Internationales Verkehrswesen
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Logistik im Fokus Analysen und Strategien zu den globalen Herausforderungen POLITIK Parteien im Bundestag zum Verkehr der Zukunft LOGISTIK Risiken im Transport- und Logistikbereich MOBILITÄT Elektroautos - Early Adopter unter der Lupe Im Interview: Sebastian Doderer, Hamburg Hafen Marketing www.internationalesverkehrswesen.de Heft 2 Juni l 2013 Die clevere Flottenkarte. NOVO FL E E T N A CHL A SS + NIE DRIGPR EISNE T Z = 2M A L SPA R EN 1. Mit Ihrer Kartenabrechnung erhalten Sie zusätzlich einen speziellen NOVOFLEET Nachlass von brutto 0,5 Ct./ l Otto- und Dieselkraftstoff.* 2. Sie tanken in einem Verbund von Niedrigpreisnetzen mit über 2.700 Stationen in Deutschland, die in der Regel günstiger sind als Tankstellen großer Mineralölkonzerne.** * Das Angebot richtet sich ausschließlich an gewerbliche Kunden. Der Nachlass gilt für alle bis zum 30.06.2013 eingegangenen Kartenanträge und wird über die gesamte Vertragsdauer gewährt. Ausgeschlossen von diesem Angebot sind an das NOVOFLEET Netz angebundene Tankstellen, die sich an Märkten des Lebensmittelgroß- und -einzelhandels (Supermarkttankstellen) befinden. **Quelle: eigene periodische Erhebung, letzte Erhebung im April 2013. Weitere Informationen unter der kostenfreien Serviceline 00800 700 30 200 oder unter www.novofleet.com AUCH DAS NOCH! DIE ROTE K ARTE GEGEN OT TO- KR AF TSTOFFPREISE. JETZT BEI OTTO- UND DIESEL KRAFTSTOFF SPAREN. * BESUCHEN SIE UNS: BFP FUHRPARK FORUM - AM NÜRBURGRING 19.+ 20. JUNI 2013 - IN HALLE 3, STAND 41 Novofleet_RoteKarte_Zapfhaehne_210x297_InternVerkehrsw_Stoerer.indd 1 14.05.13 10: 02 edITOrIAL Frank Straube Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 3 Investitionen in Verkehr und Bildung - Teil einer Standortstrategie D eutschland ist eine europäische Warendrehscheibe. Mehr als 20% der Waren, die über See- oder Flughäfen ankommen, verlassen unser Land wieder ohne größere Wertschöpfungen. Ein hoher Anteil der Produkte, die bei uns montiert werden, enthält global beschafte Komponenten und werden nach der Montage international distribuiert. Ein beträchtlicher Teil der in Deutschland verkauften Konsumgüter wurde über internationale Verkehrsnetze erzeugt. Unser Standort und die hier arbeitenden Unternehmen sind deshalb angewiesen auf funktionsfähige Infrastrukturen und integrierte Hinterlandanbindungen. Die neueste Trendstudie der Bundesvereinigung Logistik hat unter 1750 befragten internationalen Unternehmen aufgezeigt, dass weltweit verfügbare Infrastruktur und ausreichende Mitarbeiterqualiikation aus heutiger Perspektive in der Zukunft nicht gesichert erscheinen, um anspruchsvolle, lexible, wirtschaftliche und nachhaltige Verkehrs- und Logistiksysteme im Gleichschritt mit weltweitem Wachstum zu realisieren. Vor dem Hintergrund neuer Wettbewerber im Hafen- und Transportbereich des Mittelmeeres und auch des Schwarzen Meeres sowie des Kaspischen Meeres mutet die Diskussion in Deutschland über die Sinnhaftigkeit des JadeWeserPorts wegen einer lachen Anlaukurve oder der Hamburger Elbvertiefung bizarr an. Logistische Ströme ändern ihre Strukturen und verlagern sich in neue Regionen, wenn in Deutschland der kapazitive Ausbau von Infrastruktur und die Integration von Verkehrsträgern vernachlässigt werden. Wie Bildungsinvestitionen auch, sollten Kosten für Verkehrsleistungen als Investitionen verstanden werden, die über Mobilitätsvorteile die Kosten- und Leistungsposition von Deutschland übergreifend stärkt. Wir zeigen in diesem Heft die verschiedenen Positionen der politischen Parteien zum Thema Verkehr. Seit kurzem sind zahlreiche Projekte zur Einsatzbewertung von Elektromobilität in der Schaufensterinitiative der Bundesregierung gestartet. Unerwartete Finanzierungsprobleme, die aus im Vergleich zu Planungen zu geringen Einnahmen aus dem CO 2 -Zertiikatehandel resultierten, konnten gelöst werden. Allerdings sollten die Einsatzpotentiale von Elektromobilität realistisch betrachtet werden. Etwas mehr als 20% erneuerbare Energien anteilig an der Energieproduktion und technologische Herausforderungen lassen eine diferenzierte Einsatzeignung erwarten. Es ist richtig, diese Technologie zu testen und Potenziale in Deutschland und auf dem Weltmarkt zu bewerten - eine postfossile Mobilität ist heute ebenso unrealistisch wie eine autofreie Stadt. In der Ihnen vorliegenden Ausgabe von Internationales Verkehrswesen möchten wir Einblicke zu den angesprochenen und weiteren Zukunftsthemen des Verkehrs, wie z.B. bereits heute einsetzbare intelligente Mobilitätstechnologien, ermöglichen. Ich freue mich auf Ihre inhaltlichen Anregungen und fachlichen Beiträge. Ihr Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 4 POLITIK 10 Mobilität 2013+ Parteien im Bundestag zum Verkehr der Zukunft Dirk Fischer, CDU/ CSU Sören Bartol, SPD Oliver Luksic, FDP Sabine Leidig, DIE LINKE Stephan Kühn, Bündnis 90/ Die Grünen 14 Finanzierungsbedarf der Bundeswasserstraßen Andreas Kossak INFRASTRUKTUR 38 Fluglärmkontroverse - eine debatte mit Schlagseite Stefanie Vehling Uta Maria Pfeifer 40 Feste Fehmarnbeltquerung nimmt Gestalt an Steen Lykke 43 Indonesien: Startschuss für mehr Wachstum Dirk Ruppik LOGISTIK 20 risiken im Transport- und Logistikbereich Paul Wittenbrink 24 Netzwerkbahn versus Cargo Net Bernd H. Kortschak 27 Innovative datenerfassung in der Straßengüterverkehrsstatistik - Analyse der rahmenbedingungen und ergebnisse eines Forschungsprojekts Elmar Fürst Peter Oberhofer Sebastian Kummer 30 Aufwind für Tschechiens Logistikmarkt Martina Hohmann Laura Heider 32 Mehrwert schöpfen aus datenquellen Petra Gust-Kazakos WISSENSCHAFT 34 der Nord-Süd-Korridor zwischen Skandinavien und der Adria Herbert Sonntag Bertram Meimbresse Philip Michalk ➼ www. Sie inden „Internationales Verkehrswesen“ mit umfangreichem Archiv, aktuellen Branchen-News und Terminen unter: www.internationalesverkehrswesen.de Foto: Andreas Hermsdorf Foto: Kurt Bouda/ pixelio.de Foto: Katrin Neuhauser/ Deutscher Bundestag Über Entwicklung und Zukunftsperspektiven Sebastian doderer, Leiter Projektentwicklung bei Hamburg Hafen Marketing. Seite 18 IntervIew »Die maritime Logistik wird anspruchsvoller - und eizienter« Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 5 InHALt Juni 2013 MOBILITÄT 46 elektroautos - early Adopter unter der Lupe Joachim Globisch Uta Schneider Anja Peters Annette Roser Martin Wietschel 49 Kooperationsmanagement im Carsharing Michael Kuiter Christoph J. Menzel 52 Carsharing - ein verkehrspolitisches Lehrstück Oliver Schwedes 55 elektrobusse - technologischer Spagat zwischen Tradition und Innovation Ralf Haase TECHNOLOGIE DVWG-Nachrichten 77 1. deutscher Mobilitätskongress Iris Götsch 81 Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen RUBRIKEN 03 editorial 06 Im Fokus 09 Kurz + Kritisch 17 Bericht aus Brüssel 72 Industrie + Technik 82 Veranstaltungen 84 Impressum | Termine 85 Beirat Gastkommentar von Heinz Schulte, Chefredakteur der Griephan Briefe, Vorstandsmitglied Deutsches Maritimes Institut (DMI), Hamburg Seite 86 AusgAbe 3/ 2013 Intelligente Mobilitätskonzepte erscheint am 02. September 2013 WISSENSCHAFT 58 Performance-Benchmarking von Airlines Philipp Demmler Dietram Schneider 62 Stadtbahnen: Wenn der Betreiber zum Hersteller wird Stephan Anemüller Juan Carlos Castro Varela 64 Innovativer eisenbahngüterwagen 2030 Markus Hecht 66 Parken via Satellit Elmar Pfannerstill Andy Apfelstädt WISSENSCHAFT 69 eizienter fahren durch kooperative Systeme Philipp Gilka Stefan Tromm Arne Höltl Foto: Dieter Schütz/ pixelio.de Foto: Stephan Anemüller IM FOKuS Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 6 Treibhausgasziel ist zu erreichen Das europäische Weißbuch für den Verkehr gibt als Ziel bis 2050 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 60 % gegenüber 1990 vor. Diese Reduktion kann auch tatsächlich erreicht werden, zeigt das vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI koordinierte europäische Forschungsprojekt „GHG-TransPoRD“. Notwendig ist dafür eine Kombination aus technischen Verbesserungen und geändertem Verhalten, die beide durch Anreize in Form von preispolitischen Instrumenten unter Berücksichtigung von sozial- und haushaltspolitischen Rahmenbedingungen erreicht werden könnten. Im Straßenverkehr können laut Studie die größten Mengen an Treibhausgasen eingespart und auch am schnellsten Erfolge erzielt werden. Erforderlich seien ambitionierte CO 2 -Flottengrenzwerte für Neufahrzeuge. Wichtig dabei sei vor allem, die richtige Balance zwischen Fortschritten bei der Eizienz fossil betriebener Fahrzeuge und dem Umstieg auf alternative Energieträger wie Strom und Wasserstof aus erneuerbaren Energien zu wahren. Dies gelte für PKW ebenso wie für Nutzfahrzeuge. Hier sind nach Angaben der Forscher durch Eizienztechnologien bis 2025 bis zu 40 % Einsparungen zu erzielen. Die übrigen Verkehrsträger Luft, Wasser und Schiene weisen alle lange Erneuerungszyklen ihrer Flotten auf, so dass kurzbis mittelfristig vor allem operative Maßnahmen relevante Einsparungen leisten könnten. Mittelbis langfristig dürfte für den Luftverkehr die breite Einführung von nachhaltig erzeugtem Biokerosin den größten Beitrag liefern. Darüber hinaus sollte hier die Einführung marktwirtschaftlicher Instrumente wie etwa Energiesteuern vorbereitet werden, meinen die Forscher.. Im Schifsverkehr ist laut Studie kurzfristig die Absenkung der Fahrgeschwindigkeit am efektivsten. Mittel- und langfristig seien Verbesserungen am Antrieb und bei der Einführung erneuerbarer Energien wie Wind sowie neue Designs der Schifshüllen und -strukturen notwendig. Der Bahnverkehr muss nach Ansicht der Wissenschaftler in die Lage versetzt werden, zusätzlichen Verkehr aufzunehmen. Im Güterverkehr bedeute dies eine Erweiterung der Infrastrukturen durch weitere Gleisanschlüsse und Umschlagterminals sowie spezielle Gütergleise zur Beseitigung von Engpässen und Konliktstellen mit dem Personenverkehr. (zp) Die komplette Studie sowie weitere Informationen unter: www.ghg-transpord.eu www.isi.fraunhofer.de Citylogistik muss sich durchsetzen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum auf der ganzen Welt sorgen für immer höheres Frachtaukommen. Vielerorts droht in den Ballungsräumen der Verkehrsinfarkt. Gleichzeitig stehen Stadtverwaltungen unter Druck, die innerstädtische CO 2 -, Feinstaub- und Lärmbelastung drastisch zu reduzieren. Nach einer aktuellen Analyse des Beratungshauses Oliver Wyman zur Zukunft des städtischen Güterverkehrs („B2City: Zur Zukunft des städtischen Güterverkehrs“) inden allein in deutschen Innenstädten bereits heute täglich etwa 160 000 Auslieferungstouren statt. Die Trucks machten zwar häuig nur 20 bis 30 % des Stadtverkehrs aus, sorgten aber zu Stoßzeiten in vielen Städten für etwa 80 % der Staus. Hinzu komme, dass die meisten LKW im Schnitt nur zur Hälfte beladen seien, wenn sie in die Städte einführen. Hotels, Krankenhäuser oder Einkaufszentren würden so jeden Tag von mehreren, teils halbleeren Transportern angefahren, was neben Staus zu Wartezeiten an Laderampen führe. Aus Platz- und Kostengründen lassen sich aber die innerstädtischen Verkehrswege häuig nicht ausbauen. Für die Analysten ist deshalb moderne Citylogistik das Gebot der Stunde. Komplettlösungen rund um die Vorkonsolidierung der Waren außerhalb der Stadtgrenzen versprechen eiziente Möglichkeiten zur Organisation des Güterverkehrs in Innenstädten, geht aus der Oliver-Wyman-Analyse hervor. Sie eröfneten zudem Logistikdienstleistern neue Marktchancen. Wem es gelinge, die Herausforderungen der Stadtverwaltungen, aber auch ihre Arbeitsweisen zu verstehen und entsprechend maßgeschneiderte Lösungen anzubieten, könne zusätzliche Einnahmen generieren. Die Studie geht davon aus, dass der Erfolg der Konzepte sicherzustellen ist, wenn die Städte die Rahmenbedingungen schafen. Dazu gehöre die Einrichtung interner Planungsstellen und Kontrollinstanzen sowie die Bereitstellung von Flächen für die Konsolidierungszentren. Die Logistikdienstleister wiederum müssten aktiv an die Städte herantreten und in enger Zusammenarbeit mit Stadtverwaltung, IT-Dienstleistern und Automobilherstellern passgenaue Lösungen für eine eiziente und klimaschonende innerstädtische Güterauslieferung entwickeln, meinen die Berater von Oliver Wyman. Sie gehen davon aus, dass entsprechende Konzepte den Verkehrsluss in vielen Städten optimieren und die CO 2 -Belastung durch den Güterverkehr um 30 bis 40 % reduzieren werden. Dies sei aber nur möglich, wenn nicht nur die Fracht zur besseren Auslastung von Fahrzeugen konsolidiert werde, sondern auch passende Fahrzeuge eingesetzt würden, etwa kleinere Einheiten oder Elektrofahrzeuge in engen Altstädten. Nach den Vorgaben der EU-Kommission hat der innerstädtische Verkehr in Europa 2050 komplett CO 2 -neutral zu sein. (zp) www.oliverwyman.de Quelle: Oliver-Wyman Analyse Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 7 Binnenhäfen: Logistikparks statt Wohnraum Binnenhäfen können als trimodale Verkehrsknoten die zunehmend komplexer werdende Logistikkette optimieren. Das ist eine der Kernaussagen der Dissertation von Sandra Stein, die sie im Februar auf einer Veranstaltung des Vereins für europäische Binnenschiffahrt und Wasserstraßen e.V. (VBW) vorgestellt hat. Stein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fraunhofer Research GmbH Austria und des Instituts für Managementwissenschaften an der TU Wien. Sie untersuchte in ihrer Forschungsarbeit am Institut für Verkehrsgeographie und Logistik der Universität Duisburg- Essen, welche Faktoren und Potenziale entscheidend sind, um Häfen im Inland erfolgreich zu Logistikparks weiterentwickeln zu können, die positive wirtschaftliche Efekte für den Standort und die Region ausstrahlen. Sie entwickelte ein Steuerungsmodell mit Maßnahmen und Handlungsempfehlungen für Hafenbetreiber, die öfentliche Hand und weitere Akteure zur Einrichtung von trimodalen Logistikparks. Laut Studie sind das Umschlagpotenzial im Hinterland, das Rohstofvorkommen oder der Rohstofverbrauch, das Arbeitskräftepotenzial, die Kapitalverfügbarkeit des Betreibers und Erweiterungslächen entscheidende Faktoren für die Hafenentwicklung. Mit Blick auf die Flächenproblematik - etwa die Konkurrenz zum Wohnungsbau - sei ein funktionierendes Akteursnetzwerk ein maßgebliches Kriterium für die Entwicklung eines Binnenhafens zum trimodalen Logistikpark. Die Studie bietet den Kommunen zahlreiche Argumente, die eine Nutzung freier Flächen für einen trimodalen Logistikpark-Binnenhafen rechtfertigen: • Durch eine branchenübergreifende Ansiedlung von Unternehmen sowie die Förderung von Verlechtungen zwischen Unternehmen im Hafen und in der Region entstehen erhebliche Beschäftigungsefekte für den Standort und das Hinterland. • Die Bündelung von Dienstleistungen im Logistikpark kann zur Verlagerung und Vermeidung von Verkehren und damit zu einer Entlastung der kommunalen und regionalen Infrastruktur führen. • Die Ansiedlung von mehrwertsteigernden Dienstleistungen (Value-Added-Services) und die Aufwertung des Binnenhafens zu einem diversiizierten lokalen Produktionsstandort macht Hafenstandorte unabhängiger von konjunkturellen Schwankungen und Verkehrsentgelten. Gleichzeitig werden dadurch Anreize für Seehäfen geschafen, Dienstleistungen ins Hinterland zu verlagern. (zp) Langfassung des Vortrags im Newsletter VBW kompakt 1/ 2013, S. 6: http: / / www.vbw-ev.de/ downloads/ newsletter_0113.pdf Schiffahrtskrise hält an - Fusionen als Lösung? Die deutsche Handelslotte ist im vergangenen Jahr erstmals seit Beginn der 1990er Jahre geschrumpft. Infolge der weltweiten Finanzmarktkrise 2008 steht die internationale Schiffahrt noch immer unter hohem Druck. Die Branche hoft darauf, dass die stark rückläuigen Bestellungen für neue Schife den Markt in absehbarer Zeit entlasten. Das teilte der Verband Deutscher Reeder (VDR) Anfang April in Hamburg mit. In den Orderbüchern der deutschen Reedereien stehen derzeit noch 120 Seeschife gegenüber 1300 Einheiten im Jahr 2008. Der VDR geht allerdings davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Ablieferungen bedeutend niedriger liegen wird. Viele Verbindlichkeiten für Schibauprojekte seien in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben und von den Instituten überbrückt worden, weil den Reedern aufgrund der Ertragskrise am Frachtenmarkt und dem Zusammenbruch der Eigenkapitalplatzierungen das Geld ausgegangen sei. Neue Schibauprojekte ließen sich darüber hinaus derzeit kaum realisieren, da die Finanzierung immer schwieriger werde. Zudem seien langfristige Finanzierungen nicht mehr verfügbar. Fraglich ist für den VDR-Präsidenten Michael Behrendt, ob die mittelständischen Reedereien mit nur wenigen Schifen - die große Mehrheit der Mitglieder - die anhaltende Krise weiterhin überbrücken können. Für mehr als 100 Schife haben deren Eigner - zumeist Schifsfonds - seit Beginn der Krise bereits Insolvenz angemeldet. Intensiver als früher wracken die deutschen Reedereien ältere Einheiten ab. Besonders schwierig sei die Lage der deutschen Charterreeder, die ihre Containerschife an Linienreedereien vermieten. „Insolvenzen von deutschen Schifsgesellschaften sind mittlerweile an der Tagesordnung“, sagte Behrendt. „Wir sollten nicht in neue Schife investieren, sondern in größere Unternehmenseinheiten“, betonte Sören Skou, CEO der Maersk Line, Mitte April auf der Global Liner Shipping Conference von Containerisation International in London. Nur so ließen sich die Größenvorteile (Economies of Scale) der Großcontainerschife nutzen, ohne dass gleichzeitig eine massive Überkapazität entstehe. Zu Übernahmen im großen Stil werde es indes wohl nicht kommen, glaubt der Maersk-Line-Chef. „Dazu fehlt das Geld“, sagte er. Für wahrscheinlicher hält er Fusionen, wie sie vorerst zwischen Hapag- Lloyd und Hamburg Süd gescheitert ist. Ende 2012 fuhren unter deutscher Flagge 3671 Frachter, Tanker und andere Schifstypen. Ende 2011 waren es noch 3784 Einheiten, so der VDR. Seit der deutschen Einheit war die deutsche Handelslotte zur drittgrößten der Welt herangewachsen, in der Containerschiffahrt belegt sie mit großem Abstand vor Japan Rang eins. (zp) Foto: Marco barnebeck (telemarco)/ pixelio.de IM FOKuS Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 8 KV-Rückgang 2012, aber positive Erwartungen an 2013 Kombiverkehr, der europäische Marktführer im kombinierten Verkehr Straße/ Schiene, büßte 2012 im Gegensatz zu den Vorjahren deutlich an Volumen ein. Um 4,7 % sei die Zahl der transportierten Container, Wechselbehälter und Sattelanhänger auf 927 200 Sendungen zurückgegangen, meldete der Operateur Mitte Januar. Im internationalen Verkehr (707 500 Sendungen) iel das Minus mit 5 % stärker aus als im nationalen Verkehr. Hier brachte der Operateur mit 219 700 Sendungen 3,7 % weniger auf die Schiene. Robert Breuhahn, Geschäftsführer von Kombiverkehr, verweist vor allem auf die nachlassende Konjunktur sowie umfangreiche Sperrungen im Alpentransit. Monatelange Bauarbeiten auf der Brennerstrecke sowie Unterbrechungen durch Felsstürze in der Schweiz hätten sich deutlich auf das Sendungsvolumen 2012 ausgewirkt. Zum Vergleich: Bei der schweizerischen Kombiverkehrsgesellschaft Hupac iel der Sendungsrückgang 2012 noch deutlicher aus: Der Operateur beförderte 646 200 Straßensendungen auf der Schiene. Das entspricht einem Minus von 10,7 %. Zentrale Ursachen auch hier: die Konjunktur und die Streckensperrungen in der Schweiz. Knapp 40 Tage sei die Gotthardstrecke komplett dicht gewesen, heißt es bei Hupac. Trotz Umleitungen via Lötschberg/ Simplon habe allein das schon 6 % des Jahresvolumens gekostet. Zudem sei ein Teil der Kunden, die in dieser Zeit auf die Straße auswichen, nicht wieder zurückgekommen. Das Segment „transalpin via Schweiz“ verlor 12,4 %. Rückläuig entwickelte sich auch der nicht-transalpine Verkehr mit einem Minus von 9,9 %. Eine große Herausforderung sehen Hupac und Kombiverkehr in den steigenden Kosten für Bahninfrastruktur, Energie und Wagenunterhalt. Das könne die Entwicklung des Kombinierten Verkehrs bremsen. Beide Gesellschaften haben Anfang 2013 ihre Preise angehoben, weil sie nach eigenen Angaben einen Teil der gestiegenen Kosten nicht anders aufangen können. Während die Hupac-Vertreter sich verhalten äußern, ist Breuhahn für 2013 trotzdem optimistisch: Kombiverkehr soll die Sendungsmillion schafen. Diverse neue Produkte wurden bereits eingeführt, im ersten Quartal 2013 starteten allein 32 weitere wöchentliche Zugabfahrten. (zp) Weitere Informationen: www.kombiverkehr.de; www.hupac.ch Alternative zum Bekannten Versender Am 28. April 2013 endete die Übergangsfrist. Seitdem müssen Unternehmen, die Luftfracht versenden, vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) als „Bekannte Versender“ (BV) gemäß EU-Verordnung 185/ 2010 zugelassen sein - oder jede einzelne ihrer Sendungen wird kontrolliert. Das bedeutet, dass jedes Packstück im Rahmen der sicheren Lieferkette geröntgt oder auf andere Weise untersucht wird, bevor es an Bord einer Maschine gelangen kann. Die früher gegenüber einem Spediteur/ Reglementierten Beauftragten (RegB) gezeichneten Sicherheitserklärungen haben ihre Gültigkeit verloren. Von den schätzungsweise rund 60 000 in Deutschland ansässigen Exporteuren von Luftfracht hatten sich bis Mitte April lediglich gut 1000 Unternehmen beim LBA als BV zertiizieren lassen. Wie viele Anträge noch nicht abgearbeitet sind, ist der Redaktion nicht bekannt. Die Prüfung der Zertiizierungsanträge dauert bis zu ein Jahr. Für Verlader, die ihre Sendungen ausschließlich per Frachtlugzeug verschicken, gibt es jedoch eine Alternative. Sie können den ursprünglich auf Integrators ausgerichteten Sicherheitsstatus SCO (Secured for Cargo-Aircraft Only) nutzen. Dieser erfordert im Gegensatz zum BV keine aufwändige Zertiizierung durch das LBA. Mit dem Start schärferer Sicherheitsaulagen für Luftfrachtverlader akzeptiert nun auch Lufthansa Cargo Sendungen mit dem Status SCO. Bisher hatte das Frachtlugunternehmen es abgelehnt, SCO-Sendungen anzunehmen und zu befördern. Grund für den Sinneswandel bei Lufthansa Cargo: Der Kranich will „auch in Zukunft ein den Marktbedürfnissen gerecht werdendes Produktangebot“ anbieten können, heißt es in einem Schreiben an die Vertriebspartner. Würde Lufthansa Cargo am bisherigen Kurs festhalten, wären Aukommensverluste die Folge. Konkurrenten wie Emirates und Air France/ KLM hatten schon vorher angekündigt, SCO-Sendungen anzunehmen. Wer seine SCO-Fracht künftig Lufthansa Cargo anvertrauen will, muss sich vorab in puncto Sicherheit bewerten lassen. Zu diesem Zweck gibt das Unternehmen ein vom Urversender auszufüllendes Formblatt aus. Die Frachtluggesellschaft behält sich die Prüfung der Angaben in der Betriebsstätte des Urversenders vor, steht im Schreiben an die Vertriebspartner. Große Hofnung setzt Lufthansa Cargo auf die Zulassung alternativer Methoden zur Beschleunigung der Überprüfung der Sendungen. Das gilt insbesondere für den Einsatz von Sprengstofspürhunden. Die ersten Hundestafeln sind Ende April zugelassen worden. (zp) Weitere Informationen: http: / / planet.lufthansa-cargo.com/ EN Foto: Fototeam stefan rebscher, Fraport Ag Foto: Kombiverkehr KurZ + KrITISCH Gerd Aberle Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 9 E s ist schon beeindruckend, mit welcher Intensität und Ausdauer zum Sturm auf die wirtschaftlich erfolgreiche Deutsche Bahn AG geblasen wird. Obgleich Deutschland wie kaum ein anderes europäisches Land die Barrieren für einen nachhaltigen intramodalen Eisenbahnwettbewerb beseitigt hat, wächst die agressive Kritik insbesondere der EU-Kommission. Trotz des Scheiterns der EU-Kommission mit ihrem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof am 28. Februar 2013, mit dem sie eine eigentumsrechtllche Abtrennung des Schienennetzes erzwingen wollte, versucht sie nunmehr auf unterschiedlichen Wegen, ihr Unbundling-Ziel zu erreichen. Am 21. November 2012 brachte sie ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen angeblich unzulässiger Nutzung des Ergebnisabführungsvertrages zwischen der DB Netz AG und der Deutsche Bahn AG auf den Weg. Und seit dem 30. Januar 2013 versucht die EU-Kommission im Rahmen ihres Vorschlages für ein 4. Eisenbahnpaket erneut, das Unbundling dadurch durchzusetzen, dass entweder vertikal integrierte Organisationslösungen in Zukunft gar nicht oder aber nur unter außerordentlich restriktiven Aulagen zulässig sind. Diese Aulagen führen zu einem faktischen Unbundling, da sie jede Steuerungsmöglichkeit von Netzbetrieb und Netzinstitution nach den Erfordernissen eines eizienten und innovativen Eisenbahnsystems unterbinden. Es verärgert, mit welcher Einseitigkeit und theoretischer Argumentationsarmut die EU-Kommission vorgeht. So werden Behauptungen von angeblichen Trassenpreissenkungen und hieraus resultierenden volkswirtschaftlichen Gewinnen durch ein Unbundling vorgebracht. Einziger Bezugspunkt sind Lehrbuchaussagen zum natürlichen Monopol und zu essential facilities. Real existierende Wettbewerbsverhältnisse werden nicht berücksichtigt, wie etwa die hohe intermodale Konkurrenz von Straßen-, Luft- und Binnenschifsverkehr oder die seit 2000 ständig steigenden Marktanteile der intramodalen Wettbewerber. Dubiose Befragungsergebnisse müssen in der neuen Unbundling-Strategie als Begründung ausreichen. Die mittlerweile zahlreichen systematischen Untersuchungen zu den Systemvorteilen integrierter Bahnunternehmen bei gleichzeitiger sonstiger Regulierung des Netzsektors werden ignoriert. Zwar gilt der neue EU-Vorschlag für alle Bahnunternehmen, zielt aber vorrangig auf die DB. Dabei verschärft sich die Wettbewerbssituation im deutschen Bahnsektor ständig. So versuchen einige bedeutende SPNV-Aufgabenträger, bei den anstehenden hohen Ausschreibungsvolumina der Jahre 2013 bis 2015 möglichst DB- Wettbewerber erfolgreich werden zu lassen. Das französische Staatsunternehmen RATP, das den gesamten ÖPNV im Großraum »Es verärgert, mit welcher Einseitigkeit und-theoretischen Argumentationsarmut die EU-Kommission vorgeht.« Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Treibjagd Paris als Monopolanbieter betreibt, will die DB AG aus ihrem S- Bahn-Betrieb Berlin verdrängen. Ein Berliner Erfolg soll zum Nukleus für seine weitere Deutschland-Expansion werden. Andererseits kann sich RATP über Verkehrsverträge für alle ÖPNV-Aktivitäten im Großraum Paris bis 2039 (! ) freuen, also über eine unangreibare Besitzstandsposition. Gleichzeitig wächst der intermodale Fernbus-Wettbewerb durch den neuen massiven Auftritt einer Vielzahl kleiner und mittelständischer Fernbusanbieter sowie deutscher und ausländischer Großorganisationen wie Aldi-Bus, Deutsche Post/ ADAC, Deutsche Touring, National Express (UK) und weitere. Zunehmend werden ICE-Strecken konkurrenziert, und dies zusätzlich zu den Niedrigpreisangeboten im Luftverkehr. Dieser in der ökonomischen Theorie beim klassischen Fall des natürlichen Monopols nicht enthaltene, aber im konkreten Fall sehr bedeutsame intermodale Wettbewerb auf allen Feldern der Bahnaktivitäten interessiert die Brüsseler Regulierer nicht. Ebenso wenig interessiert sie der durch ein zwangsweises Unbundling auftretende Eizienzverlust, die strukturellen Verwerfungen im Eisenbahnsystem oder die inanzpolitischen Konsequenzen. Die DB AG hat dem Netz durch Verlustübernahmen, Kapitalerhöhungen und Eigenmittelinvestitionen rund 18 Mrd. EUR zugeführt. Eine durch eigentumsrechtliche Abtrennung erforderliche Kontenbereinigung und die Beendigung dieser Mittelzuführungen würde den Steuerzahler erheblich belasten. Die permanenten Jagdauftritte der EU-Kommission rational nachzuvollziehen ist nicht möglich. Es scheint, dass das Erringen einer Zerschlagungstrophäe zum polit-emotionalen Anliegen geworden ist, das durch die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der deutschen Eisenbahnpolitik noch neidvoll verstärkt wird. POLITIK Verkehrsstrategie Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 10 Mobilität 2013+ Parteien im Bundestag zum Verkehr der Zukunft Das Bedürfnis der Deutschen nach Mobilität wächst weiter. Wo es der Nahverkehr in den Ballungsräumen zulässt, schwindet die Bedeutung des eigenen Autos immer weiter. Reicht das aber aus, um in den Städten, den urbanen Regionen und in der Fläche tragfähige Mobilitätsstrukturen zu erhalten und womöglich auszubauen? Ist die Politik bereit, für die rechtlich und inanziell notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen? Im Vorfeld der Bundestagswahl fragte Internationales Verkehrswesen die im Bundestag vertretenen Parteien nach ihren Ideen, Konzepten und Strategien für den Verkehr von morgen. Cdu: Ganz oben auf der Liste steht die Verkehrssicherheit dirk Fischer, MdB, Verkehrspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag; dirk.ischer@cducsu.de Der Verkehr der Zukunft muss bei gesicherter Finanzierung der Infrastruktur noch sicherer, zuverlässiger, ressourcenschonender, innovativer und leiser werden, ohne dass auf Mobilität verzichtet werden muss. Das sind in knappen Worten die wichtigsten Herausforderungen für die Verkehrspolitik. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die Verkehrssicherheit, die wir weiter verbessern wollen, indem besonders gefährdete Risikogruppen wie Kinder, Fußgänger und Radfahrer geschützt werden müssen. Die Zahl der getöteten Verkehrsopfer und der verletzten Unfallopfer muss weiter gesenkt werden. Der abnehmende Trend der vergangenen 20 Jahre ist dabei Ansporn für die sehr gute Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland. Auch für Fahranfänger kann das Lernangebot verbessert werden, ohne-dass der Führerscheinerwerb zu teuer wird. Bei der Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans müssen wir uns neben dem Schwerpunkt Erhalt auf Vorhaben konzentrieren, die Engpässe beseitigen und Knoten entlasten. Die Sanierung von Brücken und Kanälen wie dem Nord-Ostsee-Kanal stehen dabei im Mittelpunkt genauso wie der bedarfsgerechte Ausbau der seewärtigen Zufahrten und Hinterlandanbindungen. In der Grundkonzeption der Bundesregierung für den neuen Bundesverkehrswegeplan ist mit der neuen Kategorie „Vordringlicher Bedarf Plus“ bereits angelegt, dass Vorhaben mit überregionaler Bedeutung besonders berücksichtigt werden müssen. Die Bundesländer sollten dies bei ihren Anmeldungen im Auge haben und sich idealerweise auch mit anderen Ländern abstimmen, wenn es um diese Kategorie geht. Auch den Anforderungen des demographischen Wandels wollen wir gerecht werden, indem Mobilität in der Stadt und auf dem Land sichergestellt wird. In den Ballungsräumen werden neben dem guten Netz des Öfentlichen Personennahverkehrs neue innovative Mobilitätskonzepte zum Einsatz kommen. Emissionsarme und platzsparende Lösungen wie die Elektromobilität und das Car-Sharing aber auch Mietfahrrad-Systeme erfordern die passenden Rahmenbedingungen, z. B. die Ausweisung von Stellplätzen und eine entsprechende (Lade-)Infrastruktur. Auf dem Land werden Bürger- und Anrubusse oder der rollende Verkaufsladen eine wichtigere Rolle bei der Versorgung der Menschen spielen. Nachhaltige Mobilität beruht vielfach auf technischen Innovationen. Alternative Antriebstechnologien (z.B. Batterie, Wasserstof oder Brennstofzelle) werden weiter entwickelt, wobei ein technologieneutraler Förderansatz verfolgt wird. Insbesondere in der Luftfahrt werden Biokraftstofe (der zweiten Generation basierend auf Zellulose) künftig eine wichtigere Rolle spielen. Die Akzeptanz von Infrastrukturvorhaben wollen wir verbessern. Die Bürger sind neben den Fachleuten aufgerufen, sich frühzeitig zu informieren und einzubringen. Die Projektbeiräte an der Rheintalbahn sind ein positives Beispiel für einen konstruktiven Prozess der Bürgerbeteiligung. Verkehrslärm und Emissionen wie CO 2 müssen weiter verringert werden - dies ist eine zentrale Aufgabe, um einerseits dem steigenden Verkehrsaukommen zu begegnen und um andererseits die Akzeptanz bei den Bürgern zu erhöhen, wenn es um den notwendigen Ausbau der Infrastruktur geht. Weitere Maßnahmen des Lärmschutzes sind erforderlich, um vor allem den Anwohnern in der Nähe von Flughäfen, Schienenstrecken und vielbefahrenen Straßen mehr Ruhe zu verschafen. Dabei steht der Lärmschutz an der Quelle, d.h. am Verkehrsmittel selbst, im Vordergrund. Dieser muss ergänzt werden, z.B. durch ein europäisches Förderprogramm zur Umrüstung von Güterwaggons. Die Reform der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes wird fortgeführt, wobei die einzelnen Standorte von Ämtern und Organisationseinheiten noch einmal überprüft werden. Der Wettbewerb auf der Schiene wird durch eine eiziente und efektive Eisenbahnregulierung ergänzt, die von der Bundesnetzagentur überwacht wird. Das Vierte Eisenbahnpaket der Europäischen Kommission bildet den Rahmen für den Abbau von wettbewerbsbeeinträchtigenden Hürden. Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 11 SPd: Oberste Priorität hat der erhalt der Infrastruktur Sören Bartol, MdB, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; soeren.bartol@bundestag.de Wer über den Verkehr der Zukunft spricht, muss wissen, wie die Mobilität der kommenden Jahre organisiert werden soll. Deutschland braucht ein funktionierendes Verkehrs- und Mobilitätssystem. Heute steht der deutsche Wirtschaftsstandort mehr im Stau, als er sich vorwärts bewegt. Gleichzeitig muss der Verkehr leiser und umweltschonender werden. Der Verkehr der Zukunft und damit verbundene neue Mobilitätskonzepte werden maßgeblich von der Verkehrsinfrastruktur bestimmt. Daher haben wir sie ins Zentrum unserer Politik gerückt und hierzu im Projekt „Infrastrukturkonsens“ Reformvorschläge im Dialog mit Verbänden, Wissenschaftlern und den Ländern erarbeitet (http: / / www.spdfraktion.net/ node/ 11192). Wir wollen mehr Geld in die Verkehrswege investieren. Aber Geld allein genügt nicht. Wir brauchen mehr Akzeptanz durch eine bessere und frühzeitigere Bürgerbeteiligung. Und es bedarf vor allem klarer Prioritäten und einer Reform der Planung und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. So muss die Bundesverkehrswegeplanung zu einer verkehrsträgerübergreifenden Bundesverkehrsnetzplanung umgebaut werden. Nicht die isolierte Betrachtung der Einzelprojekte darf im Mittelpunkt stehen, sondern das Funktionieren des Netzes als Ganzes. Das gilt auch für die Flughäfen, für die wir einen „Masterplan Flughäfen“ erarbeiten wollen. Oberste Priorität hat der Erhalt der Infrastruktur. Die Mittel hierfür wollen wir aufstocken, u.a. mit einem Programm zur Sanierung der Autobahnen mit Schwerpunkt Autobahnbrücken, einer verbesserten Finanzausstattung der LuFV Schiene und einem Schleusenreparaturprogramm. Um den Bedarf richtig einzuschätzen und Maßnahmen zu priorisieren, ist ein zweijährlich erscheinender Verkehrsinfrastrukturbericht unabdingbar. Beim Neu- und Ausbau müssen die Engpassbeseitigung und der Ausbau hoch belasteter Hauptachsen und Knoten Priorität haben. Hierfür werden wir ein „Nationales Verkehrswegeprogramm“ aulegen, in das 80 % der Neu- und Ausbaumittel ließen. Die Finanzierung erfolgt außerhalb der Länderquote und wird auf fünf Jahre im Bundeshaushalt ixiert. Damit wird sichergestellt, dass wichtige Projekte durchinanziert sind und schnell umgesetzt werden. Bei der Bahn müssen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wieder zum Markenzeichen werden. Den weiteren Ausbau der Schiene wollen wir deshalb an einem Taktfahrplan ausrichten, in dem Nah- und Fernverkehre aufeinander abgestimmt und vorkonzeptionierte Güterverkehrstrassen integriert sind. Für den Schienengüterverkehr wollen wir die Kapazitäten bis 2030 verdoppeln, zuvor aber den Lärmschutz deutlich verbessern, indem bis 2020 alle Güterwagen auf leise Bremssohlen umgerüstet sind. Der Einluss des Bundes auf das Schienennetz muss wieder gestärkt werden, etwa indem die Bundesregierung einen Bahnbeauftragten einsetzt, der die Aufsichtsratsvertreter des Bundes koordiniert. Vor allem muss institutionell sichergestellt werden, dass künftig alle Einnahmen aus dem Schienennetz wieder in die Infrastruktur zurückließen. Um die kommunale Verkehrsinfrastruktur - ÖPNV und Gemeindestraßen - dauerhaft zu sichern, streben wir einen Investitionspakt an, bei dem die Länder vom Bund Investitionsmittel erhalten und sich im Gegenzug verplichten, sie zweckgebunden für die Verkehrsinfrastruktur zu verwenden. Wir wollen die Haushaltsmittel für die Verkehrswege um 2 Mrd. Euro jährlich aufstocken, zusätzlich aber auch die Nutzerinanzierung weiterentwickeln, indem die Lkw- Maut auf alle Straßen ausgeweitet wird. Dabei muss sichergestellt sein, dass sämtliche Mehreinnahmen aus der Lkw-Maut in vollem Maße der Verkehrsinfrastruktur zu Gute kommen und die Investitionsmittel im allgemeinen Haushalt nicht gleichzeitig gekürzt werden. Wir plädieren deshalb für eine überjährige Zweckbindung der Einnahmen in einem verkehrsträgerübergreifenden Finanzierungskreislauf. Er muss transparent und für jeden Verkehrsträger nachvollziehbar gestaltet sein. FdP: Bezahlbare Mobilität in Zukunft gewährleisten Oliver Luksic, MdB, Verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Mitglied im Ausschuss für Verkehr, Bau & Stadtentwicklung; oliver.luksic@bundestag.de Mobilität ist und bleibt auch in Zukunft Ausdruck individueller Lebensqualität. Sie ist Voraussetzung von Flexibilität sowie ein wichtiger Baustein für unseren Fortschritt und das Wirtschaftswachstum. Deutschland ist und bleibt mit seiner geographischen Lage das wichtigste Transitland in Europa. Bei einer Gesellschaft mit hoher Arbeitsteilung sowie hohem Export werden auch in naher Zukunft die zentralen Fragen sein, wie wir bezahlbare Mobilität des Einzelnen und ein eizientes Verkehrssystem angesichts der erwarteten Zuwachsraten im Güterverkehr gewährleisten. Die Freiheit ist dabei auch künftig ohne Verantwortung undenkbar, und deshalb darf die steigende Mobilität nicht auf Kosten der Allgemeinheit und der Umwelt gehen. Die FDP will daher den Verkehr und die Umwelt durch ein intelligentes Gesamtkonzept miteinander „versöhnen“. Es ist aus unserer Sicht zudem klar, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten muss. Jeder Verkehrsteilnehmer soll die von ihm verursachten Kosten für den Umweltschutz sowie für den Infrastrukturerhalt und -ausbau tragen. Auf dieser Basis soll jeder Einzelne selbst entscheiden können, welches Verkehrsmittel er wählt. Denn nur so entstehen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern. POLITIK Verkehrsstrategie Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 12 Aufgrund der Verknappung fossiler Brennstofe zeichnet sich in der Verkehrswirtschaft auf mittlere Frist ein Abschied von den traditionellen Kraftstofen ab. Die Frage der Gewährleistung nachhaltiger und bezahlbarer Mobilität im Zusammenhang mit schwindenden Ressourcen und der Veränderung des Klimas ist und bleibt daher auch künftig aktuell. Zukunftsweisend im Bereich der umweltschonenden Technologien sind Biokraftstofe der zweiten und dritten Generation, die beispielsweise aus Reststofen und Algen gewonnen werden können. Weitere Schlüsseltechnologien sind wasserstofgetriebene Brennstofzellen und Elektroantriebe. Neben einer konsequenten Verbesserung der Energieeizienz bei den gegenwärtig genutzten Kraftstofen und Antriebstechniken, ist es gerade im Verkehrsbereich erforderlich, alternative Antriebe und Kraftstofe weiter zu entwickeln und diese bei der Markteinführung zu unterstützen. Darüber hinaus führt die demograische Entwicklung dazu, dass der Status quo der öfentlichen Verkehrsversorgung in Frage gestellt werden muss. Die Mobilitätsbedürfnisse werden sich hierdurch spürbar ändern. In allen Annahmen besteht Einigkeit darüber, dass die Bevölkerungsstruktur unserer Gesellschaft am Beginn eines gravierenden Wandlungsprozesses steht. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen jedoch nicht vor die Frage gestellt werden, ob man sich in 20 oder 30 Jahren die individuelle Mobilität noch leisten kann. Deshalb wollen wir weder einseitige Subventionen noch künstliche Verteuerungen des Verkehrs, mit denen insbesondere Autofahrer bestraft werden sollen. Trotz vielfältiger Bemühungen seit der Wiedervereinigung sind Erhalt, Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur weit hinter den bedarfsgerechten Erfordernissen zurückgeblieben. Die Infrastukturinanzierung Deutschlands stagniert. Verkehrsinfrastrukturinvestitionen bedeuten keine Verteilung von Wohlfahrt, sondern sind die Basis für die Erwirtschaftung verteilungsfähiger Wohlfahrt. Auf der anderen Seite baut und plant kein Land so aufwendig und teuer wie Deutschland. Das Finanzierungssystem zwischen Bund und Ländern ist extrem intransparent und ineizient. Mischkompetenzen sind zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften erfahrungsgemäß weder eizient noch transparent. Kleinteilige Korrekturen - ohne neue Ansätze der Nutzerinanzierung - sind nicht mehr länger tragfähig. Für den riesigen Investitionsbedarf der Zukunft müssen wir letztlich über neue Finanzierungsinstrumente diskutieren. Wir wollen noch mehr Finanzierungskreisläufe für Straße und Schiene schafen. Die Straße ist ein Hauptverkehrsträger und muss weiter entsprechend ausgebaut werden. Die Bahn muss durch mehr Wettbewerb zukunftssicher gemacht werden. In Zeiten der notwendigen Haushaltskonsolidierung bleibt es besonders wichtig, klare Prioritäten bei den Investitionen zu setzen. Nur eine Nutzergruppe für die Finanzierungskosten in Zukunft aukommen zu lassen, wäre falsch. Das Finanzierungssystem zwischen Bund und Ländern betrachten wir als ineizient, es muss auf den Prüfstand gestellt werden. Die Mobilitätspolitik der Zukunft muss dem Grundsatz folgen, dass wir die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung stetig verbessern. Die Aufgabe des Staates kann jedoch nicht sein, eine absurde Subventionspolitik auf die Spitze zu treiben. die Linke: Für eine vernünftige utopie der entschleunigung Sabine Leidig, MdB, Verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE-LINKE; sabine.leidig@bundestag.de Entgegen der vorherrschenden Meinung ist Verkehr keine quasi naturwüchsige Angelegenheit, sondern das Ergebnis unserer Produktions- und Lebensweise. Ein Mensch legt heute mit 12.000 Kilometer pro Jahr eine doppelt so lange Wegstrecke zurück wie vor 30 Jahren. Was früher als (Transport-)Aufwand empfunden wurde, gilt heute als (Verkehrs-)Leistung, die immer weiter gesteigert wird. Dabei wachsen die Lasten des Verkehrs mit und werden den Gesellschaften aufgeladen: Schäden für Umwelt, Klima und Gesundheit, Unfallopfer, Verlust von Lebensqualität, und zunehmende Ineizienz durch Staus. Dazu die Zerstörungen durch Ölförderung, Raubbau an Rohstofen, Militarisierung und Kriege um die fossilen Ressourcen. Der Import von Agrotreibstof verdrängt die Nahrungsmittelproduktion und führt dazu, dass wertvolle Wälder und andere Biotope zerstört werden. Mit dem Fokus auf Elektroautos, Flüssiggas oder sonstigen Surrogate, wird Zeit und Geld in die Fortführung des falschen Pfades gesteckt: FAST steht für Tempo und Beschleunigung, für eine Politik des „weiter so“ und letztlich für Stress bei Natur, Klima und Mensch. Eine zukunftsfähige Verkehrs-(und Mobilitäts-)Politik muss an die Wurzel des Problems gehen und mit politischen Zielsetzungen und langfristiger Planung dafür sorgen, dass schädlicher Verkehr radikal reduziert wird - mit Blick auf das Jahr 2030, was der Periode des nächsten Bundesverkehrswegeplanes entspricht. Notwendig ist ein alternativer Entwicklungspfad: SLOW, der für Entschleunigung, eine Politik der Verkehrswende und schließlich für ruhigeres Leben und mehr soziale Teilhabe steht. Die notwendigen Weichenstellungen dafür lassen sich in wenige Punkte fassen: 1. Strukturpolitik zur Herstellung von kurzen Wegen: Nicht diejenigen sind besonders mobil, die schnell und weit fahren, sondern diejenigen, die die Orte des Lebens - Schule, Arbeitsplatz, Park, Kino, Einkaufsladen oder Arzt - leicht erreichen können. Elemente sind die „Stadt der kurzen Wege“, grüne Lungen und Dorläden oder mobile Versorgung. 2. Gezielte Förderung von Fahrradfahren und Zu-Fuß-gehen: Es ist die Frage der Entfernung und die Qualität und Sicherheit, die diese Fortbewegungsarten attraktiv machen. Von den Fußgängerzonen über Grünstreifen und kreuzungs- und garantiert schneefreie Rad(schnell) wege bis hin zu Fahrradparkhäusern gilt es, die vereinzelt erblühten Alternativen zu verallgemeinern. 3. Erhalt, Ausbau und Verbesserung des ÖPNV, des Schienennetzes und der Angebote der Bahn: Es ist realistisch, die Beförderungskilometer der Eisenbahnen um gut 80 % zu erhöhen und die von S-Bahnen und Trams zu verdoppeln. Der Transport von Gütern muss vor allem auf die Schiene. Die Straße soll „zurückerobert werden“ - statt teuren U-Bahnen gehört der Tram die Zukunft. Wichtig ist ein einheitliches (Preis-)Sys- Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 13 tem - am besten ÖPNV-Flatrate ohne Tickets - und ein in landesweiter Integraler Taktfahrplan. Dazu vollständige Barrierefreiheit, personengebundener Service an allen Bahnhöfen und gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Eine Mobilitätsgarantie auch im ländlichen Raum (verlässliche Erreichbarkeit des nächsten Oberzentrums) soll dafür sorgen, dass niemand aufs eigene Auto angewiesen ist. 4. Unterstützung für die gelebten Utopien: Autofreies Wohnen oder autofreie Ferienorte haben eine besondere „Leuchtturmfunktion“, und mit autofreien Tagen kann die neue Lebensqualität erfahrbar werden. Autofreie Tage gibt es mittlerweile jährlich an rund 80 Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in etwa 150 italienischen Städten. Zum fünften autofreien Sonntag strömten im vergangenen Jahr mehr als 120 000 Besucher_innen nach Hannover. 