wasserstraße beläuft sich das entsprechende Finanzierungsdeizit auf jährlich 3,0 Mrd. EUR. Die Daehre-Kommission bietet neben einer umfassenden Aubereitung der Deizite in bislang nicht bekannter Deutlichkeit eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten an, erörtert die Vor- und Nachteile und sympathisiert mit der Einrichtung nach Verkehrsträgern und Gebietskörperschaften getrennter Finanzierungsfonds. Sie sollen durch (rechtlich abgesicherte) Haushaltszuweisungen und direkte Nutzerzahlungen gespeist werden. Es wird erkannt, dass im Straßenbereich vergleichsweise erfolgreich höhere Nutzerzahlungen realisiert werden können, während etwa bei den Wasserstraßen hier die größten Probleme auftreten. Neu- und Ausbau sollen außerhalb der Fonds ausschließlich durch Haushaltsmittel inanziert werden. Direkte Empfehlungen für bestimmte Lösungen werden nicht gegeben, vielmehr ein Strauß alternativer Lösungsmöglichkeiten. Die erkennbare Präferenzierung von getrennten Finanzierungsfonds zur Substanzsicherung mit verstärkter Loslösung von den schwierig zu prognostizierenden Haushaltszuweisungen und den damit verbundenen Planungs- und Vollzugsproblemen ist jedoch nicht neu. Bereits 1990 votierte der (damalige) Deutsche Industrie- und Handelstag in seiner Stellungnahme „Verkehr inanziert Verkehr“ für einen umfassenden Finanzierungsfonds. Die politische Resonanz war bescheiden. Die Pällmann-Kommission sprach sich 2000 für verkehrsträgerbezogene Finanzierungsfonds mit verstärkter direkter Nutzerinanzierung aus. Als politisches Ergebnis blieb lediglich die Errichtung der Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft (VIFG), allerdings ohne grundlegende Neuausrichtung der »Die politisch mächtigen Haushälter wehren sich gegen Finanzierungsfonds, die nicht ihrer vollständigen Kontrolle unterliegen.« Prof. Gerd aberle zu Themen der Verkehrsbranche Infrastrukturkrise: Wie hilfreich sind die Analysen der Daehre-Kommission? Finanzierungsströme und ohne die lange diskutierte Kreditaufnahmemöglichkeit am Kapitalmarkt. Ob hier die Daehre-Analysen Fortschritte bringen werden, erscheint leider fraglich. Die politisch mächtigen Haushälter wehren sich gegen Finanzierungsfonds, die nicht ihrer vollständigen Kontrolle unterliegen. Und ob ihnen die Überlegung der Kommission Freude bereitet, dass durch verstärkte Nutzerzahlungen eingesparte Finanzmittel für jene Fonds zur Verfügung stehen sollten, bei denen die Nutzerinanzierung nur geringe Möglichkeiten besitzt, dürfte bezweifelt werden. Was bleibt? Eine interessante und wichtige Analyse, eine gut gemeinte Alternativendiskussion und viel Hofnung. Ob diese Hofnung angesichts der Vergangenheitserfahrungen und aktueller Forderungen nach Haushaltskürzungen im Verkehrsressort des Bundes zur Sicherung eines strukturellen Haushaltsausgleichs 2014 berechtigt ist, kann nur sehr skeptisch beurteilt werden. Es könnte sich dabei aber auch um eine Fata Morgana handeln. Der Kommissionsbericht verweist bei zahlreichen Alternativen, bei denen gesicherte Haushaltmittel oder deren Ausweitung vorgeschlagen werden, in der Bewertung („Nachteile“) vorrangig auf die Konlikte mit anderen Haushaltsbereichen. Und hier hat die Verkehrsinfrastruktur eine schwache Politikposition. Notwendig wäre jetzt eine ebenso diferenzierte Analyse der negativen gesellschaftlichen Folgewirkungen einer Fortschreibung der bisherigen Ressourcen vernichtenden Infrastruktur-Finanzierungspolitik in den kommenden 15 Jahren. Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 10 POLITIK Luftverkehrsmarkt Foto: Grimme Wenn Golf-Carrier weiter wachsen Kommt es durch zunehmende Angebote der Golf-Carrier in Deutschland tatsächlich zu massiven Verlagerungsefekten im Verkehr zwischen Deutschland und Asien? eine Analyse der verkehrlichen Auswirkungen und die Folgen für Luftverkehrsunternehmen und Flughäfen. F luggesellschaften aus den Golfstaaten sorgen hierzulande für Diskussionsstof. Während deutsche Airlines die Aktivitäten dieser Wettbewerber eher kritisch beurteilen, sehen Sekundärlughäfen eine realistische Chance auf Langstreckenverkehre. Für Passagiere und Verlader sind die erweiterten Angebote bei niedrigeren Preisen, hochwertigem Service und einer besseren Erreichbarkeit von Zielen im Mittleren Osten, in Asien und in Australien attraktiv. Der vorliegende Beitrag diskutiert Wirkungen der neuen Dienste auf den Luftverkehrsstandort Deutschland. ausgangssituation Bild 1 zeigt die Entwicklung des Sitzplatzangebots der Golf-Carrier zwischen 2003 und 2012. Insbesondere Emirates Airline, Qatar Airways und Etihad Airways haben ihr Angebot in den letzten Jahren deutlich vergrößert. Das Gesamtsitzplatzangebot aller Anbieter ist alleine zwischen 2011 und 2012 um mehr als 20 % gewachsen. Emirates ist mit mehr als 100 000 Sitzplätzen im Monat mittlerweile der drittgrößte Anbieter im Langstreckenverkehr ab Deutschland insgesamt, hinter Lufthansa (730 000 Plätze) und United Airlines (118 000 Plätze). Mittels der Datenquelle Sabre ADI lassen sich Entwicklungen von Quell-Ziel-Passagierströmen im Luftverkehr auswerten. Die Daten stammen aus den Market Information Data Tapes der Computerreservierungssysteme und werden durch Luftverkehrsstatistiken ergänzt. Somit ist es möglich, den Reiseweg der Passagiere nach Quell-, Ziel- und Umsteigelughäfen sowie nach Airline nachzuvollziehen. Aus diesen Daten geht hervor, dass Fluggesellschaften aus der Golf-Region mittlerweile einen Marktanteil von gut 23 % im Verkehr von Deutschland zu Zielen im Mittleren Osten, in Asien, Süd- und Ostafrika sowie Ozeanien erreichen. In der öfentlichen Diskussion werden von Seiten deutscher Unternehmen immer wieder Risiken angeführt, die von den Golf- Carriern ausgingen. Beispielsweise spricht Lufthansa von einer Verkehrsumleitung über die Hubs der arabischen Carrier und einer Gefährdung von Arbeitsplätzen in Deutschland [1]. Eine wesentliche Konliktlinie besteht auch in der Frage, ob es sich bei den Angeboten der Golf-Carrier um staatlich subventioniertes „Dumping“ handelt (diskutiert von Eisenkopf et al. [2]) oder um die Nutzung landesspeziischer Wettbewerbsvorteile, was in anderen Branchen (z.B. Unterhaltungselektronik- oder Textilindustrie) weitgehend akzeptiert wird. In unserer Analyse konzentrieren wir uns auf die verkehrlichen Efekte, die von den Golf- Die Autoren: Wolfgang Grimme, Sven Maertens Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 11 Carriern ausgehen. Insbesondere betrachten wir dabei die deutschen Hubs und ihre Funktion für Umsteiger aus dem In- und Ausland auf Relationen zwischen Deutschland/ Europa und Indien/ Fernost. Folgen für Luftverkehrsunternehmen und Flughäfen Zuerst untersuchen wir die Entwicklung des Verkehrs ab Deutschland zu den 10 aufkommensstärksten Flughäfen Asiens, die sowohl im Non-Stop-Verkehr ab Deutschland als auch über Drehkreuze in Europa und der Golfregion angelogen werden. Die 10 ausgewählten Ziellughäfen repräsentieren gut 60 % des gesamten Quell-Ziel-Passagieraukommens zwischen Deutschland und Asien (ohne den Mittleren Osten). Wir unterscheiden in der Analyse fünf relevante Reisewege: Non-Stop-Reisen oder Reisen mit Transfer an einem Flughafen in Deutschland, Europa, in den Golfstaaten oder in Asien. Die jeweiligen Aukommenswerte für das Jahr 2011 sind in Bild 2 dargestellt. Bild 3 zeigt die Entwicklung der Passagieraukommens zwischen Deutschland und den 10 ausgewählten Destinationen in Asien zwischen 2002 und 2011, wiederum gegliedert nach Non-Stop-Passagieren und der geograischen Lage des Transferlughafens. Es zeigen sich einige deutliche Trends: Sowohl die Anzahl der Non-Stop-Reisenden als auch der Umsteiger an deutschen Hubs - vorwiegend Frankfurt und München - ist deutlich gestiegen. Dies gilt auch für die Anzahl der Reisenden, die über einen Hub am Golf bzw. Istanbul gelogen sind. Während im Jahr 2002 nur gut 93 000 Reisende diesen Weg wählten, ist das Aukommen in 2011 auf über 256 000 gestiegen. „Leidtragende“ an dieser Entwicklung sind in erster Linie Hubs anderer westeuropäischer Netzwerkcarrier. Deren Umsteigeraukommen aus Deutschland wuchs zwar noch bis 2006, ist seitdem jedoch rückläuig. In 2006 reisten noch fast 333 000 Passagiere aus Deutschland über London, Paris, Amsterdam und andere europäische Hubs zu den 10 ausgewählten Zielen in Asien - im Jahr 2011 war der Wert auf knapp 219 000 Passagiere gefallen. Am Wachstum der Luftverkehrsnachfrage zwischen Deutschland und Asien partizipieren also die Hubs am Golf überdurchschnittlich stark, aber auch die deutschen Hubs verteidigen ihre Position sowohl im Non-Stop-Verkehr als auch bei den Inland-Ausland-Umsteigern. Die traditionellen westeuropäischen Hubs hingegen verlieren Passagiere, was auf eine Reihe von Gründen zurückgeführt werden kann: Einerseits ist die geograische Lage von Bild 1: entwicklung des Sitzplatzangebots arabischer Fluggesellschaften ab Deutschland pro Monat, Sommerlugplan. (Quelle: eigene Darstellung/ Datenbasis OAG) Bild 3: entwicklung der Verkehrsströme von Quell-Ziel-Passagieren zwischen Deutschland und 10 ausgewählten Zielen in Asien zwischen 2002-2011 nach Reiseweg. (Quelle: eigene Darstellung/ Datenbasis: Sabre ADI) Bild 2: Verkehrsströme von Quell-Ziel- Passagieren zwischen Deutschland und Zielen in Asien (2011). (Quelle: eigene Darstellung/ Datenbasis: Sabre ADI) POLITIK Luftverkehrsmarkt Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 12 Hubs wie London, Paris oder Amsterdam für Asienverkehre ab Deutschland ungünstig. Andererseits hat z.B. British Airways im betrachteten Zeitraum Kapazitäten auf Zubringerlügen reduziert und die Strecke Köln-London Heathrow ganz eingestellt. Ein weiteres wichtiges Verkehrssegment für die deutschen Hubs ist das der aus dem Ausland kommenden und in das Ausland weiterliegenden Umsteiger. Das Aukommen dieser Ausland-Ausland-Umsteiger betrug im Jahr 2011 in Deutschland insgesamt schätzungsweise 22,3 Mio. Passagiere [3]. Dieses Verkehrssegment unterliegt traditionell einem besonders hohen Wettbewerbsdruck. Während ein Carrier im Heimatmarkt eine starke Markenbekanntheit und eine starke Kundenbindung durch Vielliegerprogramme erreicht, ist im Ausland das Angebot an Transferverbindungen aus Kundensicht eher austauschbar. Bild 4 zeigt - mit Ausnahme der Umsteiger aus Großbritannien - einen langfristigen Aufwärtstrend, d. h. im Jahr 2011 gab es mehr Umsteiger aus dem EU-Ausland über deutsche Flughäfen zu den 10 ausgewählten Zielen in Asien als noch vor 10 Jahren. Mittelfristig stagnieren jedoch die Umsteigerzahlen, was neben den neuen Angeboten von Fluggesellschaften aus dem arabischen Raum auch auf die anhaltende Wirtschaftskrise zurückzuführen sein könnte. Insbesondere der Markt Großbritannien-Asien lässt jedoch als gutes Beispiel Rückschlüsse auf die Marktmechanismen im Interkontinentalverkehr zu. Seit 2002 reisen hier im Mittel zwischen 80 000 und 100 000 Passagiere über Deutschland zu den 10 betrachteten Fernost-Zielen. Im gleichen Zeitraum wuchs jedoch das Aukommen der Reisenden über die Golfstaaten von 110 000 auf gut 400 000 pro Jahr. Es zeigt sich also, dass aus den vorliegenden empirischen Daten kaum Rückgänge bei den deutschen Hubs ersichtlich sind. Mit den vorliegenden Informationen zu Passagieraukommen und Marktanteilen verschiedener Hubs lassen sich jedoch keine Aussagen zu den Preisentwicklungen am Markt ableiten. Wenn jedoch durch zusätzliche Angebote und intensivierten Wettbewerb die Flugpreise sinken, so ist dies für die etablierten Fluggesellschaften sicherlich negativ, für die Privat- und Geschäftsreisenden sowie die Versender von Luftfracht jedoch ein wünschenswerter Efekt. Fazit Bis heute sind aus vorliegenden Luftverkehrsstatistiken keine Erkenntnisse ableitbar, dass es durch die Angebote der Golf- Carrier zu massiven Verlagerungsefekten im Verkehr zwischen Deutschland und Asien gekommen wäre. Vielmehr haben die neuen Angebote zu einem hohen Grade einen Verkehrswachstumsefekt nach sich gezogen, während auch etablierte Fluggesellschaften und Hubs weiter wachsen. Ohne den intensivierten Wettbewerb und zusätzliche neue Angebote hätte das Verkehrswachstum in diesem Ausmaß nicht stattgefunden. Ein empirischer Beleg ist darin zu sehen, dass an Flughäfen, an denen die Golf-Carrier mit neuen Verbindungen in den Markt eingestiegen sind, der Asien- Verkehr deutlich stärker gewachsen ist als an den Flughäfen, wo keine Markteintritte stattgefunden haben. Daher ist es aus unserer Sicht schwierig zu argumentieren, dass den deutschen Fluggesellschaften zwischen 2005 und 2012 ein kumuliertes Verkehrswachstum von 3,1 Mio. Passagieren verloren gegangen wäre [4]. Aus Passagiersicht hat sich die Anbindung insbesondere der Sekundärlughäfen zu Zielen in Asien durch das Aukommen der Golf-Carrier deutlich verbessert. Hiervon proitieren neben den Passagieren auch die Luftfrachtversender, die durch dezentrale Frachtangebote z. T. auf Trucking (Road Feeder Service) zu den Hubs verzichten und damit auch eine Zeitersparnis realisieren können. Zu den Proiteuren zählen dabei auch die Betreiber jener Flughäfen, die in der Vergangenheit im Interkontinentalverkehr durch deutsche Fluggesellschaften vernachlässigt worden sind. Ebenfalls positive Efekte von einer Ausweitung von Luftverkehrsangeboten sind beim Incoming-Tourismus zu erwarten, wie kürzlich in einer Studie am Beispiel von Emirates untersucht wurde [5]. Weiterhin würde eine Liberalisierung der Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten zu einer größeren Chancengleichheit der Regionen in Deutschland führen. Viele ausländische Fluggesellschaften haben ein Interesse daran, nicht nur die deutschen Hubs, sondern auch die Sekundärlughäfen an ihre eigenen Hubs anzubinden. Das Beispiel Emirates zeigt jedoch, dass dies aufgrund eng gefasster bilateraler Luftverkehrsabkommen behindert ist. Somit proitieren Hamburg und Düsseldorf von den Angeboten, während Stuttgart und Berlin derzeit nicht von Emirates angelogen werden können. Denn die Bundesrepublik genehmigt Fluggesellschaften aus den VAE zurzeit nur den Anlug von vier Flughäfen, welche mit Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg bereits ausgeschöpft sind. Im Unterschied zu Deutschland verfolgt Großbritannien in dieser Hinsicht eine deutlich liberalere Politik, wie die kürzlich erfolgte Unterzeichnung eines „Open-Sky“-Abkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigt. Das langfristige Wettbewerbspotenzial der Golf-Carrier für den deutschen Luftverkehrsmarkt sollte aus einer Reihe von Gründen nicht überbewertet werden. Erstens ist der Anteil von Passagieren aus Deutschland auf Relationen, die von Golf- Carriern im Wettbewerb mit deutschen und europäischen Airlines angeboten werden mit aktuell nur 4,6 % (Arabische Halbinsel, Süd-/ Südostasien und Australien) bzw. 7,2 % (wenn auch die nordostasiatischen Ziele wie China, Japan und Korea berücksichtigt wer- Bild 4: entwicklung der Ausland-Ausland-Umsteiger über deutsche Hubs zwischen 2002-2011 nach Quell-Land, 5 größte Märkte eU-Deutschland - 10 ausgewählte Asien-Ziele. (Quelle: eigene Darstellung/ Datenbasis: Sabre ADI) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 13 den, für die ein Transfer in Arabien einen erheblichen Umweg darstellt) aller Originärpassagiere ab Deutschland relativ gering. Zweitens bleibt eine besondere Stärke der deutschen und europäischen Netzwerkcarrier das breit gefächerte Zubringernetz innerhalb Europas, während die Golf-Carrier nur vergleichsweise wenige Primär- und Sekundärlughäfen in Europa bedienen. Zum Vergleich: Lufthansa bedient in Europa 134 Ziele (169 inkl. Codesharing-Partner), Emirates Airline 31, Qatar Airways 30 und Etihad Airways 16. Drittens ist zu bemerken, dass die Luftverkehrsmärkte zwischen Europa und Asien eine langanhaltende Wachstumstendenz aufweisen. So schätzt Airbus im aktuellen Global Market Forecast die Wachstumsrate des Passagieraukommens von 2011 bis 2030 zwischen Westeuropa und Indien auf 6,3 % und zwischen Westeuropa und China auf 6,2 % pro Jahr [6]. An diesem Wachstum werden langfristig nicht nur die arabischen, sondern auch die europäischen Airlines und Flughäfen weiter partizipieren. Airbus schätzt die Entwicklung der deutschen Fluggesellschaften äußerst positiv ein und rechnet mit einem Bedarf für mehr als 1000 neue Verkehrslugzeuge in Deutschland innerhalb der nächsten 20-Jahre [7]. Die bisherige Diskussion in Deutschland greift aus unserer Sicht zu kurz, da sie vorwiegend aus Produzentensicht geführt wird. Die luftverkehrspolitische Diskussion könnte davon proitieren, wenn auch vermehrt der Nutzen der Angebote der Golf- Carrier für die Passagiere, die Verlader und die deutsche Volkswirtschaft insgesamt mit berücksichtigt würde. ■ Wolfgang Grimme, Dipl.-Kfm. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Köln wolfgang.grimme@dlr.de Sven Maertens, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Köln sven.maertens@dlr.de QueLLen [1] LUFTHANSA: Globaler Wettbewerb: Verzerrungen schaden Europa. In: Politikbrief März 2010, S.- 2. http: / / presse.lufthansa.com/ fileadmin/ downloads/ de/ politikbrief/ 03_2010/ LH-Politikbrief-Maerz-2010.pdf [2] EISENKOPF, ALEXANDER et al.: Antidumpingregeln für Luftverkehr? - Der Fall Emirates. In: Internationales Verkehrswesen, 62(2010), Nr. 11, S. 18-22. [3] INTRAPLAN: Untersuchung zur verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Wirkung der Luftverkehrsteuer, Bericht für den Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), München. http: / / www.bdl.aero/ media/ filer_public/ 2012/ 06/ 06/ intraplan_studie_auswirkungen_der_luftvst.pdf [4] INITIATIVE LUFTVERKEHR FÜR DEUTSCHLAND: Studie der Initiative „Luftverkehr für Deutschland”: „Die Expansion der Luftverkehrsinfrastruktur und -kapazitäten im Mittleren Osten und ihre Auswirkungen auf den Luftverkehrsstandort Deutschland.“ http: / / www.bdl.aero/ media/ iler_public/ 2012/ 02/ 24/ volkswirtschaftliche_auswirkungen_einer_intensiven_erschlieung_des_europaischen_ marktes_durch_die_luggesellschaften_der_golf-staaten.pdf [5] GRIMME, WOLFGANG et al.: Emirates Airline und Deutschland: Der volkswirtschaftliche Nutzen für Deutschland aus der Geschäftstätigkeit von Emirates, Köln, 2012. http: / / www.emirates.com/ de/ german/ images/ DE_180412_ tcm253-857585.pdf [6] AIRBUS: Delivering the Future - Global Market Forecast 2011-2030, Blagnac, 2011. [7] AIRBUS: ILA Berlin Air Show 2012 - Airbus foresees demand for more than 1,000 new aircraft in Germany over the next 20 years. http: / / www.airbus.com/ newsevents/ news-events-single/ detail/ ila-berlin-air-show-2012-airbus-foresees-demand-for-more-than-1000-new-aircraftin-germany-over/ Die Hochschule Koblenz mit ihren Standorten in Koblenz, Remagen und Höhr-Grenzhausen bietet Lehre und angewandte Forschung mit einem umfangreichen Präsenz- und Fernstudienangebot in den Bereichen Wirtschaft, Technik, Sozialwissenschaften und Freie Kunst. Derzeit studieren an der Hochschule Koblenz insgesamt rund 8.000 Studierende, die betreut werden von 150 Professorinnen/ Professoren und ca. 250 Beschäftigten. Der Fachbereich Bauwesen der Hochschule Koblenz richtet einen neuen Studiengang „Wasser- und Infrastrukturmanagement“ ein, der in Struktur und Inhalten einen gender- und diversityorientierten Ansatz verfolgt. Hierzu ist am Standort Koblenz zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine auf 6 Jahre befristete Professur für Verkehrsmanagement (Bes.-Gruppe W 2) in der Fachrichtung Bauingenieurwesen zu besetzen. Die Bewerberin oder der Bewerber soll die Lehrgebiete „Verkehrsplanung, ÖPNV, Güterverkehrsplanung und -logistik sowie Sondergebiete des Verkehrsmanagements“ unter Berücksichtigung von Gender- und Diversity-Aspekten vertreten. Darüber hinaus wird die Bereitschaft zur Übernahme von Lehrveranstaltungen in Grundlagenfächern vorausgesetzt. Den vollständigen Ausschreibungstext und weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Homepage: www.hs-koblenz.de/ Professuren.2354.0.html Senden Sie bitte Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen bis zum 22.04.2013 an die Hochschule Koblenz, Fachbereich Bauwesen, Dekan Prof. Dr.-Ing. Norbert Krudewig, Konrad-Zuse-Straße 1, 56075 Koblenz. Die Hochschule Koblenz ist als familienfreundliche Hochschule zertiiziert und verfügt über eine hochschulnahe Kindertagesstätte. Darüber hinaus bieten wir Ferienfreizeitangebote für Kinder von Hochschulangehörigen. Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 14 POLITIK Eisenbahnrecht Foto: © Viola Wehrhahn/ pixelio.de Ein neuer Haarschnitt für das Eisenbahnrecht? Das deutsche eisenbahnrecht ist in die Jahre gekommen. Fest steht, dass es einer Novellierung bedarf. Welche Änderungen aber sind bei der sektorspeziischen Regulierung erforderlich? I m Sinne des politischen Ziels, Mehrverkehr auf der Schiene zu fördern, sollte in Politik und Wirtschaft Einigkeit herrschen, dass es keine Alternative zum Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) gibt. Was sind die berechtigten Erwartungen der Marktteilnehmer? Status quo der regulierung Die für die Eisenbahnregulierung in Deutschland zuständige Bundesnetzagentur (BNetzA) überprüft die Einhaltung der Vorschriften des Eisenbahnrechts 1 über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Zur Eisenbahninfrastruktur zählen die Schienenwege und die Serviceeinrichtungen. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), die den Betrieb solcher Infrastrukturen zu ihrem Geschäftsgegenstand machen, unterliegen grundsätzlich der Regulierung und sind verplichtet, diskriminierungsfrei den Zugang zu ihrer Infrastruktur zu gewähren. Ein elementarer Baustein für diesen regelmäßig zu gewährenden Zugangsanspruch ist die transparente Darlegung der von den EIU aufzustellenden Nutzungsbedingungen, die neben dem technisch-betrieblichen Regelwerk auch die vom EIU anzuwendenden Entgeltgrundsätze enthalten müssen. Diese Entgeltgrundsätze stellen eine Besonderheit des Sektors dar und regeln die Preisbildung des EIU, beispielsweise die Aufteilung des Einzelpreises in Grundpreis und Zuschlag. Darüber hinaus sind die EIU grundsätzlich verplichtet, die hieraus resultierenden Entgelthöhen jährlich in einer Liste der Entgelte darzustellen 2 . Dementsprechend gelten für die EIU sowohl Vorschriften für den tatsächlich zu gewährenden Anspruch auf Nutzung der Infrastruktur als auch für die Bepreisung der allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) gleichermaßen zur Verfügung zu stellenden Leistungen. Das geltende Eisenbahnrecht stellte im Vergleich zur Rechtslage vor 2005 eine grundlegende Überarbeitung dar. Erstmals gab es kaufmännische Vorgaben, die die EIU zwingend zu beachten haben 3 . Vielen Beteiligten des Sektors ist jedoch nach nunmehr sieben Jahren der praktischen Anwendung deutlich geworden, dass gerade im Vergleich zu den anderen regulierten Netzwirtschaften die Eisenbahnregulierung noch in der ersten Phase der Implementierung steckt. Als ein großes Wachstumshindernis haben sich dabei die überwiegend einer Auslegung zugänglichen Vorgaben erwiesen, die von zwei Seiten zu betrachten sind: Zum einen kann die behördliche Aufgabenwahrnehmung von den EIU mit der Maßgabe angegrifen werden, dass eine konkrete Befugnis hierfür fehle, die in den anderen Sektoren aber ausdrücklich als Konkretisierung der Eingrifsverwaltung normiert wurde 4 . Zum anderen berufen sich die EIU auf ihren Die Autorin: anne Steinmann Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 15 Gestaltungsspielraum, der durch eine unternehmensfreundliche Auslegung in viele Vorschriften hinein gelesen werden kann. So ist aktuell streitig, ob das vom Betreiber der Schienenwege aufgestellte technischbetriebliche Regelwerk Plichtbestandteil der Nutzungsbedingungen sei, obwohl der Verordnungsgeber explizit geregelt hat, dass sowohl die Art des Schienenweges als auch etwaige Nutzungseinschränkungen öffentlich zu machen sind 5 . Viel Kritik erfährt insbesondere die Entgeltregulierung. Mit nur wenigen Worten wird eine Kostenzuschlagsregulierung normiert, in dem die dem EIU tatsächlich entstehenden Kosten zuzüglich einer marktüblichen Eigenkapitalrendite in die Zugangsentgelte eingepreist werden können. Die durch die Regulierung eines natürlichen Monopolisten gewünschten wettbewerbsüblichen Preise können nicht erreicht werden, adverse Anreize sind vielmehr die Folge: Es fehlen die im Wettbewerbsmarkt üblichen Anreize zur Senkung der Kundenpreise im Rahmen des Produktivitätsfortschritts 6 . Kernpunkte der Novellierung Mit dem Ziel, den Wettbewerb auf der Schiene weiter zu stärken und den Rahmen für eine eiziente Regulierung zu schafen, ist der Gesetzgeber an den Start gegangen. Erreicht werden soll dies durch die Neugestaltung der Entgeltregulierung, die Verbesserung der Zugangsrechte und die Stärkung der Befugnisse der BNetzA 7 . Die Entgelte für Betreiber der Schienenwege sowie die Entgelte für die Benutzung von Personenbahnhöfen sollen zukünftig der Genehmigung durch die BNetzA auf Basis einer Anreizregulierung unterliegen. Im ERegG ist die Variante der Price-Cap-Regulierung normiert, die im Rahmen der Privatisierung der British Telecom 1983 entwickelt wurde und die von der BNetzA bereits 2008 als die gewünschte Form der Entgeltregulierung ermittelt wurde 8 : Anders als beim Revenue- Cap, bei dem der Erlös und damit Preis und Menge begrenzt werden, sind durch ein Price-Cap Mengensteigerungen zulässig. Die jeweilige Preisobergrenze bestimmt sich dabei auf Basis der vergangenen Kosten, erhöht um die allgemeine Preissteigerungsrate bei gleichzeitiger Verminderung um den Produktivitätsfortschritt. Sowohl die allgemeine Preissteigerungsrate als auch die Produktivitätsfortschrittsrate sind für die EIU unbeeinlussbare Größen, wodurch die Berechnung der zulässigen Entgelthöhen weitgehend entkoppelt von den tatsächlichen Kostennachweisen erfolgt. Neben dieser Neugestaltung werden Lösungen für die bisherigen Schwierigkeiten in der Praxis der Zugangsregulierung angeboten: Erstmals wird ein Zugangsrecht zu Werksbahnen und eine Missbrauchskontrolle über die Belieferung mit Bahnstrom sowie den Vertrieb von Fahrausweisen normiert. Ebenso wird die diskriminierungsfreie Erbringung von Rangierdienstleistungen durch die EVU eingeführt. Die Überwachung des Unbundlings wird auf die BNetzA übertragen und die normativen Anforderungen für die Nutzungsbedingungen werden konkretisiert. Berechtigte erwartungen des Marktes Betrachtet man die soeben skizzierte Eisenbahnregulierung, hat sich der Gesetzgeber - um ein Bild aus dem Alltag zu nehmen - nach einer eingehenden Typberatung für einen neuen Haarschnitt entschieden. Fokussiert auf das Kernstück des Gesetzes, die Entgeltregulierung, indet ein beeindruckender Paradigmenwechsel statt: Die BNetzA hat nicht mehr jährlich im Rahmen eines sogenannten Widerspruchsrechtes die entstehenden Kosten einschließlich Gewinn zu prüfen - künftig soll für eine fünf Jahre dauernde Regulierungsperiode ein Preisentwicklungspfad unter Berücksichtigung von Eizienzanreizen festgelegt werden. Die BNetzA genehmigt hierbei grundsätzlich jährlich die vom EIU gewählte Preisstruktur und die beabsichtigten Entgelthöhen. Bei einer Kostenregulierung besteht für die Unternehmen ein großer Anreiz, der Regulierungsbehörde höhere als die tatsächlich angefallenen Kosten anzugeben 9 , denn sie dürfen sämtliche Kosten an die Netznutzer weitergeben. Überdies wird regulatorisch kein Anreiz zur Kostensenkung gesetzt. Der Grundgedanke einer Anreizregulierung leitet sich aus diesen Nachteilen ab, wobei die Informationsasymmetrie zu Lasten der Regulierungsbehörde akzeptiert und das Gewinnstreben der Unternehmen für die regulatorischen Zielsetzungen genutzt wird 10 . Durch die Entkopplung von den durch die EIU zu beeinlussenden Größen gelingt in einzigartiger Weise die Abschwächung der Informationsasymmetrie bei gleichzeitiger Erhöhung der Transparenz für alle Marktbeteiligten. Diese können somit erstmals regulatorische Anreize zu kostensenkenden Investitionen und eine äußerst geringe Manipulierbarkeit der Preise erwarten. Hierfür können die EIU im Gegenzug die nötige Preissetzungslexibilität erwarten 11 . Durch die Einführung der Anreizregulierung wird der Gesetzgeber somit der Kritik an der gegenwärtigen Kostenzuschlagsregulierung gerecht und hat sich mit dem Price-Cap- Modell für die im Infrastruktursektor sinnvollste Variante entschieden. Frisur sitzt, Kunde zufrieden? Der allgemeinen Lebensweisheit folgend, ist leider nie alles Gute beisammen. Die Länder versprechen sich auf Basis des Koalitionsvertrages ein Verbot, Gewinne aus Trassen- und Stationseinnahmen der Bundes-EIU abzuführen, und begrüßen eine Gesamtkapitalverzinsung auf Basis einer normierten Kapitalstruktur, die die Gemeinwohlziele der Infrastruktur berücksichtigt. Beiden Forderungen wird das ERegG nicht gerecht. Mit Ausschluss der Gewinnabführung werden wohl steigende Trassenpreise befürchtet, mit der Bestimmung einer marktüblichen Rendite unter Berücksichtigung der besonderen Risiko- und Finanzierungsbedingungen des Sektors irreversible Nachteile für die Bundes-EIU vermutet. Bei beiden Punkten kann wohl Entwarnung gegeben werden, bei letztgenanntem sogar mit wissenschaftlicher Unterstützung 12 . ausblick Die Erfahrung aus dem Alltag zeigt: Nach dem ersten Haarewaschen ist man zunächst unzufrieden mit einem neuen Haarschnitt - es braucht seine Zeit, sich mit der anderen Frisur wieder wohl zu fühlen. Auch dem ERegG sollten die Marktteilnehmer eine solche Chance geben, sonst bleibt nur viel Lärm um nichts. ■  1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) und Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV).  2 § 21 Abs. 7 EIBV.  3 § 14 Abs. 4 und 5 AEG i. V. m. §§ 20f EIBV.  4 Viele Verfahren werden bereits bei der Sachverhaltsaufklärung behindert. Die erste Überprüfung der DB-Stationspreise dauerte über 2,5 Jahre.  5 § 4 Abs. 2 EIBV i. V. m. Anlage 2; OVG NRW, B. v. 28.09.2012 - 13 B 1016-12; a.A. VG Köln, Urt. v. 18.05.2012 - 18 K 2771-10.  6 BERNDT, A: Die Anreizregulierung in den Netzwirtschaften, 2011, S. 69.  7 Bundesrat, BR-Drucksache 559/ 12, S. 1.  8 Abschlussbericht der Bundesnetzagentur zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, 2008, abrufbar unter www.bundesnetzagentur.de.  9 WIED-NEBBELING, S.: Preistheorie und Industrieökonomik, 2009, Springer-Lehrbuch, S. 39. 10 BERNDT, A.: Anreizregulierung, S. 68. 11 Das EIU entscheidet, in welchem Bereich Ineizienzen gehoben werden. Es behält den über die Einsparungen hinaus erzielten Gewinn während der Regulierungsperiode. 