Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Neue Strategien und Projekte für Logistik und Öffentlichen Verkehr Transport optimieren POLITIK Sicherheit, Ökologie, Kosteneffizienz - das-Spannungsfeld der Flugoptimierung INFRASTRUKTUR Bindeglied Verkehrsinfrastruktur LOGISTIK Russlands Seetransport- und Hafenentwicklung im Ostseeraum TECHNOLOGIE Anwendungsplattform Intelligente-Mobilität ISL-EXTRA: 60 Jahre Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) www.internationalesverkehrswesen.de Heft 2 l Mai 2014 66. Jahrgang 34 Länder 1.250 Unternehmen 3.000 Personen 3.000 Personen 15.000 Triebfahrzeuge 15.000 Triebfahrzeuge Die Marktübersicht Europäische Bahnen liefert Ihnen zum Bahnmarkt in Europa einen aktuellen Überblick. Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ eb Erscheinungstermin: Juni 2014 | Technische Daten: ISBN 978-3-7771-0459-1 | Format 148 x 215 mm Preis: EUR 108,statt EUR 128,ab 01.06.2014 (inkl. MwSt, zzgl. Versand), RBS Abonnementen: EUR 96,- (inkl. MwSt, zzgl. Versand) Kontakt: DVV Media Group GmbH l Eurailpress | Telefon: +49/ 40/ 2 37 14-440 | Fax +49/ 40/ 2 37 14-450 | E-Mail: buch@dvvmedia.com 34 Länder 1.250 Unternehmen 15.000 Triebfahrzeuge 15.000 Triebfahrzeuge 34 Länder 1.250 Unternehmen 3.000 Personen 15.000 Triebfahrzeuge 3.000 Personen Jetzt zum Vorzugspreis bestellen! 3.000 Personen 3.000 Personen 15.000 Triebfahrzeuge 15.000 Triebfahrzeuge 15.000 Triebfahrzeuge 3.000 Personen 3.000 Personen 15.000 Triebfahrzeuge 3.000 Personen 3.000 Personen 15.000 Triebfahrzeuge NEU! 6046_anz_erp_eb2014_210x297.indd 1 20.03.2014 15: 11: 56 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 3 Frank Straube EDITORIAL Ganzheitlich Transport optimieren I n dieser Ausgabe sollen neue Ideen, Optimierungsfelder und Konzepte zur Transportoptimierung aufgezeigt werden. Die Herausforderungen sind klar: wachsende Transportvolumina in Deutschland und im Transitverkehr, zunehmend anspruchsvollere Güterstruktureffekte und Nachfragestrukturen, Anforderungen an Kosteneffizienz, Flexibilität, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Drei Problemfelder machen dieses Thema weiterhin interessant. Erstens kann die Transportplanung von Industrie und Handel besser mit Verkehrssystemen verzahnt werden. Zweitens kann die Effizienz je Verkehrsträger gesteigert werden - die EU hat Ende letzten Jahres berechnet, dass beispielsweise die Auslastung im europäischen Straßentransport unter 60% liegt. Und drittens kann die Integration der Verkehrsträger untereinander und mit der knappen Infrastrukturkapazität verbessert werden. Mit dem Anspruch, Optimierungskonzepte ganzheitlich zu betrachten, hat Internationales Verkehrswesen hierzu relevante Rubriken in seinen Ausgaben definiert. „Ganzheitlich Transport optimieren“ gelingt dann, wenn die Politik Mobilität von Gütern und Menschen als Wettbewerbs- und Standortfaktor bewertet - und die Investitionen hierfür nicht alleine aus Kostensicht. Infrastrukturen sollten untereinander organisatorisch und technisch vernetzt sein und die Netzleistung bei Ausbauten im Vordergrund stehen. Logistik und Mobilität gehören zusammen, denn nur die integrierte Planung und Steuerung von Güter- und Personenverkehren erzeugt ein Optimum und berücksichtigt Nutzeranforderungen. Technologien unterstützen bereits heute auf den Ebenen des Designs, der Planung und Steuerung und der Kontrolle Verkehrssysteme der Zukunft. Dezentralität, Konvergenz, Echtzeitverarbeitung, dynamische Optimierungen sind Merkmale künftiger Systeme. Neben der Identifikation und Kommunikation transportierter Einheiten über ubiquitäre Systeme kommen objekterkennende Technologien in den Vordergrund, die eine neue Welle neben der RFID-Implementierung ausmachen können. Für optimierten Transport müssen diese fünf Gestaltungsbereiche mit ihren jeweils erfolgversprechendsten Innovationen im Zusammenhang betrachtet werden. Genau das ist der Anspruch von Internationales Verkehrswesen. In der letzten Ausgabe hatte ich Sie informiert, dass wir den Herausgeberkreis gezielt erweitert haben. Wir konnten Experten für zukunftsentscheidende Teilgebiete des Verkehres gewinnen - alle eint der Anspruch, übergreifend in vernetzten Systemen zu forschen und zu entwickeln. Die neuen Partner stellen sich Ihnen in diesem Heft mit ihrer Sicht auf das Thema Verkehr vor. Jede/ r wird künftig schwerpunktmäßig eine Rubrik betreuen und eine Heftausgabe themenspezifisch verantworten. Ich freue mich auf Ihre inhaltlichen Anregungen und fachlichen Beiträge. Ihr Frank Straube frank.straube@tu-berlin.de Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 4 POLITIK 12 Sicherheit, Ökologie, Kosteneffizienz - das Spannungsfeld der Flugoptimierung Franziska Dieke-Meier Hartmut Fricke 15 Regionalwirtschaftliche Wirkungen von Häfen Klaus Harald Holocher Peter Wengelowski 18 Das vernetzte Auto als Herausforderung für den Datenschutz Michael Kamps LOGISTIK 48 Russlands Seetransport- und Hafenentwicklung im Ostseeraum Christian Wenske Karl-Heinz Breitzmann 53 Transportoptimierung im und durch Kombinierten Verkehr Robert Breuhahn 57 Beschaffungslogistik - Konzept, Bedeutung und Potenziale Paul Wittenbrink 60 Moving Forward Freight Mobility Innovations Report from a Workshop Focusing on Sustainable Freight Solutions Heinz Dörr Peter Endemann INFRASTRUKTUR 22 Städtische Seilbahn in La Paz Boris Jäggi 25 Ersatzneubaubedarf bei kommunalen Straßenbrücken Wulf-Holger Arndt 28 Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in der Region Frankfurt RheinMain Thomas Busch Peter Forst Josef Becker 32 Verkehrsinfrastruktur und Elektromobilität Wolfgang Kühn 36 Bindeglied Verkehrsinfrastruktur Fabian Behrendt Nicole Schlegl Karl-Heinz Daehre Sie finden Internationales Verkehrswesen mit umfangreichem Archiv, aktuellen Branchenmeldungen und Terminen unter: www.internationalesverkehrswesen.de Foto: Boris Jäggi Foto: Marc Tollas/ pixelio.de Foto: Ulrich E. K. Schmidt/ pixelio.de THEMA THEMA THEMA THEMA THEMA ISL-EXTRA 60 Jahre Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) 40 Die Entwicklung Leif Peters 42 Das ISL heute Leif Peters 46 Fährverbindung Ost-Timor Oliver Schwarz Arnulf Hader Harald Berger 43 »Ökonomisches und IT-technisches Knowhow kombinieren« Ein Gespräch mit Prof. Dr. Frank Arendt Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 5 INHALT Mai 2014 MOBILITÄT 64 Entwicklungspotenziale auf der-Schiene nutzen Matthias Laug Dirk Seidemann 67 Züge über Grenzen Wege und Umwege zu einem grenzenlosen Bahn-Europa Holger Jansen Martin Schiefelbusch 70 Early Adopter der Elektromobilität in Deutschland Wer sie sind und wie sie fahren Julia Jarass Ina Frenzel Stefan Trommer WISSENSCHAFT 73 Struktur und System im Verkehrswesen Wie man Verkehrssysteme vergleicht Reinhold Schröter TECHNOLOGIE DVWG-Nachrichten 97 Mobilität für über eine Milliarde Menschen erleben Iris Götsch 98 Verkehrswissenschaftliche Nachrichten 101 DVWG-Veranstaltungen RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 1 1 Kurz + Kritisch 21 Bericht aus Brüssel 94 Forum Lehre, Veranstaltungen, Medien 102 Forum In eigener Sache 105 Impressum | Gremien 106 Vorschau | Termine AUSGABE 3/ 2014 Verkehr neu denken - Strategien für die Mobilität der Zukunft erscheint am 15. September 2014 77 Anwendungsplattform Intelligente Mobilität Lars Schnieder Karsten Lemmer 80 Be- und Entladeprozesse optimieren Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik Rüdiger Bierhenke 82 Autonome Fahrzeuge für die Logistik Heike Flämig 84 Airport2030 Flughafenforschung im Spitzencluster Luftfahrt Klaus Lütjens Peter Bießlich Volker Gollnick WISSENSCHAFT 88 Range Extender - Ein Zwischenschritt in die Zukunft? Jan Grüner Benjamin Rippel Stefanie Marker 91 Sind Elektroautos wirklich umweltfreundlich? Daniel Martin Martin Treiber Foto: Dirk Seidemann Foto: DLR THEMA THEMA THEMA THEMA Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 6 Konkurrenzdruck in der Luft, doch Iata-Prognose positiv D ie deutsche Luftverkehrsbranche bangt um ihre Wettbewerbsfähigkeit, besonders getrieben von einer verschärften Konkurrenz aus dem vorderasiatischen und arabischen Raum. Dabei ist eine leistungsfähige Luftverkehrsanbindung Deutschlands erforderlich, um das deutsche Geschäftsmodell eines exportorientierten Wachstums aufrecht zu erhalten. Doch welche Faktoren bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Luftverkehr und welche Rückschlüsse lassen sie auf künftige Entwicklungen zu? Eine Studie des Handelsblatt Research Institute hat die Einflussfaktoren identifiziert und analysiert. Zu ihnen gehören etwa die regulatorischen und abgabenrechtlichen Rahmenbedingungen am jeweiligen Standort der Luftverkehrsakteure, die Eigentümerstrukturen, die Infrastruktur sowie Arbeitsentgelte, Arbeitsproduktivität und Sozialstandards. Konkret führt die Untersuchung die nachlassende Performance der deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen auf Wettbewerbsnachteile, beispielsweise auf Betriebszeitbeschränkungen wie das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen, auf die nationale Luftverkehrssteuer und die Ausgestaltung des EU-Emissionshandels, zurück. Gleichzeitig seien neue, finanzkräftige Akteure wie Emirates, Etihad Airways und Qatar Airways entstanden und - wie auch Turkish Airlines - stark gewachsen. Sie sind auf den Transitverkehr von Fracht und Passagieren über ihre Hub-Flughäfen ausgerichtet - doch im Transit liegt auch eine besondere Stärke der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Die Studie haben der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und die Arbeitnehmervertretungen Vereinigung Cockpit, die Gewerkschaft Verdi sowie die Flugbegleiterorganisation Ufo in Auftrag gegeben. Die International Air Transport Association (Iata) hat Mitte März ihre positive Prognose für den weltweiten Luftfahrtsektor in 2014 leicht nach unten korrigiert. Der Verband sagt für die Branche einen Gewinn von 18,7 Mrd. USD in 2014 voraus, bisher rechnete die Iata mit 19,7 Mrd. USD. Europäische Airlines sollen voraussichtlich 3,1 Mrd. USD Gewinn einfliegen. Das wären zwar 100 Mio. USD weniger als in der vorangegangenen Prognose, aber immer noch doppelt so viel wie 2013. Die Ebit-Marge bleibe allerdings mit 1,9 % schwach. Hauptgrund für die Anpassung seien gestiegene Ölpreise, so der Verband. Allerdings soll dieser Faktor durch die steigende Nachfrage besonders im Bereich Luftfracht - die Iata rechnet mit 4 % mehr als 2013 - ausgeglichen werden können. Der Gesamtumsatz 2014 wird auf 745 Mrd. USD weltweit geschätzt, 2 Mrd. USD mehr als in der zuvor veröffentlichten Prognose. (zp) DLR testet langsamere Anflüge im Windkanal F lugzeuge im langsameren Anflug können auf kürzeren Landebahnen aufsetzen und verursachen weniger Lärm. Wie langsam, steil und damit leiser ein heutiges Verkehrsflugzeug seinen Zielflughafen anfliegen kann, bestimmt das so genannte Hochauftriebssystem mit seinen ausfahrbaren Landeklappen an den Tragflächen. Um die Vorhersage der Hochauftriebsleistung in Computermodellen und im Windkanalversuch deutlich zu verbessern und künftig langsameren und leiseren Anflügen den Weg zu bereiten, führt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit Airbus, der TU Berlin und dem Europäischen Transsonischen Windkanal ETW Flug- und Windkanaltests sowie Computersimulationen durch. Anfang Februar fanden im Rahmen des Projekts HINVA (High Lift Inflight Validation) bisher einmalige kryogene Windkanalversuche bei Tiefsttemperaturen (minus 160 °C) im Kölner ETW statt. Mit Lasermesstechnik und anderen Messverfahren detektierten die Forscher die Strömungszustände an einem neu gefertigten kryotauglichen Halbmodell des A320 mit ausgefahrenen Landeklappen unter realen Flugbedingungen. Die Forscher haben eigens für die Versuche ein hochpräzises Windkanalmodell gebaut. Grundlage waren vorangegangene Strömungsmessungen bei Flugversuchen mit dem DLR-Forschungsflugzeug A320 Atra. Für die Leistungsfähigkeit eines Hochauftriebssystems spielen neben den eigentlichen Landeklappen auch die Spalten, die sich zwischen den Elementen Vorflügel, fester Hauptflügel und Hinterkantenklappe öffnen, eine wichtige Rolle. (zp) Flügel des Forschungsairbus Atra mit Messsensorik Foto: DLR IM FOKUS Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 7 IM FOKUS ÖPNV 2013: Mehr Fahrgäste, Einnahmen und Kosten D ie Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr stiegen im vergangenen Jahr um 0,8-% auf mehr als 9,8 Mrd. Fahrten und 92,5 Mrd. Personenkilometer. Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf legten um 3,3 % auf über 11 Mrd. EUR zu. Dennoch ist die wirtschaftliche Lage der Unternehmen schwieriger geworden: Deutlich höhere Kosten, unter anderem bei Busanmietungen (plus 4,5 %) und Personal (plus 1,1 %), belasten das Gesamtergebnis 2013 und haben zu einem gesunkenen Kostendeckungsgrad von durchschnittlich 77,9 % im Jahr 2012 auf 77,1 % geführt. Nach Angaben des Präsidenten des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Jürgen Fenske, reichen die Einnahmen und Einsparbemühungen der Unternehmen nicht mehr aus, um das immer umfangreichere Bus- und Bahnangebot zu finanzieren. Für Fenske ist besonders die Situation im ländlichen Raum, wo das Busangebot hauptsächlich von Schülern genutzt wird, schwierig. Dort spürten die Betriebe den demografischen Wandel am deutlichsten. Der VDV appelliert an Bund und Länder, angesichts steigender Kosten und zunehmender Verkehrsleistung, die Cofinanzierung des ÖPNV nicht weiter zurückzufahren. In den vergangenen zehn Jahren seien die Zahlungen der öffentlichen Hand um fast 250 Mio. EUR oder 6,4 % gesunken. Im selben Zeitraum seien die Fahrgastzahlen um 7,4 % und die Kosten um rund 12 % gestiegen. Fenske: „Die fehlenden öffentlichen Gelder haben die Unternehmen durch Einsparungen und die Kunden durch Ticketpreiserhöhungen bislang weitestgehend kompensiert. Doch gerade angesichts der anstehenden Sanierungsinvestitionen im ÖPNV muss allen verantwortlichen Politikern klar sein, dass es ohne zusätzliche öffentliche Gelder keine Modernisierung oder große Angebotserweiterung des ÖPNVs mehr geben wird.“ (zp) Um das Angebot im ÖPNV aufrecht zu erhalten, muss die öffentliche Hand sich weiterhin an der Finanzierung beteiligen. Foto: VRR Europas Häfen werden effizienter und wettbewerbsfähiger H ilfe zur Selbsthilfe mit einer Datenbank: Die europäischen See- und Binnenhäfen sollen nach bestimmten Kriterien erfasst und bewertet werden und aus den Daten dann selbst erkennen können, in welchen Bereichen sie sich am ehesten verbessern könnten. Das in etwa ist das Ziel des EU-Projekts „Portopia“ unter der Leitung der Universität Brüssel mit zwölf Projektpartnern. Für die deutsche Hafenlogistik ist das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) dabei und will die Daten der deutschen Binnenhäfen in das Dashboard einspeisen. Alle Häfen sind aufgerufen, sich mit der Forschungseinrichtung in Verbindung zu setzen. Portopia folgt auf das Projekt „Prism“ unter Leitung der European Seaports Organisation (Espo), das bis 2011 eine erste Hafendatenbank hervorbrachte. Nun soll diese Datenbank verfeinert und mit Informationen über Europas Häfen gefüttert werden. Die Häfen sehen ihre Ergebnisse dann im Vergleich zum Durchschnittswert aller teilnehmenden Anlagen, aber nicht im Vergleich zu einzelnen Ports. Das Projekt ist im September 2013 gestartet, Anfang 2016 sollen die Häfen die Daten nutzen können. Das Gesamtbudget liegt bei knapp 4,2 Mio. EUR. Damit ist es das größte europäische Forschungsprojekt im Hafenbereich seit der Jahrtausendwende. (zp) Kerosinverbrauch sinkt dank Forschung und Ladeplanung A irbus und Boeing haben keinen Grund zur Sorge: Die Aufträge in ihren Büchern sichern die Beschäftigung für die nächsten Jahre, und ernsthafte Konkurrenz ist kurzfristig auch im Segment der Mittelstreckenflieger mit rund 160 Sitzen nicht zu erwarten. Denn die beiden etablierten Player entwickeln ihre Flugzeugserien stetig weiter, und deutsche Forscher unterstützen sie dabei. Am Helmholtz-Zentrum Geesthacht in Teltow etwa werden Stoffe erforscht, die ihre Form beliebig oft wechseln können. In die Triebwerke der nächsten Dreamliner- Generation von Boeing sind beispielsweise Bänder aus dem Formgedächtnismaterial Nickeltitan in den Kunststoff eingebettet. Sie sorgen dafür, dass das Triebwerk am Boden schmaler geformt ist und dadurch leiser läuft. Ab 8000 m Flughöhe ist die Umgebungsluft so kalt, dass sich das Triebwerk in seinen zweiten Zustand verwandelt, indem sich der Auslassquerschnitt weitet. Das Flugzeug wird lauter, verbraucht aber weniger Kerosin. Lufthansa Technik in Hamburg wiederum setzt auf Reparaturverfahren mit neuartigen Kohlefaserwerkstoffen, auf die Teilefertigung mit 3-D-Druckern und die Entwicklung neuer Lacke mit Haifischhautstruktur, um den Luftwiderstand und damit die Treibstoffkosten zu senken. Ebenfalls sinnvoll ist der Einsatz von Ladeplanungslösungen, um die Auslastung zu optimieren. Japan Airlines ist beispielsweise Erstkunde des neuen Angebots von Lufthansa Systems. Die Fluggesellschaft kann seit Einführung im März nach eigenen Angaben bereits eine deutliche Produktivitätssteigerung verzeichnen. Die Abfertigungsprozesse der Flüge seien deutlich effizienter als bisher, die Treibstoffkosten geringer und- die Flexibilität im täglichen Flugbetrieb durch die gesteigerte Ladekapazität höher. (zp) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 8 IM FOKUS Unbemannte Frachter auf den Weltmeeren sind möglich K ünftig könnten Schiffe ohne Besatzung an Bord fahren. Möglich wird das unter anderem durch einen Simulator. Partner aus fünf Ländern entwickeln das Konzept für autonome Frachter. Im Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) in Hamburg, einer Einrichtung des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML), steht ein Schiffsführungssimulator, mit dem im EU-Projekt „Munin“ gearbeitet wird. Ein Grund für die Idee autonomer Schiffe: Die Seefahrt hat Nachwuchsprobleme. Im Ansatz gibt es die Technik für ein autonomes Schiff bereits - auf einer modernen Schiffsbrücke ist vieles automatisiert: Der Autopilot steuert einen vorgegebenen Kurs mit Unterstützung von GPS, eine Tempoautomatik hält die Geschwindigkeit. Radargeräte und Schiffserkennungssysteme suchen die Umgebung ab und schlagen bei Gefahr automatisch Alarm. Ein autonomes Schiff soll mit weiteren Sensoren bestückt werden: Herkömmliche und Infrarot-Kameras sollen die Meeresoberfläche beobachten, um besonders kleinere Fahrzeuge, Treibgut oder Schiffbrüchige zu erkennen. Eine Software wertet die Daten sämtlicher Sensoren aus und entscheidet etwa, ob und wie das Schiff seinen Kurs ändert, um Kollisionen zu vermeiden. Völlig unbeaufsichtigt wird das unbemannte Schiff allerdings nicht fahren. Via Satellit wird ein Mensch das Geschehen überwachen und wenn nötig fernsteuernd eingreifen. Auch beim An- und Ablegen soll der Mensch das Ruder übernehmen. Läuft das Schiff aus dem Hafen aus, ist eine Crew an Bord. Erst wenn der Frachter das offene Meer erreicht, verlässt die Mannschaft per Lotsenboot oder Helikopter das Schiff, die automatische Steuerung übernimmt. Im Herbst 2015 soll das Projekt abgeschlossen und die Computersimulation fertig sein, um die Ideen virtuell testen zu können. Danach wäre es denkbar, ein reales Schiff mit Komplettautomatik auszustatten. Seit Herbst 2012 wird getüftelt. So muss etwa gewährleistet sein, dass der Schiffsantrieb auch dann zuverlässig läuft, wenn wochenlang kein Maschinist nach dem Rechten schaut. Und schwere Wetter sollen möglichst früh erkannt und umschifft werden. (zp) Auf einer modernen Schiffsbrücke läuft vieles bereits automatisiert. Völlig unbeaufsichtigt sollen aber auch die unbemannten Schiffe der Zukunft nicht fahren. Quelle: Munin Keine Güterverkehrserholung auf der europäischen Schiene D ie schwache Konjunktur in Europa und Verluste im intermodalen Wettbewerb sorgten 2013 dafür, dass der europäische Schienengüterverkehr weiter negative Zahlen schreibt. Das geht aus einer Studie von SCI Verkehr unter dem Titel „Schienengüterverkehrsmarkt Europa 2014“ hervor. Die vielfältigen Restrukturierungsprogramme der Verkehrsunternehmen im Schienengüterverkehr hätten bisher noch keine signifikante Trendwende hin zu mehr Verkehrsleistung und Ergebnis erzielen können. Doch obwohl Konjunktur und Wettbewerb durch Straßenverkehrsunternehmen von Eisenbahnen nur schwer zu beeinflussen sind, sieht SCI Möglichkeiten, wie sich die Situation der Unternehmen im Schienengüterverkehr verbessern ließe. Hierzu gehörten die Modernisierung der internen Abläufe, Strukturen und Prozesse sowie die Größenoptimierung durch Zusammenschlüsse und Allianzen. Die Berater sehen in diesen Bereichen so große Effizienzpotenziale, dass mit ihrer Erschließung eine Rückkehr in die Profitabilität gelingen könne. In- und ausländische Eisenbahngesellschaften transportierten auf dem deutschen Schienennetz im vergangenen Jahr insgesamt 373,7- Mio. t Güter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) waren dies 7,6-Mio. t oder 2,1 % mehr als 2012. Dieser Zuwachs kam allerdings erstens von Unternehmen, die erstmals Ihre Verkehre an das Amt meldeten, und reichte zweitens nicht aus, um das Vorjahresminus von 8,9- Mio. t auszugleichen.- Die erbrachte Transportleistung belief sich laut Destatis im vergangenen Jahr auf 112,6-Mrd. tkm (plus-2,3 %). (zp) 240 Bombardier-Loks für Südafrika E in großes Stück vom Kuchen, der den Kauf von 599 elektrischen und 465 dieselgetriebenen Lokomotiven für Südafrika und damit eine Erneuerung der Schienenverkehrsflotte umfasst, hat Bombardier Transportation South Africa (Pty) Ltd. erhalten. Im März unterzeichnete das Unternehmen einen Vertrag über die Lieferung von 240 elektrischen Zweispannungs- Traxx-Africa-Lokomotiven mit der Freight Rail Division des Staatsunternehmens Transnet (TFR) im Auftragswert von rund 893 Mio. EUR. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist ein hoher inländischer Produktionsanteil vorgeschrieben. Entsprechend wird zu mehr als 60 % in Südafrika produziert und mit lokalen Zulieferern gearbeitet. Bombardier investiert dabei nicht nur in die lokale Fertigungskapazität sondern auch in die Verbesserung der Fähigkeiten und Fachkenntnisse lokaler Mitarbeiter sowie den Technologietransfer. Die ersten Fahrzeuge sollen im April 2016 ausgeliefert werden, die letzten bis Ende 2017. Die Loks sind für Geschwindigkeiten bis 100 km/ h ausgelegt. Bombardier Transportation South Africa gehört zu 74 % der Bombardier Transportation GmbH. 20 % gehören einem Geschäftsfonds und 6 % südafrikanischen Mitarbeitern. (zp) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 9 IM FOKUS Daimler und TU Berlin: E-Mobile im Wirtschaftsverkehr E lektronisch, aber nicht als E-Mail, wird seit März ein Teil der Post in Berlin zugestellt: 20 Elektrofahrzeuge hat die Deutsche Post DHL im Piloteinsatz. Den Test begleitet die TU Berlin unter anderem mit ihrem DAI-Labor, dem Bereich Logistik als Konsortialführer sowie dem Fachgebiet „Integrierte Verkehrsplanung“. Weitere Partner sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die VIOM GmbH. Der Test gehört zum Schaufensterprojekt „Smart e-User“, das sich um den Bereich E- Mobilität im Wirtschaftsverkehr kümmert. In weiteren Piloten werden E-Fahrzeuge zum Beispiel genutzt, um Patienten oder Kunden zu Hause zu besuchen oder zu betreuen. Anders als beim DHL-Projekt werden diese Autos nicht nur über Nacht, sondern zu jeder Zeit an verfügbaren Ladesäulen mit Strom aufgeladen. Ziel ist ein Konzept für elektrische Stadtlogistik, das die vollständige Integration von E-Fahrzeugen in Güter- und Personenwirtschaftsverkehre sowie Nutzungsmöglichkeiten im alltäglichen Stadtverkehr einbezieht und die Tourenplanung unter Berücksichtigung der Lademöglichkeiten optimiert. Um LKW geht es bei Daimler: Der Fahrzeughersteller unterstützt über seinen Fonds im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft eine Professur für „elektrifizierte Nutzfahrzeugantriebe“ im neuen Masterprogramm der Fakultät Fahrzeugtechnik der Hochschule Esslingen. Eine solche Professur gibt es bisher in Deutschland nicht. Mit ihrer Einrichtung soll die Erforschung der Möglichkeiten, LKW mit E-Motoren einzusetzen, vorangetrieben werden. (zp) Das Schaufenster-Projekt „Smart e-User“ wurde mit dem German High Tech Champions Award 2014 ausgezeichnet. Foto: TU Berlin / Fachgebiet Logistik Hubject hat Zertifizierungsstelle für E-Ladeinfrastruktur E ine E-Mobility-Zertifizierungsstelle für Stammzertifikate hat das IT-Unternehmen Secunet für die Berliner Hubject GmbH aufgebaut. Hubject ist ein Joint Venture von BMW Group, Bosch, Daimler, EnBW, RWE und Siemens. Es betreibt eine branchenübergreifende Business- und IT- Plattform zur Vernetzung von Infrastruktur- und Serviceanbietern sowie Mobilitätsdienstleistern (siehe Internationales Verkehrswesen 3/ 2013). Zertifikate sind erforderlich, um die künftige Kommunikation zwischen Elektrofahrzeugen und der Ladeinfrastruktur abzusichern. Damit wird auch die Voraussetzung für Plug & Charge geschaffen, die Möglichkeit zur automatischen und bargeldlosen Abrechnung an jeder öffentlich verfügbaren -Ladestation. Individuelle elektronische Zertifikate sind notwendig, damit Kunden und Ladestationen sich im Kommunikationsprozess während eines Ladevorgangs gegenseitig eineindeutig und sicher authentifizieren können. Die Zertifizierungsstelle „Root CA“ erstellt entsprechend Stammzertifikate für Automobilhersteller, Ladeinfrastrukturbetreiber und Fahrstromanbieter, die wiederum davon abgeleitete Zertifikate in ihren Produkten einsetzen können. (zp) Plug & Charge: ohne Zertifizierung kein Strom zum Auftanken Foto: Hubject Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile D ie Automobilzulieferer Continental und Schaeffler haben einen Hybrid- PKW mit hubraumreduziertem Dreizylinder-Benzinmotor gebaut. Das Demonstrationsfahrzeug braucht deutlich weniger Kraftstoff als andere PKW und zeigt, welche Einsparpotenziale die Kopplung der beiden Techniken bietet. Basis war ein Auto mit bereits hubraumreduziertem Ottomotor, das zum „Gasoline Technology Car“ GTC) mit 48-V-Elektrifizierung und speziellem Steuersystem für eine optimale Wechselwirkung der verschiedenen Techniken umgebaut wurde. Zu den Elementen gehören unter anderem ein modernes Einspritzsystem, die Reduktion der Reibungsverluste, die ganzheitliche Optimierung der Betriebsstrategie, ein elektrifiziertes Kupplungssystem und die Optimierung des Abgasstrangs. In der Summe ergeben sich dadurch höhere Treibstoff- und CO 2 -Einsparungen als mit den Systemen einzeln möglich wäre. An hubraumreduzierten Motoren - weniger Kraftstoffverbrauch ohne Leistungseinbußen - forscht der Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen an der RWTH Aachen im Auftrag der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV). Aus einem Dreizylindermotor mit 0,8 l Hubraum holen die Wissenschaftler eine Leistung von bis zu 96 kW (131 PS). Wird dem Kraftstoff 20 % Ethanol beigemischt, verbraucht das Aggregat bis zu 15 % weniger Treibstoff als heutige Hightech-Maschinen mit Direkteinspritzung und Turboaufladung, gaben die Forscher kürzlich stolz bekannt. Sie sind überzeugt, dass noch mehr Leistung aus noch weniger Hubraum zu holen ist. Es werde jedoch noch einige Jahre dauern, bis ein solcher Motor in großen Stückzahlen produziert werde. (zp) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 10 IM FOKUS Intralogistiklabor der DHBW Lörrach: „Hands on“ erwünscht I m neuen Logistiklabor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Lörrach sollen tatsächliche und simulierte logistische Herausforderungen im Rahmen eines „Hands-on“-Ansatzes gelöst werden. So formulierte Prof. Christopher W. Stoller das Ziel der neuen Einrichtung im Studiengang BWL - Spedition, Transport und Logistik anlässlich der öffentlichen Vorstellung am Tag der Logistik im April. Der in den Vorlesungen vermittelte Inhalt werde damit auch praktisch angewendet, die Studierenden könnten auf diese Weise auch komplexere Fragestellungen bearbeiten. Das Labor besteht aus einem Hardware- und einem Software-Teil. Für das Hardware- Labor wurden ein Simulationsmodell und eine Pick@Work-Station beschafft. Das Lagermodell umfasst ein vollautomatisches Hochregallager samt Fördertechnik, einen Portalkran und eine Produktionsstraße. „Mit dieser Konfiguration ist die Simulation von Rüstvorgängen und verschiedenen Lagerstrategien möglich“, umreißt der Studiengangsleiter, Prof. Armin F. Schwolgin, das Konzept. Das Logistiklabor ist auch Studierenden anderer Studiengänge für Einzelveranstaltungen zu Logistik und Materialwirtschaft zugänglich. Künftig sind auch Gemeinschaftsveranstaltungen mit Partnerunternehmen der DHBW Lörrach denkbar. (zp) Registerlager Hochregal Wareneingang 3 Pneumatische Kommissionierer 2 Pusher 1 Pneumatischer Kommissionierer Warenausgang National Portalkran Band mit Werkzeugmaschine Warenausgang International Projektskizze eines Distributions- und Montagelagers Grafik: DHBW; Bauelemente: Staudinger GmbH E-Commerce: Retouren bleiben eine Herausforderung D as Kaufverhalten der Verbraucher hat sich geändert: Mehr als die Hälfte der Kunden shoppt regelmäßig online. Daraus entstehen neue Handelsstrukturen, die wiederum die Logistik beeinflussen. Doch welche Einflussfaktoren sind für die logistischen Prozesse im Multichannel-Handel entscheidend? Das haben das Kölner Handelsinstitut EHI Retail Institute e.V. und das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Dortmund, untersucht. An ihrer Trendstudie „Handelslogistik 2014 - Multichannel-Logistik im Blick“ beteiligten sich 35 Multichannel-Händler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als wesentliche Erfolgsfaktoren für eine gelungene Multichannel-Logistik haben die Forscher fünf Kriterien identifiziert: Liefergeschwindigkeit, Bestandstransparenz in allen Vertriebskanälen, kundenfreundliches Retourenmanagement, adäquates IT-Management und vertriebskanalspezifische Sortimentssteuerung. Eine Herausforderung für die Händler ist, zurückgegebene Waren effizient wieder in den Bestand einzugliedern. „Beim Umgang mit Retouren und den Retourenkosten herrscht große Unsicherheit“, so Volker Lange, Leiter Verpackungs- und Handelslogistik am Fraunhofer IML. Rücksendungen dürften für Kunden nicht kostenlos sein. Hier müsse sich die Händlerstrategie ändern: „Das Thema Retouren wird von vielen Händlern völlig unterschätzt“, sagte Lange bei der Präsentation der Studie. Nach einer Untersuchung der Universität Bamberg liegen die Kosten für eine Retoure bei durchschnittlich 10 bis 20 EUR. Laut Marco Atzberger, Geschäftsführer von EHI, dominieren Ein-Produkt-Bestellungen. Darauf müssten die Logistikkonzepte ausgerichtet sein. 83- % der Multichannel-Händler beauftragen Logistik- oder Kep-Dienstleister mit der Auslieferung der Ware an ihre Kunden. 11- % unterhalten einen eigenen Fuhrpark. 31-% bieten eine Selbstabholung in der Filiale oder bei einer Abholstation an. Bei 9 % kann die Ware in Drive-in-Stationen in Empfang genommen werden. 41 % der Multichannel-Händler betreiben ein separates Lager für den Online-Vertrieb, während 35- % der Befragten aus ihrem Zentrallager sowohl den stationären als auch den Online- Handel beliefern. Eine besondere Idee für die Anlieferung und Abholung von Paketen beim Endkunden hat der schwedisch-chinesische Autobauer Volvo: Über einen digitalen Schlüssel erhalten Paketdienste eine Ortungsmöglichkeit sowie einen einmaligen Zugang zum Auto des Kunden, um dort Pakete abzulegen oder mitzunehmen. (zp) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH »Offensichtlich gibt es in der Politik keine-Kritik an der stillschweigenden Beerdigung aller bis zum Abschluss des Koalitionsvertrages vollmundig diskutierten Finanzierungserfordernisse.« Wenn es nicht so traurig wäre … E s war Anfang Oktober 2012, als sich die Länderverkehrsminister-Konferenz in Anwesenheit des damaligen Bundesverkehrsministers einstimmig mit den dramatischen Ergebnissen der Daehre-Kommission zur Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur identifizierte. Ebenso einstimmig wurden von diesem Gremium im September 2013 die Feststellungen der Bodewig-Kommission begrüßt. Sie ermittelte ein jährliches Finanzierungsdefizit von 6,5 Mrd. EUR und plädierte - wie auch die Daehre-Gruppe - für eine nachhaltig wesentlich höhere Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, die verstärkte zusätzliche Nutzerfinanzierung und die Einführung von Finanzierungsfonds. Nur drei Monate später kam die Ernüchterung durch die Koalitionsverhandlungen. Es wurde nur eine Aufstockung der Bundeshaushaltsmittel um 6,5 Mrd. EUR für die gesamte Legislaturperiode, also jährlich lediglich 1,25 Mrd. EUR beschlossen, ergänzt durch eine Ausweitung der LKW-Maut. Dass jedoch die bisherige LKW- Maut auf Autobahnen aufgrund EU-Vorgaben und einer neuen Wegekostenrechnung deutlich abgesenkt werden muss, verstärkt die prekäre Finanzierungslage. Ob die vom amtierenden Bundesverkehrsminister immer noch angestrebte spezielle PKW-Maut nur für ausländische Fahrzeuge nennenswerte Finanzierungsmittel erbringen könnte, ist nicht nachweisbar und zweifelhaft. Zumal eine EUkompatible diskriminierungsfreie Ausländermaut schwer vorstellbar ist, und Nachbarstaaten ohne PKW-Maut bereits mit Retorsionsmaßnahmen gedroht haben, etwa durch spezielle Abgaben für deutsche PKW. Öffentlich gibt es in der Politik keine Kritik an der stillschweigenden Beerdigung aller bis zum Abschluss des Koalitionsvertrages vollmundig diskutierten Finanzierungserfordernisse. Die verordnete Koalitionsharmonie verdrängt rationale Politikgestaltung. Dass die deutsche Verkehrsinfrastruktur aufgrund fehlender Finanzmittel täglich 13 Mio. EUR an Substanz verliert, aber gleichzeitig die öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern im 1. Quartal 2014 Zusatzeinnahmen von 7 bzw. 22 % melden, irritiert die Politikverantwortlichen offensichtlich nicht. Da stört der Ostern bekannt gewordene Vorschlag des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, zur Vermeidung einer in den Wirkungen kaum darstellbaren weiteren Substanzvernichtung in der Straßeninfrastruktur über eine Nutzerabgabe je Fahrzeug und Jahr von 100 EUR nachzudenken. Auch einige Länderchefs stellten sich demonstrativ gegen diese Überlegung, ohne jedoch die fundamentale Finanzierungsproblematik zu erwähnen. Vergessen sind offensichtlich die mehrfachen Beschlüsse der Länderverkehrsministerkonferenzen. Der Wert von nur 1 1 / 2 Tankfüllungen kann in Deutschland, gut vorbereitet durch die unsäglichen Lobbyaktivitäten des ADAC in den vergangenen Jahren, bei den Politikern Angstgefühle auslösen. Nein, es gibt keine hinreichende Finanzierungsbasis für die notleidenden Straßen, Schienenwege und Wasserstraßen, um ihre Substanz nachhaltig zu sichern und Engpässe zu beseitigen. Mehr Bundesmittel als derzeit vorgesehen soll es nicht geben, die Länder kürzen sogar teilweise ihre Infrastrukturausgaben. Die sinnvolle Ausweitung der Nutzerfinanzierung wird, abgesehen von der LKW- Maut, politisch für inopportun gehalten. Jede diskutierte Zusatzfinanzierung durch spezielle Nutzungsentgelte wird auch mit dem Argument beerdigt, es werde keine Abgabenerhöhungen geben. Dass dies falsch ist, zeigt die Steuerstatistik. Die gefeierten hohen Mehreinnahmen stammen vor allem aus dem Einkommenssteueraufkommen - und hier wiederum dominierend aus der sogenannten kalten Progression, die einem Großteil der Steuerzahler ständig erhebliche Zusatzbelastungen durch automatische Steuererhöhungen auferlegt. Der Grundgedanke aus Schleswig-Holstein war sicherlich nicht hinreichend strukturiert und begründet sowie zu sehr auf die Straßen konzentriert. Aber er war und ist sinnvoll und notwendig, um die seit Koalitionsbeginn feststellbare politische Abstinenz bei der dringend anstehenden Finanzierungsdiskussion zu durchbrechen. Der Koalition passt dies offensichtlich nicht. Irgendwie erinnert dies alles an den berühmten Ausspruch des früheren Bundeskanzlers Adenauer: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche POLITIK Flugrouten Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 12 Sicherheit, Ökologie, Kosteneffizienz - das Spannungsfeld der Flugoptimierung Die Gewährleistung der Sicherheit als oberste Prämisse in der Flugplanung und Flugdurchführung ist unumstritten. Dagegen wird die nahezu ausnahmslose Priorisierung wirtschaftlicher Aspekte vor ökologischen Gesichtspunkten vermehrt kritisch gesehen, belastet doch der Luftverkehr in Analogie zu anderen Verkehrsträgern Mensch und Natur und trägt nicht unerheblich zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Die Autoren: Franziska Dieke-Meier, Hartmut Fricke E iner der Zielkonflikte in der Optimierung von Flügen, sowohl in ihrer lateralen (Flugweg) als auch vertikalen Ausprägung (Flugprofil), zeichnet sich deutlich in den aktuell medial stark wahrgenommenen Diskussionen zur Flugroutengestaltung rund um Flughäfen ab. Identifizierte Fluglärm-wirkungsärmere An- und Abflugrouten im Nahbereich eines Flughafens müssen zunächst den internationalen Sicherheitsregularien der Verfahrensplanung entsprechen. Im Falle fehlender Konformität werden sie zu Ungunsten der vom Fluglärm betroffenen Bevölkerung verworfen. Dennoch ist der Stellenwert von Fluglärm in der Flugroutengestaltung hervorzuheben. Verkehrsträger-vergleichend führend ist der Umwelteffekt Fluglärm durch rechtlich verankerte Ansprüche der Bevölkerung, bspw. auf passiven Schallschutz, und die Erhebung lärmabhängiger Flughafenentgelte recht weitreichend internalisiert. In der Planung von An- und Abflugrouten wird zudem bewusst der ökologische Aspekt Fluglärm gegenüber wirtschaftlichen Prämissen priorisiert. Dies ist bislang einmalig, wenn auch aus der ökologischen Gesamtbetrachtung nicht vollständig, da die zum Teil erheblich längeren Flugwege und der damit vermehrte Ausstoß von Schadstoffen gegenwärtig nicht bilanziert werden. Für die verbleibenden Phasen des Fluges - Steigflug, Reiseflug und Sinkflug - erfolgt aus Sicht der Flug-durchführenden Fluggesellschaft eine Bewertung und Optimierung des Fluges nahezu ausschließlich hinsichtlich des Kriteriums Kosten. Die Ausgestaltung des Flugweges zielt hierbei auf die kürzeste Verbindung vom Startzum Zielflughafen, eventuell mit bewusst in Kauf genommener Umwege zur Ersparnis von Zeit und Brennstoff durch Nutzung von Starkwindfeldern (jet streams) oder Umgehung teurer Lufträume. Die Flugprofilplanung versucht optimale Flughöhen anzustreben und hat insbesondere den Aspekt des Masseverlustes durch verbrannten Brennstoff über die Zeit zu berücksichtigen. Grundsätzlich werden in der Planung eines Fluges stets Brennstoff- und Zeitkosten gegeneinander abgewogen (vgl. Bild 1), wobei in den Zeitkosten eine Vielzahl flugpreisrelevanter Faktoren Berücksichtigung findet, so u. a. die Kosten für Personal. Das Optimum der zu minimierenden Gesamtkosten befindet sich bei einer ökonomischen Fluggeschwindigkeit (ECON speed, v ECON ), die nicht Brennstoffverbrauch-optimal und durch die direkt proportionale Kopplung von CO 2 - Emissionen an den Brennstoffverbrauch auch nicht ökologisch optimal ausgelegt ist. Eine Annäherung an Geschwindigkeiten mit geringstem Brennstoffverbrauch findet nur für Reichenweiten-kritische Langstreckenflüge statt. CO 2 -Emissionsreduzierungen werden somit in der Flugplanung und -durchführung seitens der naturgemäß nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelnden Fluggesellschaften nicht primär forciert, werden aber gern als Einsparerfolge im Rahmen der ökologischen Unternehmensbewertung ausgewiesen. Wahre Treiber zur Senkung der CO 2 -Emissionen sind die anhaltend hohen Rohstoffpreise. Der Brennstoff als dominierender Kostenblock wird, bei unterstellten gleichbleibenden oder steigenden Preisen, auch künftig Fluggesellschaften zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen mit Blick auf die Brennstoff- und CO 2 -Effizienz motivieren. Dagegen sind die derzeitigen finanziellen Belastungen des Europäischen Emissionshandelssystems, welches seit dem 1. Januar Bild 1: Qualitativer Verlauf der Zeit-, Brennstoffsowie Gesamtkosten (bei konstanter Masse des Luftfahrzeuges) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 13 Flugrouten POLITIK 2012 den CO 2 -Ausstoß eines Fluges kostenpflichtig regelt, mit Kosten zwischen 0,15 bis 2,51- EUR je Passagier und Flug 1 zu gering, um große Anreize für die Optimierung zu setzen. Bei allen Anstrengungen bleibt zu konstatieren: Solange an der Prämisse der Kosteneffizienz in der Planung von Flügen festgehalten wird, sind diese aus ökologischer Sicht nicht optimal. In diesem Zusammenhang durchaus kritisch zu sehen, ist die sogenannte Business Reference Trajectory als wesentliches Kernelement der operationellen Verfahrensgestaltung im künftig implementierten Single European Sky (SES). Zukünftig soll den Flugsicherungsinstanzen die aus ökonomischen Gesichtspunkten seitens der Fluggesellschaften (Business) lateral und vertikal optimierte Flugtrajektorie als Referenz dienen, die nach Möglichkeit in der steuernden und überwachenden Flugdurchführung umzusetzen ist. Vergleichend zu heute wird dies gewiss deutliche positive Effekte in der Reduktion von CO 2 - Emissionen nach sich ziehen. Dennoch liegt weiterhin die Priorität offenkundig auf der Kosteneffizienz. Für CO 2 , zweifellos ein Schadstoff mit hohem Strahlungsantrieb, erwartet das Intergovernmental Panel on Climate Change eine Verzehnfachung der emittierten Menge bis zum Jahre 2050 2 . Dies erklärt die nahezu ausschließliche Aufmerksamkeit für diesen Schadstoff, vernachlässigt jedoch weitere umweltschädliche Emissionen, die bei der Verbrennung von Kerosin entstehen. Global sind die Auswirkungen der einzelnen Emissionen, die im Bild 2 durchschnittlich für die Verbrennung von 1 kg Brennstoff angegeben sind, auf den Strahlungshaushalt bereits abgeschätzt. So wird der Cirrenbildung als mögliche Folgeerscheinung von Kondensstreifen (contrails) ein deutlich höherer Strahlungsantrieb unterstellt als dem Treibhausgas CO 2 (vgl. Tabelle- 1). Folgerichtig wäre es, sämtliche Schadstoffe eines Fluges anhand ihres ökologischen Effektes zu bilanzieren, um hieraus eine Optimierung vorzunehmen, wie Bild 3 exemplarisch zeigt. Neben CO 2 wird derzeit einzig der Schadstoff NO x operativ im Rahmen der Flughafenentgelte taxiert. Doch auch hierfür fallen die Kosten derart marginal aus, dass keine Anreize zur diesbezüglichen Optimierung von Flügen bestehen. Generell ist zu bemerken, dass mit den aktuellen starren Schemata der Entgeltbemessung die aus der Selbstverpflichtung heraus teils erheblichen Anstrengungen der Fluggesellschaften zur Lärm- und Schadstoffreduzierung, bspw. durch innovative An-/ Abflugverfahren, nicht abgebildet bzw. nicht honoriert werden können. Überraschend ist, dass auch Strategiepapiere wie die „Vision 2020“ und der „Flightpath 2050“ des Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE) sowie das große europäische Verbundvorhaben zur Implementierung des Single European Sky vorrangig auf die erwähnten Umwelteffekte Fluglärm, CO 2 und NO x abstellen, andere negative ökologische Effekte in ihren Entwicklungsszenarien aber nicht oder nur unzureichend adressieren. Auch die Europäische Kommission als Initiator eines Leistungssystems für Flugsicherungsdienste bewertet die ökologische Leistung einer Flugdurchführung in Europa unvollständig. Für den Berichtszeitraum 2012-2014 definierte sie lediglich die durchschnittliche horizontale Streckenflugeffizienz als alleinigen ökologischen Mess-/ Grenzwert. Der Indikator bilanziert den tatsächlichen Flugweg vergleichend zur kürzesten Entfernung zwischen zwei Punkten im Nahbereich des Abflugbzw. Zielflughafens und stellt somit auf zusätzliche Verbräuche sowie CO 2 - Emissionen vergleichend zum idealen lateralen Flugweg ab. Zwei weitere ökologische, Brennstoffeffizienz-orientierte Indikatoren werden im Rahmen des Leistungssystems derzeit lediglich beobachtet, wobei der Einfluss des Vertikalprofils auf Emissionen durch keinen der drei Indikatoren abgebildet wird. Allen Planungen und Optimierungen im Sinne der Kosteneffizienz und/ oder der Umweltverträglichkeit ist gemein, dass diese aktuell durch einen Optimierungsraum eingeschränkt werden, der in seiner lateralen, vertikalen und auch zeitlichen Ausge- Schadstoff Wirkung Strahlungsantrieb [W/ m²] CO 2 Strahlungswirksam 1,68 H 2 O Ruß H 2 O/ Ruß strahlungswirksam Folgeeffekt: Bildung von Kondensstreifen Folgeeffekt: Bildung von Cirrenbewölkung 0,2/ 0,64 0,05 3,0-8,0 NO x → O 3 Bildung des strahlungswirksamen Ozons 0,14 NO x → CH 4 Abbau der strahlungswirksamen Substanz Methan -0,25 CO SO 2 C x H y Verstärkung der Bildung von Aerosolen oder Veränderung der natürlichen Wolkenbildung 0,23 -0,41 0,05 Tabelle 1: Wirkung der Emissionen des Luftverkehrs auf den Strahlungshaushalt der Erde, Angaben des Strahlungsantriebs gemäß IPCC, 2013 bzw. nach Sausen et al., 2005 Bild 2: Durchschnittliche Mengen und Anteile von Emissionen eines Luftfahrzeuges bei der Verbrennung von 1 kg Kerosin, Angaben gemäß Schumann, 1999 POLITIK Flugrouten Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 14 staltung durch den Aspekt Sicherheit (bspw. durch Vorgaben zur Separation von Luftfahrzeugen) legitimiert ist. Hinzu kommt, dass die aktuelle Leistungsfähigkeit des europäischen Luftverkehrssystems, das gekennzeichnet ist durch hohe Verkehrsaufkommen bei signifikanten Kapazitätsengpässen, Potenziale der Einsparung massiv limitiert. Ambitionierte Forschungsprogramme, allen voran das Programm Single European Sky ATM Research (SESAR), versprechen die Überwindung derartiger Kapazitätsengpässe sowie richtungweisende technologische wie auch verfahrensseitige Neuerungen in der Flugdurchführung. Zudem legen die erheblichen Fortschritte hin zu einer hoch präzisen Flugführung die Hoffnung auf den dringlich gebotenen Abgleich von historisch bereits lang bestehenden Sicherheitsregularien und damit die Aufweitung des Optimierungsraumes nahe. In einem künftigen Luftverkehrssystem sollten daher die notwendigen Voraussetzungen für eine Flugdurchführung geschaffen sein, die einer erweiterten oder geänderten obersten Planungsprämisse folgt. Unweigerlich muss allerdings gesellschaftspolitisch die Frage beantwortet werden, welche Prioritäten man den ökologischen versus Kosteneffizienz-orientierten Zielkriterien bei gewährleisteter Sicherheit in der Definition von flight efficiency künftig zugesteht. Die Bilanzierung diesbezüglich möglicher Optimierungspotenziale im skizzierten Spannungsfeld von Sicherheit, Ökologie und Ökonomie ist eine zentrale Zielstellung des im Rahmen des 5. Luftfahrtforschungsprogrammes (LuFo V) jüngst seitens des BMWi bewilligten und durch die Lufthansa Cargo AG mitgeförderten Projekts „Minimierung der Emissionen in der Flugdurchführung bei garantierter operationeller Sicherheit als Beitrag zu einem umweltfreundlichen Luftverkehrssystem“ (ME- FUL). Das zukunftweisende Projekt (Laufzeit 2014-2016) an der Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden nimmt sich dabei erstmals der Thematik der multikriteriellen Optimierung von Flugtrajektorien hinsichtlich partiell konfligierenden Zielkriterien an. Hierbei steht auch die Konzeptionierung, Parametrisierung und Validierung von legitimierten Maßzahlen des ökologischen Fußabdruckes des Luftverkehrs im Fokus, um eine Grundlage zur ökologisch orientierten Optimierung und weiterführenden Standardisierung in einem Luftverkehrssystem des Jahres 2050 zu bereiten. ■ 1 Vgl. Deutsche Emissionshandelsstelle, 2012 2 Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change, 1999 LITERATUR Deutsche Emissionshandelsstelle, Umweltbundesamt: Die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an Luftfahrzeugbetreiber für die Handelsperioden 2012 und 2013-2020, DEHSt im UBA, 2012 Europäische Kommission: VERORDNUNG (EU) Nr. 691/ 2010 DER KOMMIS- SION vom 29. Juli 2010 zur Festlegung eines Leistungssystems für Flugsicherungsdienste und Netzfunktionen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2096/ 2005 zur Festlegung gemeinsamer Anforderungen bezüglich der Erbringung von Flugsicherungsdiensten, Amtsblatt der Europäischen Union, 2010 Günther, G. und Fricke, H.: Impact of trajectory restrictions onto fuel and time-related cost efficiency, International Conference on Research in Air Transportation (ICRAT), 2014 Intergovernmental Panel on Climate Change: IPCC Special Report: Aviation and the global Atmosphere, Special Report of IPCC Working Groups I and III, Cambridge University Press, Bericht, 1999 Intergovernmental Panel on Climate Change: Climate Change 2013 The Physical Science Basis, IPCC Working Groups I, Cambridge University Press, Bericht, 2013 Kaiser M., Rosenow J., Fricke H. und Schultz M.: Tradeoff between optimum altitude and contrail layer to ensure maximum ecological en-route performance using the Enhanced Trajectory Prediction Model (ETPM), International Conference on Application and Theory of Automation in Command and Control Systems (ATACCS), 2012 Kaiser, M., Schultz, M. und Fricke, H.: Enhanced Jet Performance Model for High Precision 4D Flight Path Prediction, International Conference on Application and Theory of Automation in Command and Control Systems (ATACCS), 2011 Rosenow, J., Kaiser, M. und Fricke H.: Modeling Contrail Life Cycles Based on Highly Precise Flight Profile Data of Modern Aircraft, International Conference on Research in Air Transportation (ICRAT), 2012 Sausen R., Isaksen I., Grewe V., Hauglustaine D., Lee D. S., Myhre G., Köhler M. O., Pitari G., Schumann U., Stordal F. und Zerefos C.: Aviation radiative forcing in 2000: An update on IPCC (1999), Meteorologische Zeitschrift, Vol. 14, 2005 Schiller, J., Kaiser, M., Schultz, M. und Fricke, H.: Impact of ocean currents on contrail formation on global scale, Eurocontrol Innovative ATM Research Workshop 2010 Schumann, U.: Wie stark beeinflussen die Emissionen des Luftverkehrs Ozon und Klima? , GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, 1999 Franziska Dieke-Meier, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachliche Projektleitung MEFUL, Technische Universität Dresden dieke-meier@ifl.tu-dresden.de Hartmut Fricke, Prof. Dr.