5. Einschränkung des Flugverkehrs: Dazu müssen vor allem die Subventionen beendet und die externen Kosten eingepreist werden. Nötig sind Flugverbote zum Schutz der Bevölkerung und die Verlagerung von Inlands- und Kurzstreckenlügen auf die Bahn, die auch gute Nachtreisezüge bietet. 6. Deutliche Reduzierung des Güterverkehrs: Durch die Anlastung sämtlicher gesellschaftlicher Kosten müssen Transporte verteuert werden. LKW-Fahrten sind einzuschränken, um Mensch und Umwelt zu schützen. Mit der Förderung von regionalen Wertschöpfungsketten und Wirtschaftskreisläufen entsteht ein Gegengewicht zur Globalisierung. Unser Zukunftsprogramm in Kürze: Mobilität für alle - mit weniger Verkehr. Bündnis 90/ die Grünen: Verkehrspolitik 2050 - Weichenstellungen für eine postfossile Mobilität Stephan Kühn, MdB, Sprecher für Verkehrspolitik, Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen; stephan.kuehn@bundestag.de Wie sieht die Mobilität im Jahr 2050 aus und welche Weichenstellungen müssen wir bereits heute vornehmen, um langfristige Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Wie können wir unser auf dem Verbrauch fossiler Energieträger basierendes Verkehrssystem in ein postfossiles System transformieren und wie kann Mobilität dabei bezahlbar bleiben? Wagen wir einen Zeitsprung in das Jahr 2050: Seitdem ab 2015 bei der Bahn schrittweise der Deutschland-Takt mit einer DeutschlandCard für die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel eingeführt wurde, stiegen immer mehr Bürgerinnen und Bürger um. Jeder Dritte ist bereits im Besitz der DeutschlandCard, die auch freie Fahrt mit Pedelecs und in Rubussen erlaubt und so durchgehende Mobilitätsketten selbst bis in den entlegensten Winkel der Republik ermöglicht. DeutschlandCard-Besitzer haben Zugang zu allen CarSharing-Angeboten. Überhaupt ist Intermodalität im Verkehr selbstverständlich geworden. Nur durch die Stärkung der öfentlichen Verkehrsmittel und die Durchsetzung strengster Verbrauchsgrenzwerte bei Pkw konnte bei drastisch steigenden Preisen an der Tankstelle Mobilität für alle bezahlbar gehalten werden. Zurück in die Gegenwart: Damit diese Vision Wirklichkeit wird, bedarf es grundsätzlicher Weichenstellungen in Richtung nachhaltiger Mobilität. Klar ist: Unsere heutige Mobilität ist alles andere als nachhaltig. Der Verkehr ist mit 90 % wie kein anderer Sektor abhängig von der knappen und endlichen Ressource Erdöl. In Deutschland gehen rund 20 % der CO 2 -Emissionen auf den Verkehr zurück. Mit der Verplichtung auf das Zwei-Grad- Ziel beim Klimaschutz hat Deutschland verbindliche Minderungsziele bei den Treibhausgasemissionen einzuhalten. Deshalb ist es zwingend notwendig, nationale Ziele mit deinierten Etappenzielen für den Energieverbrauch des Verkehrssektors festzulegen. Verkehrsverlagerung auf die energieeizienteren und klimaschonenderen Verkehrsmittel spielt dabei eine zentrale Rolle. Beim Aubau eines zukunftsfähigen Verkehrssystems kommt den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds eine tragende Rolle zu. Deshalb wollen wir in Deutschland eine Bahn- und ÖPNV-Ofensive anstoßen, mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen bei Bus und Bahn zu verdoppeln. Im Mittelpunkt steht dabei ein Deutschland-Takt. Die Verkehrsleistung der Güterbahnen wollen wir ebenfalls mindestens verdoppeln. Um das zu erreichen, ist ein Ausbau der Infrastruktur unabdingbar. Dabei wollen wir die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an über weitreichende Instrumente der Beteiligung in die Planung einbeziehen. Erreicht werden können die Verlagerungsziele nur, wenn künftig in die richtigen Infrastrukturprojekte investiert wird. Dazu brauchen wir neue Prioritäten. Für alle Verkehrsträger gilt: Weniger Prestige, mehr Pragmatismus. Bei der Schiene brauchen wir vor allem neue Kapazitäten im Schienengüterverkehr. Das Fernstraßennetz ist in seiner Grundstruktur vollendet, nur an wenigen Stellen gibt es noch Engpässe. Der Neuausrichtung der Verkehrspolitik muss auch durch neue Finanzierungsinstrumente Rechnung getragen werden. Die geschlossenen Finanzierungskreisläufe einzelner Verkehrsträger müssen zugunsten einer verkehrsträgerübergreifenden Finanzierung wieder aufgelöst werden. Vielmehr müssen die externen Kosten den jeweiligen Verkehrsträgern angelastet werden. In diesem Zusammenhang ist es zielführend, die Lkw-Maut zunächst auch auf das Bundesstraßennetz und auf Lkw ab 3,5 t auszuweiten. Damit kann gleichzeitig ein Finanzierungsbeitrag für die notwendige Lärmsanierung an bestehenden Straßen und Eisenbahnstrecken geleistet werden. Wir wollen Betrofenen einen Rechtsanspruch auf Lärmschutz einräumen. Insgesamt muss die Infrastrukturpolitik auf die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele neu ausgerichtet werden. Die Bundesregierung ist gerade dabei, die Weichen wieder in die falsche Richtung zu stellen und versteht Infrastrukturpolitik immer noch als Bauprogramm. Statt mit der Grundkonzeption das Fundament für einen zukunftsfähigen Bundesverkehrswegeplan zu legen, wird abermals der untaugliche Versuch gestartet, dem unterstellten Verkehrswachstum hinterher zu bauen. Auf klare CO 2 -Reduktionsziele oder Verlagerungs- und Kapazitätsziele beim Verkehrsträger Schiene wird gleich ganz verzichtet. Noch können die Fehler korrigiert werden, ansonsten wäre der BVWP 2015 verlorene Zeit auf dem Weg zum postfossilen Verkehrssystem. Und die Zeit drängt. ■ POLITIK Infrastruktur-Finanzierung Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 14 Finanzierungsbedarf der Bundeswasserstraßen Bereits die vor mehr als einem Jahrzehnt von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission Verkehrsinfrastrukturinanzierung“, die so genannte „Pällmann-Kommission“, hat in ihrem Schlussbericht im September 2000 eine latente Instandhaltungskrise auch für die Bundeswasserstraßen konstatiert. Das Problem hat sich seither noch verschärft. Der Autor: Andreas Kossak D ie Pällmann-Kommission hat in ihrem Schlussbericht vom 5. September 2000 die Diferenz zwischen den Haushaltsansätzen und dem Finanzierungsbedarf damals mit „mindestens 0,5 Mrd. DM“ jährlich benannt - mit der Ergänzung: „Der Bedarf für eine gezielte Stärkung des Verkehrsträgers wäre noch deutlich höher anzusetzen“ [1]. Zu den „Komponenten des Lösungskonzepts“ zählte: • Schafung einer Bundeswasserstraßengesellschaft: Übertragung aller Aufgaben, die nicht hoheitlichen Charakter haben; Entstaatlichung der Verwaltung. • Überprüfung der Abgrenzung des Bundeswasserstraßennetzes: Verkauf, Abgabe oder Schenkung von Nebenwasserstraßen • Ausweitung der Erhebung von Entgelten: Weiterverfolgung der Einführung von Schiffahrtsabgaben auf Rhein, Donau und Elbe. • Mitinanzierung der Bundeswasserstraßen durch Dritte: Aktivierung aller Möglichkeiten der Nutzer-/ Nutznießerinanzierung bezogen auf alle Formen der Nutzung der Wasserwege. Die Empfehlungen der Kommission wurden damals allseits begrüßt. Gut zwölf Jahre später hat sich die Situation der Finanzierung der Bundeswasserstraßen eher verschlechtert als verbessert. Die „Instandhaltungskrise“ hat sich weiter verschärft. Aktuell sichtbarstes Zeichen ist der Ausfall der Brunsbütteler Schleusen am Nord-Ostsee- Kanal (NOK) mit der Folge, dass die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt zeitweise für den Schifsverkehr völlig gesperrt werden muss und in den übrigen Zeiten häuig nur eingeschränkt passierbar ist. Die Konsequenz ist ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden für die betrofenen Reedereien, für die Wirtschaft am NOK und für den Hamburger Hafen, den bedeutendsten „Mega-Gateway“ der Bundesrepublik. Die Sanierung des Schleusensystems und der Ausbau des NOK mit der Beseitigung von Engpässen und der Bereinigung enger Kurven gelten spätestens seit den 1990er Jahren als dringend. Im „Infrastrukturbeschleunigungsprogramm“ von 2012 wurden 300 Mio. EUR für den Bau einer 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel vorgesehen. Nach aktuellem Stand wird mit einer Fertigstellung frühestens im Jahr 2021 und nunmehr mit Kosten in Höhe von 375 Mio. EUR gerechnet. Die realistische Erwartung, dass der Bundeshaushalt in Zukunft eher noch deutlich weniger Spielraum für eine Verbesserung der Situation lassen wird, hat das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) zum Anlass genommen, ein Konzept für eine Neue Netzstruktur zu entwickeln. Sie soll als Grundlage für eine veränderte Investitionspolitik mit einer Konzentration des Ressourceneinsatzes dienen. Parallel dazu wird eine Reform der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit dem Ziel einer weiteren Eizienzsteigerung verfolgt [2]. Die bisher veröfentlichten Vorschläge Bild 1: Güterverkehrsleistungen der Binnenschiffahrt in Deutschland. (Quelle: [4]; eigene Darstellung ) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 15 in diesem Zusammenhang werden von den Betrofenen überwiegend kritisch beurteilt bzw. abgelehnt. Die Diferenz zwischen dem zugrunde gelegten tatsächlichen Bedarf und den nach gültiger Haushaltsplanung real verfügbaren Mitteln ist vom BMVBS mit rd. 550 Mio. EUR/ Jahr ausgewiesen. Diese Größenordnung ist auch von relevanten Verbänden anlässlich einer Anhörung des Bundestagsverkehrsausschusses im Juni 2011 genannt worden - ebenso in den Anhörungen der von der Verkehrsministerkonferenz der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesverkehrsministerium eingesetzten Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ zu dem Thema im Februar 2012. Soweit erkennbar, sind darin allerdings nicht oder nicht in vollem Umfang enthalten [3]: • die künftigen Kostensteigerungen (konstante Budgetansätze sind gleichbedeutend mit einem real degressiven Finanzvolumen) • die Kostensteigerungen bei den in den Bundesverkehrswegeplan eingestellten Maßnahmen gegenüber dem Planungsstand • der Abbau des bereits langfristig kumulierten beträchtlichen Instandhaltungsrückstaus • Maßnahmen, die nicht im aktuellen Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt sind, wie das Konzept zur Durchgängigkeit von Wasserstraßen für Fische mit einem Kostenvolumen von allein voraussichtlich deutlich über einer Mrd. EUR Aufgrund dessen ist die tatsächliche Finanzierungslücke eher mit 0,8-1,0 Mrd. EUR/ Jahr (zu aktuellen Preisen) anzusetzen. Wenn die politisch regelmäßig geltend gemachte Zielsetzung einer maßgeblichen Stärkung des Verkehrsträgers Wasserstraße erreicht werden soll, wird der Bedarf auf mindestens 20 Jahre hinaus noch deutlich höher sein. Im Zeitraum 1991 bis 2010 ist der Modal-Split-Anteil der Binnenschiffahrt an den Güterverkehrsleistungen im „binnenländischen Verkehr“ ohne den Nahverkehr deutscher LKW von 16,7 % auf 10,5 % zurückgegangen [4] (Bild 1, 2). Ein Schwerpunkt bisher unzureichend genutzter Möglichkeiten der Stärkung der Binnenschiffahrt ist der Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens. Im aktuellen Hafenentwicklungsplan von 2012 wird ihr Anteil am Umschlag von See-Containern in 2010 mit 2 % ausgewiesen (Straße 61 %, Schiene 37 %); bei einem Anteil der Container von bereits rd. 70 % am Gesamtumschlag [5]. In der Prognose 2025 ist er unverändert mit 2 % angesetzt - allerdings bei Annahme weiner Verdreifachung des Aufkommens. Der Hamburger Senat hat demgegenüber das Ziel eines Anteils von „mindestens 5 %“ proklamiert; das wäre gleichbedeutend mit einer Steigerung um „mindestens“ das 7,5-Fache. Der weit überwiegende Anteil des Güterverkehrsaukommens per Binnenschif (2010 rd. 90 %) von und nach Hamburg wird über den Elbe-Seitenkanal abgewickelt (Region Braunschweig/ Wolfsburg, Mittellandkanal). Dessen Leistungsfähigkeit ist durch das Schifshebewerk Scharnebeck entscheidend determiniert. Das gilt sowohl für die Durchlassfrequenz, selbst ohne die häuigen Betriebseinschränkungen und Ausfälle aufgrund erforderlicher Reparatur- und Wartungsarbeiten, als auch für die zu geringen Abmessungen, die eine Befahrung mit modernen Großschifen oder gar Schifsverbänden nicht zulassen. Ohne eine Modernisierung und Leistungssteigerung des Hebewerkes und der Schleusen am Elbe-Seiten-Kanal ist eine Erreichung der Zielmengen des Hamburger Senats nicht auch nur annähernd möglich, selbst wenn die dafür erforderlichen Bedingungen für den Umschlag im Hamburger Hafen tatsächlich kurzfristig geschafen werden könnten. Auch bei umgehender Inangrifnahme des Projekts wäre eine Realisierung bis 2025 unwahrscheinlich. Voraussetzung ist jedenfalls die Sicherstellung der Finanzierung; die ist gegenwärtig aber nicht absehbar. Die Hofnung, dass die Haushaltsansätze für die Bundeswasserwege künftig deutlich erhöht werden können, ist realitätsfern; zu erwarten beziehungsweise zu befürchten ist eher das Gegenteil. Gerade der Hamburger Senat wendet sich vehement gegen die Stärkung der inanziellen Basis der Binnenwasserstraßen auf dem Wege einer Erweiterung der Nutzerinanzierung, wie sie die „Pällmann-Kommission“ schon im Jahr 2000 nachdrücklich empfohlen hat, wie sie das BMVBS verfolgt und wie es auch die Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ zur Diskussion gestellt hat - wenn auch als Ergebnis der politischen Konsenszwänge zurückhaltender, als es angezeigt wäre. Die Einnahmen aus direkten Schiffahrts- und Befahrungsabgaben sowie Pauschalen jedenfalls machen gegenwärtig lediglich rund 5 % der deutlich zu geringen Gesamtaufwendungen aus [3]. ■ Andreas Kossak, Dr.-Ing. Eigentümer Kossak Forschung & Beratung, Hamburg drkossak@aol.com Bild 2: Modal Split der binnenländischen Güterverkehrsleistungen ohne LKW-Nahverkehr 1991 und-2010. (Quelle: [4] ; eigene Darstellung) LIterAtur [1] Kommission Verkehrsinfrastrukturinanzierung: Schlussbericht vom 5. September 2000 [2] 5. Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung an den deutschen Bundestag zur Reform der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes vom 27. Juni 2012 [3] Kommission Zukunft der Verkehrsinfrastrukturinanzierung: Schlussbericht vom Dezember 2012 [4] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Verkehr in Zahlen [5] Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Hamburg Port Authority: Hafenentwicklungsplan bis 2025; Hamburg 2012 www.internationalesverkehrswesen.de/ app DVV Media Group GmbH | Tel. +49 40/ 237 14-114 | Fax +49 40/ 237 14-104 | E-Mail: kirsten.striedieck@dvvmedia.com Modellfall Stadt Nachhaltiger Individualverkehr im Fokus POLITIK Wenn Golf-Carrier weiter wachsen LOGISTIK Schnittstelle Rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze MOBILITÄT Nachhaltigkeit von Megastädten im Vergleich Im Interview: Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg www.internationalesverkehrswesen.de Heft 1 März l 2013 Mobilität, Logistik, Infrastruktur, Technologie und Politik: Wer sich ein Urteil bilden will, sollte umfassend informiert sein. Modellfall Stadt Nachhaltiger Individualverkehr im Fokus POLITIK Wenn Golf-Carrier weiter wachsen LOGISTIK Schnittstelle Rampe - Herausforderungen und Lösungsansätze MOBILITÄT Nachhaltigkeit von Megastädten im Vergleich Im Interview: Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg www.internationalesverkehrswesen.de Heft 1 März l 2013 JETZT 3 IN 1: Printausgabe e-Paper App-Ausgabe & (Eurailpress-Kiosk) Die digitalen Ausgaben sind für Abonnenten kostenfrei! Registrieren Sie sich einfach unter www.internationalesverkehrswesen.de/ app und wir senden Ihnen Ihre persönlichen Zugangsdaten. Sie haben kein Abonnement? Unter www.eurailpress.de/ kiosk können Sie die App herunterladen und das Angebot kostenfrei testen. 5 Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 17 Ist größer wirklich besser? D ie Wirtschaft wird gelegentlich mit einem Zweirad verglichen: Bleibt es stehen, fällt es um. Das Bild dient als eingängige Erklärung dafür, warum die Ökonomie in Bewegung bleiben, sprich: wachsen muss. Das gilt für die Volkswirtschaft ebenso wie für Unternehmen. Auch Transport- und Logistikirmen stehen deshalb unter dem Zwang zum stetigen Wachstum - zum „Immer größer, länger und schwerer“. Darum ging es in diesem Frühjahr gleich bei zwei Konferenzen in Brüssel. Die eine beschäftigte sich mit immer größeren Containerschifen. Solchen, die mehr als 18.000 Twenty-foot-equivalent-Units (TEU) über die Meere bringen können und dadurch die Transportkapazität eines einzigen Ozeanriesen deutlich steigern. Das Gros der Containerschife bringt es derzeit auf klar weniger als 15.000 TEU. Bei der anderen Konferenz diskutierten die Teilnehmer die Forderung, auf der Schiene 1500 m lange Güterzüge einzusetzen. Die wären mehr als doppelt so lang wie die meisten, die heute in Europa unterwegs sind. Ein verblüfendes Element beider Veranstaltungen war, dass sich jeweils mehr Skeptiker als Befürworter des „Größer, länger, schwerer“ zu Wort meldeten. Das ist umso bemerkenswerter, als die Bedenkenträger keineswegs der romantischen „Small is beautiful“-Fraktion angehören, sondern als Logistiker durchgehen oder als Wissenschaftler der Transportbranche nahestehen. Die 18.000-TEU-Schife bescheren ihren Reedern eine ganze Reihe von Vorteilen, und sie können die (See-)Transportkosten eines Containers deutlich senken. Bedenken müssen beim Blick auf Häfen und Terminals kommen. In vielen Ports muss eine Menge Geld in die Hand genommen werden, um sie für die neue Generation von Schifen tauglich zu machen. Die Spanne möglicher Aufgaben reicht von der Vergrößerung der Hafenbecken über die Anschafung stärkerer Schleppboote bis zum Kauf weiterer Containerbrücken und Lagerlächen, um der größeren Umschlagmenge Herr zu werden. Denn die Reeder werden wenig Lust haben, die Kostenvorteile, die ihnen ihre Großschife auf See bescheren, im Hafen wieder einzubüßen, nur weil ihre Riesen dort beim Manövrieren und beim Umschlag der Containerboxen viel Zeit verlieren. Die Investitionen kosten Geld, und das werden sich die Hafengesellschaften über höhere Gebühren zurückholen wollen. Die aber Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN werden sich beim Weitertransport in steigenden Frachtraten niederschlagen. Deshalb wird der Containertransport über die gesamte Logistikkette nicht - oder etwas vorsichtiger: nicht nennenswert - preisgünstiger. Mit anderen Worten: Der Endkunde hat von den 18.000 TEU-Schifen nichts oder zumindest nicht viel. Das größte Problem der Riesenschife besteht im Weitertransport der Containermengen ins Hinterland. An diesem Punkt geben die Ausrichter der zweiten Konferenz vor, das Patentrezept zu haben: die 1500-m-Güterzüge. Man muss kein notorischer Pessimist sein, um auch hierbei sofort auf eine Menge Probleme zu stoßen: Reichen für diese Langzüge die gängigen Waggonkupplungen? Schafen sie alle bestehenden Steigungen ohne teure Zusatztraktion? Auf den meisten Strecken dürften die Überholungsgleise nicht lang genug sein. Zu kurz sind in aller Regel auch die Blockabstände zwischen Signalen, zu kurz die Gleise in Terminals und Rangierbahnhöfen. Die Hinweise lassen die Höhe der Investitionen bereits erahnen, die notwendig sein werden, bevor die Langen zu Regelzügen auf europäischen Schienen werden. Optimisten werden diesen Bedenken entgegenhalten, dass sich Größe schon durchsetzen werde. Sie könnten auf den Flugzeugriesen A 380 verweisen, für den die erforderliche Infrastruktur schnell geschafen war, nachdem die Fluggesellschaften dessen Wirtschaftlichkeit (für sie! ) eindringlich betont hatten. Hier aber geht es um die Eisenbahn. Um ein System, das immer wieder zeigt, wie resistent es ist gegen rasche Änderungen. So will die EU-Kommission seit langem 750-m-Güterzüge auf den wichtigsten Verbindungen in Europa zum Standard erheben. Sie scheitert damit bis heute. Die Containermengen, die 18.000 TEU-Schife in die Häfen schafen werden, sind via Schiene kaum mehr zeitnah und eizient ins Hinterland zu schafen. Folge wird eine - politisch nicht erwünschte und gesellschaftlich teure - Verlagerung der Transporte auf die Straße sein, ohne dass deren Ausbau Schritt hält mit dem Verkehrsaukommen. „Größer, länger, schwerer“ - vorläuig spricht viel dafür, dem Trend zurückhaltend zu begegnen. Das belegt im Übrigen eine Studie der Universität Antwerpen. Sie deiniert mit Blick auf die gesamte Logistikkette die optimale Größe von Containerschifen bei maximal 12.500 TEU. ■ Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 18 »Die maritime Logistik wird anspruchsvoller - und effizienter« Die deutschen Seehäfen spüren die Marktschwäche weltweit und in Europa mehr oder weniger stark. Vielfach gab es Überkapazitäten, Fracht- und Containerraten brachen ein und auch in Hamburg als größtem Seehafen Deutschlands wurden 2012 weniger Güter umgeschlagen als im Vorjahr. Wie steuert der Hafen dagegen? Welche Rolle spielen die aktuellen Infrastrukturprojekte dabei? Und wie wirken sich die politischen Rahmenbedingungen aus? Ein Gespräch über Entwicklung und Zukunftsperspektiven mit Sebastian Doderer, Leiter Projektentwicklung bei Hamburg Hafen Marketing. Herr Doderer, die Flaute beim seeverkehr scheint noch eine weile anzuhalten. wie stellt sich die situation gerade für den Hamburger Hafen dar? Wir sprechen aktuell von einer Seitwärtsbewegung des Marktes, womit wir ein stabiles Geschäft auf relativ hohem Niveau meinen. Im vergangenen Jahr haben wir 131 Mio. Tonnen Ladung umgeschlagen, immer noch doppelt so viel wie in den Neunzigerjahren, das sollte man nicht vergessen. Unsere Anlagen und Verkehrswege sind damit gut ausgelastet, ohne aber in die Gefahr von Engpässen zu kommen. Die Rahmenbedingungen sind zurzeit nicht einfach: Auf der einen Seite wurde durch massive Investitionen in verschiedene Standorte an der Nordseeküste eine Hafen-Überkapazität geschafen. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Transporten langsamer, als man es bei der Planung dieser Investitionen erwartet hatte. Die Gründe dafür sind vielschichtig, das hat nicht nur mit der aktuellen volkswirtschaftlichen Situation in Europa zu tun. Unterm Strich kann man glaube ich sagen, dass unsere Strategie des behutsamen Ausbaus bisher aufgegangen ist. Für die Zukunft richten wir den Hafen Hamburg als „Smart Port“ nach den strategischen Leitlinien Wertschöpfung, Umschlag, Qualitätsführerschaft und Umwelt aus. wirkt sich in dieser Lage für sie aus, dass zum beispiel mit Fernost Hafenkapazitäten ofenbar weiterhin massiv ausgebaut werden sollen? Mit den Häfen in Fernost stehen wir ja in keinem echten Wettbewerb, weil wir ganz unterschiedliche Einzugsbereiche haben. Foto: HHM LOGISTIK Interview Sebastian Doderer Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 19 Vielmehr sind sie wichtige Partner in der Logistikkette, mit denen wir in vielen Bereichen eng kooperieren. Nicht zuletzt aufgrund des starken Wachstums im innerasiatischen Handel müssen die dortigen Häfen natürlich auch kapazitiv angepasst werden. Für uns heißt das, dass in Asien die Voraussetzungen für wachsende Transportmengen - auch im Verkehr mit Europa - geschafen werden. einige reeder setzen auf größere unternehmenseinheiten durch Übernahmen oder Fusionen, andere auf weniger, dafür größere schife. Hat also die elbvertiefung weiterhin hohe Priorität? Für die Reeder geht es darum, den Kunden ein attraktives Produkt zu bieten. Dabei sind unterschiedliche Geschäftsmodelle möglich, die ich nicht bewerten kann und will. Die Schifsgrößenentwicklung ist aber eine Tatsache, die unabhängig von Bewegungen auf dem Schiffahrtsmarkt stattindet. 2007 hatten wir die ersten Schife mit 10 000 TEU Tragfähigkeit im Hafen, vor kurzem haben wir bereits eines mit 16 000 TEU in Hamburg getauft. Und die Schife werden nicht nur bei einigen wenigen Reedern größer, sondern das ist eine allgemeine Entwicklung. Hamburg will für seine Kunden ein attraktiver Standort bleiben. Dafür ist die Fahrrinnenanpassung notwendig. Im Hafen selbst wurden die Voraussetzungen zum Abfertigen der größten Schife bereits geschafen. was kann und will der Hamburger Hafenin dieser situation tun, um die maritime wirtschaft weiter zu unterstützen? Wir werden als Premium-Standort wahrgenommen und wollen das auch langfristig sicherstellen. Dazu gehört, dass alle benötigten logistischen Dienstleistungen hochwertig und zuverlässig verfügbar sind. Eine leistungsfähige Infrastruktur bildet dafür die Grundlage: Die Hamburg Port Authority investiert mehrere hundert Millionen Euro, um neue Brücken, Schleusen und Schienen zu bauen. Diese ganzen Maßnahmen inden bei laufendem Betrieb statt, und ich inde es schon bemerkenswert, dass es dabei zu keinen nennenswerten Beeinträchtigungen kommt. Zu Beginn des Jahres haben wir unseren Freihafen abgeschaft und damit an den ehemaligen Kontrollstellen Nadelöhre für den Straßengüterverkehr beseitigt. Ein modernes Management der Informations- und Güterlüsse verbessert die Planbarkeit und Eizienz der Transporte. Kunden können z.B. online überprüfen, ob ihre Waren per Bahn pünktlich im Hafen angekommen bzw. abgefahren sind. Unsere Hafenarbeiter sind qualiiziert und motiviert: Das erwähnte 16 000-TEU-Schif kann in nur 16 Stunden abgefertigt werden! ein wichtiger Punkt ist auch die enge Zusammenarbeit mit anderen seehäfen und mit binnenhäfen... Wir vernetzen unsere Standorte, um lexibel und unbürokratisch auf die Wünsche der Kunden reagieren zu können. Die Hafenkooperation an der Unterelbe ist hierfür ein gutes Beispiel. Aber auch mit dem weiteren Einzugsbereich arbeiten wir inhaltlich zusammen: Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise mit Partnern aus Bayern Maßnahmen entwickelt, wie der Bahnanteil im Hinterlandverkehr gesteigert werden kann. In diesem Projekt „Hafen Hamburg 62+“ ist es gelungen, Kunden, Politik und Transportwirtschaft an einen Tisch zu bringen und gezielt Optimierungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Das lief richtig gut, mittlerweile fahren fünf zusätzliche Containerzüge zwischen Nürnberg, München und Hamburg. Von attraktiven Bahnverbindungen proitieren ja alle Seiten: die Kunden, die eine schnelle und preisgünstige Anbindung an den Hafen haben, die Inlandterminals, die sich zu modernen Logistikstandorten entwickeln, und der Hafen, weil man mit Blockzügen ein 16 000-TEU-Schif einfach eizienter abfertigen kann. Deswegen wollen wir dieses Konzept auch mit weiteren Partnerregionen fortsetzen. Der bund stellt in den nächsten Jahren rund 60 Mio. eur für die Förderung der schiffahrt bereit. was erhofen und erwarten sie sich konkret? Die Investitionen in den Hamburger Hafen tätigen wir ja größtenteils mit Landesmitteln, da muss sich der Bund gar nicht beteiligen. Ansonsten sind der Nord-Ostseekanal mit den Schleusen Brunsbüttel und Kiel sowie die Fahrrinnenanpassung der Unterelbe seeseitig sicherlich die wichtigsten Maßnahmen. Landseitig bekommen wir mit dem dritten Gleis zwischen Lüneburg und Stelle gerade die dringend benötigte Kapazitätserweiterung für die Bahn gebaut. Der Ausbau des Ostkorridors über Stendal, Magdeburg, Reichenbach und Hof nach Regensburg ist auch teilweise schon im Bau. Wenn nun noch die Mittel- und Oberelbe für die Binnenschiffahrt instand gesetzt würde, würden wir, glaube ich sehr gut dastehen und könnten unseren angestrebten Modal Split von 5 % Binnenschif und jeweils 47,5 % Bahn und LKW im Container-Hinterlandverkehr verwirklichen. sehen sie da die Politik auf Ihrer seite? Ich muss sagen, dass den meisten Politikern, die ich getrofen habe, die Bedeutung der Seehäfen durchaus bewusst ist. Wir wickeln den Handel ja nicht nur für Hamburg ab, sondern für Kunden aus halb Europa. Manchmal würde ich mir wünschen, dass die getätigten Anstrengungen zur Steigerung der Eizienz und Umweltverträglichkeit noch etwas mehr Beachtung fänden. Und dass in einigen Diskussionen mehr Sachlichkeit Einzug indet, z.B. wenn es um die dirigistische Beeinlussung der Standortwahl geht. Logistik ist doch Teil der freien Wirtschaft, hier entscheiden Angebot und Nachfrage. Stellen Sie sich einmal vor, die Rheinland-Pfälzer würden gezwungen, zweimal im Jahr den Vergnügungspark Nürburgring zu besuchen, nur weil ihre Landesregierung dort viel Geld verbaut hat. Genauso sollten wir uns hüten, der Transportwirtschaft die Nutzung bestimmter Häfen vorzuschreiben. Ein gesunder Wettbewerb ist meiner Meinung nach die beste Voraussetzung für die Attraktivität des Logistik-Standortes Deutschland. und welche entwicklung sehen sie mittelfristig für die maritime wirtschaft? Schwer zu sagen, da steckt zurzeit viel Unsicherheit drin. Vieles hängt von der Entwicklung in Fernost ab, für uns in Hamburg natürlich auch von Osteuropa. Insgesamt bin ich zuversichtlich, dass der Welthandel sich positiv entwickelt. Allein die BRICS- Staaten haben ein ungeheures Potenzial, das sehen wir gerade in Brasilien, wo wir unser Engagement vergrößern wollen. Natürlich wird sich die Logistik verändern, sie wird noch anspruchsvoller und eizienter werden. Ich glaube, dass die maritime Wirtschaft mit den Seehäfen hier eine wichtige Funktion haben wird. Das wird eine interessante und sicherlich auch faszinierende Entwicklung, auf die ich mich freue! ■ Sebastian doderer ist Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Logistik. Er kam 2007 zum Hafen Hamburg Marketing e.V.und war zunächst für die Analyse des Hinterlandverkehrs zuständig. Seit 2008 betreut er die internationalen Kooperationsprojekte des Vereins, seit Anfang 2011 leitet er die Abteilung Projektentwicklung. doderer@hafen-hamburg.de Zur PerSON Der Verein für Hafenmarketing wurde im Februar 1985 unter dem Namen Hafen Hamburg Verkaufsförderung und Werbung e.V. gegründet und übernahm die Aufgaben der früheren Hauptabteilung II des Unternehmensverbands Hafen Hamburg - Der Generalvertreter. Aktuell gehören dem Verein Hafen Hamburg Marketing e.V. rund 290 Unternehmen der Seeverkehrs-und Hafenwirtschaft, der Industrie- und Logistikbranche sowie weitere Dienstleister, Institutionen und Verbände als Mitglieder an. Zu HAFeN HAMBurG MArKeTING Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 20 LOGISTIK Risikomanagement Risiken im Transport- und Logistikbereich Ergebnisse der BME/ DHBW-Umfrage 2012 Im September und Oktober 2012 beteiligten sich 189 Unternehmen an einer Umfrage zum „Risikomanagement in Transport und Logistik 2015“, dabei rund 70 % Einkäufer (Verlader) aus Industrie und Handel und etwa 30 % Anbieter logistischer Dienstleistungen. Durchgeführt wurde die Umfrage vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) gemeinsam mit Prof. Dr. Paul Wittenbrink von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach. Der Autor: Paul Wittenbrink B eim Risikomanagement geht es zunächst darum, die relevanten Risiken zu identiizieren. Daher wurden die Unternehmen zunächst danach gefragt, ob bestimmte potenzielle Risiken für das eigene Unternehmen zutrefen oder nicht. 1 Bild 1 zeigt das Ergebnis, diferenziert nach Einkäufern aus Industrie und Handel (Verlader) sowie Anbietern von Transport- und Logistikleistungen (Dienstleister). Demnach bestehen aus Sicht der befragten Unternehmen erhebliche Risiken im Bereich der internationalen Supply Chain. Weitere Risiken werden durch steigende Energie- und Transportpreise, die mögliche Insolvenz von Dienstleistern, den Fachkräftemangel und im Bereich Compliance gesehen. Supply Chain-risiken Die zunehmende internationale Vernetzung sowohl bei den Absatzals auch bei den Zuliefermärkten führt gleichzeitig zu wachsenden Ansprüchen an die Logistik und zu einer steigenden Komplexität. 82 % der Verlader und 60 % der Transport- und Logistikdienstleister geben an, dass für sie durch die zunehmende internationale Vernetzung die Supply Chain-Risiken steigen, d. h. die Zuverlässigkeit und Planbarkeit der gesamten Supply Chain immer schwieriger wird. Dass diesem Punkt mehr Verlader als Dienstleister zustimmen, ist nachvollziehbar - handelt es sich bei der Organisation der internationalen Supply Chain doch um deren Kernkompetenz. Dass auch 60 % der 60,0% 74,4% 65,1% 50,0% 62,8% 60,9% 82,0% 54,0% 46,8% 48,7% 40,9% 37,7% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Supply Chain Risiken durch internat. Vernetzung Steigende Öl-/ Transportpreise Insolvenz Dienstleister unterbricht Supply Chain Compliance-Risiken Fachkräftemangel Logistik Kundenverlust bei Nichterfüllung Green Logistics-Anforderungen Anteil der Unternehmen, die folgende Risiken für das eigene Unternehmen sehen (Vergleich Verlader/ Dienstleister) Verlader Dienstleister % der Unternehmen Bild 1: Risiken im Transport- und Logistikbereich (Graiken: BME e.V./ Prof. Dr. Paul Wittenbrink) Foto: Andreas Hermsdorf/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 21 Dienstleister hier Probleme sehen, zeigt die Relevanz des Themas. Die wichtigste Risikovermeidungsstrategie bei den Supply-Chain-Risiken ist das Vermeiden von Single-Sourcing, indem wichtige Lieferteile immer aus verschiedenen Regionen bezogen werden. Dicht gefolgt vom Thema Supply Chain Visibility, mit dem für die Unternehmen das Ziel verbunden ist, sichtbar zu machen, wo sich die (Zuliefer-) Bestände gerade beinden. Schließlich streben mehr als ein Viertel der Unternehmen zur Risikoreduzierung an, die Sicherheitsbestände zu erhöhen und ein mit Kompetenzen ausgestattetes Supply Chain-Management aufzubauen. Knapp 16 % der Unternehmen sehen das Supply Chain-Risiko, haben nach eigenen Angaben bisher jedoch keine Lösung, eine aus Unternehmenssicht nicht besonders befriedigende Situation (Bild 2). Steigende Kraftstofkosten Von steigenden Energie- und Transportpreisen sind besonders die Transport- und Logistikunternehmen betrofen. Knapp drei Viertel sehen hier ein Risiko für das eigene Unternehmen. Bei den Verladern sind es 54 %. Wichtigste Risikovermeidungsstrategien dieser Unternehmen sind nach der Umfrage der verstärkte regionale Einkauf (31,1 %), der Aubau regionaler Lagerstrukturen (25,6 %) und das Dieselpreis-Hedging (22,2 %), das sich langsam etabliert. Die vom Risiko betrofenen Unternehmen planen aber auch die Verlagerung auf Bahn und Binnenschif (22,2 %) sowie die Überprüfung des eigenen Lieferservice (z.B. 24-Std.- Service), was zeigt, dass die Energiepreise langsam auch zur Überprüfung bisheriger Transportstrategien führen (Bild 3). Insolvenzgefahr dienstleister Mit dem Risiko einer Insolvenz des eingesetzten Dienstleisters (bzw. Subunternehmers) sowie der damit verbundenen Gefahr einer Unterbrechung der Supply Chain sieht sich etwas mehr als die Hälfte der Verlader konfrontiert. Bei den Dienstleistern sehen fast zwei Drittel das Problem, dies lässt auf einen umfangreichen Subunternehmereinsatz schließen. Die wichtigsten Risikovermeidungsstrategien der vom Risiko betrofenen Unternehmen sind eine besondere Vorsicht bei der Auswahl der Dienstleister sowie regelmäßige Bonitätsprüfungen (72,2 %), der Einsatz mehrerer Dienstleister (58,2 %), aber auch der verstärkte Einsatz mehrerer Verkehrsträger (31,6 %). Interessant sind aber auch die Strategien der Unternehmen, für die das Risiko nach eigenen Angaben nicht (mehr) besteht. Neben dem Einsatz mehrerer Dienstleister (73,2 %), den regelmäßigen Bonitätsprüfungen (56,3 %) und der Nutzung verschiedener Verkehrsträger (33,8 %) sind bereits 26,8 % dieser Unternehmen dazu übergegangen, durch eigene Kalkulationen valide zu prüfen, ob die Preise des Dienstleisters dessen Überleben sichern, was zeigt, dass das Thema Kostentransparenz immer mehr an Bedeutung gewinnt. 27,9% 59,6% 48,5% 26,5% 16,2% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Erhöhen der Sicherheitsbestände. Lieferanten in verschieden Regionen, Vermeidung Single-Sourcing. Ausbau der Supply Chain Visibility. Aufbau/ Ausbau Supply Chain Management mit Kompetenzen. Wir haben derzeit keine Lösung. Geplante Maßnahmen, sofern Supply Chain-Risiken bestehen Mehrfachantworten in % der Unternehmen, für die das Risiko besteht. Bild 2: Risikovermeidungsstrategien bei Supply Chain-Risiken 31,1% 25,6% 18,9% 22,2% 22,2% 30,0% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Wir werden verstärkt regional einkaufen, um Transportwege zu reduzieren. Wir verstärkt regionale Lagerstrukturen schaffen (Aufbau Regional- oder Pufferlager) Wir verändern unseren Lieferservice (z.B. Reduktion 24 Std-Service). Wir werden mehr auf Bahn/ Binnenschiff verlagern. Wir bzw. unsere Dienstleister werden ein Dieselpreis-Hedging durchführen. Wir haben derzeit für dieses Problem keine Lösung. Geplante Maßnahmen, sofern ein Risiko steigender Transportpreise durch Energiepreiserhöhungen besteht. Mehrfachnennung möglch Mehrfachantworten in % der Unternehmen, für die das Risiko besteht. Bild 3: Risikovermeidungsstrategien bei Risiken steigender Transportpreise 59,3% 74,1% 44,4% 7,4% 14,8% 29,5% 63,6% 50,0% 4,5% 18,2% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Wir wollen verstärkt in Personalrekrutierungsmaßnahmen investieren. Wir werden selbst ausbilden und unsere Mitarbeiter weiter qualifizieren. Wir binden unsere Mitarbeiter eng an uns und haben somit wenig Fluktuation. Betroffene Bereiche outsourcen Derzeit keine Lösung Geplante Maßnahmen, sofern Risiko eines Fachkräftemangels im Transport- und Logistikbereich besteht. Verlader Dienstleister Mehrfachantworten in % der Unternehmen, für die das Risiko besteht. Bild 4: Risikovermeidungsstrategien bei Fachkräftemangel LOGISTIK Risikomanagement Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 22 Fachkräftebedarf Das Thema Fachkräftebedarf ist für die Verlader (40 %), aber insbesondere für die Transport- und Logistikdienstleister relevant (62,8 %). Eine zentrale Strategie, dieses Thema zu bewältigen, ist die eigene Ausbildung und Qualiizierung von Mitarbeitern. Angesichts des Fachkräftemangels wird die Ausbildung der Mitarbeiter immer wichtiger, was sich auch darin zeigt, dass ca. zwei Drittel der Unternehmen, die das Thema „Fachkräftemangel in der Logistik“ als Risiko identiiziert haben, planen, stärker in die Ausbildung zu investieren. Fast ebenso wichtig scheint die Bindung der Mitarbeiter zu sein, um dadurch die Fluktuation zu begrenzen. Aber auch in die Mitarbeiterakquisition zu investieren ist eine wichtige Lösung, sagen doch knapp 40 % der Unternehmen, dass Sie entweder schon eine gute Personalrekrutierung haben, oder in diese investieren wollen (Bild 4). Compliance Compliance war bis vor einigen Jahren noch ein weitgehend unbekannter Begrif. Der aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis entstammende Rechtsbegrif umschreibt die Notwendigkeit in einem Unternehmen, sich an die geltenden Gesetze zu halten. Diese an sich selbstverständliche Plicht steht dabei jedoch in einem größeren Zusammenhang, indem eine vorbildliche Compliance sowohl aus organisatorischer als auch aus rechtlicher Sicht ein proaktives Vorgehen der Geschäftsleitung erfordert und das gesamte Unternehmen erfasst. 2 Insgesamt wird unter Compliance die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, „die getrofen werden, um das gesetzes- und regelkonforme Verhalten eines Unternehmens, seiner Organe, Aufsichtsgremien und Mitarbeiter sicherzustellen.“ 3 Nach Angaben von 49,1 % der Unternehmen der Umfrage besteht bei ihnen die Gefahr, Kunden zu verlieren bzw. hohe Strafen zu zahlen, weil Lieferanten/ Unterlieferanten Compliance-Regeln nicht einhalten bzw. auch die eigene Organisation diese Regeln nicht sicherstellen kann. Insofern gewinnt das Thema „Compliance“ auch im Transport- und Logistikbereich immer mehr an Bedeutung. Nach den primären Risikovermeidungsstrategien gefragt, nennen mehr als zwei Drittel der Befragten die Deinition und Überwachung eindeutiger Regeln sowohl für die eigene Organisation als auch für die Lieferanten. Mehr als die Hälfte der vom Risiko betrofenen Unternehmen führen auch regelmäßig Audits durch. Schließlich plant knapp jedes vierte Unternehmen nur noch in Ländern einzukaufen, in denen klare Regeln gelten (Bild 5). Weitere risiken Green Logistics Während immerhin 37,7 % der Verlader das Problem sehen, Kunden zu verlieren, wenn sie sich nicht stärker den Themen Umwelt und Green Logistics 4 widmen, ist das Thema für 60,9 % der Dienstleister eine Herausforderung, was zeigt, dass die Ansprüche der Verlader hier inzwischen recht hoch sind. Auch ist das Thema „Carbon Footprint- Analyse“ im Transport- und Logistikbereich angekommen. Während bei Industrie- und Handelsunternehmen nur ca. ein Viertel (24,1 %) der Kunden entsprechende Analysen verlangt, liegt dieser Wert bei den Dienstleistern bei fast zwei Dritteln (61,9 %) (Bild 6). Begrenzte Straßeninfrastruktur Neben der direkten Identiikation von Risiken wurden die Unternehmen gebeten, bestimmten Aussagen zuzustimmen bzw. diese abzulehnen. Hiernach stimmen fast drei Viertel der Unternehmen (73,5 %) der Aussage zu, dass die Infrastruktur der Straße nicht ausreicht, um das prognostizierte Verkehrswachstum zu bewältigen. Hier zeigen sich die chronische Unterinanzierung der Verkehrsinfrastruktur und die Erwartung, dass die Verkehrsprobleme, z. B. in Form von Staus und Verkehrsengpässen in Zukunft eher weiter zunehmen. Tendenz zu ruinöser Konkurrenz Interessant ist auch die Aussage, dass in der Transportbranche eine Tendenz zu ruinöser Konkurrenz besteht, wodurch der Substanzerhalt der Branche gefährdet ist. Knapp zwei Drittel der Verlader (66,7 %) stimmen dieser Aussage zu. Noch sehr viel höher ist die Zustimmung der Transport- und Logistikunternehmen zu dieser Aussage. Hier sehen 85,7 % dieser Unternehmen eine Tendenz zu ruinöser Konkurrenz. Die aktuellen Kostensteigerungen, insbesondere beim Personal und Diesel, inden nur bedingt einen Niederschlag in den Preisen, wodurch viele Transportunternehmen in ihrer Existenz gefährdet sind. Hier sind aber auch die Transportunternehmen selbst gefragt, scheinen sie doch so stark im Wettbewerb 24,4% 67,9% 53,8% 67,9% 9,0% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Wir kaufen bestimmte Produkte nur in Ländern mit strengen Regeln ein. Wir kontrollieren unsere Lieferanten intensiv. Wir führen konsequente Audits ein. Wir werden für die Organisation klare Regeln definieren und überwachen. Wir haben derzeit noch keine Lösung. Geplante Maßnahmen, sofern Compliance-Risiken bestehen. Mehrfachnennung möglch Mehrfachantworten in % der Unternehmen, für die das Risiko besteht. Bild 5: Risikovermeidungsstrategien bei Compliance-Risiken 81,0% 85,7% 73,8% 71,4% 61,9% 70,6% 66,7% 62,4% 55,0% 24,1% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Die Infrastuktur der Straße reicht nicht aus, um das prognostizierte Verkehrswachstum zu bewältigen. In der Transportbranche herrscht eine Tendenz zu ruinöser Konkurenz, die den Anstieg der Preise verhindert und den Substanzerhalt der Branche gefährdet. Die Zahlungsmoral der Kunden verschlechtert sich immer mehr, was zu Liquiditätsengpässen führen kann. Die hohen Sicherheitsanforderungen der Banken führen zu einer Kreditklemme, gerade bei Logistikinvestitionen. Unsere Kunden verlangen zunehmend, dass wir eine Carbon Footprint-Analyse durchführen können und einen Umweltbericht mit Maßnahmen erstellen. Anteil der Unternehmen, die folgenden Aussagen zustimmen Verlader Dienstleister % der Unternehmen Bild 6: Einschätzung weiterer Risiken Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 23 zu stehen, dass auch notwendige Preiserhöhungen kaum durchsetzbar sind. Liquiditätsengpässe Knapp zwei Drittel der Unternehmen stimmen der Aussage zu, dass sich die Zahlungsmoral der Kunden verschlechtert hat, wodurch Liquiditätsengpässe resultieren können. Keine neue Erkenntnis, aber ein zunehmendes Problem für viele Unternehmen. Damit verbunden sind die hohen Sicherheitsanforderungen der Banken, die für viele Unternehmen gerade bei Logistikinvestitionen zu einer Kreditklemme führen. Hier scheinen Transport- und Logistikunternehmen (71,4 %) weit mehr betrofen zu sein als Verlader (55 %), was sicherlich auch eine Folge unterdurchschnittlicher Renditen und geringer Eigenkapitelquoten im Transport- und Logistikbereich ist. Zusammenfassung und Fazit Das Thema „Risikomanagement“ wird auch im Transport- und Logistikbereich immer relevanter. Aus Sicht der Unternehmen bestehen erhebliche Risiken im Bereich der internationalen Supply Chain. Weitere Risiken werden durch steigende Energie- und Transportpreise, die mögliche Insolvenz von Dienstleistern, den Fachkräftemangel und im Bereich Compliance gesehen. Darüber hinaus sehen viele Unternehmen, dass die Straßeninfrastruktur kaum ausreicht, das prognostizierte Verkehrswachstum zu bewältigen. Zudem besteht nach Ansicht vieler Unternehmen in der Transportbranche eine Tendenz zu ruinöser Konkurrenz, die den Anstieg der Preise verhindert und somit den Substanzerhalt in der Transportbranche gefährdet. Schließlich sinkt die Zahlungsmoral im Logistikbereich und die hohen Sicherheitsanforderungen der Banken führen zu einer Kreditklemme bei Logistikinvestitionen. Insgesamt gewinnt das Risikomanagement an Bedeutung, zumal die Risiken in einer immer weniger stabilen Welt zunehmen, was sich verstärkt auch in der Logistikbranche bemerkbar macht. Viele Unternehmen haben jedoch schon ein umfassendes Risikomanagement aufgebaut. Zentral ist es dabei, die Risiken zu identiizieren, um darauf aubauend konkrete Maßnahmen zur Risikobewältigung einzuleiten. ■ 1 Vgl. Wittenbrink, Paul (2012), Risikomanagement in Transport- und Logistik 2015, Ergebnis der Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) e.V. gemeinsam mit der Dualen Hochschule Baden- Württemberg Lörrach, Frankfurt 2 Vgl. Vetter, Eberhard (2009), Compliance in der Unternehmenspraxis in: Wecker, Gregor, Laak, Hendrik (Hrsg.) Compliance in der Unternehmenspraxis, Wiesbaden, S. 33-47, S. 33. 