12 FRONTIER ECONOMICS u.a.: Bestimmung der Kapitalkosten im Eisenbahninfrastrukturbereich unter den besonderen Bedingungen des deutschen Eisenbahnsektors, Bundesnetzagentur, 2009, S. 123f. anne Steinmann, Dr. iur. Leiterin des Referates für entgelte, Serviceeinrichtungen und Dienstleistungen, Bundesnetzagentur, Abteilung 7, Bonn anne.steinmann@bnetza.de Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 16 POLITIK Infrastrukturinanzierung Foto: © egon Haebich/ pixelio.de Plädoyer für ein neues Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz Kommunen sind Quelle und Ziel von Verkehr - doch wie lässt sich die Infrastruktur erhalten? Das rund 40-Jahre alte Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetz (GVFG) genügt den Herausforderungen der heutigen Zeit oft nicht mehr. es gibt gute Gründe für eine Nachfolgeregelung in Form eines GVFG 2050. D er Aubau der Verkehrsinfrastruktur 1 mündete Anfang der 1970-er Jahre in ein als Programm zur Gesundung des deutschen Verkehrswesens vom damaligen Bundesverkehrsminister Georg Leber vorgestelltes verkehrspolitisches Grundsatzprogramm für die Bundesrepublik Deutschland. Hintergrund war eine umfassende Ursachenanalyse. Stark steigende Zahlen an Kraftfahrzeugen 2 und erhebliche Probleme mit der Verkehrssicherheit 3 im Straßenverkehr erzeugten Handlungsbedarf. Dieses als Leber-Plan bezeichnete verkehrspolitische Gesamtkonzept sah auch vor, die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden im Rahmen eines von Bund und Ländern gemeinsam aufzustellenden Mehrjahresprogramms zu verbessern. Ein Ergebnis dieses Prozesses war unter anderem das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden in der Fassung vom 18. März 1971 (BGBl. I S. 239) auch Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetz oder kurz GVFG genannt. Verkehrspolitische Herausforderungen Heute steht unsere Generation wieder vor einer vergleichbar fundamentalen Aufgabe. Es gilt, ein verkehrspolitisches Gesamtkonzept mit dem Zielhorizont 2050 zu entwickeln. Die Herausforderungen: • Wir verfügen über ein weitgehend fertiggestelltes Fern- und Stadtstraßensystem und einen in großen Teilen gut ausgebauten Öfentlichen Nahverkehr. Dieses reife Infrastrukturangebot gilt es zu erhalten, zu erneuern und an neue verkehrliche Anforderungen anzupassen (qualitatives Wachstum). • Klimawandel, Peak Oil und Energiewende markieren die neuen verkehrspolitischen Herausforderungen des umfassenden Strukturwandels einer zunehmend postfossil orientierten Gesellschaft. Die Autoren: Felix Huber, Klaus J. Beckmann Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 17 • Die Menschen verlangen die gesunde Stadt, die Green City und liveable streets. • Die Politik garantiert eine umfassende Barrierefreiheit. • Die vielfältigen Formen der Elektromobilität stellen neue infrastrukturelle Anforderungen. • Die Bundesregierung hat sich zur Förderung der Baukultur bekannt. Eine neue Mobilitätskultur ist wesentlicher Teil davon. • Infrastrukturprojekte erhalten heute nur noch bei qualiizierter Bürgerbeteiligung die notwendige Akzeptanz. Das GVFG ist etabliert; seine Verfahrenswege sind geläuig und geübt; das GVFG hat vielerorts sehr viel Nutzen gestiftet. Ideen für ein neues GVFG Wie könnte also eine Neuaulage, ein Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden 2050 (GVFG 2050), aussehen? Die nachfolgenden Vorschläge einer Aktualisierung auf der Grundlage der früheren Struktur sollen zur Diskussion anregen: § 1-Finanzhilfen des Bundes Der Bund gewährt den Ländern Finanzhilfen für Investitionen zur Verbesserung der Mobilitätsangebote und Verkehrsinfrastrukturen der Gemeinden mit dem Ziel, • die Gesamtsumme der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um mindestens 25 Prozent und bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu den Gesamtemissionen des Jahres 1990 zu verringern und • die Barrierefreiheit für alle Menschen zu sichern und zu verbessern, • die besonderen Anforderungen der Baukultur zu erfüllen. Diese Ziele sind bewusst allgemein formuliert, um den Wettbewerb der Ideen zu befördern. Sie werden durch die Deinition der Vorhaben konkretisiert: § 2-Förderungsfähige Vorhaben (1) Die Kommunen können folgende Vorhaben durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen fördern: • die Erneuerung, Neugestaltung, den Bau oder Ausbau von Hauptwegen für Fußgänger und den Radverkehr einschließlich - kommunaler und interkommunaler Radschnellwege - Abstellanlagen für den Radverkehr einschließlich gesicherter Ladestationen für Elektrofahrräder. • die Erneuerung, den Bau oder Ausbau von Verkehrswegen der Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart, einschließlich der Beschafung der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben soweit sie dem öfentlichen Personennahverkehr dienen. • die Erneuerung, Neugestaltung, den Bau oder Ausbau von Verknüpfungspunkten mit dem öfentlichen Personennahverkehr einschließlich - der Stellplatzanlagen für Fahrräder und ihrer Umgrifslächen und-Vorplätze - öfentlicher Flächen für in-Bebauungsplänen ausgewiesenen Anlagen des Fernbusverkehrs. Das jährlich neu aufgelegte Statistik-Handbuch „Verkehr in Zahlen“ gibt eine aktuelle und zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fragen der Mobilität und Verkehrswirtschaft. Auf der CD be nden sich umfangreiche Daten, die sich direkt oder als Gra k leicht weiterverarbeiten lassen. Herausgeber ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Weitere Informationen, das komplette Inhaltsverzeichnis sowie das Vorwort nden Sie unter www.eurailpress.de/ VIZ Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Ein Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Technische Daten: ISBN 978-3-87154-473-6, 367 Seiten, Format 135 x 180 mm, Broschur, Preis : € 53,50 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH · Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 · E-Mail: buch@dvvmedia.com NEU NEU POLITIK Infrastrukturinanzierung Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 18 • den Bau oder Ausbau von Anlagen für Bike- und Car-Sharing-Angebote. • die Erneuerung oder Neugestaltung von - verkehrswichtigen innerörtlichen Straßen mit Ausnahme von Anlieger- und Erschließungsstraßen - Verkehrsleitsystemen - Umsteigeparkplätzen zur Verringerung des motorisierten Individualverkehrs - öfentlichen Verkehrslächen für in Bebauungsplänen ausgewiesene Anlagen des Wirtschaftsverkehrs - Maßnahmen zur Erhöhung der Verlässlichkeit im öfentlichen Personennahverkehr. Das bisherige GVFG wies mit seinen Vorgaben und deren länderspeziischen Interpretationen eine Reihe von Unzulänglichkeiten auf. Diese haben zu Fehlsteuerungen des Mitteleinsatzes, zum Beispiel in aufwendige Infrastruktur bei fehlenden Mitteln für den laufenden Betrieb, die Erhaltung und Erneuerung, geführt. Sie haben sinnvolle Maßnahmen in Form einer ortsbezogenen Abweichung von der Regelwerklösung verhindert. Qualitative Aspekte einer Bau- und Mobilitätskultur ielen oft der übermäßigen methodischen Betonung der Finanzierungsfrage (z.B. Standardisierte Bewertung) zum Opfer. Welche Voraussetzungen müssten daher Maßnahmen erfüllen, die durch ein GVFG 2050 gefördert werden sollten? § 3-Voraussetzungen der Förderung (1) Voraussetzung für die Förderung von Maßnahmen nach §-2 ist, dass 1. Mobilitätsangebote und Verkehrsinfrastrukturen gefördert werden, die die Ortsveränderung von Personen, Gütern und Informationen mit Körperkraft, hoher Energieeizienz und erneuerbaren Energieträger ermöglichen, 2. diese in einem integrierten Stadt- und Verkehrsentwicklungsplan oder einem für die Beurteilung gleichwertigen Plan vorgesehen sind, 3. sie das Ergebnis qualiizierter Planungs- und Beteiligungsprozesse sind, 4. diese gestalterisch, bau- und verkehrstechnisch einwandfrei und unter Beachtung der Anforderungen der Baukultur und des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in einer Life-Cycle- Betrachtung geplant sind, 5. die Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt werden und den Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entsprechen, 6. für die geförderte Maßnahme die dauerhafte Finanzierung der laufenden Betriebskosten und der Unterhaltung durch die Kommune nachgewiesen ist, 7. private Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen dadurch nicht diskriminiert werden. Gute Gründe für eine Nachfolgeregelung Mit der Eröfnung einer inhaltlichen Diskussion um eine GVFG-Nachfolgeregelung stellt sich eine Reihe von Fragen: Warum benötigen wir ein solches GVFG 2050? War es nicht richtig, die Systeme der Mischinanzierung von Bund und Ländern zugunsten einer klaren Aufgabenzuweisung abzubauen? Warum benötigen wir eine Diskussion um ein GVFG 2050? Sind die Länder nicht in der Lage, die mit der Föderalismusreform I vollständig übernommene Verantwortung für den Ausbau der Verkehrswege in den Gemeinden selbst zu übernehmen? Und ist es überhaupt legitim, in Zeiten einer hohen Verschuldung der öfentlichen Haushalte eine solche Diskussion zu eröfnen? Folgende Gründe sprechen für die Forderung nach einer Nachfolgeregelung in Form eines GVFG 2050: Die Regelungen des Entflechtungsgesetzes sind nicht auf Dauer angelegt. Die Fortführung nach 2019 steht derzeit grundsätzlich infrage. Infrastrukturinvestitionen bedürfen aber einer planerischen und inanziellen Verlässlichkeit. • Die Gestaltung der Verkehrsverhältnisse in Deutschland verlangt nach einer länderübergreifenden Einheitlichkeit. Im Verkehrssektor kann nicht davon gesprochen werden, dass alle Bundesländer ihrer neu gewonnen föderativen Verantwortung gerecht werden. Die Kommunen dieser Länder haben das Nachsehen. • Viele Kommunen sind auf absehbare Zeit nicht in der Lage, die vorhandene Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und grundlegend zu erneuern - solange sie nicht in Kürze inanziell so gestellt werden, dass sie im Sinne ihrer Planungshoheit wieder eigenverantwortlich in größere Projekte investieren können. • Viele Anforderungen der Verkehrspolitik auf Bundesebene - zum Beispiel die Forderung nach Barrierefreiheit, Klimaschutz, Energiewende, Elektromobilität und Baukultur - lösen Investitionsbedarf auf kommunaler Ebene aus. Diesen Anforderungen stehen keine entsprechenden Mittel gegenüber. • Nur der Bund ist in der Lage, neue Mittel für die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf Klaus J. Beckmann, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Berlin beckmann@difu.de Felix Huber, Univ. Prof. Dr.-Ing. Lehr- und Forschungsgebiet Umweltverträgliche Infrastrukturplanung und Stadtbauwesen, Fachzentrum Verkehr, Bergische Universität Wuppertal huber@uni-wuppertal.de LIterAtur Gemeinsamer Bericht des Arbeitskreises „Straßenbaupolitik“ und „Öfentlicher Personenverkehr“ der Vorsitzenden der GKVS zur Revision des Entlechtungsgesetzes (erstellt im Auftrag der VMK), Abschluss im Dezember 2010 Bericht der Daehre-Kommission: „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturinanzierung“, Dezember 2012; Download unter http: / / newsletter.dvv-hosting.net/ railbusiness/ Daehre_Kommission. pdf die Erhaltung, Erneuerung und Entwicklung der Infrastruktur zu akquirieren (z.B. Ausweitung der Lkw-Maut, Pkw- Maut, zusätzlicher Verkehrs-Cent auf Mineralöl usw.). • Die Gemeinden könnten verpflichtet werden, im Zusammenhang der doppischen Haushaltsführung im Abstand von fünf Jahren Infrastruktur-Zustandsberichte vorzulegen, um die notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen aus dem kommunalen Haushalt zu sichern. Kommunen sind die Quelle und das Ziel von Verkehr. Sie sichern die Teilnahme der Menschen und wirtschaftliche Austauschprozesse, das heißt Personen-, Wirtschafts- und Güterverkehr. Sie sind am raschesten und umfassendsten in der Lage, neue Anforderungen einer veränderten Verkehrspolitik baulich und organisatorisch umzusetzen. Ein den Planern und politischen Entscheidungsträgern bekanntes, bewährtes, aber inhaltlich völlig neu ausgerichtetes Gesetz zur Investitionsförderung im Bereich Infrastruktur könnte hier rasch eine neue Aufbruchsstimmung erzeugen. ■ 1 Im Straßenbau wurden zwischen 1950 und 1966 88 Mrd. DM investiert. Mit Ausnahme der Vereinigten Staaten waren 1967 in keinem anderen Land der Welt mehr Straßen gebaut worden. 2 1960: 4 Mio., 1966: 10,3 Mio., Prognose 1980: 20 Mio. Pkw 3 16.800 Menschen getötet und 423 000 Menschen verletzt POLITIK Mineralölsteuer Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 19 Ist eine Mineralölsteuererhöhung zur Budgetsanierung geeignet? Obwohl die Fahrleistung in Österreich 2011 deutlich gestiegen ist, sank der Mineralölabsatz im gleichen Zeitraum. Trotz erhöhung der Mineralölsteuer (MÖSt ) betragen die Mehreinnahmen nur etwa 100 Mio. eUR. eine genaue Analyse zeigt: Von jedem euro MÖSt kommen weniger als 30 Cent beim Staat an. ein Phänomen, das auch für andere europäische Länder gilt. D er sogenannte Tanktourismus ist eine Spezialform des Grenztourismus und beschreibt jenes Phänomen, dass Kraftfahrer in grenznahen Gebieten auf Grund steuerbedingter Preisunterschiede bei Kraftstofen im jeweils billigeren Nachbarland tanken. Obwohl es in der Tat im PKW- und vereinzelt auch im LKW-Bereich Fahrten über die Grenze zum Tanken gibt, erfolgt der Großteil des Tanktourismus bei Transitfahrten, wo im jeweils kostengünstigsten Land getankt wird. Die enormen Auswirkungen der Preisdiferenzen werden verdeutlicht, wenn man bedenkt, dass ein LKW-Tank in der Regel 1000 Liter fasst. Aus Bild 1 wird ersichtlich, dass es in Europa große Preisdiferenzen bei Kraftstofen gibt. Bedeutend ist der Tanktourismus insbesondere zwischen Deutschland und Österreich, Italien und Österreich, Deutschland und Polen sowie zwischen Luxemburg und Deutschland. In Europa ist insbesondere Deutschland vom Tanktourismus betrofen. Laut einem Gutachten des Mannheimer Instituts für angewandte Verkehrs- und Tourismusforschung wurden bereits verschiedene Szenarien für Steuersenkungen bei Benzin und Dieselkraftstof durchgespielt. Derzeit entgehen dem Staat durch den Tanktourismus jährlich etwa 4,2 Mrd. EUR Steuern. 1 In der Schweiz kommt es aufgrund des hohen Franken-Kurses seit Mitte 2011 zu deutlichen Einbrüchen des Tanktourismus, bisher wurden aber keine Maßnahmen im Bereich der Mineralölsteuer unternommen. 2 Die stark diferenzierenden Preise sowie aktuelle, themenspeziische Diskussionen zeigen, dass die Problematik auch auf europäischer Ebene interessant ist. analyse der MÖSt-erhöhung in-Österreich Im Rahmen von zwei Studien des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien wurden Auswirkungen der MÖST Erhöhung ex ante 2011 und ex post 2012 für Österreich kalkuliert. Wesentliche Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt. Die MÖSt-Erhöhung zum 1.1.2011 hat zu dem vorhergesagten relativ starken Rückgang des Tanktourismus geführt Im Zuge der Sanierung des Budgets wurde zum 1.1.2011 die MÖSt für Benzin um 4- ct und für Diesel um 5 ct erhöht. Die Regierung erhofte sich dadurch Steuermehreinnahmen in der Höhe von 417 Mio. EUR. Wie schon in der Studie Kummer/ Schramm (2010) gezeigt, 3 bedeutet jedoch nicht jede Erhöhung der Steuer automatisch auch höhere Einnahmen für den Staat. In der Tat wurde 2011 in Österreich trotz der - aufgrund der sehr guten Konjunktur gestiegenen Fahrleistung (Tabelle 1) weniger Treibstofe verkauft (Tabelle 2). Bei der Beurteilung der Daten muss man berücksichtigen, dass die neuen LKW mit höheren Euro-Schadstoklassen nicht weniger, sondern gegebenenfalls leicht mehr Diesel verbrauchen als die bisher weit verbreiteten Euro-3-LKW. Auch aus dem PKW-Bereich ist bekannt, dass die Einsparungen durch neue Motoren zu einem großen Teil durch den Einsatz schwerer Fahrzeuge mit einer besseren Ausstattung verloren gehen und der durchschnittliche Verbrauch pro Fahrzeug kaum sinkt. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die gesamte Diferenz zwischen den erhöhten Fahrzeugkilometern Die Autoren: Sebastian Kummer, Maria dieplinger, Sabine Lenzbauer Analyse der Mineralölsteuererhöhungen in Österreich im Jahre 2011 Steigerung 2010/ 2011 Treibstofabsatz in Österreich Jan. - aug. Diesel - 0,7 % Benzin - 2,7 % Tabelle 2: Mineralölabsatz in Österreich (Quelle: WKÖ) Steigerung 2010/ 2011 anzahl Kfz Zählstellen aSFINaG Jan. - aug. Jan. - Nov. Durchschnittliche Kfz > 3,5t hzG + 7,7 % + 7,9 % Durchschnittliche Kfz <= 3,5t hzG + 2,2 % + 2,4 % Tabelle 1: Die entwicklung der Fahrleistung in Österreich (Quelle: eigener Vergleich der Zählstellen der ASFINAG 1-11.2010 mit 1-11-2011) POLITIK Mineralölsteuer Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 20 Hochrechnung MÖSt-Mehreinnahmen 2011 in eur Geschätzte Mehreinnahme MÖSt (netto, also um die gestiegene Fahrleistung bereinigten efekt) 190 842 611 USt-Verlust wegen geringerer Treibstofmengen - 36 777 835 Geringere USt-einnahmen Reisebedarf - 10 200 000 Insolvenzen und Abbau Fahrzeuge - 500 000 Tankstelleninsolvenzen und -schließungen - 5 000 000 Kompensationszahlungen (erhöhung der Pendlerpauschale am 1.1.2011 um 10 %) - 30 000 000 um Mengenefekte und indirekte Wirkungen korrigierte Mehreinnahmen 108 364 776 Schätzung MÖSt-Studie Kummer 2010 109 990 000 Abweichung der MÖSt-Studie Kummer 2010 Schätzung von den korrigierten MÖSt-Einnahmen 2011 - 1 625 224 Tabelle 3: Berechnung der um Mengenefekte und indirekte Wirkungen korrigierten Mehreinnahmen der MÖSt-erhöhung zum 1.1.2011 dieselpreis in € pro 1.000 Liter diferenz in € pro 1.000 Liter dieselpreis in € pro 1.000 Liter diferenz in € pro 1.000 Liter 2011 2011 2012 2012 austria 1.378,00 1.438,00 Slowakei 1.387,00 9,00 1.387,00 - 51,00 Slowenien 1.269,00 - 109,00 1.269,00 - 169,00 Ungarn 1.414,00 36,00 1.414,00 - 24,00 Deutschland 1.410,00 32,00 1.410,00 - 28,00 Italien 1.529,00 151,00 1.529,00 91,00 Tschechien 1.383,00 5,00 1.383,00 - 55,00 Tabelle 4: Vergleich Dieselpreise und Dieselpreisdiferenzen der eU-Nachbarländer 6 Benzinpreis in € pro 1.000 Liter diferenz in € pro 1.000 Liter Benzinpreis in € pro 1.000 Liter diferenz in € pro 1.000 Liter 2011 2011 2012 2012 austria 1.353,00 1.413,00 Slowakei 1.456,00 103,00 1.456,00 43,00 Slowenien 1.320,00 - 33,00 1.320,00 - 93,00 Ungarn 1.328,00 - 25,00 1.328,00 - 85,00 Deutschland 1.509,00 156,00 1.509,00 96,00 Italien 1.575,00 222,00 1.575,00 162,00 Tschechien 1.394,00 41,00 1.394,00 - 19,00 Tabelle 5: Vergleich Benzinpreise und Benzinpreisdiferenzen der eU-Nachbarländer 7 • (vorsichtig geschätzte) weitere negative indirekte Efekte korrigiert (Tabelle 3). Aufgrund des Rückgangs der Steuereinnahmen von Ausländern (Tanktouristen) zahlt bei der MÖSt-Erhöhung der österreichische Steuerzahler für jeden EUR Staatseinnahmen mehr als das Dreifache. Die MÖSt ist für die österreichischen Steuerzahler die teuerste Steuererhöhung. Aufgrund des starken Rückgangs der Mineralöl- und USt-Steuerzahlungen der Ausländer (Tanktouristen), müssen die Österreicher für 108 Mio. EUR Mehreinnahmen ca. 352 Mio. EUR mehr MÖSt bezahlen. 5 Von jedem Euro MÖSt kommen also nur etwa 30 Cent beim Staat an. Eine erneute MÖSt-Erhöhung um 5 ct wird nahezu zu einem völligen Erliegen des Tanktourismus führen und österreichische Fahrzeuge werden verstärkt im Ausland betankt Trotz MÖSt-Erhöhung am 1.1.2011 hat Österreich die niedrigsten Dieselpreise der benachbarten EU-Länder. Lediglich in Slowenien liegt der Dieselpreis mit 1,269 EUR je Liter knapp 11 ct unter dem österreichischen Niveau. Jedoch verfügen auch Tschechien mit einem um 0,5 ct pro Liter und die Slowakei mit einem um 0,9 ct pro Liter höheren Dieselpreis über ein annähernd gleiches Niveau. Bei einer Erhöhung der MÖSt um 5 ct (6 ct inklusiv USt) hätte nur noch Italien höhere Dieselpreise (Tabelle 4). Im Gegensatz zu 2010 hat Österreich im Vergleich mit den umliegenden Ländern 2011 nicht mehr die niedrigsten Benzinpreise (Tabelle 5). Eine erneute Erhöhung der MÖSt würde dazu führen, dass auch in Tschechien das Benzin günstiger wäre. Es käme dann mit Slowenien, Tschechien und Ungarn zu einem umgekehrten Benzin- Tanktourismus. Analyse der Wirkungen einer MÖSt-Erhöhung Direkte und indirekte Auswirkungen Eine Erhöhung der MÖSt hat vielfältige Auswirkungen. Im Folgenden soll zwischen direkten und indirekten Auswirkungen unterschieden werden. Unter direkten Auswirkungen werden jene Folgen einer MÖSt- Erhöhung subsummiert, die unmittelbar zu Preis- oder Mengenänderungen führen. Indirekte Auswirkungen sind Konsequenzen, die nicht direkt, sondern nur als Folge der direkten Auswirkungen entstehen. Eine Erhöhung der MÖSt wirkt sich auf die Nachfrage nach Mineralöl in Österreich wie folgt aus: • Die Nachfrage nach Treibstofen durch Inländer (Rückgang der Binnennachfra- und dem gesunkenen Treibstofabsatz auf einen Rückgang des Tanktourismus zurückzuführen ist. Auch der Umsatzrückgang von Tankstellen in Grenznähe zeigt, dass die MÖSt-Anhebung zu einem Rückgang des Tanktourismus geführt hat. Die Mehreinnahmen liegen - berücksichtigt man die aufgrund der guten Konjunktur stark gestiegenen Fahrzeugkilometer - deutlich unter den Erwartungen. Um die Wirkung der MÖSt-Erhöhung zum 1.1.2011 zu modellieren, wurden auf Basis des Dieselabsatzes und der Fahrleistungen von 1.1.-31.8.2011 die MÖSt-Einnahmen 4 hochgerechnet und um • die aufgrund der guten Konjunktur stark gestiegenen Fahrzeugkilometer, • Umsatzsteuer(USt)-Verluste privater Tanktouristen und ausländischer LKW, die keine USt-Rückvergütung beantragen, sowie Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 21 ge) geht zurück. Dies geschieht einerseits kurzfristig durch weniger Fahrten, langfristig durch Anschafung kraftstofsparender Neufahrzeuge oder auch teilweise durch Umstieg auf mit Erdgas betriebene Fahrzeuge. 8 • Der grenznahe PKW-Tanktourismus nimmt ab bzw. kann sich sogar umkehren, indem die Menschen in grenznahen Gebieten nach der MÖSt-Erhöhung im Ausland zu niedrigeren Treibstofpreisen tanken. • Das Tankverhalten österreichischer LKW ändert sich, denn es ist anzunehmen, dass österreichische Frächter auch für Auslandsfahrten Diesel in Österreich tanken, solange sich hieraus ein Preisvorteil ergibt. • Das Tankverhalten ausländischer LKW ändert sich, da sie während des Transits in Österreich tanken bzw. sogar aufgrund der Mautkosten und der niedrigen Dieselpreise Umwege über Österreich in Kauf nehmen (insbesondere Brenner vs. Schweizer Alpentransit) und in Österreich tanken. 9 Eine MÖSt-Erhöhung hat aber auch zahlreiche indirekte negative Auswirkungen auf die Staatseinnahmen: • In dem Maße in dem PKW-Nutzer (insbesondere Pendler) trotz der höheren Treibstofpreise Mehrausgaben für Treibstof haben, steht ihnen weniger Budget für andere Ausgaben zur Verfügung. Entsprechend fallen andere Ausgaben weg. Der Staat verliert in diesem Fall die USt sowie ggf. andere Steuern aufgrund der geringeren Ausgaben der PKW-Nutzer. • Tanken ausländische PKW oder LKW weniger oder gar nicht mehr in Österreich, verlieren die Tankstellen nicht nur Einnahmen aus dem Verkauf von Treibstofen, sondern auch aus dem für sie in den vergangenen Jahren sehr bedeutsam gewordenen sonstigen Verkäufen (insbesondere Reisebedarf ). Hiervon sind vor allem Tankstellen in grenznahen strukturschwachen Gebieten betrofen, aber eben auch Tankstellen, entlang der Transitrouten. Aufgrund der vielen Grenzgebiete und Transitrouten in Österreich sind große Teile des österreichischen Tankstellennetzes betrofen. • Mineralölsteuererhöhung führt bei den österreichischen Straßengütertransportunternehmen außerdem zu einer Kostensteigerung, die, da diese nicht so einfach 1: 1 an die Kunden weitergegeben werden kann und da die wirtschaftliche Lage vieler Betriebe immer noch angespannt ist, durchaus bedrohlich ist. 10 • Die MÖSt-Erhöhung wird - je nachdem wie groß diese ausfällt - zu Insolvenzen bzw. Schließungen von Tankstellen führen. Dadurch entstehen dem Staat Mindereinahmen und volkswirtschaftliche Kosten. • Die MÖSt-Erhöhung wirkt direkt (Kraftstofpreis) und indirekt (Erhöhung der Produktpreise aufgrund höherer Transportkosten) preissteigernd. • Gegebenenfalls muss der Staat - aus politischen und ggf. sozialen Gründen - Kompensationszahlungen für Pendler oder andere stark betrofene Gruppen leisten. Dies wiederum geht direkt zu Lasten möglicher Mehreinnahmen durch die MÖSt-Erhöhung. Verminderung der einnahmen bei einer MÖSt-erhöhung um 5 ct Mio. eur direkte auswirkungen Verminderte MÖSt-einnahmen aufgrund des Rückgangs der Binnennachfrage - 82,86 Verminderte USt-einnahmen aufgrund des Rückgangs der Binnennachfrage - 11,20 Verminderte MÖSt-einnahmen aufgrund des Rückgangs des Tanktourismus - 525,11 Verminderte USt-einnahmen aufgrund des Rückgangs des Tanktourismus (nur PKW) - 80,70 Verminderte MÖSt-einnahmen aufgrund der Umkehrung des Tanktourismus (vor allem Slowakei) - 104,50 Verminderte USt-einnahmen aufgrund des Umkehrung des Tanktourismus (vor allem Slowakei) - 14,45 Summe der einnahmenrückgänge - 818,82 Indirekte auswirkungen Geringere USt-einnahmen aufgrund geringerer Käufe der Tanktouristen von Reisebedarfen und sonstigen Gütern an Tankstellen und einzelhandel (vorsichtige Schätzung) - 26,26 Volkswirtschaftliche Kosten einer MÖSt-erhöhung aufgrund von Insolvenzen und Abbau von Fahrzeugen sowie Arbeitsplätzen im gewerblichen Straßengüterverkehr (vorsichtige Schätzung) - 4,82 Volkswirtschaftliche Kosten einer MÖSt-erhöhung aufgrund von Tankstelleninsolvenzen und -schließungen (vorsichtige Schätzung) - 9,63 Summe der indirekten auswirkungen - 40,70 Summe der einnahmenrückgänge durch direkte und indirekte auswirkungen - 859,53 Tabelle 6: Verminderung der MÖSt- und USt-einnahmen nach einer MÖSt-erhöhung um 5 ct Bild 1: Diesel- und Benzinpreise in europa; Dieselpreise oben, Benzinpreise unten. Vgl. BMWFJ (2013), http: / / www.bmwfj.gv.at POLITIK Mineralölsteuer Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 22 LIterAtur BAG (2009), Marktbeobachtung Güterverkehr: Tankverhalten deutscher Transportunternehmen 2008/ 2009, Bundesamt für Güterverkehr, Köln BMWFJ (2011a), Treibstofpreismonitor - Bruttopreise Dieselkraftstof, in: http: / / www.bmwfj.gv.at/ EnergieUndBergbau/ Energiepreise/ Seiten/ MonitorTreibstof.aspx? Report=3, (abgerufen am 9.12.2011) BMWFJ (2011b), Treibstofpreismonitor - Bruttopreise Eurosuper 95, in: http: / / www.bmwfj.gv.at/ EnergieUndBergbau/ Energiepreise/ Seiten/ MonitorTreibstof.aspx? Report=5, (abgerufen am 9.12.2011) BMWFJ (2013), Treibstofpreismonitor - Bruttopreise Dieselkraftstof, in: http: / / www.bmwfj.gv.at/ EnergieUndBergbau/ Energiepreise/ Seiten/ MonitorTreibstof.aspx? Report=3, (abgerufen am 14.01.2013) BRONS, M., NIJKAMP, P. PELS, E., RIEVELD, P. (2008), A meta-analysis of the price elasticity of gasoline. A SUR approach, Energy Economics Vol.30, S. 2105-2122 Energieverwertungsagentur (1997), Der Tanktourismus und seine Wirkungen auf den österreischen Treibstofmarkt, Forschungsarbeiten aus dem Verkehrswesen Band 77, Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr, Wien GUGGENBÜHL, H. (2011), Euroschwäche: Tanktouristen werden seltener, in: http: / / www.bernerzeitung.ch/ schweiz/ standard/ Euroschwaeche-Tanktouristen-werden-seltener/ story/ 18746310, (abgerufen am 14.01.2013) IFRAS/ CEPE (2010), Tanktourismus, Bundesamt für Energie BFE, Bern KUMMER, S. UND SCHRAMM , H.-J.: Kurzstudie; Analyse der inanziellen Auswirkungen einer Mineralölsteuererhöhung im Zuge der Budgetsanierung 2010, Wien 2010 PUWEIN, W. (1996), Das Problem des Tanktourismus, in Wifo Monatsberichte 11/ 96, S. 719-727 RIS (2011), Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Mineralölsteuergesetz 1995, Fassung vom 9.12.2011, in: http: / / www.ris.bka.gv.at/ GeltendeFassung.wxe? Abfrage=B undesnormen&Gesetzesnummer=10004908 (abgerufen am 9.12.2011) Stern.de (2008), Autobahnvignette soll Spritpreise senken, in: http: / / www.stern.de/ auto/ service/ studie-autobahnvignette-soll-spritpreise-senken-626798.html, (abgerufen am 14.01.2013) WKO (2009), Die österreichische Verkehrswirtschaft Daten und Fakten - Jahresbericht 2009, WKO, Bundessparte Transport und Verkehr, Wien WKO (2011), Key Facts zum Mineralölmarkt in Österreich, Fachverband der Mineralölindustrie, Juli 2011 Finanzielle Auswirkungen einer MÖSt-Erhöhung um 5 ct Wie oben dargestellt, würde eine MÖSt-Erhöhung um 5 ct zu einem starken Rückgang und an vielen Grenzen zu einem umgekehrten Tanktourismus führen. Durch direkte und indirekte Auswirkungen würden erhebliche Schäden für den österreichischen Staat entstehen (Tabelle 6). Bei den zusätzlichen Einnahmen einer MÖSt- Erhöhung für Benzin und Diesel gehen wir davon aus, dass im Jahre 2012 ohne MÖSt- Erhöhung 9 632,1 Mio. Liter verkauft würden. Wird die MÖSt um 5 ct/ l Diesel und Benzin erhöht, so ergeben sich MÖSt-Mehreinnahmen in Höhe von 481,6 Mio. EUR. Berücksichtigt man die MwSt auf diesen Betrag, sind Einnahmen von 517,1 Mio. EUR möglich 11 Diesen theoretisch möglichen Mehreinnahmen stehen Einnahmenverluste in Höhe von 859,53 Mio. EUR gegenüber, so dass der Nettoefekt mit 342,42 Mio. EUR deutlich negativ ist. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Mehreinnahmen vor allem durch Österreicher und österreichische Unternehmen gezahlt werden, der Wegfall der Einnahmen dagegen vor allem auf den Rückgang des Tanktourismus zurückzuführen ist. Handlungsempfehlungen Die MÖSt-Erhöhung hat zu einem erheblichen Rückgang der Steuerzahlungen von ausländischen LKW- und PKW-Fahrern geführt. Die Österreicher mussten für jeden Euro Steuereinnahmen fast 3,5 EUR bezahlen. Eine nochmalige Anhebung der MÖSt um 5 ct würde aufgrund des Wegfalls der Steuerzahlungen der ausländischen Fahrer bei einer Mehrbelastung der Österreicherinnen und Österreicher zu einem Steuerrückgang führen und sollte unbedingt unterlassen werden. Auf EU-Ebene wäre aus verkehrswirtschaftlicher Sicht eine Minimierung der Preisdifferenzen insbesondere durch eine Harmonisierung der MÖST empfehlenswert. ■ 1 Vgl. stern.de (2008), http: / / www.stern.de/ auto/ service/ studie-autobahnvignette-soll-spritpreise-senken-626798. html 2 Vgl. GUGGENBÜHL (2011), http: / / www.bernerzeitung.ch/ schweiz/ standard/ Euroschwaeche-Tanktouristen-werdenseltener/ story/ 18746310 3 KUMMER, S. und SCHRAMM, H.-J.: Kurzstudie Analyse der inanziellen Auswirkungen einer Mine-ralölsteuererhöhung im Zuge der Budgetsanierung 2010, Wien 2010 4 Die Berechnung unterschätzt die tatsächlichen Einnahmen ein wenig, da die Fahrleistung im zwei-ten Halbjahr aufgrund des Weihnachtsgeschäfts im LKW-Bereich ohnehin stärker ist. Außerdem zeigen die Daten für die Fahrzeugkilometer einen weiterhin steigenden Anstieg der Fahrzeugkilo-meter. 5 Österreichische PKW und LKW mussten für die Fahrleistung aus 2010 EUR 352.276.839 mehr bezahlen. Dieser Betrag reduziert sich nur wenig durch die Entlastungen, vor allem die Pendlerpau-schale, und beträgt netto ca. EUR 320 Mio. 6 Vgl. BMWFJ (2011a), http: / / www.bmwfj.gv.at/ 7 Vgl. BMWFJ (2011a), http: / / www.bmwfj.gv.at/ 8 siehe u.a. BRONS et al. (2008), sie kommen über eine Metaanalyse von Studien aus einer Vielzahl von Ländern Sebastian Kummer, Univ. Prof. Dr. Institutsleiter Transportwirtschaft & Logistik, Wirtschaftsuniversität Wien sebastian.kummer@wu.ac.at Maria dieplinger, Mag. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Transportwirtschaft & Logistik, Wirtschaftsuniversität Wien maria.dieplinger@wu.ac.at Sabine Lenzbauer, Mag. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Transportwirtschaft & Logistik, Wirtschaftsuniversität Wien sabine.lenzbauer@wu.ac.at zum Schluss, dass die kurzfristige Preiselastizität der Binnennachfrage -0,34 ist, die langfristige hingegen -0,84. Entsprechend würde eine Preiserhöhung von 1% kurzfristig -0,34% Nachfragerückgang bedeuten und langfristig -0,84%. Da die Beurteilung der MÖSt-Erhöhung nicht unter einer kurzfristigen Perspektive erfolgen soll, auf der anderen Seite aber sich die Bedingungen mittelfristig wieder ändern können wurde bei der Berechnung Mittelwert von -0,59% angesetzt. 9 siehe hierzu insbesondere BAG (2009), S.9f. 10 Unternehmen der Österreichischen Verkehrswirtschaft wiesen 2007/ 08 Gewinn aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit von 1,08% aus - Vorperiode war auch nur 1,71% siehe Foto: © Petra Bork/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 23 Druckbetankung für die EU V om Teufelskreis war die Rede und von der Henne und dem Ei: Die EU- Experten gaben sich volkstümlich, um zu erläutern, warum die Brüsseler Behörde den Mitgliedstaaten in einem Gesetzentwurf verbindliche Vorgaben machen will für eine Mindestversorgung mit Ladestationen und Tankstellen, die umweltfreundliche Kraftstofe vorhalten. Den Fachleuten zufolge sind es vor allem drei Hindernisse, die „grünen“ Treibstofen im Weg stehen. Zum ersten die hohen Kosten der Fahrzeuge, die etwas anderes schlucken als Benzin oder Diesel. Zum zweiten die damit zusammenhängende Unlust der Käufer, sich solche Autos anzuschafen. Wer es trotzdem tut, steht - zum dritten - vor dem Problem, dass die Zahl der Zapfstellen für „Alternative“ gering ist - und der Weg dahin meistens weit. Also: Tankstellen werden nicht gebaut, weil es nicht genügend Fahrzeuge gibt. Die werden nicht zu konkurrenzfähigen Preisen verkauft, weil die Nachfrage nicht groß genug ist. Und die ist zu gering, weil die Fahrzeuge zu teuer sind und keine Tankstellen vorhanden. Diesen Teufelskreis muss die EU durchbrechen, wenn sie die Abhängigkeit der Unionsstaaten vom Öl tatsächlich mindern und die klimaschädlichen CO 2 -Emissionen zwischen dem Schwarzen Meer und dem Atlantik bis 2050 wirklich um 60 Prozent gegenüber 1990 senken will. Beide Ziele sind festgehalten im „Weißbuch zum Verkehr“, der Bibel für die EU-Transportpolitik aus dem Jahr 2011. Sie lassen sich nur mit einem großen Anteil umweltfreundlicher Kraftstofe durchsetzen. City-Logistik will Brüssel deshalb von 2030 an CO 2 -frei haben. Im selben Jahr soll in den Städten die Zahl der konventionell angetriebenen Fahrzeuge halbiert sein, 20 Jahre später soll es sie dort gar nicht mehr geben. Der Kohlendioxid-Ausstoß von Schifen soll bis 2050 um 40 % reduziert werden. Flugzeuge sollen dann nur noch mit Treibstof liegen, dessen CO 2 -Anteil ebenfalls 40 % unter dem aktuellen Wert liegt. Der Brüsseler Schlag gegen den Teufelskreis, die neue Strategie für umweltfreundliche Kraftstofe, setzt bei der Infrastruktur an. Das ist ein Novum, denn bislang konzentrierten sich EU-Bemühungen, einen größeren Anteil von nicht fossilen Kraftstofen durchzusetzen, zumeist auf die Antriebsmittel und die Fahrzeuge. Der Vertrieb blieb weitgehend unberücksichtigt. Werner Balsen eU-Korrespondent der DVV Media Group B e R I C H T A U S B R Ü S S e L VON WeRNeR BALSeN Die EU-Kommission fordert nun überall in Europa ausreichend Zapfstellen und Ladestationen, die überdies gemeinsame technische Standards erfüllen und somit Interoperabilität gewährleisten. Bis 2020 schreibt die EU jedem Mitgliedstaat genau vor, wie viele Steckdosen für stromgetriebene Fahrzeuge er vorhalten muss, wie viele Tankstellen für lüssiges Erdgas (LNG), das Lkw aber auch Binnen- und Seeschiffe verwenden, und wie viele für komprimiertes Erdgas (CNG). Und dass ab 2015 für die Elektro- Ladestationen nur noch ein einziger Stecker gilt: Der in Deutschland und 25 anderen EU-Staaten bereits verwendete „Typ 2“ wird zur EU-Norm. Auch Frankreich wird ihn akzeptieren müssen. Die jedem Land vorgeschriebene Zahl der Ladestationen richtet sich nach den nationalen Plänen für die voraussichtliche Zahl von Elektro-Pkw und -Lieferwagen im Jahr 2020. Da in Deutschland bis dahin eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs sein sollen, schreibt die Kommission 150 000 Ladestationen zwischen Flensburg und Füssen vor. Derzeit zählt Brüssel exakt 1937 Stromtankstellen. Enormer Nachholbedarf besteht auch bei den LNG-Tankstellen für Lkw - derzeit gibt es derer nur 38 in der EU. Brüssel schlägt deshalb vor, bis 2020 auf den Kernrouten des transeuropäischen Verkehrsnetzes alle 400 Kilometer eine solche Zapfstelle einzurichten. LNG ist auch für Schiffahrt eine attraktive Alternative, um ab 2015 die Schwefel-Ausstoßziele in Ost-, Nordsee und dem Ärmelkanal zu erfüllen. Deshalb pocht die Kommission auf Tankmöglichkeiten in allen 139 See- und Binnenhäfen im transeuropäischen Kernnetz. Die Aufgabe können auch Feederschife übernehmen. In den Seehäfen müssen die Aufüll-Kapazitäten bis 2020, in Binnen-Ports bis 2025 vorhanden sein. All das ist nicht billig zu haben. Für die Elektroauladepunkte rechnet die Kommission mit Investitionskosten von 8 Mrd. EUR. Die LNG-Tankstellen im Straßennetz werden voraussichtlich 58 Mio. EUR kosten, die Installationen in den Häfen 2,1 Mrd. EUR. Hohe Summen, ohne Zweifel. Dennoch muss man sie ins Verhältnis setzen zu den Kosten der enormen Abhängigkeit des europäischen Transportsektors vom Erdöl. Für den Import des „schwarzen Goldes“ entstand 2011 in der EU ein Aufwand von rund 1 Mrd. EUR - täglich. ■ Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 24 LOGISTIK Lehre Moderne Logistik lehren Vor dem Hintergrund des Bedeutungswandels von einer betriebswirtschaftlich-technischen Hilfsfunktion hin zu einer wettbewerbsrelevanten Managementfunktion erlebte der Begrif Logistik vor über 40 Jahren mit der Umwidmung des Mannheimer Lehrstuhls „Verkehrsbetriebslehre“ des jungen Prof. Ihde zu „Logistik“ auch eine akademische Aufwertung. In einer heutigen ex-post-Betrachtung ist es beachtenswert, mit welcher Weitsicht Ihde schon früh die entwicklung der Güteraustauschbeziehungen und die Veränderung der Wertschöpfungsketten als Folge der Arbeitsteilung in Verbindung mit der globalen Spezialisierung voraussah. D er Grundsatz, dass das Management unternehmensinterner Logistik (Mikrologistik) immer auch gleichzeitig Kenntnisse über die Verkehrsinfrastruktur im Allgemeinen und die Verkehrsträger im Speziellen (Makrologistik) erfordert, prägte das akademische Curriculum der Lehre Gösta B. Ihdes. Von der Verkehrsbetriebslehre zur Logistik So hat Ihde das Traditionsfach Verkehrsbetriebslehre in Forschung und Lehre konsequent in Richtung Logistik weiterentwickelt, gleichwohl den Verkehr nie aus den Augen verloren. Denn logistische Prozesse sind im Kern immer TUL- (Transport-, Umschlags- und Lager-) Prozesse. Statt sich der noch in den 1970er Jahren vertretenen Thesen von den „Besonderheiten des Ver- Die Autoren: Borislav Bjelicic, Christian Femerling, Michael Schröder Foto: © Stefanie eichler Relexionen zum 75. Geburtstag von Gösta B. Ihde Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 25 kehrs“ anzuschließen, hat er sich früh für eine Liberalisierung und Deregulierung der Verkehrsmärkte eingesetzt, weil