-Ing. Dekan der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des BMVI, Technische Universität Dresden fricke@ifl.tu-dresden.de Bild 3: Exemplarische ökologische Optimierungen eines Kurzstreckenflugs von Amsterdam nach Salzburg am 19. Januar 2012 (ohne Abwägung der Strahlungsantriebe), Datenquelle: Kaiser, Rosenow et al., 2012 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 15 Beschäftigung POLITIK Regionalwirtschaftliche Wirkungen von Häfen Analyse der hafenabhängigen Beschäftigung der niedersächsischen Seehäfen Die Seehäfen in Deutschland und den westlichen Nachbarstaaten sind in der Regel nach dem Landlord- Prinzip organisiert: Die öffentliche Hand hält die allgemeine sowie die terminalbezogene Infrastruktur vor, während private Unternehmen die Hafensuprastruktur finanzieren und für kommerzielle Zwecke betreiben. Informationen über die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Häfen verdeutlichen den Bürgern und Steuerzahlern, dass in den Budgets der Hafenstandortkommunen und Küstenländer finanzielle Mittel für die Hafeninfrastruktur erforderlich sind. Der Kern der regionalwirtschaftlichen Wirkungen wird durch die von den Häfen ausgehende Beschäftigung abbildet. Der Artikel erläutert, wie die hafenabhängige Beschäftigung ermittelt wird und kommt zu dem Ergebnis, dass von den niedersächsischen Seehäfen knapp 44 000 Arbeitsplätze direkt abhängen. Die Autoren: Klaus Harald Holocher, Peter Wengelowski D ie regionalwirtschaftlichen Wirkungen wichtiger Seehäfen in Nordwesteuropa werden in Form von „Regional-Impact- Studies“ immer wieder erfasst und analysiert. Grundlage dafür ist im allgemeinen ein „With-and-without-Vergleich“: Wirtschaftliche Aktivitäten - gemessen in Arbeitsplätzen, Bruttowertschöpfung o. ä. - werden als hafenabhängig eingestuft, wenn sie ohne Existenz des Hafens nicht oder nicht in der Hafenregion stattfinden würden. Die Ergebnisse können dann ins Verhältnis zu den Gesamtwerten der Region gesetzt werden, um die relative Bedeutung des Hafens herauszuarbeiten. Voruntersuchungen Im Rahmen eines von den Verfassern betreuten Projektstudiums ermittelte eine studentische Projektgruppe für das Jahr 2009 gut 41 000 Arbeitsplätze, die von den niedersächsischen Seehäfen abhingen. Als Grundlage für die sektorspezifische Abgrenzung der Unternehmen und Institutionen, die hafenabhängige Arbeitsplätze vorhalten, diente das von Breitzmann 1 entwickelte Mehrebenenkonzept der Seehafenwirtschaft. Nach diesem Konzept umfasst die Seehafenwirtschaft die drei Sektoren • Seehafenverkehrswirtschaft • seehafenbezogene (oder hafenverbundene) Wirtschaft • hafen- und maritim orientierte Behörden und Institutionen Diese drei Sektoren wurden unter Berücksichtigung der niedersächsischen maritimen Besonderheiten in insgesamt 26 Teilbranchen ausdifferenziert. Unternehmen, die einer dieser Teilbranchen zuzuordnen sind, wurden dann ex ante als hafenabhängig eingestuft. Der Untersuchungsraum wurde gemeindescharf in neun Hafenregionen um die größeren niedersächsischen Seehäfen abgegrenzt. Auf Basis dieser regionalen und branchenspezifischen Abgrenzung wurden 953 in der Untersuchungsregion ansässige, hafenabhängige Unternehmen, Institutionen und Behörden identifiziert und befragt, ob sie bzw. ihre Mitarbeiter sich tatsächlich als hafenabhängig einschätzten. Die Befragungsaktion erzielte mit 71,7 % eine außerordentlich hohe Rücklaufquote, so dass nur Ergebnisse für die fehlenden 28,3 % geschätzt werden mussten. Insgesamt wurden so für Ende 2009 41 076 direkt hafenabhängig Beschäftigte in Niedersachsen ermittelt. Dies entsprach knapp 7 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Untersuchungsraum. Fortschreibung der Beschäftigtenzahlen für das Jahr 2012 Befragungen sind sehr zeit- und personalaufwändig, zudem lässt die Antwortbereitschaft bei häufigen Wiederholungen signifikant nach. Eine Alternative ist die Fortschreibung der Befragungsergebnisse auf die folgenden Jahre. So hatte Planco Consulting für das Jahr 2001 eine Erhebung über die Hafenabhängigkeit in Hamburg durchgeführt. Die Ergebnisse wurden jährlich auf Basis von Bundes- und Landesstatistiken fortgeschrieben, bis nach 10 Jahren eine erneute Befragung für das Jahr 2011 durchgeführt wurde. 2 Um die Ergebnisse der niedersächsischen Studie von 2009 fortschreiben zu können, mussten die damals erfassten Teilbereiche der maritimen Branche auf die Klassifizierung der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes (WZ 2008) umgeschlüsselt werden. Dem Verfahren zur Fortschreibung auf das Jahr 2012 liegen die Daten der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit zugrunde, die ausreichend regional und branchenmäßig detailliert sind. Die Bundesagentur weist die Wachstumsrate der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten differenziert nach den örtlichen Arbeitsagenturen des Untersuchungsraumes nach und Wirtschaftszweigen quartalsmäßig aus. 3 Diese detaillierten Wachstumsraten können als brauchbare Näherungswerte herangezogen werden, um die absoluten Beschäftigtenzahlen der maritimen Teilbranchen in den neun Hafenregionen entsprechend fortzuschreiben. Für die in der Tabelle dargestellten Ergebnisse wurden zunächst die Daten der neun Hafenregionen einzeln ermittelt und dann kumuliert nach Teilbranchen abgebildet. Dieses aufwendige und differenzierte Verfahren ergab zum Jahresende 2012 einen Stand von 43.212 hafenabhängig Beschäftigten in Niedersachsen (Tabelle 1). POLITIK Beschäftigung Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 16 Analyse der Ergebnisse Die Anzahl der hafenabhängig in Niedersachsen Beschäftigten ist von 2009 auf 2012 ( jeweils Jahresende) von 41 076 um 5,2 % auf 43 212 angestiegen. Dieser Beschäftigungsanstieg überrascht auf den ersten Blick, da im selben Zeitraum der Hafenumschlag in den niedersächsischen Seehäfen um 6,2 % gesunken ist. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Struktur der in den niedersächsischen Häfen umgeschlagenen Güter gewandelt hat. Der Anteil des Stückgutumschlages ist von 10 % auf 14 % angewachsen, während der Massengutumschlag anteilsmäßig gesunken ist. Der Umschlag von Stückgut ist wesentlich beschäftigungsintensiver: In der Seehafenwirtschaft im engeren Sinne in Bremen und Hamburg finden sich pro 1 Mio. t umgeschlagener Massengüter 144 Beschäftigte, während der Umschlag konventioneller Güter (ohne Container) mit 1606 mehr als 11-mal so viele Beschäftigte generiert. 5 Aus Beschäftigungssicht wird daher in Niedersachsen der Rückgang des Massengutumschlages durch den signifikanten Anstieg des Stückgutumschlages überkompensiert. Beispielsweise stieg der Neufahrzeugumschlag während des Betrachtungszeitraums um 60 % an. Ausgehend von einer geringen Basis ist der sehr arbeitsintensive Umschlag von Windenergieanlagen noch deutlich stärker angestiegen. Entsprechende Investitionen in die Hafeninfra- und -suprastruktur haben diesen Güterstrukturwandel ermöglicht bzw. begünstigt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Funktionen der Häfen über den reinen Güter- und Personenumschlag hinausgehen. Beispielsweise benötigt die Marine Häfen, entsprechend sind in Wilhelmshaven ca. 9000 Bundeswehrangehörige als hafenabhängig erfasst worden. Viele hafenabhängig Beschäftigte sind bei Werften tätig oder verarbeiten in Hafennähe die dort umgeschlagenen Güter. Abschätzung der Beschäftigtenzahlen zum Jahresende 2013 Im Verlauf des Jahres 2013 ist der Umschlag der niedersächsischen Seehäfen um knapp 7 % gesunken. Was bedeutet dies für die hafenabhängige Beschäftigung? Bei differenzierter Betrachtung fällt auf, dass der Umschlag von flüssigem Massengut deutlich und der von festem Massengut leicht abgenommen haben, während der Umschlag von Stückgut seinen Anteil erhöhen und auch absolut um ca. 0,7 Mio. t steigen konnte. Umschlagzuwächse beispielsweise bei Komponenten von Windenergieanlagen, Containern und anderen arbeitsintensiven Gütern lassen einen Beschäftigungszuwachs erwarten. Für das Jahr 2013 liegen noch keine differenzierten Beschäftigtenstatistiken vor. Lediglich eine Hochrechnung durch die Bundesagentur für Arbeit lässt eine vorsichtige Fortschreibung der Zahlen aus 2012 zu. Auf dieser Basis kann ein Anstieg der direkt hafenabhängig Beschäftigten in Niedersachsen zum Jahresende 2013 auf fast 44 000 erwartet werden (Bild 1). Die hohe Bedeutung der niedersächsischen Seehäfen für die regionale Wirtschaft zeigt sich im Beschäftigungsanteil (42 %) der hafennahen Industrie (seehafenbezogene Wirtschaft). Fazit Länder und Kommunen investieren erhebliche Beträge in die hafennahe Infrastruktur, um damit die regionale Wirtschaft und Beschäftigung zu fördern. Zur Begründung dieser Investitionen werden Analysen der hafenabhängigen Beschäftigung durchgeführt. Auf Basis wirtschafts- und kreislauftheoretischer Überlegungen werden hafenabhängige Teilbranchen abgegrenzt und durch Befragungen und Hochrechnungen die hafenabhängig Beschäftigten ermittelt. Die Ergebnisse können auf Grundlage von Bild 1: Branchenverteilung der 44 000 hafenabhängig Beschäftigten in Niedersachsen Ende 2013 Maritime Teilbranchen Beschäftigte Wachstum Anteil Teilbranche Jahr 2009 Jahr 2012 Seehafenverkehrswirtschaft Reedereien 3279 3348 2,1 % 7,7 % Offshore Windenergie 2090 3072 47,0 % 7,1 % Hafenunternehmen im engeren Sinne 2483 2841 14,4 % 6,6 % Instandsetzung von Hafenanlagen, Reparatur von Schiffen 576 620 7,6 % 1,4 % Schiffsausrüster und Schiffsversorger 420 506 20,5 % 1,2 % sonstige Unternehmen der Seehafenverkehrswirtschaft 1448 1484 2,5 % 3,4 % Seehafenbezogene Wirtschaft Schiff- und Bootsbauunternehmen 5142 5262 2,3 % 12,2 % Import und Export von Rohstoffen und deren Verarbeitung 4430 4767 7,6 % 11,0 % Logistikunternehmen 4111 4063 -1,2 % 9,4 % Automobilhersteller, -exporteure 1588 1550 -2,4 % 3,6 % sonstige seehafenbezogene Wirtschaft 1825 2130 16,7 % 4,9 % Behörden, Institutionen Behörde/ Verwaltung/ Verband 13 683 13 569 -0,8 % 31,4 % Hafenabhängig Beschäftigte gesamt 41 076 43 212 5,2 % 100,0 % Tabelle 1: Hafenabhängig Beschäftigte in Niedersachsen - Fortschreibung für das Jahr 2012 4 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 17 Beschäftigung POLITIK statistischen Daten über die Beschäftigungs- und Umschlagentwicklung für einige Jahre fortgeschrieben werden. In den letzten Jahren wurden erhebliche Mittel in die Infra- und Suprastruktur der niedersächsischen Häfen investiert. Öffentliche Gelder flossen vor allem in Anlagen für den Umschlag von arbeitsintensiven Stückgütern wie Neufahrzeugen, Containern und Windenergieanlagen. Hierdurch wurde ein Güterstrukturwandel bewirkt: Während der Umschlag von flüssigem Massengut einbrach, konnte der Umschlag hochwertiger Stückgüter kräftig gesteigert werden. Dies führte zu einem Anstieg der hafenabhängig Beschäftigten. Für das Jahr 2009 wurden in einer umfangreichen Befragungsaktion 41 076 Beschäftigte als abhängig erfasst. Dieser Wert konnte auf 43 212 Beschäftigte im Jahr 2012 fortgeschrieben werden. Beruhend auf einer ersten Abschätzung kann ein weiterer Anstieg auf knapp 44 000 von den niedersächsischen Häfen abhängige Beschäftigte zum Jahresende 2013 erwartet werden. ■ 1 Breitzmann, K.-H. et al: Wirtschaftliche Effekte der Rostocker Seehäfen, Rostock 1996. 2 PLANCO Consulting GmbH: Untersuchung von Arbeitsplätzen, Wertschöpfung sowie Einkommens- und Steuereffekten durch den Hamburger Hafen für das Jahr 2011, Essen 02. September 2013 3 Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen (WZ 2008), Hannover, verschiedene Ausgaben. Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen - Beschäftigungsstatistik, Beschäftigung am Arbeitsort, Nürnberg, verschiedene Ausgaben. Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigungsstatistik, Länderreport - Niedersachsen, Berlin, verschiedene Ausgaben. 4 Holocher, K.H./ Wengelowski, P.: Gutachten über die Beschäftigungswirkungen der niedersächsischen Seehäfen, im Auftrag der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG, Bremen, Dezember 2013 5 Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik: Beschäftigungseffekte der bremischen Häfen: Kurzfassung, Bremen 2011. Klaus Harald Holocher, Prof. Dr. Professor für Europäische Verkehrswirtschaft und Hafenmanagement an der Jade Hochschule, Elsfleth holocher@jade-hs.de Peter Wengelowski, Prof. Dr. habil. Professor für Unternehmensführung maritimer Organisationen und Rechnungswesen an der Jade Hochschule, Elsfleth peter.wengelowski@jade-hs.de InnoTrans 2014 23. - 26. SEPTEMBER · BERLIN Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik Innovative Komponenten · Fahrzeuge · Systeme innotrans.de THE FUTURE OF MOBILITY Intern.Verkehrswesen_InnoTrans2014_99x297_de_QR.indd 1 27.02.2014 09: 23: 25 POLITIK Datenschutz Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 18 Das vernetzte Auto als Herausforderung für den Datenschutz An Zukunftsvisionen zur „vernetzten Mobilität“ mangelt es nicht: Die Konvergenz von Auto und Internet wird nicht lediglich auf den klassischen Automobilmessen, sondern auch auf den Kongressen der IT-Branche intensiv diskutiert. Das selbstfahrende Auto, das als Sensor für Echtzeitinformationen im ständigen Austausch mit anderen Autos steht, mag dabei noch Zukunftsmusik sein. Bereits heute werden beim Autofahren vielfältige Daten erfasst, und vor allem die Diskussion über Notrufsystem „eCall“ hat datenschutzrechtlichen Aspekte in den Blickpunkt gerückt. Dabei wird deutlich: Das vernetzte Auto ist schon nach heutiger Rechtslage ein reguliertes Produkt. Der Autor: Michael Kamps D ie aktuelle Diskussion über das vernetzte Auto und die bei seiner Nutzung anfallenden Daten pendelt häufig zwischen zwei Polen - Faszination für neue technische Möglichkeiten und gesellschaftlichen Mehrwert auf der einen und ein skeptischer Blick auf die „mobilen Datenschleudern“ auf der anderen Seite. Das Auto - so ein feuilletonistischer Einwurf - sei die letzte Insel, auf der das Privatsein noch nicht völlig durchwirkt sei von Google, Apple und Microsoft, weil man bislang entweder auf einer Autobahn oder einer Datenautobahn unterwegs gewesen sei. Der schon jetzt nach einer definierten Fahrstrecke oder -länge angezeigte Hinweis auf eine erforderliche Kaffeepause im Cockpit dient dabei ebenso als Indiz für eine allgegenwärtige Überwachung wie der Anfang dieses Jahres vorgestellter „Telematik-Tarif“ einer KFZ-Versicherung, bei der der Versicherungsnehmer für einen aus Fahrtdaten berechneten guten Score-Wert eine Reduzierung der Versicherungsprämie erwarten kann. In der Diskussion über das zukünftige Schicksal der informationellen Selbstbestimmung werden dabei gelegentlich Sachverhalte vermischt, die aus rechtlicher Sicht unterschiedlich zu beurteilen sind. Bei näherer Betrachtung stellt sich indes heraus, dass bereits die geltenden Gesetze dem Datensammeln im Auto durchaus beachtlich Grenzen setzen. Fahrzeugdaten vs. Personendaten Von den Verfechtern innovativer, datengestützter Anwendungen wird dabei gelegentlich hervorgehoben, dass es sich bei den aus einem Auto gewonnenen Daten um „gerätebezogene Informationen“ handele, die für den Halter oder Fahrer unerheblich seien. Aus rechtlicher Sicht ist dies relevant, weil datenschutzrechtliche Vorschriften nur zur Anwendung kommen, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Als „personenbezogene Daten“ gelten „Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“ (§ 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG). Keinen Personenbezug haben solche Daten, die weder direkt noch indirekt einen Bezug auf eine bestimmte Person zulassen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Daten aus einer Vielzahl von Endgeräten so zusammengefasst oder aggregiert werden, dass die Herkunft jedes einzelnen Datensatzes nicht mehr auf eine bestimmte Person zurückgeführt werden kann. Dass die Unterscheidung zwischen personenbezogenen und anonymen Daten von hoher praktischer Relevanz ist, musste der Navigationsgerätehersteller TomTom vor einigen Jahren erfahren: Das Unternehmen geriet im Frühjahr 2011 in die Schlagzeilen, weil es angeblich standortbezogene Daten u.a. zu Fahrzeit, -ort und -geschwindigkeit von TomTom-Nutzern an niederländische Behörden und andere Dritte verkauft habe. Erst fast ein Jahr später stellte die zuständige Aufsichtsbehörde für den Datenschutz mit, dass keine gesetzlichen Bestimmungen verletzt wurden, weil die weitergegebenen Daten vollständig anonymisiert gewesen seien. Auch für die zukünftige Entwicklung vernetzter Automobile wird die rechtliche Beurteilung in einem ersten Schritt vom Personenbezug der erhobenen Daten abhängen. Die Bewertung dieses Kriteriums wird z. B. darauf abstellen, welche Stelle Daten aus einem vernetzten Fahrzeug erhebt, weil es darauf ankommt, ob diese Stelle über weitere Informationen zur Identifizierung des Halters oder Nutzers verfügt. Das kann etwa bei der KFZ-Werkstatt der Fall sein, die mit Diagnosegeräten auf die Fahrzeugelektronik eines bekannten Kunden zugreift oder beim Autohersteller, der die „Person hinter dem Fahrzeug“ aufgrund eines Assistance-Vertrages identifizieren kann. Dabei kann ein und derselbe Datensatz für eine Stelle Personenbezug haben und für eine andere Stelle - in Ermangelung von Zusatzinformationen - anonym bleiben. Lokale Speicherung vs. Vernetzung Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung datenschutzrechtlicher Vorschriften ist die „Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung“ personenbezogener Daten. Dabei gilt als „Erhebung“ die Beschaffung von Daten über eine Person (§ 3 Abs. 3 BDSG), „Verarbeitung“ bezeichnet die relevanten technischen Vorgänge der automatisierten Speicherung, Veränderung, Übermittlung, Sperrung oder Löschung (§ 3 Abs. 4 BDSG) und „Nutzen“ - als Auffangtatbestand - jede andere Verwendung personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 5 BDSG). Der Anwendungsbereich des BDSG ist erst eröffnet wenn eine andere Stelle als der Betroffene selbst Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt - unreguliert ist deshalb etwa die lokale Speicherung von Daten in der Fahrzeugelektronik. Erst das Auslesen (durch das Diagnosegerät der KFZ-Werkstatt) oder die Vernetzung der Elektronik führen zu einer datenschutzrechtlich relevanten „Erhebung“. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 19 Datenschutz POLITIK Die praktische Relevanz der Abgrenzung zwischen lokaler Speicherung in der Fahrzeugelektronik und der Übermittlung an andere Stelle wurde zuletzt im Gesetzgebungsverfahren zum europaweiten Notrufsystem eCall deutlich, das ab 2015 für die meisten Neuwagen verbindlich ist. Ein im Fahrzeug eingebautes Gerät soll entweder manuell oder über Fahrzeugsensoren bei einem Unfall automatisch eine Verbindung mit der Notrufnummer 112 aufbauen und der Notrufstelle einen „Mindestdatensatz“ mit den für die Bearbeitung des Notrufes erforderlichen Informationen (u.a. den Ort des Unfalls) übermitteln. Das EU-Parlament hat in seiner im Februar 2014 veröffentlichten Stellungnahme einen deutlichen Akzent auf die datenschutzfreundliche Gestaltung gelegt. Insbesondere solle sichergestellt werden, dass ein Auto im Normalbetrieb über das eCall-System nicht verfolgbar ist und Daten nur bei einem Unfall (oder der manuellen Auslösung) übermittelt werden. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Der im internationalen Vergleich recht strikte Ruf des europäischen und deutschen Datenschutzrechts liegt vor allem im sogenannten „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ begründet: Denn die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten - es sei denn, sie erfolgt auf Grundlage einer Rechtsvorschrift oder einer Einwilligung des Betroffenen (§ 4 Abs. 1 BDSG). Eine datenverarbeitende Stelle ist deshalb gezwungen, ihren Umgang mit personenbezogenen Daten auf einen dieser beiden Erlaubnistatbestände zu stützen und muss dies gegenüber den zuständigen Behörden auch belegen können. Ansonsten können wegen unbefugter Datenverarbeitung Bußgelder bis zu 300 000 Euro, verwaltungsrechtliche Sanktionen sowie Schadensersatzansprüche der Betroffenen drohen (§§ 7, 38, 43 BDSG). Gesetzliche Erlaubnis vs.-Einwilligung In der zukünftigen Praxis der vernetzten Mobilität werden Einwilligungen der Betroffenen eine wichtige Rolle als Rechtsgrundlage für den Umgang mit personenbezogenen Daten darstellen. Gesetzliche Erlaubnistatbestände werden (außerhalb der Datenerhebung durch staatliche Stellen) voraussichtlich von untergeordneter Bedeutung sein - jedenfalls für das im eigenen Eigentum stehende Auto. Anders ist dies schon heute bei neuen Mobilitätskonzepten wie dem „free floating carsharing“. Anders als das klassische Carsharing mit festen Start- und Zielstationen können bei Angeboten wie DriveNow oder Car2Go Fahrzeuge an nahezu beliebigen Plätzen in einem Geschäftsgebiet abgestellt und angemietet werden. Diese Angebote funktionieren nur, wenn die abgestellten freien Fahrzeuge sowohl durch den Betreiber als auch durch die Nutzer über eine Internetseite oder eine Smartphone-App gefunden werden können; hierfür sind Lokalisierungsinformationen erforderlich. Zur Abrechnung der Mietzeit müssen der Beginn und das Ende der Fahrt dem jeweiligen Nutzer zugeordnet werden. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung dieser Daten ist zur Durchführung des Mietvertrages zulässig, § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG. Eine weitergehende Datenerhebung wäre von diesem gesetzlichen Erlaubnistatbestand allerdings nicht mehr gedeckt; dies gilt insbesondere für die dauerhafte Erfassung von Standortdaten. Selbst bei hochwertigen Fahrzeugen mit entsprechendem Diebstahlsrisiko ist eine verdeckte „Vollüberwachung“ durch den Vermieter unzulässig. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat in einem entsprechenden Fall im Jahre 2012 ein Bußgeld von über 50 000 Euro verhängt. Wird ein Auto allerdings nicht vermietet, sondern verkauft, ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nicht zur Durchführung eines Vertrages erforderlich. Eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung kann sich deshalb in der Regel nur aus gesonderten Verträgen (z. B. über laufende Assistance-Leistungen) ergeben, die parallel zum Autokauf abgeschlossen werden. Ansonsten wird die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von einer Einwilligung des Käufers abhängen. Einwilligung mit gewissen Hürden Die Einwilligung als Rechtsgrundlage für den Umgang mit personenbezogenen Daten aus einem vernetzten Fahrzeug ist nur wirksam, wenn zwei wesentliche Voraussetzungen eingehalten werden (§ 4a Abs. 1 BDSG). Zum einen muss der Betroffene über die Datenverarbeitung transparent und vollständig informiert werden. Die Entscheidung selbst muss freiwillig und eindeutig erfolgen - der Betroffene muss also eine echte Wahlmöglichkeit zwischen Erteilung und Verweigerung der Einwilligung haben (und diese mit Wirkung für die- Zukunft widerrufen können), und die Einwilligung darf nicht „untergeschoben“ (also z. B. im „Kleingedruckten“ versteckt) werden. Herausforderungen können sich hierbei vor allem dann ergeben, wenn eine technische Einrichtung zur Datenerhebung, -verarbeitung oder nutzung eng oder gar untrennbar mit einem Auto verknüpft ist und die Nutzung des Fahrzeugs ohne Datenerhebung und -verarbeitung nicht möglich ist, z. B. bei einem selbstfahrenden Auto. In diesem Fall werden die Informations- und Aufklärungspflichten des Fahrzeugherstellers vor dem Verkauf ggf. sehr umfangreich sein. Möglicherweise wird man in Zukunft auch beim Autokauf ein umfangreiches „Merkblatt zum Datenschutz“ erhalten, wie dies bereits jetzt im datenintensiven Versicherungsbereich praktiziert wird. Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Halter und der Fahrer eines Autos nicht dauerhaft identisch sein müssen. Wenn über ein Fahrzeug erhobene Daten Rückschlüsse auf den Fahrer zulassen, wird ggf. auch der jeweilige Fahrer in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten informiert werden und eine Einwilligung erklären müssen. Denkbar sind hier entsprechende Hinweise im Fahrzeug selbst, etwa im Cockpit-Display. Datenschutz und Datensicherheit als Wettbewerbsvorteil Gerade im Hinblick auf die gestiegene öffentliche Sensibilität für Datenschutz und Datensicherheit werden Anbieter von Fahrzeugen und fahrzeugnahen Anwendungen im eigenen Interesse darauf achten, nur so viele Daten wie nötig zu erheben, Wahlmöglichkeiten (wie etwa die manuelle Deaktivierung von Datenerhebungen) anzubieten und besondere Maßnahmen für die Sicherheit der im „fahrenden Computer“ verarbeiteten Daten zu treffen. Denn unabhängig von der weiteren Entwicklung des Datenschutzrechts (wie etwa durch die derzeit diskutierte EU-Datenschutzgrundverordnung) ist absehbar, dass erfolgreiche Angebote rund um das vernetzte Auto von der Akzeptanz der Verbraucher abhängig sind. ■ Michael Kamps Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle, Fachbereich „Technologie, Medien, Telekommunikation“, Schwerpunkt Datenschutz- und Informationsrecht, Köln michael.kamps@cms-hs.com Das Controlling von ÖPNV-Unternehmen steht im Mittelpunkt dieses Buchs. Experten aus ÖPNV-Unternehmen, Wissenschaft und Beratungshäusern stellen Instrumente zur Unternehmenssteuerung praxisnah vor und informieren über aktuelle Entwicklungen. Damit liefert das Buch Anregungen, Ideen und Lösungsansätze für Controllingprobleme. Jetzt bestellen! Per Telefon: 040-23714-440 oder in unserem Buchshop unter www.dvz.de/ shop Controlling im ÖPNV Instrumente und Praxisbeispiele Unternehmenssteuerung und Controlling im ÖPNV, Christian Schneider (Hrsg.), 1. Auflage 2013, 224 Seiten, broschiert, EUR 49,inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Infos und Leseprobe unter www.dvz.de/ controepnv im ÖPNV, Christian Schneider (Hrsg.), 1. Auflage 2013, 224 Seiten, broschiert, EUR 49,inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten NEU 6047_anz_vtl_dvzpraxis_unternehmenssteuerung_180x257.indd 1 02.04.2014 14: 15: 16 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 21 K affee hilft dem Korrespondenten über den Tag: am Morgen, um die Telefonkonferenz mit der Redaktion in Hamburg durchzustehen, und am Nachmittag, um schwierige Aufgaben zu meistern - etwa das Schreiben dieser Kolumne. Zwischen 2,20 EUR und 3,50 EUR kosten Espresso oder Cappuccino im teuren Brüsseler Europaviertel. Das ist nicht wenig, aber es ist nicht bekannt, dass es dagegen jemals Proteste gegeben hätte. Niedriger als der Preis für eine Tasse Kaffee in den Bistros rund um den Rond Point Schuman wäre der Aufschlag auf das Ticket für einen Flug von Brüssel nach Schanghai, wenn Fluggesellschaften am Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) teilnähmen. Eine Kleinigkeit also. Dennoch tobt um die Einbeziehung der Luftfahrt in das ETS seit Jahren ein erbitterter Kampf. Er wurde gerade erst durch eine Entscheidung des Europäischen Parlaments (EP) zunächst beigelegt. Spätestens 2016 wird er wieder aufflammen. Der jüngste Bericht des Weltklimarates macht klar, dass mehr gegen den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen getan werden muss. Die Luftfahrt ist der Verkehrssektor, den das bislang am wenigsten kümmert, und der ganz ungezwungen für stetig steigende Treibhausgasemissionen sorgt. Das ist umweltpolitisch verheerend und wettbewerbspolitisch bedenklich. Denn andere Verkehrsträger sind in der einen oder anderen Weise längst in den Klimaschutz eingebunden und zahlen dafür. Auch deshalb beschloss die EU bereits 2008 mit den Stimmen aller Umweltminister und mit 90-prozentiger Akzeptanz im Europaparlament (EP), dass alle Flüge mit Start- oder Zielort in der Union in das ETS einbezogen werden müssen. Sollte eine Luftfahrtgesellschaft das Gesetz nicht befolgen, verlöre sie die Erlaubnis, in der EU zu operieren. Klagen aus Nicht-EU-Staaten schmetterte der Europäische Gerichtshof ab: Das beschlossene Gesetz steht in Einklang mit internationalem Recht. Dennoch werden bis 2016 nur innereuropäische Flüge - Start und Landung auf dem Gebiet der Union - in das ETS einbezogen. Damit gibt die EU dem internationalen Druck nach. Das Kalkül hinter dem gerade erst zum wiederholten Male verschobenen Vollzug des Gesetzes von 2008: Günstiger als eine allein von der EU beschlossene Klima-Abgabe für die Luftfahrt wäre eine mit der internationalen Luftfahrtorganisation Icao abgestimmte Belastung. Icao hat zwar seit 1997 nichts Substanzielles zu dem Thema zustande gebracht. Dennoch hoffen einige in Brüssel, dass sich das bis zur nächsten Generalversammlung 2016 ändern könnte. Und wenn nicht, dann tritt der in letzter Minute zustande gekommenen EU-Regelung zufolge von 2017 an das Gesetz von 2008 in Kraft - mit neunjähriger Verspätung. In der Europäischen Hauptstadt setzt man überdies auf die Klimakonferenz im nächsten Jahr in Paris. Deren Beschlüsse würden Druck auf Icao ausüben. Wenn Icao die Konferenz-Debatten ignorierte, hätte andererseits die EU jede Legitimation, einseitig ihre ETS-Bestimmungen in Kraft zu setzen. Diesem Kalkül von EU-Kommission und den Umweltministern der Unionsstaaten folgte zuletzt die Mehrheit im EP. Es setzte sich über eine Empfehlung seines federführenden Umweltausschusses hinweg, der für eine härtere Gangart der internationalen Luftfahrt gegenüber eingetreten war. In der Tat spricht einiges für den jetzt gültigen Weg. Den jetzt noch einmal beschlossenen Aufschub des ETS für internationale Flüge wird den Skeptikern versüßt mit der Verpflichtung der EU-Staaten, die Fluggesellschaften aus Nicht-EU-Staaten auch für ihre innereuropäischen Flüge zur Kasse zu bitten. Bisher geschah das nur zögernd, in Frankreich sogar gar nicht. Hinzu kommt eine größere Transparenz bei der Verwendung der Mittel, die der Handel mit Emissionsrechten in ihre Kassen spült. Die Mitgliedstaaten sind nun gezwungen, der EU-Kommission darüber Bericht zu erstatten, wofür sie diese Einnahmen ausgeben. Die wird dem EU-Parlament und den anderen EU-Staaten darüber Auskunft geben. Das ist stärker als die bislang bestehende - und von den Finanzministern munter ignorierte - unverbindliche Empfehlung, die erzielten Mittel für Forschung und internationale Klimapolitik auszugeben. Die Luftfahrt darf nun zwei weitere Jahre interkontinental ohne die von ihr beklagten ETS-Belastungen fliegen. An andere nationale Auflagen - von der Luftverkehrssteuer in Deutschland über die Air Passenger Duty in Großbritannien, dubiose Gebühren in Indien und die Flugabgaben in Österreich - hat sie sich lange gewöhnt, auch wenn die Kosten dafür das Zehn-, ja sogar das Zwanzigfache des ETS-Aufwands ausmachen. Wie gesagt: Der Kaffee soeben im Europaviertel war teurer als der ETS-Aufschlag für einen Flug von Brüssel nach Schanghai. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Klimapolitik zum kleinen Preis? Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 22 INFRASTRUKTUR Urbaner Nahverkehr Städtische Seilbahn in La Paz In La Paz, dem Regierungssitz Boliviens, mitten in den Hochanden gelegen, entsteht das größte städtische Seilbahnsystem der Welt. Insgesamt werden zehn Stationen auf einer Höhe zwischen 3300-und-4100-m ü.M. mit einer Länge von über 9,5 km miteinander verbunden. Das ab Mai 2014 für die-Bevölkerung offene System soll als modernstes öffentliches Verkehrsmittel die Verkehrssituation der-Stadt verbessern. Der Autor: Boris Jäggi V erkehrssysteme in Großstädten von Entwicklungsländern zu organisieren, ist eine große Herausforderung für verantwortliche Verwaltungsorgane. Während in industrialisierten Ländern Wirtschaftswachstum, Straßenbau, verkehrsplanerisches Knowhow, Autobesitz und Verstädterung einigermaßen im Gleichschritt gewachsen sind, haben in Entwicklungsländern besonders Verstädterung und Autobesitz überproportional schnell zugenommen, was große Probleme verursacht. Die Ausgangslage Bolivien ist das am BIP pro Kopf gemessen ärmste Land Südamerikas. Hier leben 67 % der Menschen in Städten [1] und die Zahl der Fahrzeuge stieg von 418 000 Fahrzeugen im Jahr 2002 (50 Fahrzeuge/ 1000 Einwohner) auf 1 157 000 (115 Fzg./ 1000 E.) im Jahr 2012 [2]. Der größte Teil dieser Autos sind Gebrauchtwagen aus Japan, darunter viele Kleinbusse, die den wichtigsten Teil des informellen öffentlichen Verkehrs in La Paz bestreiten. Dies führt zur Situation, dass La Paz trotz eines ÖV-Anteils von fast 80 % am motorisierten Verkehr ein Stauproblem hat. In La Paz gibt es erst drei formelle, von einer städtischen Gesellschaft betriebene Buslinien, welche auch erst im März 2014 eröffnet wurden. Die größte Besonderheit ist jedoch die Geographie: La Paz liegt in einem Anden-Kessel am Rande der auf 4100-m ü.M. gelegenen Hochebene des Altiplanos und ist zusammengewachsen mit der auf der Hochebene gelegenen Schwesterstadt El Alto, die mit über 800 000 Einwohnern [1] größer ist als La Paz selber. El Alto liegt eben, ist bewohnt von mehrheitlich indigenen Zuwanderer vom Land, schwer regierbar mit schlechter Infrastruktur und wirtschaftlich vom informellen Sektor abhängig. La Paz hingegen liegt eng verbaut an steilen Hängen, ist Regierungssitz und Wohnort der bürgerlichen Bevölkerung und stark geprägt von Dienstleistungssektor, Gastronomie, Staat und Universitäten. Täglich strömen Tausende Pendler vom ärmeren El Alto zu den Arbeitsplätzen in La Paz. Entstehungsgeschichte des Projekts Die Idee einer Seilbahn in La Paz ist nicht neu. Schon vor über 50 Jahren wurden von damaligen Bürgermeistern verschiedene Projekte evaluiert, aber nie realisiert. Eine Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen, drängt sich in La Paz auf Grund der großen Höhenunterschiede und der sehr engen Platzverhältnisse auf. Die steilen Hänge machen zudem schienenbasierte Systeme nahezu unmöglich. Die Idee eines für Pendler ausgelegten, städtischen Seilbahnsystems wurde von der Regierung von Evo Morales 2011 wieder aufgenommen. Ziel war es, in kurzer Zeit ein modernes Seilbahnsystem für die Bevölkerung der INFRASTRUKTUR Urbaner Nahverkehr Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 23 Urbaner Nahverkehr INFRASTRUKTUR Stadt La Paz zu bauen, das die Verkehrssituation verbessern und der Stadt ein modernes Gesicht geben soll. Nach einer kurzen Evaluierungsphase wurde das Projekt direkt an die österreichisch-schweizerische Firma Doppelmayr-Garaventa vergeben, die städtische Seilbahnsysteme bereits in Algerien, Brasilien und Venezuela gebaut hat und als Generalunternehmung fungiert. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im September 2012 war die genaue Linienführung noch nicht bekannt, und nur eine rudimentäre Vorstudie existierte. Es war Teil des Auftrages, zusammen mit dem Bauministerium als Auftraggeber die Standorte der Stationen zu definieren. Für den Auftraggeber war ein schneller Fortschritt des Projektes wichtig, damit das Seilbahnsystem im Jahr 2014, einem Wahljahr, eröffnet werden kann - eine Rekordzeit für ein Infrastrukturprojekt dieser Größenordnung. Die Kosten des Projekts belaufen sich auf 235 Mio. USD, darin inbegriffen sind Seilbahntechnik, Hoch- und Tiefbauten, Schulung, technische Begleitung für ein Jahr, Zahlungssystem, Enteignungen und begleitende Studien. Zu diesem vergleichsweise hohen Betrag haben auch allfällige Risiken, weite Transportwege, fehlendes Knowhow vor Ort und die kurze Planungs- und Bauzeit beigetragen. Obwohl Bolivien ein armes Land ist, verfügt die Regierung selbst dank der staatlichen Erdgasproduktion über beachtliche finanzielle Mittel, die sie unter anderem für Sozialprogramme, wirtschaftliche Entwicklung, Ausbau der Infrastruktur und Prestigeprojekte einsetzt. Das städtische Seilbahnsystem, das zu den letzten beiden Kategorien gezählt werden kann, wurde direkt über die allgemeinen Mittel des Staatshaushaltes finanziert. Baubeginn war März 2013. Das Seilbahnprojekt Das Seilbahnsystem besteht aus drei Linien (Bild 1): Die Rote Linie verbindet El Alto mit dem Stadtzentrum von La Paz, die Gelbe führt von El Alto zu den unterhalb am Stadtzentrum angrenzenden Quartieren. Die Grüne erschließt, als Fortsetzung davon, die tiefer gelegenen Quartiere der Ober- und Mittelschicht. Die Bergstationen der Roten und Gelben Linie liegen an der Kante zwischen dem flachen El Alto und dem Kessel von La Paz. Die Rote Linie Die Bergstation der Roten Linie in El Alto liegt in Gehdistanz zwischen dem Quartier „16 de Julio“, in dem zwei Mal pro Woche einer der größten informellen Märkte Lateinamerikas stattfindet, und dem Haupt-Umsteigeort „Ceja“, wo sich die Minibusse aus La Paz und El Alto treffen - es ist der am stärksten überlastete und chaotischste Ort der Region. Von hier geht es über eine Zwischenstation beim Zentralfriedhof zum alten Bahnhof der stillgelegten Eisenbahnlinie, nördlich und oberhalb des aus Hochhäusern bestehenden Zentrums. Diese Linie wird die stärkste Nachfrage aufweisen, wurde vorrangig geplant, zuerst gebaut und soll im Mai 2014 fürs Publikum eröffnet werden. Sie hat eine Länge von 2289 m und überwindet 401 m Höhenunterschied in 11 min Fahrzeit. Die Gelbe Linie Die Bergstation der Gelben Linie in El Alto liegt südlich der Roten Linie am Rande eines vergleichsweise wohlhabenden Quartiers von El Alto. Von hier geht es über zwei Zwischenstationen im Steilhang und im mittelständischen Geschäfts- und Ausgangviertel zur in einer Schlucht gelegenen Talstation „El Libertador“. Diese Station liegt genau zwischen höher gelegenen, älteren Stadteilen und den neueren, flussabwärts gelegenen Quartieren der wohlhabenden Süd-Zone und zudem verkehrsmäßig günstig nahe bei allen wichtigen Verbindungen zwischen den Stadtteilen. Die Gelbe Linie ist 3633 m lang und schafft einen Höhenunterschied von 665 m in 17 min. Die Eröffnung ist für Juli 2014 geplant. Die Grüne Linie Die Bergstation der Grünen Linie liegt im selben Gebäude wie die Talstation der Gelben Linie, in der Station „El Libertador“, welche auch dank der Anbindung ans Straßennetz den Charakter einer Umsteigestation hat. Von der Bergstation führt die Grüne Linie zuerst hoch zu einer Zwischenstation, dann seitlich über die am Hang gelegenen Wohnquartiere mit einer weiteren Zwischenstation und schließlich steil über Felsen hinunter zum Rande der Süd-Zone. Sie hat eine Länge von 3655 m, einen Höhenunterschied von 130 m und eine Fahrzeit von 17 min. Die Eröffnung ist für August 2014 geplant. Bild 1: Das Projekt im Überblick (Alle Abbildungen: Boris Jäggi) Bild 2: Blick von La Paz zur Kante von El Alto mit Baustelle der Bergstation der Gelben Linie oben rechts. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 24 INFRASTRUKTUR Urbaner Nahverkehr Technische Details Alle drei Linien sind durchlaufende Gondelbahnen, ausgelegt als zwei unabhängig voneinander betriebene Teilsysteme. Die Kabinen haben jeweils eine Kapazität von 10-Personen, sind vom Tragseil lösbar, werden zum Unterhalt über Nacht abgenommen und in jeweils einer Garage abgestellt. Sie laufen mit einer Geschwindigkeit von 5- m/ s, entsprechend einer Kapazität von 3000 Personen pro Stunde pro Richtung. Alle Zwischenstationen sind mit Kontrollstelle, Ticketverkauf, Toiletten und mietbaren Verkaufsflächen ausgerüstet. Ein elektronisches Ticketsystem mit einer kontinuierlich aufladbaren Karte, von der ein fixer Fahrpreis pro Linie beim Eintreten abgezogen wird, ist vorgesehen. Die Karte wird man an den Stationen, aber auch an Kiosken oder in kleinen Läden aufladen können. Die Fahrpreise - ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Projekts und daher auch eine politische Angelegenheit - sind zum jetzigen Zeitpunkt Anfang April noch nicht definiert, werden aber im Bereich von zwei bis fünf Bolivianos (ca. 20 bis 50 Eurocents) liegen. Der (formelle) Mindestlohn in Bolivien beträgt 1200 Bolivianos monatlich. Ausblick Die größte Herausforderung für einen langfristigen Erfolg dieses Seilbahnprojekts wird die Integration in die bestehenden und zukünftigen Verkehrsstrukturen. Zum jetzigen Zeitpunkt arbeitet die zur Oppositionspartei gehörende Stadtverwaltung von La Paz an einem modernen Bussystem, welches die informellen Minibusse ersetzen soll. Sowohl das Bussystem wie auch die Seilbahnen können ihre Wirkung am besten entfalten, wenn die Systeme gut miteinander vernetzt werden. Trotz der schwierigen politischen Konstellation zwischen Stadt und Zentralregierung haben die beiden Lager eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit unterschrieben. So werden z. B. die Seilbahnstationen auch Haltestellen für Busse bekommen. Welche Buslinien welche Stationen anfahren werden, steht noch nicht fest. Hier können die Planer auf die Hilfe einer ausländischen NGO und südamerikanischer Experten zählen. Die Anbindung der informellen Minibusse ist eine zusätzliche Herausforderung, weil diese Linien zwar von der Stadt reguliert werden, die Lizenzen für den Betrieb der Busse aber von Syndikaten vergeben werden; das führt immer wieder zu Spannungen zwischen den Beteiligten. Sowohl das Bauministerium wie auch die Stadt La Paz sind bemüht, eine für beide Seiten gewinnbringende Lösung zu finden, da sowohl das neue Busals auch das Seilbahnsystem prestigeträchtige und prioritäre Projekte sind. Gemäss einem baubegleitend erstellten Verkehrsmodell wird die Rote Linie schon im ersten Betriebsjahr während der Spitzenstunde voll ausgelastet sein, während die anderen Linien erst in 10 bzw. 20- Jahren die volle Belastung erfahren sollen. Es ist jedoch trotz Modell schwierig vorauszusehen, wie die Menschen reagieren werden - besonders, welche Gehzeiten bis zur nächsten Station in teils sehr steilem Gelände in Kauf genommen werden. In La Paz gibt es zur Abendspitzenstunde häufig Wartezeiten von mehr als einer Stunde, weil alle Verkehrsträger besetzt sind. In einer solchen Situation kann ein neuartiges Angebot Verhaltensveränderungen hervorrufen, die a priori schwer vorauszusehen sind. Seit der Fortschritt der Arbeiten physisch zu sehen ist, steht die Bevölkerung dem Seilbahnprojekt generell positiv gegenüber. Bei einer Umfrage gaben 70% der Befragten [3] an, das System künftig nutzen zu wollen, und wegen der wettbewerbsfähigen Preisgestaltung ist das auch wahrscheinlich. Ganz sicher werden jedoch die Touristen profitieren, da die neue Gondelbahn die aufregendste Art sein wird, diese außergewöhnliche Stadt von oben zu betrachten. ■ QUELLEN [1] Encuesta de Hogares 2011, Instituto Nacional de Estadística INE; Bolivia 2013 [2] Registro Único para la Administración Tributaria Municipal, Bolivia 2013 [3] Meinungsumfrage im Auftrag von Doppelmayr Bolivien Boris Jäggi, Dipl. Ing. ETH Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Gruppe Verkehrsplanung am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) an der ETH Zürich; Wohn- und Arbeitsort La Paz, Bolivien boris.jaeggi@ivt.baug.ethz.ch Bild 4: Baustelle der Station „El Libertador“, an der sich Gelbe und Grüne Linie treffen. Bild 3: Blick aus den Kabinen der Roten Linie auf die Zwischenstation, links davon der Zentralfriedhof, im Hintergrund das Stadtzentrum. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 25 Kommunen INFRASTRUKTUR Ersatzneubaubedarf bei kommunalen Straßenbrücken Erfassungsmethode und Ergebnisse Die Unterfinanzierung der Kommunen beim Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur ist evident und-betrifft vor allem komplexe und teure Ingenieurbauwerke wie Straßenbrücken. Eine aktuelle Untersuchung belegt, wie dramatisch die Situation tatsächlich ist. Der Autor: Wulf-Holger Arndt S traßeninfrastruktur dient der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Sie ist eine zentrale Voraussetzung zur Sicherung der Erreichbarkeit von Orten. Wichtiger Bestandteil sind Straßenbrücken und andere Ingenieurbauwerke, die zur Bewältigung der Topografie, für Querungen von Wasserläufen oder auch von anderen Verkehrsinfrastrukturen unerlässlich sind. Ausgangslage und Vorgehen Große bauliche Probleme bestehen bei Straßenbrücken. Diese werden u. a. verursacht durch: • Erhebliche Zunahme des Schwerlastverkehrs • Geschwindigkeitssteigerungen • Früheren massiven Streusalzeinsatz • Sauren Regen • Brücken erreichen teilweise „kritisches Alter“ - vor allem Brücken aus den 60er bis 80er Jahren, in denen die Infrastruktur vor allem in Westdeutschland stark ausgebaut wurde • Ein Teil der Spannbetonbrücken der 60er/ 70er Jahre zeigt vorzeitige Alterungserscheinungen aufgrund unzureichender Baukonstruktionen • Nicht ausreichende Brückenunterhaltung über viele Jahre Straßenbrücken sind in unterschiedlicher Baulastträgerschaft. Die Kenntnisse über den Erhaltungszustand der Straßenbrücken in der Baulast des Bundes sind vergleichsweise gut. Zu kommunalen Straßenbrücken liegen keine deutschlandweiten Daten vor. Selbst die Brückenzahl kann bisher nur geschätzt werden. Es konnte vermutet werden, dass der Zustand der kommunalen Straßenbrücken im Vergleich zu den Brücken in der Baulast von Bund und Ländern noch schlechter ist, unter anderem durch die chronischen Haushaltsdefizite in vielen Gemeinden und Kreisen verursacht 1 . Aus diesem Grund waren Straßenbrücken in kommunaler Baulast, speziell deren Ersatzneubaubedarf, der Untersuchungsgegenstand in dieser Studie. Durch qualitative Recherchen, Expertengespräche, eine Kommunalumfrage und Analysen bisher unerschlossener Datenquellen wurden belastbare Hochrechnungen des Ersatzneubaubedarfs kommunaler Straßenbrücken vorgenommen. Dabei wurden nur für den öffentlichen Kraftfahrzeugverkehr zugelassene Brücken einbezogen, keine reinen Fußgänger- oder Radfahrerbrücken, Brücken an Wirtschaftswegen, Durchlässe und ähnliches. Zahl kommunaler Straßenbrücken Um die Zahl der kommunalen Straßenbrücken belastbar zu ermitteln, wurden erstmalig und in einem neuartigen Verfahren Daten aus geografischen Informationssystemen (GIS-Daten - OpenStreetMap) ausgewertet. Insgesamt gibt es ca. 67 000 Straßenbrücken in kommunaler Baulast, mit einer Fläche von 2755 ha (das entspricht einer Größe von ungefähr 4000 Fußballfeldern). Im Durchschnitt kommt auf 1200 Einwohner eine kommunale Straßenbrücke bzw. eine Brücke je 5,4 km 2 Gemeindefläche. Die ent- Foto: Karl-Heinz Liebisch/ pixelio.de Kommunen INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 26 INFRASTRUKTUR Kommunen sprechenden Zahlen variieren jedoch stark zwischen den Regionen 2 : Region Nordost (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg) mit geringer Brückendichte aufgrund der geringen Bevölkerungszahl und ihren spezifischen topografischen Gegebenheiten (meist flaches Land); Regionen mit hoher Brückendichte wie in der Region „Südmitte“ (Hessen, Bayern). Fast 70 % der Brücken befinden sich in kleineren Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern. Selbst wenn in Betracht gezogen wird, dass sich größere Brücken eher in großen Städten befinden, zeigt Bild 1, dass sich über 50 % der Brückenflächen in kleineren Kommunen befinden. Die Brückenzahl und die Brückenfläche pro Einwohner sind bei kleineren Gemeinden am höchsten (Bild 3). Damit haben kleine Gemeinden relativ auch den größten Bedarf an Brückeninvestitionen (und auch an Unterhaltungsmaßnahmen). Kommunale Straßenbrücken nach Struktur und Ersatzneubaubedarfen In der Studie wurde eine umfangreiche Kommunalbefragung bei etwa 2000 Städten, Kreisen und Gemeinden durchgeführt, um Einschätzungen der kommunalen Brückenexperten zum Ersatzneubaubedarf und zur Struktur der kommunalen Straßenbrücken zu erhalten. Mit Antworten aus 500 Kommunen zur Situation der Straßenbrücken insgesamt (die etwa 14 000 Straßenbrücken repräsentieren) und ebenfalls vertiefende Angaben zu knapp 500 einzelnen Brücken sind die Ergebnisse repräsentativ für die kommunalen Straßenbrücken in Deutschland. Brücken insgesamt: Material und Baujahr Rund 70 % der kommunalen Brücken bestehen aus Beton (vor allem Nicht-Spannbeton, d. h. Stahlbeton, mit 54 %). Zum Vergleich: Bei Bundesbrücken liegt der Anteil bei knapp 90 %. Die „Bundesbrücken“ sind im Schnitt wesentlich größer als kommunale Brücken. Knapp 16 % der kommunalen Straßenbrücken sind jeweils aus Spannbeton bzw. Stahl und Verbundbau errichtet (Bild 2). Im Osten Deutschlands gibt es überproportional viel alte (vor 1945 gebaute) und junge Brücken (Bauten nach dem Beitritt der DDR). Im Westen sind viele Brücken im „kritischen Alter“, müssen also bald erneuert werden. Brücken insgesamt: Bauliche Zustände Knapp die Hälfte der kommunalen Brücken weisen schlechte Zustände auf (Noten ab 2,5 und höher 3 ). Schlechte Zustandsnoten der kommunalen Straßenbrücken sind überproportional häufig in den neuen Bundesländern und in kleinen Gemeinden zu finden. Bei den Bundesbrücken ist dies ähnlich: Die schlechtesten Zustandsnoten sind bei den kommunalen Brücken mit 7 % weit häufiger vertreten als bei den Brücken in Baulast des Bundes mit 1,7 %. Brücken mit Ersatzneubaubedarf: Zahl-und-Flächen Insgesamt gibt es in der Stichprobe 2079 Brücken mit Ersatzneubaubedarf; das sind rund 15 % aller Brücken aus der Stichprobe. Bei Straßenbrücken ist - bezogen auf die Brückenzahl - eine deutlich überproportio- Bild 1: Summarische Fläche der Straßenbrücken pro Gemeindegrößenklasse Bild 2: Materialarten kommunaler Straßenbrücken Bild 3: Anzahl Straßenbrücken mit Ersatzneubaubedarf je 10 000 Einwohner nach Gemeindegröße. Quelle: Difu-Studie „Ersatzneubau Kommunaler Straßenbrücken“ 2013; n=314 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 27 Kommunen INFRASTRUKTUR nale Belastung kleiner Gemeinden durch Ersatzneubaubedarf zu verzeichnen (Bild 3). Die durchschnittliche Brückengröße nimmt mit der Ortsgröße allerdings zu, d. h. je größer eine Stadt oder Gemeinde ist, umso öfter hat sie vergleichsweise große Straßenbrücken. Ebenfalls ist der Anteil von Straßenbrücken mit Ersatzneubaubedarf in den neuen Bundesländern überdurchschnittlich hoch. Nach Aussagen der Befragten werden nur etwas mehr als die Hälfte der ersatzneubaubedürftigen Brücken bis 2030 tatsächlich abgerissen und neu gebaut. Die Fläche der Brücken mit Ersatzneubaubedarf macht in der Stichprobe insgesamt 301 296 m 2 aus, knapp 10 % der Brücken-Gesamtfläche der Stichprobe. Je kleiner die Kommunen sind, desto größer ist der Pro-Kopf-Flächenanteil der Brücken mit Ersatzneubaubedarf. Auch hier ist ein überdurchschnittlich hoher Anteil von kommunalen Straßenbrücken mit Ersatzneubaubedarf in den neuen Bundesländern zu konstatieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass in Ostdeutschland in den vergangenen zwanzig Jahren überwiegend im Bundes- oder Landesstraßennetz investiert wurde. Im umfangreichen Gemeindestraßennetz, gerade abseits der Hauptverkehrswege, konnte der große Investitionsrückstand nicht im gleichen Umfang reduziert werden. Brücken mit Ersatzneubaubedarf: Baujahr, Zustandsnoten und Investitionskosten Ersatzneubaubrücken sind eher ältere Brücken, kleinere und/ oder weniger tragfähige Brücken. 60 % der Brücken mit Ersatzneubaubedarf weisen eine Zustandsnote schlechter als 3,0 auf. Etwa zwei Drittel der Ersatzneubau-Brücken bestehen aus Stahlbeton oder Spannbeton. Verbund- und Steinbrücken müssen überdurchschnittlich oft ersetzt werden, teilweise altersbedingt. Die durchschnittlichen Investitionskosten für den Ersatzneubau von Straßenbrücken werden von den Befragten auf 4184- EUR/ m 2 geschätzt. In den nächsten fünf Jahren sind über alle Kommunen hinweg pro Kopf durchschnittlich 40 EUR für den Ersatzneubau kommunaler Straßenbrücken geplant. Selbstverständlich steigen die Kosten mit zunehmender Gemeindegröße. Die höhere Pro-Kopf-Investitionsbelastung für Ersatzneubau von kommunalen Straßenrücken weisen jedoch kleinere Gemeinden auf. Der Nachholbedarf und damit auch die notwendigen Investitionen bei Straßen- und Straßenbrücken-Investitionen ist in den ostdeutschen Bundesländern (NBL) immer noch am höchsten, was auch durch Ergebnisse einer früheren Difu-Studie 4 unterstrichen wird, da, wie oben schon erwähnt, offenbar in Ostdeutschland in den vergangenen 20 Jahren überwiegend im Bundes- oder Landesstraßennetz investiert wurde. Vergleicht man die notwendigen Investitionen in Ersatzneubau kommunaler Straßenbrücken mit den geplanten Ausgaben, ergibt sich eine deutliche Lücke von ca. 50 %. Offenbar reichen die geplanten Investitionsmittel nicht zur vollständigen Befriedigung des Ersatzneubaubedarfes aus. Schätzung des Investitionsbedarfs für den Ersatzneubau kommunaler Straßenbrücken Nach einer Methodenanalyse wurde ein flächenbezogener Ansatz zur Hochrechnung gewählt. Die hier vorgenommene Hochrechnung geht insofern weiter als bisherige Studien, da sie auf den beschriebenen neu erschlossenen Datenquellen zu kommunalen Straßenbrücken fußt. Grundlage der Hochrechnung sind außerdem die Kenntnisse von Fachleuten in den befragten Kommunen über den Umfang des notwendigen Ersatzneubaubedarfs bis zum Jahr 2030. Die Hochrechnung über die Brückenflächen führt zu einem jährlichen Investitionsbedarf für den Ersatzneubau von kommunalen Straßenbrücken in Höhe von geschätzten 630 Mio. EUR. Für den Betrachtungszeitraum bis 2030 ergibt sich somit ein Gesamtbedarf von 10,7 Mrd. EUR. Zum hier ermittelten Investitionsbedarf für den vollständigen Ersatzneubau von kommunalen Straßenbrücken muss im Prinzip auch noch der Bedarf für den Teil- Ersatzneubau (z. B. nur der Fahrbahnen) hinzugerechnet werden. Dieser kann allerdings auf Grundlage der Erhebungen nur sehr grob abgeschätzt werden. Danach sind für den Teil-Ersatzneubau kommunaler Straßenbrücken zusätzlich rund 300 Mio. EUR jährlich erforderlich. Insgesamt ergeben sich so knapp 1 Mrd. EUR pro Jahr für den Ersatzneubaubedarf bei kommunalen Straßenbrücken. Ebenfalls unberücksichtigt geblieben sind die Kosten für den Ersatzneubau von Brücken außerhalb der Straßenbrücken (z. B. Brücken auf Fußwegen, Radwegen, Wirtschaftswege oder Durchlässe). Insgesamt sind hiervon noch einmal knapp 90 000 Bauwerke betroffen, wobei Aussagen über den Ersatzneubaubedarf jener Brücken nicht getroffen werden können. Fazit Insgesamt ist ein erhebliches Defizit bei der Finanzierung des Ersatzneubaus kommunaler Straßenbrücken festzustellen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Brücken mit Ersatzneubaubedarf wird bis zum Jahr 2030 auch wirklich ersetzt, was grob geschätzt ein jährliches Investitionsdefizit von 500- Mio. EUR im Ersatzneubau bedeutet. Offenbar reichen die geplanten Investitionsmittel nicht zur vollständigen Deckung des Ersatzneubaubedarfes aus. Dringende Investitionen werden weiter aufgeschoben. Unterlassener Ersatzneubau führt kurzfristig zu erhöhten Instandsetzungsausgaben, aber mittelfristig zu Verkehrseinschränkungen. Die Ausweichverkehre, die durch dann notwendige Brückensperrungen entstehen, haben teilweise erheblich negative Folgen auf andere kommunale Straßenbrücken - so verursacht die Sperrung der Leverkusener Autobahnbrücke die dreifache Verkehrsbelastung der Mühlheimer Brücke in Köln. Die Unterfinanzierung der Kommunen beim Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur ist evident. Straßenbrücken sind dabei komplexe und sehr teure Ingenieurbauwerke im Straßennetz. Der jetzige Investitionsstau stellt eine zunehmende Gefahr für die Leistungsfähigkeit des Straßensystems in Deutschland dar. Hier entsteht dringender Handlungsbedarf. Ein mehrjähriges Brückenerneuerungsprogramm könnte den Investitionsstau auflösen, der insbesondere durch eine Häufung des vorzeitigen Ablaufs der Lebensdauer von Brücken aus den 50er bis 70er Jahren entsteht. Mittel- und langfristig müssen aber entweder andere Finanzierungsmodelle entwickelt werden oder in einem Umbauprogramm des Verkehrssystems der Ausbaugrad der Straßeninfrastruktur angepasst werden. ■ 1 S. z.B. KfW (Hrsg.) 2013: KfW-Kommunalpanel 2012, Frankfurt 2013 2 Für die Auswertung der Daten der Kommunalbefragung wurden sechs Regionen gebildet: Nord (Schleswig-Holstein, Niedersachsen), NRW (Nordrhein-Westfalen), Südwest (Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg), Südmitte (Hessen, Bayern), Nordost (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg) und Mitte (Sachsen, Sachsen- Anhalt, Thüringen) 3 Die Richtlinien für die Erhaltung von Ingenieurbauten nach der DIN 1076 (BMVBS 2007) definieren die bei der Brückenprü-fung zu vergebenden Zustandsnoten (1 „sehr guter Zustand“ bis 4,0 „ungenügender Zustand, Nutzungseinschränkung oder Sperrung“). 4 Reidenbach, M., u.a.: Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen. Ausmaß, Ursachen, Folgen und Strategien, Berlin 2008 (Edition Difu - Stadt Forschung Praxis, Bd. 4). Wulf-Holger Arndt, Dr.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsches Institut für Urbanistik - Bereich Mobilität und Infrastruktur, Berlin arndt@difu.de Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 28 INFRASTRUKTUR Schienennetz Region Frankfurt RheinMain Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in der Region Frankfurt RheinMain Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Nahverkehrs im Rhein-Main-Verkehrsverbund Im Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) fahren weit über 700 Mio. Fahrgäste jährlich. Zwei Drittel der Verkehrsleistung werden im regionalen Schienenverkehr erbracht. Damit die prognostizierten Verkehrszuwächse gewonnen werden können, muss das Leistungsangebot auf der Schiene weiter ausgebaut werden. Durch die hohe Auslastung des Schienennetzes in der Region mit Fern- und Nahverkehr sind jedoch schon heute die Fahrplanangebote nur mit Qualitätseinbußen realisierbar. Ein nachhaltiger Ausbau der Schieneninfrastruktur ist daher für die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Verkehrssystems unerlässlich. Die Autoren: Thomas Busch, Peter Forst, Josef Becker D ie Verkehrsnachfrage im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im RMV-Gebiet hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Rund 2,2 Mio. Kunden nutzten 2010 werktäglich den ÖPNV. 75 % der Fahrten finden innerhalb des Kernraums (also im Wesentlichen im Gebiet des S-Bahn-Netzes) statt. Hiervon haben insbesondere Verkehrsbeziehungen und Verkehrsachsen innerhalb des Kernraums und im Zulauf auf den Kernraum profitiert. Besonders auffällig ist die Steigerung des Verkehrsaufkommens im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Erhebliche Kapazitätsengpässe im Schienennetz Dabei kommt es zunehmend zu Kapazitätsengpässen, insbesondere im Umfeld des Knotens Frankfurt und dort, wo der SPNV im Mischbetrieb mit dem Fernverkehr und dem Güterverkehr verkehrt und die Strecken betrieblich ausgelastet sind. Hier wirkt sich aus, dass im Rhein-Main-Gebiet und insbesondere in Frankfurt nicht nur im Nahverkehr, sondern auch um Fern- und Güterverkehr viele wichtige Verkehrsströme zusammenlaufen. Schätzungsweise zwei Drittel des bundesweiten Personenfernverkehrs und über die Hälfte des Güterverkehrs bündeln sich hier. Bild 1 illustriert dies am Beispiel des Fernverkehrs. Hervorzuheben sind besonders die Engpässe auf den Abschnitten • Mainz - Frankfurt Flughafen - Frankfurt Stadion - Frankfurt Hauptbahnhof, • Hanau - Frankfurt Süd - Frankfurt Hauptbahnhof sowie • Friedberg - Bad Vilbel - Frankfurt West und generell in den Korridoren • Fulda - Frankfurt und • Mannheim - Frankfurt. Die Kapazitätsengpässe äußern sich in überfüllten Zügen. Zusätzliche oder längere Züge verkehren zu lassen, ist aufgrund der begrenzten Infrastruktur nicht möglich. Die hohe Streckenauslastung führt auch oft zu Einschränkungen bei der Angebotsgestaltung und der Betriebsqualität. Die im Rahmen der Erstellung des Regionalen Nahverkehrsplans des RMV (RNVP) erarbeiteten Prognosen gehen davon aus, dass sich die Nachfrage insbesondere auf den schon heute stark ausgelasteten Strecken weiter erhöhen wird. Dies resultiert aus den bereits jetzt zu beobachtenden und sich in Zukunft fortsetzenden Trends einer Bild 1: Frankfurt RheinMain als zentraler Knoten im Schienenpersonenfernverkehr (nach BVU, Intraplan, 2010) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 29 Schienennetz Region Frankfurt RheinMain INFRASTRUKTUR Konzentration von Arbeitsplätzen in den größeren Zentren. Damit verbunden sind sowohl ein stärkerer Zuzug in diese Zentren als auch längere Arbeitswege für Pendler von außerhalb der Zentren, die sich zunehmend an den Hauptachsen ausrichten. Die vorhandenen Engpässe werden sich also noch deutlich verschärfen. Im Rhein-Main-Gebiet wurde die Eisenbahninfrastruktur in den letzten Jahrzehnten nicht im nötigen Maße ausgebaut, um den heutigen und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Der RMV hat deshalb seit seiner Gründung das Angebot kontinuierlich optimiert, soweit es die vorhandene Infrastruktur zugelassen hat. Dies bedeutet, dass die Fahrlagen und die eingesetzten Kapazitäten der Fahrzeuge verändert wurden. Die Betriebsleistung ist aber - bei deutlich steigenden Fahrgastzahlen - weitgehend konstant geblieben. Diese Optimierungspotenziale sind nun beinahe ausgeschöpft. Um der wachsenden Nachfrage auch in Zukunft gerecht werden zu können ist es notwendig, die Eisenbahninfrastruktur systematisch auszubauen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Beseitigung von Kapazitätsengpässen. Dies haben die Untersuchungen zum RNVP noch einmal deutlich gemacht. Frankfurt RheinMain plus Die Maßnahmen zur Behebung der Infrastrukturengpässe im Rhein-Main-Gebiet sind im Leitprojekt Frankfurt RheinMain plus zusammengefasst. Sie werden hier, unter Berücksichtigung der umfangreichen bautechnischen und -betrieblichen Abhängigkeiten, koordiniert und aufeinander abgestimmt. Um die Engpässe im Schienennetz zu beseitigen, müssen insbesondere die für den Nahverkehr relevanten Projekte zeitnah weiterverfolgt und realisiert werden. Das „Bauen unter dem rollenden Rad“ erfordert die exakte Abstimmung der einzelnen Maßnahmen miteinander und deren Umsetzung in konsequenter Abfolge. Der- herausragenden verkehrlichen Bedeutung des Knotens entsprechend umfasst das Leitprojekt Frankfurt RheinMain plus neben lokalen und regionalen Projekten auch überregionale Maßnahmen im Netz der Schnellfahrstrecken, die Auswirkungen auf den Betriebsablauf im Knoten Frankfurt haben. Im Rahmen des Leitprojektes wurden mehrere Großprojekte (Bild 2) konzipiert, die für die Entwicklung des regionalen Schienenverkehrs von herausragender Bedeutung sind. Dies sind vor allem • der S-Bahn-Ausbau Frankfurt West - Bad Vilbel - Friedberg, • die nordmainische S-Bahn, • die S-Bahn-Anbindung von Gateway Gardens, • die Regionaltangente West sowie • die Schienenanbindung des geplanten Terminals 3 des Flughafens Frankfurt. Dabei dienen die beiden zuerst genannten Maßnahmen der Entmischung der Verkehre im Knoten und auf wichtigen Zulaufstrecken, auch zum Nutzen des Fernverkehrs. Diese Projekte werden nachfolgend näher vorgestellt. Ausbau S 6 zwischen Frankfurt West und Friedberg Auf der hoch belasteten Main-Weser-Bahn teilen sich Fern-, Güter-, Regional- und S- Bahn-Verkehr zwei Gleise. Wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten behindern sie sich gegenseitig. Ein Teil der S- Bahnen wird derzeit erzwungenermaßen planmäßig von durchfahrenden Zügen überholt, wodurch das Taktgefüge gestört und das Angebot dem Anspruch einer S- Bahn nicht gerecht wird. Die Fahrzeiten sind länger als eigentlich nötig, und die Bild 2: Maßnahmen im Leitprojekt Frankfurt RheinMain plus Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 30 INFRASTRUKTUR Schienennetz Region Frankfurt RheinMain langsameren Züge sind weniger gut nachgefragt als die schnelleren. Der viergleisige Ausbau zwischen Frankfurt und Friedberg ist in zwei Abschnitte Frankfurt West - Bad Vilbel und Bad Vilbel - Friedberg unterteilt. Für den Abschnitt Frankfurt West - Bad Vilbel besteht Baurecht. Für den Abschnitt Bad Vilbel - Friedberg läuft zurzeit das Planfeststellungsverfahren. Nordmainische S-Bahn Mit der nordmainischen S-Bahn sollen die östliche Innenstadt Frankfurts, die Stadt Maintal und die westlichen Stadtteile Hanaus an das bestehende S-Bahn-Netz Rhein- Main angebunden werden. Vorkehrungen für diesen S-Bahn-Streckenast wurden bereits in den 1980er Jahren mit dem Bau des S-Bahn-Tunnels zwischen der Konstablerwache und der Ostendstraße getroffen, indem die Tunnelanschlüsse im Bereich der künftigen Streckenverzweigung miterrichtet wurden. Die Strecke soll östlich des Frankfurter Ostbahnhofes wieder ans Tageslicht kommen. Aufgrund der prognostizierten Verkehrsentwicklung zwischen Frankfurt und Hanau (sowie im gesamten Korridor bis Fulda) ist ein zusätzlicher S-Bahn-Betrieb mit seinen hohen Anforderungen an die Pünktlichkeit und die Zuverlässigkeit auf der bestehenden zweigleisigen Strecke über Maintal nach Hanau nicht möglich. Die Erweiterung der Infrastruktur mit zwei zusätzlichen S-Bahn-Gleisen, verbunden mit dem Neu- und Umbau von Stationen, ist zur Entmischung der Verkehre zwingend erforderlich. Das Frankfurter Stadtgebiet wird im Zuge des Ausbaus durch den Ersatz der Station Mainkur mittels einer weiter westlich gelegenen Station „Frankfurt-Fechenheim“ künftig besser erschlossen. Im Laufe des Jahres 2014 soll in allen drei Planfeststellungsabschnitten mit dem Planfeststellungsverfahren begonnen werden. Gateway Gardens Das am Flughafen Frankfurt gelegene Konversionsgelände wird zu einem Gewerbegebiet mit bis zu 700 000 m 2 Brutto-Geschossfläche umgestaltet. Seine Verkehrserschließung muss aufgrund der Lage zwischen stark befahrenen Bundesautobahnen und -straßen zu großen Teilen über einen leistungsfähigen ÖPNV erfolgen. Um im Gelände einen S-Bahn-Halt einrichten zu können, wird die Strecke Frankfurt Stadion - Frankfurt Flughafen (Regionalbahnhof ) verlegt und mit einer unterirdischen S-Bahn-Station Gateway Gardens (Bild 3) versehen. Der Planfeststellungsbeschluss erfolgte Anfang 2014. Regionaltangente West Mit der Regionaltangente West (RTW) wird eine Tangentialverbindung zwischen den westlichen S-Bahn-Achsen und gleichzeitig eine direkte Nord-Süd-Schienenanbindung des Flughafens geschaffen. Sie entlastet auch den Knoten Frankfurt Hauptbahnhof. Zwei sich überlagernde Linien (Bad Homburg v. d. Höhe/ Frankfurter Norden - Eschborn - Sossenheim - Höchst - Flughafen - Stadion - Neu-Isenburg Bahnhof - Neu-Isenburg Zentrum/ Dreieich-Buchschlag) sollen teilweise auf vorhandenen Gleistrassen verkehren, die durch Neubauabschnitte miteinander verbunden werden. Die Neubauabschnitte werden wegen der erforderlichen Radien und Steigungen, wegen der geringeren Baukosten und wegen der Führung im städtischen Raum als Stadtbahnstrecken geplant. Die RTW stellt ein echtes zusätzliches Leistungsangebot dar; sie ersetzt nicht, wie etwa die nordmainische S-Bahn, schon vorhandene Regionalbahnlinien. Deshalb werden für die zusätzliche Verkehrsleistung auch zusätzliche Finanzmittel für den Betrieb benötigt. Die Maßnahme wurde mit einem Nutzen-Kosten-Indikator von 1,34 als förderwürdig eingestuft. Derzeit erarbeitet die hierfür gegründete RTW-Planungsgesellschaft die Entwurfsplanung. Anbindung des projektierten Terminals 3 des Flughafens Frankfurt Bei Realisierung des Terminals 3 ist eine leistungsfähige ÖPNV-Anbindung zu schaffen. In der Planfeststellung beschränkt sich die seitens des Vorhabenträgers vorgesehene ÖPNV-Anbindung auf Buslinien sowie eine flughafeninterne Verbindung der Terminals, obwohl bereits mit der ersten Ausbaustufe Platz für 14 Mio. Fluggäste pro Jahr geschaffen wird. Aus Sicht des RMV Bild 4: Wallauer Spange Bild 3: Architekturentwurf für den S-Bahn-Halt Gateway Gardens kann eine entsprechend leistungsfähige ÖPNV-Erschließung nur durch eine Schienenanbindung mit der S-Bahnlinie S 7 und der RegionalExpress-Linie 70 erfolgen. Dazu wurden bereits eine Machbarkeitsstudie und eine Nutzen-Kosten-Untersuchung mit positivem Ergebnis durchgeführt. Maßnahmen im Bundesverkehrswegeplan Im Rahmen von Frankfurt RheinMain plus sind weitere Projekte vorgesehen, die für die Gesamtentwicklung des Eisenbahnverkehrs im RMV-Gebiet ebenfalls von großer Bedeutung sind. Ihre Realisierung hängt stark von der Bereitstellung von Mitteln des Bundes ab. Die Neubaustrecke (NBS) Rhein/ Main - Rhein/ Neckar ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Frankfurt und Mannheim im Netz der Hochgeschwindigkeitsstrecken. Sie behebt die Kapazitätsengpässe zwischen den beiden Regionen, die infolge der Führung des gesamten Fern-, Regional- und Güterverkehrs über die heutigen Mischverkehrsstrecken Main-Neckar-Bahn und Riedbahn seit Jahren bestehen, und sorgt für eine Verkürzung der Reisezeit. Der nördliche Planfeststellungsabschnitt der NBS Rhein/ Main - Rhein/ Neckar ist notwendig für die separate Führung des Fernverkehrs im Bereich des Flughafens und damit auch Voraussetzung für eine bessere Anbindung des Flughafens mit dem SPNV. Auch in den Korridoren Frankfurt - Fulda beziehungsweise Frankfurt - Würzburg ist die Kapazitätsgrenze der Schieneninfrastruktur erreicht. Die erwarteten Zugzahlen können nicht oder nicht in der gewünschten Qualität abgewickelt werden. Hierfür sind im Bedarfsplan des Bundes Ausbaubeziehungsweise Neubaumaßnahmen enthalten. Diese haben für den Regionalverkehr des RMV ebenfalls eine herausragende Bedeutung. Wallauer Spange Ein die Maßnahmen des Leitprojekts Frankfurt RheinMain plus sinnvoll ergänzendes, weiteres Projekt ist die Wallauer Spange. Diese kurze neue Verbindungsstrecke stellt einen Lückenschluss zwischen der Schnellfahrstrecke Köln - Rhein/ Main und ihrem Abzweig nach Wiesbaden dar, der heute nur von Norden her besteht (Bild 4). Damit wird eine direkte Verbindung zwischen Wiesbaden und Frankfurt Flughafen Fernbahnhof geschaffen. Mit der Wallauer Spange werden direkte Fahrten mit hoher Geschwindigkeit zwischen Wiesbaden und Frankfurt Flughafen Fernbahnhof möglich. Diese Fahrten sollen zu den Hauptbahnhöfen in Frankfurt und Darmstadt geführt werden. Voraussetzung hierfür sind aber der Ausbau des Knotens Frankfurt Stadion und die Neubaustrecke Rhein/ Main - Rhein/ Neckar mit einem Abzweig nach Darmstadt Hauptbahnhof. Fazit Der Fahrgastzuwachs im Schienenpersonennahverkehr im RMV führt dazu, dass die Auslastungsgrenzen auf vielen Bahnverbindungen erreicht sind. Die Optimierungsmöglichkeiten mit der vorhandenen Schieneninfrastruktur sind weitestgehend erschöpft. Um die positive verkehrliche und wirtschaftliche Entwicklung im Raum Frankfurt RheinMain fortschreiben zu können, ist ein Ausbau der Schieneninfrastruktur unabdingbar. Für die meisten beschriebenen Maßnahmen ist die fachliche Planung weitgehend durchgeführt und das Genehmigungsverfahren absehbar, im Gange oder bereits abgeschlossen. Nun gilt es, die Umsetzung der Maßnahmen voran zu bringen. Hierfür ist eine Kraftanstrengung aller Beteiligten notwendig. Dies gilt beispielsweise auch für den Bund, der im gesetzlichen Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und des Bundesverkehrswegeplanes seinen finanziellen Beitrag zu den Maßnahmen leisten muss. Mit den beschriebenen Maßnahmen besteht die Chance, das Fundament für einen künftigen attraktiven und nachhaltigen ÖPNV im Rhein-Main-Gebiet zu legen und darüber hinaus den bundesweit wirksamen Flaschenhals nachhaltig zu entschärfen. ■ QUELLEN BVU Beratergruppe Verkehr + Umwelt GmbH / INTRAPLAN Consult GmbH: Überprüfung der Bedarfspläne 2010 - Schlussbericht Schienenwege des Bundes, http: / / www.bmvbs.de, abgerufen am 19.10.2011, Freiburg / München 2010 Peter Forst Bereichsleiter Netzentwicklung und Schienenverkehr, Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim a. Ts. P_Forst@rmv.de Josef Becker, Dr. Bereich Netzentwicklung und Schienenverkehr, Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim a. Ts. J_Becker@rmv.de Thomas Busch Prokurist und Leiter des Geschäftsbereichs Verkehrs- und Mobilitätsplanung, Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim a. Ts. T_Busch@rmv.de Komplettlösungen für mehr Effizienz • Industrietorsysteme und Ladebrücken • Torabdichtungen und Vorsatzschleusen • NEU: Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik Amazon, Leipzig 20-14 (20-13) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 32 INFRASTRUKTUR Elektromobilität Verkehrsinfrastruktur und Elektromobilität Neuartige Anforderungen an die verkehrliche Infrastruktur aus der Sicht der Elektromobilität Bis zum Jahr 2020 soll gemäß Zielvorgabe der Bundesregierung eine Million E-Fahrzeuge auf unserem Straßennetz fahren, damit wären dann rund 1,9 % des Gesamtfahrzeugbestandes E-Fahrzeuge. Um jedoch E-Fahrzeuge wirtschaftlich und gleichzeitig in größerer Stückzahl einsetzen zu können, ist mittelfristig eine erhebliche Weiterentwicklung der bestehenden Infrastrukturanlagen erforderlich: Die vorhandenen und neu zu errichtenden Verkehrsanlagen müssen die Elektromobilität unter Beachtung ökologischer Kriterien zunehmend unterstützen und somit zum intelligenten Fahrweg weiter entwickelt werden. Der Autor: Wolfgang Kühn D a sich die verkehrliche Infrastruktur maßgeblich in Baulastträgerschaft des Bundes, der Länder, Landkreise und Kommunen befindet und bereits ein erheblicher Unterhaltungsbedarf für die Bestandsnetze existiert, laufen bisher nur begrenzte Forschungsaktivitäten auf diesem speziellen Teilgebiet. Die Elektromobilität kann sich jedoch langfristig nur durchsetzen, wenn die zugehörige Infrastruktur eine neue Qualität aufweist. Zielstellung Im Rahmen einer interdisziplinären Machbarkeitsstudie wurden neuartige Anforderungen an eine intelligente und ökologisch verträgliche straßenorientierte Verkehrsinfrastruktur ermittelt und deren schrittweise technische Umsetzbarkeit an einer ausgewählten Pilotmaßnahme mittels verschiedener Szenarien überprüft [1]. Der Einheit von straßenspezifischen, energetischen und ökologischen Anforderungen kommt dabei besondere Beachtung zu. Straßenspezifische Anforderungen • Optimierung des Streckenlängsprofils (gutes Verhältnis zwischen Steigungs- und Gefällestrecken) zur Reduzierung des Steigungswiderstandes • Optimierung der Querschnittsgestaltung durch wechselseitige Überholfahrstreifen für ein sicheres Überholen bei gleichzeitiger Minimierung der versiegelten Flächen und Reduzierung des Beschleunigungswiderstandes • Reduzierung des Rollwiderstandes und des Rollgeräusches durch geeignete Deckschichtbeläge Energetische Anforderungen • Nutzung der Trassenkorridore für Verkehrswege und Leitungsnetze zwecks Optimierung der Korridorabmessungen (Trassenbündelung) • Energiegewinnung in den Korridoren durch Nutzung der Freihaltebereiche sowie ausgewählter Querschnittselemente der Straße für die Installation von Photovoltaikelementen und Windkraftanlagen • Energieübertragung in den Korridoren durch parallele Leitungsnetze zu den erforderlichen Energiespeichern • Energieeinspeisung punktuell oder linienförmig durch Ladestationen, Ladestellplätze oder abschnittsweise parallele Ladespuren Im Ergebnis der Machbarkeitsstudie sollte schließlich für eine ausgewählte Pilotstrecke erstmalig eine Energiebilanz (Energiebedarf/ Energieertrag) in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren erstellt und diskutiert werden. Untersuchungsschwerpunkte Die Energiebereitstellung in der Nähe der Hauptverbraucher ist eine wichtige Voraussetzung für den ökologischen Energiewandel. Die Energieerzeugung an dezentralen Orten erfordert immer den Bau von Energieübertragungstrassen, die kostenaufwendig sind, zusätzliche ökologische Eingriffe erfordern, langwierige Genehmigungsverfahren erfordern und Energieverluste infolge der Übertragungswege verursachen. Diese Probleme treten gegenwärtig bei der Planung und dem Bau von Energietrassen im Zusammenhang mit den Offshore-Windkraftanlagen Deutschlands deutlich zutage. Bild 1: Makroskopischer Trassenkorridor mit Verkehrsanlage, Energieerzeugungsanlagen und Leitungsnetzen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 33 Elektromobilität INFRASTRUKTUR Bei der Korridorbetrachtung und -planung sollte künftig auch neben der Verkehrsanlage für die reine Fortbewegung die Möglichkeit der trassen- und korridorbezogenen Energiegewinnung, -weiterleitung, -speicherung und -übertragung betrachtet werden (Bild 1). Derartige komplexe Korridorbetrachtungen erfordern jedoch detaillierte theoretische Untersuchungen mit Ausweisung der praktischen Realisierungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Technologien und deren Wirtschaftlichkeit. Dabei sollte man jedoch nicht das technologische Entwicklungspotential und die Planungs- und Genehmigungszeiträume für Infrastrukturanlagen außer Acht lassen. Im Rahmen der interdisziplinären Machbarkeitsstudie [1] wurden ausgehend von dem Infrastrukturkorridorgedanken folgende Schwerpunktthemen untersucht (Bild 2). Detailliert bedeutet das: Energiebedarfsermittlung für E-Fahrzeug Ganzheitliche Energiebetrachtung für ein E-Fahrzeug (kinetischer und thermischer Energieverbrauch) Energiegewinnung im Infrastrukturkorridor Technische Grundlagen und Wirtschaftlichkeit von Windkraft- und Photovoltaikanlagen unterschiedlicher Konfiguration Energieübertragungs- und -einspeisungsszenarien Komplexität des Nachladens über punktuelle Ladestationen, Ladestellplätze und separate Ladespuren Aus den komplexen Gesamtuntersuchungen werden nachfolgend die erzielten Ergebnisse zur Energiebilanz näher erläutert. Pilotmaßnahme Randbedingungen Als Pilotmaßnahme diente eine 10 km lange Autobahntrasse, die unter Beachtung der Richtlinie für die Anlage von Autobahnen (RAA) [2] im Lageplan, Höhenplan und Querschnitt unter Annahme eines fiktiven Geländes entworfen wurde. Die Mindest- und Maximalwerte der Entwurfselemente im Lage- und Höhenplan wurden eingehalten. Der Höhenplan wies ein alternierendes Längsprofil aus. Aus dem Regelquerschnitt RQ 36 (6 Fahrstreifen und 2 Standstreifen) resultiert eine Kronenbreite von 36 m (Bild- 3) mit Freihaltebereichen beidseitig von 40 m laut FStG. Zur Berücksichtigung des Verkehrs wurde eine Verkehrsstärke von 4000 Fz/ h pro Fahrtrichtung bei einer gleichförmigen Bewegung der Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten von v = 70/ 100/ 130 km/ h angesetzt.. Bei der Energiebedarfsabschätzung wurden 3 Fälle betrachtet: Fall 1: 0,01 % E-Fahrzeuge (aktuell) Fall 2: 1,90 % E-Fahrzeuge (2020, 1,0 Mio. E-Fahrzeuge) Fall 3: 100 % E-Fahrzeuge (Extremfall) Die Energiebedarfsermittlung wurde vergleichend mittels theoretischer Berechnungen, der Fahrsimulation und mit Realfahrten durchgeführt. Als Referenzfahrzeug diente der Mitsubishi i-MiEV. Die erzielten Ergebnisse wurden mit einer Studie der TU Wien [3] abgeglichen. Für die Energieertragsbetrachtung wurden folgende 2 Szenarien untersucht: Szenario 1: Theoretischer Ansatz (theoretisch maximal installierbare Leistung) • Großwindkraftanlagen am Rand des Freihaltebereiches (einseitig) • Photovoltaikanlagen als Straßenoberfläche: Solarstraße über der Straße: Solardach im Mittelstreifen: Einzelmodule auf Freihalteflächen: Modulfelder an Lärmschutzeinrichtungen (Wand/ Wall): Modulflächen Szenario 2: Realer Ansatz (gegenwärtig technologisch installierbare Leistung) • Großwindkraftanlagen (20 % der max. installierbaren Leistung) • Photovoltaikanlagen (50 % der Freihalteflächen) Unter Beachtung dieser Vorgaben wurden der Energieertrag und der Energiebedarf für die Autobahntrasse ermittelt und gegenübergestellt, um erste Anhaltspunkte zu einer möglichen Energiebilanz in Abhängigkeit von den Untersuchungsbedingungen zu erhalten. Energieertragspotential von Photovoltaikanlagen Die geführten Modellberechnungen wurden ausgewertet und berwertet. Bild 4 veranschaulicht die maximal installierbare Photovoltaikleistung für die West-Ost ausgerichtete Autobahntrasse. Die Ergebnisse zeigen anschaulich, dass die theoretischen Szenarien „Solarstraße“ und „Solarüberdachung“ den größten Ertrag liefern, jedoch die technischen und technologischen Grundlagen dafür momentan noch nicht vorhanden sind. Die bereits praktizierten Maßnahmen, Photovoltaikfelder in Freihaltebereichen Bild 3: Bereiche für Energiegewinnung (Szenarien 1 und 2) Bild 2: Untersuchungsschwerpunkte Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 34 INFRASTRUKTUR Elektromobilität anzuordnen, sind technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Die Nutzung des Mittelstreifens und notwendiger Lärmschutzeinrichtungen für die Energiegewinnung ist dagegen unwirtschaftlich. Energieertragspotential von Windkraftanlagen Im Rahmen einer Simulation mit anschließendem Feldversuch wurde geprüft, ob die durch die Fahrzeugbewegungen verursachten Luftströmungen zur Energiegewinnung mittels Kleinwindanlage genutzt werden können. Die Ergebnisse haben eindeutig gezeigt, dass die verursachten Strömungen sehr gering sind und kaum Potential für die energetische Nutzung durch Kleinwindanlagen bieten, da die Anlaufgeschwindigkeit der Anlagen bei 3-4 m/ s liegt. Für die Energiegewinnung im Korridor wurden 3 MW Großwindkraftanlagen verwendet. Die Anlagen sind mit einem Abstand von ca. 500 m einseitig am Rand des Freihaltebereiches positioniert. Baurechtliche Fragen zu erforderlichen Mindestabständen wurden vorerst nicht berücksichtigt. Für die 3 MW-Anlagen wurde ein Jahresertrag von ca. 10,8 GWh erzielt. Dies entspricht einer Volllaststundenzahl von ca.-3600 h. Die Berechnungsergebnisse für den Energieertrag im Korridor sind in Bild 5 dargestellt. Gegenüber den Photovoltaikanlagen entsteht eine deutliche Harmonisierung des Energieertrages über das Jahr hinweg. Vergleicht man die Energieerträge für das Szenario 1, so stehen einem Jahresertrag bei der Nutzung von 3 MW-Windanlagen in Höhe von ca. 170 GWh nur 34- GWh bei der Nutzung von Photovoltaikanlagen in den Freihaltebereichen gegenüber. Somit würde der Hauptanteil des jährlichen Energieertrages durch Windenergieanlagen bereitgestellt. Energiebilanz (Energiebedarf/ Energieertrag) Auf der Grundlage der berechneten Energieerträge mittels Windkraft- und Photovoltaikanlagen auf der Pilotstrecke für das theoretische und das reale Szenario sowie des errechneten Energiebedarfes für die E- Fahrzeuge in Abhängigkeit von den Fahrwiderständen, der Verkehrsstärke, den Bewegungsbedingungen und der E-Fahrzeuganzahl wurde eine erste Energiebilanz erarbeitet und in Bild 6 zusammengefasst. Unter Beachtung der getroffenen Randbedingungen und Vereinfachungen zeigt sich, dass bei Ansatz der maximal installierbaren Leistung (theoretisches Szenario) der Energiebedarf bei allen drei Geschwindigkeiten abgedeckt werden kann. Gegenwärtig steht jedoch für die Energiegewinnung mittels „Solarstraße“ oder „Solarüberdachung“ noch keine technisch realisierbare und wirtschaftliche Lösung zur Verfügung. Die Energiegewinnung mit Hilfe von Großwindkraftanlagen ist dagegen technisch gelöst und wirtschaftlich sinnvoll. Bei Ansatz des Realszenarios (20 % der maximal installierbaren Leistung der Windkraft und 50 % der maximal installierten Leistung von Photovoltaikanlagen in den Freihaltebereichen) ist erkennbar, dass in Abhängigkeit von Geschwindigkeit und E- Fahrzeuganteil eine positive oder negative Energiebilanz entsteht kann. Nachladeinfrastruktur Zur Absicherung der Langstreckentauglichkeit von E-Fahrzeugen muss in der Nähe der Verkehrswege eine Ladeinfrastruktur aufgebaut werden. Neben punktuellen Ladestationen an E-Tankstellen, Nachlademöglichkeiten über Induktion auf Stellplätzen können auch abschnittsweise parallel zur Autobahn verlaufende Ladespuren sinnvoll sein. Bild 4: Jahreszeitlicher Verlauf des Elektroenergieertrages bei maximal installierbarer Photovoltaikleistung für einen West-Ostausgerichteten Streckenverlauf Bild 5: Jahresgang des Windenergieertrages bei unterschiedlichen Leistungen im Vergleich zum Gesamtjahresertrag (3-MW-Anlage) Bild 6: Energiebilanz für unterschiedliche Ausbaugrade der Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 35 Elektromobilität INFRASTRUKTUR Ladestationen (A) • Standorte für Schnellladesäulen sind die Autobahnrasthöfe und -raststätten. In Abhängigkeit vom öffentlichen Netz ist die Einrichtung von MS/ NS-Trafostation im Lastschwerpunkt erforderlich. • Die Maximal-Ladeleistung einer Schnellladesäule liegt bei ca. 44 kW (dreiphasig, 63 A). Als Nachladezeit wurden 20 Minuten gewählt. Ladestation und Ladespur (B) Abschnittsweise parallele Ladespuren werden erforderlich, wenn aufgrund des E- Fahrzeuganteils eine wirtschaftliche Nachladung mit Schnellladesäulen nicht mehr möglich ist. Die Nachladung in der Ladespur kann mittels unterschiedlicher Leitsysteme erfolgen. Die Nachladung erfolgt über Ladespuren und Ladestationen. Welche Ladestruktur sich letztlich durchsetzen wird, ist momentan nicht abschätzbar und hängt wohl maßgeblich von der Entwicklung der Energiespeicher und den Nachladezeiten ab. Bild 7 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des E-Fahrzeug-Anteils und der Zunahme des Leistungsbedarfes. Unter Beachtung der vorgegebenen Randbedingungen wären bei einem E-Fahrzeuganteil in Höhe von 30 % ca. 37 Schnellladesäulen pro 10 km Autobahnabschnitt also an einer Raststätte erforderlich. In diesem Fall müsste man ernsthaft über eine zusätzliche Ladespur nachdenken. Ladespuren könnten auch von E-Fahrzeugen genutzt werden, deren Energievorrat das Erreichen der nächsten E-Tankstelle nicht ermöglicht. Bild 8 veranschaulicht eine Autobahn- Ladestruktur unter Beachtung der erläuterten realen Energieerzeugungsszenarien. Die Nachladung der E-Fahrzeuge erfolgt über Ladespuren und Ladestationen, die über Verteilertransformatoren mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verknüpft sind. Im Freihaltebereich und an den derzeitigen Rändern befinden sich Photovoltaik- und Windenergieanlagen, die den für die E- Fahrzeuge erforderlichen Energiebedarf anteilig abdecken. Energiespeicher werden zur Optimierung des Energiegleichgewichtes im Netz eingesetzt. Überschüssige Energie aus den Energieerzeugungsanlagen können eingespeist werden und je nach Bedarf zum Ausgleich von Versorgungsspitzen im Netz dienen. Ergebnisse und Ausblick Für die zunehmende Einführung der Elektromobilität im Mittel- und Langstreckenbereich ist neben der Entwicklung alltagstauglicher E-Fahrzeuge eine unterstützende, intelligente Verkehrsinfrastruktur erforderlich. Um die notwendige Energie für die E- Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe des Verbrauchers ökologisch zu gewinnen und direkt zur Verfügung zu stellen, sind Planung und Bau von multifunktionalen Infrastrukturkorridoren erforderlich. In diesen Korridoren kann die Energiegewinnung mittels Wind- und Solarenergie erfolgen, wobei die Energiebilanz maßgeblich von den technologischen Möglichkeiten der ökologischen Energieerzeugung und dem tatsächlichen E-Fahrzeuganteil abhängt. Die Alltagstauglichkeit der Elektromobilität hängt primär von einer intelligenten Ladeinfrastruktur innerhalb des Infrastrukturkorridors ab und wird neben Ladestationen, Ladestellplätzen auch Ladespuren in Abhängigkeit vom E-Fahrzeuganteil erfordern. Alle notwendigen Leitungsnetze zu den Speichern können innerhalb des Korridors mitgeführt werden. Die Untersuchungsergebnisse im Rahmen der durchgeführten Machbarkeitsstudie veranschaulichen die Komplexität, Interdisziplinarität sowie den hohen technischen, technologischen und wirtschaftlichen Anspruch der Gesamtthematik. Es ist unbedingt notwendig, dass durch die verantwortlichen Baulastträger eine gemeinsame und intensivere Grundlagenforschung vorangetrieben wird, damit die neuartigen Anforderungen in den Planungsprozess der Infrastrukturanlagen mittelfristig einfließen können. ■ LITERATUR [1] Kühn, W. et al. (2012): Intelligente Verkehrsinfrastrukturanlage - Grundlage für straßen-orientierte Elektromobilität. Schlussbericht zum SMWK Forschungsprojekt, Zwickau. [2] Richtlinie für die Anlage von Autobahnen (RAA 2008), FGSV-Verlag, Köln, 2012 [3] Geringer, B. et al.: Batterieelektrische Fahrzeuge in der Praxis, TU Wien, Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik, Oktober 2012 Wolfgang Kühn, Prof. Dr.-Ing. habil. Westsächsische Hochschule Zwickau, Institut für Energie und Verkehr, Zwickau wolfgang.kühn@fh-zwickau.de Bild 8: Energetisches Gesamtsystem Bild 7: Nachlademöglichkeiten Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 36 INFRASTRUKTUR Folgen des Substanzverzehrs Bindeglied Verkehrsinfrastruktur Grundlage für effiziente Logistik im Güterverkehr Der Anstieg der Verkehrsleistung (Gütermengeneffekt) und die Veränderungen von Transporteinheiten durch zunehmend häufigere und kleingewichtigere Sendungen (Güterstruktureffekt) sowie die Internationalisierung von Produktions- und Logistikstrukturen (Logistikeffekt) stellen einen hohen Anspruch an die Verkehrsinfrastruktur. Neben der bedarfsgerechten Gestaltung und Finanzierung des Verkehrsnetzes wird der Wirtschaftsbereich Logistik, der ein Rückgrat der Wertschöpfungskette darstellt, zunehmend auf intelligentere Lösungen zurückgreifen müssen, um die höhere Belastung der Verkehrsinfrastruktur durch gezielte Steuerung und Lenkung zu verteilen. Die Autoren: Fabian Behrendt, Nicole Schlegl, Karl-Heinz Daehre F ür Europa und speziell für Deutschland spielen die Verkehrsinfrastrukturen eine besondere Rolle. So besitzt Deutschland, angesichts der zentralen Lage in Europa und der internationalen Anbindung durch ein größtenteils gut ausgebautes Straßen- und Schienennetz sowie die Anbindung an die Weltmeere durch die großen Seehäfen in Hamburg oder Bremen/ Bremerhaven, die europäische Verantwortung, als Verkehrsdrehscheibe neben den eigenen Im- und Exporten auch für den Transitverkehr ein leistungsfähiges Verkehrsnetz bereitzustellen. Globalisierung und Güterverkehr Entgegen der Zielstellung wird die bestehende Verkehrsinfrastruktur durch die zunehmende Globalisierung, die Internationalisierung der Produktionsstrukturen, die Umstrukturierung der Logistikprozesse und die durch die Nachfrage veränderten wirtschaftlichen Effekte vor neue Herausforderungen gestellt. Im Hinblick auf den Güterverkehr führen die genannten Gründe zu einem starken Wachstum der grenzüberschreitenden Verkehre und des Transitverkehrs bezogen auf die Güterverkehrsmenge und Güterverkehrsleistung, die überwiegend auf dem Verkehrsträger Straße realisiert werden. Das Bundesverkehrsministerium prognostiziert bis zum Jahr 2025 Wachstumsraten im Bereich des Güterverkehrs von 55 % auf der Straße und 38 % auf der Schiene (Bild 1) [1]. Angesichts der Entwicklung des Güterverkehrs, der ansteigende Güterverkehrsmengen zur Folge hat, wird die Belastung der physischen Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der Straße und Schiene aber auch der Infrastruktur-Knotenpunkte wie etwa Häfen oder Güterverkehrszentren weiter zunehmen. Zustandsbeschreibung der Verkehrsinfrastruktur Obwohl Deutschland über ein gutes Bestandsnetz der Verkehrsinfrastruktur verfügt, wird dieser positive Eindruck durch den fehlenden Erhaltungsaufwand relativiert. So zeigt sich, dass die Qualität der Verkehrsinfrastruktur deutlich abgenommen hat, was mit der rückläufigen Investitionsquote im Verkehr und den gestiegenen Belastungen der Netze zusammenhängt. 