3 Bandilla, Kai (2011), Compliance in Transport, Spedition und Logistik: Einführung und Überblick, in: Hector, Bernhard, Compliance in der Logistik, Hamburg, S. 33. Der Begrif ist dem Englischen „to comply with the law“ übernommen, vgl. Ebenda. 4 Vgl. Wittenbrink, Paul (2011): Transportkostenmanagement Straßengüterverkehr, Konzept, Optimierungspotenziale, Green Logistics, Wiesbaden. Paul Wittenbrink, Prof. Dr. Professor für Transport- und Logistik an der Dualen Hochschule Baden- Württemberg Lörrach (DHBW) und Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH (www.hwh-transport.de), Karlsruhe wittenbrink@dhbw-loerrach.de Master in Transportation Sciences by distance learning Interested in transportation management and road safety? Want to combine a (full-time) job with an academic master programme? • sustainable mobility and road safety from economic, infrastructure, behavioural, urban planning and environmental perspectives • degree awarded by Hasselt University • distance learning combined with 1-week courses • tuition fee 2013-2014 (full-time programme) for EEA and non-EEA students: approx. €500,-/ per academic year • start: September www.uhasselt.be/ mts The right turn towards your future! LOGISTIK Schienenverkehr Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 24 Netzwerkbahn versus Cargo Net Warum Rangieren abschafen wichtiger wäre In manchen Ländern bereits eingestellt, weist der Einzelwagenverkehr in Deutschland noch eine kritische Größe auf, die es erlaubt, ihn mit einer neuen Produktionsweise marktfähig zu gestalten. Dazu muss sich die Bahn allerdings von den rangiertechnischen Prozessen verabschieden. Der Autor: Bernd H. Kortschak D a es in der Anfangszeit der Eisenbahn nur Damplokomotiven gab, wollte man die spärlich vorhandenen Streckenlokomotiven gleich nach Ankunft der Züge zur Ergänzung der Vorräte ins Heizhaus schicken. Daher versuchte man, den „zufällig“ entdeckten Schwerkraftablauf von Waggon ohne Antriebseinheit für die Zugbildung zu nutzen. 1 „Dabei kann beim Ablaufen in einer Richtung gearbeitet werden: von der Einfahrgruppe (eines Rangierbahnhofes, Einf., d. Autors) über die Ablaufanlage (den Abrollberg, 2 Einf. d. Autors) in die Richtungsgruppe und - wenn vorhanden - weiter in die Ausfahrgruppe. … Dies ist der entscheidende Vorteil des Schwerkraftablaufs, durch den hohe Leistungen erreichen werden können.“ 3 Bei variabler Ablaufgeschwindigkeit können maximal 6500 Wagen pro Tag bzw. 350 Wagen pro Stunde 4 (Stundenspitzenwert von 333 Wagen in Wien 5 ) ablaufen. Der Lkw zeigte bereits kurz nach dem 1. Weltkrieg auf, dass diese Rationalisierungsstrategie bei der Zugbildung nicht erfolgreich sein konnte, weil er der Eisenbahn in vielerlei Hinsicht überlegen war. 6 Ein Trend, der sich europaweit bis heute fortsetzt (Bild 1). Die Supply Chain Management-Perspektive 7 unterstreicht diese relative Vorteilhaftigkeit der Straße gegenüber den massenleistungsfähigen Verkehrsträgern, in Bild 2 am Beispiel Bahn. Bei der Verteilung einer Ware von Industrie zum Handel werden unter Einschluss eines Spediteurs insgesamt 22 Wertschöpfungsstufen durchlaufen, ohne Wagenladungsverkehr der Bahn hingegen sechs weniger. 8 Bereits 1925 forderte daher Blum: „Diese Abwägung der eingesetzten Produktionsfaktoren nach Kostengesichtspunkten … (münden) … in der Forderung des Güterverkehrs nach Billigkeit - und um diese zu erreichen, verzichtet er gern auf Schnelligkeit, u. U. auch auf Pünktlichkeit und sogar Regelmäßigkeit.“ 9 D. h., dass der „Kosteneinsparung auf der einen Seite Qualitätsverluste auf der anderen Seite gegenüber gestellt werden mussten, doch diese Qualitätsverluste wurden im Vergleich zum Pferdefuhrwerk und Dank der Regulierung der Verkehrsmärkte zunächst nicht wettbewerbswirksam. Den letzten Versuch der Deutschen Bundesbahn, die Qualität des Einzelwagenverkehrs zu verbessern, stellt die Zugzielsteuerung aus 1978 dar. Die Rangieraufgaben sollten auf wenige große leistungsfähige Rangierbahnhöfe - angedacht waren 53 - konzentriert werden. Das hätte aber die Bildung von 2756 Durchgangsgüterzügen erfordert - 2000 mehr als damals gefahren wurden. 10 Um aber eine „derartige Zersplitterung der Verkehrsströme … (und) … unterbelastete Sonderzüge zu vermeiden, werden überschießende Frachten … zum nächsten Rangierbahnhof 11 ‚vorgeschoben’.“ 12 Das bedeutet aber, dass entgegen dem Trend die beladenen Wagen immer früher abgeholt werden müssen, 13 die Schnelligkeit als Element des Lieferservice bzw. der Beförderungsqualität blieb damit auf der Strecke. die Öfnung des Schienenverkehrsmarktes: die richtlinie 440/ 91 (eWG) Mit der Deregulierung der Verkehrsmärkte unter Zulassung des intramodalen Wettbewerbs durch die Richtlinie 440/ 91 wurde das unter Monopolrahmenbedingungen gewachsene Geschäftsmodell der bisherigen Staatsbahnen, den Einzelwagenverkehr durch Quersubvention des proitablen Ganzzugverkehrs zu inanzieren, infrage gestellt, der bisherige Deckungsbeitragsbringer Vor- und Nachlauf mutierte zum Kostentreiber. 14 Die Konsequenz daraus lautet, dass die Bahn die verhinderte Stückkostendegression des Lkw im Vor- und Nachlauf inanzieren muss, sonst bekommt sie keine Sendungen. Den Zusammenhang zeigt Bild 3. Diese Darstellung vergleicht aber nur Block- oder Ganzzugsverkehr in Konkurrenz zum Lkw, die im Einzelwagenverkehr erheblichen Zugbildekosten, die mehr als die Hälfte der Streckenfracht ausmachen können, sind da noch nicht berücksichtigt. Daher trachten Bild 1: Modal-Split an Hand der geleisteten tkm Schiene - Straße 1995-2010. (Graik: CER 2013, p. 33; Datenquelle: Eurostat, EU transport in igures: statistical pocket book 2012) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 25 Eisenbahnverkehrsunternehmen seitdem, Züge so lang und so schwer werden zu lassen, wie technisch und rechtlich möglich, „anders“ sollen sie eine Zugbildeanlage, wie Rangierbahnhöfe in Deutschland neuerdings genannt werden, nicht verlassen. 15 Daher ist es auch kein Wunder, dass das seit 2006 16 in Deutschland wieder beobachtbare Ansteigen der Schiene im Modal Split im Vergleich zum Lkw der diesbezüglich geschuldeten Verbesserung der Terms of Trade im Ganzzugverkehr im Vergleich zum LKW mit progressiv steigenden Fahrer- und Spritkosten geschuldet ist. Der Einzelwagenverkehr stagniert hingegen weiter (Bild 4). 17 Im Einzelwagenverkehr sind es aber nicht nur die rangiertechnischen Prozesse zur Zugbildung, die sich qualitätsmindernd auswirken, 18 auch die Prioritätsregel: „Reisezug vor Güterzug“ - in Deutschland sogar mit Priorität des Regionalverkehrs 19 - trägt das ihre dazu bei. Dies hat zur Konsequenz, dass auch die Planung von Übergängen und damit eine fahrplantechnische Strukturierung des Einzelwagenverkehrs de facto verunmöglicht wird. Rechnet man alle Umstellungserfordernisse in einem Lastlauf eines Güterwagens zwischen Be- und Entladung zusammen, kommt man auf durchschnittlich 4 Umstellungen bei einer Transportentfernung von 500 km (Sünderhauf kommt sogar auf 14 Kupplungsvorgänge zwischen Be- und Entladung eines Güterwaggons 20 ). Daraus resultiert das seit 1952 propagierte Ziel, die Zahl der notwendigen Umstellungen zu verringern. 21 Der letzte, derartige in Deutschland gestartete Versuch, das Produktionssystem 200X mit der weiteren Reduzierung der Zugbildeanlagen und Konzentrieren auf Korridore mit höheren Bedienfrequenzen konnte die Hofnungen auf eine Trendwende im Einzelwagenverkehr nicht erfüllen: Nach Siegmann (2009) verbesserte das Produktionssystem 200X zwar die Anbindung der Ballungsräume an das Kernnetz, aber um den Preis einer schlechteren Anbindung der Fläche. 22 Außerdem bedeutet die Konzentration auf immer weniger Zugbildeanlagen, dass die „Umwege“, die zum Aufsuchen der Zugbildeanlagen erforderlich sind, immer größer werden, wodurch ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Lkw sinkt. 23 Netzwerkbahn versus CArGO NeT Wenn heute mengen- oder gewichtsunausgelastete Ganzzüge verkehren, dann macht es prima vista Sinn, sie durch Wagen des Einzelwagenverkehrs zu vervollständigen, und dadurch das kostenwirtschaftliche Potenzial des Ganzzuges noch besser zu nutzen, so der Grundgedanke der Netzwerkbahn. Schon 1993 gab es den Vorschlag, Tragwagen des Kombinierten Verkehrs mit vorsortierten Wagengruppen des Wagenladungsverkehrs zu einem Zug zu verknüpfen, 24 der Kombinierte Verkehr sollte bis zu Vollkosten gefördert - analog der Rollenden Landstraße in Österreich - und der Einzelwagenverkehr zu Grenzkosten befördert werden. Heute gelten hingegen andere Marktbedingungen. Zweitens kann die Aufenthaltsdauer der Züge im Einzelwagenverkehr verkürzt werden. Planbare Übergänge, die man bisher in Deutschland nicht zusammengebracht hat 25 - weil bei einer Stundenspitzenleistung am Abrollberg von 150 Wagen die erforderliche Wagenanzahl für eine sichere Weiterbeförderung innerhalb akzeptabler Zeitschranken nicht erzielbar ist - sollen nun in einzelnen Pilotrelationen bereits möglich sein. Auch soll der Wagenumlauf durch die Verschmelzung von Ganzzug und Einzelwagenverkehr drastisch verbessert werden. Kommt es aber dadurch auch zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Einzelwagenverkehrs? Hier sind Zweifel anzumelden: Bei der Netzwerkbahn wird nun versucht, nicht ausreichend ausgelastete Ganzzüge (Ankerblöcke) mit Sendungen des Einzelwagenverkehrs in die gleiche Richtung (Füllblöcke) zur gemeinsamen Beförderung zu vereinen. 26 Systemtheoretisch betrachtet wird das Produktionssystem Ganzzugverkehr durch zusätzliche Halte zur Aufnahme bzw. Abgabe von Einzelwagen verschlechtert, die Beförderungszeiten verlängern sich. Werden nun einzelne wenige Einzelwagen dem Rangiersystem entnommen, um im (bisherigen) Ganzzugsystem befördert zu werden, so verbessert sich bei diesen - wenigen - Wagen die Beförderungszeit. Die im Vergleich dazu vielen anderen Wagen, die im Rangier-Produktionssystem des Einzel- Bild 2 Quelle: Kortschak (1986), S. 12 Bild 3: Will die Bahn in Konkurrenz zum Lkw mit seiner Kostendegression aufgrund der langen durchgehenden Strecke treten, muss sie den Lkw für die verhinderte Stückkostendegression durch die geringen Fahrleistungen im Vor- und Nachlauf mit ihren vergleichsweisen hohen Kostensätzen gegenüber dem durchgehnden Lkw-Transport (Delta 2) durch entsprechend noch niedrigere Streckenfrachtsätze entschädigen (Delta 1). Quelle: Kortschak (1993), Bild 1, S. 105 LOGISTIK Schienenverkehr Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 26 wagens verbleiben, müssen aber im Vergleich zu vorher noch länger auf Abbeförderung warten, weil sich ja das vorhandene Waggonvolumen zur Bildung langer und schwerer Züge im Ausgang um das mit Ganzzügen abbeförderte Volumen verringert hat. Bei Kleinmengen wird das noch nicht schlagend, wenn aber die Umstellung in größerem Umfang greift, wird die Spreizung in der Beförderungsqualität des Einzelwagenverkehrs durchschlagen. Das Argument pro, dass die Umstellung nicht nur in Nordamerika, sondern auch in Frankreich und in Schweden Erfolge gezeitigt hätte, wird leider durch das Faktum entkräftet, dass sowohl in Frankreich als auch in Schweden der Einzelwagenverkehr praktisch zum Erliegen gekommen ist. Daher droht auch in Deutschland bei Weiterführung der Netzwerkbahn der Einzelwagenverkehr unter eine kritische Masse zu sinken, die seine Aufrechterhaltung nicht mehr gestattet. Alternativen, wie z. B. CAR- GO NET, 27 gibt es - bisher sind aber keine Ansätze in diese Richtung festzustellen. Fazit Es gibt noch immer genügend Kunden, die auf den Meter Wagenlänge das doppelte Volumen und ein bis zu dreimal höheres Gewicht als beim Lkw im Einzelwagenverkehr zur Versendung bringen wollen; allerdings muss das Verfahren zur Zugbildung so umgestellt werden, dass die durchschnittliche Aufenthaltszeit der Waggons in den Zugbildungsanlagen auf unter eine Stunde sinkt, soll die Beförderungszeit auf ein wettbewerbsfähiges Niveau angehoben werden. Dem verzweifelten Versuch, mit Hilfe einer Netzwerkbahn in Rangieranlagen vorsortierte Wagengruppen an nicht ausgelastete Ganzzüge anzuhängen, wird hier eine Absage erteilt, weil damit die Wettbewerbsfähigkeit einmal mehr geschwächt wird, und zwar sowohl des Ganzzugals auch des Einzelwagenverkehrs insgesamt. ■ Bernd Kortschak, Prof. Dr. Dr. Professor für ABWL und Logistik an der Fakultät Wirtschaft Logistik Verkehr der FH Erfurt, Erfurt. kortschak@fh-erfurt.de Bild 4: Der abnehmende Anteil des Einzelwagenverkehrs im Verhältnis zum Ganzzugverkehr in der EU27 + Schweiz. (Quelle: McKinsey zit. nach CER 2013, p. 38) LIterAtur BERBNER, B. (2013): Zug der Erinnerung, in: Die Zeit Nr. 17, 18.4.2013, S. 34 BLUM, O. (1925): Verkehr, in: Verkehr und Betrieb der Eisenbahnen, hrsg. Von O. Blum/ G. Jacobi/ K. Risch, Berlin, S. 3-122 CER (eds.) (2013): RAIL FREIGHT STATUS REPORT 2013 Rail Freight after a Decade of EU Rail Policy, Brussels ELDERS, V./ HOLSTEN, J.U./ PULVER, T./ REINECKE, R. 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Matis/ Stiefel (1995), S. 240 7 Grundsätzlich zur Optimierung von Transportketten aus logistischer Sicht vgl. Kortschak (2003), S. 361 f. 8 Vgl. Kortschak (1986), S. 12 9 Blum (1925) , S. 5 mwH 10 Vgl. Krösel/ Engelmann (1978), S. 154 11 Dafür waren insgesamt 10 große Drehscheiben vorgesehen (Hamm, Gremberg, Vorhalle, Seelze, Bebra, Mannheim, Würzburg, Nürnberg, Kornwestheim, München Ost), wo die Transportzielsteuerung angewandt werden kann. Vgl. Krösel/ Engelmann (1978), S. 154 12 Krösel/ Engelmann (1978), S. 154 13 Während am Markt immer spätere Abholzeiten gefordert werden, so 1986 bereits 19 Uhr. Vgl. Kortschak (1986), S. 13 14 Vgl. Kortschak, (1993), S. 103 f. 15 Vgl. Kortschak (1993), S. 110 16 Elders, V./ Holsten, J.U./ Pulver, T./ Reinecke, R. (2007), S. 567 17 Vgl. Siegmann/ Stuhr (2012), S.11f.; nach jüngsten Meldungen ist nach Jahren des Wachstums der Schienengüterverkehr in Deutschland 2012 um 2,4% geschrumpft. Alle Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammen transportierten nur mehr 366 Mio. t, was die Situation für den Einzelwagenverkehr in Deutschland noch prekärer macht. Vgl. Berbner (2013), S. 34 18 Vgl. Kortschak (2011), S. 30 f 19 Weise (2002), S. 117 20 Vgl. Sünderhauf (2009), S. 107 21 Vgl. Grassmann (1952), S. 16 f 22 Siegmann (2009) zit. nach Vogt (2011), S. 171 23 Noch unter regulierten Rahmenbedingungen wurde in Großbritannien errechnet, dass eine Wegverlängerung von 14 % gegenüber dem Lkw den Bahngüterverkehr unwirtschaftlich macht. Vgl. Kortschak (2012), S. 447 24 Vgl. Kortschak (1993), S. 103 f 25 Trotz dieser eklatanten Mängel ist auch in der jüngsten Literatur davon die Rede, dass die „durch die Restrukturierungsmaßnahmen erwirkten Qualitätsverbesserungen (sic! ) des verbleibenden Netzes … das Einzelwagenverkehrssystem der DB Schenker Rail jedoch zu dem leistungsfähigsten in ganz Europa gemacht (haben).“ Vogt (2011), S. 173, demgegenüber ist die Kopfquote an geleisteten tkm im Schienenverkehr pro Kopf der Bevölkerung in österreich mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland: 2005 errechnete der VCö ein Verhältnis von 2,17 zu 0,9. Vgl. Verkehrsclub österreich (2005), S. 12; die Proportionen sind auch für heute aussagefähig - in etwa gleich geblieben. 26 Vgl. Hedderich/ Heinrici (2013), S. 42 27 CARGO NET[zwerk]: Alternatives Zugbildekonzept zur Erfüllung der Zeitanforderungen an die Bahn, vgl. Kortschak (2007), S. 53 LOGISTIK Statistik Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 27 Innovative Datenerfassung in der Straßengüterverkehrsstatistik Analyse der Rahmenbedingungen und Ergebnisse eines Forschungsprojekts Ein umfassendes Wissen über das Verkehrsgeschehen dient als wesentliche Grundlage für politische und wirtschaftliche Entscheidungen und für Modellierungen und Prognosen. Viele Institutionen und Organisationen sind auf die Daten dieser Art angewiesen. Der Aufwand für Datenbeschafung und Erstellung der Statistiken steht in einem extrem günstigen Verhältnis zu etwaigen Projekt- und Folgekosten. Die Optimierung der Erhebungsmethode kann Qualität und Aussagekraft einer Statistik und damit ihren Nutzen deutlich steigern. Die Autoren: Elmar Fürst, Peter Oberhofer, Sebastian Kummer D ieser Beitrag berichtet über die Ergebnisse eines Forschungsprojekts in Österreich und widmet sich möglichen Verbesserungen durch innovative Methoden. Er hat weitreichende Implikationen für alle Erhebungen in Europa innerhalb des Regimes der EU-Güterkraftverkehrsstatistik und sogar darüber hinaus, da die generierten Daten nicht nur für die Meldungen der amtlichen Statistik, sondern auch für andere Zwecke (Benchmarking, Carbon Footprints und anderes mehr) in Unternehmen, Branchen, sowie auf lokaler, regionaler oder staatlicher Ebene sinnvoll genutzt werden können. Durch die Optimierung der Erhebungsmethode mithilfe innovativer Ansätze, zu deren Umsetzung - von einigen Anfangsinvestitionen abgesehen - kein wesentlicher (Mehr-)Aufwand notwendig ist, kann die Statistik in qualitativer Hinsicht deutlich verbessert, die Ressourcenbelastung gesenkt und die Belastung der Unternehmen reduziert werden. Auf diese Weise könnten in Österreich die Weichen für die „Rückkehr“ zu einem erhöhten Stichprobenumfang gestellt werden, welches aus Gründen der Entlastung der Betriebe mit Beginn des Jahres 2006 auf 14% der ursprünglichen Größe reduziert wurde. Bewertung der aktuellen Situation Mit dem EU-Beitritt Österreichs wurden die Verkehrsstatistiken an die Erfordernisse der EU angeglichen. Im Binnenmarkt ist es nur möglich, im jeweiligen Mitgliedstaat registrierte Fahrzeuge zu erfassen. 1 Der Erhebungsbereich erstreckt sich seitdem auf alle in Österreich zugelassenen Lastkraftwagen ab 2 t Nutzlast sowie Sattelzugmaschinen (Ausnahmen inden Anwendung). 2 Die Statistik wird laufend vierteljährlich erhoben (6500 Fahrzeuge) und mit entsprechender Hochrechnung erstellt. Die Meldungen erfolgen weiterhin weitgehend in Papierform. Der seit April 2008 angebotene Web-Fragebogen 3 wird von mehr als 10 % der Befragten verwendet. 4 Die Ergebnisse werden über unterschiedlichste Publikationskanäle veröfentlicht. 5 Insgesamt scheint die Straßengüterverkehrsstatistik in der Europäischen Union - somit auch in Österreich nach dem EU-Beitritt - nicht optimal ausgestaltet zu sein. Die Erhebungen im Bereich der Straße sind mit denen der anderen Verkehrsträger nicht gut vergleichbar, da sie im Gegensatz zu den anderen Verkehrsträgern dem Nationalitätsprinzip folgen. 6 Betrachtungen des Modal Split sind damit praktisch nicht mehr möglich. Aufgrund der zu hohen Methodenvielfalt sind außerdem Statistiken verschiedener EU-Länder nur eingeschränkt vergleichbar und aggregierbar. Die österreichische Erhebung entspricht zwar den gesetzlichen Anforderungen und Bestimmungen und besteht auch den europäischen Vergleich, jedoch besteht in vielerlei Hinsicht großes Verbesserungspotential und -bedarf. Durch den Einsatz innovativer Methoden können zahlreiche Probleme adressiert und reduziert werden. einsetzbarkeit innovativer Methoden Da der derzeitige Zustand als wenig zufriedenstellend bezeichnet werden muss, ist es notwendig, technische Innovationen voranzubringen und einzusetzen. Zwei Möglichkeiten (oder Kombinationen daraus) sind dabei als besonders vielversprechend zu bewerten, nämlich Technologie zur Ortsbestimmung (GSM, GPS, xFCD etc.) und die Nutzung unternehmensinterner Datenbestände, z. B. aus der Dispositions- und Logistiksoftware . Diese Möglichkeit beinhaltet die Nutzung von Daten aus Frachtund/ oder Zollpapieren auf elektronischem Wege. Letztere Option stellt den zentralen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung und dieses Beitrags dar. Datenschutzprobleme können technisch gelöst werden. Dieser Bereich ist zwar rechtlich zu erörtern, aus statistischer Sicht jedoch irrelevant. Zwei empirische Studien Das gegenständliche Forschungsprojekt zur Nutzung innovativer Methoden im Straßengüterverkehr basiert auf zwei empirischen Erhebungen. Als Basis wurde eine quantitative Studie (57 Transportunternehmen und 159 Unternehmen im Werkverkehr) durchgeführt, die durch eine qualitative Befragung (29 Unternehmen aus verschiedenen Sparten) ergänzt wurde. Ziel des ersten Teils der empirischen Untersuchung war es, festzustellen, ob die Unternehmen über statistisch-relevante Daten betrefend den LOGISTIK Statistik Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 28 Straßengüterverkehr in elektronischer Form verfügen. In der zweiten sollte festgestellt werden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Unternehmen auch bereit sind, am Einsatz der Methoden mitzuarbeiten. Die Ergebnisse stützen die Vermutung, dass die meisten der benötigten Daten bei den Unternehmen elektronisch verfügbar wären, wenn auch nicht immer in einer einzelnen Datenbasis, sondern oft in mehreren Systemen. Das führt zu der Schlussfolgerung, dass eine Automatisierung des Meldeprozesses an Statistik Austria (die nationale statistische Institution) auf individuelle und situative Umstände abstellen muss und somit ein eher komplexes Unterfangen darstellt. Zu diskutieren wäre eine Konzentration auf Unternehmen mit besonders großen Meldevolumina, Hersteller bestimmter verbreiteter IT-Systeme oder die Nutzung der durch die Wirtschaftskammer Österreich früher angedachten Benchmarking-Datenbank auf breiter Basis. Die in der qualitativen Studie ergänzend interviewten Unternehmensvertreter zeigten allgemein wenig Bereitschaft, beim gegenwärtigen Stichprobenkonzept Investitionen betrefend die Automatisierung des Meldeprozesses zu tätigen. Aus Sicht vieler Unternehmen müsste ein Großteil der damit verbundenen Kosten extern getragen werden. Eine weitere wesentliche Schlussfolgerung ist, dass durch eine Standardisierung bzw. Automatisierung des Meldeprozesses mehr relevante Daten für die Straßengüterverkehrsstatistik zu beschafen wären, was zur Steigerung der Qualität der Ergebnisse führen würde. Da dies im Interesse der Allgemeinheit liegt, wäre abzuwägen, inwieweit der zu generierende Zusatznutzen etwaige Investitionen rechtfertigt. entwicklung innovativer erfassungskonzepte Im Zuge der Bewertungsphase konnten, betrefend innovative Erhebungsmethoden und Schafung von eizienten Datengrundlagen, unterschiedliche Ansatzpunkte entwickelt werden. Es kristallisierten sich dabei verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten heraus, welche in Form von zwei Maßnahmen nachfolgend beschrieben werden. Maßnahme 1: Konzentrationsstrategie Diese Strategie umfasst insbesondere die Zusammenarbeit und enge Kooperation mit den Softwarehäusern, um eine breite Integration der Datenerhebung zu bewerkstelligen. Diese sollte gekoppelt mit einer verstärkten Einbindung bzw. Anreizschafung für die Weiterentwicklung von Softwarelösungen und -ergänzungen erfolgen. Die Verfolgung einer Konzentrationsstrategie schaft den Vorteil, dass keine „Insellösungen“ entwickelt werden. In die Umsetzung dieser Strategie können auch mehrere Unternehmen in Form von „early adopters“ Einbindung inden. Im Zuge der europäischen wirtschaftlichen und politischen Integration, wäre es wünschenswert, zur Vermeidung einer österreichischen Insellösung eine harmonisierte Verbesserung der Datenqualität mittels innovativer elektronischer Datenerhebung auf europäischer Ebene durchzuführen. Dies würde die Attraktivität eines solchen Ansatzes für die Softwarehäuser sowie die Meldeplichtigen weiter steigern. Mit der Schafung einer einzigen Standard-Schnittstelle - gegebenenfalls ergänzt um einige individuelle Anpassungen und kundenspeziische Elemente im Zuge der Implementierung - kann eine große Zahl an Unternehmen, die wiederum zu den großen Meldern gehören, abgedeckt werden. Maßnahme 2: Unterstützende Maßnahmen zur Erhöhung der Umsetzungsneigung Hierbei handelt es sich um eine Strategie, die darauf ausgerichtet ist, praktisch-orientierte Rahmenbedingungen zu schafen, Informationsdeizite abzubauen und Hilfestellung zu gewährleisten. Konkret kann die Verfolgung solcher Strategien u.a. mittels umfassender Beratung, Informationsbereitstellung und dem Anbieten von (professionellen) Ansprechpartnern bewerkstelligt werden. Auch durch die Zurverfügungstellung eines (idealerweise europaweit) standardisierten Datensatzaubaues, der öfentlichen Zugänglichmachung von Daten- und Informationsquellen oder aber auch durch speziische inanzielle Unterstützung und Förderung (österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Statistik Austria), angesichts knapper Budgets eher wenig realistisch, kann diese Strategie realisiert werden. Das Spektrum der Möglichkeiten gestaltet sich hier vielfältig. Zusätzlich sollte um breite Akzeptanz bei den Nutzern gerungen werden. Zuerst wäre Public Relations zu betreiben um den Meldeplichtigen in größerem Umfang als dies bisher der Fall war die Bedeutung statistischer Erhebungen vor Augen zu führen. Insgesamt sollen die Rahmenbedingungen dahingehend verbessert werden, dass die meldeplichtigen Betriebe einfacher und gleichsam nebenbei die Abgabe der statistischen Meldungen erledigen können bzw. auch einen Anreiz in der Automatisierung dieser Abläufe erkennen. Fazit Die Daten zum Straßengüterverkehr in Österreich stellen eine fundamentale Informationsquelle für verschiedenste Zwecke und Organisationen dar und bilden die Grundlage für weitreichende Entscheidungen. Eine genaue Analyse der Straßengüterverkehrsstatistik in Österreich zeigt, dass trotz Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und der europäischen Rahmenbedingungen bedeutendes Verbesserungspotential besteht. Der Einsatz innovativer Erhebungsmethoden ließe dabei zugleich eine signiikante Verbesserung der Datenmenge und Datenqualität, der Aktualität und der regionalen Tiefe, eine Reduktion des Aufwandes bei den meldeplichtigen Unternehmen, sobald diese Methoden eingeführt sind und schließlich einen deutlichen Rückgang des Bearbeitungsaufwandes bei den statistischen Ämtern zu. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, rasch die benötigten rechtlichen Rahmenbedingungen (Stichwort „Verkehrsstatistikgesetz“) zu schafen, dahingehende politische und wirtschaftliche Entscheidungen zu trefen, diese im Europäischen Statistischen System zu etablieren und schließlich lächendeckend umzusetzen. Im Rahmen des weiterführenden Forschungsprojekts „InnoRFDat-X“, welches in der Programmlinie i2v durch das BMVIT bzw. die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert wurde, konnte bereits beispielhaft gezeigt werden, dass durch die Anwendung der Erkenntnisse dieser Studie Standardisierungen und Automatisierungen erreicht werden können. Die Ergebnisse beziehen sich zwar in erster Linie auf Österreich, sind jedoch ohne weiteres auf die meisten Länder übertragbar, die im Regime der EU-Güterkraftverkehrsstatistik Daten an Eurostat melden. Derzeit sind dies die EU-27 (ohne Malta) sowie Kroatien, Lichtenstein und die Schweiz. Die auf Grund der innovativen Methoden stark verbesserte Datenqualität und Verfügbarkeit bringt vielfältigen Nutzen. Im Bereich der klassischen Anwendung der amtlichen Statistik können etwa die Ergebnisse der Verkehrsmodelle entschieden verbessert werden, was sich letztlich besonders positiv auf die auf den Modellen bzw. den weiterführenden Analysen basierenden Entscheidungen auswirkte. Die Daten, die mithilfe innovativer Erhebungsmethoden generiert werden können, sind darüber hinaus geeignet, unterschiedlichsten Ebenen innerhalb von Unternehmen, für Unternehmensvergleiche (Benchmarking), unternehmensübergreifend (Supply Chain Management) bis hin zu aggregierten Ebenen (lokal, regional, staatlich) auf vielfältige Weise genutzt werden zu können. Genaue Daten über einzelne Transporte, Streckenführung, Ladung und Auslastung sind beispielsweise für profunde Carbon Footprints und Lebenszyklusanalysen unabdingbar. 7 Gerade in diesem Bereich können valide Ergebnisse Politik und Unternehmen helfen, die vordringlichen Verkehrs- und umweltpolitischen Ziele zu erreichen. Darüber hinaus sind valide Kalkulationen und Vergleiche auf verschiedensten Ebenen, wie Produkt-, Unternehmensbzw. regionaler oder staatlicher Ebene 8 , möglich. Außerdem könnten Tools entwickelt werden, durch die Ressourcen besser gesteuert und Vergleiche zu Mitbewerbern gezogen werden können. Aufgrund dieses Zusatznutzens für die Unternehmen selbst, würde die Bereitschaft diesbezügliche Lösungen zu implementieren, deutlich steigen. Danksagung Dieser Beitrag bezieht sich großteils auf Ergebnisse eines vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BM- VIT) beauftragten Forschungsprojekts (Ansprechpartner im BMVIT: Dr. Thomas Spiegel). ■ 1 Die Neugestaltung der Erhebung in Form einer Stichprobe über österreichische Fahrzeuge wurde durch die Straßen- und Schienengüterverkehrsstatistikverordnung, BGBl. Nr.- 393/ 1995 festgeschrieben; diese ist bis heute gültig (und zwar in der Fassung BGBl. II Nr. 119/ 2005). 2 Vgl. Statistik Austria (2010), S. 6 3 Vgl. Statistik Austria (2012): http: / / www.statistik.at/ web_ de/ frageboegen/ unternehmen/ erhebung_des_strassengueterverkehrs/ index.html 4 Vgl. Statistik Austria (2010), S.12 5 Vgl. Statistik Austria (2010), S. 7 6 s. hierzu auch Fürst / Oberhofer 2012 7 Vgl. Wiedmann, 2009; Wiedmann und Minx, 2007 8 Vgl. Peters, 2010 LIterAtur Aberle (2003): Aberle, G.: Transportwirtschaft: einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundlagen, 4. 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Hauppauge NY, USA: Nova Science Publishers. Sebastian Kummer, Univ.Prof. Dr. Institutsleiter Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien sebastian.kummer@wu.ac.at Peter Oberhofer, Mag. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien peter.oberhofer@wu.ac.at elmar Wilhelm M. Fürst, Dr. Assistenzprofessor, Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien elmar.fuerst@wu.ac.at Komplettlösungen für-mehr Effizienz • Industrietorsysteme und Ladebrücken • Torabdichtungen und Vorsatzschleusen • NEU: Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik Halle B1 Stand 409 / 510 Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 30 Aufwind für Tschechiens Logistikmarkt Ein neues Messekonzept soll die tschechische Logistikbranche stärken Die Autorinnen: Martina Hohmann, Laura Heider T schechien gehört dank seiner zentralen Lage und einer starken Wirtschaft zu den wichtigsten Logistikmärkten in Mittel- und Osteuropa. Im Logistics Performance Index der Weltbank 2012 landete das Land auf Rang 44 und besetzt damit neben Polen einen der Spitzenplätze im ostmitteleuropäischen Vergleich. Auch wenn die Entwicklung der Infrastruktur in Tschechien infolge der Weltwirtschaftskrise ins Stocken geraten ist und der Ausbau sich spürbar verlangsamt hat, so ist in letzter Zeit wieder Aufwind zu verzeichnen. Erst 2012 schrieb die tschechische Regierung einige wichtige Infrastrukturprojekte von zentraler Bedeutung aus, darunter die Sanierung der zum IV. Paneuropäischen Verkehrskorridor Berlin - Prag - Budapest - Thessaloniki - Instanbul gehörenden Autobahn D1 zwischen Prag und Brünn sowie den Neubau der zukünftigen Autobahn D3 zwischen Prag und Ceské Budejovice im Südwesten des Landes. Auch die Modernisierung der tschechischen Bahntrassen soll in der nächsten Zeit vorangetrieben werden. Hier liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Ausbau der Strecke Rokitzan - Pilsen (Rokycany - Plzen) und der Modernisierung der Trasse Tetschen - Kolin (Decín - Kolín). Das tschechische Straßennetz ist eng ausgebaut und umfasst rund 55.750 km, 734 km von ihnen entfallen auf Autobahnen und 435 km auf Schnellstraßen. Das Eisenbahnnetz umfasst 9.558 km, etwa ein Drittel davon ist bisher elektriiziert. Da der Transport auf Schienen in Tschechien jedoch vergleichsweise langsam und relativ teuer ist, spielt der Transport auf der Straße mit einem Anteil von 79,7 % die wichtigste Rolle. Schifs- und Lufttransport haben kaum Bedeutung. Im Jahr 2011 konnte der Transportsektor in Tschechien positive Ergebnisse verzeichnen. Sowohl das Frachtvolumen (+ 2 %) als auch das Volumen im Personenverkehr (Flugverkehr +3 %, Bahnverkehr +2 %) nahmen im Vergleich zum Vorjahr zu (Quelle: Germany Trade & Invest). Die Transport- und Lagerwirtschaft konnte trotz der noch Bild 1: Die Themen der früheren Railtec sind nun auf der Eurotrans zu inden. ( Quelle: BVV) LOGISTIK Osteuropa Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 31 spürbaren Auswirkungen der Wirtschaftskrise positive Umsatzzuwächse verbuchen. So lag der reale Zuwachs im Jahr 2012 nach Angaben des tschechischen Statistikamtes bei +0,9 % (2011: +1,2 %). Wachstumstreiber Automobilindustrie Die starke Nachfrage der immer noch expandierenden Automobilindustrie wirkt sich auch auf die Logistikbranche des Landes aus. Vor allem in den Wirtschaftsräumen Prag (Praha), Brünn (Brno) und Pilsen (Plzen) sowie im Industriezentrum um die im Osten des Landes gelegene Stadt Ostrau (Ostrava), dessen Stahlindustrie immer mehr Autozulieferer anzieht, entstehen derzeit neue Logistikzentren, berichtet Germany Trade & Invest. Der Bau erfolgt meist erst auf der Grundlage bereits geschlossener Mietverträge und ermöglicht so den Bau von built-to-suit Lösungen, die optimal auf die individuellen Wünsche der Kunden angepasst werden können. Die größten Logistikzentren indet man rund um die Hauptstadt Prag - mit 300.000qm Lagerläche ist der VGP Park Horni Pocernice der Betreiberirma VGP bisher der Größte. Momentan investieren vor allem ausländische Betreiber: GLS CZ baut in Iglau (Jihlava) zwischen Prag und Brünn ein neues Paketumschlagzentrum, Dachser und die Gebrüder Weiss in der Nähe von Prag. Ein großer Schwerpunkt liegt dabei auf der Integration mehrerer Verkehrsträger, denn gerade kombinierte Verkehre sind in Tschechien noch selten. Multimodale Terminals fehlen bisher Während die tschechische Regierung bisher wenig zur Entwicklung unternommen hat und erst seit letztem Jahr den Bau solcher Zentren unterstützt, ist die Privatwirtschaft schon einen Schritt weiter. Durch private Investoren entstehen momentan mehrere multimodale Zentren, wie etwa durch die zur Hamburger Hafen und Logistik AG gehörende Metrans, die neben ihrem bereits bestehenden Terminal in Prag gerade ein weiteres Bahnterminal in Ceská Trebová errichtet. Ein weiteres Beispiel ist die HB Reavis Group, die bis 2018 bei Ostrau ein Zentrum mit Straßen-, Schienen- und Luftfrachtanbindung bauen will. deutsche Logistikunternehmen proitieren von direktinvestitionen Zu den führenden Anbietern von Logistikdienstleistungen in Tschechien gehören bereits jetzt deutsche Unternehmen. So beinden sich unter den 12 größten Logistikunternehmen fünf deutsche Firmen, darunter Schenker und die DHL. Sie proitieren von den deutschen Direktinvestitionen im Nachbarland: Deutsche Produktionsbetriebe nehmen ihre kooperierenden Logistikunternehmen oft mit ins Ausland. eurotrans Messe und Fachkonferenz: Fokus auf Verkehr und Logistik Vom 11.-14. September 2013 bietet die Messe in Brünn die Möglichkeit, sich näher über die Branche zu informieren. Dann wird auf dem größten tschechischen Messegelände erstmals die internationale Messe Eurotrans stattinden. Das neue Messekonzept vereint die bereits etablierte Messe Transport und Logistik, welche bisher an die internationale Maschinenbaumesse (MSV) angeknüpft war, mit der Railtec und der Nutzfahrzeug- und Fahrzeugteilemesse Autotec. Neben den Schwerpunkten Schienen- und Straßenverkehr beinhaltet die Veranstaltung auch die Bereiche Wasser- und Luftfahrtlogistik sowie Lagerhaltung. Das Konzept der Messe ist mit seiner Produktstruktur in Europa bisher einmalig und soll sich in den nächsten Jahren beim Fachpublikum etablieren. Stattinden wird sie jeweils im Zwei-Jahres-Rythmus. Aufgrund der Lage Brünns in der Grenzregion zu Polen, der Slowakei, Ungarn und Österreich zieht die Messe Brünn auch Publikum aus dem Ausland an. 2011 konnte man fast eine Million Besucher aus etwa 90 verschiedenen Ländern begrüßen, der Anteil ausländischer Aussteller lag bei knapp 9%. Unter ausländischen Investoren gelten die Messen in Brünn als Sprungbrett für den Eintritt in den mittel- und osteuropäischen Markt. Auch die Eurotrans soll als Plattform zur Entwicklung und Vertiefung von Handels- und Exportbeziehungen dienen und neben Fachpublikum auch Aussteller aus dem Ausland anlocken. Erste Teilnahmebestätigungen gibt es bereits nicht nur von deutscher Seite, sondern auch von Unternehmen aus China sowie von der Russischen Eisenbahn (RŽD). Parallel zur Messe wird die Fachkonferenz Mobilität der Zukunft über drei Tage aktuelle Themen und Probleme rund um die Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs sowie speziell das Thema nachhaltige Mobilität beleuchten. ■ Bild 2: Die neue Eurotrans wird auch den Bereich Intralogistik abdecken. ( Quelle: BVV Bereiche: Verkehrstechnik und Logistik, insbesondere Straßen- und Schienenverkehr Veranstaltungsdatum: 11.-14. 9. 2013 Veranstaltungsort: Brünn - Messegelände Veranstalter: Messe Brünn Erwartete Aussteller: ca. 500 Erwartete Fachbesucher: ca. 25.000 Deutsche Aussteller werden von der Deutsch- Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) unterstützt, die seit 2009 oizieller Vertreter der Messe Brünn in Deutschland ist. Um deutschen Unternehmen den Messestandort als noch eizienteres Marketinginstrument anbieten zu können, gibt die DTIHK Auskünfte zu Veranstaltungen und organisiert Messeauftritte sowie Gespräche mit möglichen Kooperationspartnern. dIe eurOTrANS IM ÜBerBLICK Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer AHK Services s.r.o. | Martina Hohmann Leiterin Competence Center Aussteller- und Besucherservice Messe Brünn Václavské nám. 40 | CZ-110 00 Praha 1 Tel: +420-221 490 337 | Fax: +420-224 222 200 http: / / tschechien.ahk.de KONTAKT Martina Hohmann Leiterin Competence Center Aussteller- und Besucherservice Messe Brünn, Praha hohmann@dtihk.cz Laura Heider Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer, Praha heider@dtihk.cz LOGISTIK Geodaten Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 32 Mehrwert schöpfen aus Datenquellen Der Karlsruher Softwarehersteller PTV bietet Geodaten mit sehr unterschiedlichen Attributen für Transport, Verkehr und Vertrieb an. In Verbindung mit einer geeigneten Softwarelösung können Logistikunternehmen dies für sich nutzen. Die Autorin: Petra Gust-Kazakos R aumbezogene Daten - oder kurz: Geodaten - machen mehr aus vorhandenen IT-Systemen. Das gilt für die Transportlogistik ebenso wie für Verkehrsplanung und Vertriebsoptimierung. Logistikunternehmer können anhand der Daten beispielsweise die Auswirkungen neuer Mauttarife oder ihre Depotstandorte analysieren. Verkehrsplaner können auf vorhandene Daten oder Modelle zurückgreifen, statt Verkehrsdaten zu hohen Kosten und mit großem Zeitaufwand selbst zu erheben. Und das Marketing kann mit zusätzlichen Daten zielgruppenspeziische Analysen vornehmen. DDS Digital Data Services, Tochterunternehmen der PTV Group in Deutschland, liefert zahlreiche Daten und Dienstleistungen, die sich zusammen mit PTV-Produkten oder anderen Anwendungen nutzen lassen. Dazu zählen Kaukraft- und Unternehmensdaten zur Verwendung im Geomarketing, aber auch zahlreiche weitere Datentypen zur Nutzung in geograischen Informationssystemen (GIS), Business Intelligence (BI) oder individuell nach Anwendungsfall.. daten für die Logistikplanung Unnötige Fahrten vermeiden und die Fahrzeuglotte optimal einsetzen: Viel Information ist nötig, wenn das Ergebnis eine eiziente Tour sein soll. Routingfähige Straßennetze in unterschiedlichen Detaillierungsgraden bilden die Grundlage für die Planung von Touren. Als ergänzende Informationen sind logistische Streckenattribute für LKW wie Durchfahrtshöhen, Brückenbelastbarkeiten und Gefahrgutrestriktionen bis hin zu Mautinformationen und Emissionsdaten des eingesetzten Fahrzeugtyps praxisrelevant. Straßenentfernungen sind die Basis für jedes Transportplanungssystem. Eine Besonderheit ist hier das EWS - Entfernungswerk Straße, das für alle Orte in Europa die Entfernungen als fertige Datensätze liefert. Für Deutschland und Österreich auch inklusive anfallender Mautkilometer. Damit ist der Quasi-Standard der Branche nicht nur ein wichtiges Instrument zur Entfernungsermittlung, sondern ermöglicht auch eine umfassende und schnelle Kalkulation der Transportkosten. Die Daten werden als ASCII-Datensatz geliefert, weshalb sie lexibel in unterschiedliche Systeme wie Oracle oder SAP eingebunden werden können. Besonders bei der Berechnung umfangreicher Transportaufträge zahlt sich der schnelle Zugrif auf die Daten aus. Will der Disponent dynamisch rechnen, kann er Baustellen oder Staus bei der Ermittlung der Ankunftszeit berücksichtigen oder über tagesabhängige Verkehrsbelastungen zeitbezogen planen (Bild 1). Routingfähige Schienennetze erweitern das Planungsspektrum um alternative Transportmöglichkeiten. Aus Content und Komponenten kann der Anwender die für ihn passende Anwendung gestalten oder bereits existierende Planungsprogramme damit aufwerten. Auch bei der Analyse bestehender und der Planung neuer Depotstandorte sind Gebietsdaten hilfreich, die beispielsweise auf der Grundlage von Gemeinde- oder PLZ-Grenzen vorliegen. Mit ihrer Hilfe lässt sich untersuchen, ob die Depots ideal liegen, ausreichend dimensioniert sind oder ob weitere Depots nötig wären. Kombiniert man Geo- und soziodemograische Daten für die Bewertung, erhält man eine exzellente Basis zur Optimierung, Restrukturierung oder Expansion eines Logistiknetzwerks. daten für die Verkehrsplanung Verkehrsbelastung ist ein Thema, das alle interessiert: Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit genauso wie Spediteure, Rettungsdienste oder auch Werbetreibende. Präzise Aussagen über die Verteilung der Verkehrsmengen sind überall dort wichtig, wo Verkehrsbelastung relevant für die Planung ist. Eine geplante Ortsumgehung, die Sinnhaftigkeit einer neuen Autobahnanschlussstelle oder der Ausbau einer Bundesstraße - bei vielen Fragestellungen der Verkehrsplanung Bild 1: Geschwindigkeitsproile optimieren die Routenplanung. Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 33 geht es darum, die verkehrliche Wirkung einer Maßnahme vor ihrer Realisierung zu ermitteln. In der Regel muss dabei nicht nur die gegenwärtige Situation analysiert werden, auch die Auswirkungen gilt es zu prognostizieren. Das vorkalibrierte überregionale Verkehrsmodell PTV Validate beispielsweise basiert auf permanent aktualisierten Kartendaten des weltweit tätigen Herstellers NAVTEQ, ist transparent und nachvollziehbar attribuiert (Streckenkapazität, Geschwindigkeiten etc.) und bietet eine landesweit einheitliche Modellqualität (Bild 2). Durch die deutschlandweite Abdeckung können in Teilmodellen alle relevanten Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehre abgebildet werden - auch von und ins benachbarte Ausland. Aufgrund der Standardisierung sind auf PTV Validate basierende Modellergebnisse räumlich und zeitlich gut miteinander vergleichbar im Gegensatz zu einfachen empirischen Verkehrsuntersuchungen, die auf den jeweiligen Einzelfall hochgerechnet sind und sich hinsichtlich ihrer Detaillierung und Qualität meist stark unterscheiden. Ob es um großräumige Verkehrskonzepte geht oder um kleinräumige Planungen - längst haben sich Geodaten als Grundlage etabliert. Verkehrsbelastungen, Verkehrsströme, Szenarien alternativer Verkehrskonzepte oder Erreichbarkeitsstudien sind nur einige der Anwendungsfelder, deren Planungsgrundlagen auf Geodaten und ihren Möglichkeiten basieren. Weil hochwertige Daten die beste Grundlage für exzellente Verkehrsmodelle sind, liefert PTV Kartendaten zu Verkehrsnetzen, Geschwindigkeitsproile, ganze Verkehrsmodelle oder statistische Informationen über das Geschehen auf der Straße. Diese Daten sind speziell angepasst für die hauseigenen Softwareprodukte. daten für die Vertriebsplanung In manchen Fällen inden Verkehrsdaten und vertrieblicher Einsatz zusammen: Pendlerströme, die mit einem Verkehrsmodell auf Straßennetze umgelegt werden, sind beispielsweise eine gute Basis, um Standorte zu ermitteln, von denen aus zielgerichtet Waren und Informationen angeboten werden. Sei es der „Cofee to go“ oder Außenwerbung. Der am häuigsten eingesetzte Indikator für das Konsumpotenzial einer Region ist allerdings die Kaukraft, also das verfügbare Einkommen ohne Steuern und Sozialversicherungsbeiträge inklusive empfangener Transferleistungen. Besonders bei Konsumgüterherstellern, Händlern und Dienstleistern, die sich mit regionaler Vertriebsplanung, Standortanalysen und Geomarketing beschäftigen. Bild 2: Das Verkehrsmodell PTV Validate basiert auf permanent aktualisierten Kartendaten weltweit tätiger Hersteller. Bild 3: Für die Expansionsplanung sind Erreichbarkeitszonen interessant. Petra Gust-Kazakos Corporate Communications, PTV Group, Karlsruhe petra.gust-kazakos@ptvgroup.com Besonders viele Informationen werden benötigt, um zu wissen, wo ein Filialnetz optimal erweitert werden kann, wo Vertriebsaktivitäten verstärkt oder Werbeaktionen punktgenau durchgeführt werden können (Bild 3). Mit dem passenden Planungswerkzeug und den richtigen Karten und Daten, etwa Gebietsgrenzen oder sozio-demograischen Informationen, kann der Vertriebsplaner schnell erkennen, wo er seine Umsatzpotenziale am besten ausschöpfen kann. Die neuesten Ansätze aus Geomarketing und Location Intelligence, also intelligenter Nutzung raumbezogener Daten, können damit genutzt werden. Vielfältige Marktdaten liegen auf Geodatenbasis vor und erlauben umfassende Analysen von der Straßen- oder Einzelhaus-Ebene bis zur europaweiten Betrachtung auf Länderebene. Denn jeder Unternehmer proitiert davon, wenn er erkennt, wo Umsätze stecken, wo seine Kunden sitzen - und wie er dorthin kommt. ■ LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 34 D ie Entwicklung eines pan-europäischer Korridors zwischen Ostsee und Adria hat durchaus historische Tradition und ist seit der EU-Osterweiterung wieder in den Blickpunkt geraten. Es ist zu einem signiikanten Wirtschaftswachstum in den östlichen Beitrittsländern Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei gekommen. Dieser Prozess wird von einer Verlagerung von Produktionsstandorten nach Osten begleitet; eine Entwicklung die von vielen Ökonomen als eine Erweiterung der Blauen Banane 1 nach Osten interpretiert wird. Vorreiter war hier besonders die Automobilindustrie [1]. Tatsächlich liegt der weltweit größte Automotive Cluster [2] inzwischen in einem Entwicklungsraum zwischen Skandinavien und der Adria - dem Nord-Süd- Korridor (Bild 1). Der Nord-Süd-Korridor stellt die kürzeste Verbindung zwischen der Adria und Skandinavien dar [3] und ist damit eine logische Alternative zu Verkehrskorridoren in Nord-Süd Richtung, die über den Westen und den Südwesten Deutschlands führen. Für den Nord-Süd-Korridor sprechen folgende Argumente: 1. Skandinavien gewinnt als wichtiger Lieferant von Gütern und Rohstofen an Bedeutung. So werden Eisen, Zink, Kupfer und Blei in Schweden (insbesondere am Bottnischen Meerbusen) abgebaut und ins restliche Europa exportiert. 