er in einem Mehr an Wettbewerb großes Potenzial für Produktivitätsfortschritte und damit verbundene Transportkostensenkungen gesehen hat. Für ihn stand fest: Staatliche Eingrife bewirken „Gleichgewichtsstörungen der logistischen Systeme“ (Ihde 1972, S. 52) und „regulierte Märkte sind deformierte Märkte“ (Ihde 1989, S. 71). In der verursachungsgemäßen Anlastung von Wegekosten und in den durch den Verkehr verursachten sozialen Kosten sah er eine weitere Notwendigkeit zur Schafung eines funktionsfähigen Wettbewerbs auf Basis marktgerechter Entgelte (Ihde 1984c, S. 155). Verkehrsinfrastruktur und internationale Wettbewerbsfähigkeit Neben Innovationen der Fahrzeugtechnik (Verbrauchsreduzierung, alternative Antriebsstofe usw.) steht die Optimierung von TUL-Prozessen dem rohölpreisbedingten Anstieg der Transportkosten entgegen. Ansätze solcher Optimierung durch Koordination von Abläufen innerhalb von Transportketten, durch Kooperationen von Logistikbetrieben (Ihde 1978, 72f.) sowie durch Bündelung von Transportströmen inden sich in Ihdes Gesamtwerk in zahlreichen Überlegungen. In der „Entwicklung der Informatik zu einer entscheidenden Difusionsvariablen für die Konzipierung und praktische Anwendung von logistischen Entscheidungssystemen“ (Ihde 1987, S. 708) sah Ihde weitere Potenziale für die Beschleunigung physischer TUL-Prozesse. Gedanken zur Gestaltung der mit ihnen verbundenen Informationsprozesse, vor allem die Möglichkeit, diese den physischen Prozessen vorauseilen zu lassen, haben in seinen Publikationen Niederschlag gefunden. Ein weiteres Anliegen war ihm, auf die „elementare Bedeutung der Ausstattung einer Volkswirtschaft mit Verkehrsinfrastruktur für ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit“ hinzuweisen (Ihde 1984c, S. 158). Schlechte Verkehrsinfrastruktur führt zu längeren Transportzeiten und zu einer geringeren Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit von Transporten. Die daraus resultierenden Unsicherheiten haben eine Erhöhung von Beständen und einen höheren Planungs- und Kostenaufwand zur Folge (Ihde 1984c, S. 84f.). Gerade diese Zusammenhänge haben bis heute ihre Gültigkeit behalten. unternehmensübergreifende Wertschöpfungsstrategien Die ab den 1980er-Jahren tatsächlich erfolgte bzw. an Fahrt gewinnende Liberalisierung und Deregulierung der Verkehrsmärkte weltweit löste große Produktivitätsfortschritte im Verkehr aus. Die daraus resultierenden Transportkostensenkungen waren ein wichtiger Treiber der zunehmenden weltweiten Arbeitsteilung im Zuge der Globalisierung und begünstigten die standortteilige Produktion und den Abbau der Fertigungstiefe (Ihde 1988, S. 18f.). Der Aubau weltumspannender Netzwerke von Lieferverbundbeziehungen ermöglichte - vor dem Hintergrund moderater Rohölpreise - „die umfassende Nutzung von Standort- und Spezialisierungsvorteilen“ (Ihde 1988, S. 19). Als wesentliche Einlussgröße des Vorteils alternativer Wertschöpfungstiefen wird immer wieder der Zusammenhang zwischen Größenefekten der Produktion (Economies of Scale), Transaktionssowie Transportkosten genannt (Ihde 1988, S. 15). So weist Ihde schon früh auf die Entwicklung abnehmender Bedeutung von Größeneffekten hin, „im Grenzfall dahin, daß jedes Produkt sein eigenes Los darstellt. Als Folge davon verlieren große Aulegungszahlen standardisierter Produkte ihren strategischen Vorteil“ (Ihde 1986, S. 8), eine Tatsache, die insbesondere im deutschen Fahrzeugbau heute Realität ist: Größenvorteile standardisierter Massenfertigung werden durch den größeren fertigungstechnischen Handlungsspielraum lexibler Fertigungseinrichtungen ersetzt (Ihde 1984c, S. 197). Flexible Fertigungssysteme (Prozesslexibilität) sind bei anhaltender Marktunsicherheit der Vorhaltung von (Sicherheits-) Beständen (Bestandslexibilität) überlegen, insbesondere da es sich bei Beständen um endgültige, „in der Regel irreversible Ressourcenwidmung“ (Ihde 1991, S. 194) handelt. Das heute übliche Ersetzen von Beständen durch Informationen durch „erhellte und verhandelte Umwelt“ (Ihde 1984b, S. 5f.) war von Beginn an Teil seines Logistikverständnisses. Bei gegebenen Transaktionssowie Transportkosten führt nun die Verringerung der Wertschöpfungstiefe ceteris paribus zu einer Erhöhung der mittleren gewogenen Beschafungsweiten (Ihde 1988, S. 18f.), was bis heute in einem ständig zunehmenden Anteil weltweiter Beschafungsvolumen (Global Sourcing) deutlich wird. Die Auslagerung von Wertschöpfungsumfängen durch Fremdbezug war und ist allerdings erst durch die Entwicklung leistungsfähiger Logistiksysteme möglich, die auf eine Optimierung des zwischenbetrieblichen Material- und Informationslusses ausgerichtet sind (Ihde 1988, S. 20). Dies trift mehr denn je in Form noch einmal gestiegener Anforderungen zeitgenauer Anlieferungen mit höchster Zuverlässigkeit zu. Mit der Zunahme der (weltweiten) Arbeitsteiligkeit ging gleichzeitig eine radikale Veränderung von Raumstrukturen und Standortkonzepten einher (Ihde 1984a, S. 84f.). Die beschriebene Deregulierung im Verkehr im Allgemeinen und die Reduzierung von Transportkosten im Speziellen, der „Death of Distance“, förderten den Aubau der heute etablierten weltweiten Produktionsverbundsysteme. einzelwirtschaftliche Handhabung durch mikrologistische Systeme War die Logistik in der Vergangenheit eine organisatorisch explizit (noch) zu etablierende Funktion, so ist sie unterdessen nachhaltiger Bestandteil in der Gestaltung von Wertschöpfungsnetzen (Ihde 2001, S. 349). Sie wird sowohl von den Funktionen Produktion, Beschafung, Finanzen und Marketing nicht mehr nur akzeptiert, t 1 t 2 t 3 t 4 t 5 t 6 0 Zeit (t) d 1 Bestimmungsort/ Lieferzeit Entfernung (d) Gate a c b Bild 1: Alternative Raum/ Zeit-Strukturen logistischer Prozesse. (Aus Ihde 1972, S. 39) LOGISTIK Lehre Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 26 sondern als zentrales Instrument für die Gestaltung und Realisierung von erfolgreichen Geschäftsmodellen gesehen. Konkret: Mikrologistische Funktionen (Ihde 1999) werden zunehmend durch die Betrachtung übergreifender Unternehmensnetze (Supply Chains) abgelöst. Neben Lieferanten-Abnehmersowie Hersteller-Handels-Beziehungen sind Dienstleistungs- und dabei vor allem Logistikdienstleistungs-Unternehmen mit einem sich ständig ausweitenden Leistungsangebot miteinzubeziehen. Diese Entwicklung geht über das Management der Transferfunktionen hinaus und schließt alle güterwirtschaftlichen Leistungsprozesse der für die Steuerung immer wichtiger werdenden güterstrombezogenen Informationen mit ein (Ihde 2001, S. 21). Diese Fließsystemperspektive (Flow Management) sah Ihde im Übrigen von Anbeginn als ein charakterisierendes Merkmal der Logistik (Ihde 1972, S. 55f.; Ihde 2001, S. 50) und wurde nicht zuletzt unter anderem durch das Konzept des logistischen Grund- und Elementarprozesses verdeutlicht, den Ihde in die deutschsprachige Literatur einführte. Mit dieser Darstellung können die Beziehungen zwischen einem Entnahmesystem (Kunde) und einem Bereitstellungssysteme (Lieferant) als zwei Stufen in einem arbeitsteiligen Prozess und damit die physischen und informatorischen Vorgänge in den mikrologistischen Funktionen veranschaulicht werden. Kooperation in Supply Chains Logistikketten - und mehr noch: komplexe Wertschöpfungsnetze - bestehen damit heute aus einer Vielzahl an Akteuren, was eine durchgehende Steuerung notwendig macht. In den meisten Fällen übernimmt dabei ein Unternehmen die Systemführer- LIterAtur IHDE, GÖSTA B. (1972): Logistik, Stuttgart 1972 IHDE, GÖSTA B. (1974): Physische Distribution, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft (Hrsg. B. TIETZ), Stuttgart 1974, Sp. 1617-1627 IHDE, GÖSTA B. (1978): Distributionslogistik, Stuttgart, New York 1978 Bild 2: Die „Gatekeeper“-Funktion. (Aus Ihde 1972, S. 54) schaft und verfügt damit über die maximale (logistische) Kontrollspanne. Dieser, erstmals von Ihde in die deutschsprachige Literatur eingeführte Begrif (Ihde 1972, S. 55f.; Ihde 1978, S. 76f.) wird später zur System- und Logistikführerschaft weiterentwickelt und beschreibt nach wie vor zutrefend die Verteilung des Führungsanspruchs und die Zuständigkeiten in Wertschöpfungsketten. Idealerweise ergänzen sich die Kompetenzen der Akteure in der Supply Chain und führen insgesamt zu Produktivitäts-, Erlös- und Gewinnverbesserungen. Dafür ist zum einen die Aufteilung der gemeinsam in einer Wertschöpfungskette erwirtschafteten Kooperationsgewinne (Kooperationsrente, Koalitionsgewinn) (Ihde 1974, S. 1626; Ihde 1996, Sp. 1094) festzulegen, zum anderen opportunistisches Verhalten nach Ofenlegung und dem Austausch von Informationen (Umsatzzahlen, Kostendaten, Gewinnspannen) zu verhindern. Eine weitere Forderung von Ihde, den traditionellen Ansatz der Produktionsplanung durch eine „logistische Steuerstrecke“ abzulösen und damit die Bereiche Beschafung und Absatz miteinzubeziehen (Ihde 1987, S. 9), greift sehr früh die funktionsübergreifende Betrachtung des Supply Chain Managements auf, die sich später in der Ablösung des Pushdurch das Pull-Prinzip konkretisiert. ■ Borislav Bjelicic, Prof. Dr. Senior Vice President, Group Corporate Communications DVB Bank Se, Frankfurt Honorarprofessor, Universität Mannheim borislav.bjelicic@dvbbank.com Christian Femerling, Dr. Geschäftsführer Investa Holding GmbH, eschborn, Lehrbeauftragter School of Logistics, Hochschule Neuss für internationale Wirtschaft Regionalgruppensprecher Rhein, Bundesvereinigung Logistik (BVL) christian.femerling@e-shelter.de Michael Schröder, Prof. Dr. Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim Logistik-Netzwerk Baden-Württemberg (LogBW), Leiter Geschäftsstelle Mannheim Regionalgruppensprecher Rhein/ Neckar, Bundesvereinigung Logistik (BVL) michael.schroeder@ dhbw-mannheim.de IHDE, GÖSTA B. (1984a): Standortdynamik als strategische Antwort auf wirtschaftliche Strukturveränderungen, in: GAUGLER, E./ JACOBS, O./ KIESER, A. (Hrsg.): Strategische Unternehmensführung und Rechnungslegung, Stuttgart 1984, S. 83-96 IHDE, GÖSTA B. (1984b): Bestandsmanagement, in: BAUMGAR- TEN, H./ SCHWARTING, C. (Hrsg.): Bestandssenkung in Produktions- und Zulieferunternehmen, Schriftenreihe der Bundesvereinigung Logistik e. V., Band 11, Bremen 1984, S. 1-15 IHDE, GÖSTA B. (1984c): Transport, Verkehr, Logistik: Gesamtwirtschaftliche Aspekte und einzelwirtschaftliche Handhabung, München 1984 IHDE, GÖSTA B. (1986): Wirtschaftlicher Strukturwandel und industrielle Betriebsgröße, in: Industrielles Management, Festgabe zum 60. Geburtstag von Wolfgang Lück, hrsg. von JÜRGEN BLOECH, Göttingen 1986, S. 1-20 IHDE, GÖSTA B. (1987): Distribution als Element der logistischen Planungskette, in: SAP GmbH (Hrsg.): Kongreßhandbuch - Internationaler Software-Congress Karlsruhe, 7./ 8. September 1987, Walldorf 1987, S. L8/ 1-10 IHDE, GÖSTA B. (1988): Die relative Betriebstiefe als strategischer Erfolgsfaktor, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 58. Jg. (1988), Heft 1, S. 13-23 IHDE, GÖSTA B. (1989): Wettbewerbsstrategien der Spedition im Spannungsfeld zwischen (De-) Regulierung und Strukturwandel, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, 60. Jg. (1989), Nr. 2/ 3, S. 71-82 IHDE, GÖSTA B. (1991): Transport, Verkehr, Logistik: Gesamtwirtschaftliche Aspekte und einzelwirtschaftliche Handhabung; 2., völlig überarb. und erw. Aulage, München 1991 IHDE, GÖSTA B. (1996): Lieferantenintegration, in: KERN, W./ SCHRÖDER, H.-H./ WEBER, J. (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, 2. völlig neu gestaltete Aulage, Stuttgart 1996, Sp. 1086-1095 IHDE, GÖSTA B. (1999): Mikro- und Makrologistik, in: WEBER, J./ BAUMGARTEN, H. (Hrsg.): Handbuch Logistik. Management von Material- und Warenlußprozessen, Stuttgart 1999, Sp. 115-128 IHDE, GÖSTA B. (2001): Transport, Verkehr, Logistik: Gesamtwirtschaftliche Aspekte und einzelwirtschaftliche Handhabung; 3., völlig überarb. und erw. Aulage, München 2001 Messe München Entdecken Sie die Zukunft der Logistik. Mit den neuesten Impulsen für Ihren Erfolg. Als Weltleitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management ist die transport logistic auch 2013 der wichtigste Treffpunkt der Branche: Internationale, abschlussorientierte Geschäftsplattform Innovationen und Trends entlang der gesamten Wertschöpfungskette Hochwertiges Rahmenprogramm mit Foren, Konferenzen & Länderspecials Der Pflichttermin für Ihren Erfolg von morgen! Buchen Sie jetzt Ihr Ticket online: www.transportlogistic.de/ tickets TL13_Besucher_210x297_D.indd 1 12.12.12 11: 17 LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 28 Die hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH in Karlsruhe erarbeitet derzeit eine Studie zum Thema „Schnittstelle Rampe - Lösungen zur Vermeidung von Wartezeiten“. Teil dieser Studie ist eine internetbasierte Umfrage bei Akteuren aus Handel, Industrie, Transport und Logistik, deren ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. D ie Studie wird im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erstellt. Sie dient der Umsetzung der Maßnahme „Optimierung der Abläufe an Verladerampen“ im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik. 1 Die Maßnahme zielt auf die Reduzierung der Wartezeiten bei der Be- und Entladung an den Rampen der Verlader, die insbesondere in der Transportbranche immer stärker als Hindernis für die Transportabläufe wahrgenommen werden. Sie soll dazu beitragen, dass die Abläufe im Güterverkehr optimiert, eine eizientere Nutzung der Infrastruktur ermöglicht sowie durch pünktliche Abfertigungen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Die Teilnehmer der Umfrage wurden gebeten, für verschiedene Lagerarten ihre Einschätzung über Wartezeiten an Laderampen und deren Auswirkungen, auftretende Probleme an Laderampen sowie über Lösungsansätze abzugeben. Dabei zeigt die mit 1002 Rückmeldungen und 793 auswertbaren Fragebögen große Resonanz auf die Umfrage die hohe Bedeutung des Themas „Schnittstelle Rampe“ sowohl für Transport- und Logistikunternehmen (552 teilnehmende Unternehmen) als auch für Handel (119 Unternehmen) und Industrie (122 Unternehmen). 2 Wartezeiten insbesondere bei Handelslagern Insgesamt bestätigen die Studienergebnisse, dass es vor allem bei Handelslagern vergleichsweise lange Wartezeiten 3 an der Rampe gibt. Aber auch Industrie- und Speditionslagern ist das Thema „Wartezeiten“ nicht unbekannt. So geben 69 % der Transportunternehmen und 56 % der Industrieunternehmen durchschnittliche Wartezeiten von mehr als einer Stunde bei Handelslagern an. Aber auch bei Industrielagern sehen 51 % der Transportunternehmen und 14 % der Industrieunternehmen durchschnittliche Wartezeiten von mehr als einer Stunde (vgl. Bild 1). 4 Bewertung der Probleme Um die Bedeutung der Schwierigkeiten an der Schnittstelle Rampe zu ermitteln, wurden die Teilnehmer gebeten, insgesamt 30 Thesen zu den verschiedenen potenziellen Problemfeldern an der Schnittstelle Rampe zu bewerten. Bild 2 zeigt das Ergebnis in Form eines Portfolios, bei dem neben der Bedeutung der Probleme auch die Unterschiede in der Bewertung durch die Branchen aufgezeigt werden. einigkeit über Informationsdeizite Zu den überraschenden Ergebnissen der Umfrage gehört, dass viele Thesen branchenübergreifend ähnlich bewertet wurden - eine gute Basis, um Lösungen zu inden. So werden z. B. branchenübergreifend Informationsdeizite über Schnittstelle Rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze Die Autoren: Paul Wittenbrink, andreas Scheuer Bild 1: einschätzung durchschnittlicher Wartezeiten je Lagerart aus Sicht der Branchen (Graik: hwh) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 29 LOGISTIK Wissenschaft gung von eigenen Fahrzeugen an den Laderampen“ sowie den „Palettentausch bei externen Dienstleistern“ als weniger bedeutend an als Transportunternehmen, was schätzungsweise auch mit der speziischen Betrofenheit zusammenhängt. Schließlich wird auch der Zugang für Lkw-Fahrer zu sanitären Anlagen hauptsächlich seitens der Transportunternehmen bemängelt, während die Mehrzahl der Industrie- und Handelsunternehmen hier keinen großen Handlungsbedarf sieht. Themen mit eher geringer Bedeutung Die Umfrage zeigt auch, was heute schon gut funktioniert. So bestehen kaum Probleme mit unvollständiger Ware oder unvollständigen Begleitpapieren. Auch verfügen die Lkw-Fahrer mehrheitlich über ausreichende Sprachkenntnisse sowie über Kenntnisse über örtliche Abläufe. Weiterhin sehen die Teilnehmer in der Termintreue der Lkw keine größeren Hemmnisse für die Rampenabläufe. Auch die Dauer der Papierabfertigung an den Laderampen wird weitgehend als wenig relevant eingeschätzt. Diese im Vorfeld als mögliche Problemfelder deinierten Themen werden somit bei den weiteren Analysen nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Bewertung von Lösungsansätzen Neben der diferenzierten Analyse der Probleme an der Schnittstelle Rampe waren insbesondere die möglichen Lösungsansätze ein weiterer Schwerpunkt der Umfrage. Zu diesem Zweck haben die Teilnehmer dreizehn mögliche Lösungs- Verzögerungen sowohl bei Lkw-Fahrern als auch bei den Rampenbetreibern kritisiert. Weiterhin schätzen nahezu alle Teilnehmer den teilweise fehlenden Zugang zu Aufenthaltsräumen für die Lkw-Fahrer als kritisch ein. Auch besteht eine hohe Einigkeit darin, dass eine ausreichende Anzahl an Lkw-Stellplätzen auf dem Werksgelände und/ oder im Umkreis der Be- oder Entladestelle vorhanden sein sollte. Darüber hinaus werden unzureichende Lagerlächen an Laderampen bemängelt. Kapazitätsengpässe in Feiertagswochen Überwiegende Übereinstimmung besteht auch bei einem weiteren Kapazitätsengpass - den Rampenöfnungszeiten zu Stoßzeiten. Insbesondere in Feiertagswochen mit einer geringeren Anzahl an Werktagen kann es zu Engpässen kommen, wenn die übliche Liefermenge in den Lagern eintrift. unterschiedliche Bewertung von Problemfeldern Die Umfrage zeigt auch Problemfelder auf, die von den Branchen sehr unterschiedlich bewertet werden. Hierzu zählen die Personalkapazitäten an den Laderampen, die insbesondere von Transportunternehmen als nicht ausreichend bewertet werden. Ebenso bemängeln insbesondere Transportunternehmen den „rauen“ Umgangston an den Laderampen, während Handels- und Industrieunternehmen das Problem als weniger gravierend einschätzen. Auch schätzt die Mehrheit dieser Unternehmen die Themen „Bevorzu- Bild 2: Bedeutung der Probleme an der Schnittstelle Rampe (Graik: hwh) LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 30 Optimierung der Rampenkapazitäten das Ziel sein, so dass eine richtige Balance zwischen der Anzahl bzw. den Öfnungszeiten der Tore und dem anstehenden Wareneingang zu inden ist. Beschafungslogistik Für die Mehrheit der Befragten ist die Umstellung der Beschafungslogistik auf Selbstabholung durch den Handel wenig zielführend, was erstaunt, resultieren doch durch die Veränderung mehr Anreize zur Optimierung von Eingangsprozessen. Die im Rahmen der Gesamtstudie durchgeführten Gespräche zeigen jedoch, dass Industrieunternehmen befürchten, eigene Bündelungsvorteile zu verlieren, während viele Transportunternehmen die Gefahr einer Marktkonzentration auf wenige Beschafungslogistiker sehen. Zeitfenstermanagementsysteme (ZMS) Im Rahmen der Befragung wurde der Nutzen von Zeitfenstermanagementsystemen (ZMS) besonders beleuchtet. Hier gibt die Mehrzahl der teilnehmenden Handels- und Industrieunternehmen an, dass durch den Einsatz von ZMS Wartezeiten um bis zu eine Stunde reduziert werden konnten. Über die Hälfte der Transportunternehmen sehen hingegen keine Wartezeitverkürzungen nach der Einführung eines ZMS. Die Mehrheit der Teilnehmer sieht durch den zunehmenden Einsatz von ZMS weitere zeitliche Restriktionen in der Tourenplanung der Transportunternehmen, wodurch die Disposition und der eiziente Fahrzeugeinsatz immer schwieriger werden. Daher plädieren viele Teilnehmer für eine Flexibilisierung der ZMS. Schließlich sehen nahezu alle Teilnehmer eine gute Eignung einer Zeitfenstersteuerung bei Komplettladungsverkehren, während diese bei Stückgutverkehren eher als ungeeignet bewertet wird. Fahrer nicht vergessen Bei der Optimierung der Prozesse darf die Situation der Lkw-Fahrer nicht unberücksichtigt bleiben. Die Fahrer stehen am Ende der Prozesskette und sind oftmals am stärksten von den Problemen an der Schnittstelle Rampe betrofen. Angesichts des zunehmenden Fahrermangels wird es in Zukunft immer wichtiger werden, die Fahrer eizient einzusetzen und respektvoll zu behandeln. Auch dieses Thema ist im Bewusstsein der Akteure angekommen und das branchenübergreifende Interesse an der Erarbeitung gemeinsamer Lösungen der Rampenprobleme steigt. Positive Beispiele weitertragen Es gilt insgesamt zu berücksichtigen, dass eine Umfrage zwar ein Gesamtbild der Situation beschreiben kann, in einzelnen Fällen die Situation davon jedoch erheblich abweichen kann, d.-h. es kann bei einzelnen Lagern inakzeptable Zustände geben, während sich andere Lager als Vorzeiansätze bewertet (Bild 3). Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer aus allen Branchen bei vielen Lösungsansätzen übereinstimmend einen hohen Lösungsbeitrag sehen. Optimierung der Supply Chain Weit oben auf der Agenda steht die Prozessoptimierung über die gesamte Lieferkette, was zeigt, dass sich das Rampenthema nicht auf die physischen Prozesse an der Rampe reduzieren lässt. Vielmehr ist der gesamte Prozess von der Bestellung bis zum Eingang im Lager einzubeziehen. Die Unternehmen empfehlen auch beleglose Wareneingänge, die zu einer deutlichen Reduzierung der Bearbeitungsdauern bei der Lkw-Entladung führen können, wenn erforderliche Arbeiten bereits im Vorfeld der Lkw-Ankunft erledigt werden. Auch sind sich die Teilnehmer darin einig, dass die Avisierung der Lkw-Ankunft sowie der Informationsaustausch über Verzögerungen optimiert werden sollte. Weitere Ansätze mit großem Lösungspotenzial bestehen aus Sicht der Teilnehmer in der Optimierung der Infrastruktur sowie der Verbesserung des Zugangs zu sozialen Einrichtungen vor Ort für Lkw-Fahrer. Erwartungsgemäß sehen hier Transportunternehmen insgesamt einen höheren Lösungsbeitrag als Handels- oder Industrieunternehmen. Optimierung statt Maximierung Es gibt aber auch Lösungsansätze, die von den Teilnehmern der Umfrage sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. So ist insbesondere für Transportunternehmen eine Ausweitung der Rampenöfnungszeiten eine sehr wichtige Lösung, während die meisten Handelsunternehmen hierin nur einen deutlich geringeren Lösungsbeitrag sehen, was auch nachvollziehbar ist, müssten sie doch die Kosten tragen. Insofern kann auch nicht die Maximierung sondern die Bild 3: Bewertung von Lösungsansätzen (Graik: hwh) geprojekte im Sinne von „Best Practice“ eignen. Gerade über diese sollte viel mehr gesprochen werden, um hier weitere Nachahmer zu inden. diferenzierte analyse der Situation Zusammenfassend bestätigt die Umfrage, dass die Wartezeiten an den Rampen insbesondere, aber nicht nur für Transportunternehmen ein Problem darstellen. Mit der Umfrage liegt nun eine diferenzierte und von den Beteiligten weitgehend akzeptierte Analyse der Rampenprobleme vor. Darüber hinaus gibt es sowohl bei den speziischen Problemfeldern als auch bei den Lösungsansätzen teilweise eine branchenübergreifend ähnliche Bewertung der Situation. Diese gemeinsamen Einschätzungen der Handels-, Industrie- und Transportbranche bieten einen erfolgversprechenden Ansatz zur Optimierung der Situation an der Rampe. Im nächsten Schritt plant das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ergänzend zu der Studie, durch Vor-Ort-Erhebungen bei unterschiedlichen Lägern eine Feinanalyse der Gesamtprozesse vorzunehmen. Auf dieser Basis sollen unterschiedliche Best-Practice-Empfehlungen für Unternehmen erarbeitet werden. Der Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik wird also weiter daran arbeiten, gemeinsam mit den beteiligten Branchen, die Lieferkette mit besonderem Blick auf die konkrete Verbesserung der Rampenabläufe zu optimieren. ■ 1 Vgl. www.bmvbs.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ UI/ rampenoptimierung.html, abgerufen am 14.02.2013. 2 Bei den folgenden Bewertungen wurden die Aussagen wie folgt gewichtet: 1/ 3 Logistik- und Transportunternehmen, 1/ 3 Industrieunternehmen, 1/ 3 Handelsunternehmen. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl sowie der Teilnahme von Unternehmen verschiedener Größenklassen und aus verschiedenen Branchen kann von einer hohen Aussagekraft der Umfrage ausgegangen werden. 3 Als Wartezeit wurde in der Umfrage der Zeitraum von der Anmeldung Lkw am Empfang bis zum Beginn der Be- oder Entladung an der Laderampe deiniert. 4 Bei den Speditionslagern liegen von Seiten der Industrie und des Handels zu wenig Aussagen für eine statistische Auswertung vor. Ebenso trift dies bei den Industrielagern für die Antworten des Handels zu. andreas Scheuer, Dr. Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik und Mitglied des Deutschen Bundestages PStS-S@bmvbs.bund.de Paul Wittenbrink, Prof. Dr. Professor für Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH, Karlsruhe www.hwh-transport.de wittenbrink@dhbw-loerrach.de Komplettlösungen für-mehr Effizienz • Industrietorsysteme und Ladebrücken • Torabdichtungen und Vorsatzschleusen • NEU: Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 32 »Der Ausbau der Schienenverbindungen ist kein Selbstläufer mehr« Baden-Württemberg muss in den kommenden Jahren einen „Vergabeberg“ im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) abbauen. Winfried Hermann, Minister für Verkehr und Infrastruktur, will mit einem zeitlich gestaffelten Vergabefahrplan und Landesgarantien für die Fahrzeuginanzierung für möglichst viel Wettbewerb sorgen. Im Interview mit Internationales Verkehrswesen plädiert er außerdem dafür, neben dem Angebotsausbau auch die Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern zum politischen Schwerpunktthema zu machen. Herr Minister, Sie wollen das Angebot des Schienenpersonennahverkehrs ausbauen, beklagen aber gleichzeitig enger werdende inanzielle Spielräume - wie geht das zusammen? Wir wollen das Schienenverkehrsangebot im Land nochmals um weitere 15 bis 20 % ausweiten. Gegenüber dem Jahr der Bahnreform 1994 sind dies 75 % mehr Züge. Im Vergleich mit anderen Bundesländern ist das ein Spitzenwert. Im Gegensatz zur Vergangenheit ist der weitere Ausbau allerdings kein Selbstläufer mehr. Die Rahmenbedingungen haben sich drastisch verschlechtert: Seit Jahren sinkt die Kaukraft der vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmittel. Der Grund liegt darin, dass die Trassen- und Stationspreise deutlich stärker steigen, als die Regionalisierungsmittel jährlich dynamisiert werden. Baden- Württemberg wurde 2012 zusätzlich durch die Abschafung der Regionalfaktoren bei den Trassenpreisen exorbitant belastet. Insgesamt nahmen die Kosten für Trasse, Station und Bahnstrom der bundeseigenen DB-Infrastrukturgesellschaften binnen eines Jahres um rund 50 Mio. EUR zu. Die Renditeerwartungen des Bundes an sein Unternehmen Deutsche Bahn sind eine zentrale Ursache für diese Entwicklung - ein Umstand, der von den Ländern stark kritisiert wird. Wir fordern deshalb, dass Gewinne der DB-Netzsparte nicht an den Konzern abgeführt werden dürfen. Sie müssen dem Netz und dem Nahverkehr zugute kommen. Foto: MVI Baden-Württemberg INFraSTruKTur Interview Winfried Hermann Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 33 wie wirkt sich die derzeitige Praxis im Land aus? Wir müssen inzwischen die Hälfte der uns vom Bund zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel für Infrastrukturkosten abführen. Die Folge ist ein strukturelles Deizit von derzeit 30 bis 40 Mio. EUR pro Jahr. Die grün-rote Landesregierung ist mit dem Ziel angetreten, Baden-Württemberg zur Pionierregion für nachhaltige Mobilität zu machen. Das geht nur mit einem deutlich besseren Angebot auf der Schiene, das für Pendler, Touristen und alle anderen so attraktiv ist, dass sie gerne umsteigen. Daran arbeiten wir. Angesichts drastisch verschlechterter Rahmenbedingungen sind dafür große Anstrengungen und sorgfältige Planungen erforderlich. Die neue Bundesregierung muss eine deutlich bessere inanzielle Basis für die Bestellung von Zügen schafen. Eine Dynamisierung der Regionalisierungsmittel um 3 % pro Jahr ist zwingend. wie sehen Ihre Planungen aus? Wir setzen als Landesregierung künftig auf eine gezielte, faire Wettbewerbspolitik. Sie ist der Schlüssel, um leistungsgerechte Preise am Markt zu erzielen. Einen Wettbewerb auf dem Rücken der Arbeitnehmer lehnen wir ab. Derzeit bedient noch die DB auf Basis eines großen Verkehrsvertrages aus dem Jahre 2003 bis 2016 39 Mio. der über 65 Mio. Zugkilometer im Land. Pro Zugkilometer bezahlt das Land derzeit über 10 EUR an die DB - das ist deutlich mehr, als die Bahn in anderen Bundesländern für vergleichbare Leistungen erhält. Unsere Vergabekonzeption zielt daher darauf, dass alle potentiellen Anbieter die gleichen Chancen haben, den Fahrgästen ein attraktives Angebot zu machen. was bedeutet das konkret? Das Land leistet seinen Beitrag, indem wir die zur Ausschreibung anstehenden Netze konzeptionell optimieren und den Wettbewerb zeitlich stafeln, damit sich auch kleinere Anbieter an möglichst vielen Verfahren beteiligen können. Darüber hinaus gibt das Land Kapitaldienstgarantien, die es Anbietern ermöglichen, Mittel für die hohen Investitionen in neues Wagenmaterial auf dem Kapitalmarkt günstig zu erhalten. Bei komplexen Netzen mit einem Investitionsvolumen von mehr als 100 Mio. EUR wollen wir zusätzlich das so genannte VRR-Modell anwenden, bei dem die Fahrzeuge in das Eigentum des Landes übergehen: Unternehmen bestellen die Züge, das Land kauft sie ihnen ab und verpachtet sie zurück. So haben auch kleinere Anbieter vergleichbare Finanzierungskosten und damit vergleichbare Startchancen wie der Staatskonzern DB. Das stärkt den Wettbewerb, führt zu günstigeren Preisen und Spielräumen, die eine Angebotsausweitung möglich machen. Die schwarz-gelbe vorgängerregierung war in diesem Bereich optimistischer und ging in ihrer Angebotskonzeption 2020 von einem um 30 % größeren Angebot aus. Die Finanzierung dieses Leistungszuwachses war zu optimistisch, das hat ein Kassensturz unserer Fachleute klar gezeigt. Die alte Landesregierung hat unterstellt, dass ein Wettbewerbsverfahren automatisch zu deutlich geringeren Preisen führt. Unter den heutigen Marktbedingungen - stark gestiegene Infrastrukturkosten und eine veränderte Marktsituation im SPNV - hat sich das als nicht haltbar erwiesen. Deshalb greifen wir steuernd ein. Nur wenn die Wettbewerber der Deutschen Bahn erkennen können, dass sie annähernd gleiche Gewinnchancen haben, und wenn sie die Risiken für beherrschbar halten, werden sie ihren Hut in den Ring werfen. Das Land leistet das durch einen zeitlich gestafelten Vergabekalender und die genannten Fahrzeuginanzierungsinstrumente. und wie wollen Sie in der Zwischenzeit verbesserungen erreichen? In Folge der zeitlichen Stafelung der Ausschreibungen brauchen wir in einzelnen Netzen Übergangsverträge von bis zu drei Jahren. Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Zuge mit der DB AG vereinbaren werden können, frühzeitig moderneres Wagenmaterial einzusetzen. Das betrift vor allem kritische Strecken wie die Rems- und Murrbahn von Stuttgart nach Aalen bzw. nach Schwäbisch-Hall, auf denen bisher teilweise noch über 40 Jahre alte, rot lackierte Silberlinge laufen. Aktuell haben wir große Anstrengungen unternommen, um die gestiegenen Trassen- und Stationspreise aufzufangen. Durch einen inanziellen Kraftakt stellt die grün-rote Koalition im Doppelhaushalt 2013/ 14 in erheblicher Höhe Landesmittel zur Verfügung. So ließen im Jahr 2013 etwa 47 Mio. EUR zusätzliche Landesmittel in das eigentlich durch Bundeszuschüsse abzusichernde Schienenverkehrsangebot. Im Jahr 2014 werden es sogar 66 Mio. Euro sein. Dadurch werden nicht nur Zugabbestellungen verhindert, wie es sie in anderen Bundesländern gegeben hat. Auch neue Projekte konnten realisiert werden - zwischen Freiburg, Müllheim und dem elsässischen Mulhouse etwa fahren seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 auf einer reaktivierten Strecke die aufgrund ihrer Form und blauen Farbgebung „Blauwal“ genannten Züge. Auf der elektriizierten Münstertalbahn wird das Angebot ab Sommer 2013 deutlich ausgeweitet. Dennoch sind die Spielräume eng. welche Hebel können Sie noch in Bewegung setzen? Trotz der engen Spielräume können wir in der Verkehrspolitik einiges bewegen. Unser Leitmotiv lautet „Für Menschen, Mobilität und Lebensqualität“ und greift weit über die Förderung einzelner Verkehrsträger hinaus. Wir denken nicht in Sparten, sondern machen Politik aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger. Diese wollen schnell, möglichst stressarm von A nach B reisen. Auch der ökologische Gedanke spielt eine immer größer werdende Rolle. Daraus ergibt sich dann die Wahl des Verkehrsmittels. Gerade bei jungen Menschen ist das Auto nicht mehr das Transportmittel Nummer 1. Sie denken vernetzt. Und wir tun es auch: Das Land fördert Vorhaben und Konzepte, die den Fahrgästen den Umstieg auf die Schiene und die Kombination mit anderen Verkehrsträgern so einfach wie möglich macht. Der ÖPNV-Innovationskongress in Freiburg hat deutlich gezeigt, dass das die zentrale Zukunftsherausforderung ist und wir auf einem guten Weg sind: Flächendeckende Echtzeitinformation, Servicecards, die die Nutzung von ÖPNV, Carsharing und Leihfahrrädern ermöglichen, komfortable Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an Bahnhöfen und einiges mehr. Das sind alles Stellschrauben, an denen wir kräftig drehen, um gerade die Schiene noch attraktiver zu machen. Wir machen die Menschen nachhaltig mobil. ■ Winfried Hermann war von 1998 bis 2011 Grünen-Bundestagsabgeordneter mit den Arbeitsschwerpunkten Umwelt, Nachhaltige Entwicklung, Verkehr und Sport, zuletzt auch Vorsitzender des Ausschusses Verkehr, Bau und Stadtentwicklung seiner Bundestagsfraktion. Seit Mai 2011 ist er Minister für Verkehr und Infrastruktur der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg. Zur PerSON Vom 11. bis 13. März 2013 fand der 6. ÖPNV-Innovationskongress im Kongresszentrum Konzerthaus in Freiburg statt. Auf Einladung des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg trafen sich über 500 Mobilitätsexperten und Vertreter der Verkehrsunternehmen und Verbünde, um über nachhaltige und zukunftsweisende Mobilitätsmodelle im Nahverkehr zu diskutieren. Sie beschäftigten sich in 20 Vorträgen und Workshops mit den Themen Kundenorientierung, Betrieb, Technologie, Marketing/ Tarif und Umweltverbund. Der Kongress wird dokumentiert unter: www.innovationskongress-bw.de ÖPNV-INNOVaTIONSKONGreSS hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg auch einen kurzen Erklärilm produziert, abrufbar unter http: / / bit.ly/ YvORnT. ZuM THeMa SPNV-FINaNZIeruNG Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 34 Qingdao auf dem Weg an die Spitze Der nordchinesische Hafen Qingdao will seine führende Rolle als Rohstof- und bedeutender Containerhafen für China und Nordostasien ausbauen. Mit 30 Millionen TeU könnte er 2020 zu den fünf größten Häfen der Welt gehören und seinen südkoreanischen Konkurrenten Busan hinter sich lassen. D as Land der Mitte hat große Zukunftspläne für Qingdao: Der Hafen soll zu einem Schiffahrtszentrum für Nordostasien werden. Dafür hat die Qingdao Port Group einen Verbund mit den chinesischen Häfen Rizhao, Yantai und Weihai sowie dem südkoreanischen Hafen Busan gebildet. Laut dem britischen Magazin Portstrategy wollen mehrere internationale Unternehmen, darunter APM Terminals, rund 4,6 Mrd. USD in die Hafenexpansion investieren. Qingdao ist gemessen am Containerumschlag derzeit der siebtgrößte Hafen der Welt: Laut Nachrichtenagentur Xinhua schlug er im Jahr 2012 rund 14,5 Mio. TEU um, ein Plus von 11,4 % gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: 2011 stand Schanghai als weltgrößter Hafen bei 31,7 Millionen TEU, Singapur schlug 29,9 Millionen TEU um, Hongkong 24,4 Millionen TEU und Qingdao belegte mit 13 Millionen TEU Platz acht (Tabelle 1). Gemäß Xinhua erreichte Qingdao 2012 ein Frachtvolumen von 400 Mio. t, eine Steigerung um 9,5 %. Durch verschiedene Projekte soll bis 2015 das Containervolumen auf 20- Mio. TEU und die Frachtkapazität auf 600 Mio. t erweitert werden. Im Jahre 2020 könnte der Hafen dann mit 30 Mio. TEU Umschlagvolumen bei 200 gegenüber heute 81 Liegeplätzen Schanghai und anderen Häfen in der Region ernsthafte Konkurrenz machen. Bedeutende rolle als rohstofhafen Schon heute hat die Millionenstadt Qingdao in der ostchinesischen Provinz Shandong einen der bedeutensten Rohstohäfen Chinas. Es ist der weltgrößte Hafen für den Eisenerzimport und der wichtigste Rohölhafen Chinas und umfasst das alte Hafengebiet, den Huangdao-Ölhafen, das neue Qianwan-Hafengebiet sowie den Dongjiakou-Hafenbereich. In Dongjiakou existieren Tiefwasserterminals der Weltklasse für Eisenerz, Kohle, Rohöl und Getreide. Für die Weiterentwicklung von Dongjiakou hat die Qingdao Port Group strategische Allianzen unter anderem mit der Sinopec Group, COSCO und der China Merchants Group geschlossen, um den Schüttgutumschlag von bisher 30 Mio. t im Jahr 2012 auf 300 Mio. t zu steigern. Ende 2011 wurde der erste Vertrag mit einem ausländischen Investor geschlossen, dem brasilianischen Hafen Vila Velha. Hinter diesem brasilia- Der Autor: dirk ruppik INFraSTruKTur Seehafenausbau Foto: Maersk Line China Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 35 nischen Engagement stehen das Bestreben Chinas, sich aus der Eisenerz-Abhängigkeit von Australien zu befreien, und der Wunsch der brasilianischen Minengesellschaft Vale, mit ihrer Valemax-Frachterlotte nach China vorzudringen. Bisher verbietet Peking allerdings noch das Docken von Valemax- Schifen in China. Das Unternehmen besitzt 35 Frachter mit 400 000 t Tragfähigkeit, mit denen es den australischen Konkurrenten Rio Tinto und BHP Billiton Paroli bieten will: Gegenüber den halb so großen Capesize-Frachtern will Vale 25 bis 30 % Transportkosten einsparen. China importiert bisher 60 Prozent der weltweiten Eisenerz-Produktion, im August 2012 hatte Vale nur rund 20 % Anteil daran. Langfristig ist geplant, Dongjiakou als Handelsbasis für Schüttgut sowie als Schiffahrts- und Logistikzentrum auszubauen. Schon 2012 wurden hier 5,4 Mrd. EUR investiert. Ende 2012 meldete Xinhua den Bau von drei neuen Hafenbecken mit 112- Liegeplätzen. Zudem wurde der größte Tiefwasser-Liegeplatz der Welt mit 400 000 t Kapazität eröfnet. Bisher existieren vier Liegeplätze, doch der Vorsitzende und Präsident der Qingdao-Hafengruppe, Chang Dechuan, will 2013 weitere neun Liegeplätze mit einer Umschlagskapazität von gesamt 220 Mio. t im Hafengebiet bauen. Bis 2015 soll die Handling-Kapazität bei 300-Mio. t liegen. Containerterminal der Spitzenklasse Laut eigener Aussage besitzt die Qingdao Port Group das weltweit größte Containerterminal für Schife mit Kapazitäten zwischen 12 000 und 15 000 TEU. Dem Aoshanwan-Hafengebiet soll zwischen 2015 und 2020 eine Schlüsselrolle in der Planung des Qingdao International Container Port zufallen. Zusammen mit acht Partnern aus vier Ländern - der A.P. Moller-Maersk Group, DP World, APL, Cosco, China Merchants Group, Pan-Asia International Holdings und SITC International Holdings - will der Betreiber das internationale Joint Venture auf die Beine stellen. Schon im Jahr 2000 wurde das Qingdao Qianwan Container Terminal Co.Ltd. (QQCT) eröfnet (Bild 1). Am QQCT sind neben der Qingdao Port (Group) Co. Ltd. mit 31 % Anteilen die Dubai Ports World (29 %), Cosco Paciic (20 % Anteile, 18,18 % Stimmrechte) und A. P. Moller-Maersk Group (20 %) beteiligt. Das Terminal beherbergt bisher elf Liegeplätze für Containerschife bis 10 000 TEU. Die Kailänge beträgt 3 400 m mit bis zu 17,5 m Wassertiefe. Die Kapazität des gesamten Terminals lag bisher bei 6,5 Mio. TEU. Laut Bonnie Huang, Managerin bei Maersk China, sind weitere sechs Liegeplätze in Planung - die dänische Reederei hat hier im vergangenen Jahr mit mehr als einer Million TEU einen Rekordumschlag erreicht. Kürzlich erteilte der chinesische Staatsrat der Qingdao Qianwan Bonded Port Zone die Erlaubnis für den Import von vollständigen Kraftfahrzeugen. Derzeit wird ein RoRo- Terminal gebaut, und der Import wird noch 2013 beginnen. Dadurch soll die wachsende Nachfrage nach Automobilen aus dem Hinterland befriedigt werden. Qingdao kooperiert schon seit 20 Jahren mit Wilhelmshaven. „Mit dem Jade-Weser- Port bekommt Wilhelmshaven endlich einen festen Anlaufpunkt für die enge Partnerschaft“, erklärte der Oberbürgermeister von Wilhelmshaven Andreas Wagner. Dass die Kooperation und Kontakte nach China bereits Früchte tragen, hatten zuletzt die Ansiedlungspläne der Jade-Werke gezeigt. Das Tochterunternehmen der chinesischen Jiangsu Hantong Group will im Nordhafen Tripods bauen, Gründungsstrukturen für Ofshore-Windkraftanlagen. Kopf an Kopf mit dem engsten Konkurrenten Das Zentrum der Weltwirtschaft bewegt sich unauhaltsam Richtung China und Nordostasien. Dementsprechend entwickeln viele Länder ihre Logistiknetzwerke und streben eine Hub-Strategie an.Während sich Qingdao als führender Rohstof- und bedeutender Containerhafen für China und Nordostasien etabliert hat und seine Stellung ausbauen und festigen will, plant zum Beispiel Busan in Südkorea ebenfalls, sich als Hub für Nordostasien zu beweisen. Busan handelt 95 % des gesamten Containerumschlags und 45 % der gesamten Exportfracht des Landes. Bis 2015 sollen dort die 25 größten Containerhäfen der Welt rang Hafen, Land umschlag in Mio. Teu 2010 2011 1 Schanghai, China 29,07 31,74 2 Singapur, Singapur 28,43 29,94 3 Hongkong, China 23,70 24,38 4 Shenzhen, China 22,51 22,57 5 Busan, Südkorea 14,18 16,17 6 Ningbo-Zhoushan, China 13,14 14,72 7 Guangzhou, China 12,55 14,26 8 Qingdao, China 12,01 13,02 9 Jebel Ali, Dubai, VAR 11,60 13,01 10 Rotterdam, Niederlande 11,14 11,88 11 Tianjin, China 10,08 11,59 12 Kaohsiung, Taiwan, China 9,18 9,64 13 Port Kelang, Malaysia 8,87 9,60 14 Hamburg, Deutschland 7,91 9,04 15 Antwerpen, Belgien 8,47 8,66 16 Los Angeles, USA 7,83 7,94 17 Keihin Ports*, Japan 7,48 7,64 18 Tanjung Pelepas, Malaysia 6,47 7,50 19 Xiamen, China 5,82 6,47 20 Dalian, China 5,24 6,40 21 Long Beach, USA 6,26 6,06 22 Bremen/ Bremerhaven, Deutschland 4,89 5,92 23 Laem Chabang, Thailand 5,19 5,73 24 Tanjung Priok, Indonesien 4,61 5,62 25 New York-New Jersey, USA 5,29 5,50 * Der japanische Hub Keihin in der Bucht von Tokio umfasst die Häfen Yokohama, Kawasaki und Tokio. Tabelle 1: Liste der 25 größten Containerhäfen der Welt, Stand 2011. (Quelle: World Shipping Council) INFraSTruKTur Seehafenausbau Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 36 30 neue Containerliegeplätze im New Port entstehen, das Hinterlandstraßensowie das Schienennetzwerk sollen ausgebaut werden. Zudem will sich die Stadt in ein Finanzzentrum für Nordostasien verwandeln. Busan hat sich zunehmend in einen Transhipment-Hafen für Ostrussland, Nordchina und Nordwest-Japan mit einem extensiven Feedernetzwerk entwickelt. Gegenüber den japanischen Häfen hat Busan wegen des starken Yen einen eindeutigen Kostenvorteil. Und während einige Häfen in China aufgrund des stürmischen Wetters teilweise geschlossen werden müssen, bleibt Busan ganzjährig geöfnet. Laut Betreiber Busan Port Authority verfolgt der Hafen eine Strategie der Kooperation und des Wettbewerbs beziehungsweise des gemeinsamen Wohlstands (co-prosperity). Deshalb erweitert die Hafenverwaltung ihre Partnerschaften mit Häfen in China und Japan, um die eigenen nordostasiatischen Transhipment- Services zu optimieren. Qingdao wird derweil in den kommenden fünf Jahren acht neue Logistikparks erhalten und so die Transformation der Stadt hin zu einem komplexen Schiffahrts-Hub und internationalen Luftfahrt-Logistikzentrum dirk ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de beschleunigen. Die Regierung will hier 45-Mrd. Yuan, rund 5,3 Mrd. EUR, in 63 logistische Schlüsselprojekte investieren. Der Anteil der Logistik am städtischen Bruttoinlandsprodukt soll 2015 bereits 11 % betragen. Die Qingdao Port Group arbeitet weiterhin mit den nahegelegenen chinesischen Häfen Rizhao, Yantai und Weihai zusammen, um die Hubpläne zu verwirklichen. Seit kurzem betreibt die Hafengruppe auch ein Rohölterminal mit einer Kapazität von 300 000 t in Kyauk Phyu, Rakhine State, für die China-Myanmar-Pipeline. Harte Zeiten für chinesische reeder Die Schiffahrtsindustrie des Landes ist, so berichtet Xinhua ganz ofen, wegen des zurückgehenden Im- und Exportwachstums 2012 in stürmische Gewässer gefahren. Der Präsident der Qingdao-Hafengruppe, Chang Dechuan, sagte schon im September: „Die Häfen und Reedereien müssen sich gut darauf vorbereiten, dass der globale Abschwung die Im- und Exporte innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre in Mitleidenschaft ziehen wird.“ Zudem wird die Situation durch Unsicherheiten auf dem heimischen Markt begleitet. Der Gewinnzuwachs der Hafenbetreiber ist geschwunden und die Reedereien leiden unter großen Verlusten durch Überkapazitäten. Anfang 2013 äußerte Hafen-Geschäftsführer Chang Chuande, dass sich Qingdao wegen des globalen Abschwungs mehr auf den Zugewinn von Fracht konzentrieren wird. Neben dem Bau des ersten Inlandshafen in Zhengzhou soll der Importboom angezapft werden. ■ Bild. 1: Qingdao Qianwan Container Terminal mit elf Liegeplätzen für Containerschife bis 10 000 TeU soll massiv erweitert werden. (Foto: Maersk Line China) Novofleet_RoteKarte_Zapfhaehne_210x297_InternVerkehrsw.indd 1 13.02.13 17: 27 Die clevere Flottenkarte. NOVO FL E E T N A CHL A SS + NIE DRIGPR EISNE T Z = 2M A L SPA R EN 1. Mit Ihrer Kartenabrechnung erhalten Sie zusätzlich einen speziellen NOVOFLEET Nachlass von brutto 0,5 Ct./ l Otto- und Dieselkraftstoff.* 2. Sie tanken in einem Verbund von Niedrigpreisnetzen mit über 2.700 Stationen in Deutschland, die in der Regel günstiger sind als Tankstellen großer Mineralölkonzerne.** * Das Angebot richtet sich ausschließlich an gewerbliche Kunden. Der Nachlass gilt für alle bis zum 30.06.2013 eingegangenen Kartenanträge und wird über die gesamte Vertragsdauer gewährt. Ausgeschlossen von diesem Angebot sind an das NOVOFLEET Netz angebundene Tankstellen, die sich an Märkten des Lebensmittelgroß- und -einzelhandels (Supermarkttankstellen) befinden. **Quelle: eigene periodische Erhebung, letzte Erhebung im Februar 2013. Weitere Informationen unter der kostenfreien Serviceline 00800 700 30 200 oder unter www.novofleet.com AUCH DAS NOCH! DIE ROTE K ARTE GEGEN OT TO- KR AF TSTOFFPREISE. JETZT BEI OTTO- UND DIESEL KRAFTSTOFF SPAREN. * Novofleet_RoteKarte_Zapfhaehne_210x297_InternVerkehrsw.indd 1 13.02.13 17: 27 Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 38 Foto: © Nachbarschaftsauto Aus der durchschnittlichen Pkw-Lebenserwartung von heute 15 Jahren resultiert ein hohes Beharrungsmoment. Allein durch technischen Fortschritt kann die Mobilitätswelt daher kaum kurzfristig revolutioniert werden. Sollen die für 2020 postulierten Klimaziele im Verkehrsbereich realisiert werden, müssen substanzielle Beiträge über Verbesserungen innerhalb des determinierten Systems erzielt werden. B islang standen dabei technische Lösungen im Vordergrund, zum Beispiel Agrokraftstofe. Mit der neuen Wertschätzung des ständigen Zugangs zu Produkten als vollwertiger Alternative zum eigenen Besitz, einem globalen Trend der sich über die unterschiedlichsten Konsumbereiche erstreckt, rücken nun organisatorische Lösungspfade in Form kollaborativen bzw. gemeinschaftlichen Konsums in den Fokus. Die Anreize für diese Nutzungsinnovation liegen auf der Hand: Besitz ist stets mit Verantwortung, Kosten und Verbindlichkeiten verbunden. Sharing-Konzepte locken mit der Chance, ständig andere und modernere Produkte zu nutzen. Weil zunehmend mehr Konsumenten mobilen Internetzugang haben, können Gebrauchsgegenstände im Bedarfsfall am jeweiligen Einsatzort gemietet werden. Die neue Welt des Teilens wird die traditionelle Produzenten-Konsumenten-Beziehung verändern. Der kurzfristige Verkaufsprozess wird durch einen längerfristigen Dienstleistungsprozess substituiert, der nicht unbedingt zwischen den alten Parteien stattinden muss. Neue Dienstleister werden unter den veränderten Vorzeichen die lukrative Kundenschnittstelle besetzen. Wer diesen Zugang zukünftig innehat und Die Autoren: Thomas Sauter-Servaes, Stephan rammler Innovative urbane Mobilitätsdienstleistungen Teilen und herrschen in der neuen Mobilitätswelt MOBILITÄT Sharing-Konzepte Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 39 sich als One-Stop-Shop für Mobilitätsfragen beim Kunden etablieren kann, wird analog zu Google, Facebook & Co. den Markt beherrschen. In der aktuellen Transformationsphase werden drei Entwicklungspfade sichtbar. Bekannte und neue Akteure positionieren sich als integrierte All-in-one- Mobilitätsdienstleister. 1 Von der Ich aG zur Wir aG - die (auto-)mobile Kultur wird pragmatisch Angesichts eines mittleren Pkw-Besetzungsgrads von 1,5 Personen und täglichen Autonutzungszeiten von rund einer Stunde ofenbart sich ein riesiges Optimierungspotenzial. Überlastete Infrastrukturen und steigende Kraftstofpreise induzieren zunehmend innovative organisatorische Lösungen. Die auf Besitz fokussierte Ich- AutoGesellschaft (Ich AG) zeigt erste Merkmale der Transformation in eine kollaborativ angelegte Wir-AutoGesellschaft (Wir AG), ohne dass die neuen Angebote in die Falle des Verzichtsstigmas treten. Das Teilzeitauto erzielt daher eine hohe Akzeptanz unter Autofahrern: Rund ein Viertel bewerten CarSharing als attraktiv, in der Altersgruppe der unter 30-jährigen sind es sogar mehr als ein Drittel. 2 Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sich bei der prophezeiten Verschiebung von der Ichzur Wir-Kultur stärker die Art des Konsumierens verändern wird als die Zusammensetzung der Konsumgüter. 3 In Bezug auf die Mobilität hat der Eintritt in die Wir AG aber nicht nur Auswirkungen auf die Automobilität. Der Abschied vom eigenen Auto animiert zum Umstieg auf Mobilitätsalternativen. Neben professionellen Flottenanbietern treten verstärkt internet- oder app-gestützte Plattformen in Erscheinung, die aubauend auf dem Peer-to-Peer-Konzept die privaten Akteure auf dem Mobilitätsmarkt verknüpfen und einen Austausch von Leistungen ohne das Einbringen eigener Fahrzeuglotten organisieren. Alles Flotte(r) - professionelle Eizienzsteigerer Professionell betriebene Pkw- und Fahrrad- Flotten sind ein bedeutender Treiber des urbanen Mobilitätswandels. CarSharing gehört seit langem zum städtischen Verkehrsmittelportfolio, fristete bislang aber ein Nischendasein. Nun beindet sich der Markt des Prozentautos massiv im Umbruch. Der Markteintritt der drei großen deutschen Automobilhersteller mit car2go, DriveNow und Quicar hat das Flottenvolumen deutlich erhöht, eine große mediale Aufmerksamkeit erzeugt und das Angebotsspektrum erweitert. So sind unter der Bezeichnung Car- Sharing inzwischen sehr unterschiedliche Dienstleistungen mit verschiedenen Tarifmodellen anzutrefen. Die große Dynamik kennzeichnet die Experimentierphase, in der sich die neuen Spielarten des öfentlichen Autos noch beinden. Dabei diferenzieren sich die Wettbewerber insbesondere über das Merkmal Zugang/ Funktionsweise. Die neuen Marktteilnehmer positionieren sich mit den Schlagworten Instant access, One-way-Fähigkeit und Openend-Nutzung als besonders lexible Systeme. Ergänzend sind in der jüngeren Vergangenheit Zahl und Umfang der Fahrradverleihsysteme in Westeuropa explodiert. Beinahe jede größere Stadt stellt Einwohnern und Touristen eine im öfentlichen Raum zugängliche Stadtradlotte als Selbstbedienungssystem zur Verfügung, das in einem größeren Netzwerk one-way-fähige Räder zur Kurzzeitmiete vorhält (Bild 1). Piraten der Straße - innovativ, persönlich, transparent Das grundlegende Phänomen ist ein altbekanntes: Teilen im Nachbarschafts- und Freundeskreis. Noch nie war es aber so einfach, das Gesuchte in akzeptabler Reichweite und mit wenigen Mausklicks zu inden. Internet, Smartphones und mobile Ortungsdienste bilden den idealen Nährboden für virtuelle Plattformen, auf denen von privat an privat alles nur Denkbare verliehen wird: Gebrauchsgegenstände (frents, niriu, neighborGoods), Übernachtungsmöglichkeiten (airbnb, 9lats, wimdu) - und Fahrzeuge. Der Impuls kommt dabei nicht moralbeladen aus der Öko-Bewegung sondern von den Digital Natives, die das Peer-to-Peer- Prinzip auf die Automobilität übertragen haben. Mit neuen Akteuren wie risikoainen E-commerce-Investoren setzen sie als wendige Freibeuter im Markt der Autokonzerne und Mietwagenmultis auf das bislang unentdeckte Geschäftsfeld des privaten Autoteilens. Online-Plattformen wie Tamyca, buzzcar oder RelayRides haben das Ziel, das Verleihen privater Autos in der Nachbarschaft sicher und einfach zu gestalten. Ohne eigene Produktionsmittel fokussieren sie sich auf die provisionsinanzierte Vermittlerrolle. Bereits der heutige Aktivierungsgrad privater Verleiher realisiert in urbanen Räumen wie Berlin Zugangsentfernungen, die deutlich unter denen des professionellen CarSharings liegen. Eine logische Ergänzung stellt die Vermittlung zwischen privaten Stelllächenbesitzer und Parkplatzsuchenden dar, wie sie vom britischen Internetportal Parkatmyhouse betrieben wird. HOVercraft - das neue Miteinander Der unter der Flagge „Social-Ismus“ segelnde Trend zum gemeinsamen Konsum geht bei der persönlichen Mobilität über die reine Ausleihe von Artefakten hinaus. Immer mehr Autofahrer sind bereit, andere Reisende mit (anteilig) gleicher Wegstrecke mitzunehmen. In Stadtgebieten geben die Hälfte der befragten unter 30-Jährigen an, schon einmal diese Form des Autoteilens genutzt zu haben, über 40 Prozent haben das Pendeln in Fahrgemeinschaften bereits praktiziert. 4 Der Markt hat auf diese Nachfrage reagiert. Anbieter wie linc (Bild 2), moovel und carpooling konnten das Geschäft vom bewährten Fernauf den Nahverkehr ausweiten, weil die Transaktionskosten und Bild 1: Mietfahrradstützpunkt von Stadtrad in Hamburg. (Foto: Liza Litsch/ pixelio) MOBILITÄT Sharing-Konzepte Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 40 Reaktionsgeschwindigkeiten dank mobiler Endgeräte sinken. Inzwischen werden spontane Fahrgemeinschaften zwischen Akteuren gebildet, die bereits im Straßenverkehr unterwegs sind. Wesentliches Element von Fahrgemeinschaften ist das gegenseitige Vertrauen auf Verlässlichkeit und Sicherheit. Die Pooling-Plattformen verwenden einfache Bewertungsverfahren bis hin zu integrierten sozialen Netzwerken, um eine hohe Transparenz über die einzelnen Mitglieder zu gewährleisten und „schwarze Schafe“ abzuschrecken. Während in anderen Ländern wie den USA die hohe Auslastung von Fahrzeugen durch die Einrichtung spezieller Fahrspuren - so genannte HOV-lanes (HOV: high occupied vehicle) - incentiviert wird und hieraus gerade im Pendlerverkehr signiikante Efekte resultieren, existieren in Deutschland bislang keine derartigen Anreizsysteme. adhoc-Gruppenfahrten - die Kegelclubs des Web 2.0 Dank des Internets lassen sich nicht nur Pkw-Mitfahrerbörsen transparenter, schneller und attraktiver gestalten, sondern auch Fahrtwünsche für andere Verkehrsmittel bündeln. Schwerpunkt der Aktivitäten sind bislang Fernverkehre. Ein Vorreiter war das Angebot von DeinBus.de. Durchgeführt wurden bis Ende 2012 ausschließlich Fahrten, die von den Kunden explizit nachgefragt wurden. Ein stehender Fahrplan existierte nicht. Somit galt jede über Dein- Bus.de organisierte Fahrt als Charterbusfahrt und iel nicht unter die Regulierungen des Fernbuslinienverkehrs. Die sich auf der DeinBus-Plattform für eine Fahrt interessierenden Reisenden fragten quasi als Adhoc- Gruppe einen Bus an. Das Geschäftsmodell von Haus-Taxi funktioniert nach dem gleichen Prinzip, nur dass die kritische Masse geringer ist und ein Türzu-Tür-Service geboten wird. Um möglichst viele Reisen zu bündeln, gibt es Umsteige- Trefpunkte der Sammeltaxen, an denen die Fahrgäste ihren Zielpunkten entsprechend umsteigen. Das Konzept basiert auf den in Polen seit langem etablierten „Bully-Fahrten“, die speziell von und nach Deutschland im Einsatz sind. Ein ähnliches System für den Nahverkehr hat colexio in München gestartet. Seit 2012 bietet das Unternehmen ein TaxiSharing-System an. Colexio ermittelt Kunden mit ähnlichen Routenanfragen und kombiniert die Fahrten, auch auf Teilstrecken. Der Fahrpreis der Sammelfahrt wird unter den Fahrgästen aufgeteilt. Dass Sharing-Konzepte nicht nur auf der Straße funktionieren, beweist das Beispiel zahlreicher Ticketvermittler an hoch frequentierten Großstadtbahnhöfen und Ticket-Teil-Angebote auf speziellen Plattformen wie ticket-mitfahrer.de. Die selbsternannten Gruppenorganisierer an den Bahnhöfen sind Teil einer gut vernetzten Untergrundökonomie, die vor allem Plätze auf mehrfach genutzten Länder- und Wochenendtickets verkaufen. Die legale Online-Variante proitiert von der Rückbesinnung der DB AG auf Mitfahrer-Rabatte. Kampf der Titanen - wer regiert den One-Stop-Mobilitätsshop? Automobilität im Sinne von Selbstbeweglichkeit wird durch die innovativen Mobilitätsdienstleistungen neu deiniert. Außerhalb des progressiven Milieus können sie aber nur als Pkw-Substitut reüssieren, wenn bedarfsgerechte Dienstleistungen unter einer intuitiven Nutzeroberläche zusammengeführt werden. Diese Systemintegration mit der Vision „Nutzen ohne nachzudenken“ ist in Ansätzen schon sichtbar. Bottom-up-Ansatz Bei den Bottom-up-Modellen handelt es sich um etablierte Akteure des Verkehrsmarktes, die ihre Tätigkeit auf zusätzliche Geschäftsfelder ausdehnen. So umfasst Citroëns Multicity nicht nur Autovermietung und CarSharing, sondern auch Flug- oder Bild 3: Anfrage bei der multimodalen Plattform moovel. (Foto: Daimler) Bild 2: Webseite des Mitfahrportals linc. (Foto: linc) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 41 Bahntickets, Hotelunterkünfte und Ferienreisen. Daimlers moovel präsentiert sich ebenfalls als multimodale Plattform, die im Laborgebiet Stuttgart selbst das Handyticketing für den ÖPNV integriert hat (Bild- 3). BMW übermittelt Mitfahrgesuche während der DriveNow-Fahrt live über linc ins Fahrzeug und integriert sie direkt in die Routenplanung des Navigationssystems. Zudem können DriveNow-Kunden täglich 30 Minuten gratis Mietfahrräder von Nextbike nutzen. In Verknüpfung mit der App MyCityWay erhalten sie auch Unterstützung bei der Wahl des Fahrtziels: Restaurant- und Unterhaltungstipps, für die im Anschluss eine Tischreservierung oder Ticketbuchung erfolgen kann. Noch vor den Automobilkonzernen haben die Dienstleister des Öfentlichen Verkehrs begonnen, über ihr Kerngeschäft hinaus Leistungspakete zu schnüren. Bereits seit 2004 existiert das Mobilitätspaket HANNO- VERmobil, mit dem das ÖPNV-Jahresabo um eine CarSharing-Mitgliedschaft, eine BahnCard 25 und einen Rabatt für Taxi und Mietwagen ergänzt wird. Mit der BahnCard 25 mobil plus bündelt die DB AG ein Komplettangebot auf einer Karte. Mit dem Car- Sharing linkster, Callabike und der BahnCard kann sie dabei überwiegend auf eigene Produkte zugreifen (Bilder 4 und 5). Zudem versucht die DB intensiv, über Kooperationen den eigenen Autobaustein attraktiver zu gestalten. Top-down-Ansatz Neben den etablierten Akteuren betreten immer mehr neue Marktteilnehmer die Mobilitätsbühne. Online- oder Smartphone-Anwendungen sollen eine verbindende einheitliche Oberläche über den unübersichtlichen Dienstleistungsdschungel legen. Kreative Start-ups zielen dabei zunächst auf Teilmärkte. Wie Roadify, das als New Yorker Parkplatzmelde-Netzwerk begonnen hat, inzwischen aber auch ÖPNV-Statusmeldungen generiert. Taxmobil versucht in diesem Jahr im Rhein-Main-Gebiet mit einem taxibasierten Sammelverkehr zu starten, der mit dem ÖPNV intelligent verknüpft werden soll. Aber insbesondere ist Google im Themenfeld Mobilität aktiv geworden. Mit dem Aubau einer eigenen Flugsuchmaschine, eines Hotelportals, einer ÖPNV- Fahrtenauskunft für zahlreiche Städte, eines Reiseführers sowie eines Roadify-Klons verfügt Google inzwischen über zahlreiche leistungsstarke Einzelbausteine, die durch eine geschickte Kombination schon heute viele Reisendenbedürfnisse hinsichtlich Pre-Trip-Information, Buchung und On- Trip-Information weitgehend aus einer Hand abdecken. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt derzeit noch in Nordeuropa. Aber auch in Europa testet Google seine Systeme. So ging der globale Internetkonzern zur Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz mit speziellen Google Transit-Features an den Start. Fazit Alle drei aufgezeigten Entwicklungspfade sind gegenwärtig durch eine hohe Dynamik geprägt. Analog zur Verkehrstechnik lässt sich feststellen, dass auch organisatorisch sämtliche Instrumente für die erforderliche Mobilitätswende bereits zur Verfügung stehen. Anders als beim Technikeinsatz kann die Umsetzung aber sofort erfolgen. Jetzt ist es die Aufgabe der Politik, diese Chance zu ergreifen. ■ Bild 4: Die BahnCard 25 mobil plus bündelt ein Komplettangebot auf einer Karte. (Foto: DB AG) Bild 5: Das linkster Mietwagenangebot der Deutschen Bahn ist bereits etabliert. (Foto: DB Mobility Logistics/ Ralf Braum) LIterAtur BOTSMAN, RACHEL; ROGERS, ROO (2010): What‘s Mine Is Yours: The Rise of Collaborative Consumption. New York. BUND, KERSTIN (2011): Meins ist deins. In: Die Zeit Nr. 51 vom 15.12.2011, S. 29-30. Im Internet: http: / / pdf.zeit.de/ 2011/ 51/ Meins-ist-Deins.pdf puls Marktforschung (2012): Mitfahren ist vor allem bei jungen Großstädtern angesagt. In: markenartikel Online vom 06.03.2012. Im Internet: http: / / www.markenartikel-magazin. de/ fileadmin/ user_upload/ medien/ Grafiken_Tabellen/ Carsharing_und_Co.pdf UBA Umweltbundesamt (2010): Umweltbewusstsein in Deutschland 2010. Im Internet: http: / / www.umweltdaten.de/ publikationen/ fpdf-l/ 4045.pdf Thomas Sauter-Servaes, Dr.-Ing. mobilecular - Labor für multimodale Mobilität Berlin/ Zürich tsauter@mobilecular.de Stephan rammler, Prof. Dr. Direktor Institut für Transportation Design HBK Braunschweig st.rammler@hbk-bs.de 1 Der Artikel basiert auf einer Kurzstudie, die die Autoren 2012 im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt haben. Die komplette Studie ist abrufbar unter: http: / / www.boeckler.de/ pdf/ p_arbp_274.pdf 2 Vgl. UBA 2010, S. 52 f. 3 Vgl. Bund 2011, S. 29, siehe auch Botsman/ Rogers 2010 4 Vgl. puls 2012 MOBILITÄT Carsharing-Praxis Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 42 E-Carsharing: Erfahrungen, Nutzerakzeptanz und Kundenwünsche Im Projekt „BeMobility“ wurden Befragungsergebnisse aus zweieinhalb Jahren e-Carsharing mit „e-Flinkster“ in Berlin ausgewertet. Viele Bewertungen stabilisierten sich über die Zeit und gewannen an Aussagekraft. Dennoch wurden über die gesamte Zeit die elektroautos von einem Teil der Befragten nur selten benutzt. Die Wenignutzer wünschen hauptsächlich eine Steigerung der Fahrzeugverfügbarkeit sowie mehr Flexibilität in Form von ein-Wege-Fahrten ohne Stationsrückgabeplicht. S eit dem Jahr 2000 lässt sich, zumindest in urbanen Räumen, eine neue Entwicklung im Mobilitätsmarkt nachweisen. So ist der Anteil des MIV am Modal Split in Deutschland von 60 % im Jahr 2002 auf 53 % in 2011 gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil des öfentlichen Verkehrs in Deutschland von 8 % auf 11 % leicht an (infas 2012). Auch der Fahrradverkehr gewinnt massiv an Zuspruch (von 9 % auf 15 %). Zwar sind Pkw- Nutzung und -Fahrleistung hierzulande in den letzten Jahren wieder leicht gestiegen, doch ist dies vor allem bei Frauen und älteren Menschen der Fall. Insbesondere bei jungen Männern - in geringerem Maße auch bei jungen Frauen - ist gleichzeitig eine deutliche Abnahme des Pkw-Besitzes zu verzeichnen (Kunert et al. 2012). Mit diesen Entwicklungen einher geht auch eine erhöhte Flexibilität in der Verkehrsmittelwahl, besonders in urbanen Räumen. So geben etwa zwei Drittel der Verkehrsteilnehmer in deutschen Großstädten an, unterschiedliche Verkehrsträger zu nutzen (infas 2012). Sie zählen zur wachsenden Gruppe der so genannten „Multimodalen“ oder „Metromobilen“ (Canzler et al. 2007). Im Kontext dieses Struktur- und Verhaltenswandels treten neue Formen öfentlicher Verkehrsangebote wie Bike- und Carsharing in den Markt ein. Mobility-on-Demand-Systeme leiten eine Weiterentwicklung von Fahrzeugherstellern, aber auch Anbietern des öfentlichen Verkehrs, zu Mobilitätsdienstleistern ein (Canzler/ Knie 2009). Carsharing wird lexibler. In rascher Folge werden innovative Konzepte in immer mehr europäischen und nordamerikanischen Innenstädten eingeführt. Ursprünglich auf konventionellen Antrieben basierend, werden diese Autos zunehmend auch elektrisch betrieben (Canzler/ Knie 2011). Bereits seit 2009 sind in Berlin - dank der Förderung des Projektes „BeMobility“ durch das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) - elektrische Carsharing-Fahrzeuge im stationsbasierten Einsatz (IV 1/ 2011). Die Fahrzeuge sind als „e-Flinkster“ in das Angebot „Flinkster“, dem Carsharing der Deutschen Bahn, integriert. Als ortslexible bzw. „one-way-fähige“ Carsharing- Systeme ist seit etwa zwei Jahren auch „DriveNow“ und seit etwa einem Jahr „car2go“ in Berlin vertreten. Die Verbesserung von Akzeptanz und Nutzung des e-Carsharing-Angebots „e-Flinkster“ steht im Mittelpunkt der Begleitforschung, die das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) seit 2009 im Kontext von BeMobility durchführt. Die erste Online-Befragung, noch vor der Erstnutzung eines elektrischen Carsharing-Angebots (T0-Messung), erfasste die Nutzererwartungen. Die Online-Befragung (T1) erhob die ersten Eindrücke, während in der dritten Messung (T2) im August 2011 Erfahrungen nach länger Nutzung erfragt wurden (IV 5/ 2011, 1/ 2012). Ein knappes Jahr später (Juni/ Juli 2012) wurden Kunden, die zuvor mindestens einmal in T1 oder T2 antworteten, zu längerfristigen Erfahrungen befragt (T3- Messung). erhebungsergebnisse Bis Ende 2011 nutzten bereits über 1200 Kunden die Elektro- und Hybridfahrzeuge im Rahmen von BeMobility (Hofmann et al. 2012). Knapp 250 Nutzer konnten anschließend zu ihren Erfahrungen befragt werden (T1- und T2-Befragung). Für die T3- Befragung kontaktierte das InnoZ von diesen Befragten nochmals 138 Personen, die weiterhin das e-Carsharing nutzten. Von ihnen füllten 79 den Fragebogen aus (Rücklauf von 57 %). Die Charakteristika der Stichprobe entsprechen weitgehend den Proilen der vorangegangen Befragungen. Die Testnutzer sind nahezu alle männlich (95 %), erwerbstätig (97 %) und besitzen einen Hochschulabschluss (78 %). Das Durchschnittsalter beträgt 39 Jahre. Während 42 % (fast) täglich den öfentlichen Personennahverkehr nutzen, fahren 34 % (fast) täglich mit dem Fahrrad. Zeitvergleich Ein Zeitvergleich zwischen den beiden letzten Befragungen (T2 und T3) war für insgesamt 51 Personen möglich. Insbesondere die Beurteilung des Preissystems (Verständlichkeit, Attraktivität, Kosten) war aufgrund einer Preisanpassung vom April 2012 im Zeitvergleich von großem Interesse. Für Elektrofahrzeuge musste zuvor ein höherer Zeitpreis gezahlt werden als bei einem konventionell betriebenen Fahrzeug der gleichen Fahrzeugklasse. Nun sind sowohl der Zeitals auch der Kilometerpreis unabhängig von der Antriebsart. Die Verständlichkeit des Preissystems von e-Flinkster blieb auf sehr hohen Niveau nahezu gleich (T2: 94 %, T3: 91 %), während sich die Bewertung hinsichtlich Attraktivität (T2: 66 %, T3: 77 %) und Preis (T2: 54 %, T3: 60 %) erhöhte. Die Autoren: Christian Scherf, Josephine Steiner, Frank Wolter Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 43 Nutzungshäuigkeit Ingesamt wurden schon bis Ende 2011 über 2850 e-Fahrzeugbuchungen vorgenommen. Die vergangenen Untersuchungen zeigten jedoch, dass viele Probanden die Elektrofahrzeuge nur selten nutzten (Hofmann et. al 2012). Dieses Verhalten wurde in der Teilstudie T3 weiter untersucht. Von den insgesamt 79 Befragten gaben 18 Personen an, Carsharing generell, unabhängig vom Antrieb, wenig zu nutzen (siehe Bild 1). Von besonderem Forschungsinteresse ist das Verhalten der fünf Personen, die nur selten einen „Verbrenner“, aber häuig das Elektrofahrzeug nutzten. Sie gaben an, dies aus Interesse am Elektrofahrzeug und aus Umweltschutzgründen zu tun. Im Folgenden wurden die 79 Personen in zwei Kategorien unterteilt: Befragte, die ein bis maximal drei Nutzungen für die Monate April 2010 und Juni 2012 angaben (Wenignutzer) und jene mit häuigerer Nutzung (Bild 2). Neun Befragte gaben an, generell keinen höheren Bedarf an der Carsharing-Nutzung zu haben. Weitere Gründe für eine seltene Nutzung des konventionellen Carsharing von Flinkster lagen in der Präferenz, ein Elektrofahrzeug zu entleihen oder aber eine andere Carsharing-Organisation für die entsprechende Fahrt zu wählen. Für die Wenignutzer der Elektrofahrzeuge waren die Reichweite der Elektroautos (12 Personen) sowie die Entfernung zur Entleihstation (19 Personen) die entscheidenden weiteren Gründe, nicht häuiger das e-Carsharing zu nutzen. Aus früheren Befragungen ist bekannt, dass gut die Hälfte der Nutzer (54 % der 140 Befragten aus T2) Carsharing vom Arbeitsplatz, von der Schule oder einer anderen Bildungsstätte aus nutzen. In der T3-Befragung wurde deshalb die Beurteilung der Entfernung zwischen Arbeitsbzw. Ausbildungsort und Entleihstation untersucht. So halten 46 % der Wenigfahrer die Entfernung zur e-Flinkster-Station für nicht akzeptabel, während die Entfernung zum nächsten Stellplatz eines konventionellen „Flinksters“ nur für ein Drittel als zu weit empfunden wird. Die geringere Stationsdichte im elektrischen Carsharing kann diesen Unterschied erklären (Bild 3). Da innerhalb von zweieinhalb Jahren eine hohe Anzahl von Befragten die Elektroautos nur wenig genutzt hat, wurden hier vertiefende Hypothesen untersucht. So kam bereits im Rahmen der vergangenen Befragungen u.a. die Vermutung auf, dass einige Nutzer nur aus Neugier ein e-Fahrzeug testeten. Knapp über 50 % der befragten Wenignutzer von Elektroautos (21) stimmten der Aussage zu, „rein elektrisch betrie- Bild 1: Nutzungskombinationen von (e-)Flinkster (Quelle: Innoz) Anzahl der Personen Buchungen seit April 2010, n=79 Die S i chprobe enthält lediglich drei Personen, die noch nie ein Elektroauto gebucht haben. 