100% 110% 120% 130% 140% 150% 160% 5 2 0 2 2 1 0 2 Güterverkehr Schiene Straße Bild 2: Ermitteltes Defizit in Mrd. EUR/ a für den Erhalt und den Betrieb der Verkehrsinfrastruktur bezogen auf das Jahr 2012 einschließlich Nachholbedarf über 15 Jahre [4] Bild 1: Entwicklung des Güterverkehrs bis-2025 [1] Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 37 Folgen des Substanzverzehrs INFRASTRUKTUR Der drohende Substanzverzehr der Verkehrsinfrastruktur wird zudem durch Indikatoren wie dem gesunkenen Modernitätsgrad seit 1990 deutlich. Die gravierende Vernachlässigung der Erhaltungsmaßnahmen zeigt sich daran, dass zum Beispiel 19,6 % der Autobahnstrecken und 41,4 % der Bundesstraßenabschnitte den Warnwert „3,5“ erreicht beziehungsweise überschritten haben. Im Schienennetz ist ein Drittel aller Eisenbahnbrücken bereits älter als 100 Jahre. Die Ausgangslage kann folglich als problematisch eingeschätzt werden. Wenn die Erhaltungsbedarfe nicht sach- und zeitgerecht gedeckt werden, kommt es entweder zu einem massiven Ausfall von Infrastrukturkomponenten oder zu einer abrupten Steigerung der Reparaturnotwendigkeiten im Netz mit der Konsequenz erheblich höherer Kosten und Störungen der Verkehrsabläufe [2]. Seit Jahren besteht in der Fachöffentlichkeit ein durchgängiges Problembewusstsein für die permanente Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastrukturen aller Aufgabenträger für Straße, Schiene und Wasserwege, einschließlich der Verkehrsinfrastruktur für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Seit Jahrzehnten wird zu wenig in die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur, d.h. in den Erhalt und den Betrieb sowie in die Erneuerung und die Weiterentwicklung, investiert. Dies hat zu einem beträchtlichen Nachholbedarf geführt. Angesichts der dramatischen Ausgangslage wurde im November 2011 die Bund-Länder- Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter Vorsitz von Minister a.D. Karl-Heinz Daehre gegründet, die der Politik und Gesellschaft Vorschläge zu einer bedarfsgerechten Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland unterbreiten soll [3]. Die innerhalb der Kommission erarbeitete Bestands- und Defizitanalyse für das Jahr 2012 zeigt deutlich, dass sich im Bereich der Erhaltung für die Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasserstraße und dem ÖPNV Defizite (in Bezug auf die Differenz zwischen dem Bedarf und der tatsächlichen Finanzierung) von 4,55 Mrd. EUR ergeben. Zudem müssen für den Abbau vernachlässigter Investitionen (Nachholbedarf ) 2,65- Mrd. EUR bereitgestellt werden, die über einen Zeitraum von 15 Jahren jährlich investiert werden müssten. Dieses ermittelte Defizit von 7,2 Mrd. EUR spiegelt die jährlich fehlenden Investitionen allein für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur wider (Ermittlungsstand 2012, Bild 2). Investitionsmittel für etwaige Neubaumaßnahmen sind in dieser Berechnung nicht inbegriffen und würden die Situation noch weiter dramatisieren [3],-[4]. Wirtschaftsbereich Logistik Eine belastbare und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist eine Grundvoraussetzung für den Wirtschaftsbereich Logistik. Mit einem geschätzten Umsatz von 230-Mrd. EUR im Jahr 2013 zählt dieser Bereich zum drittgrößten Wirtschaftszweig in Deutschland und gehört neben dem Personenverkehr zu den Hauptnutzern des Verkehrsnetzes. Eine Umfrage der Bundesvereinigung Logistik zeigt deutlich, dass die Verkehrsinfrastruktur ein zentraler Wachstumsfaktor für die Logistik ist. So besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den zukünftigen Geschäftsentwicklungen und den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Hieraus kann gefolgert werden, dass die fehlenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur das Wachstum des Wirtschaftsbereiches Logistik bremsen und negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland haben werden [5]. Ein Blick auf den europäischen Wirtschaftsbereich Logistik zeigt, dass das Umsatzvolumen allein bei den Top 12 der europäischen Länder über 838 Mrd. EUR im Jahr 2011 betrug. So zeigt die Statistik, dass neben Deutschland als Transitland auch andere europäische Länder, etwa Frankreich oder die Niederlande, durch ihre gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur und die Anbindung an die Seeschifffahrt ein hohes Umsatzvolumen erzielen (Bild 3) [6], [7]. Generell kann der Wirtschaftsbereich Logistik in 13 Teilmärkte untergliedert werden, Bild 3: Umsatzvolumen des Logistikmarktes im Jahr 2011 [5] Branche Teilmärkte „Bulk“- und Direktladungsverkehrslogistik Massengutlogistik (Bulk, inkl. Binnenschifffahrt) Ladungsverkehre landgebunden (FTL) Spezielle Ladungsverkehre (Heavy Lift Services) Spezielle Ladungsverkehre für Flüssig- und Schüttgüter (Tank- und Silotransporte) Sonstige Ladungsverkehre (other spec. FTL) Handlingsbedürftige Industrie- und Konsumgüterlogistik national Stückgutverkehr landgebunden (LTL) Konsumgüterdistribution und -kontraktlogistik inkl. temperaturgeführt (Consumer Contract Logistics) Industrielle Kontraktlogistik, Produktions- und Ersatzteilversorgungslogistik (Industrial Contract Logistics) Stückgut-Netzwerktransporte & Mehrwertdienstleistungen für-spezielle Güter Terminaldienste, Lagerei-, Umschlags- und sonstige logistische Mehrwertleistungen (Terminal and Warehousing Operations) KEP (Kurier-, Express- und Paketdienste Transport- und Logistiksysteme international Seefracht (Ocean Freight) Luftfracht (Air Cargo) Tabelle 1: Branchensegmente und Teilmärkte des Wirtschaftsbereichs Logistik [7] Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 38 INFRASTRUKTUR Folgen des Substanzverzehrs die in dem vorliegenden Beitrag in drei-Branchensegmente zusammengefasst werden (Tabelle 1). [7] Die Klassifizierung des Wirtschaftsbereiches Logistik in Teilmärkte ermöglicht die Analyse hinsichtlich der wirtschaftlichen Faktoren wie Nachfrage, Preiskonkurrenz und Marktentwicklung, um anschließend die Stärken und Schwächen der Branchensegmente zu identifizieren. Umweltanalyse der verkehrsexternen Rahmenbedingungen des Güterverkehrs Die Betrachtung des Güterverkehrs in Deutschland und in den wichtigsten EU- Ländern zeigt ein starkes Wachstum, welches das Wachstum des Personenverkehrs noch übertrifft. Die Veränderungen der verkehrsexternen Entscheidungsvariablen haben hierbei einen wesentlichen Einfluss auf das Angebots- und Nachfrageverhalten und bestimmen so das Güterverkehrsaufkommen, die Güterverkehrsleistung und den Modal-Split der Verkehrsträger. Die klassische Untergliederung der Makroumwelt erfolgt in die politischen, ökonomischen, sozio-kulturellen, technologischen, ökologischen und rechtlichen Umweltsegmente. Am Beispiel des Straßengüterverkehrs sollen die verkehrsexternen Rahmenbedingungen und deren Wirkung kurz erläutert werden [8]. Hinsichtlich der ökonomischen Rahmenbedingungen sollen alle volkswirtschaftlichen Entwicklungen und deren Auswirkungen berücksichtigt werden. So ist die Gütermobilität im Hinblick auf die nationalen und grenzüberschreitenden Güterverkehre und den Transitverkehr direkt mit dem Grad der Arbeitsteilung und der Intensität der Austauschprozesse verknüpft. Zudem spielen hinsichtlich der ökonomischen Rahmenbedingungen der Güterstruktureffekt, der Logistikeffekt und der Integrationseffekt eine wichtige Rolle. Die drei genannten wirtschaftlichen Effekte wirken sich positiv auf die Marktpositionierung des Straßengüterverkehrs aus, wobei die Ursachen für die gute Marktposition in den Systemstärken der Straße begründet liegen. Verglichen mit den anderen Verkehrsträgern konnte der Straßengüterverkehr seine Mengen in den wachsenden Marktsegmenten des grenzüberschreitenden Güterverkehrs und des Transitverkehrs vervielfachen. Aus diesem Grund ist die Nachfrage des Güterverkehrs stark einseitig auf den Straßengüterverkehr ausgerichtet (Bild 4). In Bezug auf die Güterverkehrsleistung des Straßengüterverkehrs zeigt sich, dass diese sich von 1992 bis 2012 mit einer bemerkenswerten Kontinuität nahezu verdoppelt hat. Generell zeigt sich eine stark ausgeprägte Divergenz zwischen der zunehmenden Güterverkehrsleistung und der geringen Verkehrsinfrastrukturentwicklung. So wird die Verkehrsinfrastruktur stärker belastet, da an bestimmten Verkehrsknoten nun ein höheres Verkehrsaufkommen herrschen kann [10], [11]. Neben den ökonomischen Rahmenbedingungen spielen auch die technologischen Faktoren eine wichtige Rolle. So bewirken technologische Fortschritte Effizienzsteigerungen im Straßengüterverkehr, wodurch das Güterverkehrsaufkommen und die Güterverkehrsleistung vermindert werden können. Eine Möglichkeit stellt der Lang-LKW dar, durch dessen Einsatz die Möglichkeit besteht, mehr Ladung pro Fahrzeug zu transportieren. Der Einsatz ist jedoch umstritten und wird zunächst in Pilotprojekten erprobt. Eine andere Möglichkeit stellen Telematik-Lösungen dar, mit deren Hilfe die Verkehre besser gesteuert werden können. Zudem wird es zukünftig immer wichtiger werden, sich damit zu beschäftigen, wie moderne Logistikketten intelligent aufgebaut und gezielt gesteuert werden können. In Tabelle 2 sind die verkehrsexternen Rahmenbedingungen und deren Wirkung auf den Straßengüterverkehr aufgeführt [12]. Innerhalb der Umweltanalyse wurden die verschiedenen Rahmenbedingungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Straßengüterverkehr untersucht und es konnten die aufgeführten vier Chancen und sechs Bedrohungen abgleitet werden. Ausblick Die Belastung durch die Zunahme des Personen- und Güterverkehrs in Europa führt 2,5 % 9,1 % 17,2 % 71,0 % 0,2 % Straßengüterverkehr Schienengüterverkehr Binnenschi fahrt Rohrleitungsverkehr Luftverkehr Bild 4: Güterverkehrsleistung in Deutschland 2013 prozentuale Anteile der Verkehrsträger [9] Analyse des Straßengüterverkehrs Identifizieren und Abschätzen der folgenden Faktoren 1. Ökonomische Rahmenbedingungen a) Wachstum BIP im Vergleich zum Wachstum der Güterverkehrsleistung b) Wirtschaftliche Effekte c) Kraftstoffpreise 2) Politisch-rechtliche Rahmenbedingungen a) Ordnungspolitik b) Infrastrukturpolitik c) Prozesspolitik 3.) Technologische Rahmenbedingungen a) Telematik und Informationssysteme b) Transportmittel 4) Sozio-kulturelle Rahmenbedingungen a) Veränderungen im Konsumverhalten b) Fachkräfte 5.) Ökologische Rahmenbedingungen a) Einsatz erneuerbarer Technologien Externe Chancen • Stärkung der Marktposition durch den Güterstruktur-, Logistik- und Integrationseffekt, die in den guten Systemeigenschaften des LKW begründet liegen • Telematiksysteme zur automatischen Erfassung von Auftrags-, Sendungs- und Transportdaten können zur Optimierung der Leistungserstellung und Erhöhung der Lieferzuverlässigkeit beitragen • Einsatz des Lang-LKW zur Erhöhung der Massenleistungsfähigkeit • Veränderungen im Konsum führen zur Verringerung der Sendungsgrößen, und die Zahl der Sendungen wird durch neue Beschaffungsforderungen wie E-Commerce zunehmen • Erneuerbare Technologien können zur Unabhängigkeit hinsichtlich der steigenden Rohölpreise führen Externe Bedrohungen • Zunehmende Belastungen der Verkehrsinfrastruktur aufgrund der steigenden Güterverkehrsleistung • Kraftstoffpreise haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt (steigende Importabhängigkeit der EU) • Verlagerungseffekte zu anderen Verkehrsträgern aufgrund ordnungspolitischer Maßnahmen • Unterfinanzierung und steigender Substanzverzehr der Verkehrsinfrastruktur • Zunehmender Preisdruck durch entfernungsabhängige LKW-Maut, veränderte Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten und höhere Personalkosten • Fachkräftemangel Tabelle 2: Externe Chancen und Bedrohungen des Straßengüterverkehrs Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 39 Folgen des Substanzverzehrs INFRASTRUKTUR schon heute zu kapazitativen Engpässen der aufgezeigten Verkehrsträger. Es ist am Beispiel Deutschland deutlich zu erkennen, dass eine sich stärker ausprägende Divergenz zwischen der zunehmenden Verkehrsleistung und der geringen Verkehrsinfrastrukturentwicklung herrscht. Die fehlenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur bremsen zudem das Wachstum des Wirtschaftsbereiches Logistik und werden negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland haben. Um diesen negativen Auswirkungen entgegenzuwirken, müssen neue Konzepte in der Verkehrslogistik entwickelt werden, um weiterhin effiziente Transporte durchführen zu können. Durch die Umweltanalyse der Verkehrsträger werden die volkswirtschaftlichen, politischen, technologischen, ökologischen und sozio-kulturellen Aspekte berücksichtigt, die wichtige Einflussfaktoren der Verkehrslogistik darstellen. Aus der Analyse können die momentanen und zukünftigen Chancen und Bedrohungen abgeleitet werden, um neue individuelle Konzepte für die Branchenvertreter des Wirtschaftsbereiches Logistik zu entwickeln. ■ LITERATUR [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg.) (2007): Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025, http: / / www.shortseashipping.de/ de/ service/ pdf/ FE_96_857_2005_Verflechtungsprognose_2025_Gesamtbericht_20071114.pdf, 19.01.2014, S. 201. [2] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2011): Verkehr in Zahlen, DVV Media Group GmbH, Hamburg, S.43. [3] Daehre, K.-H. (2012): Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Abschlussbericht, Magdeburg, S.11. [4] Daehre, K.-H.; Behrendt, F.; Trojahn, S.(2013): „Zukunft der Verkehrsinfrastruktur-finanzierung“, Präsentation, Deutsche Bahn AG, Berlin, 09.04.2013, S.24. [5] Bundesvereinigung Logistik (2013): Investitionsstau bei Infrastrukturprojekten, http: / / www.bvl.de/ thema/ infrastruktur-in-einzelnen-laendern/ infrastruktur-in-deutschland, Stand 08.01.2014. [6] World Economic Forum (2012): The Global Competitiveness Report 2012/ 2013, S. 414. [7] Klaus, P.; Hartmann, E.; Kille, Ch.(2010): Die TOP 100 der Logistik, Marktgrößen, Marktsegmente und Marktführer in der Logistikdienstleistungswirtschaft. Ausgabe 2010/ 2011, Hamburg. [8] Johnson, G.; Scholes, K.; Whittington, R. (2011): Strategisches Management-Eine Einführung, Pearson Studium, 9. Auflage. [9] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2013): Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr - Kurzfristprognose Sommer 2013, BAG-Luftverkehr, Intraplan Consult GmbH, FE-Nr. 96.0999/ 2012, München/ Köln, S. 60. [10] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg.) (2011): Verkehr in Zahlen, DVV Media Group, Hamburg. [11] Behrendt, F.; Trojahn, S.(2013): Verkehrsinfrastruktur - Grundlage für eine effiziente und belastbare Transportlogistik. In: Logisitcs Systems Engineering, Zsifkovits, H. E.; Altendorfer, S. (Hrsg.), Rainer Hampp Verlag, München, Mering. [12] Schenk, M.; Richter, K.; Müller, A.; Glistau, E.(2012): Efficient transportation in-telligently organizing flows of. In: Applied mechanics and materials: Scientific.Net, Bd.309.2013, S. 235-240. Nicole Schlegl, B.Sc. Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Magdeburg nicole.schlegl@iff.fraunhofer.de Karl-Heinz Daehre, Dr. Minister a.D., Ehemaliger Vorsitzender der Bund-Länder-Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ Fabian Behrendt, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Lehrstuhl für Logistische Systeme, Institut für Logistik und Materialflusstechnik (ILM), Otto-von-Guericke- Universität (OvGU), Magdeburg fabian.behrendt@ovgu.de Jochen Ludewig Geschäftsführer, Grontmij GmbH, Frankfurt am Main; Mitglied des Verkehrsausschusses, IHK Frankfurt am Main Markus Pauly Director, Commercials & Development Frankfurt, Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt am Main Prof. Knut Ringat Sprecher der Geschäftsführung, Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV), Hofheim am Taunus; Präsident, Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft, Berlin Tag der Infrastruktur Dienstag, 20. Mai 2014, Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main Konferenzthemen Zukunft und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Rhein-Main-Gebiet Zukunft des Flughafens Frankfurt/ Main unter der neuen Landesregierung Verkehr, Logistik und geschäftliche Mobilität in der Zukunft Unter den Sprechern sind IV_#2-14 www.frankfurt-gbw.com/ infra2014 info@frankfurt-gbw.com Ein Projekt der Mitveranstalter Sponsor Konferenzpartner Medienpartner Volker Bouffier, MdL Ministerpräsident des Landes Hessen, Wiesbaden Unter der Schirmherrschaft von Jetzt anmelden! Dr. Stefan Schulte Vorsitzender des Vorstands, Fraport AG, Frankfurt am Main Volker Sparmann Mobilitätsbeauftragter des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Wiesbaden Dr. Klaus Vornhusen Konzernbevollmächtigter für das Land Hessen und die Region Mitte, Deutsche Bahn AG, Frankfurt am Main ISL EXTRA Jubiläum Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 40 60 Jahre ISL Sechs Jahrzehnte Forschung, Beratung und Wissenstransfer für maritime Märkte und Logistik Der Autor: Leif Peters D as heutige Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) wurde 1954 als Institut für Schiffahrtsforschung durch den Senat der Freien Hansestadt Bremen gegründet. Zweck der neuen Stiftung sollte es fortan sein, wissenschaftliche Schifffahrtsforschung zu betreiben und zu fördern. In diesem Jahr feiert das ISL nun sein 60-jähriges Bestehen. Schon früh hatte sich in den Nachkriegsjahren in Bremen der Gedanke einer internationalen Universität etabliert. Daher wurde kurz vor der Währungsreform am 8. Juni 1948 durch den Bremer Senat die Stiftung zur Förderung der Errichtung einer Internationalen Universität in Bremen ins Leben gerufen. In der Gründungssatzung wurde der Zweck der neuen Stiftung mit „der Schaffung der ideellen und materiellen Voraussetzungen für die Gründung, Errichtung und Unterhaltung einer Universität in Bremen“ festgehalten. Allerdings musste im Zuge der Währungsreform von dem ursprünglichen Stiftungskapital ein Großteil aufgrund der Bestimmungen der Militärregierung gestrichen werden. Mit den nach der Währungsumstellung verbliebenen geringen Mitteln konnte die Universitätsgründung also zunächst nur in einem kleinen Teilbereich gefördert werden. So entschied man sich 1949 zunächst für den Aufbau einer Universitätsbibliothek. Unter den damals beschafften Büchern befanden sich viele, die sich dem Thema Schifffahrt, Schiffbau und Seehäfen widmeten. Aber schon bald herrschte Gewissheit, dass die Pläne zur Errichtung einer Universität in jener Zeit nicht mehr zu verwirklichen waren (die heutige Universität nahm ihren Studienbetrieb ja erst Anfang der 70er Jahre auf ). Vorstand und Beirat der Stiftung standen vor der Frage, welche Aufgabe der Stiftung nun zukam und was mit dem Restvermögen geschehen könnte. Bald bestand Einigkeit darüber, die Mittel auf die besonderen Aufgaben Bremens in der Bundesrepublik Deutschland zu konzentrieren. Artikel 38, Abs. 2 der bremischen Landesverfassung vom 21. Oktober 1947 besagte: „Die Wirtschaft der Freien Hansestadt Bremen ist ein Glied der einheitlichen deutschen Wirtschaft und hat in ihrem Rahmen die besondere Aufgabe, Seehandel, Seeschiffahrt und Seefischerei zu pflegen“. So lag der Gedanke nahe, die Verwendung der Restmittel aus dem ursprünglichen Stiftungsfonds in einer seeverkehrswirtschaftlichen Aufgabe zu fokussieren. Die Gründung des Instituts Der Einstieg gelang in den Jahren 1951 und 1952 über einen bereits seit dem Jahre 1947 bestehenden Ausschuss für Wirtschaftsforschung. Mit der Zuteilung von zweckgebundenen Forschungsmitteln an diesen Ausschuss wurde zunächst ein Knowhow entwickelt, das die spätere Gründung eines eigenständigen Instituts rechtfertigen sollte. Damaliger Leiter der Schifffahrtsabteilung dieses Ausschusses war Dr. Gustav-Adolf Theel (Bild 1), der bereits jahrzehntelange Erfahrung in der theoretischen und praktischen Schifffahrtsforschung besaß. Unter der Betreuung von Theel zeugte in der Folge eine ganze Reihe von Arbeiten von der erworbenen Sachkenntnis im Fachgebiet der Schifffahrtsforschung. Die wohl bekannteste Publikation war die erste Ausgabe des „Bremer Jahrbuchs der Weltschiffahrt“, die Ende 1953 in einer Auflage von 3000 Exemplaren erschien (Bild 2). Das positive Echo der Arbeiten und Publikationen zeigte, dass die Stiftung mit der Unterstützung einer Bremer Schifffahrtsforschung den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Am 30. März 1954 erklärte sich der Bremer Senat dann mit der Umbenennung der Stiftung zur Förderung der Errichtung einer Internationalen Universität in Bremen aus dem Jahr 1948 in Stiftung Institut für Schiffahrtsforschung einverstanden, nachdem der damalige Bürgermeister Dr. Theodor Spitta einen solchen Beschluss als eilig bezeichnete, da auch Hamburg an die Gründung einer Einrichtung für Schifffahrtsforschung denke. Dr. Hermann Apelt, zu dieser Zeit Senator für Häfen, Schifffahrt und Verkehr, ergänzte, dass sich die Aufgabe „der Schaffung der ideellen und materiellen Voraussetzungen für die Gründung, Errichtung und Unterhaltung einer Universität in Bremen“ der ursprünglichen Stiftung aus dem Jahr 1948 mit den zur Verfügung stehenden geringen Mitteln nicht bewältigen ließe. Man habe sich aber entschlossen, eines der Aufgabengebiete der Stiftung, an dem Bremen besonders interessiert sei, beizubehalten - nämlich die Schifffahrtsforschung - und alle übrigen Disziplinen fortfallen zu lassen. Der Zweck der neuen Stiftung sollte es also fortan sein, wissenschaftliche Schifffahrtsforschung in der Hansestadt zu betreiben und zu fördern. Vorstand und Beirat der Stiftung fassten am gleichen Tag die formell notwendigen Beschlüsse zur Umbenennung und Satzungsänderung, die unverzüglich vom Senator für Innere Verwaltung genehmigt wurden. Erster Direktor und Bild 1: Dr. Gustav-Adolf Theel war Mitbegründer des Instituts für Schiffahrtsforschung und erster Direktor 1954 bis 1971. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 41 Jubiläum ISL EXTRA wissenschaftlicher Leiter des neuen Instituts wurde Theel, der das Institut bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 1971 leitete. Die Aufgaben des Instituts nach seiner Gründung im Jahr 1954 lagen zunächst in der Erfassung und Veröffentlichung von statistischen Daten aus den maritimen Bereichen in schifffahrtswissenschaftlichen Werken sowie in der Sammlung, bibliographischen Ordnung und Auswertung von Material zu Schifffahrts-, Hafen- und Schiffbauangelegenheiten. In einem Rundschreiben vom April 1955 bezeichnete Theel das Institut als „eine Stätte der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Arbeit auf den Gebieten der Seeschiffahrt, des Seeschiffbaus, der Seehäfen und eng verwandter Themen“ und hob die breite Daten- und Materialbasis im Rahmen der von Beginn an etablierten Schifffahrtsbibliothek hervor (Bild 3). Noch heute ist das ISL Info- Center eine der führenden wissenschaftlichen Bibliotheken im Bereich der maritimen Wirtschaft und Logistik und verfügt über einen Gesamtbestand von rund 130 000 Bänden. Damals wie heute werden diese Informationen Interessenten zur Verfügung gestellt. Sie dienen ebenso den Forschungstätigkeiten des Instituts als Datenbasis. Die weitere Entwicklung Im Laufe des 60-jährigen Bestehens des Instituts haben sich viele Veränderungen in den Aufgabenbereichen ergeben. Schon bald nach der Gründung zeigte sich, dass weiterer Informationsbedarf bestand, insbesondere im Bereich von qualitativen Marktuntersuchungen, in der Erstellung von Analysen zur Entwicklung von Spezialmärkten wie z.B. Linien- und Containerschifffahrt, Fähr- und Kreuzfahrtschiffe und Häfen oder in der Konzeption von Strategien für die maritime Wirtschaft. Es wurden auch Betriebs-, Organisations-, Finanz- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für Häfen, Binnenverkehrsträger und Schifffahrtsunternehmen durchgeführt. Im Bereich der empirischen Seeverkehrsforschung wurden Methoden für die kurz- und langfristige Analyse und Prognose in den Bereichen Seeschifffahrt, Schiffbau, Häfen und Güterverkehr entwickelt. In verschiedenen Tätigkeitsbeschreibungen des Instituts aus den 70er Jahren blickt Dr. Hans Ludwig Beth, Nachfolger von Theel und zweiter Direktor von 1971 bis 1984, auf diese Entwicklung zurück und bemerkt, dass die satzungsgemäße Aufgabe der Stiftung, nämlich „wissenschaftliche Schiffahrtsforschung zu betreiben und zu fördern“, mittlerweile als „seeverkehrswirtschaftliche wissenschaftliche Forschung“ zu interpretieren sei. Als Aufgabenbereiche beziffert er Schifffahrt, Reedereien, Seehandel, Frachtenmärkte, Schiffbau und Werften sowie Häfen, Seekanäle und Hafenwirtschaft. Unter seeverkehrswirtschaftlicher wissenschaftlicher Forschung versteht Beth Analysen und Prognosen der aktuellen Marktlagen, die Weiterentwicklung der dafür notwendigen Instrumente und Methoden, die Schließung von Datenlücken sowie die aktive Vermittlung und Fachdiskussion der gewonnen Erkenntnisse. Dem entsprechend beschlossenen Vorstand und Beirat und darauf folgend der Bremer Senat im April 1967 die Umbenennung des Instituts für Schiffahrtsforschung in Institut für Seeverkehrswirtschaft. Im Hinblick auf die Erweiterung der allgemeinen Verkehre konnten die Aufgabenbereiche des Instituts zu Beginn der 80er Jahre nicht auf den Seeverkehr begrenzt bleiben. Vielmehr erforderte die Entwicklung der Wirtschaft die Einbeziehung der Hinterlandverkehre, also die Erfassung der gesamten Transportketten zwischen Produzent und Verbraucher. Dass derartige komplexe Aufgaben nicht ohne die Einbeziehung logistischer Systeme und informationslogistischer Ansätze gelöst werden können, ist aus damaliger wie heutiger Sicht verständlich. Das Institut wurde deshalb bereits 1984 um die Bereiche Logistik und Systemanalyse ergänzt. Diese Erweiterung spiegelte sich auch im Institutsnamen wider, der zunächst mit Institut für Seeverkehrswirtschaft und -logistik festgehalten wurde. 1988 erhielt das Institut dann seinen heutigen Namen: Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, kurz ISL (Bild 4). In diesem Jahr wurde die Stiftung auch erstmals in drei Abteilungen gegliedert, fortan wird jede Abteilung von einem Direktor geleitet, der gleichzeitig als Professor an der Universität Bremen oder an einer der Fachhochschulen Bremens tätig ist. Aus dem Kreis der Direktoren beruft das als neues Aufsichtsgremium gegründete Kuratorium, das damit den Vorstand der Stiftung ablöste, einen Direktor auf fünf Jahre zum Vorsitzenden des Direktoriums und Leiter des Instituts. Neben den neuen Organen Direktorium und Kuratorium wurde 1989 zuletzt noch der Wissenschaftliche Beirat neu definiert, da das neue Kuratorium viele der Aufgaben des alten seit der Gründung bestehenden Beirats übernommen hatte. Der Wissenschaftliche Beirat besteht nun aus Vertretern von Wissenschaft und Praxis und berät das Institut bei wissenschaftlichen Fragestellungen. Im Jahr 1994 wurden die drei Abteilungen bzw. Schwerpunkte im Zuge der stetigen Veränderungen und Entwicklungen auf den maritimen Märkten dann mit „Be- Bild 2: Das erste Bremer Jahrbuch der Weltschiffahrt von 1953/ 1954; es ist Vorgänger des bis heute publizierten ISL Shipping Statistics Yearbook. Bild 3: Die Bibliothek des ISL umfasst auch zahlreiche historische maritime Publikationen. Bild 4: Das erste Wappen des Instituts von-1954. Bild 5: In der Altbremer Villa in der Holler Allee hatte die Stiftung von 1960 bis 1978 ihren Sitz. ISL EXTRA Jubiläum Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 42 triebswirtschaft“, „Verkehr“ und „Telematik“ festgelegt. 1997 reagierte man nach mehreren Standortwechseln in Bremen - Schüsselkorb, Holler Allee (Bild 5), Werderstraße, Börsenhof/ Am Dom, Universitätsallee - auf die Anforderungen des Marktes mit der Gründung einer zweiten Geschäftsstelle in Bremerhaven, die bald zur vierten Abteilung des ISL wird (Bild 6). Im Jahr 2003 hießen die vier Abteilungen „Logistische Systeme“, „Maritime Wirtschaft und Verkehr“, „Informationslogistik“ und Planungs- und „Simulationssysteme“. Nach dem Umzug des Bremerhavener Büros in den t.i.m.e.Port II im Jahr 2006 wurden im Folgejahr die IT-bezogenen Aktivitäten an beiden Standorten in der erweiterten Abteilung Informationslogistik wieder gebündelt, womit die drei Abteilungen bis heute „Logistische Systeme“, „Maritime Wirtschaft und Verkehr“ und „Informationslogistik“ sind. Nach einem letzten Umzug des Bremer ISL im Jahr 2008 in neue Räumlichkeiten innerhalb der Universitätsallee (Bild 7) wurde zuletzt im Jahr 2010 die ISL Applications GmbH zur Unterstützung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Praxis gegründet. ■ QUELLEN [1] Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Instituts hat der damalige Mitarbeiter Dr. Heinrich Maas die Gründungsgeschichte des Instituts aufgearbeitet und gemeinsam mit dem Direktor dieser Zeit, Dr.-Hans Ludwig Beth, im Jahr 1979 publiziert: [2] Maas, H.; Beth, H.L.: 25 Jahre Institut für Seeverkehrswirtschaft, ISL Lectures and Contributions, No. 23, Bremen, 1979 [3] Beth, H.L.: Das Institut für Seeverkehrswirtschaft. In: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, Band XXVII, Bremen, 1983, S. 179-188 [4] Als weitere Quellen dienten interne Dokumente und Schriftstücke. Zuletzt haben viele Fundstücke aus dem Staatsarchiv Bremen, den institutseigenen Archiven sowie ISL InfoCenter/ Bibliothek zur Aufarbeitung der 60-jährigen Entwicklung beigetragen. Bild 6: Der Standort im Bremerhavener t.i.m.e.Port II Bild 7: Der aktuelle Sitz des Instituts in der Bremer Universitätsallee. Das ISL heute Mit der Verbindung von Tradition und moderner Wissenschaft ist das ISL heute eines der europaweit führenden Institute für angewandte Forschung, praxisorientierte Beratung und Knowhow-Transfer auf den-Gebieten Seeverkehrswirtschaft und Logistik. R und 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten im Auftrag öffentlicher sowie privatwirtschaftlicher Partner an zwei Standorten in Bremen und Bremerhaven weltweit Projekte zu komplexen maritimen Transportketten und deren Teilbereichen unter Einbeziehung logistischer Systeme, informationslogistischer Ansätze und Methoden des Operations Research. Der Forschungsbereich „Logistische Systeme“ greift dabei Fragestellungen zur Zukunft der Logistik auf, beispielsweise zu intermodalen Verkehren entlang der Supply Chain und regionalen Netzwerken wie GVZ und Logistikzentren. Auch werden neue Ansätze wie Mesologistik, Supply Chain Controlling, Green Logistics, Coopetition oder Multiagentensysteme entwickelt und in die Anwendung übertragen. Der Schwerpunkt „Maritime Wirtschaft und Verkehr“ berät Politik, Wirtschaft und Verwaltung in den Bereichen Schifffahrt, Häfen und Hinterland sowie Schiffbau. Die Grundlage dafür bilden Analysen von Einflussfaktoren und Wirkungszusammenhängen sowie die Entwicklung von Prognosen für die Märkte der maritimen Wirtschaft. Zusätzlich werden Fragestellungen aus dem Bereich Umwelt und Seeverkehr betrachtet. Zuletzt arbeitet die Abteilung „Informationslogistik“ an Informations- und Simulationstechnologien für die Transportwirtschaft, beispielsweise zur Vernetzung von IT-Systemen entlang der Transportkette, zum Einsatz quantitativer Methoden zur Optimierung logistischer Prozesse oder zur Planung und Überwachung intermodaler Transportketten durch ein aktives Supply Chain Event Management. Im Rahmen der Projekte ist das ISL stets darauf bedacht, dass diese im Rahmen von Kooperationen mit Unternehmen der Logistikbranche bereits im Stadium der Grundlagenforschung und der Entwicklung ihren Weg zur Anwendung in der Wirtschaft finden - beispielsweise bei Innovationen im Bereich der Informationstechnologien, die oftmals ihren Ursprung in der Forschung und Wissenschaft haben. Ein weiterer wichtiger Faktor der anwendungsorientierten Forschung ist es, aktuelle Entwicklungen und Rahmenbedingungen in die tägliche Arbeit einfließen zu lassen - wie etwa den Bereich der Sicherheitsforschung, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das Projekt ECSIT Ein Beispiel für eine solche aktuelle Entwicklung ist die in dem Projekt ECSIT - Erhöhung der Containersicherheit durch berührungslose Inspektion im Hafenterminal fokussierte House Resolution No.1 des US-amerikanischen Kongresses, die allgemein als 100 %-Scanning-Gesetz bezeichnet wird. Dieses Gesetz der US-Behörden themati- Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 43 Interview ISL EXTRA siert eine Röntgen- und Radioaktivitätsuntersuchung für alle Container, die in Richtung der USA exportiert werden sollen. Dieses zusätzliche Scanning im Abgangshafen bedeutet eine massive Aufstockung der bereits vorhandenen Kapazitäten zur Überprüfung der Seefracht. Mit Blick auf dieses Szenario wurde im Rahmen von ECSIT nun untersucht, wie neuartige Inspektionstechnologien zu einer Erhöhung der Sicherheit von Containern führen können und wie diese in ein übergreifendes Konzept unter Einbeziehung aller Beteiligter und Zuständigkeiten zu übertragen sind, ohne die Sicherheit und Performance des Hafenterminals zu beeinträchtigen. Parallel zu diesem Ansatz untersuchen andere Forschungsvorhaben alternative Ansätze, beispielsweise wie mit Hilfe von mehrstufigen Risikoanalysen für die gesamte Transportkette potenziell gefährliche Container auf Basis der verfügbaren und zwischen den Akteuren geteilten Daten identifiziert werden können. Das Projekt AMATRAK Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis stand auch im Vordergrund des Vorhabens AMATRAK - Künstliche Intelligenz zur Verkehrsreduzierung in Speditionen. Gemeinsam mit der STUTE Logistics (AG & Co.) KG als Praxispartner untersuchte das ISL in AMATRAK, wie mit Hilfe eines softwarebasierten, selbststeuernden Multiagentensystems die Kilometerleistungen einer Spedition verringert, die Auslastungen der LKW durch eine Versandbündelung erhöht und die Disponenten bei ihren Entscheidungen effektiv unterstützt werden können. Das IT-System ist in der Lage, die Routenplanung und Fahrzeugbelegung in Echtzeit dezentral zu planen und flexibel neue Vorschläge zu generieren. Dabei werden sich ändernde Kundenauftragsdaten und Fahrzeugzustände wie Staus oder Defekte dynamisch einbezogen. Kleine, lokale Störungen in der Planung führen nicht mehr unmittelbar zu globalen Störungen. Diese Flexibilität stellt die notwendige Voraussetzung für einen praktischen Einsatz in einer Spedition dar. Für die Spedition ergeben sich hieraus einerseits Kostenvorteile durch eine höhere Transporteffizienz, da die Kapazität des Fuhrparks sparsamer eingesetzt wird und die Disponenten bei der Tourenbildung zugunsten der Kundenbetreuung entlastet werden können. Andererseits werden aus gesellschaftlicher Sicht Fahrten durch Verringerung der Kilometerzahl und Konsolidierung von Teilladungen vermieden. Damit werden der Kraftstoffverbrauch, die Verkehrsbelastung sowie Emissionen (CO 2 , Lärm, Reifenabrieb) reduziert und es wird ein Beitrag zu einer nachhaltigeren, innovativen Logistik ermöglicht. Das Projekt PreparedNET Das Projekt PreparedNET - Agentenbasierter Schutz von sensiblen Logistikknoten hingegen entwickelte ein anderes ebenfalls auf der Multiagententechnologie basierendes IT- System für große Logistikknoten wie Güterverkehrszentren. Kern dieses Systems ist die Bereitstellung eines softwarebasierten Notfallkonzeptes zur Aufrechterhaltung der Warenflüsse nach unerwarteten Störungen innerhalb dieser logistischen Drehscheiben. Solche Störereignisse können beispielsweise Schäden an Gleisanlagen und Weichen, Ausfälle an KV-Anlagen oder Verkehrsunfälle auf wichtigen Zufahrtsstraßen sein. Mit Hilfe des neuen PreparedNET Management Portals sind Unternehmen hier nun in der Lage, die verbliebenen Transport-, Umschlags- und Handlingkapazitäten innerhalb der Logistikagglomeration dynamisch zu planen und zu steuern, um die Belieferung ihrer Kunden trotz Störung zu gewährleisten. An dem Projekt beteiligten sich viele Unternehmen wie die Emons Spedition GmbH, die ACOS Group oder die Heinrich Langhorst GmbH & Co. KG, als Anwendungsbeispiel diente unter anderem das Güterverkehrszentrum Bremen. ■ Leif Peters, Dipl.-Kfm. (FH) Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Koordinator Transfer und Kommunikation von Projektinhalten und -ergebnissen, Bremen peters@isl.org »Ökonomisches und IT-technisches Knowhow kombinieren« Ein Gespräch mit Prof. Dr. Frank Arendt Herr Prof. Arendt, wie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Marktbedingungen beim Seeverkehr verändert? Hierzu einige Schlagworte, die in letzter Zeit in aller Munde sind: Schifffahrtskrise, Megaschiffe, veränderte Hafenanlaufstrategien, Überkapazitäten und Verfall der Frachtraten sowie die Einführung von Sicherheitsregularien wie dem ISPS-Code. Eine der Kernkompetenzen des ISL ist es, diese Trends in den Schifffahrtsmärkten fortlaufend zu beobachten, und dies sowohl für die Nachfrageseite (Veränderungen in der Weltwirtschaft sowie deren Auswirkungen auf Güterströme) als auch für die Angebotsseite (Flottenstrukturen und Orderbücher). Auf dieser Basis werden im ISL sowohl Mittel- und Langfrist-Prognosen für die weitere Entwicklung der Schifffahrt für öffentliche und private Entscheidungsträger erstellt als auch die aktuelle Stimmungslage mit dem monatlich publizierten ISL/ RWI-Containerumschlag-Index erfasst. Für diesen Bereich entwickeln wir aktuell ein Güterverkehrsmodell, mit dem wir zukünftig verschiedenste makro- und mikrologistische Szenarien simulieren und Auswirkungen damit noch besser bewerten können. Der Schwerpunkt liegt hier also auf der Logistik-Optimierung? Neben den ökonomischen Aspekten bekommen auch die Umweltfragen zunehmende Bedeutung. Die von der IMO beschlossene Einführung von SECA-Gebieten (z. B. Ostsee), in denen nur noch Bunker mit 0,1 % Schwefelgehalt verbraucht werden darf, konterkariert die politische Strategie „from road to sea“, da hier aus Kostengründen eher eine Rückverlagerung auf die Straße erwartet wird. Wie bei allen Infrastrukturprojekten sind auch Hafenerweiterungen nur noch mit Lärm- und Umweltgutachten Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 44 ISL EXTRA Interview realisierbar. Häfen betrachten ihren „Carbon Footprint“ sowie die durch Schifffahrt und Hafenbetrieb verursachten Emissionen. Auf all diesen Gebieten sind wir tätig. Welchen Stellenwert kann oder wird Informationstechnologie künftig einnehmen, auch aus Perspektive der Sicherheitsforschung? In vielen Bereichen ist man schon sehr fortgeschritten. So ist z. B. die IT-Unterstützung beim Betrieb von Container-Terminals schon weit gediehen; jede Störung wie ein von den USA gefordertes 100 %-Scanning aller US-Exportcontainer bringt hier die bestehende Optimierung des komplexen Systems aus dem Gleichgewicht. Die Auswirkungen neuer Planungsstrategien können heutzutage nur noch sinnvoll mit Hilfe von Simulation und Emulation analysiert werden. Bei der Emulation werden echte Steuerbefehle des IT-Systems an virtuelle Geräte gesendet; diese wiederum melden sich mit denselben Statusmeldungen zurück wie ihre „echten“ Brüder. Also gefahrlose Tests ohne das Risiko möglicher negativer Auswirkungen auf den Echtbetrieb. An anderer Stelle ist noch großes Optimierungspotenzial zu sehen. Speziell bei komplexen Lieferketten und -netzwerken oder dem Betrieb von Logistikknoten mit vielen Beteiligten ist die Synchronisierung der Prozesse aller Beteiligten einschließlich der Kommunikation von Abweichungen vom Plan oft noch stark verbesserungsfähig. Wenn hier noch der Aspekt Sicherheit hinzukommt, erhöht sich die Komplexität entsprechend. Verschiedenste Beteiligte (wie Logistiker und Zoll) können von denselben Informationen profitieren - die Einen für die Optimierung ihrer Prozesse, die anderen zur Erfüllung ihrer Sicherheitsaufgaben. Dieser Ansatz wird im ISL seit vielen Jahren in europäischen Projekten erforscht. Auch im Bereich der Optimierung der Prozesse im komplexen Bereich Hafenbahn mit vielen Beteiligten sind wir derzeit aktiv. Das bedeutet: mehr IT, wachsende Sicherheitsrisiken … … natürlich muss in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der IT-Sicherheit hervorgehoben werden. Gerade auf Grund der Ereignisse in jüngster Zeit sind Spionage und Sabotage durch IT-Angriffe in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dieses Thema wollen wir am ISL in neuen Projekten z.B. zur IT- Sicherheit der Hafentelematik sowie Sicherheit von Offshore-Windparks erforschen. Auch für Umweltbetrachtungen spielen IT-Systeme eine Rolle. Die Simulation von Schiffsverkehren auf Flüssen erlaubt einerseits Prognosen unter Berücksichtigung der Schiffsgrößenentwicklung und Restriktionen bei der Erreichbarkeit bestimmter Hafenbereiche, andererseits auch die Berechnung der schiffs- und hafenbezogenen Emissionen unter Berücksichtigung neuer Technologien zur Energieeinsparung und Schadstoffreduzierung. Welche Aufgaben sehen Sie in diesem Zusammenhang künftig für das ISL? Über die vorhandenen Dienstleistungen hinaus werden innovative Ansätze in Projekten erforscht, aber nicht der Technologie wegen, sondern um Optimierungspotenziale zu erschließen und aktuelle Fragestellungen aus der Praxis mit neuen Technologien zu lösen. So werden in anwendungsorientierten Kooperationsprojekten Ansätze des Supply Chain Event Management oder der Einsatz von Multi-Agentensystemen sowohl für die Optimierung von Ladungsverkehren als auch für das Störfallmanagement in GVZs wie in den Projekten AMATRAK und PreparedNET erprobt und zunehmend auch in den operativen Einsatz überführt sozusagen vom Forschungsprojekt in den Echtbetrieb. Wir sind dabei natürlich sehr auf die Zusammenarbeit mit innovativen und aufgeschlossenen Unternehmen und Behörden angewiesen. Zum Glück haben wir Kontakte im In- und Ausland, die bereit sind, gemeinsam mit uns über ihren Tellerrand hinaus zu sehen. Das heißt also, dass am ISL auch Produkte entwickelt werden? Verschiedene Tools zu Simulation und Emulation wurden und werden im ISL bis zum Prototypstatus entwickelt und durch die Tochtergesellschaft ISL Applications GmbH vermarktet. So wurden im Projekt ECSIT die vorhandenen Software-Tools für die Container-Terminalsimulation dahingehend erweitert, die Prozesse für Sicherheitsüberprüfungen (z. B. Scanning) mit zu integrieren und die Auswirkungen durch Simulation zu bestimmen. Weiterhin haben wir ein Simulations-Tool für die Logistikplanung zur Errichtung von Offshore- Windparks erstellt, das zunehmend auch von Praxispartnern für reale Projekte zum Einsatz kommt. Unsere Stärke ist die Kombination des Knowhows aus verschiedensten ökonomischen und IT-technischen Bereichen. ■ Prof. Dr. Frank Arendt ist Mitglied des Direktoriums des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik und Leiter der Abteilung Informationslogistik. Darüber hinaus ist er Professor im Studiengang Integrated Safety and Security Management (ISSM) an der Hochschule Bremerhaven. ZUR PERSON VERANSTALTUNG ISL Maritime Conference 2014 Am 1. und 2. Oktober dieses Jahres lädt das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik zur ISL Maritime Conference 2014 nach Bremen ein und setzt damit seine traditionelle Veranstaltungsreihe fort. Wie in den Vorjahren erwarten die Teilnehmer spannende Vorträge, Diskussionen und Prognosen über die aktuelle Lage und Perspektiven der globalen maritimen Branchen. Im Fokus der Referenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik stehen erneut die Schifffahrtsmärkte, Häfen sowie deren Hinterland. Neben den oben genannten Themen greift die Konferenz auch das 60-jährige Jubiläum des ISL auf, welches das Rahmenprogramm rund um die Veranstaltung bildet. Denn auch die ISL Maritime Conference, die seit 2008 wieder alle zwei Jahre in Bremen veranstaltet wird, hat eine lange Historie. Sie steht in Tradition der früheren Liner Shipping Conferences, die bereits in den 70er und 80er Jahren durch das ISL organisiert wurden und schon damals ein fester Termin für die maritime Wirtschaft, Politik und Wissenschaft waren. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns, unsere Gäste zur ISL Maritime Conference 2014 im Rathaus Bremen begrüßen zu dürfen - dem Ort, an dem der Grundstein für das heutige Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik gelegt wurde. www.isl.org/ conference Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 45 60 Jahre ISL Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik u www.inros-lackner.de Berater Planer Architekten Ingenieure Consulting Engineers & Architects Berater Planer Architekten Ingenieure Consulting Engineers & Architects HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! „Seit Jahrzehnten gibt es eine enge fachliche Verbindung zwischen der ISL und INROS LACKNER. Verschiedene Projekte im Bereich der maritimen Logistik wurden gemeinsam realisiert. Als Generalplaner bieten wir anspruchsvolle Architektur- und Ingenieurlösungen in den Bereichen: Wasserbau und Hafenlogistik • Energie- und Umweltplanung Komplexe Gebäudeplanung • Infrastrukturplanung • Genehmigungsmanagement • Projektsteuerung und Baumanagement. KG Fisser & v. Doornum GmbH & Co. Bernhard-Nocht-Str. 113 20359 Hamburg Phone +49 40 44 186 0 management@ ssership.com 60 Jahre ISL Wir gratulieren herzlich zum Jubiläum Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 46 ISL EXTRA Projekte Fährverbindung Ost-Timor Das Straßennetz zwischen dem Süden und Norden des Inselstaates in Südostasien ist unzureichend ausgebaut. Einzelne Strecken sind durch Gebirgsmassive oder starke Monsunregen nur eingeschränkt nutzbar. Eine Machbarkeitsstudie untersucht die wirtschaftlichen und technischen Randbedingungen für die Einrichtung einer Nord-Süd-Fährverbindung. Ist der maritime Transportweg im Vergleich zum kürzeren aber schlecht ausgebauten landseitigen Transportweg rentabel? Die Autoren: Oliver Schwarz, Arnulf Hader, Harald Berger D ie Demokratische Republik Timor-Leste, besser bekannt als Ost-Timor, ist ein Inselstaat in Südostasien. Er liegt auf dem östlichen Teil der Insel Timor. Die ehemalige portugiesische Kolonie wurde 1975 von- Indonesien annektiert und erlangte am 20.