2. Die Adria-Häfen stellen eine Alternative bzw. Ergänzung zu den Häfen der West- und Nordrange dar, um Zentraleuropa an die Welthandelsströme anzubinden. 3. Darüber hinaus sind im Nord-Süd-Korridor durch die ostdeutschen Bundesländer, vor allem auf der Schiene, noch ausreichend Kapazitätsreserven im Güterverkehr vorhanden, während die Kapazitäten im westlichen Korridor knapp werden. Trotz dieser gewichtigen Argumente spielte der Nord-Süd-Korridor in der deutschen Infrastrukturpolitik bis 2007 eine geringere Rolle als Verbindungen in Ost-West Richtung. Deswegen beschlossen die ostdeutschen Minister für Raumordnung im Mai 2007, die Entwicklung des Korridors von Skandinavien bis zum Mittelmeer voranzutreiben [4]. Der Ausbau der Infrastruktur im Nord-Süd Korridor ist dabei mittlerweile auf einem guten Weg. Die Strecke Berlin-Rostock wird gegenwärtig ertüchtigt, die Ausbaustrecke Berlin-Halle/ Leipzig wurde 2006 fertiggestellt und die anschließende Neubaustrecke nach Erfurt wird voraussichtlich 2015 fertig, mit Verlängerung nach Nürnberg bis 2016. Der Brenner-Ba- Der Nord-Süd-Korridor Chancen und Entwicklungen zwischen Skandinavien und der Adria Die europäische Integration der letzten zwei Jahrzehnte hat gerade im Güterverkehrs- und Logistiksektor eine Dynamik erzeugt, die sowohl Chancen eröfnet als auch zum Handeln zwingt. Ein markantes Beispiel dafür ist die Entwicklung des Nord-Süd-Korridors zwischen Skandinavien und der Adria. Die Autoren: Herbert Sonntag, Bertram Meimbresse, Philip Michalk Bild 1: Kapazitätsbindung - im Schienenverkehr - im Nord-Süd-Korridor und im alternativen westlichen Korridor. (Darstellung basierend auf Daten der Infrastrukturbetreiber von 2008, Projekt SoNorA 2009). Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 35 LOGISTIK Wissenschaft sistunnel, der auf der Achse Berlin-Palermo die Alpenquerung signiikant verbessern wird, wird voraussichtlich 2025 betriebsbereit sein [5]. Mit dem Ziel, die Fähr-Kapazitäten zwischen Deutschland und Skandinavien zu vergrößern, wurde die Linie Rostock-Gedser in das „Motorway of the Seas“-Programm der EU aufgenommen. Durch umfangreiche Umbaumaßnahmen in den Häfen Rostock und Gedser und die neuen Fähren „Berlin“ und „Copenhagen“ soll die Frachtkapazität auf der Strecke bis 2013 nahezu verdoppelt werden [6]. Die feste Fehmarnbeltquerung dürfte zunächst vor allem den westlichen, etablierten Korridor stärken. Allerdings kann auch die neue Querung nichts an den Kapazitätsengpässen auf den Schienenverbindungen von Hamburg in Richtung Süden ändern [7]. Jedoch könnte durch einen Ausbau der Bad-Kleinen-Kurve (insbesondere der Abschnitt Strecknitz - Bad Kleinen) die Verbindung nach Berlin und weiter Richtung Osten und Südosten verbessert werden. Nicht nur auf der Infrastruktur-Ebene wird der Nord-Süd-Korridor vorangetrieben (Bild 2). In den letzten Jahren wurden verschiedene Projekte gestartet, um vorhandene Potentiale im Korridor zu aktivieren. So wurde im Rahmen von SoNorA 2 die Entwicklung eines multimodalen Netzwerkes unterstützt, das sich von der Ostsee über Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn, Österreich, Italien und Slowenien bis zur Adria erstreckt. Das Projekt Scandria 3 konzentrierte sich vor allem auf die Verbindung von Zentraleuropa nach Skandinavien und stellte somit eine logische Ergänzung zu SoNorA dar [8]. Das Projekt FLAVIA 4 [9] will den ergänzenden Logistik-Korridor nach Süd- Ost-Europa ertüchtigen und ist somit eine Erweiterung des Nord-Süd-Korridors in Richtung Schwarzes Meer. In allen drei Projekten wurden intermodale Transportketten (einschließlich Potentialanalysen und Kundenbefragungen) entwickelt (vgl. [2]), um die logistischen Potentiale des Korridors zu demonstrieren. Beispielhaft zu nennen sind Verbindungen in das nördliche Tschechien, um neue Verkehrsangebote für die schwedische Automobilindustrie zu schafen, Anbindungen der Region Berlin - Brandenburg nach Süden und Verbindungen zwischen den Ostseehäfen und Häfen an der Adriaküste. In Scandria wurden darüber hinaus betriebswirtschaftliche und logistische Planungsmethoden weiterentwickelt. So wurde z. B. ein Indikatormodell geschafen, das die Kundenzufriedenheit mit einem intermodalen Angebot - im Vergleich zum Straßentransport -, basierend auf Fahrplan- und Kosten-Submodellen prognostiziert [10]. Damit können intermodale Verbindungen mit besonders großem Erfolgspotential identiiziert werden. Die Einsatzkonzepte für intermodale Angebote sind in der folgenden Tabelle-1 nach relevanten Kriterien dargestellt. In SoNorA wurden Workshops mit intermodalen Operateuren und Verladern durchgeführt, um die entwickelten Transportketten in die Praxis Nr. Strecke Frequenz reisedauer Konzeptioniert von 1 Hässleholm - Lovosice k.A. k.A. Öresund Logistics 2 Rostock - Lovosice 3 Abfahrten/ Woche 15 Stunden TH Wildau 3 Rostock - Trieste 2 Abfahrten/ Woche 39 Stunden Hafenentwicklungsgesellschaft Rostock 4 Berlin - Ulm - Mailand 3 Abfahrten/ Woche 40 Stunden Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg/ TH Wildau 5 Frankfurt (Oder) - Koper 2 Abfahrten/ Woche 72 Stunden TH-Wildau 6 Frankfurt (Oder) - Villach 2 Abfahrten/ Woche 56 Stunden TH-Wildau Tabelle 1: Auswahl der Einsatzkonzepte für intermodale Züge im Nord-Süd-Korridor. Bild 2: Shuttlezug-Konzepte der Projekte Scandria und SoNorA (Auswahl) und SoNorA Kernnetz [8, 14] (Legende: vgl. Bild 1). LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 36 zu überführen. Um die Umsetzung und Planung solcher intermodaler Transportketten europaweit zu unterstützen, wurde in FLAVIA ein innovatives Routing Tool für den intermodalen Verkehr aubauend auf die Entwicklung in ECO- 4LOG 5 [11] und INTERIM 6 [12], realisiert. Das Routensuchprogramm FLAVIA Online Tool [13] ermöglicht es Anwendern, komplette intermodale Ketten vom Versender zum Empfänger zu planen. Routen können kosten-, emissions- oder reisezeit-optimiert bestimmt werden. Darüber hinaus kann der Nutzer Terminals auf ihre Erreichbarkeit untersuchen. Die Auswirkungen von Szenarien, wie zum Beispiel die Blockade eines Verkehrsweges, können ebenfalls simuliert werden. Das Anwendungsbeispiel auf Bild 3 zeigt die Ausgabe nach Verkehrsträgern und den unterschiedlichen Optimierungskriterien. Das sind nur einige Bausteine zur konzertierten Entwicklung des Nord-Süd-Korridors. Korridorprojekte dienen der Verbesserung der Zusammenarbeit der Stakeholder. Sie bringen politische Akteure, wie etwa Regionen, Städte und Fachministerien - unterstützt durch wissenschaftliche Institutionen - mit Wirtschaftsakteuren zusammen, um gemeinsam Weichenstellungen für die Verkehrs- und Regionalentwicklung zu setzen. Gleichzeitig zeigen sie innovative Lösungen für die Logistik der Zukunft auf. Um den Nord-Süd- QueLLen Bertram Meimbresse, Dipl.-Ing. Koordinator der Forschungsgruppe Verkehrslogistik an der TH Wildau 15745 Wildau bmeimbre@th-wildau.de Herbert Sonntag, Prof. Dr.-Ing. Leiter der Forschungsgruppe Verkehrslogistik an der TH Wildau 15745 Wildau herbert.sonntag@th-wildau.de Philip Michalk, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Verkehrslogistik an der TH Wildau 15745 Wildau philip.michalk@th-wildau.de Bild 3: Routensuche im Korridor mithilfe des FLAVIA Tools. [1] PODEVIN, OLIVIER (2005): Eco4Log Component 2.3. Analyses of existing and future cargo lows Wildau. [2] DIE NORD-SÜD-INITIATIVE (2010): Building a new economic region in Europe. Berlin. [3] MICHALK, PHILIP; MEIMBRESSE, BERTRAM (2010): Scandria WP 5.21. Basic Description of Corridor Functionality - Potentials of Logistic Transport Systems. Wildau. [4] Vgl. z.B. BUTTOLO, A. (Sächsischer Staatsminister des Innern zur Internationalen Fachkonferenz „Raumentwicklung im Ostsee-Adria-Entwicklungskorridor“ (Internationale Fachkonferenz am 18.10.2008 in Leipzig). [5] BrennerBasisTunnel SE - Eckdaten. online: http: / / www.bbt-se.com/ projekt/ eckdaten/ (Zugrif 20.11.2012). [6] SCANDRIA - Ferry Line Rostock-Gedser to become Baltic Sea Motorway, online: http: / / www.scandriaproject.eu (Zugrif 20.11.2012). [7] Statistisches Bundesamt Wiesbaden (2012): Eisenbahnverkehr - Betriebsdaten des Schienenverkehrs 2010. Wiesbaden. [8] SCANDRIA (2011): WP4 Logistic Business Development Strategy. Schwerin. [9] FLAVIA: Implementation of improvement actions, Application of cocoordinated structures. Online: http: / / www.lavia-online.de/ (Zugrif 27.11.2012) . [10] MICHALK, PHILIP (2012): SCANDRIA WP 4.11-0d. Strategies for the development of port hinterland transport in the Scandria corridor. Wildau. [11] ECO4LOG (2006): Component 3.1. Short speciication for the tools under development. Wildau [12] OVERMANN, WULFRAM (2009): Interim Project Report WP3. Development of IT-Instruments for the information chain. Potsdam. [13] FLAVIA (2012): WP3 Rail, Inland/ coastal waterway Modes. TH Wildau/ VIOM GmbH, Berlin. [14] BEHNKE, CHRISTINE; MICHALK, PHILIP (2010): SoNorA O5.4.9 Business case Rostock - Adriatic Sea, Intermodal Liner Service. Wildau. Korridor selbst weiterhin zu entwickeln, sind zukünftig Projekte und Ansätze nötig, die über Bedarfsermittlung und Planung hinausgehen und in deren Mittelpunkt konkrete und spürbare Verbesserungen der Erreichbarkeit sowie die Etablierung fester ökonomischer Kooperationen stehen. ■ 1 Die sogenannte „Blaue Banane“ ist ein Korridor mit sehr hoher Bevölkerungsdichte und stellt eine der Regionen mit einer der höchsten geographischen Bruttosozialprodukt-Konzentrationen der Welt dar. Sie erstreckt sich von Genua und Norditalien über die Schweiz und das Rheinland bis ins südliche Großbritannien. 2 SoNorA - South-North-Axis Project im INTERREG IV B Central Europe Programme. Laufzeit: 2008-2012. 3 Scandria - Scandinavian - Adriatic Corridor for Growth and Innovation im INTERREG IV B Baltic Sea Programme. Laufzeit: 2009- 2012. 4 FLAVIA - Freight and Logistics Advancement in Central Europe - Validation of processes, Improvements, Applications of co-cooperations im INTERREG IV B Central Europe Programme, Laufzeit: 2010-2013. 5 ECO4LOG - Development of an East Border Corridor 4 th party logistics service approach along the axis Brandenburg - Saxony - Austria with neighbouring accession countries im INTERREG IV B Central Europe Programme, Laufzeit: 2004-2006. 6 INTERIM - Integration of the intermodal goods transport of non EU states: rail, inland / coastal waterway modes im INTERREG IV B Central Europe Programme, Laufzeit: 2006-2008. Vossloh Rail Vehciles produziert und entwickelt universell einsetzbare Lokomotiven sowie Schienenfahrzeuge für den Nahverkehr. Basierend auf unserem Erfolgsmodell, der leistungsstärksten dieselelektrischen Lokomotive EURO 4000, bieten wir jetzt eine leichte 4-achsige Hochleistungs-Lokomotive mit 2.800 kW an. Die EURO LIGHT ist speziell für niedrige Achslasten unter 20 Tonnen pro Achse konzipiert und kann auch für den Personenverkehr eingesetzt werden. Vossloh EURO LIGHT: Auf allen Strecken mit Kraft und Leichtigkeit. Besuchen Sie uns: transport logistic, 4.-7. Juni 2013, München, Halle B 6, Stand 324 www.vossloh-rail-vehicles.com Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 38 INFrASTruKTur Fluglärm Fluglärmkontroverse - eine Debatte mit Schlagseite Luftverkehr gilt in der Öfentlichkeit als Lärmverursacher Nummer Eins und als eines der größten Umweltprobleme überhaupt. Tatsächlich ist es jedoch in den vergangenen Jahren gelungen, die Lärmbelästigung der Bevölkerung deutlich zu senken. Die Autorinnen: Stefanie Vehling, Uta Maria Pfeifer I n der Medienberichterstattung und in der politischen Debatte stellt sich das eigentliche Verkehrslärmproblem im Wesentlichen als ein Fluglärmproblem dar. Andere Verkehrsträger tauchen in diesem Zusammenhang nur am Rande auf. Dabei sprechen die Fakten eine andere Sprache: Die deutschen Bundesländer sind nach EU-Recht dazu verplichtet, eine Lärmkartierung durchzuführen, um die Zahl der Lärmbetrofenen zu ermitteln. In seiner Auswertung dieser Lärmkartierungen weist das Umweltbundesamt aus, dass in Deutschland 15mal mehr Menschen von Straßen- und Schienenlärm betrofen sind als von Fluglärm. In der Nacht sind es sogar 30mal so viel, denn es gibt nur noch wenige Flughäfen, an denen nachts überhaupt Flugverkehr stattindet. Eine Gesellschaft ganz ohne Lärm wird es nicht geben. Wir sind von Lärm umgeben - angefangen beim Verkehr, bis hin zu Kinderspielplätzen oder auch Windrädern. Das Thema Lärm ist aber nur begrenzt objektivierbar, denn Lärm und seine Wirkung hat immer auch eine starke persönliche Komponente. Darum lässt sich die Dimension des Problems nicht nur in Dezibel fassen - ausschlaggebend ist immer auch, ob sich die Bürger belästigt fühlen oder nicht. Zahl der Lärmbelästigten geht zurück Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit lässt regelmäßig repräsentative Befragungen zum Umweltbewusstsein der Deutschen durchführen (vgl. Bild 1). Die Ergebnisse zeigen, dass das Engagement des Verkehrssektors für einen verbesserten Lärmschutz bei den Menschen ankommt. Das gilt für den Verkehrssektor als Ganzes, im Besonderen aber für den Luftverkehr: Während sich im Jahr 2000 noch 15 Prozent der Bevölkerung von Fluglärm betrofen fühlte, waren es 2012 nur noch 6 Prozent - und das, obwohl die Verkehrsleistung in Deutschland in der gleichen Zeit um etwa 30 Prozent angestiegen ist. Die Luftfahrt ruht sich jedoch nicht auf dem Erreichten aus, sondern verstärkt ihre Bemühungen, das Fliegen leiser zu machen. Alle Systempartner des Luftverkehrs - angefangen bei den Herstellern bis hin zu Fluggesellschaften, Flughäfen und der Flugsicherung - arbeiten intensiv daran, die Belastung durch Fluglärm zu verringern. Lärmschutz durch technische und operative Maßnahmen Die efektivste Maßnahme ist die Schallreduzierung an der Quelle, also der Ersatz von lauteren Flugzeugen durch moderne, leisere Maschinen und die Nachrüstung der Bestandslotten, zum Beispiel mit Schalldämpfern. Aktuell haben deutsche Luftfahrtunternehmen bei Airbus und Boeing mehr als 200 moderne Flugzeuge zu einem Listenpreis von mehr als 20 Milliarden Euro bestellt. Mit jeder neuen Flugzeuggeneration nehmen die Lärmbelastungen deutlich ab. Die Lärmemissionen, die eine Maschine moderner Bauart (zum Beispiel eine A380) Foto: M. Lindner/ Airbus Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 39 verursacht, liegt ein Vielfaches unter dem Niveau früherer Modelle. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung haben innovative Triebwerkstechnologien. In den vergangenen 60 Jahren ist es gelungen, den Triebwerkslärm um etwa 25 Dezibel zu verringern. Das entspricht einer Reduzierung um rund 80 Prozent. Auch durch innovative Flugverfahren lässt sich die Lärmbelastung reduzieren. Die Unternehmen der Luftverkehrswirtschaft testen fortwährend neue Start- und Landeverfahren und übernehmen diese - wo möglich und sinnvoll - auch in den Regelbetrieb. Dazu zählen etwa der kontinuierliche Sinklug, bei dem die Triebwerke im Leerlauf arbeiten und somit weniger Schallemissionen entstehen, oder der gekrümmte Landeanlug, bei dem mithilfe satellitengestützter Navigation Siedlungsgebiete umlogen werden können. Lärmschutz hat nicht nur eine technische Seite, auch durch eine eiziente Verkehrssteuerung lässt sich Lärm vermeiden. Die Nutzung größerer Flugzeuge und die Verbesserung der Auslastung lassen sich möglichst viele Menschen bei möglichst wenigen Flugbewegungen - und damit Lärmereignissen - transportieren. So sind die Flugzeuge im deutschen Luftverkehr durchschnittlich zu 80 Prozent ausgelastet. Im Ergebnis hat eiziente Verkehrssteuerung zu einer Entkopplung des Anstiegs der Flugbewegungen vom Anstieg der Verkehrsleistung geführt: Der Luftverkehr transportiert heute zwar deutlich mehr Passagiere als noch vor 20 Jahren, aber die Flugbewegungen sind nicht in gleichem Maße angestiegen (Bild 2). Neben Maßnahmen, die Schallemissionen verringern, haben die Flughäfen Programme für den Passiven Schallschutz aufgelegt, also zum Beispiel für die Erstattung von Kosten für den Einbau von Lüftern und Schallschutzfenstern. Auch in den kommenden Jahren werden Fluggesellschaften und Flughäfen einen dreistelligen Millionenbetrag für Maßnahmen des baulichen Schallschutzes aubringen. Planungssicherheit für Bürger und für unternehmen Im Hinblick auf die Betriebszeiten an deutschen Flughäfen ist Rechts- und Planungssicherheit existenziell, sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmen. Die gegenwärtige Situation ist für beide unbefriedigend: Einen eindeutigen Orientierungsrahmen durch die Politik gibt es nicht, stattdessen sind Gerichte aller Instanzen mit der Frage beschäftigt, wo wie lange gelogen werden darf. Bürger wie Unternehmen sind jahrelang im Unklaren darüber, was sie zu erwarten haben. Ein Baustein dafür ist maximale Transparenz bei der Festlegung von Flugrouten, damit die Bürger umfassend und frühzeitig informiert werden. Durch die Fluglärmkommissionen sind die Bürger am Planungsprozess beteiligt. Dieses Verfahren hat sich bewährt, es sollte konsequent weiterentwickelt werden. Die Politik in Bund und Ländern hat eine gesamtstaatliche Verantwortung für eine leistungsfähige wie auch nachhaltige Luftverkehrswirtschaft wahrzunehmen. Sie sollte dieser stärker gerecht werden, indem sie ein verbindliches „Bund-Länder-Konzept“ erarbeitet. Ein solches Konzept sollte dann auch klare Vorgaben für die Betriebszeiten machen, damit alle Beteiligten wissen, woran sie sind. Dabei ist die deutsche Luftverkehrswirtschaft davon überzeugt, die Tagesrandzeiten zu brauchen. Und was den Nachtlug angeht: So wie es keine Notwendigkeit für einen lächendeckenden Nachtlug gibt, so problematisch wäre aber ein lächendeckendes Nachtlugverbot. In Zukunft muss es auch an ausgewählten Standorten möglich sein, nachts zu liegen. Im Sinne einer verlässlichen Planungssicherheit für Bürger und Unternehmen. Lärmschutz bedingt investive Mittel Die deutsche Luftverkehrswirtschaft engagiert sich also auf vielfältige Weise, um Fluglärm zu reduzieren und die Menschen vor Belastungen zu schützen. Eines darf dabei nicht aus dem Blick geraten: Lärmschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Das Geld für die Investitionen müssen die Unternehmen verdienen. Schon jetzt haben wir in Deutschland eine Situation, in der sich mit dem reinen Flugbetrieb kaum noch Geld verdienen lässt - weder von den Fluggesellschaften noch von den Flughäfen. Lärmschutz und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind kein Gegensatz, sondern bedingen einander: Wenn der Gesetzgeber den deutschen Unternehmen durch die Luftverkehrsteuer und andere einseitige Belastungen immer mehr Geld entzieht, dann fehlt das Geld, um in neue, leisere Flugzeuge zu investieren. Nur eine leistungsstarke Luftverkehrswirtschaft kann die Investitionen stemmen, die notwendig sind, um das Fliegen noch leiserer zu machen. ■ Stefanie Vehling, Mitglied der Geschäftsleitung Hannover Airport, Vorsitzende der BDL-AG Nachhaltigkeit, Hannover s.vehling@hannover-airport.de uta Maria Pfeifer, Leiterin Nachhaltigkeit, Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL), Berlin uta-maria.Pfeifer@bdl.aero Bild 2: Entwicklung des Passagieraufkommens und der Flugbewegungen in Deutschland (1991-2012). Bild 1: BMU-Umfrage zur Betrofenheit durch Verkehrslärm (äußerst, stark oder mittelmäßig betrofen). Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 40 Feste Fehmarnbeltquerung nimmt Gestalt an Eine feste Direktverbindung zwischen Deutschland und Dänemark entlang der kürzesten Strecke, der „Vogelluglinie“ zwischen der Ostseeinsel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland, zählt zu einer lang gehegten europäischen Vision. Der Autor: Steen Lykke A ls größtes Infrastrukturprojekt Nordeuropas soll die Feste Fehmarnbeltquerung neue Wege zwischen den europäischen Nachbarn entlang dieser Route eröfnen. Geplant ist ein 17,6 km langer Absenktunnel für den kombinierten Schienen- und Straßenverkehr, der ab 2021 Skandinavien und Kontinentaleuropa miteinander verbinden wird. Bereits am 3. September 2008 haben das Königreich Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland in einem Staatsvertrag die Rahmenbedingungen für den Bau einer Festen Querung über den Fehmarnbelt festgelegt. Die Entscheidung über die Form des Bauwerks iel jedoch erst im Februar 2011. Zu diesem Zeitpunkt sprach sich der dänische Verkehrsminister auf Empfehlung von Femern A/ S, dem federführenden dänischen Planungs- und Bauunternehmen, für einen Absenktunnel als bevorzugte technische Lösung aus. Vorherige umfangreiche Umwelt- und geotechnische Untersuchungen an Land und zu Wasser hatten ergeben, dass ein Absenktunnel während der Bau- und Betriebsphase die beste und sicherste Lösung darstellt. Kurz nach dem Beschluss zugunsten des Absenktunnels wurde im Mai 2011 auch die Entscheidung über den Standort der Produktionsstätte für die Tunnelelemente gefällt. Diese sollen in unmittelbarer Nähe der Tunnelmündung auf dänischer Seite (Bild 1) in Rødbyhavn hergestellt werden. Bauwirtschaft zeigt großes Interesse Mit der detaillierten Ausarbeitung der technischen Planung konnte Femern A/ S auch die Vorbereitung der internationalen Ausschreibung der großen Bauaufträge für den Absenktunnel in Angrif nehmen. INFrASTruKTur Fehmarnbelttunnel Bild 1: Illustration des Fehmarnbelttunnels auf dänischer Seite. (Alle Graiken: Femern A/ S) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 41 Nachdem sich bis Januar 2013 verschiedene Bauunternehmen aus aller Welt zuerst einmal um die Präqualiikation für den Tunnelbau bewerben konnten, steht die damit verbundene Evaluation ihrer fachlichen und inanziellen Leistungsfähigkeit kurz vor dem Abschluss. Bereits jetzt ist klar, dass innerhalb der internationalen Bauwirtschaft großes Interesse an den vier Bauaufträgen für den Fehmarnbelttunnel besteht. Insgesamt haben 24 verschiedene Unternehmen - aufgeteilt in neun unterschiedlichen Konsortien - die Gelegenheit genutzt und sich zur Präqualiikation für das Tunnelprojekt angemeldet. Die Unternehmen der neun Konsortien kommen aus Dänemark, Deutschland, Italien, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Südkorea. Darüber hinaus arbeiten Firmen aus Großbritannien und den USA mit einigen der Unternehmen in den Konsortien zusammen. Die Bewerbungen werden derzeit eingehend von Femern A/ S geprüft und voraussichtlich Ende Mai fällt die Entscheidung, welche Unternehmen präqualiiziert sind und somit die fachlich-technischen und wirtschaftlichen Anforderungen erfüllen. Alle präqualiizierten Unternehmen werden eingeladen, sich mit einem konkreten Angebot an der im Laufe des Jahres 2013 erfolgenden Ausschreibung der vier Bauaufträge zu beteiligen. Diese teilen sich auf in • Vertiefung des Meeresbodens und Landgewinnung, • Bau des nördlichen Teils des Tunnels, • Bau des südlichen Teils des Tunnels und • Bau von Portalbauten, Rampen und Hinterlandanbindungen. Eine Unterzeichnung der entsprechenden Verträge wird für Frühjahr 2015 erwartet. Zwei Länder, zwei Genehmigungsverfahren Vor Beginn der Bauarbeiten muss das Projekt in Deutschland und Dänemark die jeweiligen nationalen Genehmigungsverfahren durchlaufen. Nach Abschluss aller Untersuchungen steht die Ausarbeitung der Planungsunterlagen nun kurz vor dem Abschluss. Auf deutscher Seite sollen die entsprechenden Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren im Sommer 2013 den Planungsbehörden übergeben werden, deren Planfeststellungsbeschluss Anfang 2015 erwartet wird. Parallel dazu wird in Dänemark die Umweltverträglichkeitsstudie veröfentlicht. Nach der anschließenden öffentlichen Anhörungsphase ließen alle Unterlagen und Stellungnahmen in ein Weißbuch ein und werden dem dänischen Parlament (Folketinget) übergeben. Dieses wird, als letzten Schritt im dänischen Genehmigungsverfahren, voraussichtlich um den Jahreswechsel 2014/ 2015 ein Baugesetz beschließen. Nach derzeitigem Stand kann dann - nach Projektgenehmigung und Unterzeichnung der Bauverträge - bereits Mitte 2015 der erste Spatenstich erfolgen. Die Eröfnung der Festen Fehmarnbeltquerung ist für Ende 2021 vorgesehen. Bauphase mit geringen umweltauswirkungen Der Bau eines Absenktunnels unter dem Fehmarnbelt stellt einen Weltrekord dar: Konstruktion und Bauverfahren sind bekannt, der Umfang des Tunnels und die Tiefe des Belts stellen anspruchsvolle aber beherrschbare Herausforderungen dar. Der Tunnel besteht aus 79 ungefähr 200 Meter langen Standard- und etwa 10 Spezialelementen, die ca. alle 1,8 Kilometer eingesetzt werden. Die Tunnelelemente werden in großen Produktionsstätten an Land unter kontrollierten Bedingungen gefertigt, wiegen jeweils etwa 70.000 Tonnen und sind damit gerade noch schwimmfähig. Sie werden zur Tunnellinie transportiert und dort nacheinander in einem zuvor ausgehobenen Graben versenkt und miteinander verbunden. Wenn die Elemente platziert sind, werden sie mit einer etwa 1,2 Meter starken Gesteinsschicht abgedeckt, um sie vor Schäden durch sinkende Schife oder Schifsanker zu schützen (Bild 2). Nach einigen Jahren hat sich dann wieder ein natürlicher Meeresboden gebildet. Das Konzept der Spezialelemente ist neu in der Absenktunneltechnik. Das Verfahren hat mehrere Vorzüge: Die gesamte mechanische und elektrische Ausrüstung, die Platz und Wartung erfordert, ist in den Spezialelementen untergebracht. Auf diese Weise können die Standardelemente (Bild 3) technisch einfacher gestaltet werden und eignen sich somit besser für die Serienfertigung. Die Spezialelemente sind breiter als die Standardelemente, da sie neben dem Standstreifen auch Platz für Nischen bieten, in denen Service- und Rettungsfahrzeuge parken können, ohne dass der Straßenverkehr gestört wird. Die Bodenverhältnisse im Fehmarnbelt sind sehr komplex. Das macht das Ausheben des Tunnelgrabens zu einer Herausforderung, da für verschiedene Bodenarten unterschiedliche Ausrüstung - so etwa Löfel-, Greif- und Saugbagger - eingesetzt werden muss. Um Platz für den Tunnel zu schafen, müssen große Mengen Bodens ausgehoben werden. Die vorläuigen Prognosen belaufen sich auf etwa 15,5 Millionen Kubikmeter. Das Aushubmaterial kann beim Bau wiederverwendet werden, beispielsweise zum Auf- • Mit fast 17,6 km ist der Fehmarnbelttunnel der weltweit längste kombinierte Auto- und Eisenbahntunnel • Bei der Geschwindigkeit von 110 km/ h für die Autofahrer, 140 km/ h Güterzüge bzw. 200-km/ h Personenzüge wird die Passage des Tunnels auf nur wenige Minuten verkürzt • In getrennten Röhren besteht der Tunnel aus einer vierspurigen Autobahn mit Standstreifen und einer zweigleisigen elektriizierten Eisenbahnstrecke • Durch die FFBQ werden rund 160 km auf der Strecke von Hamburg nach Kopenhagen anstatt wie bisher über den Großen Belt eingespart • Die Überfahrt soll durch einen einzigartiges Design, Beleuchtung und Animationen zum Erlebnis werden • Die Sicherheit wird durch Standspuren im gesamten Tunnel, Notausgänge alle 108 Meter sowie durchgehende Feuerisolierung und Brandschutzanlagen gewährleistet. Zusätzlich sollen die automatischen Lüftungsanlagen für gute Luftqualität sorgen • Die Nutzungsdauer des Tunnels wird auf über 120 Jahre ausgelegt, wobei die Rückzahlungsdauer für den Abschnitt von Tunnelmündung zu Tunnelmündung 33 Jahre betragen wird stIcHworte ZuM FeHMArnbeLttunneL gesamtlänge 17,6 km Anzahl standardelemente 79 Anzahl spezialelemente etwa 10 Maximales elementgewicht 73.500 t tunnelelementlänge (Standard und Spezial) 217 m tunnelquerschnitt - Standardelement (Höhe × Breite) 8,9 m × 42,2 m tunnelquerschnitt - Spezialelement (Höhe × Breite) 45,0 × 13,1 m Aushubmenge 15,5 Mio. m 3 ZAHLen unD FAKten ZuM AbsenKtunneL INFrASTruKTur Fehmarnbelttunnel Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 42 schütten künstlicher Halbinseln oder Deiche. Der Aushub erfolgt voraussichtlich mit Baggern, die das Aushubmaterial auf Kähne verladen. Die Kähne befördern das Material zu den Stellen, an denen es gelöscht und verbaut werden soll. In jedem Fall werden die Bauarbeiten am Absenktunnel nur zu einer temporären Umweltbeeinträchtigung führen, da dieser anschließend vollständig unter dem Meeresboden verläuft. Kosten & Finanzierung Die gesamten Baukosten für den geplanten Tunnel belaufen sich auf 5,5 Mrd. EUR. Im Staatsvertrag hat sich Dänemark dazu verplichtet, die alleinige Verantwortung für die Finanzierung des Projekts zu übernehmen. Dies geschieht durch die Aufnahme von Krediten, die durch dänische Staatsbürgschaften abgesichert sind. Die Reinanzierung erfolgt durch die Einnahmen aus den Mautgebühren. Die Feste Fehmarnbeltquerung ist somit ein rein durch die Nutzer und nicht durch Steuergelder inanziertes Projekt. Hiervon ausgenommen sind nur die Hinterlandanbindungen beider Länder, die als eigenständige Projekte direkt der Verantwortung des jeweiligen Staates unterliegen, wobei die dänische Hinterlandanbindung ebenfalls über die Mauteinnahmen der Festen Fehmarnbeltquerung inanziert wird. die Perspektive: Stärkere Anbindung Skandinaviens an Kontinentaleuropa Zusammengenommen werden die Anstrengungen Dänemarks sowie Deutschlands helfen, die strategischen verkehrspolitischen Ziele der Europäischen Union zu erreichen. Eines dieser Ziele ist die Umwandlung des vorhandenen Stückwerkes europäischer Verkehrswege in ein vereintes, qualitativ hochwertiges Kernverkehrsnetz, das dem erwarteten kontinuierlich ansteigenden Verkehrsaukommen gerecht wird. Daher ist die Feste Fehmarnbeltquerung auch Teil des transeuropäischen Verkehrsprogramms (TEN-V) und, laut Einschätzung der Experten, für nachhaltiges Wachstum, Wettbewerb und vielfältiges Marktpotenzial sowohl in als auch zwischen den großen Metropolregionen Hamburg und Kopenhagen-Malmö mitentscheidend. Während heute die Querung über den Großen Belt im Westen und die Querung über den Öresund im Osten die wichtigsten Verkehrskorridore bilden, wird nicht nur Dänemark sondern ganz Skandinavien durch die Feste Fehmarnbeltquerung im Süden stärker an Deutschland und somit in den europäischen Binnenmarkt eingebunden. Im Hinblick auf die Fahrtzeiten werden Reisende auf der Strecke von Hamburg nach Kopenhagen mindestens eine Stunde gegenüber der derzeitigen Fährverbindung sparen. Auch für den Güterverkehr an Land wird sich der bisherige Umweg über Jütland und den Großen Belt um rund 160 Kilometer bzw. ganze zwei Stunden verringern. Durch die Querung werden sich viele neue Möglichkeiten für grenzüberschreitenden Handel, Tourismus und Forschung bieten. Nach aktuellem Zeitplan können die über neun Millionen Menschen in der Fehmarnbeltregion, sowie ganz Europa, bereits ab 2021 vom Zusammenschluss der skandinavischen Halbinsel und Kontinentaleuropa proitieren. ■ Steen Lykke ist Technischer Direktor bei Femern A/ S, Kopenhagen sly@femern.dk Bild 3: Standard-Tunnelelement im Detail. Bild 2: Der Absenktunnel der Fehmarnbeltquerung im Querschnitt. Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 43 Startschuss für mehr Wachstum Indonesiens Wirtschaft hat in den letzten Jahren erstaunliche Wachstumswerte erreicht. Die Güterströme im südostasiatischen Land sind angeschwollen und verstopfen die Häfen zunehmend. Ein Ausbau ist dringend erforderlich. Der Entwurf des nationalen Hafen-Masterplans wurde schon erstellt und erste Projekte beinden sich bereits in der Startphase - darunter der Ausbau des neuen Containerhafens bei Tanjung Priok nahe der Hauptstadt Jakarta. Der Autor: Dirk Ruppik D ie Republik Indonesien benötigt dringend neue und erweiterte Häfen, Straßennetzwerke und Schienenverbindungen, um die Wirtschaft des Landes zu entwickeln. Bislang sind die inländischen Versendungskosten zu hoch und die Liegeplatztiefe ist überwiegend zu klein, um größere Schife beherbergen zu können. Daher wird das Land meistens über Feederschife - üblicherweise über Singapur - versorgt. Aus all diesen Gründen sind die eigenen Häfen schlichtweg nicht wettbewerbsfähig. Laut des indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono will die Regierung bis 2025 zwölf Milliarden US-Dollar (rund neun Milliarden Euro) in den Ausbau des Hafensystems investieren und spezielle Wirtschaftszonen im weltgrößten Inselstaat mit 17 508 Inseln und rund 240 Millionen Einwohnern einrichten. Er skizzierte dabei Pläne für sechs Wirtschaftskorridore und und weitere Wirtschaftszonen für Tourismus und Bergbau genauer. Laut der Indonesischen Infrastruktur Initiative - ein dreijähriges Projekt der australischen Regierung - will die indonesische Regierung nur rund 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in 2013 (8,424 Billiarden indonesische Rupiah bzw. rund 666 Millionen Euro) in Infrastruktur investieren. Normalerweise sind in Entwicklungsländern fünf Prozent des BIP üblich. Durch den nationalen Hafen-Master- Foto: Annetly Nqabito, Indonesia Infrastructure Initiative INFrASTruKTur Hafenausbau in Indonesien INFrASTruKTur Hafenausbau in Indonesien Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 44 plan soll der Anteil auf fünf Prozent hochgeschraubt werden. Hafenausbau hält mit Wirtschaftsentwicklung bisher nicht mit „Indonesien wächst nicht mit voller Kraft, da das Wirtschaftswachstum durch die schwache Infrastruktur behindert wird“, sagte Michael Lund Hansen, Asia Paziik- Direktor für Portfolio-Management von APM Terminals auf der „Indonesia International Conference - Focus On Indonesian Economy 2011“ in Jakarta am 22. Juli. Das Bruttoinlandsprodukt ist gemäß German Trade & Invest (Gtai) in den letzten Jahren real um sechs Prozent gewachsen. Er erklärte: „Momentan arbeiten fünf von sechs bedeutenden Containerhäfen - die 90 Prozent des Containeraukommens des Landes handeln - an der Kapazitätsobergrenze, wodurch die Eizienz reduziert wird und die Logistikkosten erhöht werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass das Land internationalen Handel an Niedrigkosten-Länder verliert.“ Anhand der vorhergesagten Wachstumsraten, schlägt Hansen vor, dass das südostasiatische Land ein Minimum von sechs bis sieben Millionen TEU an neuer Containerkapazität bis 2015 und rund 15 Millionen TEU bis 2020 benötigt. „Wir müssen jetzt loslegen, damit die Anlagen im Zeitrahmen fertiggestellt werden können.“ Momentan können nur Containerschife bis zu 6500 TEU im größten Liegeplatz des Landes in Tanjung Priok (Bild 1) nahe der Hauptstadt Jakarta festmachen. Auf den Asien-Europa-Handelsrouten werden normalerweise Containerschife der doppelten Größe eingesetzt (Bild 2). Neuer Masterplan für Häfen Der Entwurf des neuen Hafenmasterplans (HMP, März 2012) stammt aus der Feder der Indonesia Infrastructure Initiative (IndII), ein durch die australische Regierung gefördertes Projekt, das das Wirtschaftswachstum in Indonesien durch verbesserte Infrastruktur und Investitionen fördern soll. Der Plan gilt für einen Zeitraum von 20 Jahren und kann alle fünf Jahre abgeändert werden. Er wurde in enger Zusammenarbeit mit den indonesischen Ministerien und Experten erstellt. Die Wirtschaft des südostasiatischen Inselstaats hängt stark vom Zustand der Häfen ab. Durch das Schiffahrtsgesetz Nr. 17 (2008) sollen kritische Bereiche wie Eizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit der Häfen adressiert werden. In einem multidimensionalen Ansatz sollen u.a. der Wettbewerb stimuliert, rationalisierte Hafenentwicklungspläne erstellt, PPP-Verfahren für die Finanzierung eingeführt und die nationalen Behörden in den Planungsprozess integriert werden. Dadurch wird die Entwicklung eines Hafensystems gefördert, das „eizient, wettbewerbsfähig und lexibel ist und den internationalen Handel sowie Wirtschaftswachstum und regionale Entwicklung unterstützt.“ Im Jahr 2009 wurden laut HMP 968,9 Millionen Tonnen Güter in den indonesischen Häfen umgeschlagen. Davon waren 560,4 Millionen Tonnen Trockenschüttgut (rund 75 Prozent Kohle), 176,1 Millionen Tonnen Flüssigschüttgut (86 Prozent Petroleum und -produkte) und 143,7 Millionen allgemeine Fracht und nur 88,2 Millionen Tonnen containerisierte Güter. Der Containerumschlag wuchs zwischen 1999 und 2009 mit 12,3 Prozent. In 2020 soll sich der Containerumschlag gegenüber 2009 verdoppelt haben (Bis 2030 weitere Verdopplung). Die Containerhäfen drohen bereits zu Engpässen zu werden und den freien Strom an Gütern zu behindern. Der gesamte Außenhandel belief sich auf 543 Millionen Tonnen (56 Prozent am Gesamtvolumen). Darunter waren es die Exportprodukte, die mit 442,5 Millionen Tonnen (80 Prozent) den größten Anteil hatten. Indonesien gilt daher als klassisches Exportland. Es wird prognostiziert, dass der Güterumschlag bis 2015 auf 1,3 Milliarden Tonnen ( jährlich +4,5 Prozent) und bis 2020 auf 1,5 Milliarden Tonnen ( jährlich + 3,7 Prozent) ansteigt. Bild 2: Ranking wichtiger Containerhäfen weltweit, Stand 2011. (Quelle: Masterplan for Acceleration and Expansion of Indonesia Economic Development, Ministry For Economic Afairs, Republic of Indonesia, 2011) Bild 1: Tanjung Priok bei Jakarta (Foto: Annetly Nqabito, Indonesia Infrastructure Initiative) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 45 Konkrete Hafenprojekte Die sechs erwähnten Wirtschaftskorridore sind namentlich der Sumatra-,Java-, Kalimantan-, Sulawesi-, Bali-Nusa Tenggara - und der Papua-Kepulauan Maluku-Wirtschaftskorridor. Die Warenströme und die Hafensysteme in den jeweiligenWirtschaftskorridoren sollen neu geordnet werden. Das südostasiatische Land besitzt insgesamt 111 Handelshäfen, 614 nichtkommerzielle Häfen, 472 Spezialterminals und 721 Terminals für private Interessen. Indonesien verfügt über insgesamt vier staatliche Betriebsgesellschaften für Seehäfen. Die PT Pelindo I mit Sitz in Medan ist im Gebiet von Nord-Sumatra in vier Provinzen für 26 Häfen zuständig. Die PT Pelindo II verwaltet neben dem Hafen von Jakarta in zehn Provinzen insgesamt 29 Häfen. PT Pelindo III mit Sitz in Surabaya ist in acht Provinzen für 32 Häfen verantwortlich. Weiterhin betreibt die PT Pelindo IV mit Sitz in Makassar 24 Häfen in zehn Provinzen. Ein Megahafenprojekt auf Java (und größtes Hafenprojekt im Land) ist die Entwicklung des größten Industriehafens in Indonesien - dem Hafen Kalibaru nicht weit von Tanjung Priok im Norden Jakartas. Der staatliche Hafenbetreiber Pelindo II will hier in der ersten Phase (6,5 Millionen TEU) bis 2014 rund 1,8 Milliarden Euro investieren. Laut des Präsidenten von Pelindo II Richard Jost Lino wird der neue Hafen nach drei Bauphasen in 2023 13 Millionen TEU Kapazität besitzen. Es ist der Bau von Kaianlagen von 4000 m Länge vorgesehen. Die Wassertiefe soll 20 m betragen. Nach Fertigstellung erhält er oiziell den Namen New Priok. Zusammen mit dem alten Hafen Tanjung Priok (in 2011 5,8 Millionen TEU) wird der Großraum Jakarta dann über rund 19 Millionen TEU Boxenkapazität verfügen. Bis 2020 muss das Terminal laut Handelsminister Gita Wirjawan seine Kapazität verdreifachen, um mit dem Wachstum schrittzuhalten. „Wir müssen unsere Kapazität erhöhen, oder wir werden leiden.“ Containerschife nehmen derzeit laut Gtai für das Entladen eine Wartezeit von mindestens vier Tagen in Kauf. Tanjung Priok hat insgesamt drei Containerterminals, wovon zwei (Terminal I und II) von der Gesellschaft Jakarta International Container Terminals (JICT) im Rahmen eines Managementvertrages mit einer Laufzeit von 20 Jahren betrieben werden. JICT ist ein Joint Venture von Pelindo II und der Hong Konger Hutchison Port Holdings (HPH). Durch den Ausbau von New Priok will Indonesien insbesondere seine Abhängigkeit vom Transhipment in Singapur verringern. Weitere Containerhäfen sind laut Gtai in Palembang und Bengkulu (beide Sumatra) sowie Pontianak (Kalimantan) geplant. Laut Alfred Natsir, dem geschäftsführenden Direktor von Pelindo I, will die Hafengesellschaft in den nächsten vier Jahren vier Häfen - namentlich Batu Ampar Port (Batam), Dumai Port (Riau), Belawan (Medan) und Kuala Tanjung (Nord-Sumatra) - entwickeln. Dabei soll in Kuala Tanjung ein neuer internationaler Tiefsee-Hubhafen (15 m Wassertiefe) für Westindonesien entstehen. Allerdings steht die Machbarkeitsstudie noch aus. Die erste Phase des Hafenausbaus in Belawan wurde in 2012 begonnen und ein 100 m langer Pier sowie fünf Containerkrane installiert. Von 2013 bis 2015 wird ein Kaierweiterungsprojekt (zunächst 700 m, dann 350 m Länge) durchgeführt und weitere fünf Krane aufgebaut. Der Hafen Bitung in Sulawesi wird ebenfalls in ein Hub für Indonesiens Osten verwandelt. Hier steht die Machbarkeitsstudie gleichermaßen aus. Beide Hubs liegen an internationalen Schiffahrtslinien und besitzen genügend Hinterland für die Entwicklung. Die drei Häfen New Priok, Teluk Lamong (Perak) und Belawan (Medan) sind Teil eines Fast-Track-Programms seitens der Regierung. Ein Internationaler Standard bei der Containerabfertigung wird bisher nur in Tanjung Priok (JV mit HPH) und in Surabaya (JV mit DPW) erreicht. Hapag-Lloyd wünscht sich bessere Zollabfertigung Die Hamburger Reederei bietet wöchentliche Dienste (SIS) von Jakarta und von Surabaya (SSL) - dem zweitgrößten Hafen Indonesiens, an dem zahlreiche Kunden angesiedelt sind - an. Zudem werden Feederservices von vielen anderen Häfen via Jakarta und Singapur durchgeführt, um an alle bedeutenden Hapag-Lloyd-Services nach Europa, dem Doppelkontinent Amerika und innerhalb der Region anschließen zu können. Am 17. April hat die Hapag ihren Südostasien-Australien-Service (SAL) erweitert. Er ist eine Kombination aus dem bisherigen SAL-Dienst und dem ASA-Service und wird wöchentlich an einem festen Tag durchgeführt. Folgende Häfen werden angelaufen: Kelang, Singapur, Brisbane, Sydney, Melbourne, Adelaide, Jakarta und Kelang. Die Reederei sieht durch den Ausbau des Hafensystems entstehende Chancen für das eigene Geschäft und denkt dabei an mögliche zusätzliche Dienste von weiteren Häfen. Eine höhere Eizienz der Häfen sowie der Einsatz von größeren Schifen würde zusätzlich das Geschäft belügeln. Der Hauptschwachpunkt im indonesischen Hafensystem ist laut der Reederei immer noch die Straßen - und Schienenanbindung der Häfen. Für das eigene Geschäft wäre eine verbesserte Zollabfertigung von größter Bedeutung. ■ staatsform Präsidialrepublik staatsoberhaupt Präsident Susilo Bambang Yudhoyono (SBY) Hauptstadt Jakarta einwohnerzahl rund 238 Millionen bIP-wachstum rund sechs Prozent Fläche 1 904 569 km² (BRD: 357 121 km²) wichtige Häfen • Tanjung Priok (2012: sechs Mio. TEU, Terminal 1 und 2 betrieben durch HPH und Pelindo II ) u. New Priok (bis 2023: 13 Mio. TEU) bei Jakarta, Java; • Tanjung Perak bei Surabaya, Java (rund 2,6 Mio. TEU laut Hafen Hamburg in 2011, Betreiber Dubai Ports World und Pelindo III) • Belawan bei Medan, Sumatra • Tanjung Emas bei Semarang, Java Bis 2025 sind laut Master Plan for Acceleration and Expansion of Indonesia (MP3EI) 9 Mrd. € Investitionen ins Hafensystem vorgesehen. ZAHLen unD FAKten Zu InDonesIen dirk ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de MOBILITÄT Elektroauto-Käufer Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 46 Early Adopter unter der Lupe Elektroautos - wer ist jetzt schon e-mobil und wer kann sich vorstellen, eines zu kaufen? Bundesregierung und Industrie haben sich das Ziel gesetzt, dass bis 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge (Electric Vehicles, EVs) auf Deutschlands Straßen fahren. Um das zu erreichen, sind zielgerichtete und efektive Maßnahmen nötig, denn Elektrofahrzeuge weisen zum Teil andere Eigenschaften als konventionelle Fahrzeuge auf. Diese Maßnahmen sind aber nur zielführend, wenn die Zielgruppen klar deiniert sind. Wer also kauft bereits heute Elektroautos oder interessiert sich für einen Kauf? Die Autoren: Joachim Globisch, Uta Schneider, Anja Peters, Annette Roser, Martin Wietschel D ie potenziellen ersten Kunden, die sogenannten Early Adopter, zu identiizieren, war das Ziel einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Dabei wurde der Fokus auf private Käufer rein batterieelektrischer PKW (BEV) und Plug-in Hybrid-PKW (PHEV) gelegt. Zielsetzung und Vorgehen Für eine ganzheitliche Analyse wurde ein interdisziplinäres Vorgehen gewählt, welches sowohl technisch-ökonomische Bedingungen als auch psychologische Charakteristika der Käufer berücksichtigt. Die technisch-ökonomische Analyse zur soziodemographischen Eingrenzung der Early Adopter stützt sich dabei auf die Mobilitätsdaten aus der Erhebung „Mobilität in Deutschland“ (MiD 2002), welche das Fahrverhalten von 27 918 deutschen Haushalten beschreiben. Die sozialwissenschaftliche Analyse der Einstellungen und Motive der Early Adopter basiert auf vier verschiedenen Erhebungen. Es wurde eine • Online-Breitenbefragung mit potentiellen PKW-Käufern durchgeführt, die darauf abzielte, ein möglichst breites Spektrum von Personen mit unterschiedlich starkem Interesse an EVs miteinander zu vergleichen (N=969). Darüber hinaus wurde eine • Online-Kurzbefragung von Personen mit großem Interesse an EVs durchgeführt (N=210). Aus den Teilnehmern dieser Kurzbefragung wurden • 14 Teilnehmer für leitfadengestützte Telefoninterviews gewonnen. Schließlich wurden • zwei Gruppendiskussionen mit insgesamt 20 Personen mit großem Interesse an Elektromobilität durchgeführt. Diese wurden auf Veranstaltungen zur Elektromobilität rekrutiert. Soziodemographische eingrenzung der early Adopter Im Rahmen der technisch-ökonomischen Analyse wurde zunächst eine Total-Cost-of- Ownership-Analyse (TCO) durchgeführt. Dabei wurden die Fahrproile aus der MiD- Erhebung dahingehend untersucht, ob für die Fahrzeughalter der Umstieg auf ein EV in den kommenden Jahren mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden wäre. Dies ist der Fall, wenn bei regelmäßigen, aber begrenzten Tagesfahrleistungen und gleichzeitig hohen Jahresfahrleistungen die niedrigen Betriebskosten von EVs die hohen Anschaffungskosten ausgleichen können. Die Ergebnisse der TCO zeigen, dass unter diesen Gesichtspunkten bei etwa 5 % der MiD- Fahrproile ein EV (BEV oder PHEV) wirtschaftlich einsetzbar wäre. Mit Informationen zum Beschäftigungsstatus und zur Gemeindegröße des Wohnortes der Befragten im MiD-Datensatz ist eine erste, grobe Beschreibung potentieller Early Adopter möglich. Die Mehrheit der PKW- Halter sind Vollzeitbeschäftigte aus Gemeinden mit unter 50 000 Einwohnern. Entsprechend stellen diese Personen auch den höchsten Anteil an der Gruppe derjenigen, für die unter TCO-Gesichtspunkten ein EV in Betracht käme. Berücksichtigt man die zugrundeliegende Verteilung bezüglich Wohnort und Beschäftigungsstatus, fällt auf, dass besonders Voll- und Teilzeitbeschäftigte in Gemeinden mit 5000 bis 20 000 Einwohnern einen höheren Anteil an der Gruppe der Early Adopter haben, als dies auf Grund ihres Anteils an den PKW- Besitzern zu erwarten wäre. Personen aus Großstädten weisen oftmals eine zu geringe Fahrleistung auf, als dass sich ein EV für sie lohnen könnte. 