36 Personen gaben an, mehr als dreimal ein e-Fahrzeug genutzt zu haben. 40 Personen gaben an, zwischen 1-3 mal ein e-Fahrzeug genutzt zu haben. Bild 2: Nutzungshäuigkeit von (e-)Flinkster (Quelle: InnoZ) Bild 3: Flinkster-Stationen in Berlin, e-Flinkster grün (Quelle: DB Fuhrpark) MOBILITÄT Carsharing-Praxis Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 44 bene Elektroautos […] testen“ zu wollen. Bei Hybrid-Fahrzeugen waren dies hingegen nur 13-Wenignutzer. Die Vermutung, Elektrofahrzeuge seien zu kompliziert und würden deshalb nur selten genutzt, konnte hingegen verworfen werden. So gaben lediglich zwei Wenignutzer an, dass sie Elektrofahrzeuge als zu kompliziert empinden. Verbesserungswünsche Die 79 Testnutzer äußerten sich diferenziert dazu, welche Bestandteile aus ihrer Sicht am heutigen e-Carsharing verbesserungsbedürftig sind. Die fünf meistgenannten Kategorien lauten: Fahrzeug (23 Personen), Stationsungebundenheit (21 Pers.), Auladen (21 Pers.), Preis (18 Pers.) und Entleihstation (17 Pers.). Es werden eine größere Anzahl und höhere Auswahl an Elektrofahrzeugen (inkl. Hybridautos) gewünscht. Zu den Wünschen zählt eine Garantie für einen ausreichenden Ladestand der Batterie. Da der Ladestand vor dem Entleih (noch) nicht abrubar ist, wird er von den Nutzern bisweilen als unsicher wahrgenommen. Neben mehr Ladepunkten wird ein schneller Ladevorgang von den Nutzern gewünscht. Ein attraktiver Preis, eine größere Anzahl und optimierte Erreichbarkeit der Entleihstationen gehören ebenfalls zu den Wünschen an das stationsgebundene e-Carsharing. Darüber hinaus wünschen sich Nutzer die Möglichkeit, One-Way-Fahrten durchführen zu können (ohne Fahrzeugrückführung). Aufgrund der neuen Wettbewerber „car2go“ oder „DriveNow“ kann dieser Wunsch mittlerweile auch in Berlin realisiert werden. Immerhin 23 von 79 Befragten nutzen in Ergänzung zu Flinkster mindestens einen dieser One-Way-Anbieter (siehe Bild 4). Bemerkenswert ist, dass davon über die Hälfte Mitglied bei beiden Wettbewerbern ist. Dem Flexibilitätswunsch der Nutzer begegnet Flinkster durch eine Kooperation mit „multicity“, dem ersten reinen e-Carsharing-Angebot von Citroën in Berlin. Dieses ortslexible One-Way-System startete Ende August 2012 und wird auch im Rahmen von BeMobility wissenschaftlich begleitet. Flinkster-Kunden können mit ihrer Kundenkarte auch die e-Autos von „multicity“ nutzen, ohne sich dort erneut anmelden sowie eine weitere Kundenkarte nutzen zu müssen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anforderungen an Verfügbarkeit und Flexibilität des Carsharing auch bei elektrisch betriebenen Carsharing-Angeboten im Mittelpunkt stehen. Kunden wünschen eine höhere Fahrzeug- und Stellplatzdichte. Weiterhin werden gemischte Flotten mit einer gewissen Bandbreite an Fahrzeugtypen und -größen sowie Antriebsalternativen erwartet. Beim Einsatz von reinen Elektroautos kann die Anzeige der Batterie-Restreichweite vor Buchung ein stärkeres Sicherheitsgefühl vermitteln. Schließlich wünschen die Kunden eine höhere Flexibilität, wie dies „DriveNow“ und „car2go“ bieten. Die Marktentwicklung lässt darauf schließen, dass für die One-Way-Nutzung eine zusätzliche Zahlungsbereitschaft besteht. Für die Nutzung von elektrischen Carsharing-Fahrzeugen konnte dies bislang nicht nachgewiesen werden. Alles spricht für die Kombination verschiedener Carsharing-Modelle und -Anbieter, um die Verfügbarkeit und Flexibilität zu bieten, die die Nutzer wünschen. ■ QueLLen LERNER, WILHELM: The Future of Urban Mobility - Towards networked, multimodal cities of 2050. Arthur D. Little, 2011. BRäUNINGER, MICHAEL u. a.: Wege zum nachhaltigen Stadtverkehr in Entwicklungs- und Schwellenländern. hrsg. vom Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2011. CANZLER, WEERT; KNIE, ANDREAS: Einfach auladen. Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft. München: oekom, 2011. CANZLER, WEERT; KNIE, ANDREAS: Grüne Wege aus der Autokrise - Vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister, in: Forum Nachhaltig Wirtschaften, Nr.-4, 2009, S. 16-24. CANZLER, WEERT; HUNSICKER, FRANK; KARL, ASTRID; KNIE, AN- DREAS; KÖNIG, ULRICH; LANGE, GÜNTER; MAERTINS, CHRISTIAN; RUHRORT, LISA: DB Mobility - Beschreibung und Positionierung eines multimodalen Verkehrsdienstleisters. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, 2007. HOFFMANN, CHRISTIAN; GRAFF, ANDREAS; KRAMER, STEFFI; KUTTLER, TOBIAS; HENDZLIK, MANUEL; SCHERF, CHRISTIAN; WOLTER, FRANK: Bewertung integrierter Mobilitätsdienste mit Elektrofahrzeugen aus Nutzerperspektive. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, 2012. infas: Mobilität im Wandel - Potenziale des Car-Sharing. Vortrag, Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, September 2012, http: / / www.infas.de/ ileadmin/ images/ aktuell/ infas_Vortrag_Mobilitaet_im_Wandel_Car-Sharing_Luxembourg.pdf. KUNERT, UWE; RADKE, SABINE; CHLOND, BASTIAN; KAGERBAUER, MARTIN: Auto-Mobilität: Fahrleistungen steigen 2011 weiter. DIW Wochenbericht Nr. 47, 2012, http: / / www.diw.de/ documents/ publikationen/ 73/ diw_01.c.411737.de/ 12-47-1.pdf Christian Scherf, Dipl.-Soz.tech. Projektkoordination BeMobility Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin christian.scherf@innoz.de Josephine Steiner Dipl.-Verkehrswirtschaftlerin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin josephine.steiner@innoz.de Frank Wolter, Dr. Projektkoordination BeMobility, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin frank.wolter@innoz.de Bild 4: Mehrfachnutzungen verschiedener Carsharing-Anbieter unter den Befragten (Quelle: InnoZ) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 45 MOBILITÄT Psychologie Klingt weiß leise? Von Farben und Geräuschen In einer experimentstudie am CAR-Institut der Universität Duisburg-essen wurde überprüft, inwieweit Farben die menschliche Geräuschwahrnehmung von Autos beeinlussen. Das verblüfende ergebnis: eine weiße Lackierung lässt Autos leiser erscheinen. D as menschliche Gehirn ist komplex und kann uns einen Streich spielen, wenn es darum geht, Reize zu verarbeiten. Ein real erlebter Reiz kann eine weitere Sinneswahrnehmung hervorrufen oder verzerren. Dieses Phänomen, auch als Synästhesie bezeichnet, wird durch kognitive Prozesse unseres Gehirns hervorgerufen. Ein Beispiel hierfür ist die Verknüpfung der Reize „Klang“ und „Farbe“. Wer Klänge hört, kann diese gedanklich automatisch mit Farben in Verbindung bringen oder auch umgekehrt, hervorgerufen durch Assoziationen zu bereits Erlebtem und Erlerntem. Eine spannende Frage vor diesem Hintergrund ist: Wie wirken farbige Autolackierungen auf Straßenverkehrsteilnehmer? Das CAR-Institut forscht seit mehreren Jahren experimentell zu verschiedenen Themen rund um Mobilität. Im Juli 2012 wurde ein außergewöhnliches Experiment zum Thema Farb- und Geräuschwahrnehmung von Autos durchgeführt. Unterstützt wurde die Studie vom Automobilhersteller Ford, welcher sieben bunte Fiesta Titanium für die Studie zur Verfügung stellte (Bild 1). Dass visuelle Reize Fahrzeuggeräuscheinschätzungen beeinlussen können, ist in der Wissenschaft kein völlig abstraktes Thema. So wurde bereits festgestellt, dass große LKW auf den Betrachter subjektiv lauter wirken, auch wenn es sich tatsächlich um leisere Modelle handelt [1]. Auch Studien zum Einluss von Farben auf die wahrgenommene Lautheit verschiedener Gegenstände, wie etwa Radios, Personenzüge und Pkw zeigen, dass Farben die Geräuschwahrnehmung beeinlussen können (beispielsweise [2], [3], [4]). Bisher wurden derlei Studien jedoch nur in künstlichen Laborsituationen erhoben, d. h. den Probanden wurden vertonte Standbilder und bewegte Sequenzen vorgeführt. Laborexperimente bieten zwar die Möglichkeit Einlussgrößen isoliert zu bewerten, jedoch bilden sie damit nicht immer die Realität ab. Für das CAR war es von Interesse herauszuinden, inwieweit Autos in einer alltäglichen Verkehrssituation aufgrund ihrer Lackierung unterschiedlich wahrgenommen werden. das experiment Unter dem Vorwand, dass es sich um die Geräuschbewertung unterschiedlicher Motoren handle, ließ das CAR sieben Ford Fiesta in den Farben Schwarz, Weiß, Silber, Grell- Grün, Rot, Orange, und Blau an 162 Probanden (ohne Seh- oder Hörschwächen) im Al- Die Autoren: Ferdinand dudenhöfer, Henrike Koczwara Alle Fotos: CAR - Universität Duisburg Bild 1: Sieben verschiedenfarbige Ford Fiesta dienten als Testfahrzeuge für die experimentstudie. MOBILITÄT Psychologie Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 46 ter von acht bis 88 Jahren vorbeifahren und die Geräusche bewerten. Die fabrikneuen Fahrzeuge waren bis auf die farbige Außenlackierung völlig baugleich, mit gleichem Motor und gleicher Bereifung. Die Wahrnehmung der Fahrzeuggeräusche wurde via Fragebogen ermittelt. Die Probanden konnten die Geräusche anhand von Wortpaaren wie etwa „leise-laut“, „sportlich-träge“, „angenehm-unangenehm“ oder „aggressiv-sanftmütig“ auf einer fünfstuigen Skala beurteilen (Bild 2). Als Versuchsort diente eine verkehrsberuhigte Seitenstraße (Einbahnstraße ohne Erhaltungsmaßnahmen) in einem Wohngebiet in Duisburg. Alle Fahrzeuge fuhren mit konstant 30 km/ h, im dritten Gang, an den Probanden vorbei. Es wurde darauf geachtet, dass weder Anfahrtsnoch Bremsgeräusche entstanden. Die Fahrzeuge wurden nach jeder Vorbeifahrt bewertet. Die Reihenfolge der bunten Fahrzeuge variierte je Versuchsgruppe, um Abstrahlungsefekte der zuvor gesehenen Lackierung zu vermeiden. das Phänomen der leisen Lackierung Bild 3 zeigt das Polaritätsproil einiger ausgewählter Geräuschbewertungen die sich als signiikant unterschiedlich herausgestellt haben. Es ist zu erkennen, wie die Probanden im Mittel auf die Frage „Wie empfanden Sie die Geräusche des vorbeifahrenden Fahrzeugs? “ geantwortet haben. Dargestellt ist jeweils der Mittelwert je Bild 3: Polaritätsproil ausgewählter Geräuschbewertungen. Bild 2: Auszug aus dem Fragebogen der experimentstudie. Fahrzeugfarbe. Die Ergebnisse zeigen, dass es zu unterschiedlichen Bewertungen der geräuschidentischen Fahrzeuge kommt. Die Bewertungsunterschiede können dem Farbeinluss zugeordnet werden. Die Lackierung Weiß lässt Fahrzeuge weniger laut erscheinen als grelle Lackierungen, wie etwa Grell-Grün, Rot oder Orange. 78% der Befragten hielten z.B. das weiße Fahrzeug für leise bis sehr leise. Zum Vergleich: nur 58 % halten das grüne Fahrzeug für leise, 23 % sogar für laut. Die Unterschiede sind signiikant. Das metallic-silber lackierte Auto wurde ebenfalls im Durchschnitt leicht leiser als die anderen Fahrzeugfarben bewertet. Jedoch ist dieser Unterschied nicht statistisch signiikant. Die weiße Lackierung scheint zudem für eine „angenehmere“ Geräuschkulisse zu sorgen. 71 % der Befragten gaben an, dass das weiße Auto ein „eher angenehmes“ bis „extrem angenehmes“ Geräusch mache. Auch hier lässt sich wieder ein signiikanter Kontrast zur Geräuschbewertung des grünen Fahrzeugs nachweisen. Grün wurde im Durchschnitt als weniger angenehm im Geräusch bewertet. Weißer Lack „klingt“ ebenfalls „sanftmütiger“, ein rotes oder grünes Auto dagegen weniger sanftmütig. Rote Fahrzeuge wirken vergleichsweise „sportlich“ im Geräusch. 50 % der Testpersonen empfanden dies so, dicht gefolgt vom schwarzen Fahrzeug mit 43 % Zustimmung zur „Sportlichkeit“. Ein schwarzes Auto erzeugt nach Angaben der Probanden „kraftvollere“ Geräusche (29 % Zustimmung). Diese Bewertungen unterscheiden sich insbesondere zum silbern lackierten Fahrzeug, welches auf die Probanden im Sound vermehrt „träge“ (56 % Zustimmung) und „schwach“ (40 % Zustimmung) wirkt. Das subjektiv „schönste“ Geräusch bewirkt hingegen scheinbar das rote Auto. Relativ ähnlich über die Farben hinweg waren die Geräuschbewertungen in den Punkten „leichtgängig-schwergängig“, „gedämpft-dröhnend“, „hoch-tief“ und „lästig-beruhigend“, „natürlich-unnatürlich“ und „gewöhnlich-einzigartig“. Fazit: Farben prägen Wahrnehmung In dem Experiment konnte nachgewiesen werden, dass die farbige Lackierung eines Autos Einluss auf die subjektive Geräuschwahrnehmung ausübt. Die audio-visuelle Interaktion scheint insbesondere bei einem weißen Fahrzeug ausgeprägt zu sein. Hier ergaben sich die meisten Unterscheide in den Geräuschbeurteilungen zu anderen Lackierungen. Dabei spielt es sicherlich eine Rolle, dass „Weiß“ in europäischen Breitengraden als „rein“ und „unschuldig“ gilt. Es ist zu vermuten, dass diese Attribute einem weißen Fahrzeug auto- QueLLen [1] HÖGER, R., GREIFENSTEIN, P.: Zum Einluss der Größe von Lastkraftwagen auf deren wahrgenommene Lautheit. Zeitschrift für Lärmbekämpfung 35, 128-131(1988) [2] MENZEL, D., DAUENHAUER, T., FASTL, H.: Crying colours and their inluence on loudness judgments. NAG/ DAGA, (2009, Rotterdam) [3] MENZEL, D., FASTL, H., GRAF, R., HELLBRÜCK, J.: Inluence of vehicle color on their loudness judgements. Acoustical Society of America 123 (2008) [4] FASTL, H.: Audio-visual interactions in loudness evaluation. Intern. Commision on Acoustics, (2004, Kyoto) [5] KBA, Zulassungsstatistik 2011 [6] DuPont, 2011 DuPont Global Automotive Color Popularity Report Insights matisch zugeschrieben werden. Die Ergebnisse der Studie liefern einen interessanten Anhaltpunkt zur Beeinlussung von externen Efekten des Straßenverkehrs mittels gezielter Farbgebung von Fahrzeugen. Sollen Fahrzeuge als extra leise empfunden werden, kann dies eine weiße Lackierung verstärken. Dieses Phänomen könnte zum Beispiel dafür genutzt werden, dass Lieferfahrzeuge in einer hellen Lackierung als leiser wahrgenommen werden. Will ein Hersteller ein Fahrzeug besonders sportlich und kraftvoll wirken lassen, so empiehlt sich ein schwarzes oder rotes Fahrzeug in der Werbung. Natürlich ist die Farbe nicht der einzige Faktor der für subjektiv unterschiedliche Geräuschwahrnehmung verantwortlich ist. Die Größe des Fahrzeugs, das Design und die Marke sind durchaus Komponenten, die ebenfalls die Wahrnehmung - und damit auch die Geräuschbewertung beeinlussen könnten. In dieser Untersuchung wurde mit dem Ford Fiesta ausschließlich das Kleinwagensegment getestet. Farben sind Geschmackssache und beeinlussen die Gesamtbeurteilung eines Autos. Neben der Beurteilung der Geräusche wurden den Probanden auch Fragen zur allgemeinen Beurteilung der Autos gestellt. Schwarz und Weiß wurden mit Abstand als „schöner“ beurteilt, vor allem als das klassische Silber und die aufälligen Farben Grün und Orange. Silber ist unter allen Bewertungen die am negativsten bewertete Fahrzeuglackierung. Sie gilt als „langweilig“, „schwach“ und „altmodisch“, vor allem unter den jungen Teilnehmern. Das schwarze Fahrzeug nahmen die Probanden hingegen als „kraftvoll“, „elegant“ und „männlich“ wahr. Weiß international gefragter Weiße Autos könnten also ein kleiner Anfang sein, den Straßenverkehr mit psychologischen Tricks „leiser“ und „schöner“ zu gestalten. Trotzdem bleibt die Farbwahl des Autos natürlich Geschmackssache. Die deutschen Autofahrer bevorzugen bei den Neuzulassungen derzeit weiterhin eher die klassischen Farben wie Schwarz (31 %) und Grau/ Silber (27 %). Weiß (13 %) verzeichnete jedoch von 2008 bis 2011 einen Anstieg um 6,7 % [5]. Weltweit ist die „leise“ weiße Lackierung mit 22 % noch weitaus populärer [6]. ■ Ferdinand dudenhöfer, Prof. Dr. Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft, Fakultät Ingenieurswissenschaften, Universität Duisburg-essen CAR - Center Automotive Research, Duisburg ferdinand.dudenhoefer@uni-due.de Henrike Koczwara, Dipl.-Kfr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft, Universität Duisburg-essen henrike.koczwara@uni-due.de Fachausstellung und Fachtagung für Planung, Bau und Betrieb von Einrichtungen des ruhenden Verkehrs Wiesbaden, 19. - 20.06.2013 Weitere Informationen unter +49 711 61946 16 oder parken@mesago.com Jetzt Aussteller werden! www.parken-messe.de/ aussteller Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 48 Abkehr vom Auto? Seit ende 2011 wird immer wieder in der Presse über die abnehmende Attraktivität des Autos vor allem bei den jungen erwachsenen berichtet. Die Rede ist von einem Mentalitätswandel, der eine Verkehrswende ankündigt, eine Abkehr von der Automobilität. Stimmt das wirklich? Z weifellos hätte eine Abkehr von der Mobilität mit dem Auto weitreichende wirtschaftliche, politische, soziale, gesellschaftliche und ökologische Folgen. Berichten darüber ist Aufmerksamkeit also sicher. Die Frage ist jedoch, worauf sich diese Berichte stützen. Welche Quellen dafür gibt es? Lässt sich eine „Automüdigkeit“ objektiv belegen? Und was könnten die Gründe für eine abnehmende Attraktivität des Autos sein? Die möglichen Gründe lassen sich in Pull- und Push-Faktoren einteilen. Erweiterte und verbesserte Verkehrsangebote gehören in die Kategorie der Pull-Faktoren, sich verschlechternde Bedingungen dagegen sind Push-Faktoren. Ein Beispiel für Push- Faktoren sind hohe Fahrzeugdichten, die ein zügiges Vorankommen behindern, so dass der Zeitaufwand entsprechend steigt; außerdem gehen im dichten Verkehr individuelle Unabhängigkeit und Flexibilität verloren. Verkehrsangebote mit Pull-Wirkung bieten Zeiteinsparung, Unabhängigkeit und Transportqualität: Ein Verkehrsmittel wird geschätzt, wenn man damit rasch und unaufwändig zum Ziel kommt, wenn es jederzeit verfügbar und wenn es komfortabel ist - es sind vorrangige Kategorien der Verkehrsmittelwahl. Ein alternatives Verkehrsangebot mit Pull-Qualitäten, jenseits des Autos, ist komfortabler öfentlicher Verkehr mit einem dichten Netz an Haltestellen und einer engmaschigenTaktfolge, die von Fahrplänen annähernd unabhängig machen. Relativ neu sind Car Sharing Angebote, die eine unabhängige Mobilität mit dem Auto ermöglichen, ohne dass man ein solches besitzt (Bild 1). Objektive Indikatoren, mit denen sich feststellen lässt, inwieweit die Automobilität infolge der Dynamik von Push- und Pull- Einlüssen abgenommen hat, sind • eine rückläuige Entwicklung des Pkw- Bestands, • eine Zunahme der Zahl der Haushalte ohne Pkw, • eine Verringerung der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer sowie • eine abnehmende Führerscheinquote. Die Fakten: Der Bestand der gemeldeten Pkw steigt immer noch an, 2010 lag er um 1% über dem entsprechenden Vorjahreswert. Nach wie vor sind nur knapp ein Fünftel der bundesdeutschen Haushalte ohne Auto [1]. Nach der Studie Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) zeichnet sich bei der Verkehrsleistung keine Verringerung der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer ab, eher ist das Gegenteil der Fall. Gleiches gilt für die Führerscheinquote, die zwischen 2002 und 2008 von 84 % auf 88 % gestiegen ist [2]. Keines dieser Ergebnisse spricht für eine Abkehr von der Automobilität. Ein weniger klares Ergebnis ergibt sich, wenn man nach Altersgruppen diferenziert und die Gruppe der jungen Erwachsenen in den Fokus rückt. Bei den 18bis 34-Jährigen in Deutschland haben sich die mit dem Auto zurückgelegten durchschnittlichen Wegelängen pro Person und Woche zwischen 1998 und 2008 von 279 auf 220 Kilometer verkürzt [3]. Bei nicht geringerer Verkehrsleistung bedeutet das, dass die jüngeren Die Autorin: antje Flade Foto: www.pd-f.de_biketec MOBILITÄT Verkehrsmittelwahl Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 49 Altersgruppen neben dem Auto vermehrt auch andere Verkehrsmittel nutzen. Nicht an Attraktivität verloren hat der Führerschein. Am 1.1.2012 betrug der Bestand an Pkw-Fahrerlaubnissen in der Altersgruppe der 18-bis 24-Jährigen insgesamt 4633 655, ein Jahr zuvor hatte er bei 4 666 592 gelegen. Bedenkt man aber, dass die Zahl der 18bis 24-Jährigen in diesem Zeitraum von 6 736 697 auf 6 653 199 zurückging, ist ersichtlich, dass von einem verringerten Interesse an einer Pkw-Fahrerlaubnis keinesfalls die Rede sein kann: Der Anteil der Führerscheinbesitzer in dieser Altersgruppe stieg von 69,27 % auf 69,65 % (Bild 2). Das Fahrrad bietet als individuell lexibles Verkehrsmittel ebenfalls Unabhängigkeit. Zudem ist es für einen großen Teil der im Alltag zurückzulegenden relativ kurzen Entfernungen ausreichend, auf diesen Strecken entsteht kein wesentlich höherer Zeitbedarf. Das Fahrrad besitzt zweifellos Pull-Qualitäten, dennoch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass es in einem spürbaren Ausmaß das Auto ersetzen würde. Im Nationalen Radverkehrsplan 2020 wird zwar von einem gewachsenen Interesse am Fahrrad und dessen gestiegener gesellschaftlicher Wertschätzung gesprochen, was man an der höheren Bereitschaft, mehr Geld für Fahrräder und Zubehör auszugeben, ablesen könne [5]. Doch dies könnte ein Trugschluss sein, der durch die mangelnde Diferenzierung zwischen den Funktionen des Fahrrads als Verkehrsmittel und als Sportgerät zustande kommt. Weitaus wahrscheinlicher ist, dass man vor allem bereit ist, für ein Sport- und Freizeitgerät einiges zu investieren. Doch die dafür ausgegebenen Summen sind nicht unbedingt ein Maßstab für eine gestiegene Attraktivität des Fahrrads als Verkehrsmittel im Alltag. Dass die Bedeutung des Fahrrads in dieser Hinsicht nicht nennenswert gewachsen ist, geht aus der MiD 2008 hervor. Der Radverkehrsanteil an den zurückgelegten Wegen lag 2008 bei 10 %, im Jahr 2002 bei 9 %, bezogen auf die Zahl der zurückgelegten Kilometer zu beiden Zeitpunkten bei 3 % [2]. Beides spricht nicht für einen Bedeutungszuwachs des Fahrrads als Verkehrsmittel. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich in der Gesamtbetrachtung über alle Altersgruppen hinweg keine Anhaltspunkte dafür inden, dass Auto und Automobilität einen Attraktivitätsverlust erlitten haben. Das einzige Zeichen, das auf einen Wandel hindeutet, ist die Verringerung der Autokilometer junger Erwachsener bei einer insgesamt nicht abnehmenden Verkehrsleistung. Einen größeren Teil der Strecken, die sie zurücklegen wollen oder bewältigen müssen, bestreiten die jungen Leute heutzutage mit anderen Verkehrsmitteln. Dass sie jedoch nach wie vor die Möglichkeit haben möchten, automobil sein zu können, belegen die Statistiken des Zentralen Fahrerlaubnisregisters. Der Pkw-Führerschein ist ein Garant für eine eigenständige Automobilität, die jederzeit möglich ist, auch ohne dass man ein eigenes Auto besitzt oder eines im Haushalt vorhanden sein müsste. Er ist ein Pull-Faktor ersten Ranges, der die potenzielle Automobilität einschließt und auch den Zugang zu alternativen Angeboten wie dem inzwischen lächendeckend gewerblich betriebenen Car Sharing eröfnet. Abnehmende Autokilometer bei einer gleichbleibend hohen Führerscheinquote sind kein überzeugender Hinweis auf eine Abkehr vom Auto, sondern stattdessen auf eine Abkehr von der Monomodalität in Richtung einer selbstverständlicheren Multimodalität, zu der auch das Auto gehört. Die jungen Erwachsenen scheinen für das diferenzierte Angebot an alternativen Beförderungsmöglichkeiten ofen zu sein. Wenn es Pull-Qualitäten aufweist, wird es genutzt. ■ antje Flade, Dr. Umweltpsychologin, Angewandte Wohn- und Mobilitätsforschung, Hamburg awmf-hh@web.de Bild 2: Gesamtbevölkerung und Führerscheinbesitzer in der Altersgruppe der 18bis 24-Jährigen mit Trendlinie. QueLLen [1] Statistisches Bundesamt et al., 2011; telefonische Auskunft zur Bevölkerungsstatistik. [2] Infas & DLR (2010): Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008). Im Auftrag des BMVBS. Berlin. [3] BMVBS (2010): Deutsches Mobilitätspanel (MOP) 1995-2009. Berlin. [4] Kraftfahrtbundesamt: Dokumente zum Fahrerlaubnisbestand im ZFER, Basistabellen; www.kba.de [5] BMVBS (2012): Nationaler Radverkehrsplan 2020. Berlin. Bild. 1: Nutzen statt besitzen - Konzepte wie Car2go erleichtern Automobilität ohne eigenes Auto. (Foto: Flade) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 50 MOBILITÄT Elektrofahrräder Liegt die Zukunft der E-Mobilität bei zweirädrigen Fahrzeugen? Die automobile elektromobilität hat sich in den letzten Jahren weniger stark entwickelt als von vielen erhoft. elektrische Zweiräder hingegen werden seit einigen Jahren nicht nur auf dem asiatischen, sondern auch auf dem europäischen Markt vermehrt nachgefragt. Dies gilt in besonderem Maße für die Schweiz, wo beispielsweise 2012 17% der verkauften Fahrräder mit einem elektromotor ausgestattet waren. erste Langzeitdaten zur entwicklung des Marktes liegen nun vor und erlauben vertiefte Aussagen zur Sozioökonomie der Nutzenden, zu ihrem Mobilitätsverhalten und zu den Perspektiven der elektromobilität ganz generell. E lektrischen Zweirädern (Pedelecs) lässt sich gegenüber Elektroautos aus einer Nachhaltigkeitsperspektive ein wesentlicher Zusatznutzen attestieren. Vor allem verbrauchen sie weniger Energie - ein Pedelec verbraucht umgerechnet 0,1 bis 0,2 l Benzin pro 100 km - und Platz, was besonders im Stadtverkehr bedeutsam ist. Der schweizerische Markt für elektrische Zweiräder unterscheidet sich vor allem in zwei Aspekten deutlich vom deutschen [1]. Erstens sind in der Schweiz stärkere Pedelecs zugelassen - der Begrif „Pedelec“ steht hier für Fahrräder, bei denen der Motor den Fahrer nur unterstützt, wenn dieser selber in die Pedale tritt; in der Schweiz ist der Begrif „Pedelec“ nicht gebräuchlich, stattdessen wird von „E-Bikes“ gesprochen, ein Begrif wiederum, der in Deutschland für Kleinkrafträder verwendet wird. In Die Autoren: ueli Haefeli, Heidi Hofmann Foto: newride.ch Deutschland darf die Tretunterstützung nicht über 25 km/ h hinausgehen (Schweiz: 45 km/ h), die Motorleistung darf 250 Watt nicht übersteigen (Schweiz: 1000 W). Die schnellen und in der Regel vergleichsweise teuren Produkte werden in der Schweiz stark nachgefragt. Zweitens hat die Marktdurchdringung in der Schweiz früher eingesetzt, unter anderem auch als Folge des Großversuchs mit Leicht-Elektromobilen zwischen 1994 und 2001 [2], weshalb inzwischen auch vermehrt Daten zu Langzeiterfahrungen mit elektrischen Zweirädern vorliegen. Nach den Niederlanden weist die Schweiz den zweithöchsten Pro-Kopf-Anteil an Elektrozweirädern in Europa auf. Der vorliegende Artikel stellt in erster Linie auf Daten zu Pedelec-Käufen im Kanton Basel-Stadt im Zeitraum von 2003 bis 2011 ab [3]. Das Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt förderte in dieser Zeit den Kauf von Elektrozweirädern mit gezielten inanziellen Beiträgen an Privatpersonen. 1 Dem Fördergesuch beigelegt war ein Fragebogen, in welchem sozioökonomische und mobilitätsspeziische Angaben erfragt wurden. Insgesamt konnten 1703 Fragebogen ausgewertet werden. Eine vergleichbare Zeitreihe mit solchen Daten gibt es unseres Wissens in Europa nicht. Damit lassen sich neuartige Aussagen zur Entwicklung des Marktes machen, welche wohl auch für das umliegende europäische Umfeld aussagekräftig sind. Darüber hinaus beziehen wir die Ergebnisse aus verschiedenen, teilweise noch laufenden Untersuchungen zum Mobilitätsverhalten der E-Zweirad- Nutzenden ein. Proil der Pedelec-Kundschaft Pedelecs sprechen vor allem eine Kundschaft mittleren Alters an: Das Durchschnittsalter beim Kauf lag 2011 bei gut 50 Jahren (vgl. Bild 1). Nach einem stetigen Anstieg zwischen 2003 und 2006 setzte seit 2007 eine Konsolidierung ein. Bei beiden Geschlechtern sind die 40bis 64-Jährigen im Vergleich zur gesamten Bevölkerung des Kantons deutlich übervertreten. Die männliche Käuferschaft ist durchschnittlich etwas älter als die weibliche, obwohl im Kanton Basel-Stadt bei den Personen ab 65 Jahren die Frauen klar stärker vertreten sind. Dieser Unterschied hat sich in den letzten Jahren jedoch etwas verringert. Die Tendenz zu einer älter werdenden Pedelec-Käuferschaft ist primär auf die weibliche Kundschaft zurückzuführen. Die Difusion von Pedelecs scheint somit ähnlichen Gesetzen zu unterliegen wie jene anderer technischer Geräte: Jüngere, vor allem männliche Nutzer bilden vorerst ein exklusives Kundensegment, bevor das Produkt auch geschlechts- und altersneutral auf Interesse stößt. In dieselbe Richtung deutet der sozioökonomische Indikator Bildung. Die Käuferschaft von Pedelecs weist im Durchschnitt über den ganzen Zeitraum eher hohe Bildungsabschlüsse auf. Es zeigt sich jedoch ein Trend hin zu einer Käuferschaft mit weniger akademischem Hintergrund. Insgesamt wird aber auch deutlich, dass sich Basler Käuferinnen und Käufer auf einem überdurchschnittlich hohen Einkommensniveau bewegen. Bezüglich der Ausstattung der Pedelec- Käuferschaft mit Mobilitätswerkzeugen ergaben sich folgende Hauptergebnisse: Die Pedelec-Haushalte im Kanton Basel- Stadt besitzen im Vergleich zur Schweizer Gesamtbevölkerung zwar seltener ein Auto (68 % gegenüber 79 %) [4]. Aber gegenüber der ganzen Bevölkerung der Stadt Basel, wo 2010 lediglich 45 % der Haushalte über ein Auto verfügten, ist die Pedelec-Käuferschaft stärker motorisiert. Darüber hinaus geht der Pedelec-Besitz häuiger mit einer Mitgliedschaft bei einer Carsharing-Organisation einher: 11 % aller Käuferinnen und Käufer von Pedelecs gaben an, Mitglied einer Carsharing-Organisation zu sein. Im Vergleich dazu nutzten 2007 im Kanton Basel-Stadt nur 2,3 % aller Einwohnerinnen und Einwohner ein solches Angebot. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Carsharing-Angebote mit Elektroautos bei der Kundschaft auf Interesse stossen könnten [5]. Ein ähnliches Bild zeigt sich im öfentlichen Verkehr: die Pedelec-Käuferschaft nutzt den öfentlichen Verkehr stärker als dies im gesamtschweizerischen Durchschnitt der Fall ist: 53 % der Stadtbasler Bevölkerung besitzen ein ÖV-Abonnement, bei der E-Scooter-Käuferschaft sind es 39 % und im gesamtschweizerischen Durchschnitt 24 %. 2 In der Summe deuten diese Befunde darauf hin, dass das Mobilitätsverhalten der Pedelec-Kundschaft im Vergleich sowohl zum eher autoorientierten Schweizer Durchschnitt als auch zur eher auf den Umweltverbund fokussierten Stadtbasler Bevölkerung stärker multibeziehungsweise intermodal geprägt ist. Dies bestätigt sich beim folgenden Rückgrif auf weitere Studien zum Mobilitätsverhalten von E-Zweirad- Nutzenden. Kontakt: DVV Media Group GmbH, Nordkanalstr. 36, 20097 Hamburg, Germany, Telefon: +49 40/ 237 14-440, E-Mail: buch@dvvmedia.com Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0439-3, 166 Seiten, Format 205 x 235 mm, Hardcover, Preis: € 42,00 inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Was ist ein Verbund? Warum gibt es ihn? Was macht der MVV genau? Wie hat sich in den vergangenen 40 Jahren alles entwickelt? Nach einer Zeitreise durch Themen wie Verbundtarif, Fahrgastinformation, ֚entlichkeitsarbeit und Verkehrsforschung ziehen die Autoren Bilanz und bieten einen Blick sowohl auf die Gegenwart als auch auf die Zukunft des MVVs. Zahlreiche Grußworte runden das Geburtstagsbuch ab. Jetzt bestellen unter www.eurailpress.de/ mvv Das MVV - Geburtstagsbuch Vierzig Jahre Münchener Verkehrs- und Tarifverbund MOBILITÄT Elektrofahrräder Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 52 e-Scooter vor dem durchbruch? Aus einer ökologischen Perspektive ist auch der Einsatz von E-Scootern (Elektrorollern) wünschenswert. Untersuchungen zum Mobilitätsverhalten im Rahmen des erwähnten Großversuchs haben gezeigt, dass mit E- Scootern in weit höherem Maß Autofahrten ersetzt wurden als mit Pedelecs. Bei letzteren wurden jährlich etwa 600 km Autofahrten ersetzt (und in je ähnlichem Ausmass ÖV- und Fahrradkilometer), bei den E-Scootern waren es ungefähr zehn Mal mehr, weil die Fahrleistungen der E-Scooter höher waren und weil eher Autofahrten ersetzt wurden [6]. Ein Zwischenresultat einer laufenden Untersuchung bestätigt dies: 44% der E-Scooter-Wege ersetzten Autofahrten (N-=-42 E-Scooter) [7]. Die Marktdurchdringung von E-Scootern ist im Vergleich zur Marktdurchdringung von Pedelecs allerdings in der Schweiz noch sehr gering, obwohl der Rollermarkt insgesamt boomt. Der Marktanteil beträgt zurzeit sowohl bei den E-Scootern als auch bei den Autos mit alternativen Antrieben (wie Hybrid-, Erdgas/ Biogas-, Elektro- und Plug-in-Hybridautos) 2 bis 3 %. Immerhin hat die schweizerische Post 2006 begonnen, ihre gesamte Benzinrollerlotte von ungefähr 7000 Fahrzeugen durch E- Scooter zu ersetzen. Die bisherigen Erfahrungen mit über 3000 Fahrzeugen zeigen gemäß Aussagen der Verantwortlichen bei der Post, dass solche Flotten gegenüber Benzinrollern keine Kostennachteile ausweisen und sehr zuverlässig funktionieren. Private kaufen dagegen heute nur selten E-Scooter. Im oben erwähnten, laufenden Forschungsprojekt wird dies folgendermaßen erklärt: Nachfrageseitig ist der Zusatznutzen der Produkte für den Einzelnen gegenüber Benzinrollern gering, während Pedelecs gegenüber herkömmlichen Velos schneller sind und ein weniger verschwitztes Ankommen am Zielort ermöglichen. E- Scooter werden bisher kaum als „trendige“ Produkte wahrgenommen. Angebotsseitig wird die Qualität der Produkte in der öffentlichen Wahrnehmung teilweise noch in Zweifel gezogen. Zudem ist die Schweiz für große Produzenten ein kleiner Markt (mit teilweise speziellen Anforderungen), weshalb viele große Hersteller zögern, in diesen Markt einzutreten. Weiter ist das Händlernetz noch lose geknüpft, die Margen sind oft gering. Und schließlich wird der Kaufpreis einiger Produkte als hoch wahrgenommen, die im Vergleich zum Benzinroller deutlich niedrigeren Unterhaltskosten werden von potenziellen Käuferinnen und Käufern zu wenig gewichtet. Fazit und ausblick Elektrozweiräder können in nachhaltigen, auf Multi- und Intermodalität ausgerichteten Mobilitätskonzepten ofensichtlich eine wichtige Rolle spielen. Aufgrund ihres geringen Energiekonsums, weil sie wenig Platz brauchen, weil sie in verstopften Innenstädten viele Autofahrten ersetzen und zu den schnellsten Verkehrsmitteln zählen, weisen sie gegenüber dem Elektroauto wichtige Zusatzvorteile auf. Zudem haben sich Pedelecs im Gegensatz zu anderen Elektrofahrzeugen auf dem schweizerischen Markt bereits etabliert und müssen LIterAtur [1] PAETZ, ALEXANDRA-GWYN et al. (2012): Wer nutzt Pedelecs und warum? , in: Internationales Verkehrswesen (64) 1, 34-37. [2] HAEFELI, UELI (2010): Die Renaissance des Elektromobils in der Schweiz nach 1970. Visionärer Technologiepfad oder Weg in die Sackgasse? , in: Schiedt, Hans-UIrich et al. (Hrsg.), Verkehrsgeschichte, Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte - Société Suisse d’histoire économique et sociale, Band 25, Zürich: Chronos, 343-356. [3] HAEFELI, UELI et al. (2012): Langzeitproil der E-Bike-Käuferschaft in Basel, Luzern, <http: / / www.newride.ch/ documents/ forschung/ F_Langzeitproil.pdf> (Zugrif. 