-Mai 2002 seine Unabhängigkeit. Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum ist Dili an der Nordküste. Die Infrastruktur des Landes wurde während der indonesischen Besatzungszeit und durch Unruhen in den ersten Jahren der Unabhängigkeit stark zerstört. Die Regierung hat 2012 einen nationalen Entwicklungsplan verabschiedet. Ein wichtiges Ziel ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für das weitere Wirtschaftswachstum. Im Rahmen der deutsch-timoresischen Partnerschaft im maritimen Sektor wurde auf Initiative des timoresischen Ministers für Transport die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für eine zusätzliche Fährverbindung ausgeschrieben. Ziel der neuen Fährverbindung ist es, die ökonomische Entwicklung von Timor-Leste zu fördern sowie die Lebensgrundlage der Bevölkerung zu verbessern. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde ergänzend zu der bereits bestehenden Fährverbindung, welche die Hauptstadt Dili mit der westlich gelegenen Enklave Oecussi und der vorgelagerten Insel Ataúro verbindet, ein Konzept für eine neue Anbindung zwischen der Nord- und Südküste entwickelt. Die Studie behandelt die technische und ökonomische Machbarkeit der Fährverbindung, das Herausarbeiten potentieller Fähranleger entlang der Route sowie die konzeptionelle Konstruktionsart der Fähre. Die Entwürfe für die Fähre wie auch für die Anleger basieren auf zuverlässigen und nachhaltigen Lösungen. Konsortium erstellt Machbarkeitsstudie Im Auftrag der KfW Bankengruppe wurde die Studie durch ein Konsortium erstellt, bestehend aus dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, der Technolog Services GmbH und der Inros Lackner AG. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik analysierte die aktuelle Transportsituation und den Bedarf, entwickelte das operative Fährkonzept sowie das Anforderungsprofil des Fährschiffes und stellte finanzielle und ökonomische Betrachtungen auf. Mit dem Fährdesign, der Grundrissentwicklung und der technischen Spezifikation sowie der Kostenermittlung beschäftigt sich die Technolog Services GmbH. Inros Lackner war für die konzeptionelle Planung der Fähranleger, die Baugrunduntersuchung, eine meteorologische und ozeanographische Desktop Studie, das Design für Anleger und Terminal sowie für die Ausschreibungskonzepte und Technische Spezifikation (BoQ) verantwortlich. Die aktuelle Situation zeigt, dass das Straßennetz aufgrund der bergigen Natur (bis 3000 m), schwieriger geologischer Verhältnisse, des Klimas und der jahrelang fehlenden Unterhaltung größere Probleme bereitet. Derzeit hat das Land nur je einen internationalen Flug- und Seehafen, beide in der Hauptstadt und dem Wirtschaftszentrum Dili. Die RoRo-Fähre „Berlin Nakroma“ verbindet Dili zweimal wöchentlich mit Oecussi und einmal mit Ataúro (Bild 1). Risiken und Chancen Die Untersuchungen der aktuellen Transportsituation haben unter anderem gezeigt, dass der seeseitige Transport im Vergleich zur landseitigen Verkehrsverbindung nur rentabel ist, wenn größere Mengen über eine längere Distanz befördert werden. Da die Entfernung zwischen der Nord- und Südküste über Land deutlich kürzer ist, rechnen sich daher nur größere Schiffe. Die Spezialisten für Schiffsdesign haben drei Varianten für eine Passagier-/ RoRo-Fähre für die raue See an der Südküste entwickelt. Die wesentlichen Merkmale aller drei Entwürfe stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Zum Beispiel haben die Fähren ein RoRo-Deck über fast die gesamte Schiffslänge. Der vordere Teil wird als Räumlichkeiten für die Mannschaft und Auszubildende genutzt. Die Decks sind höher als gewöhnlich und der achtern gelegene Teil ist verstärkt, mit dem Ziel, Schwer- und Großraumlastzüge laden zu können. Der hintere Teil des RoRo-Decks ist offen, aufgrund der Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter. Bild 2 der Fährschiffe im jeweils gleichen Maßstab zeigt, dass die größeren Schiffe mehr Kapazität bieten. Dies nicht nur wegen der zunehmenden Länge, sondern hauptsächlich wegen der unterschiedlichen Breite mit drei, vier oder fünf LKW-Fahrspuren. Das Hauptfrachtaufkommen wird aus landwirtschaftlichen Produkten und Konsumgütern bestehen. Dazu werden in den nächsten Jahren weitere Güter wie Baumaterialien und Baumaschinen oder Güter für die Öl- und Gasindustrie kommen. Den größten Teil des Pas- Bild 1: Derzeitige Verkehrsverbindungen und geplante Fährroute. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 47 Projekte ISL EXTRA sagieraufkommens werden Farmer und Händler sowie Privatreisende ausmachen. Eine Fähre schafft im Normalfall eine Transportverbindung, wo keine Alternative (Landverbindung) vorhanden ist, wie z. B. zwischen Dili und Ataúro. Die küstenparallele Fährverbindung Dili - Oecussi existiert nur, weil die Landroute schwer befahrbar ist und die Visakosten höher als der Preis des Fährtickets sind. Die küstenparallele Route Dili - Beaço - Suai funktioniert nur so lange, wie der Straßentransport sehr schwierig und teuer ist (Bild 1). Im Normalfall ist ein Straßentransport schneller und weniger teuer. Wenn die Straßenentfernung weit niedriger ist, gilt dies umso mehr. Dazu kommt, dass es im Straßenverkehr nicht notwendig ist, auf die nächste Fährabfahrt zu warten, die nur zweimal wöchentlich erfolgen sollte. Folglich würde eine geeignete neue Straße für schwere LKWs den Großteil der Fährladung an sich ziehen. Der Seetransport ist nur kostengünstiger als Straßentransport, wenn große Volumina über lange Distanzen befördert werden. Im Falle von Timor-Leste sind Schiff und Mengen nicht groß genug, um solche Skaleneffekte zu erzeugen, dass ein Seetransport günstiger wird. Empfehlung und Schlussfolgerung Basierend auf der Ausgangslage, dass eine zuverlässige Straßenverbindung internationalen Standards zwischen dem Norden und Süden von Timor-Leste nicht zur Verfügung stehen würde, wurde die Fähre Typ 3 mit 85 m Länge und einer Kapazität von 400 Passagieren und 396 m Spurlänge/ 56 TEU empfohlen. Sie würde je Woche zweimal eine Rundreise Dili - Beaço - Suai - Beaço - Dili machen und eine Zwischenreise Dili - Oecussi - Dili. Die wesentlichen Gründe für diese Empfehlung sind: • Die Gesamtkosten sind am geringsten. • Die Einnahmen ermöglichen einen Beitrag zu den Fixkosten (Personal, Kapitalkosten). • Die Kosten erfordern die geringsten jährlichen Zuschüsse angesichts der berechneten Kosten und angenommenen Einnahmen. Die empfohlene Lösung kann jedoch die vollen Kapitalkosten nicht tragen. Der Fährdienst wäre vor allem eine Investition in die Infrastruktur zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des südlichen Landesteils, solange geeignete Straßenverbindungen zwischen Nord und Süd in den nächsten paar Jahren noch nicht erstellt werden können. Das wurde auch jüngst im neuen Fünfjahres-Plan der im Sommer 2012 gewählten Regierung festgestellt. Dieser Plan sieht jedoch den vordringlichen Bau einer neuen Nord-Süd-Verbindung zwischen Manatuto und Natarbora vor. Das aus dieser neuen Straßenverbindung hervorgehende Risiko für die empfohlene Fährverbindung ist, dass der größte Teil der Nachfrage für die Fähre von der Straße angezogen würde und die Auslastung der Fähre signifikant geringer als ursprünglich erwartet wäre. Die erwähnte Straße ist ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden, wie z. B. periodische Unterbrechungen im Zusammenhang mit den Regenzeiten. Eine Fertigstellung der Straße Manatuto - Natarbora vor oder zu Beginn der Fährverbindung würde deren Nutzung weiter reduzieren und damit das finanzielle Ergebnis verschlechtern und die Subventionen erhöhen. Für die Entwicklung der Südküste und der Region entlang des neuen Straßenkorridors wäre es die beste Lösung für Timor-Leste, die Kräfte auf das neue Fernstraßenprojekt zu konzentrieren und es durch einige Straßen 2. Ordnung und ländliche Fahrwege zu ergänzen. Sollte die Regierung von Timor- Leste dennoch die Durchführung des maritimen Projektes neben dem Straßenbau weiter verfolgen, bleibt die Wahl für die Fähre Typ 3. Für den Fall einer derartigen Entscheidung wurde die Untersuchung zusätzlicher und alternativer Nutzungen des Schiffes auf anderen Routen einschließlich der finanziellen Folgen empfohlen. ■ Die Autoren: Oliver Schwarz, Dipl.-Ing. Inros Lackner, Bremen oliver.schwarz@inros-lackner.de Arnulf Hader Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremen hader@isl.org Harald Berger TECHNOLOG services GmbH, Hamburg harald.berger@tlg-services.biz Bild 2: Das Design der verschiedenen Fährschiff-Typen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 48 LOGISTIK Ostseeverkehre Russlands Seetransportund-Hafenentwicklung im Ostseeraum Russische Exporte und Importe prägen die Güterströme im maritimen Ostseeverkehr. Um den Außenhandel in nationalen Häfen abwickeln zu können, wurden diese besonders seit 2000 massiv ausgebaut. Sie führen heute mit Abstand die Liste der umschlagstärksten Ostseehäfen an. Die Autoren: Christian Wenske, Karl-Heinz Breitzmann R usslands Position in der Weltwirtschaft folgt einem einseitigen Modell - im Export dominieren Energieträger, andere Rohstoffe sowie Metalle, während vor allem Investitions- und Konsumgüter importiert werden. Diese einseitige Ausrichtung der Außenwirtschaft stellt eine der Hauptschwächen der russischen Volkswirtschaft und ein Risiko für die weitere Entwicklung dar. Der russische Außenhandel entwickelte sich ab 2003 sehr dynamisch (Bild 1). Trotz des krisenbedingten Einbruchs 2009 stiegen die Exporte 2000 bis 2012 im Jahresmittel um 15 % und die Importe um 17 %. Die Importe erreichen heute zwei Drittel des Exportwertes. Russland liegt inzwischen auf Platz 8 der Rangliste der Exporteure mit 2,9 % Anteil am Weltexport (2000: Platz 17 mit 1,6 %) und auf Rang 17 der Importeure mit 1,8 %. 1 Im Export dominieren Brennstoffe (70,3% des Gesamtexports 2012), darunter Rohöl und Ölprodukte 54 %, Erdgas 13 % und Kohle 2,6 %. Einen zweiten Block bilden Metalle - Eisen und Stahl mit 4,4 % und NE-Metalle mit 3,3 %. Mit weitem Abstand folgen chemische Produkte (4,7 %), landwirtschaftliche Erzeugnisse (4,6 %) sowie Maschinen und Ausrüstungen (2,7 %). Gegenüber dem Jahr 2000 ist der Anteil des Primärsektors an den Exporten um 15 Prozentpunkte gestiegen, während der Anteil verarbeiteter Erzeugnisse um 10 % abnahm. Das Gegenstück zu der einseitigen Warenstruktur der Exporte ist ihre starke geografische Streuung. Die führende Position der Niederlande (14,4 %) beruht auf der Rolle Rotterdams in Erdölhandel und -verarbeitung. An Gewicht gewonnen hat China (6,4 %), gefolgt von Italien (5,3 %) und Deutschland (4,5 %), während Partner aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 10,7 % der Exporte aufnehmen (2000: -13,4 %). Nahezu spiegelbildlich bilden verarbeitete Erzeugnisse 81% des Imports, v.a. Maschinen und Fahrzeuge (44,0 %), die seit 2000 um 21 % jährlich zunahmen (Bild 2). Mittel- und hochgradig technologieintensive Produkte machen zusammen 60,3 % des Importvolumens aus. Chinas Anteil stieg von 4,4 % 2000 auf 11,3 % im Jahr 2012 (Platz 1). Deutschland ist nun mit 13,9 % auf dem zweiten Platz, gefolgt von der Ukraine (6 %) und Belarus (4,8 %). Weitere wichtige Lieferanten mit mehr als 3 % Anteil sind Italien, die USA, Frankreich, Japan und Südkorea. Der Anteil der GUS-Länder insgesamt ging von 28,8 % auf 14,2 % zurück. Die Europäische Union als Abnehmer von 45 % der Exporte und Lieferant von 46 % der Importe ist der wichtigste Wirtschaftraum für den russischen Außenhandel. Wertmäßig stieg der EU-Handel mit- Russland bis 2008 (Bild 3) auf ein Niveau, das nach der Krise erst 2011 wieder- überschritten wurde. Mengenmäßig erreichten die EU-Import bereits 2006 den- größten Umfang, während die Exportmenge bereits 2010 auf einen neuen Höchstwert anstieg. In der Darstellung werden die wert- und besonders mengenmäßigen Überschüsse der aus Russland ausgehenden Warenströme deutlich. Mengenmäßig betragen die EU-Importe das 13-fache der Exporte. 2 Während die EU-Importe zu 81 % (2000: 61 %) aus Brennstoffen bestehen, dominieren im Export ebenso deutlich Maschinen, Fahrzeuge und verarbeitete Erzeugnisse mit 71 %. (2000: 66 %). Diese einseitige Struktur des Handels hat sich vertieft. Bild 1: Entwicklung und Warenstruktur des russischen Exports, in Mrd. USD Bild 2: Entwicklung und Warenstruktur des russischen Imports Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 49 Ostseeverkehre LOGISTIK Rolle des Seetransports und der-Seehäfen für den russischen Außenhandel Die Rolle des Seeverkehrs soll anhand des Modal Splits im Außenhandel mit der EU beleuchtet werden (Tabelle 1). Der hohe Anteil der Seeschifffahrt am Import der EU aus Russland ist darin begründet, dass feste und flüssige Brennstoffe, die überwiegend auf dem Seewege befördert werden, zusammen 86 % der Importtonnage ausmachen. In allen Gütergruppen mit Ausnahme der verarbeiteten Erzeugnisse ist das Seeschiff wichtigstes Transportmittel. Der Anteil der Schiene ist doppelt so hoch wie der der Straße, während die Binnenschifffahrt nur eine marginale Rolle spielt. Im Zeitablauf stiegen beim Import aus Russland Anteil und absolute Menge des Seeverkehrs bis 2007 deutlich, während die Mengen im Rohrleitungstransport seit dem Höhepunkt 2005 sanken und somit auch der Anteil rückläufig war (Bild-4). Im Export nach Russland stellen Maschinen, Fahrzeuge und andere verarbeitete Erzeugnisse ein Drittel des Volumens. Mehr als die Hälfte der Güter wird auf der Straße befördert. Der Anteil der Schifffahrt ist mit 31 % durchaus hoch. Der Bahnanteil von 12 % besteht v.a. aus Baustoffen. Im Trend steigt der Anteil des Straßenverkehrs. Der 2010/ 11 wieder steigende Anteil des Seeverkehrs ist auf einen höheren Anteil der seeverkehrsaffinen Baumaterialien und Metalle am Handelsvolumen zurückzuführen (Bild 5). Dynamisches Wachstum der russischen Ostseehäfen Die Ostseehäfen schlagen 36 % des gesamten russischen Seehandels um, darunter bei Flüssiggütern 42 %. Das mittlere jährliche Wachstumstempo des Güterumschlags von 11% zwischen 2000 und 2013 wurde im Wesentlichen von den neuen Häfen getragen, zunächst ab 2002 von Primorsk und seit 2011 von Ust-Luga (Bilder 6 und 7). Mio. t See (%) Pipeline (%) Bahn (%) Straße (%) EU-Import gesamt darunter: 358,1 60 25 7 3 2 Feste Brennstoffe 56,3 83 - 12 - 3 Erdöl + -produkte 250,2 57 36 1 1 5 Metalle 15,9 62 - 18 15 8 Chemische Erz. 5,3 40 3 43 12 9 Masch., Fahrzg., verarb. Erz. 4,7 33 - 17 38 EU-Export gesamt darunter: 28,9 31 - 12 55 0 Landw. Erz. 3,3 19 - 1 80 1 Nahrungsmittel 4,0 33 - 5 62 6 Baumaterial 3,8 51 - 34 15 8 Chemische Erz. 5,2 29 - 11 59 9 Masch., Fahrzg., verarb. Erz. 9,7 21 - 10 66 Quelle: Ostseeinstitut nach EUROSTAT Tabelle 1: Modal Split im Handel Europäische Union - Russland 2012 Bild 3: Entwicklung des Handels Europäische Union - Russland nach Wert und Volumen Bild 4: Modal Split im Import der Europäischen Union aus Russland Bild 5: Modal Split im Export der Europäischen Union nach Russland Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 50 LOGISTIK Ostseeverkehre Eine besondere Bedeutung haben die Ostseehäfen für den Umschlag hochwertiger Güter. Auf sie entfallen 58 % des Containerumschlags, 44 % der NE-Metalle und 73 % der Kühlgüter aller russischen Häfen. Weiterhin bedeutendster Seehafen ist der Großhafen St. Petersburg („Welikiij port“, Big Port), auch wenn 2013 der Hafen mit 58 Mio. t erst den dritten Platz einnimmt. Er liegt am östlichen Ende des Finnischen Meerbusens in der Newa-Mündung und ist ein Universalhafen mit breiter Gutarten-Palette. Der Großraum St. Petersburg mit 6,7 Mio. Einwohnern bildet das unmittelbare Hinterland und einen bedeutenden Loco-Markt für Hafenleistungen. Der Hafen liegt an einem bedeutenden Verkehrsknoten und hat Anschluss an die Wolga- Don-Wasserstraße und über den Weißmeer- Kanal an das Nordmeer. Die Umschlagmenge stieg in den 1990er Jahren, als St. Petersburg nach dem Zerfall der Sowjetunion praktisch der einzige russische Ostseehafen war, stark an. Mit ca. 60- Mio. t wurde ab 2005 eine Phase der mengenmäßigen Stabilisierung erreicht. Seit 2000 hat sich eine bemerkenswerte Wandlung in der Gutarten-Struktur vollzogen: Während 2000 Massengüter und Massenstückgüter noch 78 % des Gesamtumschlags ausmachten, betrug ihr Anteil 2012 nur noch 34 %. Andererseits stieg der Anteil der Containerladung von 11% auf 40 % und St. Petersburg wurde mit einem jährlichen Wachstum 2000-2012 von 16,6 % zum bedeutendsten Containerhafen in der Ostsee mit 2,5-Mio.-TEU 2013. Zahlreiche Feederdienste bieten täglich mehrere Abfahrten zu den Containerhubs in Westeuropa und zu anderen Ostseehäfen. Wichtigster Hub für den Containerverkehr mit den russischen Ostseehäfen ist Hamburg mit einem gegenwärtigen Anteil von 25 %. Containerumschlag findet an fünf Terminals statt, wobei an den drei Terminals von Global Ports 85 % des Umschlags erbracht wurden: • First Container Terminal 2012: 1 058 000 TEU; Eigner Global Ports London (seit Ende 2013); größtes Containerterminal in der Ostsee Geplanter Ausbau auf 1,6 Mio. TEU/ a • PetroLes Port 2012: 827 000 TEU (+30 %); Ausbaupläne auf 2,3 Mio. TEU • Container Terminal St. Petersburg 2012: 326 000 TEU (in Betrieb seit 2011) • Moby Dick (auf der Insel Kotlin) 2012: 226 000 TEU (±0 %) • Neva Metall Terminal 2012: 49 000 TEU (+63 %) Probleme für die künftige Entwicklung des Hafens rühren aus seiner Lage innerhalb des Stadtgebiets mit allen daraus folgenden Schwierigkeiten für Ausbau und Betrieb sowie Straßen- und Bahnanbindungen. Mit dem südlichen Abschnitt der Westlichen Schnellverkehrstangente erhielt der Hafen 2013 einen direkten Anschluss an die Ringautobahn. Die Kapazität der Bahnanbindung des städtischen Hafenbereichs wird mit 35 Mio. t angegeben, sodass erhebliche Gütermengen auf der Straße befördert werden müssen. Nach einem Beschluss des Petersburger Stadtparlaments vollzieht sich der weitere Ausbau des Hafens überwiegend außerhalb der Stadt („äußere Entwicklung“). Größtes aktuell laufendes Vorhaben ist der unmittelbar an der Ringautobahn gelegene Hafen Bronka für den Umschlag von Containern und Ro-Ro-Gütern. Fünf Containerliegeplätze und vier Ro-Ro-Rampen mit einer Kapazität von 1,45 Mio. TEU und 260 000 Ro-Ro-Einheiten sollen in der 1. Ausbaustufe 2015 den Betrieb aufnehmen. 2022 sollen im Endausbau 3 Mio. TEU Umschlagkapazität verfügbar sein und Panamax-Containerschiffe und Fähren der Finnstar-Klasse Bild 6: Russische Ostseehäfen - Lage und Güterumschlag Bild 7: Entwicklung des Güterumschlags der russischen Ostseehäfen 2000-2013 Bild 8: Entwicklung der seewärtigen Außenhandelstransporte Russlands Quelle Daten: http: / / www.morinfocenter.ru/ analit_port.asp Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 51 Ostseeverkehre LOGISTIK abgefertigt werden. Das Projekt ist Teil des Föderalen Zielprogramms. Auch in den stadtnahen Hafenbezirken sind umfangreiche Modernisierungs- und Ausbauarbeiten geplant sowie die Vertiefung des Hafenkanals auf 13,5 m. Der Hafen Ust-Luga, 120 km westlich von St. Petersburg, ist ein kompletter Neubau, der einige der in St- Petersburg bestehenden Probleme lösen soll. Vorteile sind die Wassertiefe von bis zu 17,5 m, die kurze (3,7 km) und einfache Ansteuerung und die verhältnismäßig kurze Eisperiode. Die Hafengesellschaft Ust-Luga wurde 1992 gegründet, Aktionäre sind vier Finanzierungsgesellschaften, das Leningrader Gebiet (25 % +1) sowie die Bahngesellschaft RZD. Weitere Investoren halten Anteile an den Tochtergesellschaften, so die deutsche Eurogate 20 % der Baltic Container Terminal (BCT). Baubeginn war 1997, 2003 wurde der erste Abschnitt des Kohleterminals in Betrieb genommen. Die Umschlagmengen entwickelten sich seit 2011 äußerst dynamisch dank der Inbetriebnahme neuer Umschlagfazilitäten und der wieder anziehenden Konjunktur. Von den 62,6 Mio. t Gesamtumschlag entfielen 2013 39,7 Mio. t auf Erdöl und -produkte, 20,0 Mio. t auf Schüttgut, davon Kohle 18,0- Mio. t. Außerdem werden Metalle, Ro- Ro-Ladung, Holz und Container umgeschlagen. Der Hinterlandverkehr erfolgt v. a. über die Bahn. Für den Erdölexport ist Ust-Luga an das Pipelinesystem BSP-2 angeschlossen. Die Straßenanbindung lässt noch zu wünschen übrig. Ein Logistikzentrum im Hafenhinterland mit 115ha wurde 2010 fertiggestellt. Vom damaligen Ministerpräsiden Putin wurde die Entwicklung des Hafens Ust-Luga mit einem Logistik- und Industrie-Cluster 2011 als zentrales Infrastrukturprojekt im russischen Nordwesten bezeichnet mit einem möglichen Umschlagvolumen von 180-Mio. t bereits 2018. Das Entwicklungspotenzial Ust Lugas wird v. a. in der Verfügbarkeit großer Flächen in Kainähe gesehen. Im Hafen sind weitere Terminals geplant für den Umschlag von Metallen, Getreide, Düngemitteln, Stück- und Massenstückgütern. Der Hafen Primorsk, 120 km nordwestlich von St. Petersburg, nahm 2004 den Umschlag von Rohöl auf. Er wird betrieben von einer Tochtergesellschaft von OAO Novorossiysk Commercial Sea Port. Heute verfügt der Hafen über vier Liegeplätze für den Rohölversand mit Schiffen von ca. 150 000-tdw, den größten Schiffen, die die dänischen Meerengen passieren, sowie einen Produkteterminal mit 2 Liegeplätzen. 2013 wurden in Primorsk 54,5 Mio. t Rohöl und 9,3 Mio. t Mineralölprodukte verschifft, insgesamt 63,8 Mio. t. Der Rückgang beim Rohölexport resultiert aus Verlagerungen nach Ust-Luga. Im Hafen enden drei Leitungen des Baltischen Pipelinesystems von Ölfeldern in Nordwest-Russland und Westsibirien. Wysozk liegt in der Wyborger Bucht nahe der finnischen Grenze auf einer vorgelagerten Insel. 2013 wurden 16,2 Mio. t umgeschlagen, davon 11,3-Mio. t Mineralölprodukte und 4,9-Mio. t Kohle. Am Kohleterminal können seit 2012 Panamax-Schiffe von ca. 85 000 tdw mit bis zu 11,9 m Tiefgang abgefertigt werden. 2003 nahm die Ölgesellschaft Lukoil ein Terminal für Mineralölprodukte in Betrieb als zentralen Umschlagplatz für Exporte nach Europa. Die Anlieferung erfolgt auf dem Schienenweg. Kleinster russischer Ostseehafen ist Wyborg mit 1,5 Mio. t (2013) verschiedener Schütt- und Stückgüter, gelegen nahe der finnischen Grenze an der Fernstraße und der Bahnlinie von St. Petersburg nach Finnland. Über den Saimaa-Kanal besteht Anschluss an die finnischen Binnenwasserstraßen. Kaliningrad, das frühere Königsberg, ist der am weitesten westlich gelegene Hafen. Das Vorkrisenniveau von 2007 konnte auch 2013 mit 13,7 Mio. t, darunter 325 259 TEU, noch nicht wieder erreicht werden. Auch hier überwiegt der Export. Importgüter machen hier aber rund ein Viertel aus und die Kabotage hat aufgrund der Exklavensituation einen erheblichen Anteil. Erdöl und Mineralölprodukte bilden mit 45 % die größte Position, vorwiegend aus der örtlichen Verarbeitung offshore geförderten Öls. Bedeutsam ist der Export von Metallen mit 8 %. Containerladungen bringen 12 % des Gesamtumschlags mit einem ausgeprägten Übergewicht des Ladungseingangs (Daten-2012). Der Hafen gilt als einziger eisfreier russischer Ostseehafen. Die 40 km lange Zufahrt ist 10,5-8 m tief und nur einschiffig befahrbar, ein Ausbau auf 10,5-m auf 27-km bis zum Lukoil-Terminal für Mineralölprodukte ist geplant. In Baltijsk am Eingang zur Kaliningrader Bucht besteht ein Fähr- und Ro/ Ro- Terminal, entstanden aus dem Umbau von Teilen der Marinebasis. Wichtigste Probleme für die weitere Hafenentwicklung sind der Ausbau des Seekanals und die Einrichtung von Ausweichstellen sowie die Hinterlandanbindung. Das Projekt eines Tiefwasser-Containerhafens in Baltijsk wurde aufgegeben. Das Transportministerium sieht die Zukunft des Hafens nunmehr nicht als Transithafen, sondern als Industriehafen. Die navigatorischen Probleme für die Schifffahrt im Finnischen Meerbusen führten in der Sowjetunion zum vorrangigen Ausbau der Häfen in den baltischen Republiken, sodass die Russische Föderation nach 1990 in hohem Maße auf den Transit über die Häfen der nun unabhängig gewordenen Länder und Finnlands angewiesen war. Die Transitkosten wurden zur Belastung und mögliche Eingriffe als Beschränkung der nationalen Souveränität begriffen. Der Umschlag in ausländischen Häfen stieg bis 2007 auf 117 Mio. t (18 % des seewärtigen Außenhandels), ging jedoch in den Folgejahren bis auf 95 Mio. t in 2012 (13 %) zurück (Bild 8). Für die Transithäfen sind die Leistungen für den russischen Außenhandel ein wichtiges Element. In Tallinn machte russische Ladung 2012 54 % des Umschlags aus nach 63 % in 2011. In den lettischen Häfen beträgt der Transitanteil insgesamt 81 %, im litauischen Klaipeda über 40 % und in den finnischen Häfen insgesamt 7,5 %. Russlands Position im wachsenden Ostseeverkehr Im Jahre 2012 wurden ca. 607 Mio. t Güter über die Ostsee transportiert, wobei flüssige Güter mit 44 % dominieren gefolgt von Schüttgütern (25 %), Container- und Ro/ Ro- Gütern ( jeweils 11 %) sowie Massenstück- und sonstigen Stückgütern (4 %). Tabelle 2 weist zugleich aus, dass hierbei Transporte zwischen dem Ostseeraum und Häfen außerhalb der Ostsee (ostsee-extern) mehr als 70 % der beförderten Mengen ausmachen. Gütergruppe Gesamttransport (Mio. t) Anteil (%) Ostseeexterner Transport (Mio. t) Anteil (%) Ostseeinterner Transport (Mio. t) Anteil (%) Flüssiggüer 265 43,7 200 75,5 65 24,5 Schüttgüter 153 25,2 117 76,5 36 23,5 Ro-Ro-Güter 68 11,2 12 17,6 55 80,9 Containergüter 68 11,2 62 91,2 6 8,8 Massenstückgut/ anderes Stückgut 53 8,7 40 75,5 13 24,5 Total 607 100 431 71,0 175 28,8 Quelle: Autoren nach EUROSTAT und russischen Hafenangaben Tabelle 2: Struktur des maritimen Ostseetransports 2012 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 52 LOGISTIK Ostseeverkehre Transporte innerhalb des Ostseeraum (ostsee-interner Verkehr) liegen mit 29 % weit darunter. Rechnet man zum Umschlag der russischen Häfen (ohne Transitgüter aus Kasachstan u.a. Ländern) den Transit russischer Güter über Häfen in Lettland, Estland und Finnland hinzu, so kommt man zur Aussage, dass 290 Mio. t der über die Ostsee beförderten Güter aus russischen Ex- und Importen bestehen. Die umfangreichsten Güterströme verlaufen zwischen den russischen Ostseehäfen und den Niederlanden, Deutschland (Nordsee), Großbritannien, Finnland, Litauen, Schweden, Polen und Belgien. Der Anteil der russischen Ostseehäfen lag 2012 bei 26 % des Umschlags aller Ostseehäfen. Er erreichte bei flüssigen Gütern sogar 40 %, bei Containern 33 % und 27 % bei Massenstückgütern, jedoch nur 15 % bei Schüttgütern und knapp 3 % bei Ro/ Ro-Gütern. Der Anteil ostsee-externer Verkehre ist mit 77 % besonders hoch. Russland dominiert im Bereich der flüssigen Güter, wobei die Liefermengen von Rohöl und Ölprodukten in die Niederlande (Rotterdam) für die dortigen Raffinerien und zur Weiterleitung nach Übersee hervorstechen; es folgen Deutschland (Nordsee), Finnland, Litauen, Schweden und Großbritannien. Die neu errichteten Verladeanlagen in Primorsk und Ust-Luga sind inzwischen an die Spitze der Ölhäfen des Ostseeraumes gerückt. Mit hohen Zuwachsraten hat Russland die führende Position im Containerverkehr über die Ostsee erreicht. Wurden 2000 nur 10 % des Ostsee-Containerumschlags in russischen Häfen realisiert, so ist der Anteil bis 2012 auf 31 % hochgeschnellt (Bild 9). Hinzu kommt Transitumschlag in Finnland und Estland. Aufgrund der Außenhandelsstruktur Russlands werden beladene Container fast ausschließlich nach Russland befördert, Rückladungen stehen kaum zur Verfügung. Auch im Schüttguttransport auf der Ostsee spielen russische Kohle und Erze eine führende Rolle, die Lieferungen gehen z. B. nach Großbritannien, Finnland, in die Niederlande, nach Deutschland, Polen, Dänemark oder Schweden. Erhebliche Mengen werden im Transit über Lettland (Riga, Ventspils) geleitet, aber auch über Kokkola in Finnland. Im Unterschied zu den anderen Ostseerelationen spielen im Russland-Transport bisher Fähr- und Ro/ Ro-Verkehre nur eine geringe Rolle. Einer der Gründe dafür ist, dass verarbeitete Produkte nach Russland auch im innereuropäischen Verkehr im Container befördert werden. Erhebliche Teile der PKW-Importe Russlands, die 800-900 Tausend Einheiten pro Jahr im Umfang von 25 %-30 % der Verkaufsmenge ausmachen 3 , werden über Ostseehäfen ins Land gebracht. Dabei spielen Transithäfen in Finnland (z. B. Hanko, Hamina Kotka) oder in Estland (Sillamäe), in steigendem Maße aber Terminals in St. Petersburg und Ust-Luga die Hauptrolle. Seit dem Jahr 2000 haben sich im maritimen Ostseeverkehr erhebliche regionale Verschiebungen vollzogen. Die neuen Marktwirtschaften (Russland, Polen und drei baltische Republiken) konnten ihren Anteil am Güterumschlag der Ostseehäfen im Vergleich zu den traditionellen Marktwirtschaften Dänemark, Schweden, Finnland und Deutschland von 33 % auf 50 % erhöhen, dabei ist der Hauptteil der Steigerung auf Russland zurückzuführen (Bild-10). Russland hat insgesamt eine beeindruckende quantitative Entwicklung des Ostseetransports vollzogen, wobei jedoch in qualitativer Hinsicht deutliche Defizite bestehen. Die russische Wirtschaft steht vor- der existentiellen Aufgabe der Modernisierung und Diversifizierung. Nur damit könnte auch die starke Einseitigkeit des russischen Seetransports reduziert werden. ■ 1 Wenn nicht anders angegeben: Alle Zahlen in diesem Abschnitt nach Daten von http: / / unctadstat.unctad.org 2 nach Daten von Eurostat, abgerufen von http: / / epp.eurostat.ec.europa.eu am 22.11.2013 3 Gopkalo, O.; Goloviziniu, A.: The Russian market keeps growing, Baltic Transport Journal No. 5/ 2013 Christian Wenske, Dr. Ostseeinstitut für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität Rostock christian.wenske@uni-rostock.de Karl-Heinz Breitzmann, Prof. Dr. Geschäftsführender Direktor, Ostseeinstitut für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität Rostock ostseeinstitut@uni-rostock.de 4,3 29,3 24,4 21,4 7,2 8,9 4,4 10,1 26,4 30,3 16,1 7,6 6,7 2,7 26,2 18,7 20,9 10,6 10,3 9,6 3,8 24,5 20,7 19,1 10,7 11,2 10,6 3,2 31,2 15,9 12,7 10,1 17,7 10,4 2,0 0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 Anteil (%) 1995 2000 2007 2009 2012 Bild 9: Länderanteile am Containerumschlag im Ostseeraum Bild 10: Anteile im Güterumschlag der Ostseehäfen nach Ländergruppen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 53 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Transportoptimierung im und durch Kombinierten Verkehr Der Kombinierte Verkehr (KV) leistet heute bereits erhebliche Beiträge zur Optimierung von Logistikketten. Er hat sein Potenzial aber noch längst nicht ausgeschöpft. Der vorliegende Beitrag zum KV behandelt ausschließlich den Unbegleiteten Kombinierten Verkehr, bei dem nur die auf der Straße genutzten Ladegefäße (Sattelauflieger, Container, Wechselbrücken) auf der Schiene transportiert werden, nicht aber komplette Lastzüge inklusive Fahrer. Er zeigt, worin die Optimierungsleistung des KV besteht, wie hoch sie zu beziffern ist und wie Transportoptimierung im KV selbst erfolgen kann: Er schildert, mit welchen Methoden und Techniken eine weitere Effizienzsteigerung im KV erzielt werden kann. Der Autor: Robert Breuhahn K ombinierter Verkehr (KV) ist weder Selbstzweck noch eine Güterbeschaffungsmaßnahme für unterausgelastete Schienenstrecken. Der wesentliche Grund für KV, aber auch seine bleibende Daseinsberechtigung ist die Optimierung von Logistikketten. Denn multimodale Transporte stehen im Wettbewerb zu den anderen, reinen Transportformen auf Straße, Schiene und Wasser. 1 Und weil es einfacher ist, einen Transport monomodal statt multimodal zu organisieren, muss die Kombination unterschiedlicher Verkehrsträger im Ergebnis wirtschaftlicher, umweltfreundlicher oder aus anderen Gründen vorteilhafter sein als die ausschließliche Nutzung eines Verkehrsträgers. Das gilt umso mehr, als KV stets ein weiteres Handicap wett machen muss: die Zeit und die zusätzlichen Kosten, die durch den Wechsel der Verkehrsträger entstehen (Bild 1). Aus diesen Gründen bildet schon die tatsächliche Nutzung des KV ein Indiz für die Optimierungspotenziale, die er bietet. Ein paar Zahlen: Nach Angaben des europäischen KV-Verbandes UIRR wurden 2012 rund 5 Mio. TEU im KV befördert. Dabei wurde eine Transportleistung von fast 41 Mio. tkm erzielt. Knapp 27 % dieser Transportmenge entfiel auf nationale, der Rest auf internationale Transporte. 2 Wie KV Logistikketten optimiert Kein Verkehrsträger ist für alle Transportaufgaben gleichermaßen gut geeignet. Erst durch Berücksichtigung der individuellen Stärken jedes Verkehrsträgers kann die gesamte Transportkette optimal gestaltet werden. Diese scheinbar banale Einsicht ist der eigentliche Grund für KV. Sie soll an einer trimodalen internationalen Verbindung veranschaulicht werden, die das Unternehmen Kombiverkehr für Transporte zwischen Deutschland und der Türkei entwickelt hat. Ihr Transportablauf gliedert sich in vier Teilstrecken: • LKW holen Ladungen regional ab und bringen sie zu den Kombibahnhöfen nach Frankfurt oder Ludwigshafen. • Die Container, Wechselbehälter oder Sattelauflieger fahren auf der Schiene von Frankfurt oder Ludwigshafen nach Triest. • Der Zug endet direkt im Hafen von Triest. Die Sendungen werden dort auf eine Fähre umgeladen, die Tekirdag (Westtürkei) und Pendig (östlicher Teil von Istanbul) anläuft. • Vom Zielhafen gelangen die Sendungen per LKW zum Empfänger. Obwohl die Transportkette bei dieser Transportarchitektur dreimal gebrochen wird, ist die Nachfrage so groß, dass Kombiverkehr das Angebot schon nach drei Monaten durch einen weiteren Zug zwischen München und Triest erweitert hat. Bei beiden Verbindungen schlagen spezifische Vorteile der Verkehrsträger zu Buche. • Die Flexibilität und Effizienz des LKW im Vor- und Nachlauf, die auf dem Verkehrsträger Straße selbst beruht. Auf ihr kann fast jederzeit an jedem Ort ausgewichen und überholt werden, die Teilnehmer steuern den Verkehr auf Basis einfacher Regeln (StVO) weitgehend selbst, unabhängig davon, ob es sich um Individualverkehr, gemeinschaftlichen Personenverkehr oder Gütertransporte handelt. Das ermöglicht Flexibilität und Effizienz in der regionalen und lokalen Beschaffung oder Distribution, die eine spurgebundene Eisenbahn nicht erreichen kann. • Der Nachteil der Spurgebundenheit wird auf langen Strecken zum Vorteil. Hier wirkt sich prinzipiell der geringere Reibungswiderstand des Verkehrsträgers Schiene aus (Eisen/ Eisen bei Rad/ Schiene gegenüber Gummi/ Stein bei Reifen/ Bild 1: Terminal in Ludwigshafen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 54 LOGISTIK Kombinierter Verkehr Straße), was zu einem geringeren Energieaufwand führt. Verstärkt wird dieser Effekt durch Größenvorteile aufgrund von Länge und Gewicht der Züge (Bild 2). • Die Fähre hat gegenüber dem LKW - ähnlich wie die Bahn - Größenvorteile, die zu einer Stückkostendegression führen. Mit einer im Beispiel eingesetzten Ro-Ro-Fähre können mehr als 250 Trailer transportiert werden. 3 Zusätzlich kann die Fähre gegenüber der Schiene mit einem weiteren Spezifikum punkten: Sie wird unterwegs nicht von Länder- oder Systemgrenzen ausgebremst, sondern kann durchfahren. Das bringt unterm Strich trotz niedrigerer Grundgeschwindigkeit eine relativ schnelle Transportlaufzeit in Verbindung mit niedrigen Kosten pro Ladeeinheit. Wie stark Logistikketten durch die Kombination spezifischer Vorteile der einzelnen Verkehrsträger optimierbar sind, ist anhand verschiedener Effekte des KV direkt und indirekt ablesbar. Ohne die Neutralität eines KV-Operateurs zu verletzen, kann dabei hinsichtlich der wirtschaftlichen Optimierung gesagt werden: Die größten Nutzer des KV gehören zu den führenden und erfolgreichsten Logistikunternehmen Deutschlands und Europas. 4 Fast alle setzten nicht ausschließlich auf KV, sondern nutzen parallel reine LKW-Transporte. Die Nutzung des KV geschieht gezielt dort, wo sich aus den Kombinationsmöglichkeiten eine Optimierung der gesamten Logistikkette ergibt, die nicht zuletzt auch Kostenvorteile mit sich bringt. Evident werden diese Kostenvorteile durch die 44-t-Regelung: Bei Transporten im KV dürfen LKW im Vor- und Nachlauf auf der Straße in Deutschland und vielen anderen EU-Ländern ein zulässiges Gesamtgewicht von 44 t aufweisen. Das bedeutet gegenüber reinen Straßentransporten einen Nutzlastvorteil von 4 t, beziehungsweise rund 15 % 5 . Drei weitere wesentliche Effekte der Logistikoptimierung durch KV sind: • Verlagerung von Transporten, Entlastung für Straßen: Unternehmen, die Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern, schaffen auf der Straße Platz für Verkehr, der nicht verlagert werden kann, und sichern sich somit selbst die Voraussetzungen für ihr Geschäft von morgen. Außerdem gilt: Wenn stets derjenige Verkehrsträger genutzt wird, der für eine Transportaufgabe am besten geeignet ist, dann - und nur dann! - wird die vorhandene Infrastruktur optimal genutzt. • Minimierung transportbedingter Emissionen: Der transportbedingte Ausstoß von Luftschadstoffen liegt im KV mehr als zwei Drittel unter dem des reinen Güterverkehrs. 6 Die im Langstreckenverkehr genutzte E-Traktion bedeutet außerdem, dass sogar Emissionsfreiheit in Bezug auf den Klimaschutz nicht erst über Kompensationsprojekte erreicht wird. Vielmehr können Ladungen im KV zwischen den Kombiterminals heute schon komplett ohne transportbedingte Emission von Luftschadstoffen befördert werden. Das bietet beispielsweise Kombiverkehr über das Produkt „de.net eco+“ an. Die für den Transport notwendige Energie stammt hierbei ausschließlich aus regenerativen Quellen. • Bekämpfung des Fahrermangels: Der Mangel an LKW-Fahrern avanciert zu einem der drängendsten Probleme der Transportbranche. Der KV kann es mildern. Denn im KV-Einsatz werden Fahrer regional im Vor- und Nachlauf eingesetzt. Aufgrund der Berechenbarkeit der Transporte setzen viele Unternehmen Fahrer in festen Schichten ein. Durch heimatnahen Einsatz zu festen Zeiten steigt die Zufriedenheit der Fahrer. Zusätzlich ist die Konzentration auf Zustellung und Abholung mit einer höheren Effizienz verbunden (mehr Ortskenntnis, mehr Routine, mehr Einsätze). Wie der KV weitere Optimierungspotenziale heben kann Im KV führen steigende Mengen zu höherer Attraktivität und es setzt eine kontinuierliche Wechselwirkung ein: Mengenwachstum erhöht die Attraktivität, höhere Attraktivität zieht mehr Menge nach sich usw. Im Folgenden einige Beispiele, die eine solche Optimierungsspirale auslösen können. a Betriebliche Effizienzgewinne • Längere Züge. Während in den USA Güterzüge teilweise mehrere Kilometer lang sind, beträgt die maximale Regelzuglänge in Deutschland 740 m. Selbst wenn man im Blick auf die USA berücksichtigt, dass dort niedrigere Geschwindigkeiten gefahren werden und die Kupplungen höhere Hakenlasten ermöglichen, dann zeigt der Vergleich zumindest, was technisch machbar ist. Und auch in Deutschland hat es schon erfolgreiche Tests mit 1000-m-Güterzügen gegeben; 2013 wurden seit Jahren in Skandinavien vorhandene Trassen für bis zu 835 m lange Züge über Padborg bis Hamburg-Maschen verlängert; langfristig strebt die Deutsche Bahn AG auch hierzulande 1500 m lange Güterzüge an. 7 Die Effizienzgewinne einer annähernden Verdoppelung der Zuglänge brauchen nicht näher erläutert zu werden. • Schwerere Züge. Das maximale Regelzuggewicht von 1600 t in Deutschland ist historisch gewachsen und überholt. Schon heute fahren spezielle Erzzüge auch in Deutschland mit bis zu 6000 t Gewicht. 8 Mit Standardwagen und -kupplungen fährt Kombiverkehr Züge mit 2000 t in Deutschland und bis zu 2200 t in Benelux. Weitere Strecken wären denkbar. International ist im Rahmen des EU-Projekts Marathon bereits belegt worden, dass Züge mit 1500 m Länge und 3500 t gefahren werden können. Solche Züge sollen auf ausgewählten Strecken ab 2016 in den Regelbetrieb übergehen. • Kombination von Direktverkehren und Gateway. Shuttlezüge sind die wirtschaftlichste, schnellste und umweltfreundlichste Produktionsart auf der Schiene. Aber sie verknüpfen lediglich zwei Punkte miteinander. Durch die Kombination verschiedener Direktzüge, die an zentralen Knotenpunkten enden oder beginnen, kann hingegen auf wirtschaftliche Weise eine Netzwirkung erzielt werden. Sendungen können so zwischen Direktzügen umsteigen und die Nutzer haben eine größere Streckenauswahl. Bei Kombiverkehr wird diese Strategie konsequent umgesetzt. So ermöglichen die mehr als 170 Bild 2: KV-Transport zwischen Schwaz und Innsbruck Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 55 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Zugabfahrten, die das Unternehmen täglich im Durchschnitt anbietet, mehr als 15 000 realistische Verbindungen. 9 • Vereinfachte Administration im Terminal. Eine schnellere Abwicklung der Sendungen in den Kombiterminals erhöht beispielsweise die Zahl der möglichen Umläufe, die ein Fahrer in seiner Schicht erreichen kann. Ein Beispiel für solche Optimierung ist die Kennzeichnung von Ladeeinheiten mit dem ILU-Code, die am 1. Juli 2014 verpflichtend wird (Bild-3). Der scanbare Code identifiziert jeden Behälter eindeutig und weist auf seinen Eigentümer, das separate Kodifizierungsschild auf die Behältermaße hin. Durch die digitale Erkennung können die Behälter schneller erfasst und verladen und 95 % aller Fehler vermieden werden, die bisher bei manueller Erfassung oder durch Übertragungsfehler entstanden. 10 b Technische Innovation • Taschenwagen für Megatrailer. Im Straßentransport gibt es seit Jahren einen Trend hin zum Sattelauflieger, während die Nutzung der hierzulande vorherrschenden Wechselbrückensysteme zurückgeht. Im KV werden Transportmöglichkeiten für Auflieger zunehmend nachgefragt. Vor allem bei Megatrailern mit ihrem größeren Hüllraumprofil war das bis vor wenigen Jahren ein nahezu unlösbares Problem. Die Volumentrailer waren für die vorhandenen Waggons schlicht zu groß. Mit neuen Taschenwagen wie dem mit Beteiligung von Kombiverkehr entwickelten Modell T3000 können Megatrailer sogar ohne klappbaren Heckunterfahrschutz verladen werden (Bild-4). Neben der generellen Tauglichkeit für Megatrailer ermöglicht der T3000 beispielsweise auch den Transport von Spezialtrailern für Glas: Glas-Innenlader befördern so Flachglas sicher auf der Schiene. • Kühltrailer im KV. Auch Trailer mit Kraftstofftanks für den autarken Betrieb von Kühlanlagen während des Schienentransports erschließen dem KV neue Marktsegmente. Vorher scheiterte der Transport temperatursensibler Güter im KV an der fehlenden Energieversorgung auf der Schiene. • Energierückgewinnung. Was in der Formel-1 unter dem Namen Kers bekannt wurde (kinetische Energierückgewinnungs-Systeme) funktioniert auch im KV. Loks gewinnen beim Bremsen Energie zurück. Sie können die Energie entweder selbst speichern oder ins Netz zurückspeisen. In jedem Fall sinken Energieeinsatz, Betriebskosten und Emissionen. Fazit Der KV hat eindeutig das Potenzial, Logistikketten künftig noch stärker zu optimieren, indem er sie beschleunigt, Kosten und Emissionen senkt, den Fahrermangel lindert, Straßen entlastet und hilft, die vorhandene Infrastruktur bestmöglich zu nutzen. Dies wird dann gelingen, wenn eine Attraktivitätsspirale in Gang kommt, die mehr Menge, besseren Service und wettbewerbsfähige Transportpreise mit sich bringt. Dazu haben die KV-Beteiligten schon Vieles aus eigener Kraft auf den Weg gebracht. Politische Unterstützung brauchen sie überall dort, wo technisch und wirtschaftlich machbare Fortschritte durch mangelhaften Infrastrukturausbau oder veraltete Regularien ausgebremst werden, etwa bei Zuglängen oder Zuggewichten. ■ 1 Die Kombination Schienen- und Lufttransport spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle und wird deshalb hier vernachlässigt. 2 Jahresbericht 2012/ 13, S.19: http: / / www.uirr.com/ en/ med i a c e n t r e / a n n u a l r e p o r t s / a n n u a l r e p o r t s / mediacentre/ 575-annual-report-2012-13.html 3 vgl. http: / / www.unroro.com.tr/ EN/ FLEETS/ fleet.asp? fid=2 4 Neben Speditionen und Transportunternehmen nutzen auch Reeder oder Firmen mit Werkverkehr den KV. 5 Schwere LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen haben in der Regel eine Nutzlast zwischen 25 und 28 Tonnen. Vier Tonnen mehr bedeuten dann einen Nutzlastvorteil zwischen 16 und 14 Prozent. 6 Oftmals sind die Vorteile im KV noch höher. Die genauen Vergleiche ermöglichen verschiedene CO 2 -Rechner, die auf wissenschaftlichen Methoden des Heidelberger IFEU und des Freiburger Öko-Instituts beruhen. Beispiele für Online- Rechner sind www.ecotransit.org oder die Fahrplanauskunft unter www.kombiverkehr.de. 7 Vgl. zu den Angaben dieses Abschnitts: http: / / www.faz. net/ aktuell/ technik-motor/ deutsche-bahn-1500-meterlange-gueterzuege-12010131.html 8 Vgl. http: / / www.forschungsinformationssystem.de/ servlet/ is/ 324625/ 9 Die theoretisch mögliche Zahl der Kombinationen ist wesentlich höher. Als realistisch betrachtet werden aber nur solche, bei denen beispielsweise keine nennenswerten Umwege gefahren werden. 