1 Eine weitergehende soziodemographische Eingrenzung erlaubt die Auswertung von Daten aus sozialwissenschaftlichen Befra- 3,7% 9,2% 17,8% 32,9% 94,6% 90,8% 82,2% 67,7% 67,1% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Nutzer Interessierte mit Ka ufintention Interessierte ohne Ka ufintention Nicht Interessierte Fahrzeughalter in Deutschland weiblich männlich 32,3% Bild 1: Verteilung von Frauen und Männern in den verschiedenen Gruppen der Online-Breitenbefragung sowie in der Grundgesamtheit der Fahrzeughalter in Deutschland Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 47 gungen. Die Teilnehmer der Online-Breitenbefragung wurden in vier Subgruppen eingeteilt, welche sich nach ihrem Interesse an EVs unterscheiden: • Personen, die bereits ein EV nutzen, EV- Nutzer (n=81), • Personen mit Kauintention, die sich also entschieden haben, in näherer Zukunft ein EV anzuschafen (n=249), • Personen mit Interesse an EVs, aber ohne Kauintention (n=360) und • Personen ohne bzw. mit nur geringem Interesse an EVs (n=279). Der Vergleich dieser Gruppen zeigt, dass der Anteil der Männer in den Gruppen mit höherem Interesse an EVs höher ist (vgl. Bild-1). 2 Bei der Betrachtung weiterer soziodemographischer Merkmale (vgl. Tabelle 1) zeigt sich, dass die Personen aus den Gruppen mit starkem Interesse an EVs häuiger in Mehrpersonenhaushalten leben. Weiterhin ist die Gruppe der 41bis 50-Jährigen bei den EV-Nutzern im Vergleich zu den anderen drei Gruppen sowie zur deutschen Gesamtbevölkerung deutlich überrepräsentiert. einstellungen und Motive der early-Adopter Die genauere Untersuchung der Einstellungen und Motive der Early Adopter für den Kauf eines EV war Ziel der Online-Kurzbefragung sowie der telefonischen Leitfadengespräche und der Gruppendiskussionen. Die Befragten der Kurzbefragung wurden in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe bestand aus EV-ainen Personen, die bereits ein EV besitzen oder es für sehr wahrscheinlich halten, dass sie sich in den nächsten fünf Jahren eines kaufen werden (n = 132). Die zweite Gruppe bestand aus Personen, die kein EV besitzen und auch keine konkrete Kauintention haben (n = 78). Ein Vergleich der beiden Gruppen weist darauf hin, dass die Gruppen sich in ihrer Technikainität und ihrem Umweltbewusstsein signiikant unterscheiden. Ebenso vertreten die Gruppen unterschiedliche Aufassungen, inwieweit der Besitz eines EVs die eigene Wertehaltung zum Ausdruck bringt, und legen unterschiedlich viel Wert auf Komfortaspekte (vgl. Bild 2). Im Rahmen einer Regressionsanalyse zeigt sich für Umweltbewusstsein und Technikainitität ein signiikanter positiver Zusammenhang zur EV-Ainität, für den Anspruch an den Fahrzeugkomfort ein signiikant negativer Einluss. Für die Aufassung, mit einem EV die eigene Wertehaltung auszudrücken, zeigt sich dagegen kein signiikanter Zusammenhang. 3 Die Ergebnisse aus den telefonischen Leitfadeninterviews und Gruppendiskussionen ermöglichen tiefere Einblicke in die Einstellungen und Motive der Early Adopter. Als konkrete Motive, die für den Kauf eines EVs sprechen, wurden von den Befragten in den Gruppendiskussionen und Telefoninterviews primär die Umweltentlastung 4 und technischen Eigenschaften der Fahrzeuge 5 genannt. Die Aussagen der Teilnehmer zeigen, dass EVs grundsätzlich als umweltfreundlich wahrgenommen werden. Es bestehen jedoch Unsicherheiten hinsichtlich ihrer CO 2 -Bilanz. Im Rahmen der Gruppendiskussionen erhielten die Teilnehmer auf Basis von Lebenszyklusanalysen Informationen zu den CO 2 -Emissionen von EVs, welche im Betrieb deutlich niedriger, aber in der Herstellung deutlich höher als die konventioneller PKW liegen. Für eine schnelle Amortisation der höheren CO 2 -Emissionen bei der Herstellung sind somit eine möglichst hohe Fahrleistung sowie die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien von Vorteil. Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich die Teilnehmer über den entscheidenden Einluss der Fahrleistung auf die Umweltbilanz kaum bewusst waren: Die hö- Bild 2: Unterschiede bei Einstellungen und Motiven zwischen EV-ainen Personen und Personen ohne EV-Ainität Soziodemographische Merkmale relativer Anteil (-%) Nicht-Interessierte Interessiert ohne Kaufintention Interessiert mit Kaufintention eV-Nutzer deutsche Bevölkerung Gesamt 28,8 37,2 25,7 8,4 Alter - - 18 bis 30 Jahre 35,1 30,3 18,5 7,4 17,4 31 bis 40 Jahre 21,5 23,3 26,9 13,6 15,9 41 bis 50 Jahre 20,1 25,6 28,9 53,1 20,6 51 bis 60 Jahre 13,6 13,3 17,3 21,0 16,3 über 60 Jahre 9,7 7,5 8,4 4,9 29,8 Haushaltsgröße - - Single-Haushalt 27,6 24,1 23,0 17,5 39,8 Mehrpersonenhaushalt 72,4 75,9 76,0 82,5 60,2 Tabelle 1: Soziodemographische Eigenschaften der Befragten in der Online-Breitenbefragung im Gruppenvergleich. Quellen: Auswertung der Online-Breitenbefragung und von Vergleichsdaten für Deutschland (Statistisches Bundesamt 2012a, 2012b, 2012c); für eine ausführliche Dokumentation der Befragung s. Peters et al. (2011) sowie Agosti (2011) MOBILITÄT Elektroauto-Käufer Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 48 heren CO 2 -Emissionen bei der Produktion eines EVs überraschten die Teilnehmer und führten zunächst zu einer sehr negativen Reaktion, welche jedoch im weiteren Diskussionsprozess relektiert wurde und schließlich zu einem diferenzierteren Meinungsbild führte. So kamen die Diskussionsteilnehmer darin überein, dass ein EV nicht per se umweltfreundlicher oder weniger umweltfreundlich als ein konventioneller PKW ist, sondern dass die konkrete Nutzung eine große Rolle spielt. Zusammen mit Motiven und Einstellungen zu EVs ist die Zahlungsbzw. Aufpreisbereitschaft ein wichtiger Aspekt, der bei der Entscheidung für oder gegen ein EV eine Rolle spielt. Dies zeigt sich auch bei der Auswertung der Online-Kurzbefragung: Personen mit einer hohen EV-Ainität geben eine signiikant höhere Aufpreisbereitschaft für ein EV an (18,2 %) als Personen mit einer geringen Kaufwahrscheinlichkeit (13,7 %). 6 Für die Teilnehmer der Gruppendiskussionen ist die Wirtschaftlichkeit eines EVs gegenüber einem konventionellen PKW kein zentrales Kriterium für die Kaufentscheidung. Vielmehr sehen sie die ausschlaggebenden Argumente für den Kauf eines EVs bei den Technik- und Umweltaspekten, welche ihre Aufpreisbereitschaft begründen. Die Ergebnisse aus den Telefoninterviews stützen diese Sicht zumindest teilweise. Rund ein Drittel der befragten Personen begründen ihre Bereitschaft, für die Anschaffung eines EV einen Aufpreis zu zahlen, mit den geringeren laufenden Kosten eines EVs. Rund ein weiteres Drittel nennt nicht-wirtschaftliche Gründe, wie Umwelt- und Technikaspekte als ausschlaggebend. Tendenziell führten die meisten Interviewteilnehmer zunächst entweder wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Gründe an. Der jeweilige andere Aspekt wurde in den Telefoninterviews in der Regel nur am Rande oder auf Nachfrage genannt, was zwei grundsätzliche Subtypen potenzieller Early Adopter mit unterschiedlicher Motivationslage nahelegt. Um eingehender zu untersuchen, welche Bedeutung die Wirtschaftlichkeit hat, wurden im Verlaufe der Gruppendiskussionen auch Informationen zur Wirtschaftlichkeit von EVs auf Basis einer TCO-Analyse gegeben. Die Teilnehmer reagierten jedoch eher skeptisch; insbesondere wurden die zugrunde gelegten Annahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnungen angezweifelt und verschiedene Unsicherheitsfaktoren angeführt, um zu begründen, dass eine sinnvolle Bewertung der Wirtschaftlichkeit von EVs nicht möglich sei. Grundsätzlich scheinen die Teilnehmer der Gruppendiskussionen wie auch die meisten Teilnehmer der Telefoninterviews EVs als eine Anschafung zu betrachten, welche sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirtschaftlich nicht rechnet. Die Erfahrungen aus den Gruppendiskussionen legen nahe, dass es sich dabei um eine Sichtweise handelt, welche auch bei gegenteiligen Informationen relativ änderungsresistent ist und verteidigt wird. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus soziodemographischer Sicht männliche Vollzeitbeschäftigte mittleren Alters aus Mehrpersonenhaushalten in kleinen und mittelgroßen Gemeinden den überwiegenden Anteil an Early Adoptern von EVs stellen werden. Dabei handelt es sich um umweltbewusste sowie technikaine Personen. Diese Personen stellen geringere Ansprüche an den Komfort eines PKW und schreiben nicht-wirtschaftlichen Aspekten einen höheren Einluss auf ihre Kaubereitschaft zu als Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Dabei ist die Bereitschaft, für EVs einen höheren Anschafungspreis im Vergleich zu konventionellen PKW zu zahlen, bei EV-afinen Personen signiikant höher als bei Personen ohne konkretes Kauinteresse, deckt jedoch nicht die gegenwärtigen Kaufpreise von EVs ab. Danksagung Die vorliegende Studie entstand im Rahmen des Projektes „Kaufpotential für Elektrofahrzeuge bei sogenannten ‚early adopter, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wurde. ■ 1 Für Details zu den Berechnungen siehe Wietschel et al. (2012). 2 Ein chi²-test ( χ ²=60.9; df=3; p<0.01) bestätigt, dass das Geschlecht der Befragten und die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen nicht unabhängig voneinander sind. 3 Binär-Logistische Regression: Nagelkerkes Pseudo-R² = 0.31; Odds-ratios für Umweltbewusstsein = 1.689, für Technikainitität = 1.425, für Komfortanspruch = .603, p<0.01 4 Sechs Befragte in den Tiefeninterviews nennen den Umweltaspekt explizit als wichtiges Kaufargument. Kein anderer Grund wird häuiger genannt. 5 Dies wurde in den Gruppendiskussionen besonders herausgestellt; die Befragten betonten v. a. die Unabhängigkeit der Beschleunigung vom Drehzahlbereich. 6 Bei Ausschluss von Ausreißer-Werten > 50 %. Durchführung von T-Tests: T-Wert = 2,340; p<0.05 QueLLen Agosti, R. (2010): Nutzerakzeptanz von Elektroautos. Untersuchung eines frühen Stadiums der Innovationsdifusion bei verschiedenen Nutzergruppen. Lizentiatsarbeit, Zürich: Fraunhofer ISI, Universität Zürich. Peters, A., Agosti, R., Popp, M., & Ryf, B. (2011): Electric mobility - a survey of diferent consumer groups in Germany with regard to adoption. Proceedings to ECEEE Summer Study, June 2011, Belambra Presqu‘île de Giens, France. Statistisches Bundesamt (Hg.) (2012a): Familien mit minderjährigen Kindern 2010 nach Zahl der minderjährigen Kinder und nach der Familienform. Heruntergeladen von https: / / www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ GesellschaftStaat/ Bevoelkerung/ HaushalteFamilien/ Tabellen/ FamilienKindern. html? nn=50740 (letzter Aufruf 22.03.2012). Statistisches Bundesamt (Hg.) (2012b): Bildungsstand. Heruntergeladen von nn=50760 (letzter Aufruf 22.03.2012). Statistisches Bundesamt (Hg.) (2012c): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus. Heruntergeladen von S.91 (letzter Aufruf 22.03.2012). Wietschel, M, Dütschke, E., Funke, S., Peters, A., Plötz, P., Schneider, U., Roser, A., Globisch, J. (2012): Kaufpotenzial für Elektrofahrzeuge bei sogenannten „Early Adoptern“. Endbericht. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Karlsruhe. Anja Peters, Dr. Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe anja.peters@isi.fraunhofer.de uta Schneider, Dipl. Soz. Wiss. Competence Center Energiepolitik und Energiesysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe uta.schneider@isi.fraunhofer.de Joachim Globisch, M.A. Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme, Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe joachim.globisch@isi.fraunhofer.de Martin Wietschel, Prof. Dr. Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme, Fraunhofer- Institut für System- und Innovations forschung ISI, Karlsruhe martin.wietschel@isi.fraunhofer.de Annette roser, Dr. Geschäftsfeld Evaluation und sozialwissenschaftliche Begleitforschung, Institut für Ressourceneizienz und Energiestrategien (IREES), Karlsruhe a.roser@irees.de Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 49 Kooperationsmanagement im Carsharing Der boomende Carsharing-Markt erfordert ein Mehr an Carsharing-Fahrzeugen und Stellplätzen. Ein Lösungsansatz hierfür ist die Bildung von Kooperationen, die auch weitere Vorteile mit sich bringen. Die Autoren: Michael Kuiter, Christoph J. Menzel D ie Gesellschaft in Deutschland wird kleiner, urbaner, multimodal und multimedial. Das bedeutet für Carsharing-Anbieter zum einen Nachfragesteigerungs-Potenziale, zum anderen jedoch auch den Sachzwang, das Portfolio individueller und breiter zu gestalten. Der Markt- und Machtkampf zwischen klassischem Carsharing und modernen lexibleren Ansätzen hat längst begonnen. Momentan proitieren noch beide Anbietervarianten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kundenbedürfnisse weiter entwickeln. Technische und betriebliche Rahmenbedingungen Kooperationen von Carsharing-Anbietern mit Dritten unterliegen auch technischen und betrieblichen Bedingungen. Dennoch geht es primär um Verkehrslächenverfügbarkeiten. Bei der stadtmobil Rhein-Main beispielsweise werden abhängig von der Stellplatzsituation und GSM-Verfügbarkeit vor Ort stellplatznahe Schlüsseltresore (Keymanager) oder fahrzeuginterne Bordcomputer mit Mobilfunkeinheit eingesetzt [3]. Die Verwendung eines Schlüsseltresors rentiert sich laut Herstellerangaben erst, wenn dadurch mindestens drei Fahrzeuge bedient werden [4]. Weitere Voraussetzung ist die 24-Stunden- Erreichbarkeit eines Stellplatzes. Zugangsbarrieren bedingen wiederum einen Schlüsseltresor zum Passieren der Schranke. Je nach Absicht und Inhalt einer Kooperation können sich auch operative Bedingungen und Voraussetzungen ergeben, z. B. Anforderungen an das Personal in Call-Centern (Bild 1). Spezifische Problematik Stellplatzmangel Carsharing-Anbieter sind aufgrund einer Gesetzeslücke auf Stellplätze in Parkhäusern, Tiefgaragen und weiteren halböfentlichen Räumen angewiesen. In hochverdichteten Städten, vor allem in den als Wohnquartier beliebten innenstadtnahen Gründerzeitquartieren (z. B. Braunschweig Östliches Ringgebiet, Konstanz-Paradies) sind sowohl öfentlich gewidmete als auch private Stellplätze faktisch Mangelerscheinung. Diese Mangelerscheinung wird durch eine zunehmende Nachfrage, die aus der bereits erwähnten Urbanisierung resultiert, verstärkt. Handelnde Partner Neben dem Carsharing-Anbieter sind die kommunalen Verwaltungen, aber auch Dritte, die ein direktes oder indirektes Interesse am Carsharing haben, aktive Marktbeteiligte. Kommunen In kommunalen Verkehrskonzepten hat Carsharing eine hohe Bedeutung, in den meisten Fällen als Nachhaltigkeitsinstrument im Sinne der vierten Säule des Umweltverbundes. Am häuigsten wird Carsharing lediglich moralisch-politisch beworben, ohne physische oder monetäre Förderung zu erhalten. In einigen Fällen fungieren städtische Eigenbetriebe oder Konzerntöchter als Carsharing- Anbieter meist in einem Joint Venture. Foto: stadtmobil MOBILITÄT Carsharing-Kooperationen MOBILITÄT Carsharing-Kooperationen Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 50 Auch werden stadteigene Flächen für Carsharing freigegeben, quasi als physische Subventionierung. Nur wenige Kommunen engagieren sich proaktiv im Bereich Carsharing, beispielweise, indem das städtische Verkehrsunternehmen selbst als Carsharing-Anbieter auftritt [5]. Carsharing-Anbieter Dieser Artikel behandelt insbesondere klassische Carsharing-Anbieter, obgleich der Übergang zu modernen Anbietern ließend ist, da beispielsweise „Flinkster“ und „stadtmobil Hannover“ bereits „Free-loating-Fahrzeuge“ anbieten. Kooperationen mit dem ÖPNV sind bereits fester Bestandteil klassischer Anbieter. Der gegenseitige Nutzen ist unumstritten. Unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. der Lage) ist im Grunde jeder Verkehrserzeuger als Kooperationspartner interessant. Dort werden potenzielle Kunden erreicht, vor allem, wenn bei dem Partner ein Carsharing- Stellplatz angeboten wird. Dritte Körperschaften Die Initiative zur Bildung einer Kooperation kann aus dem Einzelhandel oder von Dienstleistern ausgehen. Durch eine Vernetzung mit Carsharing-Anbietern, können diese vom Transfer des positiven Images oder der Schafung eines weiteren Werbekanals proitieren. Stellt der Partner zudem Stellplätze bereit, können Kunden angelockt werden. Es würde ein Point of Interest (POI) beim Partner entstehen. Der Carsharing-Kunde, der sein Auto beim kooperierenden Supermarkt abholt, kombiniert dies womöglich mit einem Einkauf. Hotels können Kunden ein attraktives Zusatzangebot bieten. Auch Krankenhäuser, Autohäuser und -werkstätten, Parkhausbetreiber, Tankstellen, Möbelhäuser, Schwimmbäder, Schulen und Universitäten, Wohnungsunternehmen, Kirchengemeinden und Energieversorger sind mögliche Carsharing-Kooperationspartner. Seit einigen Jahren sind Unternehmen der Fahrzeugindustrie sehr aktiv. Car2Go wird von Daimler und Europcar betrieben, Drive- Now von BMW und Sixt, QuiCar von Volkswagen, Mu von Peugeot in Zusammenarbeit mit Flinkster. Allein die Aulistung erklärt, welche Kooperationsformen und -inhalte der Markt fordert. Ob sich langfristig ein kooperatives Modell zwischen klassischen Carsharing-Anbietern und der Automobilindustrie ergibt oder der Markt kompetitiv aufgeteilt wird, ist heute ofen. Kooperationsmanagement Kooperationsmanagement beschreibt das Bestreben eines Unternehmens oder eines Unternehmenspools, Unternehmensziele über Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zu erreichen. Dabei werden vor allem Synergien gesucht, Möglichkeiten der Aufwandsreduktion, gemeinsame Strategien, aber auch die gezielte Verbesserung einzelner, problembehafteter Unternehmensinhalte (in unserem Fall vor allem das Stellplatzproblem). Ob das Unternehmen, das die Zusammenarbeit sucht, anschließend auch Koordinator der Kooperation ist oder diese Funktion ein drittes Unternehmen übernimmt, ist ofen und daher ein wichtiger Bestandteil des Kooperationsmanagements. Netzwerkbildung Sich zu vernetzen ist für Carsharing-Anbieter vor allem aus zwei Sichtweisen interessant. Allgemein können Kooperationen für ein positives Image sorgen und u.a. für gegenseitige Anreizprogramme genutzt werden. Die andere, dem Carsharing übergeordnete Sichtweise, bezieht sich auf den Aspekt der Multimodalität. Hier stellt das Carsharing einen wichtigen Baustein dar. Durch gemeinsame, multimodale Angebote wie beispielsweise Kombi-Tickets zeigen die Partner ihre gegenseitige Anerkennung. Unter anderem im Rahmen zukünftig entstehender „Mobilpunkte“ (Bild 2) können neben den Betreibern des ÖPNV auch Fahrradverleihsysteme inkl. Abstellanlagen, Werkstätten sowie Autovermieter für Urlaubsfahrten oder für One-Way-Fahrten (z. B. Umzug auf größere Entfernung) interessante Partner sein. Multimodale Mobilität Die Alltagsmobilität ändert sich seit einigen Jahren weg von einem gelernten, monomodalen Verkehrsverhalten hin zu einem intuitiven, multimodalen Verkehrsverhalten. Gerade in großen Städten bedienen Fahrradvermietsysteme, Carsharing-ähnliche Angebote, zunehmend aber auch klassisches Carsharing, lexible Bedienformen im ÖPNV und sogar moderne Ausprägungen des klassischen ÖPNV eine so nicht dagewesene Nachfrage. Diese ist teilweise auf Verlagerungen vom MIV zurück zu führen, aber Bild 1: Technische, betriebswirtschaftliche und infrastrukturelle Voraussetzungen für den Betrieb eines Carsharing- Stellplatzes. (Quelle: Eigene Darstellung) Bild 2: Mobilpunkt in Bremen (Eigenes Foto) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 51 auch auf eine latente Nachfrage. Einige Aktivitäten moderner Stadtmobilisten wären vor 2005 gar nicht denkbar gewesen. Vor allem die Spontaneität eines mobilen Menschen wird durch ein integriertes Gesamtmobilitätsangebot (z. B. in Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Amsterdam, Kopenhagen) gefördert. Politisches Instrumentarium Es gibt im Wesentlichen drei politische Instrumentarien, Kooperationsmanagement im Carsharing-Bereich zu fördern. Dazu gehört eine auf nachhaltige Verkehrsentwicklung ausgerichtete verkehrspolitische Haltung. Die wichtigste Möglichkeit zur Unterstützung ist die gezielte Verbreitung von Informationen über die Chancen und Vorteile des Carsharings (z. B. Flächeneinsparungen, Flottenkostenreduktionen, individuelle Mobilität für sozial Schwache). Dabei müssen keine großen Budgets bereitgestellt werden. Die nächste Stufe der politischen Förderung ist, Unternehmen Anreize zur Zusammenarbeit zu liefern. So könnten beispielsweise zeitlich befristet Steuererleichterungen gewährt werden, wenn ein Unternehmen statt auf einen eigenen Fuhrpark auf Carsharing- Nutzung setzt. Die schwierigste und aufwändigste Art der politisch motivierten Systemunterstützung liegt in der Infrastrukturförderung. In Bremen werden „Mobilpunkte“ (siehe oben) eingerichtet, bei denen ÖV, Carsharing und Radverkehr an einem Ort abgewickelt werden. Weitere Städte haben diese Idee adaptiert. Dafür müssen im öfentlichen Raum Flächen umgewidmet werden, technische Einrichtungen (z. B. Beleuchtung, Buchungsterminals) vorgehalten werden, größtenteils durch Steuergelder inanziert. Zielgerichtete Kooperationen Hier soll der Lösungsansatz der Kooperationsbildung zum Zwecke der Stellplatzbereitstellung aufgegrifen werden [3]. Man kann folgende Kriterien heranziehen. 1. Der Partner muss geeignete Stellplätze zur Verfügung haben. In den Stellplatzsatzungen ist festgelegt, wie viele Stellplätze bei einem Neubau eines bestimmten Gebäudes nachgewiesen werden müssen. 2. Die Lage muss stimmen. Das größte Potenzial besteht in den innenstadtnahen Gebieten. Es können aber auch Stellplätze im Stadtzentrum und in eher außenliegenden Stadtbezirken interessant sein. 3. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden. Dieser Aspekt hat nicht die größte Bedeutung, dennoch sollten wettbewerbsrechtliche Gesetze berücksichtigt werden. 4. Der Carsharing-Anbieter sollte Gegenleistung(en) bieten können. Beide Seiten sollen von einer Kooperation proitieren. Werbung oder Rabattierung kommen in Betracht. Je nach Möglichkeit kann der Partner durch Carsharing seinen eigenen Fuhrpark ergänzen oder sogar ersetzen und so weitere Kosten sparen oder das Carsharing-Angebot an eigene Kunden weitergeben. Potenzielle Partner sind vor allem Supermärkte und andere Einzelhändler mit großen Parkierungslächen (Bild 3). Handlungsempfehlungen Kooperationsmanagement beinhaltet eine ofene Liste von Partnern. Dieser Artikel adressiert jedoch vor allem klassische Carsharing-Anbieter und Kommunen, um Kooperationen zu lancieren, aber auch zu begleiten und zu monitoren. Kommunen Kommunen können das freie Spiel der Marktkräfte nutzen und Carsharing-Anbieter den Marktzugang und marktfördernde Kooperationen selbst suchen lassen. Gleichwohl sollte das Stellplatzproblem durch die Kommune aktiv angegangen werden. Nicht zuletzt die kommende Verquickung von Carsharing und Elektromobilität erfordert einen zielgerechteren Umgang mit der Ressource Öfentlicher Verkehrsraum [6]. Inwieweit eine kommunale Marktregulation zur bürger/ kundengerechteren Ausgestaltung von Carsharing notwendig sein könnte, ist derzeit nicht abschätzbar. Die Kommune sollte jedoch über das Instrument der behördlichen Kontrolle die Marktentwicklung beobachten und über Monitorings abgleichen [7]. Carsharing-Anbieter Carsharing ist noch nicht für jeden potenziellen Kooperationspartner ein Begrif. Dennoch kann die Initiative zur Bildung einer Kooperation durchaus auch von verkehrs- oder zumindest Carsharing-fremden Unternehmen oder Organisationen kommen. Carsharing-Anbieter sollten sich aktiv mit Kooperationpartnern vernetzen. Dazu bedarf es einer Handlungsstrategie, wie man auf die einzelnen potenziellen Partner zugeht und welche Angebote man selbst geben kann. In vorzugsweise persönlichen Gesprächen (z.B. mit Einzelhändlern) sollte auf das Entstehen eines POI und die Möglichkeit zu kundenbindenden Maßnahmen hingewiesen werden. Die Kooperation mit Kommunen macht gleich auf mehreren Ebenen Sinn. ■ LIterAtur [1] http: / / www.welt.de/ politik/ deutschland/ article109755122/ Alt-und-pflegebeduerftig-was-den-Deutschen-droht. html [2] h tt p : / / b l o g . d r i ve n ow. d e / 2 0 1 2 / 0 4 / 1 7/ vo m a u to auf%C2%B4s-rad-und-wieder-ins-auto-2/ [3] KUITER, MICHAEL: „Möglichkeiten durch Kooperation zur Optimierung der Stellplatzsituation für Unternehmen des klassischen Carsharings am Beispiel stadtmobil Rhein Main“, Bachelorarbeit am Institut für Verkehrsmanagement, Hochschule Ostfalia, Salzgitter 2012 [4] http: / / www.invers.com/ de/ produkte/ keymanager/ index. html [5] http: / / www.mobiel.de/ faqs/ service/ cambio-carsharing/ [6] BMVBS/ NOW: Praxisleitfaden „Elektromobilität in Deutschland“, Handbuch, Berlin 2011 [7] MENZEL, CHRISTOPH: „Die Notwendigkeit von Monitorings in der Verkehrsentwicklungsplanung“, Zeitschrift Straßenverkehrstechnik 6/ 201, S.360f Bild 3: Leerer Supermarktparkplatz (Eigenes Foto) Michael Kuiter, BSc Master-Student „Mobilität und Verkehr“, Technische Universität Braunschweig, Braunschweig mkuiter@gmx.de Christoph J. Menzel, Prof. Dr.-Ing. Institut für Verkehrsmanagement, Ostfalia - Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Karl-Scharfenberg, Salzgitter ch.menzel@ostfalia.de MOBILITÄT Carsharing Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 52 Carsharing - Ein verkehrspolitisches Lehrstück Das Carsharing erfährt, nachdem es jahrzehntelang ein Nischendasein gefristet hat, seit kurzem einen regelrechten Boom. Dabei handelt es sich allerdings um eine neue Generation des Autoteilens, die auch als Carsharing 2.0 bezeichnet wird. Führt dies zu mehr oder zu weniger Verkehr? Der Autor: Oliver Schwedes I m Gegensatz zum traditionellen stationsgebundenen Carsharing zeichnet sich Carsharing 2.0 durch eine stationsunabhängige Autonutzung aus. Indem das Fahrzeug im gesamten öfentlichen Stadtraum abgestellt und ausgeliehen werden kann, wird die kollektive Nutzung des Autos deutlich erleichtert und nähert sich dem von der privaten Autonutzung abgeleiteten Leitbild des ‚Nutzen ohne Nachzudenken‘. Die entscheidende Frage lautet, ob der wachsende Erfolg der kollektiven Autonutzung in urbanen Ballungszentren mit einer geringeren Autonutzung korrespondiert und damit eine nachhaltige Verkehrsentwicklung unterstützt, so wie es für das traditionelle Carsharing nachgewiesen werden konnte. Um zu beurteilen, inwiefern der Boom des Carsharing 2.0 seinem Image als Hofnungsträger für eine nachhaltige städtische Verkehrsentwicklung gerecht wird, ist es aufschlussreich, sich zunächst noch einmal die historische Genese des Carsharing zu vergegenwärtigen. Zur historischen Genese des Carsharing Intro - Die 1980er Jahre Die Umweltbewegung ist ein difuses Phänomen, so der Historiker Joachim Radkau (2011: 161). Umweltpolitische Aktivitäten haben immer wieder ihren sozialen Charakter verändert und wurden von einem tiefgreifenden Bedeutungswandel erfasst, wobei sie nicht selten zyklische Entwicklungen durchliefen. Das zeigt sich auch an der Kritik am Automobil, die so alt ist wie das technische Artefakt selbst. Gerade in den Anfängen der Automobilisierung nahm das derart massive Formen an, dass die Erfolgsgeschichte des Autos aus heutiger Sicht überraschen muss (vgl. Merki 2002). Seitdem oszilliert die Bewertung des Automobils zwischen dem Ideal der „freien Fahrt für freie Bürger“ und dem „Alptraum Auto“. Die Idee des Autoteilens bildete gleichsam den Kompromiss zwischen den beiden Extremen und sollte die Freiheit gewährleisten ohne, den Alptraum wahr werden zu lassen. Die ursprüngliche Philosophie des Carsharing setzt auf die bewusste Nutzung des Autos in jenen Fällen wo es nicht anders geht. Jedes Mal sollte daher überlegt werden, ob das Auto wirklich notwendig ist, oder ob es eine unter ökologischen Gesichtspunkten bessere Alternative gibt. Die Nutzungsbarrieren des stationsgebundenen Carsharing, die sich etwa daraus ergeben, dass das Auto nicht einfach zugänglich ist, weil sich der Parkplatz nicht vor der eigenen Haustür beindet, dass es frühzeitig gebucht werden muss etc., sind also keine Kinderkrankheiten, die es auszumerzen gilt, so wie es heute oftmals dargestellt wird. Die Hürden sind vielmehr fester Bestandteil der ursprünglichen Carsharing Philosophie, die das Auto frühzeitig als gesellschaftliches Problem identiiziert hatte und deshalb auf seinen Verzicht zielte. Die Nutzungsbarrieren bewirkten schon damals eben jenen Routinebruch in der Verkehrsmittelwahl, über den sich die Verkehrswissenschaft in den 1990er Jahren verstärkt den Kopf zerbrechen sollte. Intermezzo - Die 1990er Jahre Die Automobilindustrie war Anfang der 1990er Jahre in eine Strukturkrise geraten und hatte zusammen mit ihren ärgsten Kritikern darüber nachdacht, ob es womöglich an der Zeit sei, sich vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister zu wandeln. Doch mit der Überwindung der Krise hatte sich auch das Möglichkeitsfenster schon bald wieder geschlossen. Diese enttäuschende Erfahrung nahmen einige der seinerzeit heftigsten Auto-Kritiker zum Anlass, über die ungebrochene Attraktivität des privaten Automobils nachzudenken (vgl. Canzler/ Knie 1994). Ausgehend von der damals populären soziologischen Zeitdiagnose einer Zweiten Moderne, die sich durch individuelle Lebensstile auszeichne, gerieten vor allem die Autonutzer in den Blick. Mit umfangreichen soziologischen Studien wurde der enge Zusammenhang von Moderne und Mobilität begründet (vgl. Rammler 1999) und das Auto als der adäquate Ausdruck individueller Mobilität von Menschen in modernen Gesellschaften interpretiert (vgl. Canzler 1996). Aus dieser Zeitdiagnose eines vermeintlich schicksalhaften Wirkzusammenhangs zwischen Individualisierung und Automobilisierung in modernen Gesellschaften, wurde Bild 1: Die ursprüngliche Casharing-Idee (Quelle: http: / / ttbielefeld.iles.wordpress. com/ 2009/ 05/ privates_carsharing_21_09_2010.jpg) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 53 die Konsequenz gezogen, die generelle Gewährleistung von Automobilität zum Ausgangspunkt einer Reform des Carsharing zu machen. Um das Carsharing aus der Nische zu führen, müsse folglich das Autoteilen attraktiver gestaltet werden. Die Menschen in modernen Gesellschaften seien darauf angewiesen, so die zentrale sozialwissenschaftliche Einsicht, Mobilitätsroutinen zu entwickeln, um ihren Alltag zu bewältigen. Ihnen sei nicht zuzumuten, jedes Mal von neuem darüber nachzudenken, welches Verkehrsmittel sie zu dem entsprechenden Anlass wählen sollten. Im Gegensatz zu der ursprünglichen Carsharing-Philosophie, die auf den Autoverzicht gerichtet war und die eingeschränkte Attraktivität als Anlass für die bewusste individuelle Verkehrsmittelwahl nutzte, ging es nun darum, die Hürden soweit wie möglich zu senken. Verfolgte die ursprüngliche Carsharing-Idee eine problembewusste Nutzung des Autos, zielte das neue Leitbild auf ein ‚Nutzen ohne Nachzudenken‘! Präludium - Die 2000er Jahre Seit der Jahrtausendwende setzte dann eine Professionalisierung des stationären Carsharing ein, wodurch die Nutzung immer einfacher und komfortabler wurde. So ist mittlerweile eine kurzfristige Buchung über das Internet möglich. Das Handling am Auto erfolgt unkompliziert mit einem Chip auf dem Führerschein zum Öfnen des Fahrzeugs. Schließlich sind einzelne Kommunen dazu übergegangen, Stellplätze für Carsharing-Autos zur Verfügung zu stellen, wodurch eine bessere Verteilung und damit Zugänglichkeit möglich ist. Gleichwohl entsprechen die Nutzungsanforderungen des professionalisierten stationären Carsharings noch immer der Ursprungsidee, jede Autonutzung vorher zu bedenken. Eine neue Qualität im Sinne des ‚Nutzen ohne Nachzudenken‘ erfährt das Carsharing seit kurzem durch stationslose Angebote. Die Autos von Anbietern wie Drive Now, Car2go oder Multicity, sind im gesamten Stadtgebiet verteilt. Einmal als Mitglied angemeldet, können die Autos von da an ohne Bild 2: Das modernisierte stationäre Carsharing (Foto: Hartmut Reiche, Deutsche Bahn AG) Technische Daten: ISBN 978-3-87154-473-6, 367 Seiten, Format 135 x 180 mm, Broschur Preis : € 53,50 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 | Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Das Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität Inkl. CD mit umfangreichen Daten zur direkten Weiterverarbeitung Herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Jetzt aktuell! Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ viz Hier nden Sie auch eine Leseprobe! 5428_anz_dvv_viz_182x130.indd 1 16.05.2013 15: 25: 09 MOBILITÄT Carsharing Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 54 vorherige Buchung jederzeit spontan genutzt werden. Betreiber sind die großen Automobilkonzerne BMW (Drive Now), Daimler (Car2go), Citroën (Multicity), die sich mit großen Flottenbetreibern im Bereich der Autovermietung (Sixt, Europcar etc.) zusammengetan haben, um ihre Produkte werbewirksam im öfentlichen Raum zu präsentieren. Carsharing 2.0 eröfnet eine Autonutzung, die mindestens so attraktiv ist wie der private Pkw, ja diesen in mancher Hinsicht wahrscheinlich sogar übertrift. Wird doch die Autoverfügbarkeit auf ein bisher nicht gekanntes Maß gesteigert. Denn unabhängig vom Autobesitz eröfnet dieses niedrigschwellige Angebot jedem die Möglichkeit der Autonutzung jederzeit und ohne nachzudenken. Dadurch, dass die Angebote vor allem in Innenstadtgebieten gemacht werden, bilden sie faktisch eine unschlagbar attraktive Alternative zum Umweltverbund. Dementsprechend werden diese Angebote vor allem von jungen Erwachsenen genutzt, die über kein eigenes Auto verfügen und spontan, ohne nachzudenken, in einen Pkw springen, anstatt wie üblich den Bus zu nehmen. Konsequenterweise sind immer mehr Nutzer/ -innen gleich in zwei oder drei Carsharing-Vereinen Mitglied, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, jederzeit ein Auto zu inden und zu einer Spritztour bereit zu sein. Damit besteht die Gefahr, dass das Carsharing 2.0 dazu beiträgt, dass Fahrten gemacht werden die sonst gar nicht oder zumindest nicht mit dem Auto durchgeführt würden. Ausblick Der Historiker Joachim Radkau stellt im Rückblick auf die Weltgeschichte der Umweltbewegung fest, sie zeichne sich durch eine widersprüchliche Entwicklung aus.. Die relativ kurze Geschichte des Carsharing scheint dies zu bestätigen. Der innovative Ansatz hat in dem Maße seinen sozialen Charakter verändert, wie neue gesellschaftliche Akteure mit ihren speziischen Interessen das Konzept in ihrem Sinne umdeuteten. Von den Vertretern der Automobilindustrie ließen sich die Sozialwissenschaftler empfehlen, ihre „gestörte Liebe zum Automobil“ (Prätorius 2004) zu relektieren und stärker vom Auto aus zu denken, um das Carsharing aus seinem Nischendasein zu befreien. Das neue Leitbild des ‚Nutzen ohne Nachzudenken‘, so plausibel es aus der individuellen Sicht der Autofahrer auch war, in die sich die Soziologen meinten hineinversetzen zu müssen, verkehrte den ursprünglichen Ansatz des Carsharing, der auf den bewussten Auto-Verzicht gerichtet war, in sein Gegenteil. Aber erst die Automobilindustrie selbst war in der Lage, das Carsharing wirklich konsequent vom Auto aus zu denken und das Prinzip des ‚Nutzen ohne Nachzudenken‘ mit ihrem stationslosen Carsharing zur vollen Entfaltung zu bringen. Die Verkehrssoziologen entpuppen sich damit als Zauberlehrlinge, die in bester Absicht den Geist des ‚Nutzen ohne Nachzudenken‘ gerufen haben, der ihnen jedoch zunehmend außer Kontrolle gerät und sich zur gedankenlosen Autonutzung im Rahmen des neuen Carsharing versteigt. Bleibt abschließend die Frage zu beantworten, welche verkehrspolitische Einsicht das Lehrstück vom Carsharing vermittelt. Als reines Geschäftsmodell wird das Carsharing keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung leisten. Wenn das neue Carsharing nicht nur als Vehikel für die Werbestrategien der Autokonzerne dienen soll, dann müssen die politisch Verantwortlichen vor Ort die Carsharing-Betreiber in ein integriertes Planungskonzept einbinden und dem Autoteilen im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung einen klar deinierten Stellenwert zuweisen. So wäre etwa darüber zu beinden, ob die stationslosen Carsharing-Autos weiterhin kostenlos im öfentlichen Stadtraum parken sollten. Wie verhält sich dies z.B. mit der von immer mehr Städten und Gemeinden verfolgten verkehrspolitischen Strategie des Parkraummanagements, das darauf zielt den Autoverkehr einzuschränken? Stehen sich mit dem lächendeckenden Autoangebot und dem Parkraummanagement nicht zwei sich widersprechende Anreizsysteme gegenüber? Wenn es tatsächlich so ist, wie immer wieder behauptet wird, dass junge Erwachsene, die die Innenstädte als Lebensraum bevorzugen, auf ein eigenes Auto verzichten (vgl. Becker 2013), warum soll man gerade dieser Klientel das Autonutzen so einfach machen und sie auf diese Weise gleichsam zum Autofahren verführen? Um diese und andere verkehrspolitische Fragen entscheiden zu können, ist es notwendig, das hier nur ansatzweise skizzierte komplexe Wirkgefüge des städtischen Verkehrs im Sinne einer integrierten Planungsstrategie zu relektieren. ■ LIterAtur Becker, Joachim (2013): Geteilte Freud‘ ist halbes Leid. In: Süddeutsche Zeitung, 06./ 07. April 2013, S. 41. Canzler, Weert/ Andreas Knie (1994): Das Ende des Automobils. Fakten und Trends zum Umbau der Autogesellschaft. Heidelberg. Canzler, Weert (1996): Das Zauberlehrlings- Syndrom. Entstehung und Stabilität des Automobil- Leitbildes. Berlin. Merki, Christoph M. (2002): Der holprige Siegeszug des Automobils. 