16.1.2012). [4] Städtevergleich Mobilität. Vergleichende Betrachtung der Städte Basel, Bern, Luzern, St.- Gallen, Winterthur und Zürich (2012): Hrsg.: Planungsämter der jeweiligen Städte, <http: / / www.bs.ch/ mm/ staedtevergleich_mobilitaet _2012.pdf> (Zugrif. 28.1.2012). (Es handelt sich um eine Spezialauswertung des Mikrozensus Verkehr und Mobilität 2010.) [5] Vgl. dazu: KNIE, ANDREAS et al. (2012): E-Carsharing als Bestandteil multimodaler Angebote, in: Internationales Verkehrswesen (64) 1, 42-45. [6] HAEFELI, UELI et al. (2005): Elektro-Zweiräder, Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten, in: Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2004/ 2005, 111-125. [7] <http: / / www.ikaoe.unibe.ch/ forschung/ e-scooter/ index. html> (Zugrif. 16.1.2012) [8] HOFMANN, HEIDI; BRUPPACHER, SUSANNE (2008): Erfahrungen aus der Praxis bei der gezielten Verbreitung von E-Bikes als Innovation im Mobilitätsbereich., in: Umweltpsychologie, Jg. 12, Heft-Nr. 1, S. 49-65. MORENI, GIANNI et al. (2006): Finanzielle Anreize für eiziente Fahrzeuge, in: Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/ 2006, 203-224. ueli Haefeli, Prof. Dr. Interface Politikstudien Forschung Beratung und Universität Bern haefeli@interface-politikstudien.ch Heidi Hofmann, lic. phil hist. Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) der Universität Bern heidi.hofmann@ikaoe.unibe.ch Bild 1: entwicklung der Käuferschaft nach Geschlecht und Durchschnittsalter von 2003 bis 2011. Quelle: Fragebogen Amt für Umwelt und energie des Kantons Basel-Stadt, (Geschlecht: N = 1685; Alter: N = 1417) vom Staat nicht mehr mit Subventionen gefördert werden [8]. Vieles spricht also dafür, dass Elektrozweiräder von der Verkehrspolitik in Zukunft mehr beachtet werden sollten. ■ 1 Für Pedelecs wurden Förderbeiträge im Umfang von 10 % des Kaufpreises und eine Vergütung für Solarstrom für zwei Jahre von 98 SFR gewährt. 2 Um die Stammkundschaft des ÖV zu eruieren, sind bei diesen Werten die für gelegentliche Nutzende attraktiven Halb-Tax-Abonnemente (entspricht der BahnCard 50 in Deutschland) nicht mitgerechnet. Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 53 MOBILITÄT Wissenschaft Zunehmende Verkehrsmengen und Verkehrsleistungen führen selbst bei großräumig angelegten Verkehrsinfrastrukturen zu steigender Luftverschmutzung, mehr Lärmbelastung, Unfällen und Staus. ein Beitrag zur Analyse der Nachhaltigkeit aus verkehrslogistischer Perspektive. M egastädte als Wachstumszentren der globalen Entwicklung im 21.- Jahrhundert sind als bedeutendes Zukunftsthema zu verstehen. Die Entwicklung von Wirtschaft und Wohlstand geht in den vergangenen Jahrzehnten mit steigenden Verkehrsmengen und -leistungen einher, so dass selbst großräumig angelegte Verkehrsinfrastrukturen bei Wachstum zu Problemen wie Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Unfällen und Staus führen. Kritische Rekordmesswerte wie 249 km Stau in S-o Paulo 1 oder stark gesundheitsschädigende Feinstaubkonzentrationen (PM 2.5 ) von 886- µ g/ m 3 in Peking 2 verdeutlichen den akuten Bedarf nach einer nachhaltigen Entwicklung der Megastädte. Es gilt zu hinterfragen, anhand welcher Faktoren sich diese Entwicklung messen lässt und durch welche Konzepte sie beeinlusst wird. Eine besondere Herausforderung dabei ist, die Vergleichbarkeit unter den Städten aus verkehrslogistischer Perspektive zu schafen, um Verbesserungen zu erkennen und Methoden zu transferieren. Diese Fragestellung ist Ausgangspunkt des vorliegenden Artikels, der unter anderem aus den Ergebnissen einer Masterarbeit am Fachbereich Logistik der Technischen Universität Berlin entstanden ist. Die Zielsetzung bestand in einer Verfahrensentwicklung zur Bewertung und Analyse der Nachhaltigkeit in Megastädten aus verkehrslogistischer Perspektive. Nach der Deinition der Vereinten Nationen spricht man ab einer Einwohnerzahl von mehr als 10 Mio. von einer Megastadt. Im Jahr 2010 wurden 21 Megastädte gezählt, 3 bis 2025 werden es nach Schätzungen bereits mehr als 37 sein. Es sind jedoch auch jene 80 Städte relevant, in denen heute mehr als 5 Mio. Einwohner gezählt werden. Zum einen entwickeln sie sich zu Megastädten und zum anderen liefern sie erfolgversprechende Konzepte, die möglicherweise adaptiert werden können. Methodik zur vergleichenden Bewertung Die Auswahl der Indikatoren erfolgte aus verkehrslogistischer Perspektive und orientierte sich an den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, die ein Gleichgewicht zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen anstreben. Dafür wurden aus Studien, die sich mit der Bewertung von Nachhaltigkeit in Städten bereits beschäftigt haben, jene Indikatoren extrahiert, die den Forschungsschwerpunkten Verkehrslogistik und Megastädte zuzuordnen sind. Als relevante Studien sind hierbei insbesondere der Environmentally Sustainable Transport(EST)-Bericht der OECD, der Bericht des Schweizerischen Nationalen Forschungsprogramms 41 „Verkehr und Umwelt“, der Bericht des entwicklungs- und umweltpolitischen Aktionsprogramms „Agenda 21“ und die Ergebnisse des Projekts des Umweltbundesamts zur konzeptionellen Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren für den Bereich Verkehr zu nennen. Hierin wurden neun relevante Indikatoren identiiziert, die im Anschluss um sechs weitere ergänzt wurden, so dass in Summe 15 Indikatoren die Grundlage für das Bewertungsmodell bilden (Tabelle 1). Die Auswahl der ökologischen Indikatoren orientiert sich an den wichtigsten verkehrsrelevanten Luftschadstofen Schwefeldioxid (SO 2 ), Feinstaub (PM 2,5 ), Kohlenstofdioxid (CO 2 ) und den Vergleichende Bewertung der Nachhaltigkeit von Megastädten Die Autoren: anna Figiel, alev Kirazli, ran an, axel Haas, Frank Straube Indikatoren zur Nachhaltigkeit Ökologie • SO 2 -Konzentration • PM 2,5 -Konzentration • CO 2 -emission pro Kopf • Anteil Verkehrsläche • Anteil Grünläche Ökonomie • Bruttoinlandsprodukte Stadt/ Land • Infrastrukturinvestition/ BIP Stadt • Anzahl Pkw pro 1000 einwohner • Fahrzeit zur Arbeit • Big-Mac-Index Soziales • Verkehrsunfälle pro 1000 einwohner • Verkehrsbedingte Lärmbelastung • Bevölkerungsdichte • Modal Split im Personenverkehr Anteil Pkw • Modal Split im Personenverkehr Anteil ÖPNV Tabelle 1: Betrachtete Nachhaltigkeitsindikatoren MOBILITÄT Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 54 Sprachen beinhaltetete, wurden deutsche Botschaften in den untersuchten Ländern sowie Botschaften dieser Länder in Deutschland, lokale Behörden und wissenschaftliche Institute befragt. Zur Veriizierung der erhobenen Daten wurden zusätzlich Expertenmeinungen eingeholt. Die Bewertung und Gewichtung der Einzelwerte erfolgte durch ein Punktesystem. Pro Indikator werden in Abhängigkeit des erreichten Quantils maximal zehn Punkte vergeben, je nachhaltiger der Wert, desto höher die Punktzahl. Durch die stärkere Gewichtung der ökologischen Dimension und die Normierung auf die Höchstgesamtpunktzahl von 100, können in der Dimension 4 Ökologie maximal 50 Punkte erreicht werden, in den Dimensionen Ökonomie und Soziales jeweils 25 Punkte. Die Summe der drei Einzelwerte ist ausschlaggebend für das Ranking. ergebnisse Im Ergebnis wird deutlich, dass laut der erhobenen Daten und deren Bewertung keine Megastadt sehr gut abschneidet. Der maximal erreichte Wert liegt bei 65 von 100 Punkten in Osaka (Tabelle 2). Um eine nachhaltige Entwicklung der Megastädte zu fördern, reicht es demzufolge nicht aus, sich ausschließlich an den besten Megastädten zu orientieren. Es sind zusätzlich Lösungen und Citylogistikkonzepte anderer Modellstädte, wie zum Beispiel der Städte mit über 5 Mio. Einwohnern, in Betracht zu ziehen um Best-Practices ableiten und adaptieren zu können. Des weiteren ist aufällig, dass größtenteils innerhalb einer Megastadt alle drei Einzelwerte ein homogenes Niveau aufweisen. Die Bewertungen liegen jeweils sowohl in der ökologischen, ökonomischen als auch sozialen Dimension in einem eher guten oder eher schlechten Bereich. Diese Ausprägung ist auf die Wechselwirkungen innerhalb der Indikatoren und Dimensionen zurückzuführen. Werden die Ergebnisse nach Länderregionen gegliedert, so ist insbesondere in China eine divergierende Entwicklung zu beobachten: Peking belegt mit 43 Punkten nur Platz 19, während Shanghai mit 52 Punkten den 8. Platz einnimmt. Dies steht im Kontrast zu den betrachteten Megastädten in Südostasien. Hier ist eine homogene Entwicklung der untersuchten Nachhaltigkeit zu erkennen: Mumbai, Kalkutta, Neu Delhi und Dhaka bewegen sich im Ergebnisraum von 44 bis 46 Punkten bzw. belegen die Plätze 13 bis 16. Im Folgenden werden die ausgewählten Ergebnisse sowie verkehrslogistische Ursachen am Beispiel der Städte Osaka, S-o Paulo und Lagos erläutert. Diese Auswahl spiegelt nicht nur den Ranglistenersten, -elften und -letzten wider, sondern repräsentiert in Teilen auch die Entwicklung in Industrie-, BRIC- und Entwicklungsländern. Angeführt wird das gesamte Ranking von Osaka mit 65 von 100 Punkten. Ein vergleichsweise hoher Grünlächenanteil von 30 % des Stadtge- Anteilen an Verkehrs- und Grünläche, die der Stadt zur Verfügung stehen. Um die wirtschaftliche Bedeutung einer Stadt für das gesamte Land darzustellen und die Entwicklung der Infrastruktur zu quantiizieren, wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als zentrales Maß für die wirtschaftliche Leistung genutzt. Konkret wird hierzu das BIP des Landes zum BIP der jeweiligen Stadt sowie zu den dortigen Infrastrukturinvestitionen ins Verhältnis gesetzt. Der Motorisierungsgrad wird an der Anzahl der zugelassenen Pkw pro 1000 Einwohner angeführt. Schwerpunkte im Rahmen der sozialen Dimension bilden die Reduzierung des Verkehrslärms, die Gewährleistung der menschlichen Sicherheit und die Lebensqualität. Hierzu werden die verkehrsbedingte Lärmbelastung und die Anzahl der Unfälle pro 1000 Pkw ermittelt. Die Auswertung des Modal Splits nach der Nutzung des motorisierten Individualverkehrs und der öfentlichen Verkehrsmittel liefert im Ansatz Rückschlüsse auf das soziale Gefüge, verdeutlicht jedoch auch die Wechselwirkungen innerhalb der Dimensionen, insofern, dass der Modal Split außerdem eine entscheidende Einlussgröße für die ökologische Nachhaltigkeit darstellt. Für die Datenerhebung der 315 Einzelwerte, die sich aus den 15 Indikatoren für jeweils 21 Städte ergeben, wurden verschiedene Quellen herangezogen. Neben der Literaturanalyse, die insbesondere die Auswertung von Studien und Forschungsarbeiten in den jeweiligen regionalen ranking Gesamt Punkte Gesamt (von 100) Punkte Ökologie (von 50) Punkte Ökonomie (von 25) Punkte Soziales (von 25) Osaka 1 65 34 14 17 Tokio 2 61 30 19 12 Paris 3 60 32 13 15 New York 4 58 32 13 14 Moskau 5 55 32 10 13 Mexiko Stadt 6 54 26 12 16 Los angeles 6 54 30 14 10 Shanghai 8 52 22 13 17 Istanbul 9 51 26 14 11 Buenos aires 10 50 26 10 14 Sao Paulo 11 49 24 16 9 Manila 12 47 30 10 7 Mumbai 13 46 24 11 11 Kairo 13 46 24 11 11 rio de Janeiro 13 46 20 12 14 Kalkutta 16 44 22 9 13 dhaka 16 44 20 12 12 delhi 16 44 20 11 13 Peking 19 43 20 9 14 Karatschi 20 34 14 13 7 Lagos 21 30 10 11 9 Tabelle 2: Auswertung der Nachhaltigkeit in Megastädten Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 55 MOBILITÄT Wissenschaft Der letzte Platz wird in diesem Ranking von Lagos belegt, wobei hier insbesondere die ökologischen und sozialen Untersuchungsfelder ausschlaggebend sind. Obwohl Lagos zu den modernsten Städten in Nigeria gehört, was vor allem der robusten wirtschaftlichen Lage zu verdanken ist, liegt der Grünlächenanteil bei nur 3 %, und die Emissionswerte liegen bis auf den CO 2 -Ausstoß weit über den gesundheitsschädigenden Grenzwerten. Die Kontrolle über den Verkehr ist der Regierung seit Ende der 1960er-Jahre entglitten. Zwar existieren noch immer einige Vorrechte für Busse, aber für eine kontrollierte Beschränkung der Fahrzeuge auf bestimmten Routen fehlen der Regierung die Mittel. Die Straßen werden von fahruntüchtigen Wagen und Bussen dominiert, die neben der Schadstofemission regelmäßig Unfällen verursachen. Bedenkenlos wird die Instandhaltung der Verkehrsmittel als Fehlinvestition interpretiert und der Müll auf der Straße deponiert. Verstopfte Abwasserkanäle und überlutete Straßen während der Regenzeit stellen keine Seltenheit dar. 10 Es wird deutlich, dass in Lagos nicht nur großes Handlungspotenzial in der Bereitstellung von city- und verkehrslogistischen Lösungen besteht, sondern auch ein Nachhaltigkeitsbewusstsein in der Bevölkerung geschafen werden muss. Der folgende Abschnitt dient der Darstellung besonders kritischer Werte, um auf die Notwendigkeit nachhaltiger Lösungskonzepte in bietes sowie eine hohe ÖPNV-Nutzung von 58 % führen zu niedrigen Emissionswerten (Bild 1). Ein wichtiger Teil der Stadtpolitik Osakas ist der Einsatz intelligenter Verkehrssysteme und die Förderung von emissionsarmen Fahrzeugen sowohl für den Personenals auch Güterverkehr. 7,6 % des BIP werden in die Infrastruktur investiert, der Spitzenwert unter den untersuchten Megastädten aus Industrieländern, die ohne Osaka lediglich einen Mittelwert von 1,7 % aufweisen. Diese Entwicklung als auch der Einsatz von hoch automatisierten Konsolidierungs- und Güterverteilzentren machen die Stadt zum wichtigsten Logistikzentrum Japans. 5 Zu den besonderen Stärken der Stadt zählen außerdem die strengen politischen Vorgaben für die Abfallwirtschaft und eine nachhaltige Abwasserinfrastruktur. 6 S-o Paulo, als repräsentative BRIC-Staaten- Stadt, belegt mit 49 Punkten den 11. Platz und weist hauptsächlich in der sozialen Dimension (9 von 25 möglichen Punkten) Handlungsbedarf auf. Ein überdurchschnittlich hoher Pkw-Bestand mit einem Anteil von 27 % im Modal Split führt zu einer hohen Anzahl von Verkehrsunfällen und starker verkehrsbedingter Lärmbelastung. Um den Stadtverkehr zu entlasten, wurden bislang einzelne Maßnahmen erhoben, wie das Fahrverbot für Liefer- und Lastwagen im erweiterten Zentrum von S-o Paulo zu Stoßzeiten seit Anfang 2012. 7 Vielen Maßnahmen fehlt jedoch ein strategisches und ganzheitliches Konzept zur eizienteren Nutzung der Infrastruktur und des intermodalen Transports. So wächst beispielsweise die Fahrzeuglotte noch immer erheblich schneller als das Fahrbahnnetz. Die fünf Metrolinien und die Stadtbahn transportieren jeden Tag rund 2,8 Mio. Menschen und werden mit einem nicht-lächendeckenden Schienennetz von 61 km und 55 Metrostationen den Anforderungen einer monozentrischen Megastadt nicht gerecht. (Vergleich: New York hat ein Schienennetz von 1056 Km und 468 Metrostationen und belegt Platz 4 im Ranking). 8 Auch mangelt es an einem eizienten Zugang zu den Häfen, wo sich zu Spitzenzeiten nach Angaben der Wirtschaftszeitung Brasil Economico Lkw-Schlangen von bis zu 30- km bilden. 9 Allgemein ist aufällig, dass die aufstrebenden Städte aus den BRIC-Staaten eine Ausweitung der Verkehrsaktivität zeigen, dabei jedoch wenig auf neue und eiziente Technologien setzen und eine mangelnde Logistikinfrastruktur aufweisen. Dies führt insbesondere im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit zu einer Verschlechterung der Werte (Bild 2). Perspektivisch ist zu vermuten, dass die fortschreitende wirtschaftliche Entwicklung zunächst mit einer vorübergehenden Verschlechterung der Nachhaltigkeit einhergeht (mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen steigt die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge) und eine umfassende Verbesserung erst dann zu erwarten ist, wenn ein hohes Wohlstandsniveau erreicht ist. Bild 1: Flächenverbrauch und Modal Split in Osaka Bild 2: Verkehrsbedingte Lärmbelastung in Lagos, S-o Paulo und Osaka im Vergleich MOBILITÄT Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 56 Megastädten hinzuweisen (Tabelle 3). Hat eine Megastadt bei einer Individualausprägung eines Indikators null Punkte erreicht, so ist dieses Deizit in Tabelle 3 mit „—“gekennzeichnet. Wurden bei der Punktevergabe ein oder zwei von zehn möglichen Punkten erreicht, so weist die Tabelle ein „O“ auf. Es wird deutlich, dass alle untersuchten Megastädte mindestens einen, in der Regel jedoch mehrere alarmierende Werte aufweisen. Zur Veranschaulichung dienen die beiden Indikatoren verkehrsbedingte Lärmbelastung (Bild- 2) und Feinstaubkonzentration. Keine der untersuchten Megastädte hält aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und des hohen Verkehrslächenanteils die vom Umweltbundesamt publizierten Lärmrichtwerte ein. Der geforderte Wert von 60 dB wird im günstigsten Fall um 9- dB in Los Angeles überschritten, im ungünstigsten um über 30 dB wie in S-o Paulo, Lagos und Karatschi. Der Mittelwert liegt bei 80 dB und somit 20 dB über dem empfohlenen Wert. Vor dem Hintergrund, dass eine Erhöhung um 10 dB vom menschlichen Ohr als eine Verdopplung der Lautstärke wahrgenommen wird, sind diese Werte als besonders kritisch und gesundheitsgefährdend zu betrachten. Ähnlich verhält es sich mit dem Feinstaubwert von durchschnittlich 122 µ g/ m 3 in Lagos, der die empfohlene Richtline von 40 µ g/ m 3 um ein Vielfaches überschreitet. Es ist ersichtlich, dass sämtliche als kritisch identiizierten Werte aus Tabelle 3 ein eindeutiges Indiz dafür sind, dass Forderungen nach einer nachhal- Stadt Indikator Tokio delhi Sao Paulo Mumbai Mexiko Stadt New York Shanghai Kalkutta dhaka Karatschi Buenos aires Los angeles Peking rio de Janairo Manila Osaka Kairo Lagos Moskau Istanbul Paris Ökologie SO 2 -Konzentration O O — O O O PM-Konzentration O O — O O O CO 2 -emissionen pro Kopf (Stadt o. Land) — O O O O anteil Verkehrsläche O O — O O O anteil Grünläche O O O O O — Ökonomie BIP Stadt/ BIP Land O O O O — O Infrastrukturinvestition im Verhältnis zum BIP O O O — O O anzahl der Pkw pro 1000 einwohner O O O O — O Fahrzeit zur arbeit O O — O O O Big Mac Index O O O O O O Soziales Verkehrsunfälle pro 1000 einwohner O O — O O O Verkehrsbedingte Lärmbelästigung O O O O — Bevölkerungsdichte O O O — O O Modal Split im PV: anteil Pkw O O O — O Modal Split im PV: anteil ÖPNV O O — O O O Tabelle 3: Kritische Werte und Handlungsbedarf in Megastädten tigen Entwicklung in Megastädten unabdinglich sind und gleichermaßen von Politik, Gesellschaft als auch Wirtschaft getragen werden müssen. Fazit und ausblick Der Artikel macht deutlich, dass die Operationalisierung der Nachhaltigkeit mithilfe von ausgewählten Indikatoren zur Beschreibung des Status quo, zur Ableitung von Handlungsempfehlungen als auch zur Kontrolle der verkehrslogistischen Zielerreichung in Städten unerlässlich ist. Kritisch zu betrachten bleiben dabei die fehlenden Standards für die einheitliche Ermittlung und Erhebung der Indikatoren, um die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten mit anderen Untersuchungen zu sichern. Desweiteren stößt das vorgestellte Bewertungsmodell trotz der gezielten Auswahl der Indikatoren bei dem Versuch, sämtliche Wechselwirkungen zwischen Verkehr, Logistik, Megastadt und Nachhaltigkeit vollständig abzubilden, an seine Grenzen. Allein der Verkehrssektor in den Megastädten ist in seinen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft schwer quantiizierbar. Demnach gilt es in weiteren Forschungsvorhaben mit Hilfe qualitativer Berichterstattung in den einzelnen Megastädten diese Wechselwirkungen aufzudecken, diese gegebenenfalls um weitere Indikatoren zu ergänzen und in strukturierten Ursache-Wirkungs-Beziehungen wiederzugeben. Faktoren wie beispielsweise der strukturelle Aubau einer Stadt (monozentrisch Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 57 MOBILITÄT Wissenschaft vs. polyzentrisch), die Entwicklung der logistischen Infrastruktur als auch politische, ökonomische und soziale Umstände spielen dabei eine bedeutende Rolle und stellen ein relevantes Zukunftsfeld dar. Neben der Operationalisierung von Nachhaltigkeit im Verkehr sind Citylogistikkonzepte, die Integration der Verkehrsträger zu intermodalen Netzwerken und weitere interdisziplinäre Lösungen aus Modellstädten abzuleiten sowie verkehrspolitische Strategien in einem ganzheitlichen Ansatz zu interpretieren. ■ 1 Vgl. Spiegel online vom 23.05.2012 2 Vgl. FAZ vom 13.01.2013 3 Vgl. World Gazetteer Bevölkerungsstatistik (2013) 4 Durch die Beschränktheit der natürlichen Ressourcen wird das ökologische System priorisiert und die starke Nachhaltigkeit nach Weinrich (2004) vertreten. 5 Vgl. Chinatat (2008) 6 Vgl. Siemens Asian Green City Index (2011), S. 95 7 Vgl. Döhne, O. (2012) 8 Vgl. Center of Sustainbility Management (2008) 9 Vgl. Döhne, O. (2012) 10 Vgl. Olukoju, A. (2004), S.57 QueLLen SPIEGEL-ONLINE vom 23.05.2012: U-Bahn-Streik: 249 Kilometer Stau in S-o Paulo, Online erhältlich unter: http: / / www.spiegel.de/ panorama/ u-bahn-streikin-sao-paulo-verursacht-249-kilometer-langen-rekordstau-a-834843.html (Zugrif 12.02.2013) FAZ vom 13.01.2013: Peking nicht in Sicht, Online erhältlich unter: http: / / www. faz.net/ aktuell/ gesellschaft/ luftverschmutzung-peking-nicht-in-sicht-12023865. html (Zugrif 12.02.2013) WORLD GAZETTEER: Bevölkerungsstatistik (2012), Online erhältlich unter: (http: / / bevoelkerungsstatistik.de/ wg.php? x=1360171153&lng=de&des=wg&srt=pnan&col =adhoq&msz=1500) (Zugrif 05. Februar 2013) WEINREICH, S. (2004): Nachhaltige Entwicklung im Personenverkehr - Eine quantitative Analyse unter Einbezug externer Kosten. Heidelberg: Physica- Verlag. CHINATAT (2008): Distributionszentren in Japan. Online erhältlich unter: http: / / www.chinatat.com/ new/ 174_198/ 2009a8a21_sync8614550212890021315.shtml Siemens AG (2011) S. 95: Asian Green City Index. Online erhältlich unter: http: / / www.siemens.com/ press/ pool/ de/ events/ 2011/ corporate/ 2011-02-asia/ asiangci-report-e.pdf (Zugrif: 05. Februar 2013) DÖHNE, O. (2012): Brasilien baut Transportinfrastruktur aus. Online erhältlich unter: http: / / www.gtai.de/ GTAI/ Navigation/ DE/ Trade/ maerkte,did=579868. htmlVgl.%20Olukoju%20in%20Bauwelt%2048%20%282004%29 vom 23.05.2012 (Zugrif 05. Februar 2013) Center of Sustainbility Management (2008): Die Infrastruktur in S-o Pauo. Universität Lüneburg. Online erhältlich unter: http: / / www.sustainament. de/ 2008/ 06/ 6-die-infrastruktur-in-sao-paulo/ (Zugrif: 25. November 2012) OLUKOJU, A. (2004): Zum Thema Infrastruktur, erschienen in Bauwelt 48, S.54-59. Online erhältlich unter: http: / / www.bauwelt.de/ sixcms/ media. php/ 829/ 10816655_f08fb4a251.pdf (Zugrif 05. Februar 2013) anna Figiel, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachgebiet Logistik, Technische Universität Berlin igiel@logistik.tu-berlin.de ran an, M.Sc. Technische Universität, Berlin ran_an@ymail.com alev Kirazli, M.Sc. Technische Universität, Berlin kirazli.alev@gmail.com axel Haas, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachgebiet Logistik, Technische Universität Berlin haas@logistik.tu-berlin.de Frank Straube, Prof. Dr. Leiter Fachgebiet Logistik, Institut für Technologie und Management, Technische Universität Berlin straube@logistik.tu-berlin.de Bauen bei der Deutschen Bahn Hrsg. DB ProjektBau GmbH Das Schienennetz der Deutschen Bahn bildet Lebensadern für die deutsche und die europäische Wirtschaft. Die im Rahmen der Infrastrukturprojekte errichteten Bauwerke tragen zur grünen Mobilität in Deutschland für Güter und Menschen bei. Bestellen Sie jetzt Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ infrastrukturprojekte Infrastrukturprojekte 2012 Weitere Informationen nden Sie in Kürze unter www.eurailpress.de! Preis: € 48,00 inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Kontakt: DVV Media Group GmbH, Nordkanalstr. 36, 20097 Hamburg, Germany Telefon: +49 40/ 237 14-440, E-Mail: buch@dvvmedia.com TeCHNOLOGIe Fahrzeugkonzepte Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 58 Elektromobilität für den Alltag BOmobil heißt der elektro-Kleintransporter, den die Hochschule Bochum zusammen mit Partnern bis zur-Serienreife entwickelt. Das Konzept bestimmen die Anforderungen klein- und mittelständiger Unternehmen für den Regionalverkehr der Zukunft. E lektromobilität und ansprechendes Design müssen sich nicht ausschließen, wie das BOmobil zeigt: Der Elektro-Kleintransporter wird von der Hochschule Bochum sowie den Partnern Composite Impulse GmbH & Co. aus Gevelsberg, Delphi Deutschland GmbH aus Wuppertal und Scienlab electronics systems GmbH aus Bochum, den Stadtwerken Bochum und TÜV NORD Mobilität GmbH & Co. KG aus Essen serienreif entwickelt. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Wettbewerbs „ElektroMobil. NRW“. Die Hochschule Bochum beschäftigt sich seit über 10 Jahren mit der Thematik Elektromobilität, zunächst durch den Bau international erfolgreicher Solarcars. Zahlreiche Design-Awards und Innovationpreise - u.a. bei der Weltmeisterschaft dieser energieautark betriebenen Elektrofahrzeuge in Australien - und eine Weltumrundung mit knapp 30 000 gefahrenen Kilometern belegen das hohe Niveau der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten von Studenten, Ingenieuren und Professoren. Das Institut für Elektromobilität bündelt mit drei Professoren seit 2009 alle Aktivitäten und beschäftigt dazu ca. 30 Ingenieure und zahlreiche Studierende. Die Entwicklung des BOmobils stellt derzeit das Kernprojekt der Forschungseinrichtung dar. Technologisch zeigt der Prototyp eine bewusste Abwendung von herkömmlichen Automobilkonzepten: Statt einer zentralen Antriebseinheit werden Radnabenmotoren verwendet. So entsteht Raum für die Neugestaltung des Innenraums. Zwei Sitzplätze, Platz für eine Normgitterbox, V max über 130- km/ h und mehr als 150 Kilometer Reichweite stehen für alltagstaugliche Elektromobilität. Die meisten erhältlichen Elektrofahrzeuge basieren auf konventionellen Verbrennungsfahrzeugen, die erst nachträglich auf einen Elektroantrieb umgerüstet wurden. Die Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs ersetzen in Lage und Funktion die Komponenten des verbrennungsmotorischen Antriebs. Dadurch werden jedoch neugewonnene Freiheitsgrade eines Elektroantriebs nicht genutzt. Hier gehen die Designer des BOmobils andere Wege. Alle Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs werden im sogenannten Skateboard untergebracht, der tragenden Struktur (Bild 1). Die Batterie, die Traktionswechselrichter und die Motoren sind „organisch“ zueinander angeordnet, dadurch lassen sich kurze Leitungswege und ein niedriger Schwerpunkt realisieren. Durch die selbst entwickelten Radnabenmotoren in den Hinterrädern wird das Antriebsmoment dort generiert, wo es benötigt wird, und die eingesparte Antriebseinheit im Aufbau vergrößert das Ladevolumen des Fahrzeugs. Das Skateboard besteht aus Aluminium- Leichtbau-Proilen, die bei der Montage genietet und verklebt werden. Diese Variante des Aubaus ermöglicht eine hochfeste Struktur, die sowohl die Tragfähigkeit für einen Kleintransporter als auch die nötige Crash-Sicherheit für ein modernes Fahrzeug bietet. Der Aubau aus geklebten und genieteten Elementen ermöglicht eine kostengünstige und einfache Produktion in einem manufaktur-ähnlichen Prozess. Zur Kostenreduktion werden unter anderem für das Fahrwerk Standardkomponenten des Opel Zaira verwendet. Dabei werden die komplette Bremsanlage einschließlich der Assistenzsysteme wie ABS, ESP und EBV, die Dreieckslenker und Stabilisatoren sowie die Federbeine übernommen. Zur Kompensation der durch die Radnabenmotoren erhöhten ungefederten Massen erhalten die Dämpferelemente eine neue Abstimmung. Die Karosserie wird aus ABS- Kunststof und Faserverbund-Kunststof Der Autor: Stefan Spychalski Bild 1: In der Skateboard genannten tragenden Struktur sind die Komponenten des elektrischen Antriebsstrangs untergebracht. Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 59 gefertigt. Die Kunststobauteile haben sowohl strukturelle als auch wärme- und geräuschdämmende Funktion. Während in konventionellen Fahrzeugen Einscheiben- Sicherheits- und Verbundglas eingesetzt wird, erhält das BOmobil so weit möglich Kunststofscheiben. Die Auswahl geeigneter thermisch isolierender Karosserie- und Scheibenwerkstofe ist dabei von zentraler Bedeutung, um eine aktive Kühlung bzw. Heizung in deutlich geringerem Maße als in konventionellen Fahrzeugen erforderlich zu machen. In Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren steht Wärme infolge des schlechten Wirkungsgrads des Antriebs mehr als genug zur Verfügung. In Elektrofahrzeugen kann besonders die im Winter nötige Wärmeenergie die Reichweite drastisch reduzieren. Im BOmobil muss die Erzeugung und Verteilung von Wärme und Kälte mit Hilfe einer Wärmepumpe und entsprechenden Kondensatoren im Rahmen des sogenannten Thermomanagements sorgfältig konzipiert werden, um einen optimalen Mix aus Reichweite, Behaglichkeit für die Fahrzeuginsassen und Betriebssicherheit und Langlebigkeit der thermisch empindlichen Bauteile zu erreichen. Verbrauchsgünstige Lenkrad- und Sitzheizungen können den Heizenergiebedarf reduzieren und damit die Fahrreichweite vergrößern, ohne den Komfort zu schmälern (Bild 2). Die verwendete Batterie in Lithium-Eisen- Phosphat-Technologie nimmt in ihrer Leistungsfähigkeit bei Temperaturen unter 0°C stark ab. Eine Vorwärmung durch entsprechende Heizelemente im Winter ist aber nur beim Laden notwendig. Hochvolt-Komponenten wie die Leistungselektronik und die Radnabenmotoren sind mit Flüssigkeitskühlung ausgestattet, die einen stabilen Langzeitbetrieb gestattet. Das modulare Konzept der Entwicklungsarbeit macht unterschiedliche Karosserievarianten und Fahrzeugkonzepte möglich. Die Batterie als wesentlich preisbestimmende Komponente eines Elektrofahrzeuges lässt sich passend zur gewünschten Reichweite und den möglichen Ladezyklen skalieren. Hier ergeben sich durch klar vorgegebene Kilometerleistungen von professionellen Fahrzeuglottenbetreibern Einsparungspotentiale bei der Beschafung und realistische Einsatzszenarien. Diese fehlenden Rahmenbedingungen verhindern momentan den Durchbruch der Elektromobilität im privaten Umfeld. Das B-Muster des Kleintransporters ist mit Pritschenaubau realisiert (Bild 3), eine Pickup-Version ist in Arbeit. Derzeit suchen die Autobauer der Hochschule Bochum Investoren für die Produktion einer Kleinserie. Bochum ist dabei der bevorzugte Produktionsort, nicht nur wegen der Nähe zur Hochschule mit gut in Sachen Elektromobilität ausgebildeten Ingenieuren. Mit den Firmen Scienlab und Voltavision inden sich zwei weitere Hauptdarsteller der Branche in Bochum, mit denen man jetzt schon intensiv an einer elektromobilen Perspektive für die Ruhrgebietsstadt tief im Westen arbeitet. ■ Technische daten BOmobil abmessungen Länge ca. 4,3 m Breite 1,80 m Höhe 1,80 m Bodenfreiheit 20 cm Radstand 2637 mm variabel ± 0,5 m Spurweite vorn 1554 mm Spurweite hinten 1575 mm Angestrebter cw Wert 0,3 Leergewicht 1200 kg Zul. Gesamtgewicht 1700 kg antrieb Hinterradantrieb 2 Radnabenmotoren Gesamtantriebsmoment 1200 Nm Fzg.-Nennleistung 44 kW Höchstgeschwindigkeit < 130km/ h Reichweite bis zu 180 km ausstattung 2-Sitzer diverse Aufbauten und Karosserievarianten möglich, z.B. Pritsche oder geschlossener Laderaum, Laderaumvolumen ca. 2,5 m³ Leichtbaukarosserie Bild 3: Version des Kleintransporters mit Pritschenaufbau Bild 2: Verbrauchsgünstige Heizungen erwärmen Lenkrad und Sitz. Stefan Spychalski, Dipl.