10 Vgl. UIRR Jahresbericht 2012/ 13, S.18: http: / / www.uirr.com/ en/ media-centre/ a nnu al-reports/ annual-report s/ mediacentre/ 575-annual-report-2012-13.html Robert Breuhahn, Geschäftsführer, Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr mbH & Co. KG, Frankfurt info@kombiverkehr.de Bild 4: Taschenwagen Modell T3000 für Megatrailer Bild 3: Ab 1. Juli 2014 vorgeschriebener ILU-Code zur Kennzeichnung von Ladeeinheiten Hosted by 4 - 5 November 2014 Bavarian Representation, 77 Rue Wiertz, Brussels Platinum sponsors Supported by *Attendance at the European Rail Summit will be limited to invited delegates only. For more details, and to register your interest in participating or in watching the proceedings online, visit www.europeanrailsummit.com Register now for the European Rail Summit Hosted in Brussels by Railway Gazette and Eurailpress, the European Rail Summit will bring together leading figures from the European Parliament, Commission and Council, along with senior railway representatives and customers from around the world to discuss the future of Europe’s railways. As part of European Union’s vision for transport between now and 2050, rail is expected to play an increasing role in moving freight and passenger traffic across the Single Market, helping to reduce greenhouse gas emissions, facilitating European competitiveness and boosting economic growth. But how is this to be achieved in practice? n Will the legislative proposals in the Fourth Railway Package for further liberalisation and technical harmonisation contribute to greater efficiency? n Will on-rail competition improve services for passengers and freight shippers, or is greater co-operation a better way forward? n What is the best way to ensure efficient management of rail infrastructure and greater transparency in railway finances? n What impact will globalisation have on Europe’s railways, and how can European companies harness opportunities around the world? Register now Don’t miss this high-level event for the rail industry. Register today at www.europeanrailsummit.com* Key topics: n A Vision for Rail in Europe n Transport Priorities for the EU Presidency n Europe’s Railways & the Global Perspective n Liberalisation & Competition in the Single European Transport Area n The Future of European Rail Freight & Logistics n Vehicle Authorisation & the Challenge of Interoperability Confirmed speakers include: n Lutz Bertling n Dr. Rüdiger Grube n Joachim Herrmann n Michael Hinterdobler n Christian Kern n Libor Lochman n Guillaume Pepy n Marcel Verslype Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 57 Beschaffung LOGISTIK Beschaffungslogistik - Konzept, Bedeutung und Potenziale Beschaffungslogistik als Subsystem der Logistik bildet das Bindeglied zwischen dem Beschaffungsmarkt, also der Distributionslogistik des Lieferanten, und der Produktionslogistik eines Unternehmens. In einer gemeinsam mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) durchgeführten Umfrage ging der Autor der Frage nach, wie Unternehmen die Bedeutung der Beschaffungslogistik tatsächlich einschätzen. Der Autor: Paul Wittenbrink D ie Aufgabe der Beschaffungslogistik besteht darin, dem Unternehmen alle benötigten, aber nicht selbst erstellten Güter und Leistungen verfügbar zu machen und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. 1 Hingegen beschäftigt sich die Distributionslogistik mit den Prozessen der Warenverteilung zur jeweils nachgelagerten Wirtschaftsstufe bzw. zum Endverbraucher. 2 Stand in der Vergangenheit die Optimierung der Distributionslogistik im Vordergrund, während die Lieferungen in vielen Fällen „frei Haus“ eingekauft und die Logistik von der Quelle aus organisiert wurde, zeigt sich seit einigen Jahren ein Trend, die Versorgung verstärkt von der Quelle aus zu organisieren. Vorreiter Automobilindustrie In der Automobilindustrie wurde schon sehr früh von einer Distributionslogistik auf eine vom Automobilhersteller gesteuerte Beschaffungslogistik umgestellt. Häufig kommt es zur Anwendung von Gebietsspediteurkonzepten. 3 Hier holt der Spediteur die Sendungen bei verschiedenen Lieferanten ab und konsolidiert diese Lieferungen für die einzelnen Werke. Bei der internationalen Variante wird von Consolidation Centers gesprochen, bei dem z. B. in einem chinesischen Hafen die Lieferungen verschiedener Lieferanten für den Seetransport gebündelt werden. 4 Ein weiteres Konzept, welches in der Automobilindustrie eingesetzt wird, ist das sogenannte Milk-Run-Konzept. Hier fährt ein LKW verschiedene Lieferanten einer Region ab, um Teilladungen zu bündeln. 5 Ansätze und Vorteile Zunehmend setzt sich das Konzept der Beschaffungslogistik auch für weitere Branchen, insbesondere im Handel, durch. Hier werden die Bündelungseffekte insbesondere darin gesehen, dass bei der i. d. R. stattfindenden Einbeziehung von Handelsregionallagern eine sehr hohe Anzahl von Lieferanten auf eine überschaubare Anzahl von Empfangspunkten trifft, sodass vieles für eine Organisation der Transporte von der Senke aus spricht. 6 Schließlich liegt die Attraktivität des Ansatzes auch darin, dass die Unternehmen die Distributionslogistik in den letzten Jahrzehnten als weitgehend optimiert haben und nun neue Kostensenkungspotenziale in der Beschaffungslogistik suchen. Ziel aller dieser Ansätze ist es, die Bündelung zu erhöhen und damit die Transportkosten zu senken. Nebenbei wird auch die Emission von Treibhausgasen reduziert. Darüber hinaus besteht ein wesentlicher Vorteil der Organisation von der Senke aus darin, die Supply Chain Visibility zu erhöhen, sodass immer „sichtbar“ ist, wo sich die Ware gerade befindet, und Planungs- und Steuerungsprozesse innerhalb der Supply Chain wesentlich erleichtert werden. Hinzu kommen durch die tendenziell höheren Sendungsgrößen und die dadurch reduzierte Anzahl anliefernder LKW im Empfang potenziell geringere Wartezeiten an den Rampen der Empfänger. 7 Differenzierte Analyse notwendig Auch wenn vieles für erhebliche Bündelungs- und Kostendegressionseffekte durch die Beschaffungslogistik spricht, ist für die Identifikation der tatsächlichen Effekte eine differenzierte Analyse notwendig: Zusätzliche Bündelungspotenziale in der Beschaffungslogistik stehen nicht selten reduzierte Bündelungsmöglichkeiten in der Distributi- Wir kümmern uns sehr intensiv darum (strategisch wichtig). 44,0% Wir wollen in Zukunft deutlich mehr machen. 33,6% Wir wissen, dass wir mehr machen könnten, setzen es aber nicht um. 12,7% Wir kümmern uns nicht wirklich darum. 3,0% Es ist für uns kein Thema. 6,7% Verlader: Welchen Stellenwert hat die Beschaffungslogistik für Ihr Unternehmen? % der Unternehmen © BME e.V./ Prof. Dr. Paul Wittenbrink Bild 1: Bedeutung der Beschaffungslogistik Quelle: Wittenbrink, Gburek 2013 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 58 LOGISTIK Beschaffung onslogistik gegenüber. Insofern gilt es sehr genau zu analysieren, ob die Bündelungspotenziale beim Versender oder beim Empfänger größer sind. Die Erfahrung des Autors aus entsprechenden Projekten zeigt, dass es hier kein „entweder oder“, sondern ein „sowohl als auch“ gibt, also eine differenzierte Analyse notwendig ist. Da die Bündelungsmöglichkeiten für Komplettladungen (FTL) eher begrenzt sind, macht es in der Regel kaum Sinn, diese Transporte neu zu organisieren. Ansatzpunkt ist vielmehr der Stückgut- und Teilladungsbereich (LTL). Zudem ist eine Umstellung nicht trivial, besteht bei den Empfängern doch nicht selten eine unbefriedigende Datenlage sowohl über transportkostenrelevante Sendungsdaten (Volumen, Gewichte, Entfernungen, …) als auch die Transportkostenanteile in den Frei-Haus- Preisen. 8 Hinzu kommt der zusätzliche Koordinationsaufwand, der für viele Unternehmen abschreckend wirkt. Potenziale, aber auch Vorbehalte Aber auch von Seiten der Versender bestehen Vorbehalte, besteht doch die Befürchtung, eigene Bündelungsvorteile zu verlieren und darüber hinaus im Zuge der notwendigen Neuverhandlung der Konditionen in „unerwünschte Preisdiskussionen“ zu kommen, was insbesondere gegenüber dem Handel befürchtet wird. Obwohl die Beschaffungslogistik neue Potenziale für Transport- und Logistikunternehmen eröffnen kann, befürchten viele Transportunternehmen eine Marktkonzentration auf wenige große Netzwerkspeditionen. 9 Die BME-Umfrage Um die tatsächliche Bedeutung der Beschaffungslogistik näher zu untersuchen, hat der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) e.V. gemeinsam mit dem Autor dieses Beitrages im Herbst 2013 eine Umfrage zum Thema Beschaffungslogistik durchgeführt, an der sich 229 Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistik beteiligt haben - davon ca. 75 % Einkäufer/ Verlader und ca. 25 % Transport- und Logistik-Dienstleister. 10 Zunehmende Bedeutung der Beschaffungslogistik Nach der Umfrage kümmern sich heute schon 44 % der Unternehmen sehr intensiv um das Thema Beschaffungslogistik. Knapp ein weiteres Drittel (33,6 %) der Verlader gibt hier an, in Zukunft deutlich mehr machen zu wollen. Weitere 12,7 % sehen noch Potenziale. Das Thema Beschaffungslogistik scheint demnach an Bedeutung zu gewinnen (Bild 1). Zu Beginn dieses Beitrages wurde die These vertreten, dass die Übernahme der Beschaffungslogistik nicht für alle Sendungen sinnvoll ist, was sich nun auch in den Ergebnissen der Umfrage zeigt. Demnach gibt es für die Unternehmen kaum die Strategie, sämtliche Eingangstransporte selbst zu organisieren. Diesem Ansatz folgen nur 9,2 % der befragten Industrie- und Handelsunternehmen. Auch geben nur 14,5 % der Firmen an, alles „frei Haus“ zu erhalten, sich also überhaupt nicht um die Beschaffungslogistik zu kümmern. Bei ausgewählten Lieferanten hat bereits mehr als die Hälfte der Betriebe die Beschaffungslogistik selbst übernommen (Bild 2). Darüber hinaus zeigt sich, dass bei den Unternehmen mit zunehmender Entfernung zu den Lieferanten die Bereitschaft sinkt, die Steuerung der Wareneingänge selbst zu steuern. Der Grund hierfür dürfte in der zunehmenden Komplexität der Transportabläufe liegen, die von den Firmen hohes fachliches und überregionales Know-how verlangen. So geben 35,1 % der Unternehmen an, für nahezu alle Wareneingänge von Lieferanten aus Deutschland die Beschaffungslogistik selbst zu übernehmen. Bei Lieferanten aus Europa liegt dieser Wert mit 29,8 % schon etwas niedriger, während der Wert bei Lieferungen aus Übersee noch weiter auf 21,4 % sinkt. In einer weiteren Frage wurden die Unternehmen nach dem Anteil der „Frei- 50,4% 35,1% 29,8% 21,4% 14,5% 9,2% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% für einzelne ausgewählte Lieferanten für nahezu alle Wareneingänge von Lieferanten aus Deutschland für nahezu alle Wareneingänge von Lieferanten aus der EU für nahezu alle Wareneingänge von Lieferanten aus Übersee wir bekommen alles "frei Haus/ DDP" für alle unsere Wareneingänge Verlader: Für welche Wareneingänge organisieren Sie die gesamte Beschaffungslogistik (Abholung beim Lieferanten, Transport, Verzollung etc.)? % der Unternehmen Mehrfachnennung möglch © BME e.V./ Prof. Dr. Paul Wittenbrink Bild 2: Ansatzpunkte der Beschaffungslogistik 0 bis 5% 11,0% 6% bis 10% 5,5% 11% bis 15% 1,8% 16% bis 20% 9,2% 21% bis 25% 1,8% 26% bis 30% 2,8% 31% bis 40% 4,6% 41% bis 50% 8,3% 51% bis 60% 2,8% 61% bis 70% 5,5% 71% bis 80% 12,8% 81% bis 90% 19,3% 91% bis 100% 14,7% Verlader: Wie viel Prozent Ihres Aufkommens versenden Sie heute "frei Haus" bzw. DDP? % der Unternehmen © BME e.V./ Prof. Dr. Paul Wittenbrink % der Unternehmen Bild 3: Anteil der Sendungen frei Haus bzw. DDP im Versand Quelle: Wittenbrink, Gburek 2013 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 59 Beschaffung LOGISTIK Haus-Sendungen“ im Versand bzw. Empfang befragt. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der „Frei-Haus-Lieferungen“ weitaus geringer ist als erwartet: Nur knapp die Hälfte der Verlader versendet mindestens 60 % der Sendungen frei Haus. Im Empfang zeigt sich eine vergleichbare Situation (Bild-3 und Bild 4). Potenziale aus Sicht der Dienstleister Nach den Folgen durch die zunehmende Tendenz der Verlader, die Eingangstransporte selbst zu organisieren, gefragt, geben 77,5 % der Transport- und Logistikdienstleister an, hier noch erhebliche Potenziale durch eine empfangsseitige Bündelung zu sehen. Darüber hinaus halten 66,5 % der befragten Dienstleister die Beschaffungslogistik für einen guten Ansatz, durch eine empfangsseitige Bündelung der Sendungen die Wartezeiten an den Rampen zu reduzieren. Die Gefahr steigender Marktkonzentration infolge neuer Beschaffungslogistikkonzepte sehen nur 7,5 % der Dienstleister, was aber auch hier damit zusammenhängen kann, dass sich an der Umfrage traditionell vermehrt größere Dienstleister beteiligen. Die insgesamt zunehmende Bedeutung der Beschaffungslogistik bleibt auch aufseiten der Dienstleister nicht ohne Folgen. Knapp ein Drittel (32,5 %) der Dienstleister spricht von deutlich gestiegenen und immerhin 52,5 % von leicht steigenden Anfragen und Aufträgen im Bereich der Beschaffungslogistik (Bild 5). Zusammenfassung und Fazit Stand bei den Unternehmen in der Vergangenheit die Optimierung der Distributionslogistik im Vordergrund, gewinnt in den letzten Jahren die Beschaffungslogistik, d. h. die Steuerung der Logistik von der Senke aus, zunehmend an Bedeutung. Dies ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zur Beschaffungslogistik, die nach einer kurzen Einführung in das Konzept in diesem Beitrag vorgestellt wird. Weiterhin werden im Rahmen einer Optimierung der Beschaffungslogistik noch erhebliche Bündelungs- und Kostensenkungspotenziale gesehen. Um die Potenziale jedoch auszuschöpfen, ist eine sehr differenzierte Analyse notwendig. ■ 1 Vgl. Essig, Michael (2012), Beschaffungslogistik, in: Klaus, Peter, Krieger, Winfried, Krupp, Michael (2012) Gabler-Lexikon Logistik, Management logistischer Netzwerke und Flüsse, 5. Auflage, Wiesbaden., S. 62ff. 2 Gleißner, Harald (2012), Distributionslogistik, in: Klaus, Peter, Krieger, Winfried, Krupp, Michael (2012) Gabler-Lexikon Logistik, Management logistischer Netzwerke und Flüsse, 5. Auflage, Wiesbaden., S. 125. 3 Vgl. Bretzke, Wolf-Rüdiger, Barkawi, Karim (2012) Nachhaltige Logistik - Antworten auf eine globale Herausforderung, 2. Auflage, Berlin, Heidelberg, S. 258f. 4 Vgl. Seeck, Stephan (2010) Erfolgsfaktor Logistik - Klassische Fehler erkennen und vermeiden, Wiesbaden, S. 108. 5 Vgl. Ebenda, S. 109. 6 Vgl. Bretzke, Wolf-Rüdiger, Barkawi, Karim (2012) Nachhaltige Logistik - Antworten auf eine globale Herausforderung, 2. Auflage, Berlin, Heidelberg, S. 283. 7 Vgl. Wittenbrink, Paul (2014), Transportmanagement - Kostenoptimierung, Green Logistics und Herausforderungen und Lösungen an der Schnittstelle Rampe, Wiesbaden, Veröffentlichung in Vorbereitung, S. 263ff. 8 Vgl. Bretzke, W.-R. (2010) Logistische Netzwerke, 2. Auflage, Heidelberg, Dordrecht, London, New York, S. 266. 9 Vgl. Wittenbrink, Paul (2014), a.a.O., S. 266ff. 10 Vgl. Wittenbrink, Paul, Gburek, Gunnar (2013) Marktvolatilität in Transport und Logistik, Ergebnisse einer Befragung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), Frankfurt/ Lörrach. Paul Wittenbrink, Prof. Dr. Professor für Transport- und Logistik an der Dualen Hochschule Baden- Württemberg Lörrach (DHBW), Gesellschafter hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH, www.hwh-transport.de, Karlsruhe wittenbrink@dhbw-loerrach.de 0 bis 5% 9,1% 6% bis 10% 6,4% 11% bis 15% 2,7% 16% bis 20% 5,5% 21% bis 25% 2,7% 26% bis 30% 3,6% 31% bis 40% 3,6% 41% bis 50% 10,0% 51% bis 60% 6,4% 61% bis 70% 10,9% 71% bis 80% 10,9% 81% bis 90% 13,6% 91% bis 100% 14,5% Verlader: Wie viel Prozent Ihres Aufkommens erhalten Sie heute "frei Haus" bzw. DDP? % der Unternehmen © BME e.V./ Prof. Dr. Paul Wittenbrink % der Unternehmen % der Unternehmen % der Unternehmen % der Unternehmen 77,5% 65,0% 7,5% 5,0% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Es bestehen erhebliche Potenziale durch eine empfangsseitige Bündelung. Die Beschaffungslogistik ist ein guter Ansatz, die Wartezeiten an den Rampen zu reduzieren. Wir sehen die Tendenz zur Übernahme der Beschaffungslogistik durch die Empfänger mit großer Sorge, da hierdurch die Gefahr einer steigenden Marktkonzentration besteht. Es bestehen kaum Potenziale durch eine empfangsseitige Bündelung. TuL-Dienstleister: Wie beurteilen Sie die Tendenz der Verlader, sich um die Organisation der Beschaffungslogistik (empfangsseitige Bündelung) zu kümmern? Mehrfachnennung möglich % der Unternehmen © BME e.V./ Prof. Dr. Paul Wittenbrink Bild 4: Anteil der Sendungen frei Haus bzw. DDP im Empfang Quelle: Wittenbrink, Gburek 2013 Bild 5: Einschätzung der Entwicklungen bei der Beschaffungslogistik durch TuL-Dienstleister Quelle: Wittenbrink, Gburek 2013 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 60 LOGISTIK Transportketten optimieren Moving Forward Freight Mobility Innovations Report from a Workshop Focusing on Sustainable Freight Solutions within the INTERREG IV B-Cooperation Area North-West-Europe An important step in completing the European Single Market is to finalize the single rail and inland waterway transport system including first and last mile facilities and to ensure - wherever it is possible - an effective choice of transport modes for shipping companies. These are preconditions to enable modal shift and to achieve goals like environmental relief in traffic congested areas and reduction of GHG-emissions. The authors: Heinz Dörr, Peter Endemann T he progress since the opening of the rail freight operator´s market is quite impressive compared with the situation before the liberalization from 2000 on. The conditions to get operating licenses to use the rail networks are still harmonized, but not all the practical obstacles have been diminished yet e.g. due to technical specifications. The decoupling of GDP growth rates (if effective) and increase of freight transport performance rates have not been achieved as postulated in the EU White Papers. The modal split of rail freight transport in comparison with road freight traffic in Europe is yet to be improved. After changing the framework conditions, the implementation of modal shift measures is inevitable in order to achieve more sustainability in traffic operations within the liberalized markets. But in that respect some contradictions are more or less hidden. Modal shift towards rail and inland waterways, if available, might be desirable but cannot be achieved so easily. The freight shipping economy is interested in a variety of multimodal offers choosing the best transport alternative. National traffic regulations concerning heavy-duty vehicles become soon controversial, maybe less in the lower areas of the continent like North West Europe but more in the mountainous (alpine) regions like Switzerland and Austria. The requirements are high, if we are aware of the fact that one part of the rail infrastructure is to some extent anachronis- Figure 1: North- Western Europe’s gateways and transcontinental relationships (source: WEAST- FLOWS) Foto: HFM Frankfurt LOGISTIK Transportketten optimieren Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 61 Transportketten optimieren LOGISTIK tically shaped (some of the freight main lines without electrification and modern operational management) and the other part - mainly reserved for passenger services - is equipped at high standard enabling high speed operation which often excludes slower and much heavier freight trains. The inland waterways may open up regions but they are limited with respect to lock dimensions respectively capacities and of free heights of bridges for passing modern types of barges. The transregional and transcontinental view on freight mobility Transregional cooperation on specific topics like freight transport is initially focused on origin and destinations of goods flows. Therefore, it is on the one hand a view on the demand side of freight transport and on the other hand a task to inquire the supply side which means qualities of transport infrastructure capacities and facilities to serve the producing and shipping economy. Within this scope, projects, like introduced in this workshop, should been positioned and interconnected if possible. In this way interested businesses as key actors in freight businesses could be addressed and involved strategically which was reflected by the variety of affiliations the 77 participants belong to. [1] Transcontinental relationships westeastbound and northwest-southbound both are characteristic features of goods exchange because 150 million consumers have to be supplied daily (fig. 1). Heavy industries are clustered in parts of North- West Europe which deliver their light and heavy goods throughout Europe and beyond. Imports of energy on hydrocarbon basis are as well high as of mineral and biogenic raw materials being transhipped through maritime gateways. The density of consumption and production creates a lot of starting points for concerted actions towards sustainability combining material procurement, goods production and energy use, delivering commodities to their sale markets and recycling reusable materials for new production. Mapping tool for better logistics planning Several projects in the workshop addressed often less reflected fields of freight transport and commodity supply. Some of them have been reported at the joint workshop to communicate not only good practices than to show successful niches of modal shift towards sustainability of freight delivery and local environmental relief of congested road networks. The Weastflows-Project presented by Juliette Duszynski from the Town Planning Agency Le Havre & Seine Estuary Area and Laurent Vergnol from the Tudor Research Centre in Luxemburg covers the whole territory of North-West Europe. As starting point existing and projected transport infrastructures have been mapped using a GIS-Tool on two geographical levels: The entire Northwest Europe and for regional areas of interests (fig. 2, fig. 3). The analysis comprises assessments like congested or underused capacities and traffic flows between zones. Overcoming market barriers The offer of multimodality and the high density of rail network are distinguished features of industrial conglomerations, but not always used eagerly by producing small and medium sized enterprises and by wholesalers. Thus inducements were necessary in order to get together shipping businesses, carriers, operators, rail network providers of different scales (regional players as well as national or global acting ones) and if essential subsidizing authorities. Therefore the state government of Hesse supported the revitalization and new construction of local rail infrastructure by means of subsidies based on an inventory of rail infrastructure and an investigation of shippers’ transport needs by rail [2]. In 2010, the Regionalverband Frankfurt- RheinMain joined the EU-Project “CODE 24” aiming at developing a joint transport and development strategy for the trans- European corridor Rotterdam - Genoa as Peter Endemann explained. This partly trimodal (including the Rhine Inland Waterway System) corridor is a backbone of the so called blue banana crossing the founding states of the EU and Switzerland (fig. 1). Embedded in the CODE 24 strategy (fig.-4), the idea of a market platform where rail freight services are offered and requested has been developed and led to a first prototype. This so-called Online Rail Freight Exchange (ORFE) widens the accessibility to rail services and brings interactively together shipping companies, forwarders, logistics service providers and rail freight operators [3]. In cooperation with CODE 24 and based on the first software prototype, two platforms have been developed and were pre- Figure 2: East-west-bound transport axis priority to develop (source: WEASTFLOWS) Figure 3: North-Western Europe’s gateways and transcontinental relationships (source: WEASTFLOWS) Figure 4: CODE 24 like the other projects were funded under the INTERREG IVB NWE programme Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 62 LOGISTIK Transportketten optimieren sented at the workshop. Railcargo-online (www.railcargo-online.com) was presented by Axel Götze-Rohen and Freit-One.de (www.freit-one.de) by Martin Makait. Both tools offer a costumer friendly accessibility to a detailed data base for those market participants who are willing to change or diversify their transport mode portfolio. Both platforms fulfil important functions of an Online Rail Freight Exchange: Increasing market transparency and competitiveness of rail freight which has thus the potential to increase loadings on existing trains and wagons. Furthermore, ORFE can contribute to preserve existing rail sidings and the implementation of single wagonload services, if sidings either are available on the origin and the destination site or a new siding can be developed. Besides this win-winsituation, side effects should not be underestimated like GHG reduction and relief of road traffic impacts in sensitive urban areas or bottleneck sections. A better utilisation of existing rail resources may avoid empty wagon loadings and thus improve the image of rail freight given the negative impact rail has on noise and vibrations. The keys to success of an ORFE are built upon the confidentiality of user´s data as well as reliability of information gained. This requires a neutrally managed on-lineplatform which needs on the one hand the participation of key players in the operator´s market to ensure long-haul transport and on the other hand of regional operators to serve the hinterland by secondary rail lines. In this way, the problem of missing backhaulage could be reduced and thus avoid empty wagon loadings. The aforementioned neutrality of the platform, with its freight capacity and volumes clearly identifiable, also allows for enhanced tendering opportunities for customers. The platform should also be able to service not only the spot market in order to use up any existing shortterm capacities identified, but also be a platform that can host longer-term jobs. If it is only confined to spontaneous freight tasks, then its potential for success is considered to be limited. Finally some lack of information about routing and transhipment points respectively facilities could be filled up. For that purpose basic infrastructure elements which have to be defined by the rail network providers to ensure access to the network without discrimination, should be integrated elements of the information systems all over Europe. This seems to be an important step to overcome barriers caused by different technical standards before completing the single European railway network. To sum up, the following issues are considered by ORFE: • Data about fundamental capacities of infrastructures and free capacities for actual needs of rail operators (e.g. rail network slots in costumer´s demanded relations) • Information about facilities for transhipment and logistics basic services (like warehousing) and freight distribution centres • Information about available rolling stock which could be consolidated into regular freight train services (single wagon traffic or more likely wagon groups) • Information about free capacities for slots along rail routes are mostly handled in confidential manner by network providers. This fact constitutes an obstacle not only for industrial customers willing to develop new transport chains but for strategic traffic planning by regional authorities. • Information about the conditions given on the first and last miles to avoid uneconomical delays there. This is one of the crucial points in the shipper´s view that reduces competitiveness of rail transport as against road transport. • Information about free barge load capacities which can serve spot transports of mass goods. • Tricky issues are market information and monitoring about competitiveness related to prices and performance indicators. Inland water way as last-mile solution serving the inner urban area The inland waterway network and short sea shipping ports form a quite independent transport system. Moreover, these infrastructures are often considered as a remain- AUF EINEN BLICK Zur Verbesserung der Logistikkette im Sinne der besseren Nutzbarkeit der Ressourcen haben Ende 2013 der Regionalverband FrankfurtRheinMain und das für die Förderung von EU-Projekten zuständige INTER- REG IVB-Sekretariat des Programmraumes Nordwesteuropa (www.nweurope.eu) in Frankfurt am Main die Veranstaltung „Innovative Tools for More Efficient Freight Transport in Europe“ mit Teilnehmern aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich und Deutschland abgehalten. Dabei wurden innovative Lösungsansätze zur Verbesserung der Supply Chain und einer nachhaltigeren Organisation der Logistikkette vorgestellt. Um die Schiene leistungsfähiger gegenüber der Straße zu machen, wurde im EU-Projekt CODE 24 (www.code-24.eu/ ) unter Federführung des Regionalverbandes die Idee eines internetbasierten Marktplatzes zum Austausch von Informationen über bahnseitige Laderaumangebote und verladerseitige Nachfrage nach Transportdienstleitungen auf der Schiene bis zur Marktreife entwickelt. Seit Oktober 2013 sind zwei Akteure erfolgreich am Markt und bieten aufbauend auf den CODE24-Erkenntnissen solche Marktplätze für das Internet europaweit an: Freit- One (www.freit-one.de) und Railcargo- Online (www.railcargo-online.com). Um die intermodale Logistikkette anschaulicher und nachvollziehbarer zu gestalten, bietet das EU-Projekt weastflows ein Mapping- Werkzeug an (www.weastflows.eu). Das gemeinsam vom Hafen Paris und dem Einzelhandelsunternehmen Franprix entwickelte Frachtangebot mit der Nutzung des Binnenschiffs auf der letzten Meile in die Innenstadt verdeutlicht nicht nur das umweltfreundliche Potenzial für die Abwicklung der Supply Chain, sondern bietet zudem gegenüber der Straßenbedienung zuverlässigere Lieferzeiten (www.citizenports.eu). Figure 5: Le Havre-Rouen-Paris Port Synergy serving the hinterland (source: Connecting Citizen Ports 21 CCP21) Figure 6: Transhipment of swap bodies or containers at the downtown port in Paris (source: Connecting Citizen Ports 21 CCP21) Figure 7: Vessel returning to Marne Port Bonneuil passing Ile de la Cité (source: Connecting Citizen Ports 21 CCP21) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 63 Transportketten optimieren LOGISTIK der of a former industrial area and no longer useable for this purpose and thus subject to land use conversion. Connecting Citizen Ports 21 CCP21 was initiated in 2009 by seven European inland ports, who realized that they were facing the same challenges while offering the same potential and opportunities. The working packages aimed to increase the acceptability of inland ports, to promote a less conflicting cohabitation through multipurpose land use and a sustainable city distribution of goods. It seems to be an approach to get urban ports out of the industrial backyards and to put emphasis on the service function for local inhabitants and enterprises. As in Figure 5 shown, the port authorities in the catchment area of River Seine including the overseas port Le Havre themselves have organized as HAROPA Port Synergy. Short inland waterway shipping in the Paris Basin has a long history transporting mainly mineral materials to deliver construction sites. A flat land river system like Seine- Marne-Oise with his sluggish flow of water and a meandering riverbed favours decentralized points of embarkations as depicted in fig. 5. A remarkable case project, presented by Manuel Garrido from Ports of Paris, was drafted in the Paris Region Ile-de- France called Paris Transhipment Platform which provides for a coordinated use of existing port facilities to serve inner urban areas. The critical traffic circumstances within the City of Paris and the suburban cordon make the distribution of consumer goods difficult especially if delivering times are restricted. Using road transport as a means to deliver them from outlying logistic warehouses close to the motorways into the urban centre costs additional fuel, time and personnel on the one hand and contributes to traffic jams along arterial routes and causes pollution on the other hand. None of the rail goods stations had remained in the inner urban precincts but the embankments of the river Seine are still accessible and available as local transhipment points. Thus, an amazing reversed gateway situation was created by shifting goods from the lorry to river barges extramural before entering the urban area. The retail seller Franprix ships goods in 26 swap bodies to deliver 80 points of sale in the city from the port of Bonneuil sur Marne to the berth of La Bourdonnais close to the Eiffel Tower (fig. 6). The swap bodies are released from a cross docking logistic centre in the neighbourhood of Port of Bonneuil, cover a waterborne route of less than 20 kilometres before having been transhipped to suitable lorries for city traffic. This transport chain needs reliable hand-in-hand cooperation of private and public actors investing on port facilities, providing of barges and transhipment equipment, running the distribution fleet etc. Besides that, a site planning free of conflicts with other land use pretensions is essential as well as a supply and traffic management. Conclusion Besides a lot of propositions in detail mentioned before the final statement by the moderator Detlev Golletz summarized the workshop results in three conclusions: • More collaboration between concerned professions and businesses to get system relevant freight transport solutions • Synchronization of serving systems to realize goods’ delivery in a sustainable way • Funding and investing in research and pilot projects to make actions selfdynamic and self-bearing. ■ NOTES [1] The Joint Workshop on Sustainable Freight Solutions hosted by the Regional Authority Frankfurt Rhine Main on 25 November 2013 in Frankfurt am Main was held by the INTERREG IV B Programme Secretariat North-West Europe (www.nweurope.eu), the Connecting Citizen Ports 21 project (www.citizenports.eu), the Weastflows project (www.weastflows.eu, for the atlas: http: / / geo.weastflows.eu/ ), the CODE24 project (www.code-24.eu) and the Regional Authority FrankfurtRhineMain (www.region-frankfurt.de). [2] Transcare (2006): Schienengüterverkehrskonzept für das Rhein- Main-Gebiet. Chancen für NE-Bahnen. Summary download www. region-frankfurt.de/ Service/ Veroeffentlichungen/ Verkehr Regionalverband FrankfurtRheinMain, Wissenschaftsstadt Darmstadt (2013): Schienengüterverkehr in der Metropolregion Frankfurt- RheinMain. Ergebnisse einer Befragung von Eisenbahnverkehrsunternehmen. 2. Auflage [3] The initiative for the ORFE-development within the CODE24-project has been launched by the PIM-Institute, University of Duisburg-Essen. Prototype: http: / / pim-code24.wiwinf.uni-due.de/ welcome? locale=en Heinz Dörr, Dipl.-Ing. Dr. Beratender Ingenieur für Raum- und Verkehrsplanung, arp-planning.consulting.research (www.arp.co.at), Wien heinz.doerr@arp.co.at Peter Endemann, M. Urb. (Université de Montréal), Dipl.-Ing. Referent, Bereich Mobilität, Regionalverband FrankfurtRhein- Main, Frankfurt am Main endemann@region-frankfurt.de Supported by: The Association for European Transport (AET) announces: For more information, please visit: www.aetransport.org Early Booking Discounts - Until 30 June ONLY Delegates are now invited to book their place at the European Transport Conference to benefit from an Early Booking Discount. The Early Booking Discount applies to delegates booking 3-day attendance only, with payment received by 30 June 2014: AET/ ECTRI Members Standard Fee* Early Booking Fee* Individual Member GBP 750 EUR 900 GBP 680 EUR 816 Organisation Member GBP 720 EUR 864 GBP 655 EUR 786 Non-Members GBP 885 EUR 1062 GBP 765 EUR 918 In addition, a 50% discount on booking fees is applicable to attendees from new EU Member States (joined 2004 & 2007) and for young professionals under the age of 26 or with less than 5 years’ professional experience. For those involved in transport planning, research and practice, the European Transport Conference is the event to find indepth presentations on policy issues, best practice and research findings across a broad spectrum of transport modes. To secure your place, please complete an Early Booking Form online at www.etcproceedings.org *All fees shown are subject to 20% VAT 29 September - 1 October 2014 Goethe University, Frankfurt, Germany European Transport Conference 2014 ID0223d Internationales Verkehrswesen early booking advert 88x126v2.indd 1 16/ 04/ 2014 11: 47: 03 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 64 MOBILITÄT Ländlicher Raum Entwicklungspotenziale auf der Schiene nutzen Studie zur Weiterentwicklung des Schienenpersonennahverkehrs in der Region Ostwürttemberg Für eine zukunftsfähige Entwicklung des Verkehrs gewinnt die Schiene im ländlichen Raum weiter an Bedeutung - nicht nur für die Anbindung an Ballungsräume, sondern auch für Binnenverkehre. Für die Regionen ergibt sich damit die Aufgabe, unter den zu beachtenden betrieblichen und wirtschaftlichen Randbedingungen attraktive und verlässliche Anschlussbeziehungen innerhalb der Region sowie gute Anschlüsse in nahegelegene Ballungszentren zu schaffen und weiterzuentwickeln. Die Autoren: Matthias Laug, Dirk Seidemann D ie Aufgabenträgerschaft für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wird seit der Bahnreform den Ländern zugeschrieben. Trotz unterschiedlicher Ausgestaltungen in der Wahrnehmung dieser Pflicht je nach Bundesland wird das Angebots- und Fahrplankonzept in der Regel landesweit ausgearbeitet und bildet letztlich die Grundlage für die Bestellung der gemeinwirtschaftlichen SPNV-Leistungen. Die regionalen Interessen werden dabei in vielen Abstimmungsrunden einbezogen. Können Forderungen der Region fachlich fundiert eingebracht werden, haben sie in der Regel eine größere Perspektive auf Berücksichtigung. Gerade bei anstehenden, großräumig wirkenden Infrastrukturausbauten und den damit einhergehenden Veränderungen der betrieblichen Randbedingungen ist es für betroffene Regionen geboten, die Möglichkeiten und Risiken für die Weiterentwicklung des SPNV zu untersuchen und schließlich in den übergeordneten Planungsprozess einzubringen. Für die Region Ostwürttemberg ergibt sich mit Inbetriebnahme der Neubaustrecke (NBS) Nürnberg-Erfurt (VDE-Projekt 8.1), die neue Rahmenbedingungen für Fernverkehrsverbindungen aus dem süddeutschen Raum in Richtung Mitteldeutschland und Berlin schafft, sowie des Großprojekts Stuttgart-Ulm und der damit verbundenen Umsetzung des Angebotskonzepts Baden-Württemberg 2020 die Notwendigkeit, im Vorfeld der anstehenden SPNV-Ausschreibungen die Auswirkungen und Potenziale für die Region zu untersuchen. Dabei kann auf Vorarbeiten aufgebaut werden, die Entwicklungspotenziale für den Schienenverkehr in der Region aufzeigen und sich daraus wiederum ergebende Fragestellungen ableiten. Mit der Studie zur Weiterentwicklung des Schienenpersonennahverkehrs, erstellt durch DB International GmbH, Büro Karlsruhe, und Dr. Brenner Ingenieurgesellschaft mbH (Aalen) wurden die Randbedingungen und Spielräume für die Region untersucht und für eine künftige Entwicklung bewertet. Die Region Ostwürttemberg Die Region Ostwürttemberg liegt östlich von Stuttgart und hat rund 440 000 Einwohner. Die vier Mittelzentren Aalen, Ellwangen, Heidenheim (Brenz) und Schwäbisch Gmünd übernehmen gemeinsam für die Region die oberzentralen Funktionen. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wohnen in den Städten und Gemeinden mit-Bahnanschluss. Als Verknüpfungspunkt zwischen den vier Eisenbahnstrecken der Region (siehe Tabelle 1) hat der Bahnhof Aalen eine zentrale Bedeutung (Bild 1). Die höchste Angebotsdichte in der Region besteht auf der Remsbahn; sie bildet die leistungsstarke Anbindung in den Großraum Stuttgart. Die Riesbahn über Nördlingen nach Donauwörth als Flachbahn zur Umgehung der Schwäbischen Alb durch Vermeidung der Geislinger Steige und als Umfahrung des Knotens Ulm bindet die Region in Richtung Augsburg/ München an. Einzige nicht elektrifizierte Strecke ist die Brenzbahn, welche die Fernverkehrshalte Aalen und Ulm über Heidenheim verbindet. Foto: Seidemann Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 65 Ländlicher Raum MOBILITÄT Sie wurde in der Vergangenheit für den Verkehr mit NeiTech-Fahrzeugen ertüchtigt, so dass eine Fahrzeit von unter einer Stunde erreicht werden kann, mit guten Anschlussmöglichkeiten in den beiden Knoten. Das Angebot im SPNV in der Region Ostwürttemberg ist heute überwiegend durch stündliche Verbindungen geprägt. Auf der Oberen Jagstbahn und der Brenzbahn kommt es durch die eingleisige Streckenführung immer wieder zu unregelmäßigen Takten. Zudem verkehrt die IC-Linie 61 Karlsruhe-Nürnberg zweistündlich mit Halt in Schwäbisch Gmünd, Aalen, Ellwangen und Crailsheim. Durch eine günstige Lage der Strecken zu den Siedlungsschwerpunkten ist die Erschließung weiterer Fahrgastpotenziale z. B. durch die Einrichtung neuer Haltepunkte möglich. Betriebliche Randbedingungen Durch die Inbetriebnahme der NBS Nürnberg-Erfurt ergibt sich über Nürnberg eine verkürzte Reisezeit nach Mitteldeutschland und Berlin. Insbesondere wenn die Fahrplanlage der IC-Linie 61 um 30 Minuten verschoben wird, kann in Nürnberg die Umsteigezeit verkürzt werden. Je nach Fahrplanlage der IC-Linie und in Abhängigkeit der Durchbindung in Stuttgart in Richtung Zürich oder Karlsruhe ergibt sich in Aalen eine andere Knotenzeit für den Fernverkehrshalt, was direkte Auswirkungen auf das Nahverkehrsangebot hat. Dieses soll sich auf der Remsbahn spätestens mit Inbetriebnahme des Großprojektes Stuttgart-Ulm zu einem tagesdurchgängigen Halbstundentakt aus zwei überlagerten stündlichen RE-Linien ausweiten, die in Stuttgart nach Ulm über das Filstal und nach Tübingen über Stuttgart Flughafen fortgeführt werden. Laut der aktuellen Veröffentlichungen zum Metropol-Express ist eventuell schon eine vorzeitige Realisierung der Angebotsverbesserung auf der Remsbahn möglich. Der Anschluss der RE- Linien in Stuttgart auf den Fernverkehr in Richtung Mannheim/ Frankfurt am Main wird im Angebotszielkonzept Baden-Württemberg 2020 (ITF2020) allerdings um 4- Minuten verfehlt. Auf den übrigen Strecken ist im ITF2020 der Status Quo vorgesehen. Die überregionalen Anschlüsse in Crailsheim von und nach Nürnberg und in die Region Heilbronn-Franken sowie im Knoten Ulm werden im ITF2020 definiert. Die Fahrplanlagen der Stuttgarter S- Bahn bestimmen durch den Mischverkehr im Abschnitt Waiblingen-Schorndorf das Betriebskonzept auf der Remsbahn. Unter der Prämisse S-Bahn-Überholungen zu vermeiden, ergeben sich für die übrigen vertakteten Verkehre wie RE-Linien und den Fernverkehr die zur Verfügung stehenden Zeitfenster aus dem Viertelstundentakt der S-Bahn in der Hauptverkehrszeit (HVZ). Die Frage nach dem S-Bahn-Linientausch im Zuge von Stuttgart 21 hat direkten Einfluss auf die möglichen Fahrplanlagen der Fernverkehrs- und RE-Züge und damit auf die An- und Abfahrtszeiten im Knoten Aalen. Eine gestaffelte Gliederung der Randbedingungen zeigt Tabelle 2. Zudem muss die Region ihre Interessen bei benachbarten Aufgabenträgern und angrenzenden Planungskonzepten einbringen, wie in diesem Fall bei der nach Bayern führenden Riesbahn, deren Betriebskonzept aus dem Augsburgtakt mit Anschlüssen in Donauwörth und Augsburg definiert wird, oder der Brenzbahn, die zur Zeit auch Gegenstand der Planungen zur Regio-S- Bahn Donau-Iller ist. Darin werden im Knoten Ulm neuen Durchbindungen der Linien und Fernverkehrsanschlüsse berücksichtigt, sodass das Betriebskonzept aus Ulm unter Berücksichtigung der Knotenzeiten in Aalen heraus entwickelt wird. Fahrplantrassen für den Güterverkehr sind wegen der Reihe aktiver Gleisanschlüsse und Verladeterminals in den betrieblichen Überlegungen insbesondere auf den eingleisigen Strecken zu berücksichtigen. Durch die anstehenden Baumaßnahmen für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und das neue Betriebswerk in Ulm, ergeben sich für den Knoten Aalen wieder wichtige Funktionen für den Güterverkehr in der Metropolregion Stuttgart. Empfehlungen zur SPNV-Weiterentwicklung Vor dem Hintergrund der beschriebenen Randbedingungen und der politischen Forderungen in der Region galt es, in der Studie die Potenziale zur Weiterentwicklung des Schienenpersonennahverkehrs aufzuzeigen und zu bewerten. Zentrale Fragestellungen waren dabei die Verbesserung der Erschließung durch neue Haltepunkte, die Einführung eines regionalen Halbstundentakts sowie eines neuen regionalen Angebotskonzepts, das alle Halte bedient und neue Direktverbindungen zur Stärkung des regionalen Binnenverkehrs schafft. Ergänzend konnte die Machbarkeit eines beschleunigten IRE-Angebots aufgezeigt werden, das alternierend mit dem zweistündlichen IC bis Crailsheim verkehrt, um somit eine stündliche schnelle Anbindung der Region an Stuttgart zu gewährleisten (Bild 2). In den Mittelzentren Aalen und Schwäbisch Gmünd wurden neue Haltepunkte mit Strecke Streckencharakteristik Verkehrsangebot Remsbahn Stuttgart-Aalen zweigleisig, elektrifiziert Zweistündlicher IC, stündliche RE-Linie mit Verstärkerleistungen in der HVZ; Ein beschleunigtes IRE-Zugpaar, punktuelle RB-Zubringer auf die S-Bahn in Schorndorf Brenzbahn Aalen-Ulm eingleisig, nicht elektrifiziert mit NeiTech-Betrieb stündliche RE-Linie; zweistündliche IRE-Linie Riesbahn Aalen-Goldshöfe-Nördlingen eingleisig, elektrifiziert Stündliche RB-Linie Obere Jagstbahn Goldshöfe-Crailsheim eingleisig, elektrifiziert Zweistündlicher IC, stündliche RE-Linie bis Ellwangen, zweistündlich verlängert bis Crailsheim Tabelle 1: Aalen als Verknüpfungspunkt zwischen den vier Eisenbahnstrecken der Region Bild 1: Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Ostwürttembergs wohnen in Städten und Gemeinden mit Bahnanschluss, wobei der Bahnhof Aalen eine zentrale Bedeutung hat. (Foto: DB International/ Weber) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 66 MOBILITÄT Ländlicher Raum ausreichendem Fahrgastpotenzial und der Möglichkeit zur kurzfristigen Umsetzung (möglicherweise auch schon in den bestehenden Fahrplankonzepten) identifiziert. Die weiteren untersuchten, neu zu errichtenden Haltepunkte wären langfristig zu realisieren und mit einem neuen regionalen Angebotskonzept zu bedienen. Eine kurzfristige Einrichtung einer neuen „Über-Eck- Verbindung“ in der Relation Stuttgart-Aalen-Ellwangen-Crailsheim mit Bedienung eines neuen Haltepunkts in der Nähe des Berufsschulzentrums in Aalen könnte ohne zusätzliche Zugkilometer bereits mit einer Neuordnung der Liniendurchbindung realisiert werden, was nun auch seitens des Landes Baden-Württemberg für die kommenden SPNV-Ausschreibungen favorisiert wird. Die damit entstehenden zusätzlichen Direktverbindungen für Ellwangen nach Stuttgart zeigen positive Nachfrageeffekte, erfordern aber auch für einen Endausbauzustand mit einer halbstündlichen Verbindung nach Ellwangen den abschnittsweisen zweigleisigen Ausbau der Oberen Jagstbahn nördlich von Goldshöfe. Dieser hätte wiederum positive Effekte auf die Fahrplanstabilität in diesem auch vom Fernverkehr genutzten Abschnitt. Weitere Verdichtungen auf einen regionalen Halbstundentakt sind in der Hauptverkehrszeit nach Bopfingen (Riesbahn) und Heidenheim (Brenz) zu empfehlen, wobei Heidenheim durch die Eingleisigkeit der Brenzbahn für diesen Verstärker nur in Lastrichtung ohne zusätzlichen Infrastrukturausbau erreichbar ist. Die Studie zur Regio-S-Bahn Donau-Iller beinhaltet zudem die Forderung der Region nach einer schnellen stündlichen IRE-Verbindung in Ergänzung zum stündlich verkehrenden RE auf der Brenzbahn sowie die Verlängerung der RB-Verkehre zwischen Ulm und Langenau nach Sontheim/ Brenz. Da Aalen als zentraler Verknüpfungspunkt und Fernverkehrshalt in der Region lediglich über fünf Bahnsteigkanten verfügt, war bei der betrieblichen Untersuchung die Gleisbelegung zu beachten, was sich als wichtige Vorüberlegung zur geplanten Anpassung der Bahnsteiglängen im Rahmen des Bahnhofsmodernisierungsprogramms erwies. Die einzelnen Maßnahmen und Angebotsbausteine wurden in Planfällen gebündelt und vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit und der notwendigen Investitionen bewertet. Konsequenzen für die Region Auf regionaler Ebene sind Studien, wie die hier vorgestellte, wichtig für die örtlichen Entscheidungsträger, um die regionale Perspektive im Rahmen der seitens des Landes flächendeckend durchgeführten Angebotsplanungen fachlich fundiert einbringen zu können und infrastrukturelle Weiterentwicklungen, wie die Einrichtung neuer Haltepunkte, ergänzende Doppelspurabschnitte und Angebotsoptimierungen, im Dialog zu erreichen. Ohne ein klares Bekenntnis auf der regionalen Ebene zu den Zukunftsperspektiven ist eine Weiterentwicklung unter den heutigen Rahmenbedingungen nicht zu erwarten. Die Erkenntnisse aus der Studie fließen sowohl in die formalen Prozesse, etwa Ausschreibungskonzeptionen zur Vergabe der Betriebsleistungen durch die Länder, als auch in die Abstimmungsprozesse zur Infrastrukturfinanzierung ein. Derartige Studien schaffen zudem eine Identifizierung der regionalen Akteure mit der eher komplexen Materie der Angebotsplanung, da die Erkenntnisse nicht von oben vorgegeben werden, sondern bottom-up entstehen. Im sich daraus entwickelnden Dialog zwischen regionalen Akteuren, Aufgabenträgern, Infrastrukturbetreibern und den verschiedenen politischen Ebenen auf Landes- und Bundesseite ergeben sich so gute und tragfähige Lösungen, die auch Aussicht auf eine breite Akzeptanz haben. Nicht zuletzt aufgrund der heutigen Rahmenbedingungen bei der Finanzierung des SPNV und auch der Verkehrsinfrastruktur bedarf es regionaler „Kümmerer“, die für die Interessen der Regionen mit der örtlichen Perspektive eintreten. Dazu haben sich aufbauend auf den Erkenntnissen der Studie in Ostwürttemberg Interessengemeinschaften gebildet, die im Zusammenschluss der regionalen und kommunalen Gremien sowie der Wirtschaft die Interessen der jeweiligen Bahnstrecke gegenüber Infrastrukturbetreiber sowie Landes- und Bundespolitik vertreten. ■ Matthias Laug, Dipl.