1895-1930. Zur Motorisierung des Straßenverkehrs in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Wien. Prätorius, Gerhard (2004): Nachwort: Das Portionsauto oder Die gestörte Liebe zum Automobil. In: Projektgruppe Mobilität (Hrsg.): Die Mobilitätsmaschine. Versuche zur Umdeutung des Autos. Berlin, S. 131-142. Radkau, Joachim (2011): Die Ära der ökologie. Eine Weltgeschichte. München. Rammler, Stephan (1999): Die Wahlverwandtschaft von Moderne und Mobilität - Vorüberlegungen zu einem soziologischen Erklärungsansatz. In: Regina Buhr/ Weert Canzler/ Andreas Knie (Hrsg.): Bewegende Moderne. Fahrzeugverkehr als soziale Praxis. Berlin, S. 39-71. Oliver Schwedes, Dr. Institut für Land- und Seeverkehr, Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung, Technische Universität Berlin oliver.schwedes@tu-berlin.de Bild 3: Das neue stationslose Carsharing (Foto: car2go) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 55 Elektrobusse - technologischer Spagat zwischen Tradition und Innovation Elektrische Stadtbussysteme stellen im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie für eine aktive Klimapolitik und efektive Ressourcenschonung eine wichtige Säule des straßengebundenen ÖPNV in Gegenwart und Zukunft dar. Unter dem Aspekt der postfossilen Mobilität besitzen weltweit traditionelle und technologisch ständig vervollkommnete Trolleybussysteme einen unverzichtbaren Stellenwert. In Deutschland rücken dagegen innovative elektrische Antriebskonzepte, die in den nächsten Jahren Marktreife erlangen werden, immer stärker in den Mittelpunkt der Forschung, Entwicklung und Erpobung. Die im Oktober 2012 in Leipzig durchgeführte Elektrobuskonferenz stellte die technologischen Konzepte auf den Prüfstand. Die Quintessenz: Der Elektrobus ist für den Stadtverkehr der Zukunft unverzichtbar. Der Autor: Ralf Haase I n den Jahren seit 2005 haben sich in der aktuellen deutschen Verkehrs-, Umwelt- und Energiepolitik einschneidende Veränderungen vollzogen, welche auf die postfossile Mobilität gerichtet sind. Der Begrif „Elektromobilität“ schließt seither vor allem für die Städte und Ballungsräume vielfältige Überlegungen ein, wie elektrische Antriebssysteme auch im straßengebundenen ÖPNV verstärkt zur Anwendung kommen können. In Deutschland, dem Mutterland des Elektrobusses, haben sich seit der Entwicklung und Erprobung des „Elektromote“ durch Werner von Siemens im Jahre 1882 Höhen und Tiefen im praktischen Verkehrseinsatz und der technischen Alltagstauglichkeit wechselseitig beeinlusst. Von Berlin aus trat der im englischen Sprachraum als Trolleybus bezeichnete Oberleitungsbus seinen Siegeszug rund um die Welt an. Heute verkehren weltweit in dieser Technologie mehr als 40 000 elektrische Omnibusse in reichlich 300 Städten von insgesamt 47 Staaten. In Deutschland setzen nur noch die Stadtverkehrsunternehmen in Solingen, Esslingen a. N. und Eberswalde auf diese Technologie und sind damit gut beraten. Hohe Kundenakzeptanz und ständige technische Bild 1: O-Bus von Solaris bei der Barnimer Busgesellschaft BBG in Eberswalde. (Foto: BBG) MOBILITÄT Trolleybusse MOBILITÄT Trolleybusse Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 56 Vervollkommnung von Fahrzeugen und Infrastruktur gewährleisten stabile Verkehrsleistungen . Mit dem heutigen Selbstverständnis und den verbesserten politischen Rahmenbedingungen stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Sichtweise auf die Integration von Elektrobussen sowohl in traditioneller als auch innovativer Antriebstechnologie in städtische Verkehrssysteme (1). der elektrobus hat in deutschland noch immer ein Imageproblem Das Finden einer neuen Position in Fragen elektrischer Antriebe für Stadtbussysteme in Deutschland fordert das eiziente Zusammenwirken aller Entscheidungsträger in Politik, Industrie, Verkehr, Energiewirtschaft und Wissenschaft. Die aktuellen Arbeitsergebnisse beweisen, dass wir es häuig noch immer mit Vorbehalten zu tun haben, welche den Elektrobus in seiner traditionellen Bauweise mit Oberleitung in die Ecke der „Dinosauriertechnologien“ stellen, für die es sich nicht lohnt Investitionen zu tätigen. Die Fahrleitung für den O-Bus sei zu teuer und städtebaulich weitgehend inakzeptabel. Es wird teilweise auf neue Stadtbahnsysteme gesetzt, welche bisher aber noch nicht ohne Oberleitung auskommen können. Und sie sind in der Anschafung vergleichsweise sechsmal teurer. Das wird häuig übersehen. Trolleybussysteme gelten heute als technologisch ausgereift und technisch sicher beherrschbar. Sie arbeiten lokal emissionsfrei, lärmarm und betriebswirtschaftlich nach Vollkostenrechnung nahezu im Dieselbusbereich. Überall wo sie im Einsatz sind, werden sie weltweit von Verkehrskunden bevorzugt angenommen. Unter diesen Gegebenheiten könnten neue Denkansätze für die Etablierung von Trolleybussystemen in weiteren deutschen Groß- und Mittelstädten zum Tragen kommen. Allerdings haben sich seit dem Nationalen Entwicklungsplan „Elektromobilität“ der Bundesregierung (2) die Startbedingungen für neue O-Bussysteme verschlechtert, weil eine inanzielle Förderung ausgeschlossen wird. Alle setzen auf die Fortschritte bei der Entwicklung innovativer Technologien für den vollelektrischen Stadtbus. Die Entscheidungen der Städte Solingen, Esslingen und Eberswalde zum Systemausbau verlangen uneingeschränkte Anerkennung und Unterstützung. Sie nutzen dabei innovative Weiterentwicklungen bei der vorhandenen drahtgebundenen Technologie, wie z.B. Rekuperation von Bremsenergie in fahrzeuginternen Speichern, neue Technologien beim automatischen An- und Abdrahten der Fahrleitung und der zusätzlichen Ausstattung mit Hochleistungsbatterien. Diese lassen es in sensiblen Stadtquartieren zu, auf immer längeren Streckenabschnitten die Fahrleitung einzusparen. Aber auch die Neuerungen in der Dieselbussparte kommen dem Elektrobus zugute (Bild 1). In der bereits erwähnten Elektrobus-Konferenz von Leipzig gelang es in einem internationalen Status quo-Szenario anhand der Modellstädte Zürich, Montreal, Leeds, Sao Paulo und den genannten deutschen Städten genau diese Aspekte zum Tragen zu bringen (Bild 2). eu-Förderprojekt erfolgreich Im Rahmen europäischer ÖPNV-Strategien hat sich die Europäische Kommission in deutlicher Weise für den Erhalt und Ausbau von Trolleybussystemen ausgesprochen. Damit entspricht sie den gegenwärtigen und zukunftsnahen Erfordernissen städtischer Infrastrukturplanung in einer Vielzahl von Groß- und Mittelstädten in den EU-Mitgliedsstaaten. Gegenwärtig bestehen Trolleybusnetze in 78 EU-Städten. Mit Blick auf Gesamteuropa müssen weitere 28 Trolleybusstädte in Osteuropa hinzu gerechnet werden. Seit dem Jahre 2010 hat sich ein Konsortium von 9 Partnern aus 6 EU-Staaten unter dem Namen „EU-Trolley“ zu einem Verbundprojekt zusammengeschlossen, das vom ERDF (European Regional Development Fund) der EU für Zentraleuropa koinanziert wird. Dieses Projekt läuft unter dem Teamleader Salzburg AG bis zum Jahre 2013 unter dem Titel „ebus - the smart way“ und dient der Propagierung und Weiterentwicklung von Trolleybussystemen, also in traditioneller Technologie aber mit Öfnung zu innovativen Lösungen (Bild 3). Die Vorstellung der EU-Arbeitsergebnisse in Leipzig hat dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit weiterer Kommunen auch in Deutschland auf die Chancen moderner Trolleybussysteme zu richten. deutschland geht neue Wege Mit dem Nationalen Entwicklungsplan „Elektromobilität“ und den darauf aubauenden Förderprogrammen der Bundesregierung zur straßengebundenen Elektromobilität hat sich seit dem Jahre 2008 ein Prozess verstärkt, welcher auch dem E-Bus eine neue Dimension verleiht. Dem Thema Elektromobilität widmeten sich seit Anbeginn vier Bundesministerien. Das BMVBS wählte 8 Modellregionen (Bremen/ Oldenburg, Hamburg, Rhein-Main, Rhein-Ruhr, Berlin/ Potsdam, Sachsen mit Bild 2: Jan Mücke, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, als Redner auf der TrolleyMotion 2012. (Foto: Dirk Budach) Bild 3: StadtBus der Salzburg AG. (Foto: Salzburg AG) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 57 den Städten Dresden und Leipzig, Stuttgart und München) aus, in denen die unterschiedlichen Anwendungsfacetten einer straßenbezogenen Elektromobilität ausgestaltet und erprobt werden sollen. Dabei war es politisches Kalkül, im Bussektor Fördermittel auf die innovativen Technologien zu konzentrieren und dabei in erster Stufe die Entwicklung und Erprobung von seriellen Hybridbussen durchzusetzen. Man kann geteilter Meinung sein, ob dies der richtige Weg war, da Hybridfahrzeuge nur eine Übergangstechnologie darstellen und der Kauf dieser Stadtbusse separat inanziert wurde (Bild 4). Zwischenzeitlich hat sich das BMVBS in einer neuen Förderrichtlinie dergestalt festgelegt, dass im Bussektor „technologieoffen“ zu fördern ist. Darunter fallen Hybride mit erweiterter elektrischer Fahrfähigkeit, brennstofzellenelektrische und batterieelektrische Antriebstechnologien. In den Ausschreibungen zum weiterführenden Förderprogramm bis zum Jahre 2015 konzentrieren sich die Förderanträge in den Modellregionen auf „Schaufensterlösungen und technologische Leuchttürme“, welche schrittweise zu einer republikweiten Verbreitung führen sollen. Innovative Technologien beim elektrobus Zwischenzeitlich hat der Entwicklungsprozess eine Eigendynamik bekommen. Die Fahrzeug- und Ausrüsterindustrie konzentriert sich mehr und mehr auf diesen neuen Markt. In Sachsen werden z. B. über das Förderprogramm Modellregionen „Elektromobilität“ des BMVBS und des BMU serielle Hybridbusse mit partiell reinem elektrischen Fahrbetrieb inanziert. Im Rahmen des Projektes „SaxHybrid“ bei den Dresdner und Leipziger Verkehrsbetrieben kamen bisher 45- Hybride zum Einsatz und über das Verbundprojekt „Regio-Hybrid“ sollen in regionalen Busgesellschaften 24 Fahrzeuge gefördert werden. Das Projekt „AutoTram“ des IVI der Fraunhofer-Gesellschaft hat seine Erprobung abgeschlossen. In Dresden ist man dabei einen reinen Elektrobus zu entwickeln, dessen Energiespeicher an den Endpunkten einer Linie aus einem stationären Unterwerk nachgeladen werden. In Leipzig konzentrieren sich die Forschungsarbeiten darauf, Straßenbahn und Trolleybus auf Haupttrassen unter einer gemeinsamen Oberleitung zu betreiben. Der Hybridbus in serieller Bauweise entwickelt sich in Richtung der erweiterten E- Fahrfähigkeit auch mittels Erweiterung von Energiespeichern sowie in der Bauweise mittels Generator als Range-Extender. Die aufgezeigten Entwicklungspfade lassen die Erkenntnis zu, dass wir es mit einem parallel verlaufenden und sich gegenseitigen befruchtenden Prozess zu tun haben. Er vollzieht sich in der Erkenntnis, dass es ein Zurück zu Technologien unter Nutzung fossiler Brennstofe nicht gibt, was natürlich nicht bedeutet, dass die Verbrennungskraftmaschine in Bussen als Antriebsaggregat innerhalb der nächsten zehn Jahre ausgedient hat. Wie besonders die in Deutschland hochentwickelte Dieseltechnologie zeigt, ließen sich in der jüngsten Vergangenheit noch immer weitere Verbesserungen in Richtung Energieeizienz und Umweltschonung erreichen. Das Hauptproblem der Zukunft stellt die systematische Vervollkommnung der Energiegewinnung aus regenerierbaren Quellen dar. Was gebraucht wird ist ein komplexer Umdenkungsprozess in Richtung Ökostrom. Dafür kann nicht nur die Politik sorgen. Wir benötigen ein systemisches Denken, das die gesamte Breite der Elektromobilität abdeckt. Es geht nicht allein um neue Fahrzeuge bzw. modernere Antriebstechnologien, sondern um ein ganzheitliches Mobilitätskonzept für den Stadtverkehr zugunsten des ÖPNV. Im Sinne innovativer Antriebstechnologien beim Einsatz in Stadtbussen zeigen sich in aufsteigender Hierarchie folgende Entwicklungsstufen, welche zum Teil parallel wirksam werden: • Trolleybusse mit erweiterter E-Fahrfähigkeit durch Batterien und ohne ständige Oberleitung, in teilweiser Verknüpfung mit dem Energieversorgungsnetz der Stadtbzw. Straßenbahn • Trolleybusse mit Batteriespeicher und Nachladefunktion an Haltestellen, an Linienendpunkten und im Betriebshof • Elektrobusse mit induktiver Energieversorgung aus der Straße • Elektrobusse mit Erdgas als Energiequelle • Elektrobusse mit wasserstofgestützter Brennstofzelle. Dreh- und Angelpunkt in der Forschungsarbeit wird in naher Zukunft die Batterie- und Ladetechnik sein. Einen anspruchsvollen Lösungsansatz stellt die induktive Energieübertragung zwischen Fahrbahn und Fahrzeug dar, wie das im Versuchsprojekt PRIMOVE von Bombardier an Straßenbahnen (Modell Augsburg) getestet und nach erfolgter Alltagstauglichkeit auch auf Stadtbusse (Modell Braunschweig) übertragen werden soll. Das Thema Wasserstof als Energiequelle für Straßenfahrzeuge bleibt ein Dauerbrenner in der Forschungsarbeit. Noch sind stabile Ergebnisse nur in der Pilotphase erreicht worden; von einer Marktreife zu sprechen, wäre wohl verfrüht. Die Herstellungskosten von Wasserstof für den massenhaften Einsatz in der Brennstofzelle sind noch zu teuer. Fazit Elektrische Stadtbussysteme stellen sowohl in traditioneller Technologie (Trolleybusse) besonders aber in innovativer Technologie (ohne Fahrleitung) tragende Elemente des zukünftigen straßengebundenen ÖPNV dar. Entscheidend ist, wie rasch wir den technologischen Durchbruch erzielen. Die angestrebte Marktführerschaft Deutschlands im Bereich der Elektromobilität muss sich auch auf Stadtbussysteme konzentrieren. ■ LIterAtur [1] 3. Internationale Trolleybus-Konferenz von TrolleyMotion, 23. und 24. Oktober 2012 in Leipzig; Tagungsband unter www.trolleymotion.com [2] Regierungsprogramm Elektromobilität der Bundesregierung, Berlin; 18. Mai 2011 [3] HAASE, RALF; Der Elektrobus in Deutschland - eine Renaissance nach 130 Jahren; Vortrag auf den 23. Verkehrswissenschaftlichen Tagen 2012, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ an der TU Dresden ralf Haase, Dr. oec. habil. Friedrich-List-Forum Dresden e.V. an der Technischen Universität Dresden dr.ralfhaase@t-online.de Bild 4: 24-Meter-Hybridbus von HESS / Vossloh Kiepe in Luxemburg. (Foto: Vossloh-Kiepe) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 58 K aum eine Branche war in den letzten 20 Jahren einem so starken Wandel ausgesetzt wie die Airline-Branche. Zu den Ursachen zählen u. a. weltweite Marktliberalisierungsprozesse, steigende Ölpreise und technologischer Fortschritt in Verbindung mit dem Markteintritt von „Low-Cost-Airlines“ und der Entstehung von Überkapazitäten. Eine eiziente Kostenstruktur und die Nutzung von Kostendegressionen gehören unter diesen Bedingungen zu den wichtigsten betriebswirtschaftlichen Erfolgsfaktoren. 1,2,3 Die zentralen Voraussetzungen dafür liegen in einem über mehrere Perioden hinweg stabilen und nachhaltigen Produktivitäts- und Wachstumsstreben. Dadurch entsteht für das Airline-Management ein Bedarf an entsprechenden Management-Tools. Sie müssen das speziische Verhältnis zwischen Produktivität und Wachstum mittel- und langfristig abbilden, damit das Airline-Management gezielte Strategien und Maßnahmen ableiten kann. „Pro-Bench- Reg“ (Produktivitäts-Benchmarking-Regression) ist ein solches Tool. Es erlaubt ein rainiertes und mehrperiodiges Produktivitäts-Wachstums- Benchmarking für die gesamte Airline-Branche sowie für einzelne Player und ermöglicht in Zeiten verschärfter Wettbewerbsverhältnisse managementseitig ein überlegenes Agieren. Performance-Benchmarking von Airlines Ergebnisse einer Längsschnittanalyse mit Pro-Bench-Reg Das Kompetenzzentrum für Unternehmensentwicklung und -beratung (KUBE e.V.) hat 20 Airlines mit dem so genannten Pro-Bench-Reg-Verfahren einem Produktivitäts-Benchmarking unterzogen. Es baut auf einer Vorgehensweise des Ökonomen Petrus J. Verdoorn auf, der vor rund 60 Jahren mit Hilfe von Regressionskurven Produktivitätsvergleiche zwischen Volkswirtschaften vornahm. Der Beitrag zeigt ausgewählte empirische Ergebnisse aus dem KUBE-Projekt „Pro-Bench-Reg für Airlines“. Die Autoren: Philipp Demmler, Dietram Schneider MOBILITÄT Wissenschaft Foto: H.Gousse/ Airbus Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 59 MOBILITÄT Wissenschaft Längsschnittanalyse mit Pro-Bench-reg Längsschnittanalysen sind eher selten. Denn methodisch sind sie meist anspruchsvoller als Querschnittsanalysen. Außerdem setzen sie voraus, dass über längere Zeiträume empirisches (Zahlen-) Material gesammelt wird, was einen erheblichen Aufwand erfordert. Wird darüber hinaus die Performance von Unternehmen gemessen und soll diese in ein Unternehmens- und Branchenbenchmarking münden, dann steigen die Anforderungen noch zusätzlich. Im Gegensatz zu Querschnittsanalysen erlauben Längsschnittanalysen jedoch nicht nur Momentaufnahmen. Vielmehr zeigen sie langfristige Entwicklungen und Tendenzen auf. Nach dem Motto „wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann seine Zukunft nicht gestalten“ stützen sie sich auf langfristige Trends, die sich oft nur schleichend andeuten, um daraus Empfehlungen für die Zukunft zu gewinnen. 4 In Verbindung mit einem längsschnittanalytischen Benchmarking erlauben sie zudem eine unternehmensstrategische Performance- Positionierung von Unternehmen im Branchen- und Wettbewerbsumfeld. Die für das Projekt „Pro-Bench-Reg für Airlines“ eingesetzte Methode basiert auf Überlegungen des Ökonomen Petrus J. Verdoorn. Für Volkswirtschaften untersuchte er den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Produktivitätsfortschritten. 5 Danach spielt das Wirtschaftswachstum für die Gewinnung von Produktivitätsfortschritten eine durchschlagende Rolle. Wachstum gilt danach als Treiber von Produktivitätsfortschritten, während Stagnation oder gar Rezession zu Produktivitätseinbußen führen. Die Beziehung von (Unternehmens-) Wachstum und Produktivität ist auch für Unternehmen von wettbewerbsstrategischer Bedeutung. „Pro-Bench-Reg“ setzt am Kern dieses zentralen Zusammenhangs an. Es erlaubt ein überlegenes längsschnittanalytisches Performance-Benchmarking und eine wettbewerbs- und branchenorientierte Positionierung von Unternehmen, um Produktivitätslücken und -nachteile zu identiizieren, Produktivitätssteigerungsprogramme gezielt anzusetzen und eine Produktivitäts-Scorecard zu entwickeln. Praxisanwendungen inden sich u. a. in der Management- und IT-Beratung, in der Automobil-, Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie. 6 Produktivitäts-Benchmarks Durch mehrere KUBE-Airline-Studien liegt uns inzwischen ein empirischer Knowledge-Tank vor, aus dem das für das Projekt „Pro-Bench-Reg für Airlines“ nötige Datenmaterial stammt. Für die Konstruktion der Produktivitätskurven der 20 Airlines (AB-20) und die Gesamtbranche wurden Wachstums- und Produktivitätsindikatoren gebildet und über einen Zeitraum von zehn Jahren in regressionsanalytische Produktivitätskurven übersetzt (vgl. Bild 1). Aus ihnen sind folgende Produktivitäts-Benchmarks ableitbar: ryanair Basisproduktivität kritische Wachstumsschwelle entfernung zur kritischen Wachstumsschwelle Wachstumsausschöpfungsgrad Benchmarks auf Basis Umsatz/ Mitarbeiter -13,4 % +17,8 % +4,4 % +6,7 % Benchmarks auf Basis Passagiere/ Mitarbeiter -17,6 % +18,9 % +6,7 % +7,4 % British Airways Basisproduktivität kritische Wachstumsschwelle entfernung zur kritischen Wachstumsschwelle Wachstumsausschöpfungsgrad Benchmarks auf Basis Umsatz/ Mitarbeiter +3,8 % -4,2 % -1,4 % +81,7 % Benchmarks auf Basis Passagiere/ Mitarbeiter +5,5 % -4,3 % +0,7 % +5,7 % Bild 2: Pro-Bench-Reg-Kurve und Benchmarks für British Airways Bild 1: Pro-Bench-Reg-Kurve und Benchmarks für Ryanair MOBILITÄT Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 60 • Basisproduktivität Sie zeigt die Produktivitätsfortschritte oder -rückschritte bei Stagnation bzw. Nullwachstum. Während sich bei hohen Wachstumsraten Produktivitätsfortschritte quasi „automatisch“ einstellen, besteht die „Managementkunst“ gerade darin, auch bei geringem bzw. Nullwachstum Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Je höher die Basisproduktivität, desto besser beherrscht das Management diese Kunst. • Basiswachstumsbedarf Er zeigt, welches Wachstum ein Unternehmen benötigt, um eine Produktivitätssteigerung von einem Prozentpunkt zu erreichen. Je geringer dieser Wert, desto besser. • Wachstumsausschöpfungsgrad Er beantwortet die Frage, inwieweit es Unternehmen gelingt, Wachstumsfortschritte in Produktivitätsfortschritte umzuwandeln. Je höher die Wachstumsausschöpfung, desto besser. • Kritische Wachstumsschwelle Sie gibt das nötige Wachstum an, um überhaupt Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Je niedriger diese Schwelle, desto weniger Wachstum ist für Produktivitätsfortschritte erforderlich. • Entfernung zur kritischen Wachstums schwelle Diese sollte möglichst hoch sein. Je höher der Wert, desto größer ist das entlang der Zeit aufgebaute Produktivitätspolster eines Unternehmens. empirische ergebnisse Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich exemplarisch auf die Produktivitätssituation des „Low-Cost“-Anbieters Ryanair und des „Network-Carriers“ British Airways. Bild 1 und Bild 2 zeigen die errechneten Regressionsgeraden anhand des empirischen Materials der Jahre 2000 bis 2010 aus dem KUBE-Knowledge-Tank. Die von Ryanair erzielten Produktivitätsfortschritte der letzten Jahre wurden durch das hohe Umsatz- und Passagierwachstum subventioniert. Schwächt sich dieses jedoch ab, müsste sich das Management auf Produktivitätsverluste einstellen. Bei Stagnation steht Ryanair vor Produktivitätsrückschritten von jährlich über 13 %! Auch wenn die kritischen Wachstumsschwellen, sowohl auf Basis der Produktivität in Umsatz pro Mitarbeiter, als auch auf Grundlage der Passagiere pro Mitarbeiter, durch das expansive Wachstum überschritten wurden, könnte das aufgebaute Produktivitätspolster schnell aufgebraucht sein. Problematisch sind überdies die geringen Wachstumsausschöpfungsgrade. Weit besser liegt die Regressionsgerade von British Airways. Die positive Basisproduktivität und die negative kritische Wachstumsschwelle sind grundsätzlich positiv. Getrübt wird der Eindruck jedoch durch die nur minimalen Entfernungen zu den kritischen Wachstumsschwellen. Bezogen auf die Produktivität in Umsatz pro Mitarbeiter fällt diese mit -1,4 % sogar negativ aus. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass British Airways mangels ausreichenden Wachstums jährliche Produktivitätsverluste von über 1 % akzeptieren musste. Dagegen zeigt die knapp positive Entfernung zur kritischen Wachstumsschwelle auf Basis der Passagiere pro Mitarbeiter eine nur geringe Produktivitätssteigerung von rund 1 % jährlich. Positiv wirkt sich der hohe Wachstumsausschöpfungsgrad von etwa +80 % aus. Bild 3 zeigt für die AB-20 den jeweiligen Basiswachstumsbedarf, der für eine Produktivitätssteigerung von +1 % nötig ist. British Airways Bild 3: Wachstumsbedarf für Produktivitätssteigerungen Bild 4: Wachstums- und Wachstumsausschöpfungs-Portfolio Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 61 MOBILITÄT Wissenschaft liegt dabei mit +1,1 % besser als Ryanair (+1,3 %). Im Vergleich zu Ryanair benötigt British Airways damit weniger Wachstum für Produktivitätssteigerungen und weist somit eine geringere Wachstumsabhängigkeit auf. Beide Airlines liegen besser als der durchschnittliche Basiswachstumsbedarfs der AB-20. Nach den Ergebnissen der AB-20 korrelieren negative Basisproduktivitäten mit geringen Wachstumsausschöpfungsgraden und positive Basisproduktivitäten mit hohen Ausschöpfungsgraden. Auch Ryanair wies bei einer negativen Basisproduktivität einen unterdurchschnittlichen Wachstumsausschöpfungsgrad auf, während bei British Airways eine positive Basisproduktivität mit einem hohen Wachstumsausschöpfungsgrad vorlag. Wachstum frisst Produktivität! ? Zwar ergab die Analyse der AB-20, dass Wachstum eine unerlässliche Basis für die Erzielung von Produktivität ist, allerdings ein zu hohes Wachstum auch Produktivität „frisst“. Zunehmendes Wachstum ist demnach mit einer Produktivitätsdegression verknüpft. Dazu zeigt Bild 4 zwei Punktwolken. Danach korrespondiert ein überdurchschnittliches Unternehmenswachstum mit niedrigen Ausschöpfungsgraden und ein eher geringes bzw. negatives Wachstum mit höheren Ausschöpfungsgraden. Dabei gehört British Airways zu den Airlines, die hohe Ausschöpfungsgrade und niedrige bis negative Wachstumsraten aufweisen. Ryanair zählt dagegen zu den Fluggesellschaften, deren expansives Wachstum in geringen Wachstumsausschöpfungsgraden mündet. Dies ist jedoch für die Airline-Branche nicht so zu deuten, dass Airlines mit niedrigen Wachstumsausschöpfungsgraden zwangsläuig nur geringe Produktivitätsfortschritte bzw. -rückschritte erzielen. Trotz überdurchschnittlichem Unternehmenswachstum und geringen Wachstumsausschöpfungsgraden erreichte beispielsweise Ryanair im Betrachtungszeitraum überdurchschnittliche Produktivitätsfortschritte und ein für Low-Cost-Airlines typisches hohes absolutes Produktivitätsniveau. Fazit Die Pro-Bench-Reg-Ergebnisse ofenbaren für viele der untersuchten Airlines Handlungsbedarf. Die AB-20 sind auf Wachstum angewiesen. Sie benötigen im Durchschnitt ein Umsatzwachstum von 3,5 Prozent bzw. ein Passagierwachstum in Höhe von 2,8 Prozent, um überhaupt Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Stagnation bedeutet für die AB-20 aufgrund der negativen Basisproduktivitäten zwangsläuig Produktivitätsverluste. Dennoch konnten die Airlines im Durchschnitt ihre kritischen Wachstumsschwellen in den Jahren 2000 bis 2010 überbieten und somit Produktivitätsfortschritte erreichen. Die Wachstumsausschöpfungsgrade der AB-20 fallen jedoch eher gering aus. Dies bedeutet, dass die Airlines ihr Wachstum nur mittelmäßig für Produktivitätssteigerungen nutzen konnten. An dieser Stelle wird der Nutzen von Pro-Bench- Reg als strategisches Frühwarninstrument deutlich. Es prognostiziert dem Management der Airlines den Umfang von Produktivitätseinbrüchen, falls es zu Stagnationen oder Rezessionen kommt. Zudem gibt es Anhaltspunkte, in welchem Umfang das Unternehmen bei Wachstum mit Produktivitätsfortschritten rechnen kann. Somit unterstützt es das Management der Fluggesellschaften unter anderem bei der längerfristigen Planung des Ressourcenbedarfs. Die Herausforderungen des Managements bestehen also primär darin, die Basisproduktivität auf ein höheres Niveau zu heben sowie den Abstand zur kritischen Wachstumsschwelle auf einen positiven Wert zu steigern und auszubauen. Zusätzlich sollte der Wachstumsausschöpfungsgrad im Auge behalten werden, um so die Produktivitätsbarriere der wachstumsbedingten Ausschöpfungsdegression zu überwinden. ■ 1 Sterzenbach, R.; Conrady, R.; Fichert, F.: Luftverkehr - Betriebswirtschaftliches Lehr- und Handbuch, 4., grundlegend überarbeitete und erweiterte Aulage, München (2009), S. 49 - 51. 2 Boston Consulting Group: Midlle Eastern Megacarriers - Gaining Altitude, (2011); www.bcg.de/ documents/ ile85452.pdf, Zugrif am 06.01.2012. 3 International Air Transport Association: Fact Sheet: Fuel, (2011); www.iata.org/ pressroom/ facts_igures/ fact_sheets/ pages/ fuel. aspx, Zugrif am 20.01.2012. 4 Hossenfelder, J.; Lünendonk, J.; Schneider, D.: Performance- Benchmarking von IT- und Managementberatungs-Unternehmen, 2009, online-Paper unter www.dietram-schneider.de 5 Verdoorn, P.J.: On the Factors Determining the Growth of Labour Productivity. In: Pasinetti, LL. (Hrsg): Italian Economic Papers. Vol. II, Oxford 1993, S. 59-68. Im italienischen Original: Fattori che regolano lo sviluppo delle produttività del lavoro. L’Industria 1 (1949), S. 45-53 6 Schneider, D.; Seitz, V.; Dellner, K; Schatz, R.: Produktivitätsbenchmarking - Bericht aus dem KUBE-Projekt „Pro-Bench-Reg“ mit empirischen Anwendungsbeispielen aus der Automobilindustrie. controller magazin, 27 (2002) 6, S. 547-551; Schneider, D.: Performance-Benchmarking von IT- und Managementberatungen - Ergebnisse einer Längsschnittanalyse auf der Basis des Lünendonk®-Knowledge-Tanks. Industrial Engineering, 61 (2008), 2, S. 34-39 . Philipp demmler, Dipl.-Betr.-Wirt KUBE-Projektleiter „Performance- Benchmarking“, KUBE e.V philipp.demmler@gmail.com dietram Schneider, Prof. Dr. Vorstand des Kompetenzzentrums für Unternehmensentwicklung und -beratung (KUBE e.V.), Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, Kempten (Allgäu) dr.schneider@vr-web.de TeCHNOLOGIe Stadtbahnen Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 62 Wenn der Betreiber zum Hersteller wird Kölner Verkehrs-Betriebe sanieren ihre Stadtbahnserie 2100 Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) sanieren die 28 etwa 30 Jahre alten Fahrzeuge ihrer Stadtbahnserie 2100. Hierbei wird den modernen Ansprüchen der Fahrgäste genauso Rechnung getragen wie den Anforderungen der Fahrer. Das Unternehmen gewinnt aber auch wirtschaftlich, denn der Umbau kostet mit etwa 1,6 Mio. EUR je Fahrzeug nur etwas mehr als die Hälfte einer Neubeschafung. Die Autoren: Stephan Anemüller, Juan Carlos Castro Varela D er Ansatz, nach dem ein Verkehrsunternehmen seine klassische Rolle als Betreiber erweitert und praktisch selbst zum Hersteller von Fahrzeugen wird, ist noch ungewöhnlich. Doch ganz neu ist der Gedanke nicht. Auch die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke Bonn (SWK) und die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) führen derzeit beispielsweise Umbauprojekte mit Nahverkehrsbahnen durch. Und auch im Bereich der Fahrweg-Infrastruktur sind ÖPNV-Unternehmen traditionell zumindest steuernd tätige Unternehmen in Bau und Sanierung und beschränken ihre Rolle nicht auf Beauftragung und Abnahme der Leistung. Der Gedanke, Fahrzeuge umzubauen und hierbei Industriepartner einzubinden, wo dieses sinnvoll ist, liegt also gar nicht so fern. So gesehen ist der Weg der KVB nur scheinbar ungewöhnlich. Es lohnt sich dennoch, einen Blick hierauf zu werfen. Ausgelöst wurde das Umbau-Projekt der KVB durch das zunehmende Alter der Stadtbahnen der Serie 2100, die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre hergestellt und in Betrieb genommen wurden. Die Fachleute der KVB stellten sich die Frage, wie viel alte Fahrzeuge noch wert sein können. In der KVB-Hauptwerkstatt nahmen sie die Stadtbahnen genauer unter die Lupe. Aufgefallen ist vor allem die gute Qualität des seinerzeit für den Bau des Wagenkastens verwendetet Stahls, die heute nicht mehr oder nur sehr schwer zu bekommen ist. Die robuste Konstruktion und der sehr gute Erhaltungszustand „der Alten“ bot dann Grund genug für weitere Überlegungen, an deren Ende das Umbauprogramm der 2100er stand. Großes Programm mit einigen Aufgaben Die 28 Fahrzeuge durchlaufen ein umfangreiches Programm, das durch einige Aufgabenblöcke und zahlreichen Detailaufgaben gefüllt ist. Hierbei steht auch die Entwicklung speziischer Lösungen und der Lernprozess von Fahrzeug zu Fahrzeug im Mittelpunkt. Das Programm in der Übersicht: Klimaanlage Der Projektpartner Vossloh-Kiepe hat im Auftrag der KVB die bisher lachste Klimaanlage entwickelt, die es für Schienenfahrzeuge gibt. Die 25 Zentimeter hohen Module passen problemlos auf das Dach der Fahrzeuge und diese dann unter allen Brücken hindurch. Fahrerkabine und Fahrgastraum erhalten somit eine Klimatisierung. Bisher gab es diese in den 2100ern nicht. Fahrgestell Die Drehgestelle von Siemens / Düwag sind so stabil, dass eine Grundüberholung ausreicht. Die Anbauteile und Leitungen werden erneuert, die Bremsen durch KVB-Mitarbeiter überholt. Im Rahmen einer gründlichen Revision werden die Gestelle auf Risse untersucht, die Getriebe überholt und die Achsen ausgetauscht. Am Ende kommt über alles eine neue Lackierung. Türen Das bisher verwendete Türsystem wird beibehalten, aber komplett überarbeitet. In Zusammenarbeit zwischen der KVB AG und der Fa. IFE wurden alle Schwachpunkte analysiert und entsprechend verbessert. Ölfreier Kompressor Auch die Konstruktion der Druckluft-Kompressoren wurde anhand der Erfahrungen in den neuen Stadtbahnserien ausgerichtet. Bild 1: Alt und neu: Das neue Fahrzeug der Serie 2400 (rechts) lässt seine Herkunft erkennen, unterscheidet sich aber dennoch deutlich von den alten 2100ern. (Foto: Stephan Anemüller) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 63 In den 2400er-Fahrzeugen wird der Kompressor ohne Öl auskommen und somit den Zielen des Umweltschutzes wesentlich gerechter werden. Sondermüll wird hierdurch vermieden. Fahrgastraum Der Fahrgastraum wird in seiner Aufteilung verändert. In der Wagenmitte entstehen großzügigere, breitere Durchgänge und mehr Stehplätze bzw. Stellplätze für Kinderwagen, Fahrräder etc. Hierfür entfällt eine der beiden Fahrerkabinen, da die Bahnen stets in Doppeltraktion gefahren werden und deshalb nicht zwei Fahrerkabinen je Fahrzeug benötigt werden. Trittstufen Die Trittstufen werden - nach Absprache mit Behindertenverbänden - mit einer Neigung versehen, so dass zukünftig Rollstuhlfahrer leichter in das Fahrzeug gelangen. Bisher war die Konstruktion der Trittstufen häuig eine unüberwindbare Barriere für Menschen in Rollstühlen, aber auch eine große Hürde beispielsweise für Fahrgäste mit Kinderwagen. Wagenkasten Der Wagenkasten bleibt grundsätzlich so erhalten, wie er ist. Allerdings erhalten die Wagenkästen nach Entkernung und Sandstrahlung auch Verstärkungen, die zunehmenden Gewichtsbelastungen Rechnung tragen. An nur wenigen Stellen, meist den Schnittstellen zwischen Wagenkasten und Fenstereinsätzen und ähnlichem, bedarf es der Beseitigung von Schadstellen. Fahrerkabine Die Antriebssteuerung bleibt im Wesentlichen so erhalten, wie sie auch in den 2100ern konstruiert war. Erneuert werden die Kabel, die nach neuen Normen verlegt werden. Der Fahrerarbeitsplatz wird in den 2400ern genauso angelegt, wie in den Bahnen der jüngeren Baureihen. Dies dient dem Ziel, den Fahrern eine gleiche Arbeitsumgebung zu geben, auch wenn sie zwischen verschiedenen Serientypen wechseln. Qualiizierung und Lernprozess Der wesentliche Faktor, ein solches Umbau- Projekt überhaupt in Erwägung zu ziehen, war für die KVB die Qualiikation ihrer Werkstätten. Der Teilbereich Stadtbahnfahrzeug Instandsetzung der KVB besitzt, im Gegensatz zu anderen Verkehrbetrieben, eine sehr große Fertigungstiefe, die Garant für eine hohe Verfügbarkeit der Fahrzeuge im täglichen Liniendienst ist. Durch das notwendige Knowhow in den eigenen Reihen konnte ein so umfangreiches und technisch anspruchsvolles Projekt, wie es die Sanierung der Fahrzeugserie 2100 ist, gestartet werden. Die Engineering-Abteilung hat beispielsweise das komplette Projekt von der Designstudie, Konstruktion, den Festigkeitsberechnungen über die aufwendigen technischen Leistungsbeschreibungen bis hin zur technischen Abnahme durch die Aufsichtsbehörden begleitet. Die Prozess- und Ablaufsteuerung erfolgt über die Arbeitsvorbereitung. Hier werden die gesamten Abläufe des Projektes abgewickelt und die notwendigen Ressourcen koordiniert. Eine eigenständige Projektgruppe leistet die Abarbeitung des Projektes. Der Industriepartner Vossloh-Kiepe übernimmt die komplette elektrische Arbeit. Die Generalüberholung der weiter verwendeten Baugruppen indet in den Teileaufarbeitungswerkstätten der KVB statt. Das benötigte hoch spezialisierte Personal stand hier bereits aufgrund der existierenden Fertigungstiefe zur Verfügung. Bei Baugruppen und Teilen mit einem Alter von etwa 30 Jahren ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Eine Herausforderung war anfänglich auch die Dokumentation. Die Fahrzeugzeichnungen wurden mangels CAD-Systemen früher in Papierform angelegt. Die Detailtreue fehlte, meist beschränkte sich die Dokumentation auf Übersichtszeichnungen. Im Rahmen der Erstellung des ersten Fahrzeuges - des Prototypen - mussten Fertigungszeichnungen in großem Umfang neu erstellt werden. Hierbei haben die Beteiligten bei ihrem Erstlingswerk erhebliche Lernprozesse durchlaufen, mit denen die Qualiikation der Werkstatt weiter gesteigert werden konnte. Auf dem Markt existieren nur sehr wenige freie Konstruktionsbüros, die Erfahrungen im Stadtbahnbau vorzuweisen haben. Die Investition in die eigene Qualiizierung wird der KVB bei den zukünftigen Umbauprojekten von großem Nutzen sein. Im Sommer 2013 geht die erste Doppeltraktion der neuen Serie 2400 in den täglichen Liniendienst. Den Fahrgästen stehen dann neuwertige Fahrzeuge zur Verfügung, in die sie einsteigen werden wie in ein Flugzeug, dessen genaues Alter auch kein Passagier kennt. Verantwortlich für den sicheren und störungsarmen Betrieb ist und bleibt die KVB als Verkehrsunternehmen - ganz gleich, ob diese die Fahrzeuge neu erworben oder selbst für deren Verjüngung gesorgt hat. ■ Bild 2: Am Anfang steht die vollständige Entkernung der Fahrzeuge und Ausbesserung des Wagenkastens. (Foto: CoelnColleur) Bild 3: Der Fahrgastraum ist neu und entspricht den derzeitigen Bedürfnissen der Fahrgäste. (Foto: Stephan Anemüller) Stephan Anemüller, Dipl.-Geogr. Mediensprecher Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Köln stephan-anemueller@web.de Juan Carlos Castro Varela, Dipl.-Ing. Leiter Werkstätten Stadtbahn, Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Köln Juancarlos.castro@kvb-koeln.de Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 64 Innovativer Eisenbahngüterwagen 2030 Der technische Innovationskreis Schienengüterverkehr stellt sich der Aufgabe, den Schienengüterverkehr zu stärken und den Modal Split in tkm europaweit von heute 17% auf 25% in 2030 zu erhöhen, dies trotz des Güterstrukturefektes. Kernthema ist der innovative Eisenbahngüterwagen. Ein Weißbuch dazu wurde auf der Innotrans 2012 vorgestellt. Die Arbeiten entwickeln sich entsprechend dem dort aufgeführten Terminplan weiter. Der Autor: Markus Hecht D ie Vorteile des Schienengüterverkehrs wie Zero Emission bei Bahnen mit ausschließlicher Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen wie Finnland, Norwegen und Schweden [1] oder geringe Treibhausgasemission selbst in Ländern mit vorwiegender Verstromung fossiler Brennstofe, z. B. Deutschland mit 22 g CO 2 / tkm [2] oder Tschechien mit 31 g CO 2 / tkm [3] gegenüber rund 100 g CO 2 / tkm beim LKW [3] sind bekannt. Sie genügen bei weitem nicht, um seine Nachteile zu kompensieren und die schon oft geforderte Renaissance der Schiene einzuleiten. Auch die gegenüber dem LKW deutlich geringeren Treibstokosten sind nicht ausreichend. Der Güterstrukturefekt mit dem Wegfall bahnainer Massengüter wird ohne Gegenmaßnahmen die Konkurrenzfähigkeit weiter verschlechtern. In dieser Situation setzt der Technische Innovationskreis Schienengüterverkehr an. Er besteht europaweit aus Mitgliedern der relevanten Partner: versendende Industrie, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Wagenhalter, Waggonbauer, Zulieferer und der Wissenschaft. Der Güterwagen ist als Kernelement des Innovationsbedarfes identiiziert. Durch die bisherige Fixierung allein auf einen tiefen Beschafungspreis konnte der Güterwagen an der notwendigen technischen Weiterentwicklung bisher nicht teilhaben und bremst den Güterverkehr als Ganzes. Der innovative Güterwagen ermöglicht und initiiert die Optimierung des Gesamtprozesses. Die 5 L: Leise, Leicht, Laufstark, Logistikfähig und LCC-orientiert zeigen die Entwicklungsrichtung auf (Bild 1). Wachstumsfaktoren Leise bedeutet eine signiikante weitere Lärmminderung, nach der K-Sohle, die ähnlich der Methoden im Flugzeugbau weitgehend kostenneutral erfolgen muss. Um eine genügende Situation zu erhalten, muss zukünftig natürlich auch an den Triebfahrzeugen und vor allem am Gleis eine signiikante Lärmminderung erfolgen. Der Wagen soll bis 2030 um weitere 7 dB Foto: ? ? ? ? ? TeCHNOLOGIe Güterverkehr Foto: Jochen Schmidt/ Deutsche Bahn Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 65 Arbeitsfortgang Fünf Arbeitsgruppen bereiten die Umsetzung der Ziele vor. Es sind dies die Arbeitsgruppen Informationstechnik, Drehgestelle, Kosten-Nutzenrechnung, Kupplung, Logistik und Leichtbau. Ziel ist durch Modularität sowohl größtmögliche Individualität an spezielle Bedürfnisse zu erzielen, aber auch größtmögliche Stückzahlnutzenefekte sowohl in der Beschafung als auch im Betrieb zu vereinbaren. Nach den bisherigen vier Jahren Arbeit sind ab 2014 die ersten Umsetzungsprojekte vorgesehen. ■ LIterAtur [1] Railway Handbook 2012, Energy Consumption and CO2 Emissions, UIC, Paris, 2012 [2] http: / / www.deutschebahn.com/ contentblob/ 2179494/ nachhaltigkeitskennzahlen_2010/ data.pdf [3] Bretzke, W.-R.; Barkawi, K.; Sustainable Logistics, Springer Verlag, 2013 [4] König, R; Hecht, M.; Hüllen, Redecker, M; Obrenovic, M.; Fricke, E.; Mues, J.; Häusermann, M.; Heyder, B.; Haas, S.; Walter, M.; Runkel, G.H.; Theis, M.; Helm, A. Otto, M.; Weissbuch Innovativer Eisenbahngüterwagen 2030, „Die Zukunftsinitiative 5 L als Grundlage für Wachstum im Schienengüterverkehr“, TU Dresden 2012, http: / / tu-dresden.de/ die_tu_dresden/ fakultaeten/ vkw/ ibv/ bsr/ eisenbahngueterwagen2030 gegenüber heutigen Grenzwerten leiser werden. Leicht heißt zum einen eine Erhöhung der Tragfähigkeit des Wagen, aber auch eine Verbesserung des Nutzlastverhältnisses vor allem bei leichten Gütern wie Halbfertigprodukten und Konsumgütern (Bild 2). Insbesondere soll den immer leichteren Gütern durch bessere Ausnutzung des Lichtraumproils mehr Laderaum geboten werden. Durch Streckenausbauten vergrößern sich die verfügbaren Lichtraumproile kontinuierlich. Beispielsweise weisen GC-Wagen einen doppelten Ladequerschnitt gegenüber Standardcontainern auf, während die heute vorhandenen Wagen sich weitgehend nur am G1-Proil orientieren und nur etwa 25 % Querschnittsgewinn zum ISO- Container aufweisen. Ein Zug mit GC-Wagen kann so doppelt so produktiv sein wie ein gleichlanger Containerzug mit Standard ISO-Containern. Laufstark bedeutet eine Erhöhung der jährlichen Lauleistung, Erhöhung der Zuverlässigkeit und Verringerung der Stillstandszeiten und damit eine erhebliche Produktivitätssteigerung je Wagen. Es geht nicht um eine Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit. Auch die betrieblichen Prozesse wie Zugbildung einschließlich Bremsprobe müssen erheblich beschleunigt werden. Diagnose für Güterwagen muss zielführend eingesetzt werden. Nicht abschließend geklärt ist heute, ob die automatische Kupplung einen substantiellen Nutzen bringen kann und wie die Migration erfolgen muss. Da die Kosten des Wagens zeitabhängig sind, die Erträge jedoch entfernungsabhängig, wird eine mittlere Erhöhung der jährlichen Transportleistung um 30 % bis 2030 für notwendig erachtet. Logistikfähig betrift die Verknüpfung von Industrie- und Transportlogistik vor allem durch vereinfachte und beschleunigte Ladevorgänge. Der Güterwagen bedient die Schnittstelle dieser beiden Prozesse (Bild 3). LCC orientiert bedeutet, den Fokus nicht allein auf die Beschafungs- und Instandhaltungskosten des Wagens zu legen, sondern auch den Nutzen von Innovationen zu berücksichtigen (Bild 4). Eine höhere Funktionalität des Wagens führt unvermeidbar zu höheren Beschaffungskosten, z. B. für eine Einrichtung zur Durchführung einer automatischen Bremsprobe. Diese Kosten müssen dann aber zur betrieblichen Beschleunigung, z. B. dem Verkürzen der Dauer der Bremsprobe führen. Die Stromversorgung für Informationstechnik ist ein bisher ungenügend gelöstes Problem. Bild 3: Der Eisenbahngüterwagen als Element der Logistik [4] Bild 4: Höhere Beschafungskosten bei niedrigeren Betriebskosten müssen insgesamt nach kurzer Vorlaufzeit zu einer wirtschaftlich günstigeren Situation führen [4] Markus Hecht, Prof. Dr.-Ing. Geschäftsführender Direktor, Institut für Land- und Seeverkehr, TU-Berlin markus.hecht@tu-berlin.de Bild 1: Wachstumsfaktoren für den Schienengüterverkehr [4] Bild 2: Die auf dem Europäischen Festland heute weit verbreiteten Fahrzeugproile [4] Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 66 TeCHNOLOGIe LKW-Logistik Parken via Satellit Nutzung des satellitengestützten LKW-Mautsystems zur Ermittlung des Belegungsgrades von Parkplätzen Die Überbelegung von LKW-Parkplätzen an Bundesautobahnen stellt trotz fortschreitenden Ausbaus weiterhin ein Problem dar. Unter erheblichem inanziellem Aufwand werden derzeit Kapazitäten erweitert, gleichzeitig könnten durchaus vorhandene, freie Kapazitäten besser genutzt werden, wenn die LKW- Fahrer davon zuverlässig Kenntnis hätten. Ein zentrales Problem stellt die Ungenauigkeit derzeitiger Fahrzeugdetektions- und Zählsysteme dar, sodass der Fokus im Bereich des sogenannten telematischen LKW-Parkens in der Verbesserung infrastrukturbasierter Erfassungssysteme liegt. Demgegenüber ist es grundsätzlich möglich, das in Deutschland verwendete, satellitengestützte Mautsystem, das die Positionsdaten eines jeden LKW zur Erhebung der Maut benötigt, auch zur Ermittlung der Auslastung von LKW- Parkplätzen zu nutzen. Die Autoren: Elmar Pfannerstill, Andy Apfelstädt A ls Resultat der Einführung der sog. „streckenbezogenen Schwerverkehrsabgabe“ in Deutschland (satellitengestützte LKW-Maut) ist der größte Teil der Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 12 t mit einer sog. On-board-Unit (OBU) ausgestattet. Zentrale Komponente der OBU ist ein GPS- Empfänger, mit dessen Hilfe eine Fahrzeug- Ortung mit einer Genauigkeit von meist besser als 10m durchgeführt werden kann. Weiterhin verfügt die OBU über Kommunikations-Schnittstellen, insbesondere ins Mobilfunknetz, um die für die Gebührenerhebung benötigten Daten zu übermitteln. Technisch kann diese Kommunikationsinfrastruktur also als Wegbereiter für Mehrwertdienste, die vom Transportgewerbe nachgefragt und von Serviceprovidern angeboten werden, genutzt werden. Das auf die Mauterhebung ausgerichtete Systemkonzept sieht derzeit derartige Aufgaben zunächst nicht vor; durch das Bundesfernstraßenmautgesetz (BF- StrMG) und dessen praktizierte Auslegung existieren rechtliche Hürden. Allerdings ist im „Masterplan Güterverkehr und Logistik“ der Bundesregierung vom Juli 2008 [1] und fortgeführt im aktuellen „Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“ vom November 2010 [2] die Einführung sog. „Verkehrsinformations- und Kommunikationsdienste für den LKW auf dem Autobahnnetz durch Nutzung der Mautinformationen (Mautmehrwertdienste)“ vorgesehen. Dabei wird explizit ausgeführt: „Dem Bund obliegt die Schafung der rechtlichen Rahmenbedingungen“ [1] und „Die Nutzung von Mautmehrwertdiensten soll unter Beachtung der Aulagen der EU-Kommission und des Autobahnmautgesetzes ermöglicht werden“ [2]. Zudem wird im aktuellen „Bericht zum Stand der Umsetzung des Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“ vom November 2011 darüber berichtet, dass „(…) Basisfunktionen wie die satellitengestützte Standortbestimmung oder der vorhandene Mobilfunk-Kommunikationskanal von Telematikanbietern für geeignete Dienste genutzt werden könnten“ [3]. So „steht das BMVBS einer solchen Nutzung der Mautsystem-Basisfunktionen positiv gegenüber und würde entsprechende Initiativen der Wirtschaft begrüßen“ [3]. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten zur Nutzung des Mautsystems, wie z. B. die Ermittlung der „LKW-Dichte“ in speziischen Bereichen wie Autobahn-Parkanlagen. Darauf aubauende Systemkonzepte mit allen Implikationen sind naturgemäß erst zu entwickeln. Bild 1 stellt die Struktur und das Zusammenwirken dieser Systemkomponenten dar. Im interdisziplinären Forschungsbereich „Innovative Verkehrssysteme und eiziente Logistiklösungen“ der Fachhochschule Erfurt wird derzeit das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt „TeleLaB - Telematische Lösungen zur Überbelegung von LKW-Parkplätzen an Bundesautobahnen“ bearbeitet. Dabei werden u. a. Konzepte zur sogenannten“ virtuellen Belegungsermittlung“ unter Nutzung der vorhandenen Systemkomponenten für die automatische LKW-Mauterhebung in Deutschland erarbeitet, von denen nachfolgend zwei Varianten vorgestellt werden. Foto: ? ? ? ? ? Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 67 Konzepte zur Nutzung des Mautsystems durch Mehrwertdienst Erweiterung der „Event-Detection“ und Anpassung der OBU-Arbeitsabläufe Grundsätzlich bietet die OBU mit der satellitengestützen Positionsbestimmung und der Kommunikation zwischen Zentrale und Fahrzeug (GSM/ GPRS) sowie im Nahbereich (DSRC IR, DSRC µ W) grundlegende Komponenten und Funktionalitäten, die zum Zweck einer Belegungsgrad-Ermittlung verwendbar sind Da Positionsdaten im Rahmen des Mauterhebungsverfahrens allerdings bereits auf der OBU weiterverarbeitet werden, ist derzeit eine Zugänglichkeit auch zur Nutzung für Mehrwertdienste nicht gegeben [6]. Aktuell errechnen OBU-eigene Algorithmen die korrekte Position des Fahrzeugs. Die Grundlage zur sog. „Toll-Event-Detection“ liefern sogenannte Entscheidungskreise einer abstrakten systemspeziischen Karte (keine geodatenbasierte Straßenkarte) und das Abarbeiten von deinierten Regeln. Die Einfahrt in einen Entscheidungskreis wird mittels einer Wegmessung durch Impulse des Tachos und des Gyrosensors festgestellt und eine entsprechende Transaktion (Befahrung eines Autobahnabschnittes) erzeugt. Zur Ermittlung des Belegungsgrades einer Rastanlage muss eine Referenzierung der GPS-Position stattinden, welche die aktuelle Position des Fahrzeugs einer deinierten Rastanlage zuordnet. Eine permanente Positionsdatenübertragung und entsprechende Weiterverarbeitung in der Zentrale wird auch für diesen Fall nicht benötigt. Vielmehr ist die Modellierung von weiteren Entscheidungskreisen notwendig. Diese kennzeichnen modellhaft entweder die Ein- und Ausfahrten der jeweiligen T+R-Anlagen oder aber die Gesamtläche einer kleinen Anlage (PWC). Aus jetziger Sicht werden nach Angaben von Toll Collect auch bei dicht an der Haupt-Richtungsfahrbahn gelegenen PWC- Anlagen keine Stabilisierungsmaßnahmen - wie unterstützende dezentrale Infrastruktur (Stützbaken) - benötigt. Im Vergleich zum Event „Mautrelevanter Streckenabschnitt“ kann der zu erzeugende Event als „Fahrzeug beindet sich auf Rastanlage“ bezeichnet werden. Eine Meldung des Events sollte nur dann übertragen werden, wenn ein weiteres Zustandskriterium (Trigger) erfüllt ist, z. B. „Zündung des Fahrzeuges = aus“. Analog zur beschriebenen „Anmeldung“ muss auch eine Abmeldung erfolgen. Hierzu sollte die OBU eine weitere Meldung genau dann erzeugen, wenn die Zündung des Fahrzeuges erneut gestartet wird und/ oder erneut Signale des Tachometers verarbeitet werden. Diese Meldung sollte möglichst zeitnah an die Zentrale erfolgen. Diese „Echtzeit-Verarbeitung“ stellt allerdings eine wesentliche Abweichung vom praktizierten Prozessablauf dar: Die zur Mautberechnung benötigten Daten werden derzeit in Datenpaketen gesammelt und nach ixierten Versandregeln teilweise mit erheblichem Zeitversatz verschickt. Zur Minimierung der Kommunikationskosten ist jedoch denkbar, die Übertragung und Verarbeitung der „Parklächen-Events“ zeitlich auf die für Parksuchverkehre relevanten Zeiträume zu beschränken, z. B. zwischen 16: 00 und 04: 00 Uhr. Bild 2 stellt das Grundprinzip des aktuellen und des erweiterten Prozesses graisch dar. Gemäß Expertenschätzung [6] ist bei insgesamt ca. 2180 Anlagen in Deutschland (431 T+R-Anlagen, 1550 PWC-Anlagen und ca. 200 Autohöfen) mit einem Implementierungsaufwand in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionen Euro Betrages zu rechnen. Zu berücksichtigen ist, dass erst ein Teil der Flotte an OBU sowie die in Entwicklung beindliche Nachfolgegeneration über die notwendige Kapazität zur Erweiterung der Entscheidungskreise verfügt. Der Erneuerungsprozess der Gesamtpopulation der OBUs wird dabei geschätzte 5 Jahre dauern [6]. Bild 3 stellt die Umsetzung des besprochenen Konzeptes noch einmal graphisch dar. Nutzung des vorhandenen dSrC/ Ir-Kommunikationskanals In Analogie zum technischen Prinzip von Maut-Kontrollbrücken bzw. Kontrollfahrzeugen des BAG kann die Ermittlung des Belegungsgrades von Parkplätzen außerdem mittels „OBU-Abfragestationen“ realisiert werden, die an Ein- und Ausfahrten platziert werden. Kern des Konzeptes ist ein Bilanzierungssystem, das analog zu allen Bild 1: Systematik der Fahrzeug-Detektion für zutrefende Stellplatz-Belegung. (Quelle: Eigene Darstellung) Bild 2: Grundprinzip (unten) und Erweiterung (oben) des deutschen Mautsystems. (Quelle: Eigene Darstellung) TeCHNOLOGIe LKW-Logistik Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 68 bisherigen Bilanzierungssystemen den Belegungsgrad eines Parkplatzes aus der Differenz der einfahrenden (N 1 ) und ausfahrenden Fahrzeuge (N 2 ) zuzüglich eines als bekannt vorausgesetzten Anfangsanfangszustands (N 0 ) ermittelt. Die Anzahl der ein- und ausfahrenden (relevanten) Fahrzeuge soll hierbei über das lokale Auslesen der OBU mittels DSRC/ IR-Kommunikation zwischen OBU und einer Basisstation, jeweils an Ein- und Ausfahrt des Parkplatzes erfolgen (siehe Bild 4). Auf diese Weise werden die bisher für Bilanzierungssysteme verwendeten infrastrukturseitigen Sensorsysteme (Erdmagnetfeldsenoren, Induktionsschleifen …) durch ein wesentlich genaueres Zählsystem ersetzt. Jegliche Art von Fahr(fehl)verhalten ist dabei ohne Beeinträchtigung des Detektionsergebnisses möglich (Beschleunigung, ungünstige Position des Fahrzeugs zum Sensor, Zwei-Richtungs-Verkehr ...). Auf eine Positionsbestimmung bzw. die Nutzung von Positionsdaten und die Erweiterung der Arbeitsprozesse der OBU kann im Rahmen dieses Konzepts verzichtet werden. Alle für dieses Konzept notwendigen Komponenten sind bereits in hinreichender technischer Ausstattung verfügbar. Eine kurzfristige Realisierbarkeit ist denkbar, mit dem Vorteil, dass ein schrittweiser „Roll-out“ zunächst für hochbelastete Parkplätze möglich ist. Der Investitionsaufwand für dieses „virtuelle Bilanzierungssystem“ wird überschlägig mit ca. 20 000 € je Zählstation angesetzt, was einen Bruchteil der Aufwendungen für Parklächen-Erweiterungen (bis zu 30 000-€ je Einzel-Parkstand) darstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine regelmäßige, manuelle Nachkalibrierung, wie sie derzeit für infrastruktur-basierte Systeme erforderlich ist [4, 5], entfällt. Zusammenfassung Unter Nutzung und teilweiser Erweiterung des Systemkonzeptes „virtuelle Mautstationen“ aus der satellitengestützten Mauterhebung wurden erstmals zwei Konzepte vorgestellt, die zukunftsorientiert die „virtuelle Stellplatz-Erhebung“ ermöglichen. Im Vergleich mit konventionellen infrastrukturbasierten Systemen zur Stellplatzerhebung bietet eine mittelbis langfristige Fokussierung und Implementierung des “virtuellen Ansatzes“ Vorteile. Die „Event-Detektion“ auf der OBU und die dazugehörige Meldung der Events an eine Zentrale erscheinen, auch wenn erst mittelfristig umsetzbar, im direkten Vergleich der vorgestellten Konzepte als das zielführendere und zukunftsorientiertere System. Als kurzfristige bzw. Übergangslösung kann das zuletzt beschriebene Konzept der Nutzung des vorhandenen DSRC/ IR-Kommunikationskanals sinnvoll eingesetzt werden. Vorteil ist hierbei eine schrittweise Implementierung mit Bevorrangung von hochbelasteten BAB-Abschnitten, so dass auch mit begrenzten Mitteln ein spürbarer Efekt erzielt werden kann. Unter Wirtschaftlichkeits-Aspekten ist zu berücksichtigen, dass alle bisher bekannten infrastruktur-basierten Systeme teilweise erhebliche Fehlerraten aufweisen, die regelmäßige manuelle Kalibrierungen und damit hohen Personaleinsatz bedingen, der bei Realisierung der hier vorgestellten Konzepte entfällt . Die technische Realisierbarkeit unter einer ersten Abschätzung der anfallenden Kosten für eine Systemerweiterung wurde im Rahmen einer Forschungskooperation seitens Toll Collect geprüft und bestätigt. Bisher nicht angesprochen und derzeit noch nicht abschließend untersucht bleibt die sogenannte natürliche Unschärfe der vorgestellten Systeme aufgrund von derzeit noch mautfreien (Busse, LKW < 12 t), mautbefreiten (beispielsweise Bundeswehr) und manuell gebuchten Fahrzeugen, die ebenfalls LKW-Parkstände bedingt durch ähnliche oder gar gleiche Dimensionen belegen und von den vorgestellten Systemen nicht erfasst werden. Experten aus Bund und Ländern sind jedoch übereinstimmend der Meinung, dass eine gewisse Unschärfe in der Datenerfassung tolerierbar ist, solange es nicht durch Messfehler und Efekte der Fehlerakkumulation, wie dies bei herkömmlichen Technologien der Fall ist, zu einem völligen „Wegdriften“ der Belegungsdaten kommt [4]. ■ Bild 4: Bilanzierung über OBU-Abfragestationen. (Quelle: Eigene Darstellung) Bild 3: Virtuelle Detektion im Entscheidungskreis. (Quelle: Eigene Darstellung) QueLLen [1] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Masterplan Güterverkehr und Logistik, Berlin,2008 [2] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Aktionsplan Güterverkehr und Logistik, Berlin,2010 [3] BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), Zwischenbericht zum Aktionsplan Güterverkehr und Logistik, Berlin,2012 [4] DOBSCHÜTZ, A./ PARTZSCH, I./ MAURER, M./ NIECHOJ, B.: LKW- Parkmanagement auf BAB in Bayern am Beispiel der Park- und Rastanlage Ofenbau. In: Straßenverkehrstechnik, Heft 3, S. 152-160. Bonn 2012 [5] PFANNERSTILL, E./ APFELSTÄDT, A./ KREMTZ, L./ FUCHS, J.: Pilotanlagen zur automatisierten Detektion der LKW- Parkplatzbelegung an Autobahnen. In: Straßenverkehrstechnik, Heft 12, S. 772-778. Bonn 2012 [6] Toll Collect, Berlin, 2012 elmar Pfannerstill, Prof. Dr.-Ing. Fachgebiet Verkehrstelematik, Fachrichtung Verkehrs- und Transportwesen, Fakultät Wirtschaft-Logistik- Verkehr, Fachhochschule Erfurt, Erfurt pfannerstill@fh-erfurt.de Andy Apfelstädt, Dipl.-Wirt.Ing.(FH), M.A. Projektleiter, Institut Verkehr und Raum, Fachhochschule Erfurt, Erfurt andy.apfelstaedt@fh-erfurt.de Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 69 TeCHNOLOGIe Wissenschaft Ziel des europäischen Forschungsprojekts eCoMove ist die Reduzierung des Kraftstofverbrauchs und die Verringerung der CO 2 -Emissionen um 20 %. Mithilfe von Fahrerinformationssystemen soll der Fahrer aktiv und nachhaltig unterstützt werden, eine eizientere Fahrweise zu erreichen. Neben fahrzeugseitigen Anwendungen kommen kooperative Systeme zum Einsatz, die durch die Kommunikation zwischen Fahrzeugen untereinander und mit der Infrastruktur auf eine eizientere Steuerung des Verkehrslusses zielen. Systemaufbau und Ergebnisse einer ersten Nutzerakzeptanz-Untersuchung werden im Folgenden dargestellt. I mmer noch ist der Straßenverkehr einer der größten CO 2 -Emittenten der Welt. Trotz efizienterer Motoren und sukzessive strengerer Abgasnormen werden Verbesserungen durch einen stetig steigenden Mobilitätsbedarf und durch die Zunahme des Fahrzeugbestandes kompensiert. Erhebliches Einsparpotenzial von Kraftstof und Luftschadstofen, unabhängig vom Fahrzeug, liegt in einer eizienteren Fahrweise. In speziellen, auf Verbrauchsreduzierung orientierten Fahrtrainings wurden Reduzierungen des Kraftstofverbrauchs um 25 % gemessen [1]. Zunächst bestehen vor Fahrtantritt Möglichkeiten, Quellen eines erhöhten Verbrauchs durch den Fahrer zu überprüfen. So steigt beispielsweise der Rollwiderstand proportional zur Fahrzeugmasse an und kann durch korrekten Reifenluftdruck reduziert werden. Relevante Reduzierungen lassen sich während der Fahrt insbesondere bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen erzielen. Dies gilt vor allem im Stadtverkehr, wo viele Beschleunigungs- und Bremsvorgänge stattinden. Eine vorausschauende Fahrweise, bei der Bremsvorgänge minimiert und die Bewegungsenergie zum Gleiten genutzt werden, unterstützt dabei eine eiziente Fahrweise. Weitere Maßnahmen, die der Fahrer beeinlussen kann, bestehen in der überlegten Nutzung von Zusatzverbrauchern. So erhöht die Klimaanlage den Verbrauch um ca. 0,1-2,1 l/ 100-km [2]; sie abzuschalten, kann einen wesentlichen Beitrag leisten (Tabelle 1) . Fahrerinformationssysteme können das Potenzial weiter steigern. In Versuchen mit Navigationssystemen mit ökonomischer Routenwahl konnten gegenüber herkömmlichen Routenoptionen Einsparungen von bis zu 13 Prozent [3] gemessen werden. Weitere, noch nicht genutzte Einsparmöglichkeiten, liegen in der Verkehrsinfrastruktur und der Bereitstellung entsprechender Informationen für den Fahrer. So bieten zeitlich synchronisierte Lichtsignalanlagen (LSA) die Möglichkeit, die Wartezeit um bis zu 21 Prozent zu reduzieren [4]. Der dadurch verbesserte Verkehrsluss führt zu geringerem Verbrauch und weniger Schadstofemissionen [5]. Die Potenziale zur Energieeinsparung im Straßenverkehr sind hoch und lassen sich durch einen breiten Ansatz realisieren. In der Vision von eCoMove (Bild 1) sind der Energieverbrauch eines „perfekten Fahrers“ und die verschwendeten Energien durch die bereits genannten Ineizienzen dargestellt. Die integrierten Lösungen in eCo- Move basieren auf diesen Einsparpotenzialen mit Fokus auf den PKW, den LKW und das Verkehrsmanagement. Im Ergebnis lassen sich Kraftstofeinsparungen von mehr als 20 % erzielen. Integrativer Ansatz Das Projekt eCoMove hat das Ziel, durch die Kombination der einzelnen Maßnahmen und den Austausch von Fahrzeug- und Infrastrukturdaten durch kooperative Systeme den vom Fahr- Eizienter fahren durch kooperative Systeme Die Autoren: Philipp Gilka, Stefan Trommer, Arne Höltl Tabelle 1: Einlussmöglichkeiten gegen erhöhten Verbrauch (Beispiele) Klimaanlage, andere Zusatzverbraucher Eizientes Routing Geschwindigkeits- und Abstands-Informationen Zuladung, Reifendruck, Dachgepäckträger TeCHNOLOGIe Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 70 verhalten abhängigen Verbrauch zu reduzieren. Dem kooperativen Datenaustausch wird ein hohes Potenzial zur effizienten Nutzung des Straßenraums zugesprochen. Aus Echtzeitdaten zur Verkehrslage, zu Unfällen und zur LSA- Signalisierung etc. können Routenempfehlungen, Warnungen oder Informationen zur optimalen Geschwindigkeit ausgegeben werden. Im Rahmen des Projekts werden durch ein Konsortium von mehr als 30 europäischen Partnern verschiedene Applikationen entwickelt, die sowohl den Fahrer und sein Fahrverhalten als auch das Verkehrsmanagement umfassen und auf drei Feldern wirken: • Optimierung der Routenwahl (Pre-Trip) • Eiziente Navigation (On-Trip) und • Informieren des Fahrers zur Fahrweise (Post-Trip). Bild 2 zeigt zusammenfassend die Vision des integrierten Ansatzes eines kooperativen und energieeizienten Verkehrsmanagements [6]. Verkehrsinformationen werden vor Fahrtantritt zur Kalkulation der Route berücksichtigt (Pre-Trip) und kontinuierlich während der Fahrt überprüft. Unterwegs (On-Trip) erhält der Fahrer auf Grundlage des Fahrproils und der Verkehrslage Empfehlungen zur optimalen Geschwindigkeit. Parallel erfüllen die Fahrzeuge die Funktion eines Sensors: Daten des Fahrzeugs, wie Position, Geschwindigkeit und geplante Route werden anonym an die Verkehrsmanagementzentrale gesandt. Die so erzielte Datengrundlage verbessert die Qualität der Informationen und versetzt das Verkehrsmanagement in die Lage, den Verkehr eizienter zu steuern. Zudem sind die Fahrzeuge fähig, lokale Informationen untereinander auszutauschen und mit der Infrastruktur zu kommunizieren, um die verbleibenden Rotbzw. Grünzeiten der LSA zu erhalten. Der weitere Schritt zur dynamischen LSA-Beeinlussung ist in diesem Zusammenhang besonders für Einsatzfahrzeuge relevant. Nach der Fahrt (Post-Trip) werden dem Fahrer Informationen zum Fahrverhalten gegeben. Dabei liegt der Fokus der Fahrverhaltensanalyse auf dem Vergleich des gefahrenen Proils mit einem optimal energieeizienten Fahrverhalten unter Berücksichtigung der gegebenen Verkehrssituation. Für die Analyse werden diverse Fahrdaten wie Geschwindigkeit, Beschleunigungsverhalten und Gangwechselzeitpunkt sowie Karten- und Routeninformationen ausgewertet. Ineiziente Zustände der fahrzeugeigenen Systeme wie elektrische Zusatzverbraucher, niedriger Reifendruck oder ofene Fenster werden kontinuierlich durch Sensoren im Fahrzeug überwacht, der Fahrer über Zustandsänderungen informiert. Basierend auf diesen Systemen wurden Konzepte für die LKW-Logistik angepasst. Sie ermöglichen auf Grundlage der vorhandenen Verkehrslagedaten eine optimale Tourenplanung Bild 2: System eines kooperativen Verkehrsmanagements Bild 1: Vision eines energieeizienten Straßenverkehrs Individuelle Bewertung der Anwendungen mithilfe unterschiedlicher Methoden Integra i on von Ergebnissen der Fahrsimulatorstudien Feldversuche (München, Helmond, Turin) eCoMove Anwendungen für PKW, LKW und Verkehrsmanagement Verbessertes Fahrverhalten Bewertung der Anwendungen Ergebnissen der Feldversuche, Fahrsimulator-Studien und Verkehrssimula i onen mit dem Ziel, eine Systembewertung vorzunehmen Bewertung des eCoMove-Systems (network simula i on of Munich, Helmond & French motorways) Mikroskopische Verkehrssimula i on (München, Helmond, Französische Autobahnen) Bewertung des eCoMove- Systems durch Verkehrssimula i onen und Emissionsmodellen. Qualita i ve Bewertung von Langzeite ffekten. Fahrverhalten Systembewertung Bild 3: Bewertungsmethodik des eCoMove-Projekts Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 71 TeCHNOLOGIe Wissenschaft gen durchgeführt werden. Als Input für die mikroskopische Verkehrssimulation ist der Mehrwert der Feldtests - anders als bei Simulatorstudien unter Laborbedingungen - vor allem aufgrund der geringen Anzahl an Fahrten und der beschränkten Fahrerauswahl jedoch begrenzt. Mit den gewonnenen Daten wird anschließend das Fahrermodell der mikroskopischen Verkehrssimulation, die das Fahrverhalten der Fahrzeuge in der Simulation beeinlusst, kalibriert und Szenarien mit unterschiedlichen Befolgungsraten simuliert. Die Kombination der unterschiedlichen Datenquellen ist ein innovativer Ansatz und verspricht die Ermittlung von Wirkungen auf Verkehrsnetzebene. Ergänzt werden die Analysen durch den Einsatz des Emissionsmodells EnViVer, das anhand von VISSIM-Fahrzeugprotokolldaten CO 2 -, NO x - und PM10-Emissionen räumlich detailliert analysiert. ergebnisse und Ausblick Erste umfangreiche Befragungen durch das DLR und den spanischen Automobilclub RACC haben gezeigt, dass die 5800 Befragten den Systemen gegenüber überwiegend positiv eingestellt sind [9]. Interessante Ergebnisse betrefen nationale Unterschiede in der Akzeptanz von Assistenzsystemen und den höher eingeschätzten Nutzen von informativen gegenüber automatisierten Funktionen. Die Erwartungen an die Systeme, damit den Verbrauch zu reduzieren, sind insgesamt sehr hoch. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass die Wirkungen derartiger Anwendungen auf das Gesamtsystem nicht unabhängig von den Kosten betrachtet werden dürfen. Denn die Bereitschaft zur Investition in diese Anwendungen ist seitens der Nutzer insgesamt sehr niedrig. Potenzielle Umweltefekte zeigen sich aber erst bei hohen Ausstattungsraten, die jedoch in Abhängigkeit von den Kosten des Systems und damit verbunden auch von der Implementierungsdauer stehen. Darüber hinaus muss auch die Reisezeit, als Paradigma für die optimale Verkehrssteuerung, unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien Verkehrssicherheit, Verlässlichkeit und insbesondere der CO 2 -optimalen Steuerung des Verkehrs neu bewertet werden. ■ Der Beitrag basiert auf dem Projekt eCoMove (Cooperative Mobility Systems and Services for Energy Eiciency) und ist durch die Europäische Kommission im 7.-Forschungsrahmenprogramm - Information society technologies for clean and eicient mobility - ko-inanziert. und navigieren den Fahrer energieeizient zum Ziel. Zusätzlich werden die Fahrproile analysiert und ermöglichen ein verbrauchsreduzierendes Training für den Fahrer [7]. Neben fahrzeugseitigen PKW-LKW-Anwendungen werden im Rahmen des Projekts auch Verkehrsmanagementanwendungen entwickelt. Dabei handelt es sich um Management- und Kontrollsysteme, die eine Schnittstelle zum Fahrzeugsystem bereitstellen. Das so geschafene kooperative System zielt auf eine strategische, taktische und operationelle Steuerung des Verkehrs. Die Nachfrage im Netz, der Region oder auf lokaler Ebene kann dann besser an die verfügbaren Kapazitäten angepasst werden. Bewertungsmethodik Die Methodik zur Bewertung des entwickelten kooperativen Systems wurde wesentlich durch das DLR erstellt. Das innovative Konzept zur Messung der Wirkungen basiert auf dem methodischen Ansatz des FESTA- Handbuches [8] und berücksichtigt darüber hinaus die besonderen Bedingungen des Projektes, vor allem die nur eingeschränkten Möglichkeiten für Feldversuche. Aufgrund des im Projekt verfolgten parallelen Ansatzes durch Fahrerinformations- und Verkehrsmanagementsystemen auf die Emissionsreduzierung zu wirken, ist die Entwicklung einer innovative Bewertungsmethodik notwendig, um das Potenzial der verbrauchsreduzierenden Wirkungen sowohl für die einzelnen Applikationen als auch für das gesamte Systems, bei skalierten Ausstattungsraten, abzuschätzen. In Bild 3 ist die Bewertungsmethodik [9, 10] dargestellt. Für die Analyse werden unterschiedliche Quellen als Datengrundlage genutzt: • Fahrsimulatorversuche, • Feldversuche und • Mikroskopische Verkehrssimulation. Zunächst werden mithilfe von Fahrsimulatoren unterschiedliche Szenarien und Systeme getestet. Die Durchführung von Simulatorstudien bietet die Möglichkeit, erste Akzeptanzanalysen hinsichtlich des Designs der Benutzeroberläche und der Meldungsstrategie zu erhalten sowie Tendenzen eines veränderten Fahrverhaltens zu identiizieren. Die Feldversuche gehören zu den wesentlichsten Informationslieferanten, speziell für die technische Veriikation und die Analyse der Abhängigkeiten im realen Verkehr. Zwar sind Feldversuche im Gegensatz zu Simulatorversuchen grundsätzlich schwerer zu reproduzieren, der Vorteil des Feldversuchs besteht aber darin, dass die Untersuchung unter realen Bedingun- QueLLen [1] Deutsche Energie-Agentur Dena zeichnet Ford-Spritspartraining „Eco-Driving“ aus, Presseinformation, Ford, Köln, 2010 [2] www.ADAC.de [3] Eco-driving uncovered, Online-Firmenbericht, Fiat, 2010 [4] STAUCH, O., STEIN, F. und STROBEL, A.: Wissen, wo‘s langgeht. 01/ 2009. Naviconect 2009 [5] BRAUN, R., KEMPER, C., MENIG, C., BUSCH, F., HILDEBRANDT, R., PAULUS, I., PRESSLEIN-LEHLE, R. u. WEICHENMEIER, F.: TRAVOLUTION - Netzweite Optimierung der Lichtsignalsteuerung und LSA- Fahrzeug-Kommunikation. Straßenverkehrstechnik 06/ 2009. Bonn: FGSV Kirschbaum Verlag, 2009 [6] KATWIJK, V. R., et. al.: Use cases & System requirements, D5.1, S.19f, 2010 [7] SCHMITS, TIJN: High level Architecture, eCoMove Deliverable SP2 WP3, S.29, 2011 [8] FESTA Handbook, (www.fot-net.eu/ en/ library/ deliverables/ ) [9] ISASI DE LA IGLESIA, L.: Validation and Evaluation Plan, eCoMove Deliverable D6.2 (to be published) [10] TROMMER, S., HöLTL, A.: Perceived usefulness of eco-driving assistance systems in Europe; IET Intelligent Transport Systems, p.145-152, Volume 6, Issue 2, 2012 Arne Höltl, Dipl.-Wirtschaftsing. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Verkehrsforschung, Berlin arne.hoeltl@dlr.de Stefan Trommer, Dipl.-Geogr. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Verkehrsforschung, Berlin stefan.trommer@dlr.de Philipp Gilka, Dr.-Ing. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Verkehrsforschung, Berlin philipp.gilka@dlr.de INduSTrIe+TeCHNIK Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 72 E-Mobilität Langstreckenversuch an der A9 Ganz wesentlich für Akzeptanz und Kauf von Elektrofahrzeugen ist die Gewissheit, auch weite Strecken problemlos zurücklegen zu können. Ein Projekt im Rahmen des Schaufensters „Elektromobilität verbindet“ Bayern-Sachsen zeigt dazu eine Möglichkeit auf. Entlang der Autobahn A9 von München über Nürnberg nach Leipzig werden Gleichstromschnellladesäulen installiert, die es den Fahrern von Elektrofahrzeugen erlauben, in kurzer Zeit ihr Fahrzeug aufzuladen. Das Projekt wird gemeinsam von Siemens, E.ON und BMW durchgeführt. Ende Dezember 2012 wurden die Förderbescheide des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) zugestellt, nun werden in einer ersten Projektphase die Ladesäulen aufgebaut und getestet. Dabei steuern zunächst Vorserienfahrzeuge von BMW auf Erprobungsfahrten die Ladestationen an. Ab Mitte Januar 2014 sollen die Schnelllader auch privaten Nutzern zur Verfügung stehen. In der zweiten Projektphase bis Mitte Juni 2014 erfolgt die Anbindung der Infrastruktur an das Ladesäulenmanagement und an das E.ON-Backend-System. In Phase 3, beginnend ab Mitte Juni 2014, ist der Vollbetrieb des Systems einschließlich der exemplarischen Anbindung an die Plattform für Roaming und Clearing für Elektromobilitätsservices des Joint Ventures Hubject geplant. Die Produktprototypen einer Gleichstromschnellladesäule mit dem neuen Combostecker sowie eine Drehstromladesäule für die A9-Elektriizierung wird Siemens liefern. Ebenso installiert das Unternehmen das zentrale Ladesäulenmanagement und übernimmt das übergeordnete Projektmanagement. Für die Installation der Ladeinfrastruktur mit Netzanschlüssen etc. sind BMW und E.ON zuständig. E.ON übernimmt zudem die Aufgabe des Betreibers der gesamten Ladeinfrastruktur und will dabei neue Geschäftsmodelle entwickeln und testen, während BMW Versuchsfahrzeuge stellt, um die Infrastruktur im täglichen Betrieb zu erproben. (zp) Mobilitätskonzept HVV verbindet Die verschiedenen Verkehrsmittel im Hamburger Großstadtverkehr werden enger miteinander vernetzt. U-Bahn und Busse der Hamburger Hochbahn, die S- Bahn der Deutschen Bahn, die Mietwagen des Vermieters Europcar und die Smarts der Daimler-Initiative Car2go werden seit Ende Mai unter dem Namen „switchh“ gemeinsam vermarktet. Auch Taxis und die Fahrradstationen der Deutschen Bahn sollen in das Konzept einbezogen werden. Große Verkehrsknotenpunkte in Hamburg werden zu Switchh- Punkten umgerüstet, an denen alle Mobilitätsangebote den Kunden zur Verfügung stehen. Damit soll es den Hamburgern leichter fallen, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Zum Service gehört eine multimodale Ergänzung der HVV-Fahrplanauskunft im Internet und als App. (zp) Goodyear Dunlop Kraftstofrechner im-Internet Was verbraucht ein LKW unter welchen Rahmenbedingungen? Die neue Ausgabe des internetbasierten Kraftstofrechners des Reifenherstellers Goodyear Dunlop gibt darauf Antwort. Fuhrparkleiter können dort online alle notwendigen Angaben zu Fahrzeugtyp und -ausstattung, Fahrerschulung, geograischer Region und natürlich Reifentyp eingeben und mit anderen Konigurationen hinsichtlich der Verbrauchseizienz vergleichen. (ben/ zp) DSLV Berechnung von CO 2 -emissionen Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hat den Leitfaden „Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik - Begrife, Methoden, Beispiele“ Mitte April in einer zweiten aktualisierten Aulage und erstmals auch auf Englisch veröfentlicht. Ein Kapitel widmet sich dem besonderen Problem der Allokation von Verbrauch und Emissionen auf Einzelsendungen bei Sammelguttransporten. Der Leitfaden orientiert sich dabei an der mit Ausgabedatum März 2013 erschienenen Norm DIN EN 16258 - Methode zur Berechnung und Deklaration des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen. Die vorliegende zweite Aulage des DSLV-Leitfadens berücksichtigt auch die wesentlichen Elemente der zum 1. Oktober 2013 in Kraft tretenden französischen Gesetzgebung. Beide Fassungen können kostenfrei von der DSLV- Homepage (www.spediteure.de) heruntergeladen werden. (zp) Omnitracs driver Telematics App für Fahrer erweitert Omnitracs hat ihre Driver Telematics App für die Kommuniktaion zwischen Fahrer und Disponent weiterentwickelt. Die beiden neuen Funktionen umfassen Push-Nachrichten und Alarmmeldungen. Push-Nachrichten erreichen die Fahrer viel schneller als herkömmliche Nachrichten, da sie direkt auf das Telefon geschickt werden und nicht abgefragt werden müssen. Alarmmeldungen erscheinen auf dem Smartphone des Fahrers als Popup-Nachricht, auch wenn das Programm nicht läuft. Damit können Fahrer umgehend auf wichtige Meldungen reagieren. Die Anwendung für Smartphones mit dem Betriebssystem Android erhalten Unternehmen kostenlos im App-Shop Google Play. Gezahlt wird pro Nutzung. (zp) Die Driver Telematics App versendet Pop-up-Nachrichten. Foto: Omnitracs British Airways Mehrere A350 und dreamliner geordert Im Rahmen der Erneuerungs- und Modernisierungsstrategie für die Langstreckenlotte der Airline haben British Airways und ihr Eigentümer International Airline Group (IAG) eine Grundsatzvereinbarung (MoU) über den Kauf von 18 Airbus A350-1000 mit Optionen auf 18 weitere Flugzeuge mit EADS unterzeichnet. IAG hat sich zudem kommerzielle Bedingungen und Liefertermine gesichert, die zu Festaufträgen für die spanische Fluggesellschaft Iberia führen könnten, die ebenfalls zu IAG gehört. Nach Angaben von British Airways passen die A350 in Größe und Reichweite perfekt zum bestehenden Streckennetz. Bereits in diesem Sommer wird die erste von zwölf A380 an die Gesellschaft ausgeliefert, die 2007 geordert wurden. Genauso hat IAG / British Airways auch 18 weitere Dreamliner-Langstreckenjets beim Airbus-Konkurrenten Boeing bestellt. 24 Einheiten dieses Flugzeugtyps hatten die Briten bereits 2007 geordert. (zp) Wiener Hafen dritter Containerkran für das Terminal Wiencont, der Betreiber des trimodalen Containerterminals im Wiener Hafen, hat eine zusätzliche Kranbrücke in Betrieb genommen. Der dritte Containerkran ist Teil eines groß angelegten Ausbauprogramms. Rund 170 Mio. EUR investiert der Wiener Hafen in den nächsten sechs Jahren gemeinsam mit Partnern in Erweiterungs- und Modernisierungsprojekte. „Mit der neuen dritten Kranbrücke sind wir nun auch für das künftige Wachstum bestens gerüstet und können die Anzahl der TEU auf 600- 000 pro Jahr steigern“, erklärte Wien Holding-Direktor Peter Hanke. Seit 2007 hat sich der Containerumschlag im Wiener Hafen verdoppelt. 2012 wurden 460- 000 TEU umgeschlagen. WienCont ist ein Unternehmen der Wien Holding. (hec/ zp) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 73 PTV e-Mobilität in ÖPNV integrieren Die verbesserte Integration von Elektromobilität in regionale Mobilitätsdienste steht im Mittelpunkt des Projekts „Intermodales eMobilitätsmanagement (I-eMM)“, welches das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über drei Jahre im Spitzencluster ‚Elektromobilität Süd-West‘ in der Region Rhein-Neckar mit 1,67 Mio. EUR fördert. Ziel ist es, verbesserte E-Mobilitätsangebote insbesondere in Vernetzung mit öfentlichem Personennahverkehr und Car-Sharing- Angeboten zu schafen. Die PTV Group leitet als Koordinator das Verbundprojekt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zum intermodalen E-Mobilitätsmanagement sollen zum Ende der Laufzeit im August 2015 vorliegen. (zp) SCI China führt auf Busmarkt Die weltweite Busnachfrage wächst weiter. Für die kommenden fünf Jahre rechnet die Beratung SCI Verkehr in ihrer in diesem Frühjahr vorgestellten Studie „Buses - Global Market Trend“ mit gut 5-% Steigerung der Buslieferungen. Dieser Trend sei wesentlich auf die positive Dynamik in China (fast 30-% der weltweiten Busnachfrage) und Indien (10-%) zurückzuführen. Als Konsequenz daraus gewinnen asiatische und insbesondere chinesische Bushersteller weitere Marktanteile auf Kosten der westlichen Busbauer. Zum ersten Mal dominierten im Jahr 2012 zwei chinesische Hersteller, Yutong und King Long, die weltweiten Buslieferungen und verdrängten damit den langjährigen Marktführer Daimler auf Platz 3. Die indischen Hersteller Tata Motors und Ashok Leyland nehmen die Ränge 4 und 5 ein. Daimler reagiert auf die Situation in China und bündelt künftig das Importgeschäft für Nutzfahrzeuge in einer rechtlich eigenständigen Gesellschaft. „Daimler Trucks and Buses China Ltd.“ soll die Position des Unternehmens stärken und helfen, neue Märkte in China zu erschließen. Knapp eine halbe Million Busse konnte 2012 verkauft werden. Die stärkste Nachfrageregion Asien wird sowohl vom Wirtschaftswachstum als auch durch die voranschreitende Urbanisierung und den damit verbundenen Ausbau von Stadtverkehrssystemen getrieben. Die Nachfrage auf dem größten Markt in Lateinamerika / Brasilien ging aufgrund der zahlreichen vorweggenommenen Käufe zum Wechsel zu strengeren Emissionsstandards im Jahr 2012 zurück. Auch in ihren Heimatmärkten werden westliche Bushersteller laut SCI-Studie zunehmend bedroht. Der Mangel an notwendigen Finanzmitteln seitens der Betreiber führe zu einer erhöhten Preissensibilität und biete erhebliche Marktchancen für günstigere Busmarken aus Polen oder der Türkei. Der polnische Hersteller Solaris ist einer der neuen Herausforderer in Westeuropa. (zp) Führende Bushersteller nach Absatz in den Jahren 2010 und 2012 Quelle: SCI Verkehr Schmitz Cargobull Produktion bald auch in St. Petersburg Von November 2013 an möchte der Trailerbauer Schmitz Cargobull in einer neuen Fertigungsstätte in St. Petersburg produzieren, um damit der wachsenden Nachfrage in Osteuropa gerecht zu werden. Für 2013/ 2014 ist die Herstellung von 900 Anhängern geplant. Innerhalb von vier Jahren soll die Menge auf 5000 Einheiten steigen. Im Geschäftsjahr 2011/ 2012 hat Schmitz Cargobull nach eigenen Angaben bereits rund 5000 Einheiten in Russland verkauft. (zp) Invensys eisenbahnsparte geht an Siemens Die EU-Kommission hat keine Bedenken: Siemens darf die auf Eisenbahnsignaltechnik spezialisierte Tochter des britischen Unternehmens Invensys kaufen. Nach Angaben der Kommission gebe es auch nach der Übernahme von Invensys Rail weiterhin eine gesunde internationale Konkurrenz durch Unternehmen wie Thales, Alstom, Bombardier und Ansaldo. (zp) Magna Neues Werk in Sachsen Der Autoteilezulieferer Magna International Inc. expandiert mit seiner Geschäftseinheit Magna Exteriors & Interiors (MEI) in Europa und hat Ende April einen neuen Produktionsstandort im sächsischen Meerane eröfnet. MEI siedelt sich mit dem neuen Werk nahe der Heimat von Volkswagen Sachsen in Mosel an und beliefert den Automobilhersteller bedarfssynchron mit Kunststofelementen für die Außenverkleidung des neuen Golf VII wie Heck- und Frontstoßfänger. MEI Meerane verfügt über eine Produktionsläche von 15-000 m² und beschäftigt aktuell 140 Mitarbeiter. (zp) Qualitätsinspektion nach Lackierung Foto: Magna Socratec Ortungssystem für Aircargo Der Telematikspezialist Socratec, Bensheim, hat im Rahmen eines Forschungsprojekts ein neues Ortungssystem für Luftfracht auf GPS-Basis entwickelt. Herzstück der Sendungsverfolgung ist ein kleines Ortungsmodul aus Kunststof. Es kann leicht in Frachtcontainer oder andere Transportbehälter integriert werden. Das Socralite-System identiiziert die aktuelle Position der Luftfracht und sendet sie über den GSM/ GPRS-Mobilfunkstandard an ein Kontrollzentrum. In der auf einem Internetserver zur Verfügung gestellten Anwendersoftware kann von überall auf die Daten zugegrifen und neben der aktuellen Position der Fracht auch der Verlauf des Transportwegs angezeigt werden. Das Besondere ist, dass sich das Mobilfunkmodem während des Flugs abschaltet sowie die Anforderungen der Luftfahrtbehörden an die Energieversorgung und die elektromagnetische Verträglichkeit erfüllt. Die eingesetzte Sensorik ermöglicht auch eine Kontrolle von Vorfällen wie zum Beispiel Stößen während der Verladung und dokumentiert den Zeitpunkt und den Ort des Vorfalls. (ma/ zp) INduSTrIe+TeCHNIK Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 74 Daimler Produktion in rumänien wird ausgebaut Der Vorstand der Daimler AG hat Ende April entschieden, das Powertrain-Produktionsnetzwerk von Mercedes-Benz Cars auszubauen. Zusätzliche Kapazitäten für die Montage von Automatikgetrieben bei der rumänischen Daimler-Tochtergesellschaft Star Transmission sind geplant, da das Stuttgarter Werk keine Kapazitäten mehr hat. Die Investition im rumänischen Sebes soll mehr als 280 Mio. EUR betragen.-Um das schwäbische Know-how entsprechend zu transferieren, durchlaufen die rumänischen Mitarbeiter ein spezielles Qualiizierungsprogramm in Untertürkheim. (zp) Getriebeproduktion bei der Daimler-Tochter Star Transmission im rumänischen Sebes Foto: Daimler BDLI 2012 war ein gutes Jahr der Luftfahrt Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie ist im vergangenen Jahr kräftig gewachsen. Der Umsatz legte um 10,3- % auf 28,4 Mrd. EUR zu. Das teilte der Branchenverband BDLI im Frühjahr mit. Die Beschäftigtenzahl stieg um 3,4- % auf 100 700. Der Verband führt das seit 2005 anhaltende Wachstum auf Innovationen der Branche und die Förderung durch die Bundesregierung zurück. Besonders stark legte im vergangenen Jahr der wichtige Sektor Zivilluftfahrt zu, auch bei der Raumfahrt ging es weiter aufwärts. Probleme hatten die Rüstungskonzerne: Der Umsatz der wehrtechnischen Luft- und Raumfahrt sank leicht um 0,5 Prozent. (zp) Ardmore Shipping Sky Sails installiert Öko-Überwachung Die irische Reederei Ardmore Shipping, spezialisiert auf Produkt- und Chemikalientanker, rüstet ihre Flotte mit Sky Sails Performance-Monitoren aus. Sie sollen helfen, das Treibstofmanagement und die Betriebseizienz der Schife zu überwachen und zu verbessern. Zunächst erhalten die vier Imo-3-Tanker, die nach den neuesten ökologischen und ökonomische Erkenntnissen gebaut werden und von denen der erste kürzlich ausgeliefert wurde, die technische Neuerung. Nun soll sich in der Praxis zeigen, wie sehr sich etwa der Einbau von eizienten Propellersystemen, eine besondere Form der Außenhaut mit spezieller Beschichtung und die Wahl bestimmter elektronischer Maschinen sowie eine besondere Fahrweise auf den Treibstofverbrauch auswirken. Theoretisch sollen 10 bis 15- % Ersparnis gegenüber herkömmlichen Schiffen dieser Größe erreicht werden können. (zp) Sky Sails Monitoring-System Foto: Sky Sails Fliegl Leichte Coil-Trailer entwickelt Der Triptiser Aulieger- und Anhängerhersteller Fliegl hat eine neue Generation von Coil-Fahrzeugen vorgestellt. Diese sind dank einer überarbeiteten Rahmenkonstruktion deutlich leichter als ihre Vorgängerbaureihe. So bringen die Varianten Coil Light mit 6300 kg in der Grundausstattung 800 kg weniger auf die Waage und Mega Coil Light mit 6600 kg 1000 kg weniger. Bei beiden Fahrzeugen ist die Coil-Mulde 7 m lang und zwischen 1120 mm (oben) und 320 mm (unten) breit. Wird die Ausstattung nicht benötigt, kann der Fahrer die Mulde mit einer Platte abdecken, um die Fahrzeuge als Standard-Curtainsider einzusetzen. (ben/ zp) Felbermayr SNCB verkauft Binnenschiffahrt Die belgische Schienengüterverkehrsgruppe SNCB Logistics verkauft ihre Binnenschiffahrtsunternehmen H&S Container Line und Haeger & Schmidt International sowie den Mehrheitsanteil an der Reederei RKE N.V. an die österreichische Felbermayr Holding Wels. Das Geschäft wurde im April bekannt und gilt rückwirkend zum 1. Januar 2013. Der Verkauf ist Bestandteil der Restrukturierung von SNCB-Logistics. Die Gruppe will sich auf die Kernkompetenz Schienengüterverkehr konzentrieren und zu einem wettbewerbsfähigen privaten Eisenbahnunternehmen werden. Felbermayr verstärkt mit der Akquisition die Präsenz an den Hafenstandorten Linz/ Donau und Krefeld. Käufer und Verkäufer wollen weiterhin auf den Verbindungen zwischen den belgischen Häfen Antwerpen und Zeebrügge und den Rheinhäfen Duisburg, Andernach, Ottmarsheim und Straßburg zusammenarbeiten. (ici/ zp) Crystal Cabin Award Neue Kühltrolleys Für Innovationen in der Flugzeuginnenausstattung sind kürzlich sieben Unternehmen in Hamburg mit dem Crystal Cabin Award ausgezeichnet worden. Im Bereich Grüne Kabine, Gesundheit, Sicherheit & Umwelt überzeugte Boeing. Der US-amerikanische Flugzeugbauer macht durch den „Insulated Galley Cart“ die bordeigenen Kühlanlagen überlüssig, denn die Trolleys halten die Ware vom Caterer bis zum Flugzeug und während des gesamten Fluges kühl. Diese Änderung bei der Lagerung gekühlter Lebensmittel kann zu drastischen Verringerungen des Flugzeuggewichts führen. (zp) LNG Häfen arbeiten an-Standards Die Schiffahrtsindustrie zeigt steigendes Interesse an Liqueied Natural Gas (LNG) als umweltfreundliche Alternative zum Schifsdiesel als Treibstof und bestellt verstärkt Einheiten, die damit fahren können. Je mehr Schife LNG nutzen, desto besser muss die Infrastruktur zur Versorgung mit LNG in den Häfen weltweit sein, nicht nur in den besonders unter Schutz gestellten Seca-Zonen wie der Ostsee. Die World Ports Climate Initiative (WPCI) hat eine „LNG Fuelled Vessels Working Group“ ins Leben gerufen, die sich mit den Prämissen für den Infrastrukturausbau und dem sicheren Umgang mit LNG beschäftigt. Die Arbeitsgruppe wird vom Port of Antwerp geleitet. Mitglieder sind zudem die Häfen von Amsterdam, Bremerhaven, Brunsbüttel, Göteborg, Hamburg, Le Havre, Los Angeles, Long Beach, Rotterdam, Stockholm und Zeebrügge. Enger Kontakt besteht zu Industrie und Regierungen. (zp) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 75 EU Autobauer sollen weiter CO 2 sparen Fahrzeughersteller müssen sich darauf einstellen, dass die Flottenwerte für CO 2 weiter abgesenkt werden. Der Umweltausschuss des Europaparlaments votierte Ende April in Brüssel für Kohlendioxidobergrenzen von maximal 78 g CO 2 pro km für das Jahr 2025. Bislang gibt es nur Ziele bis zum Jahr 2020 von 95-g/ km CO 2 für alle Neufahrzeuglotten. Derzeit gilt ein Zielwert von 130 g. Die Autobauer können die Werte in Zukunft leichter erreichen, wenn sie auch Wagen mit besonders wenig CO 2 -Ausstoß wie Elektroautos herstellen. Solche Fahrzeuge sollen mehrfach angerechnet werden und entlasten so den Durchschnittswert der gesamten Flotte. Allerdings wird die Mehrfachanrechnung durch Umweltverbände ebenso kritisiert wie die weitere Absenkung der Flottenwerte durch die Automobilindustrie. Ein weiteres Mittel, um die Umweltbilanz der Hersteller zu verbessern, sind Erdgasfahrzeuge. Auf dem Genfer Autosalon im März waren allein vier Premieren zu sehen: der VW Golf, der Audi A3 g-tron, die Mercedes B-Klasse und der Lancia Ypsilon. Drei der vier Premieren unterschreiten schon heute die EU-Vorgabe für 2020. (zp) Rupert Stadler, Vorsitzender des Vorstands der Audi AG, neben dem Audi A3 Sportback g-tron auf dem Automobilsalon Genf 2013. Foto: Audi Lion Air 234 Flieger der A320-Familie Die indonesische Low-Cost-Fluggesellschaft Lion Air hat bei Airbus 234 Flugzeuge der A320-Familie fest in Auftrag gegeben. Das Unternehmen will die Flieger mit 180 bis 236 Sitzen in ihrem schnell wachsenden Inlands- und Regionalnetz einsetzen. (zp) Airbus hat mit Lion Air einen neuen Kunden gewonnen. Foto: Airbus VDB Weniger Bestellungen, zu wenig Zulassungen Die deutsche Bahnindustrie verzeichnete im vergangenen Jahr erheblich weniger Bestellungen als noch 2011. Die Order für neue Züge, Lokomotiven und Infrastruktur seien im Vergleich zu 2011 - dem Jahr des ICx-Großauftrags - um mehr als ein Viertel zurückgegangen, sagte Michael Clausecker, Präsident des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), Mitte April in Berlin. Auch im Vergleich zu 2010 gebe es ein deutliches Minus. Das Auftragsvolumen lag mit 10,5 Mrd. EUR erstmals seit 2009 wieder unter dem Umsatz. Weil zahlreiche Aufträge aus den Vorjahren endlich abgerechnet werden konnten, fuhr die Branche mit 10,7 Mrd. EUR den zweitgrößten Erlös ihrer Geschichte ein, plus 5-% gegenüber 2011. Für 2013 sieht Clausecker vor allem Probleme bei der Zulassung von Zügen und Loks. Viele Einheiten stünden fertig herum, weil die Zulassung des Eisenbahn- Bundesamts fehle. Clausecker bemängelt, dass die Zulassungspraxis nicht mit der technischen Entwicklung Schritt halte. Auch auf neue Technik würden alte Normen angewandt, der Nachweis gleicher Sicherheit werde nicht anerkannt. (ici/ zp) Yusen Logistics Neues Logistikzentrum im duisburger Hafen Mit dem Bau eines neuen Logistikzentrums erweitert der global agierende Logistikdienstleister Yusen Logistics seine Logistiklächen im Duisburger Hafen auf rund 70 000- m 2 . Damit zählt Duisburg zu den weltweit wichtigsten Standorten des Unternehmens. Yusen wird durch die neue Fläche zum zweitgrößten Logistikkunden im Duisburger Hafen. Errichtet wird der 26 000- m 2 große Hallenkomplex auf einem der letzten verfügbaren Grundstücke auf dem Logport-I-Gelände. Bereits im Jahr 1999 hat sich das japanische Speditionsunternehmen, damals noch unter dem Namen New Wave, auf fast 15 000- m² Hallenläche auf Logport I angesiedelt. In den Folgejahren wurde der Standort unter dem Namen NYK Logistics stetig ausgebaut. Nun folgt die fünfte Erweiterung, die Anfang 2014 eröfnet werden soll. (zp) Kirovsky Zavod Göppel Bus übernommen Die russische Industrieholding Kirovsky Zavod hat zum 1. März den insolventen Bushersteller Göppel Bus in Nobitz bei Altenburg in Ostthüringen übernommen. Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. Die Standorte in Nobitz und Augsburg mit insgesamt 120 Mitarbeitern sollen erhalten bleiben, teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Göppel Bus baut Stadtlinienbusse und Anhänger für den Personennahverkehr. Zuletzt waren es etwa 100 pro Jahr. Damit erzielte das Unternehmen vor der Insolvenz einen Umsatz von etwa 15 Mio. EUR. Die Kirovsky-Gruppe stellt unter anderem Traktoren und Baumaschinen her. (zp) Jade-Weser-Port Ausbau wird geprüft Niedersachsen hat Mitte April die Ausschreibung einer Machbarkeitsstudie für die Erweiterung des Containerhafens in Wilhelmshaven (JWP II) bei der EU auf den Weg gebracht. In der Studie soll untersucht werden, ob ein zweiter Containerhafen in nördlicher Verlängerung des bestehenden Jade-Weser-Ports realisierbar ist. Das Studienergebnis soll Anfang 2015 vorliegen. Eurogate, der Betreiber des Jade-Weser-Ports, rechnet trotz Anfangsschwierigkeiten mit dem Erfolg von Deutschlands einzigem Tiefwasserhafen. Die Zahl der großen Containerschife wachse weltweit weiter, sagte der Vorsitzende der Eurogate- Geschäftsführung, Emanuel Schifer, auf dem Europäischen Hafentag im April in Bremerhaven. Bis Ende 2014 werde im Fernost-Europa-Verkehr kein Schif mehr mit einer Kapazität von weniger als 13- 000 Standardcontainern fahren. Diese Schife erreichten bis zu 15 m Tiefgang und könnten Bremerhaven und Hamburg so nicht ansteuern. (sr/ zp) Die Marktübersicht Europäische Bahnen liefert Ihnen zum Bahnmarkt in Europa einen aktuellen Überblick. + + + A B J U N I + + + A B J U N I + + + A B J U N I + + + A B J U N I + + + A B J U N I + + + A B J U N I + + + Erscheinungstermin: 1. Juni 2013 Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0451-5 Format 148 x 215 mm Preis: EUR 128,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress Telefon: +49/ 40/ 2 37 14-440 · Fax +49/ 40/ 2 37 14-450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ eb Europäische Bahnen '13 '14 Das Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen 34 Länder 1.250 Unternehmen 3.000 Ansprechpartner 15.000 Triebfahrzeuge In der 7. Au age nden Sie jetzt auch: Estland, Lettland, Litauen, UK, Irland • zusätzliche Übersichts-Streckenkarten zu den • behandelten Ländern noch mehr • Streckenkarten und Organigramme ausgewählter Unternehmen Eine Marktstudie Europa mit Auswertungen zur • Liberalisierung im Personen- und Güterverkehr (Marktanteile, Unternehmensanzahl, Trassenentgelte im Vergleich etc.) In Zahlen bedeutet dies: rund • 1.250 Unternehmen mit allen Daten zu Gesellschaftern, Management, Historie und Verkehren ein • Personenindex mit mehr als 3.000 Einträgen 34 Länder • und mehr als 15.000 Triebfahrzeuge der privaten Bahngesellschaften mit ihren Herstellerdaten. Diese Datenfülle mit ihrem hohen Qualitätsstandard ist einzigartig in Europa. Mit dem Buch erhalten Sie eine CD-ROM. Diese enthält detaillierte Fahrzeuglisten sowie alle Inhalte des Buches als PDF (Volltextsuche möglich). Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 77 v erK e H rsw I s s e n s c H A FtL I c H e n Ac H rI c H te n Mitteilungsblätter der Deutschen verkehrswissenschaftlichen gesellschaft e.v. 2. Heft Juni 2013 1. Deutscher Mobilitätskongress L iebe Mitglieder der DVWG, sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland ist durch seine geograische Lage mitten in Europa und als drittgrößte Exportnation der Welt auf eine funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur und ein hohes Maß an Mobilität angewiesen. Persönliche Freiheit, dauerhafter Wohlstand und eine hohe Konkurrenzfähigkeit im weltweiten Wettbewerb sind ohne Mobilität nicht denkbar. Diesen Grad an Mobilität zu gewährleisten, stellt uns vor große Herausforderungen. Dazu zählen nicht nur absehbare Grenzen beim Ausbau der Infrastruktur und ofene Fragen hinsichtlich der Finanzierung und Erhaltung der Verkehrswege, sondern auch wachsende Verkehrsmengen, steigende Umweltbelastungen und hohe Energiepreise. Die Verkehrs- und Mobilitätspolitik steht nicht nur in Deutschland an einem Wendepunkt. Für Herausforderungen dieser Dimension fehlt bisher das Forum, in dem die Debatte über die Zukunft von Verkehr und Mobilität kompetent, branchen- und disziplinübergreifend geführt werden kann; eine Debatte, die sich vor allem mit Fragen von Verkehr und Mobilität im Kontext von Metropolenentwicklung und nachhaltigem Wachstum beschäftigt. Vor diesem Hintergrund haben die International School of Management (ISM), der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), das House of Logistics & Mobility (HOLM) und die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG) in Zusammenarbeit mit Messe Frankfurt beschlossen, ab 2013 einen Deutschen Mobilitätskongress als neues Veranstaltungsformat ins Leben zu rufen. Da wir uns als beachteter und erfolgreicher Veranstalter verkehrswissenschaftlicher Kongresse und Foren bereits einen Namen machen konnten, haben sich die Partner entschieden, der DVWG die Veranstalterfunktion zu übertragen. Präsidium und Hauptgeschäftsstelle sind sich der großen Verantwortung bewusst und werden gemeinsam alle Kräfte daran setzen, diese anspruchsvolle Aufgabe erfolgreich umzusetzen. Wir sehen unser Engagement als gewaltige Chance für die DVWG, sich in ihrer Rolle als kompetenter Vermittler zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik weiter zu proilieren. Der Deutsche Mobilitätskongress als einmal jährlich ausgerichtete Veranstaltung zum Thema Verkehr und Mobilität soll Antworten auf die genannten Fragen geben und verantwortliche Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzubringen. Unter seinem Dach wollen wir gemeinsam mit unseren Partnern eine Diskussionsplattform für Fachleute verschiedener Disziplinen und Branchen bieten, um praktikable Lösungen zu erarbeiten und entscheidende Impulse für eine gesellschaftliche Debatte über das Kernthema eines gleichermaßen ökonomisch, ökologisch wie sozial verantwortbaren Verkehrs und einer nachhaltigen Mobilität zu geben. Der Kongress wird erstmalig am 7. November 2013 im neuen Gesellschaftshaus des Palmengartens in Frankfurt am Main veranstaltet und ab 2014 jeweils im November im neuen Kongresszentrum der Frankfurter Messe KAP EUROPA ausgerichtet. Ein Frankfurt Welcome Evening eröfnet den Kongress am Vorabend. Der 7. November steht im Zeichen des Kongresses zum Thema „Energie und Mobilität - unterwegs in eine nachhaltige Gesellschaft“, der mit einer Abendveranstaltung im 25. Stock des Japan Towers, mitten im Herzen der Mainmetropole, ausklingen wird. Im Verlauf dieses Tages haben Studierende die Gelegenheit, an „Nachwuchs trift Entscheider“-Runden mit Führungsvertretern aus Wirtschaft und Politik persönlich ins Gespräch zu kommen. Die Veranstaltung wird am 8. November mit Fachexkursionen abgeschlossen. Der Deutsche Mobilitätskongress bietet die Möglichkeit für Unternehmen, Institutionen und Verbände, über ihre Leistungen und Angebote zu informieren und sich einer breiten Öfentlichkeit, einem qualiizierten Fachpublikum, aber auch den Entscheidungsträgern aus der Politik zu präsentieren. Detaillierte Informationen zu Ausstellungs- und Präsentationsmöglichkeiten, zeitlichem Ablauf und Kongressprogramm inden Sie unter www.deutscher-mobilitaetskongress.de . Ich möchte Sie an dieser Stelle herzlich einladen, dabei zu sein bei dem Event für die Mobilitätsbranche, das Antworten gibt auf die Herausforderung einer verantwortungsvollen Mobilität der Zukunft. Für Ihre Anregungen und Fragen stehen Ihnen die Mitarbeiter des Teams der Hauptgeschäftsstelle in Berlin gern zur Verfügung. Iris Götsch Teamleitung Hauptgeschäftsstelle DVWG e.V. dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 78 Öfentlich Private Partnerschaft (ÖPP): Ein alternatives Beschafungsmodell zur Realisierung öfentlicher Infrastruktur Ö fentliche Infrastrukturprojekte prägen nicht nur unsere Städte und Landschaften, sie stellen auch einen bedeutenden Faktor der Beschäftigung, Wertschöpfung und Baukultur dar. Infrastruktur eröfnet neue Geschäftsmöglichkeiten und erleichtert den Handel von bestehenden Wirtschaftsaktivitäten. Wegen der Notlage öfentlicher Haushalte, besonders bei den Kommunen, kann die Infrastruktur nicht mehr in dem notwendigen Umfang realisiert, modernisiert oder saniert werden. Der Investitionsbedarf allein für die Kommunen beträgt für den Zeitraum von 2006 bis 2020 ca. 450 Mrd. Euro, der durch die tatsächlichen Investitionen in das öfentliche Bauwesen nicht annähernd ausgeglichen werden kann [1]. Um notwendige Infrastrukturprojekte dennoch umzusetzen, wird neben dem öfentlichen Eigenbau vermehrt die Beschafungsvariante „Öfentlich Private Partnerschaft“ (ÖPP) eingesetzt. ÖPP ist eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen Öfentlicher Hand und Privatwirtschaft zur wirtschaftlichen Realisierung öffentlicher Aufgaben über den gesamten Exkursion in den Magdeburger Hafen: Erste Hybrid-Lok im Einsatz Bernd Schubert, Bezirksvereinigung Sachsen-Anhalt W enn auch in der Geschichte Magdeburgs alle Verkehrsträger vom Flugzeug bis zum Binnengüterschif eine herausragende Rolle spielten, so ist seit der Wiedervereinigung mit dem Wasserstraßenkreuz als VDE- Projekt Nr. 17 zumindest ein Großprojekt vorangetrieben worden, mit dem die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts auch zukünftig als trimodale Schnittstelle alle Register einer nachhaltigen Verkehrspolitik bei der Bewältigung ständig wachsender Güterströme ziehen kann. Bedeutsam ist das gerade im Kontext der Bestrebungen, den seit Jahrzehnten geplanten Ausbau der mittleren Elbe einschließlich der Saale aufzugeben. Magdeburg schaft nun 2013 durch Vollendung des Schleusensystems ideale Voraussetzungen, an diesem mitteldeutschen Achsenkreuz unterhalb des Mittellandkanals elbwasserstands-unabhängig im Industriehafen alle denkbaren Logistikprozesse für Schüttgüter, Großsystemhersteller und Fluidtransporte über 4 Terminals abzuwickeln. Großes Augenmerk wurde dabei auf Umschlagsleistungen zur Schiene, über die dort angesiedelte Hafenbahn GmbH gelegt. Mit zunehmender Besiedlung u.a. auch durch einen namhaften Windkraftanlagenhersteller lag es nahe, alle Hafenprozesse auf ihre Integrationsfähigkeit im Projekt „Greenport“ zu prüfen. Die Entwicklung einer Hybrid Rangierlok der Firma Alstom am 50 km entfernten Standort Stendal war da mehr als willkommen. Der Wagemut wurde belohnt. Seit Ende 2012 verkehrt die 67 Tonnen schwere BR 2001-Hybrid im Hafengebiet mit bis zu 60 km/ h. Dabei benötigt sie im Vergleich zur konventionellen Schwesterlok BR 298 nur noch 50 % der bisherigen B re n n s t o ff m e n g e und reduziert den Schadstoffausstoß um ca. 70 %. Zwischenzeitlich versehen diese ökologischen Kraftpakete bei mehreren Logistikdienstleistern (u. a. bei der MEG und im VW-Werk Wolfsburg) ihren Dienst. Eine Besonderheit in Magdeburg ist eine stationäre windenergiebasierte Tankstelle für die Batteriesysteme der Hybrid-Lok. Die BV Sachsen-Anhalt erfuhr bei einer Exkursion in den Hafen Magdeburg viele Details dieser in der Fachwelt mit viel Aufmerksamkeit bedachten Entwicklung. An dieser Stelle geht auch ein Dank an den Betriebsleiter der Magdeburger Hafenbahn Herrn M. Puppe für den sehr interessanten Einblick in diese zukunftsorientierte Technik. ■ sachsen-anhalt@dvwg.de Technische Details zur Lok Spurweite 1435 mm Radsatzanordnung B`B` Länge über Pufer 14240 mm Breite 3100 mm Dienstmasse (2/ 3) 67 t Höchstgeschwindigkeit 60 km/ h Bordelektrik 24 V DC Stromerzeuger Deutz 238 kW Antriebsleistung 600 kW Anfahrzugkraft 200 kN kleinster Kurvenradius 80 m Ausstattung: u. a. Funkfernsteuerung, automat. Rangierkupplung, Rangierkamera Prof. renigard Baron, Bezirksvereinigung Freiburg Foto: Magdeburger Hafen GmbH Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 79 dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Aktuell wird derzeit ein B-Modell diskutiert, das für die Deutsche Bahn entwickelt wird. Es übernimmt die aus dem A-Modell des Bundesfernstraßenbaus bewährten Strukturen und ergänzt diese durch eine Finanzierung mit einer Infrastrukturanleihe. Zusammenfassend ist festzustellen, dass wegen der engen inanziellen Möglichkeiten der Öfentlichen Hand, alternative Beschafungsmodelle immer wichtiger werden, um damit größtmögliche Investitionserfolge zu erzielen. Inzwischen hat sich ÖPP als ein modernes und variables Konzept zur eizienteren Realisierung des Investitionsbedarfs und Verminderung des Investitionsstaus bewährt, das mittelfristig zur Entlastung der öfentlichen Haushalte führen kann. ■ [1] Weber/ Alfen (Infrastrukturinvestitionen-Projektinanzierung und PPP) [2] Gutachten „PPP im öfentlichen Hochbau“ (8/ 2003) [3] PPP-Projektdatenbank 2013 [4] Architekturqualität für ÖPP (BMVBS 12/ 2011) freiburg@dvwg.de ÖPP-Modell führt besonders zur Optimierung von Wirtschaftlichkeit, Risikoverteilung und Schnittstellenoptimierung. Bei der Durchführung von Hochbau- und Brückenprojekten führt es jedoch nicht regelmäßig zur besseren Gestaltungsqualität. Das Forschungsvorhaben „Sicherstellung architektonischer Qualität bei Projekten öffentlich-privater Partnerschaft“ hat festgestellt, dass z.B. die Architekturqualität überwiegend dann sichergestellt wird, wenn dem klassischen ÖPP-Verfahren ein Planungswettbewerb vorgeschaltet und der Architekt bei allen weiteren Leistungsphasen beteiligt wird [4]. Inzwischen wurde das klassische ÖPP-Modell weiter modiiziert und an die jeweiligen Anforderungen des öffentlichen Bauherrn angepasst. Öfentliche Bauherren mit einem gut funktionierenden Immobilienmanagement können z.B. nur die Elemente Planen, Bauen, Finanzieren zusammen beauftragen, das Betreiben und die weitere Verwertung des Objektes verbleiben beim Immobilienmanagement. Bei Projekten die mit Haushaltsmitteln und Kommunalkrediten günstiger zu inanzieren sind, werden nur die Lebenszykluselemente Planen, Bauen und Betreiben an private Partner vergeben. Lebenszyklus eines Projektes. Die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Ressourcen werden von den Partnern in einem Organisationsmodell zusammengeführt und die Projektrisiken entsprechend der Managementkompetenz der Beteiligten verteilt [2]. ÖPP darf nur dann als Beschafungsvariante eingesetzt werden, wenn durch einen wirtschaftlichen Vergleich zum klassischen Eigenbau über den gesamten Lebenszyklus eines Projektes Eizienzvorteile entstehen. Von 2002 bis Anfang 2013 sind in 170 öfentliche ÖPP-Hochbauprojekte 4.923 Mio. Euro investiert und ein durchschnittlicher Eizienzvorteil bei Vertragsabschluss von etwa 16% erzielt worden. In den Straßenbau sind von 2005 bis 2012 etwa 2.423 Mio. Euro in 15 ÖPP-Projekte gelossen, dabei entstanden überschaubare Mehrkosten von etwa 2 %-3 % [3]. Überwiegend ist bei diesen Projekten das klassische ÖPP-Modell eingesetzt worden, bei denen mindestens vier Elemente des Lebenszyklus wie das Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben in einer funktionalen Leistungsbeschreibung (output-orientiert) ausgeschrieben und beauftragt wurden. Dieses von der Bauindustrie favorisierte Z um 25. Mal fand Ende Januar das Gothaer Technologenseminar (GTS) statt, welches traditionell von der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. (DVWG), der Fachschule Gotha sowie dem Institut für Ausbildungsförderung, Fortbildung und Wissenstransfer Gotha e.V. (IAFW) veranstaltet wird. In diesem Jahr stand es unter dem Leitthema „Integrierter Personenverkehr - Champion oder Prinzip Hofnung“ und resümierte in einer Art retrospektiver und perspektivischer Sicht, was aus kühnen Ideen und Visionen erwachsen ist und welche Zukunftsbilder sich abzeichnen (Bild 1). Das Themenspektrum der Fachbeiträge reichte vom Verbundgedanken im Öfentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bis hin zur Angebotsqualität und dem damit verbundenen Wettbewerb. Prof. Gather von der FH Erfurt verglich beispielhaft das Thüringer ÖPNV-Angebot in der DDR mit dem heutigen und kam zu dem Schluss, dass sich im Busverkehr das Angebot im ländlichen Raum verbessert und im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) trotz geringer Netzgröße die angebotene Verkehrsleistung erhöht hat. Integrierter Personenverkehr - Champion oder Prinzip Hofnung 25. Gothaer Technologenseminar an der Staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr Gotha Tobias Pretzsch, Bezirksvereinigung Thüringen Bild 1: Gemeinsame Eröfnung des 25. GTS durch den Vorsitzenden der DVWG Bezirksvereinigung Thüringen, Herrn Prof. Dr. Kill, und den Schulleiter der Fachschule Gotha Herrn Höhne. dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 80 Der Verbundgedanke Herr Andreas Möller, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Mittelthüringen (VMT), präsentierte die Entwicklung des VMT und untermauerte den Erfolg des Verkehrsverbundes mit konkreten Zahlen. Der VMT verbuchte in den ersten 5 Jahren ein Umsatzplus von 9,8 % bei einer Steigerung des Fahrgastaukommens von 5,9 %. Herr Volker Krebs von den Stadtwerken München verglich die Charakteristika von Verkehrsverbünden in der Fläche und in Ballungsräumen und stellte in einer seiner abschließenden Thesen klar, dass „dort, wo integrierter Verkehr angeboten wird, auch vielfältige Regionalentwicklung stattindet. Öfentlicher Verkehr (ÖV) ohne Integration verkommt zum öfentlichen Schülerverkehr mit Ergänzungsangeboten für Randgruppen“. Fazit beider Vortragenden war, dass Verkehrsverbünde die Chance bieten, dass zukünftig jeder seine für die Fahrt relevanten Informationen (Fahrtroute, Ticket) über ein Smartphone abrufen und damit verkehrsträgerübergreifend von Tür zu Tür auch bei Abweichungen vom Regelfahrplan reisen kann. Wettbewerb und Angebotsqualität Herr Prof. Saxinger von der Rödl & Partner Rechtsanwaltgesellschaft referierte über die rechtlichen Rahmenbedingung beim Wettbewerb im ÖPNV bzw. SPNV und legte die wesentlichen Auszüge aus der geltenden Verordnung (EG) 1370/ 2007 und dem Personenbeförderungsgesetz PbefG dar. Dabei ging er auf den gesetzlich gegebenen Gestaltungsspielraum bzgl. integrierter öfentlicher Personenverkehrsdienste und Qualitätsstandards ein. Frau Alexandra Eckert von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) ging in ihrem Fachbeitrag auf das Thema Qualität als Ausschreibungsparameter aus Sicht eines Bestellers im Auftrag des Freistaates Bayern ein. Wichtige Qualitätsstandards in Bayern sind u.a. Pünktlichkeit, Anschlusssicherung, Leitstelle/ Notfall- und Störungsmanagement, aber auch ein hohes Maß unterschiedlicher Fahrgastinformationen. Die BEG hat mit diesen Qualitätsstandards sehr gute Erfahrungen gemacht. Herr Roland Suckrow von der ETC Transport Consultants GmbH beleuchtete in seinem Vortrag die Entwicklungslinie von Qualitätsmanagementsystemen im ÖPNV (QMS-ÖPNV) in der praktischen Umsetzung. In den letzten 12 Jahren haben sich die QMS-ÖPNV in den unterschiedlichsten Facetten rasant entwickelt, hierzu zählen u.a. die territoriale Ausfächerung, die Verfahrensphilosophie sowie die Erfassungstechnik. Herr Matthias Koch von der DB Regio AG stellte in seinem Beitrag die Wirkung des Integralen Taktfahrplans (ITF) auf die Angebotsqualität dar. Wesentliches Merkmal ist, dass der Integrale Taktfahrplan eine hohe räumliche und zeitliche Verfügbarkeit des Angebotes für den Kunden bietet. Bei der Planung muss beachtet werden, dass die Reisezeit trotz ITF wettbewerbsfähig bleiben muss. Herr Thomas Hofmann von der DB Regio AG stellte am Beispiel der Ausschreibung des Saale-Thüringen-Südharz (STS) Netzes die Frage, ob Angebotsmanagement einen Selbstzweck oder Kundennutzen hat. In der Ausschreibung zum STS Netz wurden so detaillierte Qualitätsanforderungen gestellt, dass das letztendliche Angebot der DB Regio Südost 60 000 Blatt in 200 Ordnern umfasste. Schlussfolgernd muss man feststellen, dass alleine durch die Angebotserstellung aber auch später durch die Angebotsprüfung dem ÖV Gelder in Millionenhöhe entzogen werden. Die Angebotsqualität aus Sicht eines Netzbetreibers stellte Herr Ralph Grassel von der DB Netz AG dar. Durch Anreizsysteme wird eine Qualitätssteigerung auf dem Schienenetz unterstützt. Zu den Systemen gehören u.a. Anreize zur Verringerung von Störungen, Anreize zum vertragsgemäßen Zustand der Infrastruktur sowie Anreize für ein lärmabhängiges Trassenpreissystem. Durch diese Anreizsysteme sind bereits deutliche Qualitätsentwicklungen sichtbar. Podiumsdiskussion In der abschließenden Podiumsdiskussion (Bild 2) wurden im besonderen Maße die steigenden Qualitätsanforderungen durch die Aufgabenträger kritisiert. Das föderalistische System mit seinen 27 Aufgabenträgerorganisationen führt besonders bei aufgabenträgerübergreifenden Ausschreibungen dazu, dass jeder Aufgabenträger seine speziellen Qualitätsanforderungen in der Ausschreibung sichtbar haben will. Es existiert zwar ein bundeseinheitlicher Rahmen, der jedoch nicht umgesetzt wird. Es muss der öfentliche Druck erhöht werden, um Instanzen zu installieren, die eine Grundstruktur für Qualitätsstandards in Ausschreibungen festlegen. Den Verkehrsunternehmen sollte mehr Freiheit bei der Gestaltung der Qualität eingeräumt werden. Auch der Verbundgedanke wurde noch einmal aufgegrifen und es musste besonders für den Thüringer Raum festgestellt werden, dass Standards des Verbundes nicht den Standards des Aufgabenträgers im SPNV entsprechen. Ein vertiefender Austausch zwischen beiden Institutionen ist dringend erforderlich, um einen gemeinsamen integrierten Personenverkehr anbieten zu können. Günstig wäre zukünftig sogar ein aufgabenträgergesteuerter Verbund für ganz Thüringen. Einen innovativen Gedanken brachte abschließend Prof. Saxinger ins Spiel. Er stellte eine Ähnlichkeit der Thüringer Raumstruktur mit der Struktur der Schweiz fest. Dies biete Thüringen die Chance, pilothaft ein verkehrsträgerübergreifendes integriertes Netz zu entwickeln. Als abschließendes Fazit darf festgehalten werden, es hat in den letzten Jahren einen deutlichen Qualitätsanstieg im ÖPNV gegeben, allerdings bleiben Fragen bezüglich der Stabilität und Integrität ofen. ■ thueringen@dvwg.de Die Vorträge der Fachtagung inden sie unter folgender Internetadresse: http: / / www.iafw-gotha.de/ GTS/ gts_25.html Bild 2: Die Referenten stellten sich einer regen Podiumsdiskussion. Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 81 dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Berg & Mark berg-mark@dvwg.de 27.06.2013, 16: 00 uhr Volkswirtschaftliche Bewertung von Personaleinsatz in Fahrzeugen des ÖPV in NrW Ort: Bergische Universität Wuppertal, Eugen-Lange-Saal HD 35, Pauluskirchstr.7, Wuppertal Freiburg freiburg@dvwg.de 22.06.2013 „Tag des Straßenverkehrs“ Ab 15.30 uhr öfentlicher Teil mit Vorträgen zu verkehrsrelevanten Themen Ort: Konzerthaus Freiburg 19.09.2013 „46. Verkehrswissenschaftliches Seminar“ Ort: Universität Freiburg Berlin-Brandenburg e.V. berlin-brandenburg@dvwg.de 23.08.2013, 10: 00 uhr Oberhavel-Verkehrsgespräche 2013 die entwicklung des ÖPNV-Marktes vor dem Hintergrund der PBefG Novelle! Ort: Ziegeleipark Mildenberg veranstaltungen der bezirksvereinigungen Nordbayern nordbayern@dvwg.de 20.06.2013, 16: 00 uhr Seehafen und Hinterland - ein Systemverbund mit Perspektive Ort: Verkehrsmuseum Nürnberg, Lessingstraße 6 rhein-ruhr rhein-ruhr@dvwg.de 25.06.2013, 16: 30 uhr Anforderungen / erfahrungen mit SPNV-Ausschreibungen Ort: Essen 16.07.2013, 14: 30 uhr ICx-Produktion im Siemens Werk uerdingen, anschließend Sommerfest Ort: Krefeld Württemberg e.V. wuerttemberg@dvwg.de 20.06.2013, 09: 00 uhr Wissenschaftliches Symposium Infrastrukturinanzierung Ort: Hochschule Heilbronn, Max-Planck- Straße, 74081 Heilbronn 27.06.2013, 18: 30 uhr Verkehrsstammtisch des Jungen Forums der BV Württemberg Ort: Stuttgart, Biergarten im Schlossgarten Prag 18.-21.09.2013 exkursion des Jungen Forums zum 11. europäischen Verkehrskongress ➼ dVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. +49 30 2936060 Fax +49 30 29360629 E-Mail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Zentrale veranstaltungen Berlin 17.-19.10.2013 Fachexkursion des Jungen Forums Berlin 19.10.2013 10. Verkehrswissenschaftliches Zukunftsforum Frankfurt am Main 01.08.2013 8. Nahverkehrsforum „Heutige Hindernisse für die Lösungen von morgen: Wegeketten - Mobilitätsplattform - e-Ticket“ Flughafen Frankfurt am Main 27.08.2013 20. Luftverkehrsforum „Wohin liegen wir? - Luftverkehr zwischen Privatwirtschaft und öfentlicher daseinsvorsorge“ Barcelona 04.-08.09.2013 Auslands-Fachexkursion „Von der chaotischen Metropole zum Vorzeigeobjekt urbaner umgestaltung“ Hamburg 16.09.2013 3. Infrastrukturforum „Leistungsfähige Infrastrukturen für den Seehafenhinterlandverkehr“ rheinland e.V. rheinland@dvwg.de 12.06.2013, 18: 30 uhr JuFo rheinland: Leitbild Verkehr 1.0 - ein mutiges Konzept und seine politische resonanz Ort: Köln rhein-Main rhein-main@dvwg.de 22.08.2013, 08: 30 uhr 8. dVWG-Mobilitätsbrunch Ort: HOLM-Forum, Flughafen Frankfurt zwischen DB Fernbahnhof / The Squaire und Terminal 1 13.06.2013, 19: 00 uhr JuFo-diskurs: HKX - Hamburg-Kölnexpress Ort: HOLM-Forum, Flughafen Frankfurt 06.07.2013, 09: 15 uhr JuFo-exkursion: Westfrankenbahn Trefpunkt: Frankfurt am Main, Hauptbahnhof, (DB-Information) 20 Frankfurt am Main 07.11.2013 deutscher Mobilitätskongress energie und Mobilität - unterwegs in eine nachhaltige Gesellschaft Südbayern e.V. suedbayern@dvwg.de 05.06.2013, 12: 00 uhr Anlässlich der transport logistic 2013: Alpenquerender kombinierter Verkehr - Lösungen für die verladende Wirtschaft: Innovationen/ Technik/ Angebot Ort: Messe München, Forum der Halle B2 25.06.2013, 17: 00 uhr Ausbau der Schieneninfrastruktur in Bayern Ort: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Prinzregentenstraße 28, 80538 München, 3. Stock, Sitzungssaal 3026 SerVICe Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 82 European Transport Conference 2013 30. September bis 2. Oktober 2013, Frankfurt am Main E uropa ist reich in seiner Vielfalt an Regionen, Städten, Kulturen und Landschaften. Ähnlich vielseitig sind die vorliegenden Erfahrungen zur Lösung der Verkehrs- und Mobilitätsprobleme in den Städten und Regionen Europas: Schnellbusse in Madrid, Leeds oder Dublin, Hochgeschwindigkeitssysteme mit den Zugpferden TGV, AVE und ICE, der Schweizer Bahnanschluss 2000, Nahverkehr aus einem Guss à la Verkehrsverbund, Rubussysteme in der Pariser Peripherie, komfortable Service-Highways für Fahrräder in den Niederlanden, mitteleuropäische Stadtbussysteme, Smart-Cards für die Nahverkehrskundschaft, City-Logistik mit Pedelec und E-Lkw, Kreisverkehrsplätze, Verkehrsmanagement und facettenreiche Ansätze im Mobilitätsmarketing sind nur einige Beispiele für internationale, oft national nicht oder zu wenig bekannte und beachtete Optionen zur Gestaltung des Mobilitätssystems. Auch zahlreiche europäische Richtlinien im Umweltrecht, Anforderungen des Wettbewerbsrechts, der grenzüberschreitende Bahnverkehr, die Deregulierung des Luftverkehrs, Kooperationen im Nahverkehr oder Straßenbenutzungsgebühren, wie z.B. die deutsche LKW-Maut verdeutlichen, wie sehr die europäische Maßstabsebene für die Gestaltung unserer alltäglichen Mobilität in Städten und Regionen relevant ist. Die European Transport Conference bietet seit nunmehr 40 Jahren eine Plattform für den internationalen Austausch von Wissenschaft und Praxis. Sie indet dieses Jahr vom 30. September bis zum 2. Oktober 2013 in Frankfurt am Main und damit zum ersten Mal in Deutschland statt. Veranstalter ist die Association for European Transport (AET) - ein internationaler Zusammenschluss von Verkehrsfachleuten weit über die Grenzen Europas hinaus. Die Konferenz wird vom Rhein-Main-Verkehrsverbund und dem Regionalverband FrankfurtRheinMain inanziell unterstützt. Die Goethe Universität Frankfurt sorgt mit dem neuem Campus-Westend für den geeigneten Rahmen, das House of Logistics and Mobility (HOLM) wirkt als Multiplikator bei der Veranstaltung mit. Die mit rund 400 Delegierten gut angenommene Konferenz bietet einen kompakten Überblick zum State of the Art der verkehrlichen Forschung und Praxis von der europäischen bis zur kommunalen Ebene und ist international weit über Europas Grenzen besetzt. Charakteristisch für die Veranstaltung ist, dass Wissenschaft und Praxis sich gegenseitig über ihre jeweils neuesten Erkenntnisse austauschen. Somit stehen theoretische und empirische Beiträge, Modelle oder Beiträge zur Verkehrspolitik und Praxis eng nebeneinander. Schwerpunkte der eTC 2013 bilden u.a. folgende Themen: • Veränderungen des Verkehrshandelns, • Elektromobilität, • Einbindung sozialer Medien in die Mobilitätskette, • Klimawandel und extreme Wettersituationen, • Neue Ansätze zur Bündelung des Güterverkehrs in Stadtregionen, • Nutzung von Informationswerkzeugen zur Optimierung der (intermodalen) Logistikketten, nicht zuletzt unter Einbeziehung der Potenziale des Binnenschifes, • Für und Wider Lang-LKW im Vergleich mit der Schiene, • Herausforderung Wirtschaftskrise für den Freizeitverkehr und benachteiligte Gruppen, • Neue Mobilitätsdienstleistungen sowie • ÖPNV im ländlichen Raum. Die diesjährige Konferenz wartet zudem mit einem „Young Researchers’ and Practitioners’ Forum“ auf, in dessen Rahmen Nachwuchswissenschaftler/ innen und -praktiker/ innen ihre Projekte und Ideen diskutieren können. Ebenfalls können sich interessierte Organisationen im Rahmen der zentral gelegenen Ausstellung präsentieren. Nähere Informationen und das aktuelle Programm enthält die Internetseite www.aetransport.org. Die hervorragende Lage Frankfurts und sich ankündigende hochkarätige Plenumsvorträge bieten genügend Anreize für die Teilnahme. Ansprechpartnerin für weitere Informationen ist Sally Scarlett (sally.scarlett@aetransport.org). Anfragen können auch an die Verfasser gerichtet werden: Peter Endemann, Regionalverband FrankfurtRheinMain, endemann@region-frankfurt.de Prof. Dr. Martin Lanzendorf, Goethe Universität, Frankfurt/ M, lanzendorf@geo.uni-frankfurt.de Gisela Gräin von Schliefen, RMV GmbH, Hoheim/ Ts. g_schliefen@rmv.de Die Londoner Innenstadt nach Einführung der City-Maut - seit langem Diskussionsthema bei der ETC. (Foto: Peter Endemann) Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 83 1. Deutscher Mobilitätskongress 7. November 2013, Frankfurt am Main E inen neuen zentralen Kongress für Mobilität haben die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG), der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), die Messe Frankfurt, das House of Logistics & Mobility (HOLM) und die International School of Management (ISM) in Frankfurt am 30. April im HOLM-Forum am Frankfurter Flughafen ins Leben gerufen. Nach Angaben der Initiatoren soll der Deutsche Mobilitätskongress künftig einmal jährlich ein zentrales Forum zum Thema Verkehr und Mobilität schafen. Hier sollen beispielhaft auch für andere Länder und Metropolregionen in Europa Antworten auf Fragen, • wie sich wachsende Verkehrsmengen künftig bewältigen lassen, • wie Ausbau und Plege von Verkehrswegen inanzieren werden können und • wie auf steigende Energiepreise und Umweltbelastungen reagiert werden kann gegeben werden. Die Initiatoren und Veranstalter wollen dabei verantwortliche Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Gespräch zusammenbringen. Fachleute verschiedener Disziplinen und Branchen sollen praktikable Lösungen vorstellen und dabei helfen, eine gesellschaftliche Debatte über gleichermaßen ökonomisch, ökologisch und sozial verantwortbare, nachhaltige Mobilität anzustoßen. Während der Vorstellung des Konzepts nannten Prof. Knut Ringat, Sprecher der Geschäftsführung des RMV und Präsident der DVWG, und andere Redner zahlreiche Argumente für die Einrichtung des Deutschen Mobilitätskongresses als regelmäßiges Forum. So nannte Stefen Saebisch, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, auf drei globale Megatrends, die in Frankfurt wie in kaum einer anderen Region beobachtet werden könnten: Globalisierung, Urbanisierung und Mobilisierung. Der Frankfurter Verkehrsdezernent Stefan Majer verwies darauf, dass Mobilität nicht nur aus Infrastruktur, Technik und Ökonomie besteht, sondern auch soziologische und ökonomische Dimensionen hat. Während Michael Johannes, Vice President Mobility & Infrastructure der Messe Frankfurt, auf bereits gut etablierte Publikumsveranstaltungen wie die Internationale Automobilausstellung IAA oder die „automechanika“ hinwies, bekräftigte Dr. Jan Hanusch, Leiter Campus Frankfurt der International School of Management (ISM) den festen Willen der ISM, den Deutschen Mobilitätskongress wissenschaftlich zu begleiten. Der 1. Deutsche Mobilitätskongress wird am 7.11.2013 im Gesellschaftshaus des Palmengarten Frankfurt stattinden, am folgenden Tag sind Fachexkursionen geplant. www.deutscher-mobilitaetskongress.de Bild 1: Initiatoren und Befürworter eines zentralen Mobilitätskongresses: Prof. Knut Ringat, Michael Johannes, Stefen Saebisch, Stefan Majer, Dr. Jan Hanusch (von links). Foto: Uwe Nölke Drei Fragen an … … Prof. Knut ringat, Präsident der dVWG und Sprecher der Geschäftsführung des rMV. Mobilität steht seit Jahren in der Diskussion, nicht nur bei experten, sondern auch in der gesellschaft. warum also ein weiterer Kongress dazu? Mobilität bedeutet mehr als die Förderung von Elektroautos, sie steht für persönliche Freiheit, dauerhaften Wohlstand und eine hohe Konkurrenzfähigkeit im weltweiten Wettbewerb. Dagegen stehen drängende Fragen zur Finanzierung, wachsende Verkehrsmengen, steigende Umweltbelastungen und hohe Energiepreise. Für Herausforderungen dieser Dimension fehlte bisher ein branchen- und disziplinübergreifendes Forum. was soll den Deutschen Mobilitätskongress von anderen Mobilitätsveranstaltungen unterscheiden? Im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen umfasst der Kongress alle Verkehrsträger. Damit ist er ein Mobilitätskongress für die gesamte Verkehrsbranche. Hier wollen wir die Mobilität in Deutschland und darüber hinaus gewissermaßen auf den Punkt bringen. und warum gerade Frankfurt als Kongressort? Hessen und insbesondere die Region FrankfurtRheinMain sind die Verkehrsdrehscheibe in Europa. Straßen-, Schienen- und Luftverkehr sind hier eng miteinander verknüpft. In einem Radius von 200 km um Frankfurt leben 35 Mio. Menschen. Es gibt kaum einen besseren Standort für einen Mobilitätskongress als diese Region. Termin: 7. November 2013 Ort: Gesellschaftshaus im Palmengarten, Frankfurt a. M. Die Partner: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG e.V.) International School of Management (ISM) Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV) House of Logistics & Mobility (HOLM) In Zusammenarbeit mit: Messe Frankfurt GmbH SerVICe Impressum | Termine Herausgeber Dr.-Ing. Frank Straube, Professor an der Technischen Universität Berlin, Institut für Technologie und Management, frank.straube@tu-berlin.de Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsleitung: Dr. Dieter Flechsenberger (Geschäftsführender Gesellschafter) Geschäftsführer: Martin Weber Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com redaktion Eberhard Buhl, M.A. (verantw.), (Durchwahl: -223) eberhard.buhl@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Dr. Karin Jäntschi-Haucke, hgs@dvwg.de (verantw. DVWG-Nachrichten) Freie Mitarbeit: Werner Balsen, Dirk Ruppik, Kerstin Zapp Anzeigen Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchw.: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Sophie Elfendahl (Durchwahl -220) sophie.elfendahl@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 50 vom 1. Januar 2013. Vertrieb Vertriebsleitung: Stefanie Hesslein stefanie.hesslein@dvvmedia.com Vertrieb IV: Kirsten Striedieck Tel.: 040/ 23714-114 kirsten.striedieck@dvvmedia.com Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Bezugsgebühren: Abonnement-Paket Inland: EUR 146,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.); Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print, Digital und E-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Abonnement Ausland Print: EUR 162,00 (inkl. Porto). Abonnement Ausland Digital: EUR 146,00 Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 38,50 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: ClipDealer druck: L.N. Schafrath GmbH & Co. KG, Geldern Herstellung: Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Oizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 4.-7.6.2013 München (D) transport logistic 2013 Info: Messe München Tel. +49 (0)89/ 9 49-113 68 Fax +49 (0)89/ 9 49-113 69 info@transportlogistic.de www.transportlogistic.de 23.-24.4.2013 Bremen (D) bremer Logistiktag Kostensenkung in Wertschöpfungsketten Bundesvereinigung Logistik (BVL) http: / / www.bvl.de/ kostensenkung kniess@bvl.de 22.-23.5.2013 Luzern (CH) world collaborative Mobility congress „wocomoco“ Info: Mobilitätsakademie http: / / www.wocomoco.ch/ home/ wocomoco.html info@mobilityacademy.ch 17.-19.6.2013 Mainz (D) vDv-Jahrestagung Info: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV, Berlin Tel.: +49 (0)30 39 9932-0 Fax: +49 (0)30 39 9932-15 hauptstadtbuero@vdv.de www.vdv.de 19.-20.6.2013 Wien (A) Mobility & road safety in an Ageing society KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) Telefon: +43 (0)5-77077-1919 http: / / www.kfv.at/ congress2013/ pr@kfv.at 19.-20.6.2013 Wiesbaden (D) PArKen 2013 Info: Mesago Messe Frankfurt GmbH http: / / www.mesago.de/ de/ Parken/ home.htm info@mesago.com 14.-18.8.2013 Wilhelmshaven (D) 34. Deutscher seeschiffahrtstag 2013 Nautischer Verein Wilhelmshaven-Jade e.V. Telefon: +49 (0)4421 400 640 http: / / www.nautischerverein-whv-jade.de/ info@nv-whv-jade.de 3.-4.9.2013 Dortmund (D) Zukunftskongress Logistik 31. Dortmunder gespräche Info: EizienzCluster LogistikRuhr, Fraunhofer IML Telefon: +49 231 9743-0 http: / / www.zukunftskongress-logistik.de info@zukunftskongress-logistik.de 11.-14.9.2013 Brno/ Brünn (CZ) eurotrans - Internationale verkehrsmesse Info: AHK Services s.r.o., Martina Hohmann, Praha Tel.: +420/ 224 221 200 Fax: +420/ 221 490 334 hohmann@dtihk.cz http: / / tschechien.ahk.de 12.-22.9.2013 Frankfurt/ M. (D) 65. Internationale Automobilausstellung (IAA) mit Fachkongress elektromobilität Info: Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA) Tel.: +49 (0)30 897842-0 Fax: +49 (0)30 897842-600 info@vda.de http: / / www.vda.de 30.9.-2.10.2013 Frankfurt/ M. (D) european transport conference Info: Association for European Transport http: / / www.aetransport.org info@aetransport.org 23.-25.10.2013 Berlin (D) 30. Deutscher Logistik Kongress Info: Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. Tel.: +49 (0)421 173 84 0, Fax: +49 (0)421 16 78 00 bvl@bvl.de http: / / www.bvl.de/ dlk 7.-8.11.2013 Frankfurt/ M. (D) 1. Deutscher Mobilitätskongress Info: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG), Berlin Tel.: +49 (0)30 293 606-0, Fax +49 (0)30 293 606-29 hgs@dvwg.de www.deutscher-mobilitaetskongress.de terMIne + verAnstALtungen 4.6.2013 bis 8.11.2013 weitere veranstaltungen inden sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schifundhafen.de, www.dvz.de Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 85 HerAuSGeBerBeIrAT Internationales Verkehrswesen Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Mobilität und Kommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Michael P. Clausecker MBA Vorsitzender der Geschäftsführung Bombardier Transportation GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Annegret reinhardt-Lehmann Bereichsleiterin, Kundenmanagement Fraport AG, Frankfurt/ Main Michael engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom reinhold Dr.-Ing., Leiter Strategie/ Unternehmensentwicklung öBB-Holding AG, Wien Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Knut ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Josef Theurer Dr. Techn. h. c. Ing., Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Oicer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Matthias von randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der öVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolf Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln reinhard Lüken Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schifbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Nachhaltigkeit erfordert Forschung und Innovation Herausgeberbeirat erich Staake zu Herausforderungen für die Logistik D ie Logistik steht vor großen Herausforderungen. Sie muss Antworten auf die Wechselwirkungen zwischen Flexibilität, Sicherheit und Nachhaltigkeit in volatilen Märkten inden. Flexibilität und Sicherheit erreicht man nur mit einer modernen Infrastruktur. Deren Zustand verschlechtert sich in Deutschland immer mehr und gefährdet somit die Ver- und Entsorgungsfunktion der Logistik. Laut Experten fehlen jährlich rund 5 Milliarden Euro nur für den Erhalt der Verkehrswege. Umso wichtiger ist es, den dramatisch wachsenden Investitionsstau in die Verkehrsinfrastruktur aufzulösen und Projekte mit dem größten gesamtwirtschaftlichen Nutzen vorrangig zu realisieren. Nachhaltigkeit erfordert Forschung und Innovation. Im EizienzCluster Logistik - Ruhr entwickeln rund 130 Partner aus Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft die Logistikstandards von morgen. Ziel ist eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs in Produktion und Logistik um 25 Prozent bei einer Steigerung der Efekte für Wirtschaft und Bevölkerung um 25 Prozent in den nächsten zehn Jahren. Deutschland könnte damit seine internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich steigern. Kurzum: Wer die Logistik fördert, hilft Wachstum und Beschäftigung. Wer ihre Herausforderungen nicht annimmt, tut das Gegenteil. GASTKOMMeNTAr Heinz Schulte Internationales Verkehrswesen (65) 2 | 2013 86 Globale Ströme und politisches Interesse J ede Zeit braucht ihre politische Erzählung. Zweifelsohne handelt die große Erzählung am Anfang des 21.- Jahrhundert von der Globalisierung - konkret von den weltweiten Strömen (global lows) an Gütern, Rohstofen, Menschen, Informationen und Finanzen. Die Sicherung dieser Ströme ist von grundsätzlicher Bedeutung und sie verursacht Kosten: Schutz der kritischen Infrastruktur (Flug- und Seehäfen) und der (maritimen) Transportwege. Die Sicherung der globalen Ströme bedarf international anerkannter Standards; und die werden politisch deiniert. Es ist eine Binse, dass der, der Standards setzt, auch Märkte schaft. Im Augenblick setzen zwei politische Kraftzentren diese Standards: Washington und Brüssel als europäischer Deinitionsmuskel. Weitere kommen hinzu (China und Singapur). Der Begrif „Supply chain management“ wird primär technisch deiniert; er hat aber auch eine politische Dimension: Sicherheit der logistischen Ketten beruht auf stabiler Infrastruktur und diese wiederum stützt sich auf politisch und gesellschaftlich feste Fundamente. Die Premiumklasse der Globalisierung - und damit besonders anfällig - ist „Just in time logistics“. Sie setzt ein außergewöhnlich hohes Maß an Zuverlässigkeit der logistischen Ketten voraus. Man kann das Thema einer transatlantischen Freihandelszone, die der amerikanische Präsident jüngst den Europäern angeboten hat, auf die Kennzeichnungsplicht genmanipulierter Lebensmittel reduzieren; man kann aber auch eine neue transatlantische Erzählung wagen. Die Vorteile einer transatlantischen Freihandelszone sind geopolitischer Natur! Von erweiterten transatlantischen Strömen, vom Setzen internationaler Standards bei der Sicherung der logistischen Ketten proitiert besonders Deutschland. In Europa sind Frankreich und Großbritannien etablierte Mächte auf dem Gebiet der klassischen Verteidigung. Berlin sollte sich der Herausforderung stellen, europäische Gestaltungsmacht auf dem Gebiet der Sicherung globaler Ströme zu sein - im Dialog mit Singapur, dem diese Aufgabe in Asien zuvörderst zufällt. Deutschland ist unter den Top Five der globalen Logistik-Standorte. Unter den zehn größten Logistikkonzernen der Welt sind fünf europäisch. Davon belegt Deutschland die Plätze 1 (DHL) und 5 (DB Schenker). Vor diesem Hintergrund steht das maritime Transportgeschäft vor neuen Herausforderungen. Detailliert hat sich jüngst Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne zu einer möglichen Fusion der Reedereien Hapag-Lloyd und Hamburg geäußert. Es entstünde die viertgrößte Reederei mit mehr als 260 Containerschife. Auf die Frage, warum Hapag-Lloyd überhaupt mit einer anderen Reederei zusammengehen müsse, argumentierte Kühne (Die Welt, 08.03.2013), die Reederei sei einfach zu klein, um auf Dauer gegenüber den drei großen - Maersk (Dänemark), CMA- CGM (Frankreich) und MSC (Schweiz) - bestehen zu können. Hapag-Lloyd sei in besonderer Weise dem ruinösen Wettbewerb in der Fernostfahrt ausgesetzt, da chinesische Staatsreedereien den Verdrängungswettbewerb anheizten. Er regte an, eine Reederei aus Fernost - vorrangig NOL aus Singapur - in die Fusion einzubringen. Mit anderen Worten: Der wirtschaftliche Druck auf Transportunternehmen und logistische Ketten hat auch eine politische Dimension (chinesische Regierungsstrategie, konsequent auf die Weltmärkte zu drängen), der sich Berlin als europäische Gestaltungsmacht stellen muss. Dies hat die Bundesregierung im aktuellen „Bericht über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland“ im Prinzip anerkannt: „Für ein außenhandelsorientiertes Land wie Deutschland ist eine leistungsstarke, international wettbewerbsfähige, prosperierende maritime Wirtschaft von hoher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung.“ Diese Erkenntnis gilt für alle Bereiche der logistischen Ketten und globalen Handelsströme. Und darum muss sich Berlin energisch um eine transatlantische Freihandelszone bemühen. ■ Heinz Schulte, M.A., MCIL ist Chefredakteur der Griephan Briefe zum Geschäftsfeld äußere und innere Sicherheit. Er ist Mitglied des Vorstandes des Deutschen Maritimen Instituts (DMI). Zur PerSON Foto: Privat Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: □ privat □ dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: □ ja □ nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: □ ja □ nein Ort/ Datum Unterschrift Agricolastraße 25 Tel.: 030 / 293 60 60 www.dvwg.de 10555 Berlin Fax: 030 / 293 60 629 hgs@dvwg.de ■ Preisnachlass für Publikationen der Schriftenreihe (Bücher und CDs) erhalten ■ Gelegenheiten nutzen für den Auf- und Ausbau von Karriere-, Berufs- und Partnernetzwerken ■ exklusiven Zugang erhalten zum Internetportal der DVWG (Mitgliederbereich und Download) ■ persönliche Einladungen erhalten für über 200 Veranstaltungen im Jahr auf Bundesebene und in Ihrer Bezirksvereinigung ■ aktiv mitarbeiten in dem unabhängigen Kompetenzzentrum für Mobilität und Verkehr in Deutschland ■ im Jungen Forum und der Europaischen Plattform für Verkehrswissenschaften mitarbeiten ■ an jährliche Fachexkursionen ins Ausland teilnehmen Wir vernetzen Verkehrsexperten! Antrag auf körperschaftliche Mitgliedschaft finden Sie unter: www.dvwg.de ■ das „Internationale Verkehrswesen“, die renommierte Fach- und Organzeitschrift, beziehen Mitglied werden und Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. © 2013 United Parcel Service of America, Inc. Bei der Neuen Logistik geht es um Geschwindigkeit. UPS liefert an mehr Geschäftsadressen bis 9 Uhr morgens als alle anderen. UPS transportiert jährlich fast 4 Milliarden Pakete und Dokumente und viele davon haben eine Geld-zurück-Garantie. Um die Anforderungen Ihres Unternehmens als auch die Bedürfnisse Ihrer Kunden zu erfüllen, können Sie aus zahlreichen Zustelloptionen wählen. Und was Sie versprechen, können Sie nun noch besser einhalten. Nutzen Sie diesen Wettbewerbsvorteil. Lassen Sie die Neue Logistik für sich arbeiten. dieneuelogistik.ups.com