-Ing. Institut für elektromobilität Hochschule Bochum stefan.spychalski@hs-bochum.de INduSTrIe+TeCHNIK Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 60 ÖBB 550 Mio. eur für regionalzüge Der Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) hat ende Januar den Vorstand autorisiert, bei Siemens die ersten 100 Nah- und Regionalverkehrszüge vom Typ Desiro ML aus einer Rahmenvereinbarung abzurufen. Siemens hatte im April 2010 den Zuschlag bei einer der größten europaweiten Ausschreibungen für elektrische Regionalzüge erhalten. Die dreiteiligen elektrischen Triebfahrzeuge sollen ab ende 2015 ausgeliefert werden. Die endfertigung der Triebzüge wird im Werk Jedlersdorf der ÖBB stattinden. Die Drehgestelle kommen aus dem Siemens-Werk in Graz. Die S-Bahn-Züge verfügen über 244, die Regionaltriebzüge über 259- Sitzplätze. Die Desiro-Züge erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 160km/ h. Niederlureinstiege garantieren einen barrierefreien Zugang ohne Rampen. Die Fußbodenhöhe beträgt 600 mm. Die S-Bahnen erhalten sechs, die Regionalzüge vier Türen pro einstiegsseite. (zp) Rail One Fahrbahntechnik für Katar und Südkorea Das Fahrbahnsystem für die neue Straßenbahnlinie in Katars Hauptstadt Doha liefert Rail One, Hersteller von Betonschwellen und Systemanbieter für schienengebundene Fahrwege. Der Auftrag kommt vom Bauunternehmen Habtoor Leighton Group und umfasst unterschiedliche Varianten des Systems Rheda City. Der Großteil der rund 15 km langen Strecke wird mit Beton eingedeckt, ein kurzer Abschnitt wird mit Rasen ausgeführt. Voraussichtlich noch im ersten Quartal 2013 wird mit der Produktion der rund 14 000 TB/ ZB-Schwellen im Werk Hail im Königreich Saudi- Arabien begonnen. Für den Neubau der Honam- Hochgeschwindigkeitsstrecke in Südkorea liefert Rail One über 530000 Zweiblock-Betonschwellen. Auftraggeber sind Sampyo engineering & Construction LTD., Kuedo Kongyung Co., Ltd. und HwaSung-Kuedo Co., Ltd. Die Schwellen werden auf der etwa 230 km langen Honam-Linie eingesetzt, welche bei Osong von der bestehenden Hochgeschwindigkeitsstrecke abzweigen und zur im Südwesten gelegenen Hafenstadt Mokpo führen soll. Die Produktion der Schwellen erfolgt in den Werken in Incheon und Cheonan südlich von Seoul, einem Joint Venture von Rail One mit Taemyung Industrial Co. Rail One war bereits am zweiten Abschnitt der Hochgeschwindigkeitsverbindung von Seoul nach Busan - genannt Kyungbu-Linie - beteiligt. (zp) Daimler Financial Services Mobilitätsdienstleistungen gebündelt Die Daimler Financial Services AG will das Geschäft mit Mobilitätsdiensten ausbauen und gründete im Januar die Daimler Mobility Services GmbH mit Sitz in Stuttgart. Das Tochterunternehmen soll die Marken Car2go für Carsharing und Moovel als Smartphone-App zum Vergleich verschiedener Mobilitätsangebote betreuen. Weitere geplante Betätigungsfelder der Gesellschaft sind unter anderem die entwicklung von innovativen Lösungen zum Suchen, Buchen und Reservieren von Parkplätzen sowie von Carsharing-Angeboten für gewerbliche Flotten. (zp) Vossloh Südamerika im Fokus Mit einer Firmenübernahme in Brasilien und der Gründung eines Konsortiums zum Bau eines Weichenwerks in Argentinien stärkt der Vossloh-Konzern sein Geschäft im Wachstumsmarkt Südamerika. In Brasilien hat Vossloh zum 18. Januar 2013 den Weichenhersteller Metalúrgica Barros Monteiro Ltda (MBM, „Barros Monteiro“) in Sorocaba in der Provinz S-o Paulo zu 100 Prozent übernommen. In Argentinien hat Vossloh mit der argentinischen Bahninfrastrukturbehörde ADIF ein Konsortium gegründet, um ein Weichenwerk in La Plata, 60 km von der Hauptstadt Buenos Aires entfernt, zu bauen. Die Fabrik soll in diesem Jahr die Produktion aufnehmen. Am Konsortium „ADIF Se - Vossloh Cogifer Argentina SA Consortio de Cooperation“ hält Vossloh 51 Prozent der Anteile. In Argentinien wird die ADIF der einzige Hersteller von Weichen sein. „Der südamerikanische Markt für Bahntechnik gehört zu den am schnellsten wachsenden Märkten weltweit“, so Werner Andree, Vorstandssprecher der Vossloh AG. „Allein Brasilien hat ambitionierte Pläne, seine Bahninfrastruktur im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 auszubauen. Mit unserer verstärkten Präsenz wollen wir am Wachstum der Region partizipieren.“ (zp) Daimler / BMW / Audi Streit um Kältemittel Die Autobauer Daimler, BMW und Audi haben sich der Meinung von Umweltbundesamt und ADAC angeschlossen, dass vom ab 2013 von der eU vorgeschriebenen Kältemittel R1234yf für Klimaanlagen unkalkulierbare Risiken ausgehen. Sie sind aus dem weltweiten Verband der Automobilingenieure SAe ausgestiegen. Beispielsweise könne sich das Mittel bei einem Unfall im Motorraum entzünden. entsprechend will Daimler R1234yf nicht in seinen Fahrzeugen einsetzen und plädiert für das natürliche Gas CO 2 (R744) als Kältemittel, was noch dazu bedeutend klimafreundlicher wäre. Nun muss entschieden werden, ob die Übergangsfrist von R134a zu R1234yf noch einmal verlängert wird, um die Risiken zu überprüfen oder eine Umstellung auf CO 2 zu ermöglichen. Im anderen Fall könnten Daimler Strafen drohen. Produzenten von R1234yf sind die US-Chemie-Riesen Dupont und Honeywell. (zp) Det Norske Veritas Weniger CO 2 , mehr LNG Frachtschife werden bis 2020 wesentlich umweltfreundlicher. Neubauten sollen dann ein Drittel weniger CO 2 ausstoßen als heutige Schife. Das geht aus einer Technikstudie von Det Norske Veritas (DNV) hervor. Flüssiggas (LNG) werde als energie für Seeschife an Bedeutung gewinnen und mehr als jedes zehnte neu gebaute Schif in den kommenden acht Jahren antreiben. Schon bis 2016 erwarten die experten von DNV, dass mindestens 30 Prozent der Schife mit Abgasreinigungsanlagen oder Katalysatoren ausgerüstet werden. Treiber der entwicklung sind laut Studie sowohl verschärfte internationale Umweltaulagen als auch wirtschaftliche entwicklungen. So würden sich die Preise für Gas und Öl entkoppeln. Gas würde vergleichsweise deutlich billiger und damit als Antriebsenergie für Schife attraktiver. (zp) Simulation des Desiro für die ÖBB Quelle: Siemens Audi export-Hub im-duisport Hafenbetreiber Duisport errichtet im Duisburger Hafen zusammen mit Schnellecke Logistics für 25 Mio. eUR den weltweit größten CKD-Standort der Audi AG für exporte nach China und Indien. 16- 000 TeU sollen pro Jahr Richtung Asien gehen. Duisport entwickelt dafür das Gesamtkonzept. Audi hat Schnellecke mit der CKD-Logistik beauftragt. CKD steht für „Completely Knocked Down“ und umfasst alles rund um Verpacken, Zwischenlagern und Stauen. (zp) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 61 ZF Großauftrag aus Chinas Hauptstadt Der Verkehrsbetrieb der Stadt Peking, die Beijing Public Transport Corporation (BPTC), hat im Januar Niederlur-Achssysteme für rund 2200 Busse bei ZF Friedrichshafen geordert. Darüber hinaus werden alle Busse mit Lenkungen der ZF Lenksysteme GmbH ausgestattet. Die Systeme werden in diesem Jahr ausgeliefert. Die Niederlurbusse werden in China produziert. Die Lenkung orderte BPTC außerdem noch für 800 weitere Überlandbusse. Seit 2004 forciert BPTC den Ausbau des städtischen Personentransportsystems und setzt dabei verstärkt auf Niederlurbusse. Heute betreibt BPTC mehr als 28 000 Busse auf einer Streckenlänge von gut 187-500 km. (zp) Spheros Tochter für Buselektronik gegründet Mit der Gründung der Setbus Ltda weitet Spheros, ein Hersteller von Busklimaanlagen, seine elektronikkompetenz im Omnibussegment weiter aus. Die neue Tochter von Spheros Brasilien bietet künftig die entwicklung, Industrialisierung, Applikation und den Service der gesamten elektronik im Omnibus-Aufbau für Lateinamerika und die Spheros-Schlüsselkunden weltweit an. Das Unternehmen mit Sitz in Caxías do Sul soll unter der Leitung von Jayme Comandulli, dem langjährigen Geschäftsführer von Spheros Brasilien, zum weltweit größten Zulieferer für Bus-Body-elektronik ausgebaut werden. Um dieses Ziel in den nächsten Jahren zu erreichen, sind Investitionen in Sachanlagen und entwicklungsdienstleistungen im zweistelligen euro- Millionenbereich geplant. Gleichzeitig erhält Setbus die direkte Unterstützung durch die Spheros elektronik-Kompetenzzentren in Deutschland. (zp) B-I-C Neuer Lack für große Schife Das Bionik-Innovations-Centrum (B-I-C) der Hochschule Bremen hat einen giftfreien und streichfähigen Schutzanstrich gegen Bewuchs für Boote auf den Markt gebracht, dessen Wirkungsmechanismus nun auch bei großen Schifen angewendet werden soll. Mit der Firma Wilckens Farben aus Glückstadt und 350-000 eUR der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) soll ein Spritzlack neu entwickelt werden, der die guten erfahrungen mit den manuellen Bootsanstrichen auf große Flächen und industrielle Verfahren mit hohen Lackiergeschwindigkeiten überträgt. „Schife werden vor Bewuchs, Gewässer vor Giften geschützt. Gleichzeitig können Kraftstofverbrauch und Schadstofausstoß deutlich gesenkt werden“, sagt Prof. Dr. Antonia Kesel vom B-I-C. Vorbild für die giftfreie Farbe ist die besondere Hautstruktur von Haien: glatt in Strömungsrichtung, rau gegen die Strömung. (zp) Siemens / Fjellstrand erste elektrische autofähre Zusammen mit der norwegischen Werft Fjellstrand hat Siemens die nach eigenen Angaben erste elektrisch angetriebene Autofähre der Welt entwickelt. Das 80 m lange Schif fasst 120 Autos und 360 Passagiere. Ab Anfang 2015 soll sie zwischen den Orten Lavik und Oppdal über den Sognefjord fahren. Zwischen den Fährfahrten werden die Schifsbatterien innerhalb von nur zehn Minuten im Hafen wieder aufgeladen. Als Katamaran mit zwei schmalen Rümpfen ist der Widerstand im Wasser geringer als bei konventionellen Schifen. Zudem ist der Rumpf aus Aluminium und nicht wie üblich aus Stahl gebaut. Statt eines Dieselmotors versorgt eine 10 t schwere Batterie die beiden mit elektromotoren angetriebenen Propeller. Insgesamt wiegt die neue Fähre nur halb so viel wie eine konventionelle Variante. ein Knackpunkt für die elektrisch angetriebene Fähre ist die nur zehn Minuten kurze Ladezeit. In den kleinen Fjordgemeinden reicht das lokale Stromnetz nicht aus, um so schnell solch große elektrische Leistungen bereitzustellen. Die entwickler installierten deshalb in den Häfen ebenfalls Batterien. Sie versorgen während der Stopps die Fähre und laden sich dann langsam aus dem Ortsnetz wieder auf. (zp) Der Pekinger Verkehrsbetrieb BPTC setzt konsequent auf Niederlurtechnik. Foto: BPTC Die Batterie der Fähre wird in den Häfen wieder aufgeladen. Quelle: Siemens Jade Hochschule Hybridantrieb für Frachter Frachtschife sollen wieder segeln - die Jade Hochschule erforscht günstige und umweltfreundliche alternative Schifsantriebe im internationalen Verbundprojekt „Sail“. Ziel ist es, Kosten und umweltschädliche emissionen zu senken. ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Windkraft. Segel könnten etwa durch Maschinen unterstützt werden. An bereits vorhandenen Segelschifen wird gemessen, wie viel Treibstof eingespart werden kann, welche Geschwindigkeiten möglich sind und welche Kurse gefahren werden können. Bisher lag nur wenig Datenmaterial vor. In dem eU-Forschungsprojekt „Sail“ arbeiten 18 Partner aus sieben Ländern (Deutschland, Niederlande, Belgien, Schweden, Dänemark, Großbritannien und Frankreich) zusammen. Neben Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind Schiffahrts- und Technologieunternehmen sowie Häfen beteiligt. Das gesamte Interreg-Projekt wird bis 2015 gefördert und hat einen Umfang von 4 Mio. eUR. (zp) Nordhessischer Verkehrsverbund Mobilfalt bindet private PKW ein Wenn der Bus nicht fährt, geht es mit dem Auto weiter: ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt startet im April und verbindet in Nordhessen Busse, Bahnen, Taxis und private Autofahrer - auch im Fahrplan. Im Projekt „Mobilfalt“ des Nordhessischen Verkehrsverbunds (NVV) sind private Autofahrten als fester Bestandteil des öffentlichen Personennahverkehrs im Fahrplan und in die Fahrplanauskunft integriert. Der Autofahrer erhält - unabhängig von der Zahl seiner Fahrgäste - 30 Cent pro Kilometer. Der Preis für jeden Mitfahrer beträgt pro Fahrt einen euro. es wird zunächst in drei Pilotregionen getestet: Sontra/ Nentershausen/ Herleshausen, Witzenhausen und Niedenstein. Das Land Hessen übernimmt dem NVV zufolge die Hälfte der Kosten für das Projekt in Höhe von rund 180 000 eUR. Mobilfalt ist Teil des Modellversuchs „ÖPNV im ländlichen Raum“, den das Land bis 2014 mit 1 Mio. eUR inanziert. (zp) INduSTrIe+TeCHNIK Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 62 Johnson Controls Sitze mit Ökoglobe einen ÖkoGlobe 2012 in der Kategorie „Rohstofe, Werkstofe und Verfahrensoptimierung“ hat Johnson Controls für seinen ComfortThin-Sitz erhalten. Der Anbieter von Autositzen und Sitzkomponenten hat besonders leichte und recyclebare Materialien verwendet, die sich in anderen Bereichen bereits bewährt haben, bisher aber nicht für Autositze eingesetzt wurden. Dazu gehört die Taschenfederkerntechnologie aus der Bettenindustrie, die die Urethan-Schaumpads ersetzt. Zudem ist der Sitz fünf bis 20 Prozent leichter als herkömmliche Modelle und hilft damit, Kraftstof zu sparen. Die neue Technologie soll für Fahrzeuge ab dem Modelljahr 2015 zur Verfügung stehen. erste Tests verliefen positiv. (zp) Onyx e-rad für zwei Die Onyx Composites GmbH, Osnabrück, entwickelt ein ultraleichtes Hybridfahrzeug, das den Stadtverkehr umweltfreundlicher machen soll. „Der Antriebsmix aus elektromotor und Pedalkraft setzt keine Schadstofe frei. Vor allem im städtischen Pendelverkehr kann das e- Mobil für Umweltentlastung sorgen“, betonte Dr. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Mit einer Reichweite von 50 km, einem Maximaltempo von 45 km/ h und einem Gewicht unter 100 kg soll der Zweisitzer dort sein einsatzgebiet haben, wo das Fahrrad an seine Reichweiten- und Komfortgrenzen stößt. Durch Verwendung von Standardteilen aus der elektrofahrradindustrie kann das e-Mobil laut Hersteller für unter 9000 eUR angeboten werden. Die Optik ähnelt der eines Liegerads mit Karosserie, tiefem einstieg, zwei kleineren Vorderrädern, zwei großen Hinterrädern und einer abnehmbaren Scheibe, die sich auch über den Köpfen der Insassen wölbt. Die DBU fördert das Projekt mit 54 500 eUR. (zp) IBM Bessere Verkehrsprognosen Wie kann der Verkehrsluss in Köln optimiert werden? Das war die Grundfrage des Pilotprojekts der Stadt Köln mit IBM Deutschland, das ende vergangenen Jahres stattfand. Auf der Grundlage vorliegender Verkehrsdaten von 150 Messstellen und 20 Kameras sollten möglichst präzise Voraussagen zur Verkehrsentwicklung gemacht werden, so dass mit entsprechendem Verkehrsmanagement Staus möglichst vermieden werden können. Nach Angaben von IBM lag die Genauigkeit der Kurzzeitprognosen unter einsatz des IBM Traic Prediction Tools bei über 90 Prozent. Bisher gab es keine computergestützte Verkehrsanalyse mithilfe von Prognoseinstrumenten in Köln. Möglichst präzise Kurzzeitprognosen und Verkehrslagenanalysen können laut IBM wesentlich dazu beitragen, drohende Verkehrsverdichtungen noch vor ihrer entstehung zu erkennen und ihnen mit geeigneten Maßnahmen entgegenzusteuern. Zudem bieten die Prognosedaten auch die Chance, Autofahrer auf mögliche Verkehrsstörungen rechtzeitig hinzuweisen. „Wir sind mit den Analyseergebnissen sehr zufrieden“, sagt Thomas Weil, Leiter der Verkehrszentrale Köln. Sie zeigten, dass die Nutzung der Messdaten sehr gut geeignet ist, präzisere Verkehrsinformationen bereitzustellen. (zp) TU Darmstadt Verkehrsinfosystem für Hanoi Mit dem Ziel, mittelfristig den energieverbrauch sowie emissionen und Lärm zu reduzieren, baut die TU Darmstadt gemeinsam mit deutschen und vietnamesischen Partnern ein umfassendes echtzeit-Verkehrsinformationssystem für Hanoi auf. Dazu sollen bis 2015 Busse und Taxis mit GPS-Sendern sowie Motorradfahrer von Dienstleistungsunternehmen mit GPS-fähigen Mobilfunkgeräten ausgestattet werden. „Der einzelne Bürger kann mit diesen Informationen Staus sofort erkennen und umgehen, die städtischen Behörden erhalten eine Planungsgrundlage für Verbesserungen des öfentlichen Nahverkehrs, für ihre Verkehrsplanung und für die Stadtentwicklung“, erläutert Professor Manfred Boltze von der TU Darmstadt. Die Vernetzung der ermittelten Daten soll ein Bild der aktuellen Verkehrsströme in Hanoi aufzeigen, das deutlich genauer, aktueller und umfassender ist als herkömmliche Systeme der Verkehrsüberwachung. Finanziert wird das rund 2,5 Mio. eUR teure Projekt vom deutschen Bundesforschungsministerium und vom vietnamesischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie. (zp) Der Fahrer kann wählen, ob er mit Muskelkraft oder elektromotor fahren will. Graik: Onyx Daimler / Ford / Nissan Gemeinsame entwicklung einer Brennstofzelle Die Daimler AG, Ford Motor Company und Nissan Motor Company wollen künftig gemeinsam die Kommerzialisierung der Brennstoffzellen-Fahrzeugtechnologie weiter vorantreiben. Die Forschung soll Hand in Hand und damit schneller voran gehen, die Kosten sollen durch die gemeinsame entwicklung überschaubar gehalten werden. eine großlächige Markteinführung der weltweit ersten wettbewerbsfähigen elektrofahrzeuge mit Brennstofzelle ist für 2017 geplant. Das Trio hat sich einen sechsstelligen Jahresumsatz zum Ziel gesetzt. (zp) Still rX 70-Familie erweitert Mit den Versionen für Lasten von 4 bis 5 und 6 bis 8 t hat der Hamburger Flurförderzeughersteller Still nun die erneuerung seiner dieselelektrisch angetriebenen Stapler vom Grundtyp RX 70 abgeschlossen. Die Motoren bieten die einhaltung der Abgasnorm III b (eU-Richtlinie 97/ 98 eG). Dabei kommt der kleine 2,9-l-Motor, der in den Varianten 40/ 50 eingesetzt wird, sogar ohne Rußpartikelilter aus. Die größeren Modelle benötigen zwar einen Partikelilter und verbrauchen daher mehr energie, doch die Aggregate sorgen laut Hersteller dafür, dass der Kraftstofkonsum in etwa auf demselben Niveau wie bei der Vorgängerbaureihe bleibt. Zudem sind die Wartungsintervalle länger geworden: Die neuen Geräte müssen jetzt nur noch alle 1000 Betriebsstunden durchgesehen werden. Für die Fahrer sorgen große Sichtfenster sowie die bei den großen Versionen seitlich nach links versetzte Kabine für Rundumsicht. Komfort bieten laut Still der ergonomische Arbeitsplatz und der gut gefederte Sitz. Die RX 70-Staplerfamilie ist nun komplett. Foto: Still Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 63 Euro VI Praxis ist unentschieden Auf der IAA waren sie überall zu sehen, doch der Absatz von LKW, die die euro-VI-Norm erfüllen, läuft noch schleppend. Das hat eine DVZ-Umfrage ergeben. Die Meinungen über die euro-VI- Fahrzeuge gehen weit auseinander. Zu teuer, zu hoher Verbrauch und wartungsaufwändige Technik sagen die einen. Andere machen gute erfahrungen, gerade mit Blick auf den Verbrauch. Doch im Markt herrscht laut DVZ Unsicherheit. Auch deshalb, weil noch nicht bekannt ist, wo der Mautsatz für diese Fahrzeuge liegen und ob es eine Förderung geben wird. Anfang 2014 müssen alle neu zugelassenen LKW die euro-VI- Norm erfüllen. Die Unsicherheit führt dazu, dass eine Reihe von Unternehmen bis 2014 mit dem Kauf von euro-VI-LKW warten will. Annähernd 40 Prozent der Teilnehmer an der nicht repräsentativen Umfrage verfolgen diese Strategie. Rund 27 Prozent haben bereits gekauft, knapp 20 Prozent planen konkret die Anschafung, weitere 15 Prozent wollen noch vor dem Stichtag kaufen. (zp) Fraunhofer IPK Nachtruhe trotz LKW-Verkehr Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK entwickelt im Schaufensterprojekt „Nachtbelieferung mit elektrischen Nutzfahrzeugen - NaNu“ im Rahmen des Schaufensters elektromobilität Berlin-Brandenburg ein Batteriewechselsystem für mittelschwere Nutzfahrzeuge, das den einfachen Wechsel der Antriebsbatterie nach jeder Tour ermöglicht. Der Tausch indet im Depot des Projektpartners Meyer & Meyer statt, der täglich Geschäfte in der Berliner Innenstadt mit Textilien beliefert. Die elektrisch angetriebenen LKW können die Versorgung nachts erledigen, ohne die Anwohner durch Lärm zu stören. Die erforderlichen Umbauten an den Versuchsfahrzeugen werden vom brandenburgischen LKW-Spezialisten Hüfermann ausgeführt. (zp) Kapsch Funk für den ÖPNV Kapsch CarrierCom, ein weltweit tätiger Spezialist für Zugsicherheitssysteme auf Basis von GSM-R Technologie, hat sein Angebot erweitert und bietet nun auch Funksysteme für den öfentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Die Grundlage dafür bildet die Bündelfunktechnologie Tetra (Terrestrial Trunked Radio). Technisch gesehen eignet sich der Vermittlungsmodus (trunked mode), wie er in Tetra-Netzen zur Anwendung kommt, laut Kapsch ideal für Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse. Diese bekämen damit ein universelles innerbetriebliches Kommunikationsnetz, in dem endgeräte sowohl als Funkgeräte als auch als Telefone verwendet werden könnten. Kapsch will im Rahmen einer Kooperation mit dem holländischen Technologiehersteller Rohill B.V. Gesamtlösungen für den öfentlichen Verkehr realisieren. (zp) BMVBS Forschungsprogramm für Straßen „Straße im 21. Jahrhundert - Innovativer Straßenbau in Deutschland“ heißt ein Forschungsprogramm, das dem Straßenbau einen Innovationsschub geben soll. es wurde kürzlich vom Bundesverkehrsministerium (BMVBS) als Rahmen für künftige Forschungsaktivitäten im Straßenwesen vorgestellt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer: „Mit innovativen Techniken und Materialien können Staus und Unfälle reduziert, Lärm und Abgase verringert und sogar energie produziert werden.“ So gebe es bereits abgasschluckende Schallschutzwände, geothermisch beheizte Brücken und ein modulares Schnellreparatursystem für Straßen, die „Betonplombe“, die derzeit erprobt werde. Das Programm ist bis 2030 angelegt und eingebettet in das Gesamtforschungsprogramm des BMVBS und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) sowie die Hightech-Strategie der Bundesregierung. (zp) Mercedes-Benz Verteiler mit euro-VI ein Fahrerhaus im Stil der Großen, neu eingeführte Power Shift 3-Getriebe mit acht Gängen, serienmäßiger Stabilitätsregelassistent und durchgehend euro VI sowie ein um bis zu 5 % niedrigerer Verbrauch als das alte Modell: Das zeichnet die erneuerte Verteilerfamilie Atego von Mercedes-Benz aus. Die Fahrzeuge mit 6,5 t bis 16 t zulässigem Gesamtgewicht bieten einen komplett neuen Antriebsstrang und sieben euro-VI-Motorvarianten für Hand- und Automatikschaltung. Der Verkauf des Atego startet im Mai. Körner e-Transporter im Programm Mit dem Mega e-Worker hat die Körner Gabelstapler GmbH ihr Vertriebsprogramm um ein geräuschfreies elektrofahrzeug für den In- und Outdoor-einsatz ergänzt. Der vom französischen Unternehmen Mega entwickelte Transporter ist als Kipper, Pritschenwagen oder Van mit Koferaufbau zu haben. Der Stromkostenanteil liegt nach Unternehmensangaben bei etwa 1,20 eUR pro 100 km. Je nach Batteriepack mit 8,6 kW/ h, 11,5 kW/ h oder 17,3 kW/ h kann das Fahrzeug Strecken von 60, 80 oder 100 km zurücklegen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt zwischen 25 und 40 km/ h, die Ladekapazität zwischen 750 und 870 kg. (zp) Der e-Worker ist durch verschiedene Aufbauten lexibel einsetzbar. Foto: Körner Als jüngstes Mitglied in der erneuerten Mercedes-Benz LKW-Familie tritt der Atego mit euro VI im Verteilerverkehr an. Quelle: Daimler Air Baltic Weniger emissionen und Lärm Die lettische Fluggesellschaft Air Baltic startet zusammen mit der Airbus-Tochter Quovadis und Latvijas Gaisa Satiksme (LGS) ein Projekt namens „Amber“ zur Reduzierung von emissionen. Am Flughafen Riga wird dazu ein neues satellitengestütztes Anlugverfahren eingeführt, um Flüge über Wohngebiete zu vermeiden und damit die Lärmbelastung zu reduzieren. Zusätzlich können dadurch Kraftstofverbrauch und emissionen eingespart werden. Die neue Flugbahn wird bis zu 30 nautische Meilen kürzer sein als die derzeitige Route. Dies ermöglicht eine Reduzierung der CO 2 -emissionen um bis zu 300 kg pro Flug. Die Testphase läuft bis zum Frühjahr 2013. Piloten und Fluglotsen werden derzeit an Simulatoren für dieses neue Verfahren ausgebildet. Bis Sommer 2013 sollen etwa 100 Flugversuche durchgeführt und die CO 2 -einsparungen analysiert werden. Sponsor ist das Forschungsprogramm zum Luftverkehrsleitsystem für den einheitlichen europäischen Luftraum SeSAR. Mit diesem Projekt soll SeSAR beweisen, dass sich die gesamte gewerbliche Luftfahrt, einschließlich regionaler Flüge, so umgestalten lässt, dass die Auswirkungen auf die Umwelt deutlich reduziert werden können. (zp) Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 64 SerVICe Entdeckungen E nde Januar stellte die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG) in Berlin ihren zweiten verkehrswissenschaftlichen Jahresband vor, der anhand zahlreicher Praxis- und Expertenbeiträge den Wandel im Bereich der Mobilität dokumentiert. Die 35 Autoren behandeln alle Verkehrsträger. Die Bandbreite Ihrer Beiträge reicht von gesellschaftlichen, politischen und technischen Bestandsaufnahmen über kritische Betrachtungen der Informations- und Dialogkultur in Deutschland bis hin zu Strategien für Planung, Erhalt und Finanzierung der unterschiedlichen Verkehrsinfrastrukturen. Auch der Wandel des Verkehrsverhaltens und die Betrachtung aktueller Trends im urbanen, vor allem postfossilen Verkehr nimmt breiten Raum ein. Der Jahresband wurde vom Bundesverkehrsministerium (BMVBS) inanziell gefördert und kann auf Nachfrage an Organisationen aus Ver- Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. (Hg.) 2012, 224 Seiten, DVWG, Berlin ISBN 978-3-942488-20-4 Perspektive Mobilität - Herausforderungen im gesellschaftlichen Wandel DVWG-Jahresband 2011/ 2012 Für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik kehrspolitik und Verkehrswirtschaft, Ministerien, Verkehrsverbünde, Kommunen und verkehrsrelevante Bildungseinrichtungen abgegeben werden. Weitere Informationen: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft, Hauptgeschäftsstelle, Agricolastraße 25, 10555 Berlin, Tel. 030/ 29360620, E-Mail hgs@dvwg.de. ■ Z unehmende Urbanisierung, wachsender Individualverkehr und überlastete Infrastrukturen: Die Herausforderungen für Planer, Stadtentwickler und politisch Verantwortliche in den Kommunen sind zwischenzeitlich hinreichend bekannt, die drängenden Fragen der Finanzierung ebenso. Der Königsweg aus diesem Problemkreis ist noch nicht gefunden. Die Autoren dieses Buches, langjährige Strategieberater und Entwickler neuer Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit dem sogenannten Internet of Services, formulieren hier immerhin nachdenkenswerte Ideen. Sie beschreiben eine Vision der modernen Stadt, in der die Bürger dank Smartphone und schon heute verfügbarer IT-Technologien den Wandel ihres Gemeinwesens aktiv beeinlussen. Ziel dieses Wandels sei die digitale Stadt, postfossil, ressourceneizient und gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Schlagwort Smart City zu beschreiben. Das Buch skizziert neue Geschäftsmodelle durch Cloud Computing und Ökosystem-Apps im Umfeld von Smart-City-Projekten. Es schildert die tiefgreifenden Veränderungen für Infrastruktur-Anbieter durch neue Geschäftsmodelle auf Basis eines übergreifenden Daten-Ma- Jaekel, Michael; Bronnert, Karsten 2013, Broschur, 190 Seiten, 17 x 24 cm, Springer Vieweg ISBN 978-3-658-00170-4 EUR 49,99 die digitale evolution moderner Großstädte Apps-basierte innovative Geschäftsmodelle für neue Urbanität Urbanes Leben mit der App gestalten nagements. Die Rolle der Bürger und das veränderte Selbstverständnis in den Stadtverwaltungen ist ein weiterer Schwerpunkt. Schließlich geben die Autoren Handlungsempfehlungen für alle Akteure in diesem urbanen Umfeld, wie komplexe Lösungen im engen Verbund mit den Bürgern und Verwaltungen zu realisieren seien. Die verschiedenen Geschäftsmodelle werden praxistauglich in Anwendungsbeispielen dargestellt. ■ Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 65 SerVICe Leserforum Nur besser kommunizieren? B eim Projekt Stuttgart 21 besteht das Problem eigentlich nicht darin, dass die Bürger zu wenig informiert wurden. Die Proteste gegen das Projekt kamen dadurch zustande, dass unabhängige Bahnfachleute und Bürger, die sich für den Schienenverkehr interessierten, entdeckten, dass die Versprechungen der Bahn und der Projektverantwortlichen über den Nutzen des Projekts unzutrefend waren und das Projekt daher nicht als nützlich; sondern als schädlich erkannt wurde. Im Turmforum, dem Informationszentrum für das Projekt im Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofs, wird zum Beispiel behauptet: „Die 8 Gleise des zukünftigen Durchgangsbahnhofs können mehr als doppelt so viel Züge bewältigen wie der derzeitige Hauptbahnhof mit 16 Gleisen.“ Diese Aussage ist auch für Laien leicht als falsch zu entlarven. Da im Kopbahnhof fahrplanmäßig in der Spitzenstunde 37 Züge verkehren - die Kapazität liegt höher - würde die Behauptung der Bahn nämlich bedeuten, dass der Tiebahnhof ungefähr 80 Züge pro Stunde verkraften kann, also 10 Züge je Gleis. Es ist aber bekannt, dass es keine vergleichbaren Bahnhöfe gibt, die wesentlich mehr als 4 Züge pro Gleis in der Stunde verkraften. Es ist also leicht zu erkennen, dass wesentliche Informationen der Bahn falsch sind. Daran würde auch eine aktivere Kommunikation der Bahn nichts ändern. Dass sich viele Stuttgarter über den Abriss der beiden Seitenlügel des denkmalgeschützten Bonatzbaus und anderer Gebäude, über die Eingrife in das wichtigste innerstädtische Naherholungsgebiet und die Baustellen, die an vielen Stellen in Stuttgart entstehen, ärgern, hätte sich auch durch bessere Information nicht verhindern lassen. Die vorbereitenden Arbeiten im Bereich des Stuttgarter Kopbahnhofs, die im Februar 2010 begannen, haben immer wieder zu Störungen des Bahnverkehrs geführt. Dies wäre von den betrofenen Fahrgästen sicher eher akzeptiert worden, wenn die Bahn darüber rechtzeitig informiert hätte. Das wäre aber nicht möglich gewesen, da es die Bahn vorher nicht wusste. Die Bahn hat die Seitenlügel des Bonatzbaus abgerissen, ohne vorher zu überprüfen, ob danach noch die Statik des Bahnhofdachs gewährleistet ist. Tatsächlich gab es durch den Abriss der Seitenlügel Probleme mit dem Bahnhofdach, was zu nicht vorhersehbaren Störungen des Bahnverkehrs geführt hat. Nach dem Umbau des Gleisvorfelds kam es dreimal zu Entgleisungen an derselben Stelle mit entsprechenden Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Auch dies war nicht vorhersehbar und daher auch nicht im voraus kommunizierbar. Allenfalls bei den Kosten des Projekts wäre es möglich gewesen, zu einem früheren Zeitpunkt realistischere Angaben zu machen. Es hätte vermutlich weniger Verärgerung und Widerstand gegen das Projekt gegeben, wenn die Bahn der Öfentlichkeit zu einem früheren Zeitpunkt proaktiv reinen Wein über die zu erwartenden Kosten eingeschenkt hätte. Die Bahn hat zahlreiche Broschüren herausgegeben, zum Beispiel auch über die geplante Schienenanbindung des Stuttgarter Flughafens. Wenn die Bürger nun Jahre nach Herausgabe der entsprechenden Broschüre erfahren, dass die beschriebenen Pläne gar nicht genehmigungsfähig sind, dann ist nicht die mangelnde Information das Problem, sondern die mangelnde Fähigkeit der Planer. Das Problem ist also nicht, dass die Bahn das Projekt Stuttgart 21 nicht nach außen proaktiv kommuniziert hat. Das Problem ist das Projekt selbst. Rudolf Pleiderer und Hansjörg Knapp, Ingenieure 22, Stuttgart Leserzuschriften sind keine Meinungsäußerung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, die Texte sinnwahrend zu kürzen. Heft 5/ 2012, S. 78: Harald Zulauf: „Großprojekte brauchen proaktive Kommunikation! “ I m Dezember 2012 hat die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen die Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrslächen (RStO) neu herausgegeben worden und damit die Ausgabe von 2001 auf den aktuellen Stand gebracht. Die RStO sind Richtlinien für den standardisierten Oberbau von Verkehrslächen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortslagen bei Neubau und Erneuerung. Sie berücksichtigen dabei vor allem die Funktion der Verkehrsläche, die Verkehrsbelastung, die Lage der Verkehrsläche im Gelände, die Bodenverhältnisse, die Bauweise und den Zustand einer zu erneuernden Verkehrsläche sowie die Bedingungen, die sich durch die freie Strecke oder die geschlossene Ortslage ergeben. In die Richtlinien sind Erfahrungen bei Bau und Nutzung von Befestigungen für Ver- Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV 499, Ausgabe 2012, 52 S. A 4, Köln ISBN 978-386446-021-0 EUR 38,00 (FGSV-Mitglieder EUR 25,50) richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrslächen (rStO) Neubau und Erhaltung von Straßen kehrslächen, aber auch Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen und Berechnungen zur Abschätzung des Verhaltens der verschiedenen Bauweisen eingelossen. Weitere Information und Bestellung: FGSV Verlag, Wesselinger Straße 17, 50999 Köln, Tel 02236/ 384630, E-Mail info@fgsv-verlag.de. ■ www.internationalesverkehrswesen.de/ app DVV Media Group GmbH | Tel. +49 40/ 237 14-114 | Fax +49 40/ 237 14-104 | E-Mail: kirsten.striedieck@dvvmedia.com Das strukturierte Chaos Megatrends in der Verkehrsindustrie POLITIK Neuer europäischer Standard EN 16258 LOGISTIK Chancen und Risiken des russischen Logistikmarkts INFRASTRUKTUR Grenzen des Güterverkehrswachstums werden sichtbar Im Interview: Uwe Clausen, Fraunhofer www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 6 November/ Dezember l 2012 Mobilität, Logistik, Infrastruktur, Technologie und Politik: Wer sich ein Urteil bilden will, sollte umfassend informiert sein. Das strukturierte Chaos Megatrends in der Verkehrsindustrie POLITIK Neuer europäischer Standard EN 16258 LOGISTIK Chancen und Risiken des russischen Logistikmarkts INFRASTRUKTUR Grenzen des Güterverkehrswachstums werden sichtbar Im Interview: Uwe Clausen, Fraunhofer www.internationalesverkehrswesen.de Transport and Mobility Management Heft 6 November/ Dezember l 2012 JETZT 3 IN 1: Printausgabe e-Paper App-Ausgabe & (Eurailpress-Kiosk) Die digitalen Ausgaben sind für Abonnenten kostenfrei! Registrieren Sie sich einfach unter www.internationalesverkehrswesen.de/ app und wir senden Ihnen Ihre persönlichen Zugangsdaten. Sie haben kein Abonnement? Unter www.eurailpress.de/ kiosk können Sie die App herunterladen und das Angebot kostenfrei testen. Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 67 v erk e H r Sw I S S e n S c H AftL I c H e n Ac H rI c H te n Mitteilungsblätter der Deutschen verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.v. 1. Heft März 2013 Eine Kultur der Ermunterung L iebe Mitglieder und Freunde der DVWG, etwas verspätet, aber nicht weniger herzlich wünsche ich Ihnen ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2013! Auch in diesem Jahr möchten wir unseren erfolgreich eingeschlagenen Weg zur strategischen Positionierung als neutrale Plattform für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik fortsetzen. Schon heute freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem am 5. Dezember 2012 von der Bundesdelegiertenversammlung gewählten Präsidium und danke Ihnen herzlich für das ausgesprochene Vertrauen. Verkehr und Mobilität rücken immer stärker in das öfentliche Bewusstsein. Die sich in ihrer Gesamtheit verändernden Rahmenbedingungen stellen den Verkehrsmarkt und damit alle beteiligten Akteure vor wachsende Herausforderungen. Nur im Dialog kann eine gesellschaftliche und politische Akzeptanz für den notwendigen Handlungsbedarf entwickelt werden. Genau diesen Prozess der gemeinsamen Diskussion und Entscheidungsindung zu wichtigen Themen mit ihren vielfältigen zentralen und regionalen wissenschaftlichen Veranstaltungen wird die DVWG weiter begleiten. Zum Jahresauftakt des Veranstaltungsjahres 2013 konnten wir am 23. Januar in den Räumen der Stadtbibliothek im Herzen Berlins unseren DVWG-Jahresband 2011/ 2012 mit dem Titel „Perspektive Mobilität - Herausforderungen im gesellschaftlichen Wandel“ einem interessierten Publikum aus Presse, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbandswesen präsentieren. Unser Jahresband, der wieder vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gefördert wurde, dokumentiert mit 27 Autorenbeiträgen, gegliedert in 6 verschiedene Fachkapitel, unsere verkehrswissenschaftliche Erfahrung mit interdisziplinären und verkehrsträgerübergreifenden Denkansätzen. Als Vertreterin des BMVBS durften wir Frau Birgitta Worringen begrüßen. Anschließend hatte ich Gelegenheit, in meiner Funktion als Präsident der DVWG in einer verkehrswissenschaftlichen Rede die Rolle der Verkehrswissenschaften im Hinblick auf die Bewältigung der vielfältigen, zukünftigen Aufgaben in Mobilität und Logistik einmal näher zu betrachten. „ … Die über 100-jährige DVWG und die Verkehrswissenschaften liefern mit ihrem Fachwissen den Treibstof, ohne den jeder Motor stottert. Damit dieser Treibstof auch den Antrieb für die Lösungen der Zukunft geben kann, muss er beständig weiter genutzt und entwickelt werden. Das tun wir. Und dafür erhofen wir uns auch Unterstützung aus Politik und Wirtschaft. Dann können wir Sie weiterhin mit dem versorgen, was Sie für die Ankurbelung der Wirtschaft in Deutschland brauchen: die nötige Anschubkraft für zündende Ideen! Damit Mobilität und Logistik der Schmierstof unserer Regionen sowie lächendeckend ein Herausstellungsmerkmal für Deutschland bleiben, müssen sie it für die Zukunft gemacht werden. Dafür brauchen wir eine Kultur der Ermunterung für die gesamte Branche …“ Lassen Sie uns alle gemeinsam mit Zuversicht und Optimismus in die Zukunft blicken! Ihr Knut ringat Präsident Den vollständigen Wortlaut der verkehrswissenschaftlichen Rede inden Sie auf unserem Internetportal unter http: / / www.dvwg.de/ aktuellespresse/ aktuelle-meldungen.html. Übergabe des DVWG-Jahresbandes durch Prof. Knut Ringat an Brigitta Worringen (BMVBS). Foto: P.