-Ing. Junior Projektleiter, DB International, Karlsruhe matthias.laug@db-international.de Dirk Seidemann, Dipl.-Ing. Stellv. Verbandsdirektor, leitender Planer, Regionalverband Ostwürttemberg, Schwäbisch Gmünd seidemann@ostwuerttemberg.org Bild 2: Eine stündliche schnelle Anbindung der Region an Stuttgart ist machbar. (Foto: Seidemann) Zeit-Entwicklungsschritt S-Bahn Stuttgart Abschnitt Waiblingen - Schorndorf Fernverkehr Relation Stuttgart - Nürnberg Nahverkehr Region Ostwürttemberg Ist-Zustand S2 Filderstadt-Stuttgart-Waiblingen- Schorndorf 30-Minuten-Takt (HVZ: 15-Minuten- Takt) IC-Linie Karlsruhe- Stuttgart-Nürnberg Kreuzung in Aalen 00-Knoten RE-Linie Stuttgart-Aalen 60-Minuten-Takt (HVZ: 30-Minuten-Takt) SPNV-Ausschreibung (Auslauf des aktuellen Verkehrsvertrags ab 2016) Empfehlung neuer Durchbindung in Aalen: RE-Linie Stuttgart- Aalen (im 30-Minuten- Takt) - Ellwangen (im 60-Minuten-Takt) - Crailsheim (alle 2h); die Züge der Brenzbahn enden in Aalen Inbetriebnahme NBS Nürnberg-Erfurt Verschiebung der Fahrplanlage um 30-Minutern wegen Anschlussbeziehungen in Nürnberg? Neue Durchbindung der RE-Linien in Stuttgart: L4: Tübingen-Stuttgart-Aalen (60-Minuten-Takt) L8: Ulm-Stuttgart-Aalen (60-Minuten-Takt) Inbetriebnahme Stuttgart 21 S-Bahn Linientausch? Einsatz Neigetechnik? Neue Verknüpfung in Stuttgart für Zürich- Stuttgart-Nürnberg? Ausbau Gäubahn Tabelle 2: Mögliche Fahrplanlagen der Fernverkehrs- und RE-Züge im Zuge von Stuttgart 21 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 67 Grenzüberschreitender Verkehr MOBILITÄT Züge über Grenzen Wege und Umwege zu einem grenzenlosen Bahn-Europa Eine Reise mit der Eisenbahn durch Europa sollte so einfach sein wie eine Fahrt im eigenen Land. Ganz-so-leicht ist das in vielen Fällen aber nicht. Die Eisenbahnen sind in besonderem Maß von nationalen Entwicklungen geprägt, wobei sich technische, organisatorische und kulturelle Unterschiede überlagern. Die Autoren: Holger Jansen, Martin Schiefelbusch E ine historische Betrachtung ist hilfreich, um den langen Weg von der nationalen zur europäischen Perspektive zu verstehen [1]. Als im 19. Jahrhundert ein alle wichtigen Relationen abdeckendes Eisenbahnnetz in Europa entstand, waren viele Grenzen zu überwinden. Dabei ging es zunächst mehr um Unternehmensgrenzen als um politische: Da sich die vertikale Integration von Infrastruktur und Betrieb schnell etablierte, entstanden zahlreiche „integrierte“ Netze, die von den einzelnen Gesellschaften eigenständig betrieben wurden. Umgekehrt bedeutete dies, dass die Zusammenarbeit mit anderen Bahnen zwingend erforderlich war, um auch übergreifende Verkehrsströme bedienen zu können. So entstand ein umfangreiches System technischer Standards, aber auch betrieblicher, administrativer und tarifärer Regelungen, das beginnend schon in den 1840er Jahren sukzessive weiterentwickelt wurde. Erst in einem zweiten Schritt wurde diese Integration ab etwa 1880 auch zu einer politischen Aufgabe, der sich Regierungen und von diesen geschaffene inter- und supranationale Einrichtungen widmeten. Visionen über Grenzen Frühe Eisenbahnvisionäre wie Friedrich List formulierten schon bald die Vorstellung von einem den Kontinent erschließenden Schienennetz. Die Bedeutung solcher Ideen trat jedoch bei der Netzentwicklung gegenüber der strecken- und bestenfalls gebietsbezogenen Perspektive zurück. Die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit im 19. Jahrhundert lässt sich vielmehr als pragmatische, inkrementelle Vorgehensweise beschreiben. Die Akteure waren sich über den Sinn einer Zusammenarbeit im Groben einig, mussten aber den für die jeweilige Sachfrage richtigen Weg erst finden - denn Vorbilder gab es auch in anderen Bereichen oft noch nicht. Getragen wurde dies vom kontinuierlichen Interesse an neuen Reise- und Transportmöglichkeiten in der Bevölkerung. Dieses Muster wird umso deutlicher, vergleicht man es mit der Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg. An der von Politik und weiten Teilen der Gesellschaft geteilten Idee eines friedlich vereinten Europas versuchten die Bahnen, mit dem TEE-Fernverkehrszug oder dem europäischen Güterwagenpool teilzuhaben. Diesen Maßnahmen standen aber Zukunftsängste, Besitzstandsinteressen und der zunehmende Einsatz der Bahnen als nationalen politischen Interessen dienendes Instrument gegenüber - und gewannen oft die Oberhand. Den Visionen einer weitergehenden Integration, wie sie von einzelnen Bahndirektoren und manchen Politikern formuliert wurden, wurde daher hinter den Kulissen Widerstand entgegengesetzt, sodass es keine „Visionäre“ gab, die sie umsetzen wollten. Auch die in den 1970er Jahren einsetzenden Überlegungen zur Revitalisierung der Schiene wurden von den Ländern in der Regel separat entwickelt und oft mit dem Wunsch nach nationalen Industrie-Schaufensterprojekten verknüpft; der internationale Verkehr war bestenfalls im Ausblick kurz erwähnt. Bild 1: Vogelfluglinie mit geplanter Fehmarnbeltquerung (Quelle: Wikipedia) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 68 MOBILITÄT Grenzüberschreitender Verkehr Infrastruktur über Grenzen Internationaler Verkehr erfordert grenzüberschreitende Infrastruktur, die in Abstimmung beider Seiten entwickelt werden muss. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit von Staaten und Bahnverwaltungen ist die Vogelfluglinie, also die Schienenstrecke zwischen Hamburg und Kopenhagen (Bild-1). In der Gegenwart geht es vor allem um die feste Fehmarnbeltquerung. Die Weichen von dänischer Seite sind gestellt, auf deutscher Seite steht die Anpassung der Infrastruktur von Schiene und Straße in der politischen Diskussion. Wie viele Güter- und Personenzüge müssen über die teilweise eingleisige Strecke geführt werden? Wie steht es um den Knoten im Lübecker Hauptbahnhof? Wie kann der Engpass Fehmarnsundbrücke (Bild 2) beseitigt werden? Ähnliche Überlegungen waren schon bei Realisierung der bestehenden Bahn- und Straßenfährverbindung auf dieser Relation erforderlich. Sie führten zu kontroversen Debatten. Die Vogelfluglinie mit ihrer heutigen Infrastruktur entstand Ende der 1950er Jahre und wurde am 14. Mai 1963 eröffnet. Erste Ideen für die Route gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg. In den 1950er Jahren nahmen Deutschland und Dänemark die Gedanken wieder auf. Zunächst berieten Vertreter der Deutschen Bundesbahn und Dänischen Staatsbahn über technische Einzelheiten. Dabei standen Fragen zur Streckenführung, Finanzierung und Bauzeit im Mittelpunkt. Im Juni 1957 entstand eine „Kommission Vogelfluglinie“ mit Vertretern der beiden Staaten. Im Juni 1958 unterzeichneten die Verkehrsminister aus Deutschland und Dänemark den interministeriellen Vertrag, so dass dem Bau nichts mehr im Wege stand. Die Fahrt zwischen Hamburg und Kopenhagen dauerte zuvor über die Fährverbindung von Großenbrode nach Gedser rund acht Stunden - nach Eröffnung der neuen Verbindung waren es etwa fünf (Bild 3). Bei der Vogelfluglinie ging und geht es vor allem um den Ausbau der Infrastruktur. Doch Integration bei der Eisenbahn bedeutet mehr: Fahrzeugbau, Betriebsvorschriften, Leit- und Sicherungstechnik, Energieversorgung, Dokumentation, Abrechnung der Verkehrsleistungen und eine überzeugende Preis- und Angebotsgestaltung sind weitere Aspekte. Die Investition in teure Infrastruktur nützt wenig, wenn nicht dem Kunden - ob nun im Personen- oder Güterverkehr - ein überzeugendes Angebot aus einer Hand unterbreitet wird. Grenzen in der Gegenwart Integration ist ein Thema, solange die Eisenbahn über Grenzen fährt (Bild 4). Die Grenzen der Nationalstaaten haben sich seit Einführung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert mehrfach verschoben. Mit Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1957 und ihrer stetigen Erweiterung stehen die Bahnen in Europa unter erheblichem Anpassungsdruck. Reisen enden längst nicht mehr an Grenzen der Nationalstaaten; die verladende Wirtschaft erwartet einen durchgehenden und zuverlässigen Transport von Gütern. Heute kann das Internet als Indikator für das Maß an Integration gelten. Praktisch jeder junge Mensch ist heute im Netz aktiv. Und wie steht es mit der Präsenz der Bahnen? Fluglinien geben nach wenigen Klicks einen Preis an. Airlines haben sich mit neuen Marken nach und nach ihren Markt erobert. Bei den europäischen Bahnen funktioniert auf vielen Verbindungen immerhin die Fahrplanauskunft. Bei den Tarifen ist aber die Angabe „unbekannter Auslandstarif“ oder „Preisauskunft nicht möglich“ eher die Regel als die Ausnahme. Eine Reise von Köln nach London wird so auch künftig eher mit dem Flugzeug als mit der Bahn stattfinden. Woran scheitert die Integration der Tarife? Einzelne Bahnen sind nicht bereit oder nicht in der Lage, ihre Tarifdatensätze in einem Format aufzubereiten, das mit anderen Bahnen kompatibel ist. In anderen Ländern wird der Tarif von staatlichen Organisationen verwaltet. In Deutschland sind seit der Bahnreform Nah- und Fernverkehr getrennt. Das nationale Tarifsystem ist so noch einmal komplexer geworden. So müssen auf der Bahnstrecke zwischen München und Salzburg seit Anfang 2014 nationale Tarife in Nah- und Fernverkehr zwischen zwei Betreibern verknüpft werden. Die Wünsche der Kunden, die über Salzburg hinaus reisen möchten, müssen ebenso berücksichtigt werden. Verschiedene Versuche, mit dem „Railteam“ eine engere Kooperation zu etablieren, waren bisher nur begrenzt erfolgreich. Aus dem Thalys-Konsortium ist die Deutsche Bahn inzwischen ganz ausgestiegen. So hat sie keinen direkten Einfluss mehr auf die Tarifgestaltung und verkauft keine Tha- Bild 2: Die 1963 eröffnete Fehmarnsundbrücke im Bau (Foto: Archiv Dänische Staatsbahnen DSB) Bild 3: Ankunft der auch für den Transport von Reisezügen geeigneten DB-Fähre „Deutschland“ im Hafen Rødby. (Foto: Archiv Dänische Staatsbahnen DSB) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 69 Grenzüberschreitender Verkehr MOBILITÄT lys-Tickets mehr. Für eine Fahrt mit dem Thalys von Köln nach Brüssel zeigt die DB- Homepage nur den Hinweis „Preisauskunft nicht möglich“. Nur bei den eigenen ICE- Zügen nennt die Deutsche Bahn den Fahrpreis. Die Beispiele machen deutlich, dass die oft national geprägte Bahnkultur sich zu einer europäischen Bahnkultur entwickeln muss. Kooperation statt Konkurrenz muss hier der Maßstab lauten. Denn der Schienenverkehr muss sich am Wettbewerb und an der Präsentation der Wettbewerber messen lassen. Der Wettbewerb auf der Straße oder in der Luft nutzt seine Chancen. Und die Schiene? Bis zu einer echten europäischen Bahnkultur wird es noch ein weiter Weg sein. Eine solche Kultur entsteht nicht zuletzt durch Engagement und Zusammenarbeit vor Ort oder in den Grenzregionen. Ob Fehrmarnbelt, Fahrscheinhefte oder Interrail - Bemühungen für eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg waren und sind zahlreich. Aber sie müssen noch viel weiter führen, und sie müssen flächendeckend sein. Vor einigen Jahren schrieb die EU-Kommission zu Transeuropäischen Netzen: „Die Benutzer erhalten dank der Kontinuität und Interoperabilität einen hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandard.“ [2]. Im Schienenverkehr beginnt die Qualität mit einer verlässlichen Auskunft vor der Reise, einem durchgehenden Fahrschein und einer attraktiven Reisezeit. Das politische Ziel der Integration kann daher nur von den europäischen Bahngesellschaften umgesetzt werden. Was im 19. Jahrhundert begann, sollte heute stärker denn je im Blickpunkt stehen. ■ LITERATUR [1] Martin Schiefelbusch: Trains across borders, Nomos-Verlag Baden- Baden 2013, ISBN 978-3-8487-0855-0. 1 [2] EU-Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, http: / / europa.eu/ legislation_summaries/ regional_policy/ management/ transeuropean_networks/ tr0043_de.htm vom 31.1.2011; letzter Abruf 24.2.2014 1 Das Buch in englischer Sprache greift aus verschiedenen Themen jeweils ein Beispiel der Eisenbahngeschichte aus dem 19. und 20. Jahrhundert (Zeitraum 1950-75) auf. Die Vogelfluglinie wird mit der im 19. Jahrhundert entstandenen Gotthardbahn verknüpft. Fahrscheinheft und Interrail bilden ein weiteres Paar. Eingebettet sind die Analysen in eine Betrachtung der jeweiligen politischen Rahmenbedingungen. Ferner werden Unternehmens- und Politik-Visionen für den Personenverkehr behandelt. Das Buch entstand im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in dem neben der Bahn noch andere Infrastrukturbereiche wie Telefon-, Post- und Mobilfunkdienste sowie die Nutzung von Pipelines untersucht wurden (www.infrastrukturintegration.de). Holger Jansen, Dr. nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH, Berlin jansen@nexusinstitut.de Martin Schiefelbusch, Dr. Technische Universität Berlin, Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre, Berlin martin.schiefelbusch@alumni. tu-berlin.de Bild 4: Bis heute müssen Reisende an der schweizerisch-italienischen Grenze in Chiasso immer wieder außerplanmäßig umsteigen, weil nicht genügend für beide Länder zugelassene Züge vorhanden sind. (Foto: Martin Schiefelbusch) 23-25 June 2014 4 th UIC Global Rail Freight Conference Hilton Stadtpark Vienna, Austria n www.GRFC2014.Com n SeAmleSS tRAnSpoRt CHAInS tHRoUGH HARmonISAtIon Succes stories and global perspectives for rail freight n Two day Conference n Trade show n Technical visit Official Media Partners: Conference & Exhibition Secretariat: Goldsponsor: Organisers: Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 70 MOBILITÄT Nutzerverhalten Early Adopter der Elektromobilität in Deutschland Wer sie sind und wie sie fahren Erstmals wurde deutschlandweit eine repräsentative Befragung unter denjenigen realisiert, die tatsächlich ein Elektroauto besitzen und nutzen. Ziel war es, einen Einblick in das Fahr- und Ladeverhalten, die Motivation zur Anschaffung und die Erfahrungen der Early Adopter mit dem Elektroauto zu bekommen. Durchgeführt wurde die Studie vom Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) e.V. Die Autoren: Julia Jarass, Ina Frenzel, Stefan Trommer B isherige Untersuchungen im deutschsprachigen Raum basieren entweder auf Stated-preference-Befragungen potenzieller Nutzer oder auf der Befragung von Testnutzern in Forschungsprojekten (siehe bspw. Globisch et. al 2013, FhG ISI 2012 und Götz et. al 2012). Mit mehr als 12 000 zugelassenen Elektrofahrzeugen in Deutschland 1 existiert mittlerweile eine nennenswerte Anzahl tatsächlicher Nutzer, die ihren mobilen Alltag privat oder beruflich elektrisch gestalten. Diese Zielgruppe gilt es bezüglich ihrer Erfahrungen zu untersuchen. Methodik Ende 2013 kontaktierte das Institut für Verkehrsforschung mit Unterstützung des Kraftfahrt-Bundesamtes 9217 Halter von Elektrofahrzeugen, von denen insgesamt 3111 Personen an der Online-Befragung teilnahmen. Der Großteil der Befragten besitzt ein batteriebetriebenes Fahrzeug (87 %), die übrigen Befragten haben Plug-In-Hybride. Die Stichprobe setzt sich zu 63 % aus privaten Nutzern und zu 37 % aus gewerblichen Nutzern zusammen, die sich über das gesamte Bundesgebiet verteilen, jedoch vornehmlich in den westlichen und südlichen Teilen Deutschlands zu finden sind. Profil der privaten Elektrofahrzeughalter Die privaten Nutzer sind überwiegend männlich (89 %) und im Durchschnitt 51-Jahre alt (Median: 50 Jahre). Jeder Zweite hat ein Studium an einer Hochschule oder Universität absolviert. Dies ist in etwa vergleichbar mit Neuwagenkäufern 2 konventioneller Fahrzeuge. Der Großteil der Befragten (70 %) ist in Vollzeit erwerbstätig, aber immerhin 15 % sind bereits Rentner oder Pensionäre. Die E-Mobilen leben vorwiegend in 2- oder 4-Personenhaushalten, wobei mehr als die Hälfte mit ihrem Haushalt in einem freistehenden Einfamilienhaus lebt. Insgesamt gaben 46 % der privaten Halter an, dass sie über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von 2000 bis 4000 EUR verfügen, weitere 44 % verfügen über 4000 EUR oder mehr. Bei konstant gehaltener Haushaltsgröße zeigt sich im Vergleich mit Haushalten, in denen mindestens ein (konventioneller) Neuwagen vorhanden ist, dass das Einkommen der E-Mobilen tendenziell höher liegt (eigene Berechnung, MiD 2008). Profil der gewerblichen Elektrofahrzeughalter Die gewerblich genutzten Elektrofahrzeuge werden überwiegend von kleinen Unternehmen eingesetzt. Die Mehrheit von 67 % der gewerblichen Fahrzeughalter in der Stichprobe sind kleine Unternehmen, nur 5 % dagegen große Unternehmen. Die kleinen Unternehmen verfügen über einen Standort, an dem bis zu 40 Mitarbeiter beschäftigt sind und über einen Fuhrpark von bis zu neun Fahrzeugen, inklusive einem Elektrofahrzeug. Die befragten großen Unternehmen beschäftigen mehr als 1200 Mitarbeitende, haben acht und mehr Standorte mit einer entsprechend großen Flotte von mindestens 120 Fahrzeugen, darunter fünf und mehr Elektrofahrzeuge. Mit einem Anteil von 13 % und damit am häufigsten vertreten, sind Unternehmen bzw. Einrichtungen aus der öffentlichen Verwaltung (nach Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 3 ), gefolgt von Unternehmen des Baugewerbes (12 %) und der Energieversorgung (11 %). Werden jedoch die einzelnen Wirtschaftszweige des Dienstleistungssektors 4 zusammengefasst, ist jedes vierte befragte Unternehmen in diesem Sektor tätig. Motivation zum Fahrzeugkauf Es zeigt sich, dass sich das soziale Netzwerk und eigene Praxiserfahrungen auf die tatsächliche Anschaffung eines Elektrofahrzeugs positiv auswirken. Ein Viertel der Befragten hat sich vor dem Kauf eines Elektrofahrzeugs mit Bekannten, Verwandten oder Kollegen über deren Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen ausgetauscht. Fast zwei Drittel dieser Befragten bestätigen, dass deren persönlicher Austausch zur Kaufentscheidung beigetragen hat. Auch eigene Praxiserfahrungen, die insbesondere durch Testfahrten (52 %) erworben wurden, wirkten sich positiv auf die Kaufentscheidung aus: Bei 89 % der Befragten haben die Testfahrten bei der Kaufentscheidung geholfen. Erstaunlich ist, dass über ein Viertel der Befragten angegeben hat, dass sie weder Praxiserfahrungen vor der Anschaffung gemacht noch sich mit Bekannten oder Verwandten über deren Erfahrungen ausgetauscht hatten. Die hauptsächlichen Motive für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs waren das Interesse an der innovativen Fahrzeugtechnologie (88 %) und die Reduzierung der Umweltbelastung (87 %) (siehe Bild 1). Zur umweltorientierten Einstellung gehört für einen Großteil der Befragten auch, dass sie Ökostrom beziehen. Neben diesen beiden Hauptmotiven gaben die Befragten an, dass für sie die günstigeren Energiekosten pro Kilometer (80 %) und der Fahrspaß durch den Elektroantrieb (77 %) wichtige Gründe für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs waren. Obwohl das Image bei der Motivation für die Anschaffung als eher weniger wichtig eingestuft wurde, sagen doch 91 % der befragten gewerblichen Halter, aus der Nutzung des Elektrofahrzeugs ergebe sich auch ein Imagebzw. Prestigegewinn. 5 Interessant ist, dass die Hälfte der Befragten mit Erwerb des Elektrofahrzeugs ein an- Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 71 Nutzerverhalten MOBILITÄT deres Fahrzeug abgeschafft hat, das bis dahin im Haushalt oder Unternehmen vorhanden war, oder dass die Abschaffung eines vorhandenen Fahrzeugs innerhalb der nächsten 12 Monate geplant ist. Bei den privaten Nutzern konnte zudem festgestellt werden, dass insbesondere ältere Fahrzeuge, die im Schnitt 12 Jahre alt waren, abgeschafft wurden. Die Mehrheit der Halter (95 %), die ein anderes Fahrzeug durch das Elektrofahrzeug ersetzt hat, ist mit diesem insgesamt zufriedener bzw. genauso zufrieden. Fahrverhalten Insgesamt unterscheiden sich die zurückgelegten Kilometer der Privatnutzer nicht wesentlich von dem, was aus der Nutzung von konventionellen Fahrzeugen bekannt ist (vgl. infas, DLR 2010: 164). Die privaten Nutzer von Elektrofahrzeugen legen im Durchschnitt eine Strecke von 43 km am Tag (Werktag) zurück; bei Plug-in Hybriden werden von dieser Tagesstrecke immerhin 30 km rein elektrisch gefahren. Die durchschnittliche Jahresfahrleistung der Plug-in Hybride ist etwa ein Drittel höher als die Jahresfahrleistung der BEVs (Battery Electric Vehicle). Bei den gewerblich genutzten Fahrzeugen beträgt die durchschnittlich rein elektrisch zurückgelegte Fahrtstrecke pro Tag bei den BEVs 49 km und bei den PHEVs 47-km (Plug-in Hybrid Electric Vehicle). Die durchschnittliche Jahresfahrleistung liegt bei gewerblich genutzten PHEVs im Vergleich zu den BEVs um 60 % höher. Eine zusätzliche Unterscheidung in elektrische Leichtfahrzeuge und elektrische PKW (inkl. leichte Nutzfahrzeuge) zeigt noch deutlichere Unterschiede in der Jahresfahrleistung und der zurückgelegten Tagesstrecke zwischen den Segmenten und den Antriebsformen (siehe Tabelle 1). Jeder vierte Befragte gibt an, das Elektrofahrzeug für alle beabsichtigten Zwecke nutzen zu können. Einschränkungen in der Nutzung ergeben sich für die privaten Halter insbesondere bei Urlaubsfahrten. Diese Einschränkungen werden zumeist auf unzureichende Reichweiten, zusätzliche Einschränkungen der Reichweite bei kalter Witterung und zu lange Ladedauer für das Laden unterwegs zurückgeführt. Kann ein Weg nicht mit dem Elektrofahrzeug absolviert werden, wird in der Regel ein konventionelles Fahrzeug im Haushalt/ Unternehmen genutzt. Laden Über 90 % der privaten Halter parken ihr Elektrofahrzeug üblicherweise auf dem eigenen Grundstück, wo sie über eine Lademöglichkeit verfügen. Dies spiegelt sich im Ladeverhalten wider: 58 % der Befragten geben an, dass sie ihr Fahrzeug nahezu täglich in unmittelbarer Nähe zur Wohnung laden. Weitere 10 % laden ihr Fahrzeug (fast) täglich am Arbeits- oder Ausbildungsort. Bei der Frage nach den bevorzugten Ladeorten im Alltag spielen weitere Lademöglichkeiten nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich bei der Planung von längeren Fahrten (z. B. Urlaubsfahrten) wäre - so die Befragten - eine öffentliche Ladeinfrastruktur entlang der Route oder am Zielort wünschenswert. Gewerbliche Elektrofahrzeuge werden üblicherweise auf dem Betriebsgelände geladen. Dort wird das Fahrzeug in 60 % der Fälle gewöhnlich über Nacht abgestellt. Gleichzeitig werden 29 % der gewerblich zugelassenen Elektrofahrzeuge am Ende des Tages auf dem Privatgrundstück des Fahrers abgestellt und geladen. Bild 2 zeigt, dass die Hauptladezeit zwischen 18 und Private Halter Gewerbliche Halter Gesamtzahl 1.939 1.165 BEV PHEV BEV PHEV Anteil 87 % 13 % 86 % 14 % Zwei- oder dreirädrige sowie leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge Pkw 5 Zwei- oder dreirädrige sowie leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge Pkw Zwei- oder dreirädrige sowie leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge Pkw Zwei- oder dreirädrige sowie leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge Pkw Anteil 40 % 60 % 3 % 97 % 18 % 82 % 0 % 100 % Rein elektrische Tagesfahrleistung in km (typischer Werktag) 38 46 - 31 38 51 - 47 Jahresfahrleistung in km 8364 11 717 - 13 945 6415 11 412 - 16 926 Tabelle 1: Fahrleistung nach Nutzungsart, Antriebsart und Fahrzeugsegment Quelle: DLR, eigene Darstellung 41 68 59 33 11 15 26 69 8 60 8 52 24 29 55 80 77 61 19 87 26 88 Nutzung von Strom aus eigener Erzeugung kostenlose Lademöglichkeit beim Arbeitgeber kostenlose (halb-)öffentliche Ladeinfrastruktur Image günstige Energiekosten pro km Fahrspaß durch Elektroantrieb geringe Wartungskosten kostenloses Parken Reduzierung der Umweltbelastung Befreiung von der Kfz-Steuer Interesse an innovativer Fahrzeugtechnologie nicht wichtig wichtig Angaben in Prozent Bild 1: Relevanz verschiedener Motive bei der Fahrzeuganschaffung, Mehrfachnennungen möglich Quelle: DLR, eigene Darstellung. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 72 MOBILITÄT Nutzerverhalten 22- Uhr beginnt. Insbesondere gewerbliche Halter nutzen auch die Nachmittags- und Morgenstunden zum Laden. Fazit Die Befragung der heutigen Elektrofahrzeughalter in Deutschland zeigt, dass der Kauf bisher vor allem durch das Interesse an der innovativen Fahrzeugtechnologie und die Reduzierung der Umweltbelastung motiviert ist. Dabei stellen sich die Befragten derzeit noch als relativ homogene Personengruppe dar. Die privaten Halter von Elektrofahrzeugen sind vorwiegend Männer mittleren Alters mit tendenziell höheren Einkommen. Sie gehören nicht ausschließlich zum hochgebildeten Milieu, jedoch verfügt immerhin die Hälfte über einen Hochschul- oder Universitätsabschluss. Besonders interessant ist die Tatsache, dass es sich bei den gewerblichen Haltern in der Mehrzahl um kleine Unternehmen mit bis zu 40 Beschäftigten handelt. Dies widerspricht der bislang oft geäußerten Erwartung, dass vor allem große Flottenbetreiber das „Tor zur Elektromobilität“ darstellen würden. Insgesamt zeigt sich, dass die Befragten mit ihrem Fahrzeug sehr zufrieden sind. Die Reichweite und die bisher genutzten Lademöglichkeiten sind für den Alltagsgebrauch ausreichend, für längere Strecken greifen die E-Mobilen jedoch auf andere Verkehrsmittel zurück. Bei einer gleichbleibend hohen Zufriedenheit der E-Mobilen können gute Aussichten für die künftige Entwicklung der Elektromobilität angenommen werden: 84 % der privaten Halter würden die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs weiterempfehlen und mehr als die Hälfte der gewerblichen Elektrofahrzeughalter plant sogar die Anschaffung weiterer Elektrofahrzeuge. ■ 1 Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt, Stand 1.1.2014 2 Da es sich bei Elektrofahrzeugen derzeit noch vorwiegend um Neuanschaffungen handelt, wurden im vorliegenden Vergleich alle Haushalte der Erhebung MiD 2008 betrachtet, in denen mindestens ein Pkw im Haushalt als Neuwagen angeschafft wurde, d.h. Baujahr und Erwerbsjahr liegen maximal ein Jahr auseinander. Zusätzlich wurden in beiden Stichproben nur Haushalte verglichen, die 2005 oder später einen Neuwagen erworben haben. 3 Quelle: Statistisches Bundesamt. 4 Nach Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 handelt es sich dabei um die Wirtschaftszweige K, M, N und S. 5 Die Frage zur Anschaffungsmotivation wurde mit einer 7-stufigen Likert-Skala gemessen. Die in der Grafik verwendete Angabe „nicht wichtig“ fasst die Stufen 1 bis 3 zusammen. Äquivalent steht die Angabe „wichtig“ für die Stufen 5 bis 7. Die fehlenden Prozentwerte stellen die neutrale Stufe 4 dar. Insgesamt haben je nach Anschaffungsgrund 4 bis 14 % der Befragten die neutrale Angabe gewählt. 6 Der Kategorie PKW sind auch die leichten Nutzfahrzeuge zugeordnet. QUELLEN Fraunhofer ISI (2012): Roadmap zur Kundenakzeptanz. In: Technologie- Roadmapping am Fraunhofer ISI: Konzepte - Methoden - Praxisbeispiele Nr. 3. Globisch, J.; Schneider, U.; Peters, A.; Roser, A.; Wietschel, M. (2013): Early Adopter unter der Lupe. In: Internationales Verkehrswesen (65) 2 2013. Götz, K.; Sunderer, G.; Birzle-Harder, B.; Deffner, J. (2012): Attraktivität und Akzeptanz von Elektroautos. Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas)/ Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) (2010): Mobilität in Deutschland 2008. Kraftfahrt-Bundesamt (2013): Fahrzeugzulassungen (FZ); Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Haltern, Wirtschaftszweigen (FZ 23). Flensburg. Statistisches Bundesamt (2008): Klassifikation der Wirtschaftszweige. Wiesbaden. Ina Frenzel, Dipl.-Soz. tech. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Verkehrsforschung, Berlin ina.frenzel@dlr.de Stefan Trommer, Dipl.-Geogr. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Verkehrsforschung, Berlin stefan.trommer@dlr.de Julia Jarass, Dipl.-Geogr. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Verkehrsforschung, Berlin julia.jarass@dlr.de Bild 2: Beginn der Ladevorgänge unterschieden nach privaten und gewerblichen Haltern, Mehrfachnennungen möglich Quelle: DLR, eigene Darstellung Private Halter Gewerbliche Halter Fahrzeugmodell Anteil am Fahrzeugbestand Elektrische Reichweite aus eigener Erfahrung in km; Median (Herstellerangabe nach NEFZ) Fahrzeug modell Anteil am Fahrzeugbestand Elektrische Reichweite aus eigener Erfahrung in km; Median (Herstellerangabe nach NEFZ) Renault Twizy 28 % 70 (100/ 120) Renault Kangoo 14 % 100 (170) Smart fortwo electric drive 9 % 110 (145) Renault Twizy 14 % 70 (100/ 120) Toyota Prius Plug-in Hybrid 7 % 20 (25) Smart fortwo electric drive 12 % 100 (145) Opel Ampera 6 % 60 (83) Opel Ampera 12 % 60 (83) Renault Zoe 5 % 140 (210) Mitsubishi i-MiEV 6 % 100 (150) Tabelle 2: Anteil der fünf häufigsten Fahrzeugmodelle und deren Reichweiten aus eigener Erfahrung im Vergleich zu den Herstellerangaben Quelle: DLR, eigene Darstellung 0 10 20 30 40 50 60 Angaben in Prozent private Halter gewerbliche Halter Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 73 Wissenschaft MOBILITÄT Struktur und System im-Verkehrswesen Wie man Verkehrssysteme vergleicht Strukturalismus ist ursprünglich eine sprachwissenschaftliche Methode, mit der Entwicklung und Funktion von Sprache(n) als System beschrieben werden. Grundsätzlich eignet sich die Methode zur Analyse beliebiger Systeme. In der Verkehrswissenschaft wurde sie noch nicht verwendet. In diesem Aufsatz soll gezeigt werden, wie man mit Hilfe des Strukturalismus Verkehrssysteme in Aufbau, Entwicklung und Funktion beschreiben und die unterschiedlichen Verkehrssysteme hinsichtlich Struktur, Bestandteilen, Lebenszyklus und internen Abhängigkeiten vergleichen kann. Diese einheitliche Analyse wiederum bildet eine allgemein verwendbare Grundlage, um Verkehrssysteme nach ihren Eigenschaften und Leistungsfähigkeiten zu untersuchen. Der Autor: Reinhold Schröter V erkehrssysteme zu vergleichen, ist weder ungewöhnlich noch neu. Im Alltag liegt praktisch jedem Transportvorgang eine implizite Abwägung der Verkehrsmittelwahl zugrunde: Nehme ich das Auto oder gehe ich zu Fuß? Baue ich eine neue Autobahn oder saniere ich eine alte Strecke? Gewählt werden muss vor dem Transport - ob man richtig entschieden hat, zeigt sich erst hinterher. Erkenntnisse aus ex-post-Vergleiche bilden die Basis weiterer zukünftiger Entscheidungen der Verkehrsmittelwahl. Solchermaßen gefangen zwischen Versuch und Irrtum findet der Verkehrsteilnehmer zahlreiche Komplexe der Verkehrsmittelwahl. Einige von ihnen können Entscheidungen 1 strukturiert 2 herbeiführen, mittels dafür aufgestellter Verfahren und Kriterienkataloge, andere setzen auf Erfahrungswissen oder greifen auf externe Einflussgrößen zurück. Bei einzelnen Transportvorgängen mögen Fehlentscheidungen der Systemwahl zu verschmerzen sein - man kommt zu spät oder bezahlt zu viel. In Fragen der Mittelzuweisung für Investitionen in Verkehrssysteme und ihre Infrastruktur allerdings wirken Entscheidungen richtungweisend und können auf Jahrzehnte hinaus die wirtschaftliche Entwicklung von Systemen und den durch sie bedienten Räumen bestimmen. 3 Tatsächlich gibt es kein allgemein verwendbares Verfahren der Entscheidungsfindung zur Wahl von Verkehrssystemen oder Verkehrsmitteln für bestimmte Transportzwecke, was verwundern mag, bedenkt man, wie wesentlich effektive und effiziente Verkehrssysteme für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Raumes sind. Immerhin aber gibt es geeignete Methoden, die als Grundlagen solcher Verfahren dienen können. Im Folgenden sollen einige dieser Grundlagen vorgestellt werden, mit deren Hilfe Verkehrssysteme nach denselben formalen und funktionsbezogenen Grundsätzen beschrieben 4 und dadurch vergleichbar gemacht werden können - beispielsweise hinsichtlich Systembestandteilen, strukturellem Aufbau, Eigenschaften („Performanz“), Lebenskosten und inneren Abhängigkeiten. Eine gute Beschreibung ist wesentliche Grundlage zur Lösung anschließender Fragen - indem sie erlaubt, die Fragen richtig zu stellen. Besteht Klarheit über relevante Kriterien der Untersuchung, kann man sich mit dem Inhalt befassen, um den es letztlich geht. Praktiker nennen das „Erfahrung“ und „gesunden Menschenverstand“: Abhängigkeiten erkennen, in der Planung berücksichtigen und in Handlungen umsetzen. Verkehrsmittel lassen sich als Systeme auffassen, also als Komplexe, die beabsichtigte Ergebnisse liefern, wenn bestimmte Einheiten in bestimmter Weise zusammenwirken. 5 Was ist darunter zu verstehen? Man kann sich einen Bildschirm vorstellen, auf dem ein Spielzeugzug mit flachen Güterwagen zu sehen ist, der auf Modellbahnschienen fährt. Der Zug nähert sich einem Modellbahnhof, wo auf dem Bahnsteig eine Figur und eine Kiste stehen. Der Zug kommt an, und eine riesige Hand hebt Figur und Kiste auf einen der Güterwagen. Dann fährt der Zug los zu einem anderen Bahnhof, wo eine andere Hand Figur und Kiste auf den Bahnsteig stellt. Was hat man nun eigentlich gesehen? 6 Es hätte ein Zug sein können, der Fahrgäste und Güter abholt. Oder ein Bewegtbild eines Modellzuges, den man zur Verdeutlichung der Schritte eines Transportvorgangs fahren ließ. Oder eine Folge sinnvoll arrangierter Pixel in einer Computeranimation. Hat das Gehirn nur Sinneseindrücke zu einem sinnvoll erscheinenden Bild zusammengefügt? Hat die Zugfahrt gar nicht stattgefunden? Ist sie nur Ergebnis von Phantasie? Verwechselt man gar Modell und Original? Man möchte also herausfinden, was man gesehen hat. Man möchte die Struktur der Erscheinung verstehen. Es geht nicht darum, wie die Erscheinung aussieht, sondern was sie hervorruft. Und mit dieser Frage ist man in der strukturalen Systemanalyse angekommen. Zunächst braucht man einige Begriffe: • Ein System ist eine Einheit von Elementen, die zusammenwirken und miteinander in Wechselbeziehung stehen. Das System erfüllt einen Zweck. Es ist Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 74 MOBILITÄT Wissenschaft mit einer Grenze gegen seine Umwelt aus Raum und Zeit getrennt. • Die Beziehungen entstehen durch Signale oder Energie, die zwischen den Elementen übertragen werden; sie bilden die Struktur. Art und Umfang der ausgetauschten Informationen, also die Struktur, bestimmen, wie das System funktioniert. Die Struktur bestimmt damit die Eigenschaften des Systems. Die Struktur eines Systems kann man nur indirekt feststellen, indem man das System etwa mit Hypothesen testet. Leider erhält man damit Aussagen nur über das Modell des Systems, das der Untersuchung zugrunde liegt. Was genau man an Ergebnissen erhält, hängt also vom Standpunkt des Betrachters ab, den man wechseln kann. Damit hängt die Struktur eines Systems nicht so sehr von der räumlichen Reihung der Elemente ab, sondern vom zeitlichen Ablauf ihrer Wechselwirkung. 7 • Elemente sind Einheiten eines Systems, die durch Unterschiede in ihren Eigenschaften unterscheidbar werden. Feststellen kann man diese zum Beispiel durch bestimmte Funktionen, die die Elemente (einzeln oder im Zusammenwirken von mehreren) erfüllen. Jedes Element hat einen Wert aus sich heraus 8 - kein Element funktioniert jedoch autonom; es braucht dazu die Wechselwirkung mit anderen Elementen. Auf niedrigerer Ebene allerdings kann man ein Element als (Sub-)System auffassen, das seinerseits aus Teilen besteht, die es bilden. 9 • Sinn und Zweck: Elemente sind nur in Wechselwirkung mit anderen Elemeneten sinnvoll; nur so können sie Bedeutung übertragen, also funktionieren. • Information: „Bedeuten“ heißt „übertragen“, also Übereinstimmung annehmen zwischen einem Code A und einem Code B 10 . • Eine Funktion ist eine technische Notwendigkeit, die man auf verschiedene Weise erreichen kann. • Transport (oder Verkehr) bezeichnet alle Aktivitäten, die den Prozess der Ortsveränderung von Personen, Gütern, Information oder Energie bilden, einschließlich der unterstützenden Prozesse. 11 Sodann einige Arbeitsschritte, um ein Problem (eine Aufgabe, Frage, …) zu behandeln: • Man baut den Sachverhalt nach und versucht, sein Funktionieren zu verstehen. Man beschreibt die Struktur des Sachverhalts in Raum und Zeit. • Man bewertet es, um zu sehen, wie es seine Aufgaben erfüllt. • Man entwickelt Lösungen. „Lösung“ und „Problembeschreibung“ werden mitunter verwechselt. Nur die ersten zwei Schritte befassen sich mit der strukturellen Analyse des Problems. Im ersten Schritt beschreibt man die Struktur des (Verkehrs-) Systems in Zeit und Raum; hier beschreibt man einen Zustand, ohne zu bewerten oder zu deuten. Im zweiten Schritt führt man die Analyse des beschriebenen Zustands durch. Nun kann man vier Kriterien unterscheiden, nach denen man Beschreibung und Analyse eines Systems durchführen kann. • Zeit: Zustand zu einem Zeitpunkt (synchron) oder Entwicklung im laufe einer Periode (diachron), • Abstraktion: funktionale Struktur und konkrete Anwendung eines Systems, • Elemente: Art der für ein System notwendigen Bestandteile („Terme“) einschließlich ihrer Beziehungen (syntagmatische Reihe) und deren unterschiedliche Ausprägung (paradigmatische Variation), • Zeichen: die Bedeutung eines Elements und die Art und Weise, in der sie ausgedrückt wird Zeit 12 Systeme entwickeln sich im Laufe der Zeit 13 , erscheinen aber zu einem bestimmten Zeitpunkt unveränderlich. 14 Die damit verbundenen Perspektiven sind diachron und synchron; den Unterschied mögen die zugehörigen Grundfragen verdeutlichen: • Wie hat sich das System entwickelt? • Wie ist das System jetzt beschaffen? Die diachrone Sicht erlaubt, die Veränderungen des Systems über eine bestimmte Zeit zu erfassen, beispielsweise über den Lebenszyklus eines Systems. Die synchrone Sicht gibt eine Zustandsbeschreibung zu einem Zeitpunkt, beispielsweise eine stichtagsbezogene Bilanz. Beide Sichtweisen hängen voneinander ab 15 : Die Beschreibung der Entwicklung braucht (stichtagsbezogene) Einzeldaten; der Bilanz zum Stichtag liegt eine Entwicklung zugrunde. Im Verkehrswesen findet man synchrone Beschreibungen von Systemen bei kurzfristig wirkenden oder statischen Anwendungen, zum Beispiel Dienstanweisungen oder Fahrplänen. Die diachrone Sicht findet sich bei langfristig wirkenden Anwendungen, wie LCC-Untersuchungen oder Investitionsplänen. Jede Sichtweise hat ihre Bezugszeit - die man kennen sollte, um nicht zu Fehlurteilen zu gelangen. Und um die Zeit wahrzunehmen, braucht es einen Betrachter, der außerhalb des Sstems steht. Abstraktion 16 Dieses Kriterium hilft, zwischen dem „System an sich“ und dem Anwendungsfall zu unterscheiden. Das „System an sich“ ist durch seine Funktionen bestimmt, die sich im Anwendungsfall konkretisieren. Die eingangs geschilderte Videosequenz hat einige abstrakte Funktionen des „Systems an sich“ (Personen- und Gütertransport, Spurführung) in einer bestimmten Anwendung (Modellbahn) wiedergegeben. Indirekt ist das Kriterium der Abstraktion mit dem der Zeit verbunden: „System an sich“ - diachron; „Anwendungsfall“ - synchron. 17 Und auch hier braucht es zur Wahrnehmung einen Betrachter. Zeichen 18 Jeder hat eine bestimmte Vorstellung davon, wie ein bestimmtes Verkehrssystem aussehen sollte - diese Vorstellungen unterscheiden sich allerdings gravierend voneinander, obwohl sie dasselbe System zum Gegenstand haben. Und so entsteht Verwirrung - als Missverständnis, das sich im besten Fall durch gründliche Beschreibungen der Vorstellungen aufklären lässt. Oder als Ursache langanhaltender Konflikte: man redet über dasselbe, hat jedoch verschiedene Vorstellungen, die eben nicht ausgesprochen werden, doch der Entscheidung letztlich zugrundeliegen. Abstrakt gesprochen, geht es um die Bedeutung eines Elements (sein „Zeichen“) und dessen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 75 Wissenschaft MOBILITÄT Ausdruck im Konkreten. Beispiele finden sich zuhauf in den Diskussionen über die mutmaßllichen Auswirkungen von Verkehrsprojekten auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Und auch hier braucht es Beobachter („Nutzer“), die die Unterscheidungen treffen. Elemente 19 Jedes System besteht aus Elementen, die der Erfüllung bestimmter Funktionen dienen. Für Verkehrssysteme können sieben grundlegende Elemente (Komponenten) bestimmt werden - fehlt ein Element, funktioniert das System nicht. Diese funktional bestimmte Zusammengehörigkeit der Elemente nennt man ein Syntagma. Dem steht die praktisch unendliche Vielzahl möglicher Erscheinungsformen eines Elementes gegenüber - sie folgen alle demselben Paradigma, variieren es jedoch. Bushaltestellen beispielsweise können aus einem Schild mit Mast am Straßenrand bestehen oder aus aufwendig gestalteten städtebaulichen Ensembles - die Funktion „Schnittstelle zwischen Umwelt und System“ ist immer gleich. Damit das System funktioniert, müssen nicht nur alle Funktionen durch Elemente erfüllt sein; die Elemente müssen auch miteinander interagieren können. Die Beziehungen werden durch den Austausch von Information gebildet; ist der Austausch gestört, versagt das System. 20 Grundlage des Informationsaustauschs ist die Organisation, die das System steuert. 21 Als nächstes möchte man herausbekommen, welche Struktur einem Verkehrssystem eigentlich zugrunde liegt. Dazu stellt man fest, worin sich die Systembestandteile unterscheiden. Unterschiede grenzen Elemente gegeneinander ab und machen sie kenntlich. 22 Dazu vollzieht man drei Schritte: • Zuerst stellt man fest, was zum System gehört, wo seine Grenzen liegen und was seine Umwelt ist. • Dann bricht man das System in seine wesentlichen Bestandteile auf. • Schließlich ordnet man die Elemente entsprechend ihren Wechselbeziehungen zueinander an, sodass die Struktur des Systems kenntlich wird. Abgrenzen kann man beispielsweise nach den unterschiedlichen Funktionen, die das System erfüllen soll. Mit ein paar Regeln 23 kann man diese Analyse ergänzen: 1. Immanenz - man befasst sich nur mit der internen Struktur des Systems, nicht mit seiner Außenwirkung. 2. Sachdienlichkeit - kann man sich tatsächlich mit „Wirklichkeit als solcher“ befassen oder nur mit einer „Vorstellung von etwas Wirklichem als strukturiertem Modell“? 24 3. Vereinbarkeit - wie weit stimmen die eigenen Vorstellungen über ein System (das „Modell im Kopf“) mit den Vorstellungen anderer überein? Stößt die eigene Vorstellung auf Verständnis in Fachkreisen? 4. Integration - Elemente werden zu einem System verbunden, das seinerseits zum Element eines Systems höherer Ordnung wird, das seinerseits ... Es bildet sich eine typische abwärts- oder aufwärtskompatible Hierarchie von Systemen und Subsystemen heraus. 5. Variation in der Zeit - Systeme stehen in Wechselbeziehung mit ihrer Umwelt und verändern sich so im Laufe der Zeit (diachron): sie sind dynamisch. Betrachtet man ein System zu einem bestimmten Zeitpunkt betrachten (synchron), so vernachlässigt man die zeitlichen Änderungen. Tatsächlich bedingen sich diachrone und synchrone Betrachtung - eine ist ohne die andere nicht möglich. 6. Sechs Regeln der Funktion • Totalität: Anordnung und Beziehungen der Elemente sind mehr als die Summe der einzelnen Elemente. • Interdependenz: Die Elemente hängen voneinander ab; Änderungen bei einem Element beeinflussen alle anderen Elemente. • Transformation: Änderungen an Elementen unterliegen bestimmten Regeln. • Selbst-Regulation: Dieser Änderungsprozess regelt sich selbst. • Invarianz: Anordnung und Beziehungen der Elemente (System und Struktur) behalten - unter allen Um- und Zuständen - ihre Identität. So können sie in jedem Zustand klar von anderen Systemen unterschieden werden. • Definition: Anordnung und Beziehungen der Elemente können durch eindeutige Handlungen bestimmt werden. Und wenn man diese Methode auf ein Verkehrssystem anwendet? Die Struktur von Sprachen wird aus Lexik (Wortschatz) und Grammatik (Regeln) gebildet - gleichermaßen besteht die Struktur eines Verkehrssystems aus den Komponenten (gewissermaßen die Lexik) und ihren Beziehungen (wie eine Grammatik). Manche Komponenten und Beziehungen werden beim Betrieb des Verkehrssystems offenkundig, andere treten erst bei Fehlfunktion zutage oder überhaupt erst durch eine umfassende Beschreibung des Systems. Ein Verkehrssystem dient dazu, den Transportbedarf eines Kunden 25 zu bedienen. Die dafür nötigen Funktionen bestimmen die Komponenten des Systems und ihr Interagieren (die erwähnten Beziehungen). Die Kundenzufriedenheit ist Gradmesser für den Erfolg des Verkehrssystems. 