-P. Weiler dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 68 Europäische Seehafenpolitik A m 01.11.2012 fand in Rostock eine von der Bezirksvereinigung Mecklenburg- Vorpommern, dem Ostseeinstitut für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität Rostock und der IHK zu Rostock gemeinsam organisierte Vortragsveranstaltung zur Seehafenpolitik der Europäischen Union statt. Als Referenten standen Herr Prof. Karl- Heinz Breitzmann, Geschäftsführender Direktor des Ostseeinstitutes, und Herr Klaus Heitmann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der Deutschen Seehafenbetriebe zur Verfügung. Während Prof. Breitzmann sich vor allem mit der vergangenen Entwicklung der EU- Seehafenpolitik befasste, erörterte Herr Heitmann besonders die jüngsten EU-Akti- Planen und Bauen bei der SBB dipl.-Ing. Günter Koch, Bezirksvereinigung Oberrhein D ie Planungs- und Bauprozesse in der Schweiz haben einen guten Ruf. Wie die SBB ihre Prozesse strukturiert, war im Herbst das Thema eines Vortrages von Dipl.-Ing. Marc Weber-Lenkel, Projektleiter in der Division Infrastruktur der SBB, in Karlsruhe. Das Netz der SBB hat nicht nur eines der höchsten Leistungsdichten Europas, es zeichnet sich auch durch eine hohe Pünktlichkeit aus. Bau und Instandhaltung erfolgen in großen Teilen unter dem rollenden Rad. Einleitend führte Weber-Lenkel aus, wie sich die Abteilung „Projekte“, die für die Planung von Infrastrukturen verantwortlich ist, aufstellt. Diese ist für das Projektmanagement und Engineering zuständig. Dabei werden alle Fachgewerke grundsätzlich unternehmensintern abgedeckt. Um die eigenen Ressourcen zu entlasten bzw. zu unterstützen, werden in bestimmten Gewerken externe Ingenieurbüros hinzugezogen. Dies geschieht vor allem bei Ingenieur- und Tiebau, Fahrstrom, Kabel, Vermessung sowie bei den technischen Anlagen und Umwelt. Im Gegensatz zu anderen Bahnen werden die Trassierung, Fahrbahn sowie Leit- und Sicherungsanlagen fast ausschließlich hausintern geplant. Die Ersteller-Projektleitung steuert und koordiniert als Gesamtprojektleiter und wird dazu im Bedarfsfall auch extern unterstützt. In Abhängigkeit von Projektgröße und Schwierigkeitsgrad werden auf der fachlichen Ebene eigene Projekte aufgesetzt, die im Detail auf dieser Ebene durch von den Fachabteilungen abgestellte Teilprojektleiter auch gesteuert werden. Externe Dienstleister sind immer fachlich angebunden, was eine sachgerechte Qualitätssicherung gewährleistet. Bemerkenswert ist die Einrichtung einer eigenen Organisationseinheit „Projekt Oice“ zur Unterstützung der Projektleiter, die ihm u.a. die interne Genehmigungsprozesse abnimmt und damit auch auf der übergeordneten Ebene zu einheitlichen Entscheidungsvorlagen führt. Im Projektablaufinden sich die Phasen Studie, Vorprojekt, Bauprojekt, Submission und Ausführung. In der Studie wird die Aufgabenstellung formuliert und die Bestvariante herausgearbeitet, dies geschieht noch vor der Aufstellung des Projektes. Im Vorprojekt werden auf der Grundlage des zuvor formulierten Projektierungsauftrages die Anlagen und Technologie bearbeitet. Abschließend wird die notwendige unternehmensinterne Genehmigung des Projektes eingeholt. Das Bauprojekt baut auf diesem auf und beinhaltet das Aulageprojekt, eine Zwischenstufe von Entwurfs- und Ausführungsplanung, und das Plangenehmigungsverfahren. Die Plang enehmigung erfolgt einstuig, d. h. ohne weitere Prüfung der Ausführungsunterlagen und hat eine Regeldauer von 12 bis 18 Monaten. Die Umsetzung erfolgt in der Phase Ausführung, wobei die Ingenieur- und Tiebauten durch externe Bauunternehmungen, die Fachgewerke durch die SBB-eigene Bauabteilung „Instandhaltung“ realisiert werden. Die Abteilung Instandhaltung setzt dabei eine eigene Ausführungsprojektleitung ein. Diese sowie die externen Bauunternehmen werden von der Ersteller-Projektleitung bzw. den von ihr eingesetzten Bauleitern koordiniert. Die Gesamtprojektleitung steuert das Projekt weiterhin bis zur Inbetriebnahme. Damit bleibt die Projektverantwortung von der Studie bis zu Inbetriebnahme in einer Hand, wodurch eine hohe Kontinuität und Planungsverlässlichkeit sichergestellt wird. Wesentliche Merkmale der Planungsstruktur bei der SBB sind Berücksichtigung der technischen Themen in der Organisationsstruktur, die den Ingenieur nicht nur in die Verantwortung nimmt, sondern ihm auch klare Arbeitsräume lässt. Dass die Struktur funktioniert, kann daran festgestellt werden, dass die vereinbarten Termine und der Kostenrahmen nur selten von den Zielwerten abweichen. Weber-Lenkel erläuterte am Beispiel der Überwerfung Hürlistein, wie ein Projekt in der Praxis abgewickelt wird und welche Unwägbarkeiten trotz optimaler Planung den Projektablauf bestimmen und verändern können. Planungsprozesse sind ein Abbild des technischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Umfeldes und müssen deren Veränderungen folgen. Damit ist auch nicht jede Vorgehensweise ohne weiteres auf ein anderes Umfeld übertragbar. Das Schweizer Beispiel ist hinsichtlich des Dialogs unter und mit den Beteiligten sicher ein hervorragendes Beispiel für „Best practice“ in der Planungs- und Baukultur, was durch den Vortrag sehr gut veranschaulicht wurde. ■ oberrhein@dvwg.de Prof. uwe Laue, Bezirksvereinigung Mecklenburg-Vorpommern Quelle: SBB/ Dorothea Müller Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 69 dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Konsultationsverfahrens zur künftigen Seehafenpolitik begonnen habe. Der neue Fragebogen enthält konkrete Vorschläge zu einzelnen Maßnahmen. Stakeholder haben Gelegenheit, bis zum 16.12.2012 zu möglichen Auswirkungen der Maßnahmen Stellung zu nehmen. Nach Auswertung der Antworten ist im März/ April 2013 mit einer Mitteilung der EU-Kommission zur künftigen europäischen Hafenpolitik zu rechnen. Die ZDS begrüßt die bisherigen Ergebnisse des Konsultationsverfahrens. Sie wird auch am weiteren Prozess aktiv mitarbeiten. Für die ZDS ist wichtig, dass der erforderliche Spielraum auch im Rahmen einer europäischen Hafenpolitik erhalten bleibt, damit die Häfen und standortspeziischen Strategien weiter entwickelt werden können. Herr Heitmann brachte die Erwartungen der Häfen abschließend bildlich zum Ausdruck: „Wir benötigen die Kommission im Rücken, aber nicht im Nacken“. ■ mecklenburg-vorpommern@dvwg.de wurden von diesen Regelungen allerdings ausgenommen. Dieser Richtlinienentwurf wird derzeit auf EU-Ebene in der Ratsarbeitsgruppe und im Europäischen Parlament diskutiert. Die Generaldirektion Mobilität und Verkehr (MOVE) will auch den Marktzugang für technisch-nautische Dienste (z.B. Lotsen) regulieren. Bezüglich des Marktzugangs für Hafenarbeit hat die Kommission eine Studie erarbeiten lassen, die in Kürze vorgestellt werden soll. Weiterhin wurde auf eine am 25. und 26.10. 2012 in Brüssel durchgeführte Konferenz zur europäischen Hafenpolitik hingewiesen. Hier wurde u.a. festgestellt, dass 80 % der Hafenkunden mit den Dienstleistungen zufrieden seien (Ergebnis einer Fragebogenaktion). Das heißt, der Regulierungsbedarf im Umschlagbereich ist folglich als sehr gering anzusehen. Schließlich wurde angemerkt, dass die EU- Kommission am 30.10.2012 mit einer neuen Fragebogenaktion eine zweite Phase des Blick ins Auditorium. Quelle: S. Reise vitäten auf diesem Gebiet. Beide Referenten waren sich einig, dass die EU-Kommission nach dem Scheitern ihrer Vorschläge für ein Port Package I und II ofensichtlich gewillt ist, ein neues Kapitel der EU-Seehafenpolitik einzuleiten. Das Ziel der neuen hafenpolitischen Initiative besteht darin, Rahmenbedingungen zu formulieren und festzulegen, die das Wachstum der europäischen Seehäfen unterstützen sollen. Dabei sollen sowohl die Mitgliedsstaaten als auch die betrofenen Verbände stärker einbezogen werden. Dementsprechend hat die Kommission inzwischen ein erstes Konsultationsverfahren durchgeführt. Drei Schwerpunkte standen und stehen dabei im Vordergrund: • Einführung neuer TEN-Leitlinien, • administrative Erleichterungen sowie • Transparenz und Marktzugang. Kriterien für die Aufnahme von Häfen in das TEN-Gesamtnetz sind 0,1 % des jährlichen Aukommens an Personen, Massen- oder Stückgüter aller EU-Seehäfen. Außerdem soll ein TEN-Kernnetz deiniert werden, zu denen auch die deutschen Häfen Hamburg, Bremen/ Bremerhaven, Wilhelmshaven, Rostock und Lübeck gehören. Bei den administrativen Erleichterungen für die Hafenwirtschaft steht vor allem die zollrechtliche Gleichstellung des Seeverkehrs gegenüber dem Landverkehr im Fokus. Eine höhere Transparenz soll durch eine getrennte Kontenführung für Port Authorities erreicht werden, wenn diese auch Hafendienste anbieten. Gleichzeitig sei vorgesehen, die Richtlinie über die Transparenz der Finanzbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öfentlichen Unternehmen auf alle TEN-Seehäfen zu erweitern. Es sollen auch Prinzipien für die Gebührenerhebung in den Seehäfen festgelegt werden. Hier vertritt der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) die Meinung, dass die Erhebung der Hafengebühren Sache der Port Authorities bleiben sollte. Weiterhin wurde ausgeführt, dass die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission 2013 gemeinschaftliche Leitlinien über staatliche Beihilfen für Hafenunternehmen vorlegen wird. Der ZDS fordert in diesem Zusammenhang bereits seit Jahren, dass die öfentliche Hand für die allgemeine Infrastruktur und die privaten Unternehmen für die Suprastruktur zuständig sein sollten. Die Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission hat zur Regulierung des Marktzugangs von Dienstleistungssektoren einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der auch die Seehafenbetriebe einbezieht. Reine Miet- und Pachtverträge K urt E. Knoop, Ehrenmitglied der DVWG, feierte am 28.01.2013 seinen 85. Geburtstag. In den 28 Jahren, in denen er bis 2001 Vorsitzender der Bezirksvereinigung Rhein-Main war, entwickelte er viele neue Veranstaltungsformate wie z.B. das Luftverkehrsforum und die Kooperationsveranstaltung zur IAA. Darüber hinaus begründete er auch das Junge Forum auf Bezirksebene. In seiner Amtszeit wuchs die BV Rhein- Main zu einer der mitgliederstärksten Bezirksvereinigungen der DVWG. Er verstand es, seine hauptamtliche Tätigkeit - zuletzt 85 Jahre und immer noch aktiv für die DVWG als stellvertretender Hauptgeschäftsführer bei der IHK Frankfurt am Main - in hervorragender Weise mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit zum Wohle aller Beteiligten zu verknüpfen. Noch heute nimmt er, so oft es ihm möglich ist, an den Vorstandssitzungen der BV Rhein-Main, aber auch an vielen Veranstaltungen der DVWG teil. Wir wünschen unserem Ehrenmitglied auch weiterhin gute Gesundheit und freuen uns auf viele, schöne Stunden mit ihm - auch im Kreise der DVWG als allseits geschätzter Ratgeber. ■ dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 70 Die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. steht seit vielen Jahren mit ihrem engagement und den verkehrswissenschaftlichen Aktivitäten im Fokus des fachlichen Dialogs zu aktuellen und Grundlagenthemen des Verkehrs. Neben den Fachtagungen, Kongressen, Foren und Workshops stoßen in der Fachwelt vor allem die Veröfentlichungen der B-Reihe der DVWG auf großes Interesse. B 354 10. DvwG-Bahnforum „Die europa-Bahn hat Zukunft“ Der europäische Bahnverkehr vernetzt sich zunehmend, durch einheitliche Unternehmensstrukturen und klare Wettbewerbsbedingungen, durch technische Initiativen und Vorgaben der eU mit Hilfe der TSI, durch den Marktzugang für alle Wettbewerber unter einheitlichen Randbedingungen und mit Hilfe grenzüberschreitender Angebotsplanungen und Betriebsführung. Das europäische Bahnsystem stellt sich dem internationalen Verkehrsträgerwettbewerb gegenüber Luft und Straße - mit unterschiedlichem erfolg. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr gewinnt Marktanteile, aber im grenzüberschreitenden Schienenpersonennahverkehr besteht vielerorts noch Nachholbedarf. Die Transportmärkte des Schienengüterverkehrs (SGV) verlagern sich zunehmend auf lange grenzüberschreitende Strecken und leiden besonders an den Unterschieden der nationalen Bahnnetze. Der entwicklungsprozess hin zu einem attraktiven europäischen Bahnsystems muss kanalisiert und forciert werden. Das Instrument der Staatsverträge für Netzausbauten bleibt stumpf, wenn es nicht mit einer klaren Finanzierungszusage an die nationalen Netzbetreiber verbunden ist und sich nicht in die langfristigen Netzplanungen einfügt. Derzeit drohen allerdings die europäischen Initiativen zur Vereinheitlichung der Bahntechnik und der Kapazitätsanpassungen an den zukünftigen Bedarf mangels ausreichender Finanzierung zu stocken - nicht nur bei eRTMS. Deshalb diskutierte das 10. DVWG-Bahnforum u. a. folgende Themen: Wie kann das Potential des umweltfreundlichen Schienenverkehrs zukünftig besser ausgeschöpft werden? Wie können die notwendigen Investitionen zeitgerecht realisiert werden und wer inanziert sie? Welche konzeptionellen Ansätze existieren auf dem Weg zu einer europäischen Bahneinheit und einer intensiveren Vernetzung grenzüberschreitender Schienenverkehrsangebote? neue PuBLIkAtIonen Der DvwG 2012 (B-reIHe) M inisterialrat a. D. Karlheinz Schmid, unser langjähriger Vizepräsident und Schatzmeister, ist am 23.01.2013 plötzlich und unerwartet verstorben. Karlheinz Schmid ist 1942 in Regensburg geboren und hat dort auch seine Kindheit verbracht. Nach Lehre und Ausbildung bei der Deutschen Bundesbahn kam er auf seinem berulichen Werdegang über Bonn Anfang der 90er Jahre nach Berlin. Seine langjährige Tätigkeit im Bundesministerium für Verkehr umfasste verschiedene Fachbereiche bis ihm im Jahre 2003 die Geschäftsführung der Verkehrsinfrastrukturinanzierungsgesellschaft (VIFG) übertragen wurde. Als Schatzmeister und Präsidiumsmitglied der DVWG hat sich Karlheinz Schmid mit großem Fachwissen und persönlichem Engagement erfolgreich für eine stetige Konsolidierung der DVWG eingesetzt und in dieser Funktion die Wirtschaftsführung unseres Vereins entscheidend gesteuert und geprägt. Nach dem Wegfall der institutionellen Förderung gab er richtungsweisende Impulse für den Aubau und die erfolgreiche Abwicklung der Projektförderung. Im Jahre 2011 übernahm Karlheinz Schmid die Leitung des DVWG-Arbeitskreises Finanzierung und hat sich mit hohem persönlichem Engagement für die Verbesserung der inanziellen Basis unserer Gesellschaft eingesetzt. Bei der Entwicklung eines nachhaltigen Lösungsansatzes für eine stabile mittelfristige Wirtschaftsplanung war er maßgebend. Seine umfangreichen Kenntnisse der verkehrspolitischen „Landschaft“ sowie die fachlichen Erfahrungen aus seiner Zeit als „Haushälter“ haben entscheidend dazu beigetragen, dass die DVWG ein ofenes und konstruktives Verhältnis zum Bundesverkehrsministerium aubauen konnte. Für die Mitarbeiter der Hauptgeschäftsstelle war er immer ein verlässlicher und kompetenter Partner bei der Beantwortung aller inanziellen Fragen. Immer wieder hat er seine umfangreichen Fachkenntnisse in den Bereichen Verkehrspolitik und -inanzierung sowohl bei der Gestaltung unserer wissenschaftlichen Veranstaltungen als auch als Referent erfolgreich eingebracht. Auf der Bundesdelegiertenversammlung im Dezember 2012 verabschiedete er sich aus dem Präsidium. In Anerkennung seines langjährigen Wirkens für die Gesellschaft wurde ihm die Ehrenmedaille der DVWG verliehen. Nicht nur wegen seiner fachlichen Kompetenz und seines Engagements haben wir Karlheinz Schmid sehr geschätzt. Es war vor allem seine beeindruckende Persönlichkeit und menschliche Größe. Mit seiner besonnenen und ruhigen Art hat er stets ausgleichend gewirkt. Allen, die ihn kannten, bleibt auch sein Humor und seine zugewandte Ausstrahlung und Verbindlichkeit in Erinnerung. Wir verlieren mit Karlheinz Schmid einen hochgeschätzten Kollegen und Mitstreiter für die Verkehrswissenschaften in Deutschland. Sein erfolgreiches Wirken in unserer Mitte bleibt unvergessen. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Präsidium und Hauptgeschäftsstelle Die DVWG trauert um Karlheinz Schmid Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 71 dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Berg & Mark berg-mark@dvwg.de 25.04.2013, 16: 00 uhr Verkehr - Wo verkehrt die Baukultur? Ort: Bergische Universität Wuppertal; eugen-Lange-Saal HD 35; Pauluskirchstr.7, Wuppertal Hamburg hamburg@dvwg.de 21.03.2013, 18: 00 uhr Hafen und umwelt im einklang - LNG als Schifsbrennstof der Zukunft? Ort: Hamburg, bei St. Annen 1, HHLA, Großer Sitzungssaal 09.04.2013, 18: 00 uhr aus dem Hafen in die Tasse - Kafeelogistik in Hamburg Ort: NKG Kala Hamburg GmbH, Hohe-Schaar-Kamp 3, Hamburg 16.04.2013, 18: 00 uhr Kann Hamburg von Mekka lernen? Von Pilgerströmen und der verkehrlichen Herausforderung von Großereignissen Ort: HVV GmbH, Steindamm 94, Raum Hamburg 22.04.2013, 18: 00 uhr Terminals, TTeu und Triple-e - aus Sicht einer internationalen Hafenberatung Ort: Universität Hamburg, von-Melle-Park 5 Südbayern e.V. suedbayern@dvwg.de 19.03.2013, 16: 00 uhr Verhaltenstraining für ÖPNV-Fahrgäste Mit Herz und Verstand handeln: Zivilcourage, aber richtig! Ort: Lenggries, BOB 21.03.2013, 17: 30 uhr Zukunft des donauausbaus zwischen Straubing und Vilshofen Gemeinschaftsveranstaltung mit der europäischen Bewegung Bayern e.V. Ort: München, StMWIVT 11.04.2013, 16: 00 uhr Innovative Schienenfahrzeuge - Forschung und entwicklung bei der Knorr Bremse aG (angefragt) Ort: München, Knorr Bremse AG 16.04.2013, 17: 00 uhr Verlust der Heimat durch mangelnde Verkehrsanbindung? Gemeinschaftsveranstaltung mit der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) e.V. Ort: München, HSS veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Württemberg e.V. wuerttemberg@dvwg.de 18.03.2013, 17: 30 uhr Ist der europäische Hochgeschwindigkeitsverkehr erfolgreich? Ort: Verband Region Stuttgart, Kronenstr. 25, Sitzungssaal 5.OG 29.04.2013, 17: 30 uhr Vorträge junger Verkehrswissenschaftler Ort: Universität Stuttgart, Campus Vaihingen, Hörsaal V7.32 Oberrhein oberrhein@dvwg.de 19.03.2013, 17: 30 uhr Haushaltsbefragung 2012 zum Mobilitätsverhalten in-Karlsruhe Ort: K-Punkt am ettlinger Tor 06.05.2013,18: 30 uhr Stammtisch des Jungen Forums Ort: Lokal Pfannestiel, Am Künstlerhaus 53, 76131 Karlsruhe rhein-Main rhein-main@dvwg.de 18.04.2013, 19: 00 uhr JuFo-diskurs: Mobilität in China Ort: wird noch bekanntgegeben 16.05.2013, 19: 00 uhr JuFo-diskurs: Preußischer adler und S-Bahn-Takt - 125 Jahre Frankfurt (Main) Hauptbahnhof Ort: Hbf. Frankfurt, Konferenzzentrum (1. etage) 23.05.2013, 08: 30 uhr 7. dVWG Mobilitätsbrunch Ort: HOLM-Forum, Flughafen Frankfurt Fulda 23.03.2013 9. Verkehrswissenschaftliches Zukunftsforum Bundesdelegiertenkonferenz des Jungen Forums ➼ dVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Zentrale veranstaltungen Nürnberg 25.04.2013 Forum Bahntechnik 2013 elektromobilität im Öfentlichen Verkehr - Wo liegen die Potenziale für-nachhaltige Verkehrskonzepte? Frankfurt 15.05. 2013 8. Nahverkehrsforum Heutige Hindernisse für die Lösungen von morgen (Mobilitätsplattformen, Wegeketten, e-Ticket) Kiel dVWG-Jahrestagung 2013 05.06.2013 Bundesdelegiertenversammlung 06./ 07.06.2013 Jahresverkehrskongress „Verkehr und Tourismus - Herausforderungen und Perspektiven für eine nachhaltige allianz“ Barcelona 4.-8.09.2013 auslands-Fachexkursion „Von der chaotischen Metropole zum Vorzeigeobjekt urbaner umgestaltung“ Ausführliche Informationen unter www.dvwg.de SerVICe Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, frank.straube@tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Geschäftsführer: Martin Weber Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com redaktion eberhard Buhl, M.A. (verantw.), (Durchwahl: -223) eberhard.buhl@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Dr. Karin Jäntschi-Haucke, hgs@dvwg.de (verantw. DVWG-Nachrichten) Freie Mitarbeit: Werner Balsen, Dirk Ruppik, Kerstin Zapp anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sven Reinke (Durchwahl -355) sven.reinke@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 50 vom 1. Januar 2013. Vertrieb Kirsten Striedieck Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Bezugsgebühren: Abonnement-Paket Inland: eUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.); Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print, Digital und e-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Abonnement Ausland Print: eUR 162,00 (inkl. Porto). Abonnement Ausland Digital: eUR 146,00 Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. einzelheft: eUR 38,50 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: ClipDealer druck: L.N. Schafrath GmbH & Co. KG, Geldern Herstellung: Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Oizielles Organ: Mitglied/ Member: eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 19.-21.3.2013 Amersfoort (NL) rail-tech europe 2013 Info: Europoint BV info@europoint.eu www.railtech-europe.com 20.-21.3.2013 Darmstadt (D) 1 st Interdisciplinary conference on Production, Logistics, and traic Tel. +49 (0)6151 16 4277 berbner@bwl.tu-darmstadt.de www.wi.tu-darmstadt.de 8.-9.4.2013 Kiel (D) Achte nationale Maritime konferenz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin http: / / www.bmwi.de/ DE/ Service/ veranstaltungen,did=545398.html info@bmwi.bund.de 8.-12.4.2013 Hannover (D) Hannover Messe Info: Deutsche Messe Tel. +49 (0)511 89-0 info@messe.de www.hannovermesse.de 10.-11.4.2013 Saarbrücken (D) Automobilkongress AkJ Automotive - Jahreskongress AKJ Automotive, Institut für Produktions- und Logistiksysteme IPL, Saarbrücken Tel. +49 (0)681 95431 23 http: / / www.akjnet.de/ klaus-juergen.schmidt@iplnet.de 26.-30.5.2013 Genf (CH) 60 th uItP world congress and exhibition Info: UITP anhorn.philippe@tpg.ch www.uitpgeneva2013.org 27.-29.5.2013 Bern (CH) suissetraic 2013 Info: Bernexpo AG Tel. +41 (0)31 340 11 11 Fax +41 (0)31 340 11 44 suissetraic@bernexpo.ch www.swisstraic.ch 4.-7.6.2013 München (D) transport logistic 2013 Info: Messe München Tel. +49 (0)89/ 9 49-113 68 Fax +49 (0)89/ 9 49-113 69 info@transportlogistic.de www.transportlogistic.de 23.-24.4.2013 Bremen (D) Bremer Logistiktag Kostensenkung in Wertschöpfungsketten Bundesvereinigung Logistik (BVL) http: / / www.bvl.de/ kostensenkung kniess@bvl.de 22.-23.5.2013 Luzern (CH) world collaborative Mobility congress „wocomoco“ Info: Mobilitätsakademie http: / / www.wocomoco.ch/ home/ wocomoco.html info@? mobilityacademy.? ch 19.-20.6.2013 Wien (A) Mobility & road Safety in an Ageing Society KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) Telefon: +43 (0)5-77077-1919 http: / / www.kfv.at/ congress2013/ pr@kfv.at 19.-20.6.2013 Wiesbaden (D) PArken 2013 Info: Mesago Messe Frankfurt GmbH http: / / www.mesago.de/ de/ Parken/ home.htm info@mesago.com 14.-18.8.2013 Wilhelmshaven (D) 34. Deutscher Seeschiffahrtstag 2013 Nautischer Verein Wilhelmshaven-Jade e.V. Telefon: +49 (0)4421 400 640 http: / / www.nautischerverein-whv-jade.de/ info@nv-whv-jade.de 30.9.-2.10.2013 Frankfurt/ M. (D) european transport conference Info: Association for European Transport http: / / www.aetransport.org info@aetransport.org terMIne + verAnStALtunGen 19.3.2013 bis 2.10.2013 weitere veranstaltungen inden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schifundhafen.de, www.dvz.de Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 73 HerauSGeBerBeIraT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Mobilität und Kommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg august Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Michael P. Clausecker MBA Vorsitzender der Geschäftsführung Bombardier Transportation GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin annegret reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin alexander eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom reinhold Dr.-Ing., Leiter Strategie/ Unternehmensentwicklung ÖBB-Holding AG, Wien Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin, und Vizepräsident der DVWG alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Oicer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Matthias von randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolf Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln reinhard Lüken Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Deutschland braucht einen mutigen Neuanfang Herausgeberbeirat dr.-Ing. Florian eck zur Infrastruktur-Strategie D ie deutsche Verkehrsinfrastruktur hat zwischen 1980 und heute rund ein Achtel ihres Wertes verloren. Die Investitionsquote im Bundeshaushalt ist auf 9,8 % gesunken. Die „Daehre-Kommission“ sieht eine Instandhaltungslücke von rund 7,2 Mrd. EUR jährlich. Gleichzeitig ließen dem Bundeshaushalt jedes Jahr aus Lkw-Maut, Luftverkehrssteuer und Bahndividende rund 6 Mrd. EUR zusätzlich zu. Das passt nicht zusammen. Deutschland braucht daher dringend einen mutigen Neuanfang, ein „Zukunftsprogramm Verkehrsinfrastruktur“ mit folgenden Eckpfeilern: 1. Vorrangige Erhaltung mit langfristiger Mittelbindung und Konzepten wie Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen. 2. Stringente Priorisierung, so dass Projekte mit Bedeutung für das Gesamtverkehrssystem vorgezogen werden. Grundlage hierfür ist ein solider und regelmäßiger Verkehrsinfrastrukturbericht. 3. Nachhaltige Finanzierung durch überjährige Mittelbereitstellung und Zweckbindung von Einnahmen aus dem Verkehr. 4. Eiziente Mittelverwendung u. a. durch Prüfung von ÖPP-Alternativen und Überwindung der Kameralistik. 5. Erhöhung der Investitionsmittel für den Verkehr. Die großen Bundestagsparteien und die „Daehre-Kommission“ haben in ihren Strategiepapieren bereits viele übereinstimmende Elemente eines solchen Rahmens skizziert. Jetzt geht es darum, diese Ansätze auszuformulieren und politisch mutig umzusetzen. Der Start in die neue Legislaturperiode ist dazu eine Gelegenheit, die genutzt werden muss. GaSTKOMMeNTar Patrick Ulrich Internationales Verkehrswesen (65) 1 | 2013 74 Mehr professionell ausgebildete Aufsichtsräte! V om amerikanischen Managementdenker Peter M. Senge stammt der Ausruf „How can a team of committed board members with individual IQs above 120 have a collective IQ of 60? “. Bisher weitgehend unerklärt durch Forschungsarbeiten scheinen individuell fähige Entscheidungsträger ihre Fähigkeiten plötzlich zu verlieren, sobald sie aktiv als Mitglieder in Aufsichtsräten wirken - oder ist es doch eher so, dass die „falschen“ Aufsichtsräte mit den „falschen Fähigkeiten“ in solchen Gremien sitzen? Letztendlich resultiert eine schlechte Unternehmensaufsicht in Unternehmenskrisen. Verstärkt wird die Krise der aktuellen Unternehmensaufsicht, wenn man sich die Fälle politischer Beteiligung in Aufsichtsräten ansieht. Betrachten wir die auch in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit anführbaren Negativbeispiele von Daimler, Ferrostaal und Siemens, zuletzt auch vom Flughafen BER und Thyssen-Krupp, so dürfen ernsthafte Zweifel an der Eizienz und Efektivität der jetzigen deutschen Unternehmensaufsicht geübt werden. Betrachten wir die Aufgaben eines Aufsichtsgremiums: Dem Aufsichtsrat deutscher Prägung obliegt gemäß § 111 AktG die Überwachung des Vorstands. Neben weiteren Prüfungs- und Berichtsplichten vertritt er jedoch auch die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand und soll diesen im Sinne des Unternehmens beraten. In der Praxis gewinnt man jedoch häuig den Eindruck, der Aufsichtsrat sei kein kritisches, an einer positiven Unternehmensentwicklung interessiertes, sondern eher ein passives, auf Harmonie ausgerichtetes Gremium, das Entscheidungen des Vorstands hinterfragt. Dies mag auch an der individuellen zeitlichen Belastung und Ämterkumulation vieler aktueller Aufsichtsräte liegen. Hinzu kommt, dass noch immer zu viele Aufsichtsratsposten „unter der Hand“ und im engeren Freundes- und Bekanntenkreis vergeben werden. Neben der angesprochenen mangelnden Eizienz werden auch die geringe Arbeitsintensität sowie die mangelnde Internationalität deutscher Aufsichtsräte im internationalen Vergleich angeführt. In Folge von Sarbanes-Oxley und der steigenden Haftungsproblematik individueller Aufsichtsratsmitglieder klagen Vorstände vermehrt darüber, dass sich ihre Aufsichtsräte nur noch mit potentiellen individuellen Haftungsproblemen und nicht mehr mit strategischen Fragen der Unternehmensführung beschäftigen. Die deutsche Debatte scheint sich zu sehr auf die Ordnungsmäßigkeit der Unternehmensführung als ihre strategische Sinnhaftigkeit zu beziehen. Anstatt Handlungsempfehlungen auf Basis konkreter Praxisfälle oder empirischer Belege zu geben, befasst man sich zu häuig mit den theoretisch zulässigen Handlungsspielräumen von Aufsichtsräten. Auf der funktionalen Ebene sind sicher einige Aspekte an der aktuellen Aufsichtsratspraxis zu kritisieren. Der Aufsichtsrat ist primär ein Aufsichts- und kein Beratungsgremium, wie dies bspw. für einen freiwillig eingerichteten Beirat der Fall ist. Kontrolle und Beratung schließen sich nicht immer, aber manchmal im Grundsatz aus. Auch die institutionelle Ebene birgt Kritikpunkte. Deutsche Aufsichtsräte sind bei (im Normalfall von DAX-Unternehmen) 20 Mitgliedern einfach zu groß, um vor allem ihrer Aufsichts- und Vertretungsaufgabe nachzukommen. Auch die Mitbestimmung und mangelnde Berücksichtung internationaler Arbeitnehmer wirken nicht unbedingt positiv. Die größte Problematik ergibt sich jedoch durch die immer noch enge Verlechtung von Vorstand, Kapitalgebern und Aufsichtsrat. Hier wurden durch Begrenzung der maximal möglichen Aufsichtsratsmandate sowie Einführung der Cooling-of-Periode beim Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat erste Erfolge erreicht. Auf der personalen Ebene ist vor allem die bereits angesprochene Mandatshäufung zu bemängeln. Des Weiteren entsteht zumindest der Eindruck, viele Aufsichtsgremien ließen die unabdingbaren Eigenschaften wie kritisches, analytisches Denken, Engagement, Motivation und Interesse komplett vermissen. Insbesondere von der Bildung von Ausschüssen sowie vom Recht der Bestellung von Sachverständigen zur Überprüfung von relevanten Sachverhalten kann man sich positive Impulse erhofen. Sicherlich ist der Wunsch nach Harmonie ein menschliches Grundbedürfnis. Im Unternehmenskontext gelten jedoch andere Spielregeln. Wer nur nach Harmonie und nicht nach Ergebnis trachtet, wird langfristig vom Markt verschwinden. Aufsichtsräte sollten sich vielmehr fragen, wie sie die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Unternehmenszwecke optimal erfüllen können. ■ Patrick ulrich, Dr. rer. pol. seit 2007 Projektleiter des Deloitte Mittelstandsinstituts an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er promovierte zur Corporate Governance in mittelständischen Familienunternehmen und ist Autor mehrerer Bücher und Fachartikel zu Aufsichtsräten und Beiräten im Mittelstand. Zur PerSON Foto: Privat Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Interessensgebiete (Zutreffendes bitte ankreuzen) Personenverkehr Güterverkehr Verkehrsinfrastruktur Verkehrslogistik Kombinierter Verkehr Verkehrssicherheit Verkehrspolitik Straßenverkehr Luftverkehr Schienenverkehr ÖPNV Seeverkehr Binnenschifffahrt Fußgänger- und Radverkehr Verkehrsplanung Verkehrstechnik Verkehr und Umwelt Verkehrsforschung Telematik und Verkehrsmanagement Verkehrswirtschaft Verkehrsrecht Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: privat dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: ja nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: ja nein Ort/ Datum Unterschrift Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Tel.: 030 / 293 60 60 Fax: 030 / 293 60 629 Agricolastraße 25 www.dvwg.de 10555 Berlin hgs@dvwg.de Preisnachlass beim Bezug der Publikationen unserer Schriftenreihe (Bücher und CDs) Aufbau neuer und Vertiefung bestehender Kontakte im Bereich des Verkehrswesens auf deutscher und europäischer Ebene Gebührenermäßigung bei zentralen wissenschaftlichen Veranstaltungen der DVWG exklusiver Zugang zum Internetportal der DVWG (Mitgliederbereich und Download) Bezug der renommierten Fach- und Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ persönliche Einladung zu den Veranstaltungen Ihrer Bezirksvereinigung und der Hauptgeschäftsstelle Mitarbeit im Jungen Forum der DVWG (für Mitglieder bis 40 Jahre) Wir sind in Bewegung! jährliche Fachexkursionen ins Ausland (2010 - China, 2011 - Kanada) ... Kommen Sie mit! HOCHLEISTUNG I PRÄZISION I ZUVERLÄSSIGKEIT www.plassertheurer.com Plasser & Theurer und Plasser sind international eingetragene Marken Die PM 1000 URM, eine Maschine zur gleisgebundenen Unterbausanierung mit integriertem Materialrecycling von Plasser & Theurer, optimiert die Wiederverwertung des vorhandenen Materials: drei Aushubketten bauen das Material in drei Schichten aus, wobei der Aushub der ersten beiden Ketten den Recyclingprozessen innerhalb der Maschine zugeführt wird. Eingebaut werden bis zu fünf verschiedene Schichten. Der erweiterte Recyclingprozess bietet ein höheres Einsparungspotenzial bei Materialbedarf und Transportlogistik. Aus Alt mach Neu Münster 2013 28. - 30. Mai HOCHLEISTUNG I PRÄZISION I ZUVERLÄSSIGKEIT