26 Zunächst bestimmt man, was zum System dazugehört und was nicht - man grenzt es gegen seine Umwelt ab. Damit legt man auch fest, was zum Anwendungsfall gehört (Transportaufgabe, Bedienungsraum, Bezugszeit). Bild 1: Bestandteile eines Verkehrssystems - aus Kundensicht (Etzold/ Schröter (2006) Basis-Komponente Transport zu Fuß System- Komponenten Meta-Komponente Bediener Fahrzeug Fahrweg Schnittstelle Durchführung Angebot Kommunikation, Service Organisation Anwendung: Nutzer, Umfeld, Zeitraum Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 76 MOBILITÄT Wissenschaft Sodann teilt man das System in seine Elemente auf 27 : Nachdem der Zweck jedes Verkehrssystems der Transport ist, sind die dazu nötigen Funktionen bei jedem Verkehrssystem gleich 28 - in ihrer Ausprägung unterscheiden sie sich natürlich. Beispielsweise erfüllt die Komponente „Weg“ die Funktionen „Tragen“, „Führen“, „Vortreiben“, „mit Energie versorgen“ und „Signalisieren“. Jede Komponente besteht aus mehreren Subkomponenten, die - einzeln oder in Wechselwirkung mit anderen Komponenten - eine oder mehrere Funktionen erfüllen. Um die Funktion des Systems nachzuvollziehen, müssen alle Komponenten erfasst werden; fehlt eine, ist die Beschreibung des Systems unvollständig; ein darauf aufbauendes Modell würde nicht nutzbare Ergebnisse liefern. Die einzelnen Überlegungen erscheinen trivial und sind es auch; sie sind längst Bestandteile wissenschaftlichen Arbeitens. 29 Das hier beschriebene Verfahren des Strukturalismus wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt, um Sprachen systematisch untersuchen zu können. Es ist jedoch grundsätzlich neutral in Methodik und Terminologie - deshalb eignet sich dieses Verfahren, um auch Systeme außerhalb der Geisteswissenschaften zu untersuchen. 30 Der Ansatz, über die Struktur eines Systems an eine möglichst passende Beschreibung zu gelangen, ist eine Möglichkeit dazu. Im Zusammenwirken mit anderen Methoden kann die „Methodenmethode“ des Strukturalismus zumindest helfen, Vergleichbarkeit und Klarheit herzustellen. ■ Der Beitrag ist eine überarbeitete Version eines Vortrages, den der Verfasser am 26. September 2012 auf der FOVUS-Konferenz in Stuttgart gehalten hat. 1 Zum Beispiel in den standardisierten Abläufen von Sicherheitsprüfungen zur Zulassung von Signalsystemen. 2 „Strukturiert“ kann sich einerseits auf die Methodik beziehen, andererseits auf das Untersuchungsziel, die Systemstruktur. In diesem Aufsatz geht es um beides. Vgl. Reif (1973), p. 188 3 Nicht zu entscheiden ist auch keine Lösung - wie beispielsweise die Parallelentwicklung im Hochgeschwindigkeitsverkehr von Magnetschwebetechnik und Rad-Schiene-Technik während der 1970er Jahre zeigt. 4 Vgl. Etzold/ Schröter (2006), p.39 5 Vgl. Schröter/ Etzold 2006 6 Vgl. Platons Höhlengleichnis (Dialog Glaukon / Politeia VII). 7 Vgl. Lévi-Strauss (1996), p. 260 8 nach Roman Jakobson, zitiert in Reif (1973) p. 59 9 Vgl. Fricke/ Pierick (1990) p. 10 10 nach Claude Lévi-Strauss, zitiert in Reif (1973) p.58. 11 nach Kummer (2010) p.33. 12 Vgl. Saussure (1967), pp. 108-119 und Saussure (1967/ 1968/ 1974) erster Teil, Kapitel III, §§ 6 - 9 13 Verkehrssysteme können sich als Art entwickeln (zum Beispiel das System „Straßenbahn“) oder als Einzelanwendung (ein bestimmter Verkehrsbetrieb). Bei biologischen Systemen nennt man dies Phylogenese und Ontogenese. 14 Vgl. Fricke/ Pierick (1990) p. 10: „Verkehr ist die Summe aller Ortsveränderungen von Personen und Sachen innerhalb eines Betrachtungszeitraumes in Abhängigkeit von der Zeit.“ 15 Vgl. Lévi-Strauss (1996), p. 258 16 Vgl. Saussure (1967) pp. 132 - 146 und Saussure (1967/ 1968/ 1974) zweiter Teil, Kapitel IV, §§ 1 - 4 17 Vgl. Reinhardt p.131 18 Vgl. Saussure (1967) pp. 76 - 82 und Saussure (1967/ 1968/ 1974), erster Teil, Kapitel I, §§ 1 - 2 19 Vgl. Saussure (1967) pp. 147 - 151 und Saussure (1967/ 1968/ 1974), zweiter Teil, Kapitel V, §§ 1 - 3 20 Der Zustand der Fahrbahn beispielsweise bestimmt, wieviel Kraft vom Fahrzeug auf die Fahrbahn übertragen werden kann. Berücksichtigt dies der Bediener nicht, versagt nach Überschreiten der Grenzwerte der Kraftschluß; die Fahrt endet unge-plant. 21 Die Elemente entwickeln sich über die Zeit - was genau sich wann ergibt, hängt wesentlich von der Wechselwirkung zwischen den Komponenten ab, also vom Informationsaustausch über die Grenzen der Zuständigkeit für Komponenten hinweg. 22 Vgl. Reif (1973) p.188: beispielsweise nach Roland Barthes. 23 Vgl. Reif (1973) pp. 188 24 Vgl. Lévi-Strauss (1996) p. 262, p. 265 25 Es gibt mehrere Ansätze, um Verkehrssysteme zu beschreiben: Aus der Nutzersicht, nach der technischen Funktion, als kybernetisches System, als “Produkt” des Marketings, prozessual als ein supply chain system der Logistik, (Vgl. Etzold/ Schröter (2006)). Jeder Ansatz hat seinen besonderen Schwerpunkt mit seinen Randbedingungen; die resultierenden System-Beschreibungen („Modelle“) unterscheiden sich deutlich, in Zusammensetzung und Funktionsbeschreibung. Unter solchen Umständen kann es keine „richtige“ Analyse geben, sondern nur Analysen, die bestimmte Zwecke erfüllen. 26 Latour (1996) weist ausdrücklich darauf hin, dass für den Erfolg eines Verkehrssystems entscheidend ist, wie weit bereits im frühen Stadium der Planung die Bedürfnisse der Nutzer (“Kunden”) berücksichtigt werden. 27 Um einen Ausdruck der Logistik zu verwenden: Das System wird „CKD“ vorgestellt - completely knocked down. 28 Vgl. Etzold/ Schröter (2006) 29 z.B. Ropohl (2009), Simon (2011) 30 Natürlich sollte man dabei nicht wortwörtlich vorgehen - eine gewisse Unabhängigkeit bleibt stets angezeigt. Wichtig ist, welche Funktion ein Kriterium erfassen soll, nicht, welchen linguistischen Fachausdruck man dafür verwendet. Vgl. Jakobson (1970) p. 34 LITERATUR [1] Paavo Etzold, Reinhold Schröter: Beschreibung von Verkehrssystemen, in: Der Nahverkehr 9/ 2006, pp. 36-42 [2] Hans Fricke, Klaus Pierick: Verkehrssicherung. B .G.Teubner Verlag, Stuttgart 1990 [3] Arthur Jacobs, Raoul Schrott: Gehirn und Gedicht - wie wir unsere Wirklichkeiten konstruieren. Carl Hanser Verlag, München 2011 [4] Roman Jakobson: Poesie und Sprachstruktur - zwei Grundsatzerklärungen. Verlag Die Arche, Zürich 1970 [5] Sebastian Kummer: Einführung in die Verkehrswirtschaft. 2. Auflage, Verlag Facultas. wuv, Wien 2010 [6] Bruno Latour: ARAMIS or the love of technology. Harvard University Press, Cambridge/ Massachusetts 1996 [7] Claude Lévi-Strauss: Mythos und Bedeutung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/ Main 1996 [8] Michael Rudolf Luft: Systematik - die universale Systemtheorie. Pro Business GmbH, Berlin 2006 [9] Platon: Das siebte Buch der Politeia (Glaukon), griechisch-deutsch, herausgegeben und übersetzt von Rudolf Rehn, Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2005 [10] Adelbert Reif (Hrsg.): Antworten der Strukturalisten: Roland Barthes, Michel Foucault, François Jacob, Roman Jakobson, Claude Lévi-Strauss. Hoffmann und Campe, Hamburg 1973 [11] Thomas Reinhardt: Claude Lévi-Strauss zur Einführung. Junius-Verlag, Hamburg 2008 [12] Günter Ropohl: Allgemeine Technologie - eine Systemtheorie der Technik. Universitätsverlag Karlsruhe, 3. Aufl., Karlsruhe 2009 [13] Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, hrsg. v. Charles Bally und Albert Sechehaye, 2. Auflage, Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin 1967 [14] Ferdinand de Saussure: Cours de Linguistique Générale. Édition critique par Rudolf Engler, 1er de 3ème fascicule, Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1967/ 68, 4ème fascicule 1974 [15] Reinhold Schröter, Thomas Siefer: Bus- und Straßenbahnsysteme im Kostenvergleich - wie aussagefähig ist die neue FGSV-Empfehlung? In: Der Nahverkehr 4/ 2009, pp. 12-19 [16] Fritz B. Simon: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus. 5. Auflage, Carl Auer Verlag GmbH, Heidelberg 2011 Reinhold Schröter, Dipl.-Ing. Stuttgarter Straßenbahnen AG, Stuttgart reinhold.schroeter@mail.ssb-ag.de Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 77 Verkehrsbeeinflussung TECHNOLOGIE Anwendungsplattform Intelligente Mobilität Die Entwicklung intelligenter Mobilitätsdienste im realen Verkehrsumfeld Mit der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) steht am Institut für Verkehrssystemtechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) ein umfassender Baukasten für die Entwicklung und prototypische Erprobung intelligenter Mobilitätsdienste zur Verfügung. Mit dem langfristigen Betrieb der Forschungsinfrastruktur bis nach 2028 geht das DLR weit über den Rahmen konventioneller Forschungsprojekte mit temporär betriebenen Anlagen hinaus. Die geschaffene Forschungsinfrastruktur steht für gemeinsame Projekte mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft zur Verfügung. Die Wiederverwendung vorhandener Bausteine führt zu einer Kosten- und Zeitersparnis in der praktischen Demonstration wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dieser Beitrag stellt die besonderen Herausforderungen eines dauerhaften Betriebes einer Forschungsinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum dar. Die Autoren: Lars Schnieder, Karsten Lemmer B ei der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) handelt es sich in wesentlichen Anteilen um eine Forschungsinfrastruktur (Sensorik- und Kommunikationseinrichtungen) im öffentlichen Straßenraum (vgl. [1] und [2]). Die einzelnen Bausteine von AIM können zu einer geschlossenen Wirkungskette verknüpft werden, die sich bruchlos von der sensorischen Erfassung der Realität des Verkehrsablaufs über die Anwendung von Simulationen zur Prognose des zu erwartenden Verkehrszustands bis hin zu einer gezielten Beeinflussung des Verkehrsgeschehens erstreckt. Forschungsinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum Dies kann exemplarisch an drei der insgesamt über 20 Anlagenteile verdeutlicht werden: Die Forschungskreuzung ist ein Multisensorsystem an einer vielbefahrenen Kreuzung im Gebiet der kreisfreien Stadt Braunschweig. Für die Erfassung von Fahrzeugtrajektorien auf der Kreuzungsinnenfläche wurden an vier Beleuchtungsmasten auf den Fahrbahnmittelinseln Video- und Radarsensoren installiert (vgl. Bild 1). Darüber hinaus wurden für die Erfassung des Bewegungsverhaltens nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer an zwei Fußgängerfurten Stereokamerasysteme in Betrieb genommen. Sensordatenverarbeitung und -fusion erfolgen in einem Schaltschrank in unmittelbarer Nähe zur Kreuzung. Die Referenzstrecke für die Fahrzeug- Infrastruktur-Kommunikation besteht aus einem mehr als 12 km langen Streckenzug mit insgesamt 35 für den Betrieb kooperativer Fahrerassistenzsysteme ausgerüsteten Lichtsignalanlagen. Die einzelnen Kreuzungen sind für die Datenübertragung mit den WLAN Standards IEEE 802.11p (Kommunikation mit Kraftfahrzeugen) und IEEE 802.11 b/ g/ n (Kommunikation mit nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern) ausgestattet (vgl. Bild 2). Mit dem Forschungsbahnübergang betreibt das DLR eine semi-stationäre messtechnische Einrichtung, die flexibel an verschiedene Einsatzorte verlegt werden kann. Der Forschungsbahnübergang dient der Untersuchung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer an Bahnübergängen im Rahmen langfristiger Studien. Durch die Ausführung als quasi mobiles Gehäusekonzept gelingt eine Untersuchung des Verkehrsverhaltens an einem breiten Spektrum unterschiedlicher Bahnübergänge. Dies schließt die vergleichende Betrachtung verschiedener Sicherungs- und Überwachungsarten sowie variierender Lageplanfälle mit ein (vgl. [3]). Mit dem dauerhaften Betrieb einer Forschungsinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum bis hin zur Einbettung in vorhandene Systeme des städtischen Verkehrsmanagements geht AIM weit über Ansätze- konventioneller Forschungsprojekte hinaus. Die hieraus resultierenden Anforderungen an einen Anlagenbetrieb müssen durch eine adäquate Aufbau- und Ablauforganisation zuverlässig umgesetzt werden. Ziele und Elemente der Betriebsorganisation Der Betrieb einer Großforschungsanlage im öffentlichen Straßenraum bringt hohe Anforderungen mit sich. Die für den Betrieb im öffentlichen Straßenraum zentralen Anforderungen sind in Bild 3 im inneren Kreis dargestellt. Den Anforderungen werden im Bild 1: Sensoreinrichtungen der Forschungskreuzung im öffentlichen Straßenraum Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 78 TECHNOLOGIE Verkehrsbeeinflussung Rahmen des Aufbaus einer Betriebs- und Instandhaltungsorganisation Elemente gegenübergestellt, durch die diese erfüllt werden. Die aus den Anforderungen abgeleiteten Lösungsansätze der Betriebs- und Instandhaltungsorganisation werden im folgenden Abschnitt erläutert. Die Sicherheit des Straßenverkehrs darf durch den Betrieb einer Großforschungsanlage im öffentlichen Straßenraum sowie die Durchführung von Forschungsaktivitäten nicht negativ beeinflusst werden. Hierfür ist bereits beim Aufbau der Anlage im öffentlichen Straßenraum eine technische Rückwirkungsfreiheit nachzuweisen. Für etwaige Änderungen und Modifikationen der verkehrstechnischen Infrastruktur (beispielsweise das Einbringen geänderter Signalzeitenpläne für spezifische Forschungsfragestellungen) sind klar definierte Dokumente, Rollen und Verantwortlichkeiten für die Erwirkung verkehrsbehördlicher Genehmigungen abzustimmen. Dies schließt gegebenenfalls simulative Nachweise zur Dokumentation der verkehrstechnischen Unbedenklichkeit der forschungsgeleiteten Verfahren und Algorithmen mit ein. Zur Wahrung der Verkehrssicherungspflichten werden regelmäßige Inspektionen vorgesehen. Im Falle von Modifikationen sowie präventiven und korrektiven Instandhaltungstätigkeiten werden die Maßnahmen in geeigneter Weise im Verkehr gesichert. Die Einhaltung definierter Qualitätsparameter im Betrieb ist eine aus der besonderen Rolle der Großforschungsanlage als Mess- und Prüfmittel resultierende Anforderung. Die Anlage muss stets innerhalb der spezifizierten und zulässigen Parameter arbeiten. Ein Beispiel hierfür ist die Einhaltung einer garantierten Sendereichweite der Infrastruktureinrichtungen für die Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation. Hierfür sind bereits im Aufbau der Anlage geeignete Werkzeuge für die Anlagenüberwachung und -diagnose implementiert worden. Diese erlauben eine kontinuierliche Überwachung der räumlich im Stadtgebiet verteilten Forschungsinfrastruktur und vereinfachen durch gezielte Diagnose die Disposition korrektiver Maßnahmen. Durchgeführte Änderungen an Hard- und Software werden ebenso wie durchgeführte Kalibrationen sensorischer Einrichtungen revisionssicher dokumentiert. Eine Forschungsinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum muss eine Flexibilität der Anpassung an die Forschungsprojekte aufweisen. Forschungsprojekte weisen per Definition einen Neuheitsgrad auf. Die genauen Anforderungen an die konkrete funktionale und gerätetechnische Ausprägung des Testfeldes offenbaren sich meist erst im Verlaufe des Forschungsvorhabens und werden gegebenenfalls iterativ verfeinert. Da nicht alle Anforderungen möglicher zukünftiger Projekte für den langen Zeitraum des geplanten Betriebs vorhergesehen werden können, sieht der Betrieb der Anlage einen Basis-Service-Level vor. Für den Zeitraum konkreter Testkampagnen wird der Service-Level der betroffenen Anlagenteile bedarfsgerecht an die spezifische räumliche und zeitliche Konstellation der Testaktivitäten angepasst. Gleichfalls werden die initial definierten Service-Levels gegebenenfalls auf der Grundlage vorliegender Betriebserfahrungen modifiziert. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Großforschungsanlagen ist für das Institut für Verkehrssystemtechnik ein selbstverständlicher Anspruch. Durch die Einbeziehung von Systemherstellern und etablierter Instandhaltungsdienstleister werden Synergien zur Instandhaltung der Anlagen des städtischen Verkehrsmanagements (Personalressourcen, technische Geräte, Lagerhaltungsprozesse) genutzt. Für die konkrete Ausgestaltung der Service-Level-Ziele und die Vorhaltung von Ersatzkomponenten gilt die Maxime „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Etwa erforderliche Abweichungen werden den einzelnen Forschungsvorhaben verursachungsgerecht zugeordnet und diesen gegenüber transparent abgerechnet. Für eine verlässliche Bedienung der Anforderungen von Forschungsvorhaben ist eine Verfügbarkeit der Forschungsinfrastruktur zu gewährleisten. Die Anlage muss den geplanten Projektaktivitäten im vereinbarten funktionalen, räumlichen und zeitlichen Umfang zur Verfügung stehen. Das zentrale Element hierbei ist die gegenseitige Synchronisation von Forschungs- und Instandhaltungsaktivitäten durch abgestimmte Test- und Instandhaltungskalender. Um Ausfallzeiten zu minimieren, sind kurze Zugriffszeiten vereinbart. Als kritisch definier- Bild 3: Ziele und Elemente der Instandhaltungsorganisation Bild 2: Sende-und Empfangseinrichtungen für die Fahrzeug- Infrastruktur-Kommunikation Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 79 Verkehrsbeeinflussung TECHNOLOGIE te Komponenten sind im Lager verfügbar oder haben eine mit den entsprechenden Lieferanten vereinbarte kurze Lieferzeit. Das Thema Zugriffs- und Datenschutz ist für eine im öffentlichen Verkehrsraum betriebene Forschungsinfrastruktur eine zentrale Fragestellung. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des einzuhaltenden rechtlichen Rahmens des Datenschutzes. Insbesondere beim Betrieb einer Forschungsinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum ist das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung ist zu wahren. Die aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) resultierenden Rechte der Betroffenen sind sorgfältig gegen den Nutzen der Forschung abzuwägen. Zu diesem Zweck wurden die Datenschutzbeauftragten des DLR und des Landes Nordrhein- Westfalen frühzeitig eingebunden. Datenschutzkonzepte stellen sicher, dass ohne unbillige Einschränkung von Persönlichkeitsrechten der Bürgerinnen und Bürger ausreichend Daten für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Darüber wird die Forschungsinfrastruktur vor unberechtigtem Zugriff von außen geschützt. Mit dem IT-Provider wurden Sicherungskonzepte erstellt und intern abgestimmt. Dies umfasst die Implementierung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen wie Firewalls, mechanischen Zugriffschutz sowie Überwachungseinrichtungen wie beispielsweise eine Intrusion Detection in den einzelnen Schalthäusern. Fazit und Ausblick Mit AIM steht Wissenschaft und Industrie ein leistungsfähiges Portfolio an Bausteinen für anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung intelligenter Mobilitätsdienste zur Verfügung. Diese Bausteine können in industriell oder institutionell geförderte Forschungsvorhaben eingebracht werden. Das vorhandene Spektrum von insgesamt 24 Teilanlagen wird hierbei bedarfsorientiert ergänzt. So wächst mit jedem Projekt die verfügbare Basis. Zukünftige Entwicklungsrichtungen von AIM gehen in Richtung eines Ausbaus des Testfeldes für das höherautomatisierte / hochautomatisierte Fahren. Weiterhin soll der geographische Umfang um eine Betrachtung verkehrlicher Szenarien auf Autobahnen ergänzt werden. Durch den Aufbau einer multimodalen Datenbasis steht darüber hinaus ein Instrumentarium für die Konzeption multimodaler Mobilitätsdienste zur Verfügung. ■ LITERATUR [1] Schnieder, Lars; Lemmer, Karsten: Anwendungsplattform Intelligente Mobilität - eine Plattform für die verkehrswissenschaftliche Forschung und die Entwicklung intelligenter Mobilitätsdienste. In: Internationales Verkehrswesen (64) 4/ 2012, S. 62-63. [2] Schnieder, Lars; Grippenkoven, Jan; Lemmer, Karsten; Wang, Wei; Lackhove, Christoph: Aufbau eines Forschungsbahnübergangs im Rahmen der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität. In: Signal und Draht (105) 06/ 2013, S. 25-28. [3] Schnieder, Lars; Grippenkoven, Jan; Lemmer, Karsten; Wang, Wei; Lackhove, Christoph: Untersuchung des Verkehrsablaufs am Forschungsbahnübergang - Perspektiven der Erhöhung der Sicherheit an Bahnübergängen. In: Eisenbahntechnische Rundschau, voraussichtlich Ausgabe 06/ 2014. Lars Schnieder, Dr.-Ing. Projektleiter AIM, Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Braunschweig lars.schnieder@dlr.de Karsten Lemmer, Prof. Dr.-Ing. Direktor des Instituts für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Braunschweig karsten.lemmer@dlr.de 18/ 13 29. April 2013 w w w.railbusines s.de IS SN 1867-2728 Der wöchentliche Branchenreport von Eurailpress und DVZ B U S I N E S S 1 29.4.2013 | 18/ 13 Europäische Bahnen '13 | '14 34 Länder, 1.250 Unternehmen, über 3.000 Ansprechpartner, 15.000 Triebfahrzeuge - In der 7. Auflage finden Sie jetzt auch Estland, Lettland, Litauen, UK, Irland und vieles mehr . . . Erscheinungstermin: 1. Juni 2013 Preis: 128,- € (inkl. MwSt., zzgl. Versand), Preis (für Rail Business Abonnenten): 96,-€ (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen Details zum Buch unter www.eurailpress.de/ eb NEU! Jetzt bestellen ■ Wie Manager von 100 Unternehmen der Bahnbranche weltweit die Geschäftsentwicklung bewerten Seite 2 ■ Warum der Vorsitzendes des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen sein Mandat niedergelegt hat Seite 3 ■ Wie die VTG und Kühne+Nagel auf dem Gebiet der Schienenlogistik zusammenarbeiten wollen Seite 4 ■ Warum sich auch ein EVU Hoffnung auf Rückzahlung von Belastungen durch Regionalfaktoren macht Seite 6 ■ Wie die polnische Güterbahn PKP Cargo ihren Aktionsradius Richtung Westen ausdehnt Seite 7 Lärmzuschlag auf Trassenpreis ab Juni Infrastruktur DB Netz wird für Güterzüge, deren Wagen nicht die Grenzwerte der europäischen Lärmschutznorm TSI Noise einhalten, vom 01.06.2013 an einen Lärmzuschlag von 1 % auf den Trassenpreis erheben. Dies kündigte DB-Netz-Vertriebsvorstand Dr. Jürgen Sandvoß am 10.04.2013 vor Medienvertretern in Berlin an. Die einbehaltenen Mittel werden an Eisenbahnverkehrsunternehmen ausgeschüttet, die mit nach dem 09.12.2012 Lärm sanierten Güterwagen auf deutschen Strecken unterwegs sind. Insgesamt müssen 150 Mio. EUR auf diesem Wege eingenommen und verteilt werden. Die Mittel werden laut Sandvoß restlos an die Berechtigten ausgezahlt. RB 29.4.13 (ici) Netz und Betrieb in Frankreich sollen Mutterorganisation unterstellt werden Bahnstruktur Die Eisenbahninfrastruktur und das staatliche Eisenbahnverkehrsunternehmen in Frankreich sollen einer Mutterorganisation unterstellt werden. Mutter, Infrastruktur und Verkehrsunternehmen bilden zusammen einen „öffentlichen Bahnpool“. Diesen Vorschlag für eine Bahnreform haben am 22.04.2013 in Paris die von der Regierung beauftragten Regionalpolitiker Jean-Louis Bianco und Jacques Auxiette Premierminister Jean-Marc Ayrault und Verkehrsminister Frédéric Cuvillier übergeben. Auf dieser Grundlage wird die Regierung ein Bahnreformgesetz ausarbeiten, das noch vor Ende des Jahres im Parlament beraten und verabschiedet werden soll. Die Mutterorganisation, die SNCF als nationales Bahnbetriebsunternehmen, und die „vereinheitlichte Infrastruktur- Verwaltung“ erhalten den Status einer „öffentlich-rechtlichen Industrie- und Handelsunternehmung“ (EPIC). Für jede der drei Einrichtungen wird es sowohl eine Direktion als auch einen Aufsichtsrat geben, in dem der Staat, die Regionen und die Belegschaft Sitz und Stimme haben. Die Kompetenzen und Rechte der Mutterorganisationen sind noch zu präzisieren. Bianco sieht deren Aufgabe darin, die Strategie des Bahnsystems festzulegen. RB 29.4.13 (kls/ ici) In dieser Ausgabe: Foto: R. Klingsieck Bei der Vorstellung ihrer Reformvorschläge: Jean-Louis Bianco (links) und Jacques Auxiette RBS_018-13_1_1_20130426124005_474010.indd 1 26.04.2013 12: 40: 10 1 29.4.2013 | 18/ 13 Europäische Bahnen '13 | '14 34 Länder, 1.250 Unternehmen, über 3.000 Ansprechpartner, 15.000 Triebfahrzeuge - In der 7. Auflage fi - In der 7. Auflage fi - In der 7. Aufl nden Sie jetzt auch Estland, Lettland, Litauen, UK, Irland und vieles mehr . . . age finden Sie jetzt auch Estland, Lettland, Litauen, UK, Irland und vieles mehr . . . age fi Erscheinungstermin: Erscheinungstermin: 1. Juni 2013 1. Juni 2013 Preis: Preis: 128,- € (inkl. MwSt., zzgl. Versand), (inkl. MwSt., zzgl. Versand), Preis (für Preis (für Rail Business Abonnenten): Abonnenten): 96,-€ (inkl. MwSt., zzgl. Versand) (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Verzeichnis der Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen Details zum Buch unter www.eurailpress.de/ eb NEU! Jetzt bestellen und verteilt werden. Die Mittel werden laut Sandvoß restlos an die Berechtigten ausgezahlt. RB 29.4.13 (ici) und Verkehrsminister Frédéric Cuvillier übergeben. Auf dieser Grundlage wird die Regierung ein Bahnreformgesetz ausarbeiten, das noch vor Ende des Jahres im der Mutterorganisationen sind noch zu präzisieren. Bianco sieht deren Aufgabe darin, die Strategie des Bahnsystems festzulegen. RB 29.4.13 (kls/ ici) Jetzt Probe lesen unter www.railbusiness.de/ testausgabe DVV Media Group GmbH | Eurailpress · Postfach 10 16 09 · 20097 Hamburg Fax: +49 40/ 237 14-258 · E-Mail: kundenservice@dvvmedia.com · www.eurailpress.de „Die Eisenbahn ist facettenreich. Dank Rail Business erfahren wir, wie bunt und schattiert sie fernab der Küste ist. Besonders der tägliche E-Mail-Newsletter versorgt uns mit aktuellen Nachrichten. So erfahren wir sofort, was sich im Bahnverkehrswesen bewegt.“ Dipl.-Ing. Ingo Dewald Geschäftsführer Norddeutsche Eisenbahngesellschaft Niebüll GmbH Rail Business ist ein Gemeinschaftsprodukt der Bahnfachleute von Eurailpress und DVZ „Rail Business - für unser Unternehmen eine wichtige Informationsquelle.“ 5666_anz_RB_ERP_Testimonial_Dewald_210x148.indd 1 13.03.2014 09: 21: 50 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 80 TECHNOLOGIE RFID-Praxis Be- und Entladeprozesse optimieren Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik helfen Falschverladung zu vermeiden Zeit ist Geld, auch in der Logistik. Deshalb kommt es auf effiziente Planung und einen reibungslos zügigen Transportablauf an. Ladebrücken mit integrierter RFID-Technologie von Hörmann sorgen für einen zuverlässigeren, schnelleren und berührungslosen Be- und Entladevorgang und beugen Falschverladungen vor. Der Autor: Rüdiger Bierhenke S eit geraumer Zeit ist Radio-Frequency Identification (RFID) zum automatischen und berührungslosen Identifizieren in der Verladetechnik bereits etablierte Praxis. Wie sich RFID zur Optimierung der täglichen Be- und Entladeprozesse nutzen lässt, zeigt die Installation einer RFID-Ladebrücke von Hörmann, die bei der Firma Wilms OHG in Melle in Betrieb ist. Wilms ist unter anderem als Logistik- Dienstleister und Systemintegrator für RFID-Technologie tätig für die Felix Schoeller-Gruppe, den in Osnabrück ansässigen Papierhersteller. Als Mitentwickler der Hörmann-Ladebrücken mit integrierter RFID-Technik verfügt Wilms im Logistic- Process-Center Melle über Verladestellen, die mit dieser innovativen Technologie ausgestattet sind. Der Unterschied zu anderen marktüblichen Lösungen: Bei der Hörmann-Lösung werden die RFID-Antennen nicht als Gates rund um das Verladetor installiert - sie sind direkt unter der Ladebrücke und damit in unmittelbarer Nähe zu dem an der Europalette befestigten Transponder (Bilder 1 und 2) montiert. Durch den geringeren Abstand zwischen Antenne und Transponder können alle lieferscheinrelevanten Daten berührungslos ausgelesen und erfasst werden - zuverlässiger als bisher und durch die Integration in die Ladebrücke auch noch vor Beschädigungen geschützt. Kommissionieren der Ware beim Lieferanten Beim Lieferanten läuft die Verladung mit einer solchen RFID-Ladebrücke nicht wesentlich anders ab als bisher. Zunächst wird die Ware auf eine mit RFID-Chip versehene Palette kommissioniert: Dazu wird zunächst die Ware auf der Palette automatisch gescannt, mit der Paletten-ID verknüpft und in das Warenwirtschaftssystem übertragen (Bild 3). Dieses Datenpaket ordnet Palette und Ware einander eindeutig zu. Warenausgang: Falschverladung wird vermieden Nun kann der Beladevorgang beginnen. Der zuständige Mitarbeiter wählt den zur Palette passenden Lieferschein im Warenwirtschaftssystem der Verladestation aus (Bild- 4). Dann kann der Staplerfahrer die Bild 1: An den Paletten sind RFID-Transponder angebracht. (Alle Fotos: Hörmann) Bild 2: Drei RFID-Antennen sind über Schlitze in die Hörmann Ladebrücken integriert. TECHNOLOGIE RFID-Praxis Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 81 RFID-Praxis TECHNOLOGIE Palette in den LKW verladen. Der Warenausgang wird automatisch von den Antennen in der Ladebrücke erfasst und mit dem ausgewählten Lieferschein im Warenwirtschaftssystem abgeglichen. Bei vielen Transportgütern sind also keine Gates rund um das Tor notwendig, um die verladene Ware zuverlässig zu erfassen. Während des Datenabgleichs leuchtet eine gelbe Signallampe neben dem Tor. Stimmen die im System ausgewählten Daten mit denen der RFID-Antenne überein, wird die Beladung also als korrekt erkannt, leuchtet zusätzlich eine grüne Lampe auf - die Ware kann in den dafür vorgesehenen LKW verladen werden. Stimmen jedoch die in der Ladebrücke erfassten Daten nicht mit denen des ausgewählten Lieferscheins überein, signalisieren ein lautes Warnsignal und eine rote Lampe dem Personal diesen Fehler (Bild 5). Eine versehentliche Falschbeladung beim Lieferanten ist damit ausgeschlossen. Wareneingang: Automatisch erfasst und kontrolliert An der Verladestation des Kunden wählt der zuständige Mitarbeiter zunächst den relevanten Lieferschein aus (Bild 6). Dann ist das System bereit, die Entladung der Ware kann beginnen. Die Paletten passieren wiederum eine mit RFID-Antennen ausgestattete Ladebrücke. Und wieder werden die von der RFID- Antenne erfassten Daten an das Warenwirtschaftssystem geleitet, das sie mit den Lieferscheindaten abgleicht und damit den korrekten Wareneingang verifiziert - die grüne Lampe leuchtet auf (Bild 7). So wird nicht nur verhindert, dass versehentlich die falsche Ware entladen wird. Zugleich ist auch der Wareneingang beim-Kunden erledigt - das übliche manuelle Erfassen und Kontrollieren der Ware durch einen Mitarbeiter ist nicht mehr notwendig. Durch diesen Zeitgewinn rechnen sich RFID-Ladebrücken schnell. Auch bereits vorhandene Ladebrücken lassen sich nachträglich mit integrierten RFID-Antennen ausrüsten. Und durch die platzsparende Lösung kann der Raum rund um das Tor genutzt werden. ■ Rüdiger Bierhenke Verkaufsleiter Industrietore und Verladetechnik, Hörmann KG r.bierhenke.vkg@hoermann.de Bild 7: Bestätigt die RFID-Ladebrücke, dass die richtige Palette entladen wird, leuchtet das grüne Lichtsignal oberhalb des Monitors. Bild 3: Die Palette ist kommissioniert, die Ware gescannt und in das Warenwirtschaftssystem übertragen. Zum Schluss wird auch der Transponder der Palette erfasst. Bild 4: Der Beladevorgang beginnt mit der Auswahl des gewünschten Lieferscheins im System. Bild 5: Stimmen die von der RFID-Antenne erfassten Daten nicht mit denen des gewählten Lieferscheins überein, signalisieren ein Warnsignal und eine rote Lampe den Fehler. Bild 6: Am Wareneingang des Kunden wird der relevante Lieferschein aufgerufen. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 82 TECHNOLOGIE Autonomes Fahren Autonome Fahrzeuge für-die-Logistik Fahrerlos transportieren gehört in der Intralogistik in vielen Bereichen zum Standard. Ist das auch für den Güterverkehr denkbar? Welche Autonomie ist technisch möglich? Welcher Nutzen und welche Rebound- Effekte wären damit verbunden? Das Förderprojekt Villa Ladenburg der Daimler und Benz Stiftung geht diesen Fragen nach. Die Autorin: Heike Flämig S eit den 1960er Jahren kennt die Logistik Fahrerlose Transportsysteme (FTS). Die Führung erfolgt meist über induktiv gelenkte Fahrzeuge und ist damit infrastrukturgebunden. Es existieren auch Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF), die Abschnitte einer Fahrt zu einem vorgegebenen Ziel autonom fahren. Die Gründe, die für den Einsatz von FTS und FTF angeführt werden, sind vielfältig: Einsparungen von Personalkosten, hohe Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit bei hoher Materialflussintensität und hohe Transportsicherheit. Auch auf Seehafen- Terminals, in abgelegenen Regionen oder beim Militär sind fahrerlose Fahrzeuge bereits im Einsatz. Welche Nutzungskonzepte sind für den Güterverkehr denkbar? Im Rahmen des Förderprojekts Villa Ladenburg der Daimler und Benz Stiftung (siehe Kasten) wird für den Bereich von Güterverkehr und Logistik geprüft, inwieweit das so genannte vollautomatische Fahren im Straßengüterverkehr eine sinnvolle Anwendung sein kann. Durch das Kernteam des Projekts wurden verschiedene Anwendungsfälle definiert, von denen hier drei für den Gütertransport exemplarisch beschrieben werden. Für deren Verständnis, Bewertung und Einordnung ist zunächst zu klären, welche technologischen Veränderungen und Herausforderungen sich für die Fahraufgabe ergeben. Die Fahraufgabe Nach Donges 1 fordert die klassischerweise übernommene Fahraufgabe den Fahrer auf drei Ebenen: Navigationsebene, Bahnführungsebene und Stabilisierungsebene. Diese Ebenen entsprechen der Routenwahl, der sicheren Fahrzeugführung durch Entscheidungen über Geschwindigkeit und Spur sowie Lenken, Gasgeben und Bremsen zur Längs- und Querführung des Fahrzeugs. Die Entscheidungen des Fahrers hängen dabei von den Umweltbedingungen ab. Er benötigt dafür Wissen über das Straßennetz auf der Navigationsebene, über die Verkehrssituation auf der Bahnführungsebene sowie über die Fahrbahnoberfläche auf der Stabilisierungsebene. Vom assistierten zum autonomen Fahren Assistierte und teilautomatisierte Systeme sind heute schon zum großen Teil in Serienfahrzeugen im Einsatz. Sie übernehmen über einen gewissen Zeitraum und/ oder in spezifischen Situationen die Längsoder/ und Querführung des Fahrzeugs. Bei den assistierten Systemen erfolgt eine Warnung des Fahrers. Bei den teilautomatisierten Systemen übernimmt das System die Regelung. Der Impuls, beispielsweise das Bremsen, muss allerdings noch durch den Fahrer ausgelöst werden. Die bekanntesten Fahrerassistenzsysteme (FAS) sind das Antiblockiersystem (ABS) und das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Nach einem Foto: Daimler und Benz Stiftung TECHNOLOGIE Autonomes Fahren Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 83 Autonomes Fahren TECHNOLOGIE schweren Unglück sind seit November letzten Jahres Spurwechsel- und Spurhalteassistenten sowie Abstandsregeltempomaten frühzeitig für Neufahrzeuge verpflichtend geworden. Weitere Systeme sind in der Entwicklung oder bereits serienreif, wie Kippschutzsysteme, Abbiege- oder Einparksysteme. Sie zielen vor allem darauf ab, den Fahrer auf der Bahnführungsebene und der Stabilisierungsebene zu entlasten. Hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge können darüber hinaus frei navigieren, sie sind situations- und infrastrukturunabhängig. Vollautomatisierte Systeme kommen ohne Fahrer aus. Dabei übernimmt der Fahrroboter nicht nur Aktivitäten auf der Navigationsebene, sondern auch notwendige Aktivitäten, um das System bei Komponentenausfall wieder in einen risikominimalen Zustand zu versetzen. Technologisch ist autonomes Fahren keine Utopie mehr. Sensoren, um die Umweltbedingungen der Straßen- und Verkehrssituation zu erkennen, sind in existierenden FAS erprobt (zum Beispiel Radar zur Abstandswarnung, Kamera oder Laser zur Totwinkelüberwachung, Ultraschall für die Einparkhilfe). Die rapiden Entwicklungsfortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz verbessern die Informations- und Datenlage über die Straßen- und Verkehrssituation zusehends und statten den Fahrroboter mit Algorithmen aus, die diesen adäquat und sofort auf unbekannte Situationen reagieren lassen. Hierfür wird die Sensorik mit Kommunikationstechnologien zwischen den Fahrzeugen ergänzt, wodurch vorausschauende Daten und fließende Objekte als Informationslieferanten genutzt werden können. Welcher Nutzen wäre nun mit welchem Autonomiegrad für Logistik und Güterverkehr verbunden? Drei Anwendungsfälle sollen dies illustrieren: Vollautomat mit Verfügbarkeitsfahrer Als eine Vorstufe kann die bereits im Jahr 2012 vorgestellte Konzeptstudie für ein teilautonomes Zustellfahrzeug dienen. Bei diesem Fahrzeugkonzept muss der Zusteller nicht immer ein- und aussteigen, sondern kann über das Mobiltelefon das Fahrzeug anweisen, in Schrittgeschwindigkeit neben ihm herzufahren. Durch die Nutzung einer WLAN-Verbindung wird einem Signalabbruch, wie er bei GPS-Verbindungen auftreten kann (und befürchtet wird), entgegengewirkt. Im Rahmen des Forschungsprojekts konnte eine Einsparung an täglicher Zustellzeit von 40 min. erreicht werden. Das typische Verletzungsrisiko durch Verdrehen und Umknicken beim Aussteigen verringert sich. Valet-Parken In engen Innenstädten und in häufig nicht auf große LKW ausgelegten Anlieferzonen von Industrie und Handel kann das selbstständige Einparken oder das autonome Andocken an die Rampe teure Bagatellschäden verhindern. Der Fahrer wird von stressbehafteten Fahraufgaben entlastet. Autobahnpilot Vollautomatisiertes Fahren eröffnet die Möglichkeit, Fahrzeuge ohne Fahrer fahren zu lassen. Zwischen Rendezvouspunkten auf Hauptläufen, beispielsweise Autohöfen auf Autobahnen oder gut angebundenen Gewerbegebieten, wird der Fahrer entlastet. Konsequent zu Ende gedacht, wäre es sogar sinnvoll, einige der derzeit diskutierten Lösungsansätze zur Kapazitätserhöhung der Infrastruktur (Platooning), Ressourcenschonung und des Umweltschutzes (Oberleitungs-LKW zur Elektrifizierung der Flotte) zu kombinieren. Die Nutzung einer eigenen Fahrspur durch autonome, gekoppelte Fahrzeuge könnte helfen, rechtliche Bedenken zu minimieren. Gesamtwirtschaftlicher Nutzen Aus einzelwirtschaftlicher Perspektive spricht vieles dafür, autonome Systeme in der Gütertransportkette einzusetzen. Fehlendes Fahrpersonal, energiesparende Fahrweise, hohe Zuverlässigkeit oder effiziente Unfallvermeidung sind gewichtige Gründe. Zudem ist in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte künftig nicht mit einem deutlichen Ausbau von Verkehrsinfrastruktur, insbesondere von Schiene und Binnenschiff, zu rechnen. Durch das automatisierte Fahren könnte die vorhandene Straßeninfrastrukturkapazität mindestens verdoppelt werden. Gleichzeitig könnte ein Beitrag zum Klimaziel geleistet werden, da automatisiertes Fahren den Treibstoffverbrauch reduziert. Bereits heute leisten die FAS einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung von Unfällen. Diese könnten durch hochbzw. vollautomatisierte Fahrzeuge weiter gesenkt werden, da sie Stauende erkennen können, riskante Überholmanöver vermeiden und auch keine Geisterfahrten unternehmen. Jedoch sind die rechtlichen Haftungsfragen, wenn es dann doch zu einem Unfall käme, noch nicht vollständig gelöst. Technik versus Gesellschaft Allerdings liefert nicht nur der Technikdeterminismus Gründe gegen automatisierte Straßenfahrzeuge: Effizienzerhöhungen im Straßenverkehr rufen Konflikte mit den Massentransportmitteln hervor. Automatisiertes Platooning steht in direkter Konkurrenz mit der Bahn, wie zuvor schon der Lang-LKW. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung ist gegenüber vollautomatisierten Systemen beschränkt; nicht zuletzt aufgrund regelmäßiger Berichte von in Fahrzeugen ausgefallenen mechanischen oder elektronischen Bauteilen oder der Befürchtung abreißender Datenverbindungen. Autonome Fahrzeuge müssen zudem mit einer entsprechenden, zuverlässigen Software (Künstlichen Intelligenz) ausgestattet sein, die auf alle Eventualitäten reagieren kann - insbesondere dort, wo Menschen und Tiere auf den Straßen unterwegs sind. Allerdings verbessern sich die Systeme durch Learningby-doing-Strategien derzeit immens. Google zeigt gerade für den PKW-Bereich, wie es funktionieren könnte. ■ 1 Donges, E.: Aspekte der aktiven Sicherheit bei der Führung von Personenkraftwagen. In: Automobil-Industrie, 2 (1982), 183-190 Heike Flämig, Prof. Dr.-Ing. Professur für Transportketten und Logistik, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Technische Universität Hamburg-Harburg flaemig@tuhh.de AUF EINEN BLICK Das Förderprojekt Villa Ladenburg der Daimler und Benz Stiftung Die Daimler und Benz Stiftung verstärkt Prozesse der Wissensgenerierung mit Hilfe zielgerichteter Stimuli. Sie konzentriert sich auf die Förderung junger Wissenschaftler, fachübergreifende Kooperationen sowie Forschungsinhalte aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Ihr jährlicher Förderaufwand beträgt derzeit etwa 3 Mio. EUR. Mit einem Vermögen von rund 125 Mio. EUR zählt die operativ tätige Stiftung zu den großen wissenschaftsfördernden Stiftungen Deutschlands. Rund 1,5 Mio. EUR investiert die Stiftung in das Förderprojekt Villa Ladenburg. Ziel ist die Untersuchung der individuellen und gesellschaftlichen Anforderungen des autonomen Fahrens - ob im Personen- oder im Güterverkehr, ob in Stadtfahrten, über Land oder auf der Autobahn. Dafür fördert sie zwei Jahre lang ein Team von über 20 Wissenschaftlern, die sich in ihren Forschungsaktivitäten intensiv mit dem autonomen Straßenverkehr befassen, darunter das Kernteam der vier Projektleiter mit ihren Arbeitsgruppen. Ein Weißbuch soll nach Ende der Grundlagenforschung als Wissensbasis für Wirtschaft, Politik und Forschung zur Verfügung stehen. So kann der notwendige Diskurs mit den jeweiligen Interessengruppen und Entscheidern in der Gesellschaft gestartet werden - eine Investition in die Zukunft zur nachhaltigen Verbesserung unserer Lebensverhältnisse. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 84 TECHNOLOGIE Luftfahrt Airport2030 Flughafenforschung im Spitzencluster Luftfahrt Der Projektverbund Airport2030 ist einer von drei Leuchttürmen von Hamburg Aviation aus der Spitzenclusterförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). In den letzten fünf Jahren wurden in Airport2030 neue Technologien und Methoden am Beispiel des Hamburger Flughafens untersucht. Die Autoren: Klaus Lütjens, Peter Bießlich, Volker Gollnick D er weltweite Luftverkehr weist unbeschadet zyklischer Einbrüche einen Wachstumstrend von weltweit durchschnittlich 5 % pro Jahr auf. Auch wenn das Luftverkehrswachstum im Vergleich zu den Entwicklungs- und Schwellenländern geringer ausfallen wird, wird dennoch auch in Europa mit einer Verdopplung des Luftverkehrs bis 2030 gerechnet [1]. Um die Umweltwirkungen des Luftverkehrswachstums zu begrenzen, den Komfort für die Passagiere zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtindustrie zu erhalten, werden im EU-Dokument Flightpath 2050 ambitionierte Ziele formuliert [2]. Diese umfassen unter anderem die Reduktion der CO 2 -Emissionen pro Passagierkilometer um 75 %, eine maximale Reisezeit von Tür zu Tür innerhalb Europas von maximal vier Stunden für 90 % der Reisenden, eine Verspätung der Flüge von durchschnittlich nur einer Minute, sowie die Gestaltung des Lufttransportsystems als ein integriertes reibungsloses, energieeffizientes, verteiltes intermodales System, das Reisende und ihr Gepäck von Tür zu Tür bringt - und zwar sicher, bezahlbar, schnell, reibungslos, vorhersagbar und ohne Unterbrechung. Im Kontext dieser übergeordneten Ziele wurden in Airport2030 unter Leitung des DLR Lufttransportsysteme Forschungsfragen zur bodenseitigen Anbindung des Hamburger Flughafens, der Steuerung der Passagiere im Terminal, der Prozesssteuerung zur Abfertigung der Flugzeuge, der Einfluss neuer Flugzeugkonfigurationen, ein bodengebundenes Fahrwerksystem und die grüne Steuerung von Flughäfen bearbeitet [3]. Zudem wurden Methoden zur Entwicklung von Flughafenszenarien und zur Technologiebewertung erarbeitet und angewandt. Von Haustür bis Flughafen Wie lange benötigt man von zu Hause oder dem Arbeitsplatz bis zum Hamburger Flughafen? Dieser Frage haben sich Sonja Löwa, Christian Blank und Marcus Peter vom Institut für Verkehrsplanung und Logistik der TUHH gewidmet. Dazu haben sie jede Straße, jede Schiene, jede Haltestelle von Bus- und Bahnverkehr, alle Fahrpläne sowie eine auf 100 Meter genaue Bevölkerungsverteilung in ein digitales Verkehrsmodell der Metropolregion Hamburg eingespeist und mit einem agentenbasierten Bewegungsmodell verknüpft [4-6] (Bild 1). Damit lässt sich die obige Frage nun für 4,7 Mio. Menschen beantworten, für die Fahrt mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das entwickelte Verkehrsmodell ist aber vor allem wertvoll für die Beurteilung der Wirkung von Ausbaumaßnahmen der Verkehrsinfrastruktur. Einige in Hamburg diskutierte Ausbauszenarien wurden mit dem Verkehrsmodell im Rahmen des Projekts analysiert. Führung und Information für-Passagiere Helge Klimek, Björn Greßmann und Julian Ohrt vom Institut für Telematik der TUHH wollten die Orientierung und Informiertheit der Passagiere an Flughäfen verbessern. Dazu haben sie als Digitale Boarding Assistenz (DigiBA) hilfreiche Funktionen wie Na- DIE AIRPORT2030 PROJEKTPARTNER Am 27./ 28. November 2013 fand die langjährige Zusammenarbeit im Rahmen des Airport2030 Verbunds aus Industrie, KMUs und Wissenschaft ihren vorläufigen Abschluss. Die Ergebnisse aus fünf Jahren gemeinsamer Flughafenforschung in vier miteinander verschränkten Projekten wurden in einer zweitägigen Veranstaltung im Konferenzzentrum des Flughafen Hamburg vorgestellt und diskutiert. Mitglieder dieses Konsortiums waren das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Flughafen Hamburg, Airbus, Siemens, das KMU mb+Partner (mb+P), die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH), die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und die Universität Hamburg (UHH). Bild 1: Erreichbarkeitsanalyse für Hamburg Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 85 Luftfahrt TECHNOLOGIE vigation, Information und Kommunikation identifiziert, die sie in einem eigens dafür gebauten Gerät und als Smartphone App umgesetzt und am Flughafen Hamburg getestet haben [6]. Martin Schiele und Amir Ayazkhani vom DLR Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr haben die Auswirkungen der DigiBA auf den Passagierfluss simuliert und bewertet sowie optimierte Prozessketten im Terminal untersucht. Da der Flughafen Hamburg bereits sehr übersichtlich ist, würden Passagiere mit der Digi- BA nur 3-5 Minuten bei den Wegezeiten bis zum Gate sparen. Die Bewertung dieser gewonnenen Zeit hängt von Annahmen über deren Nutzung ab. Für den Passagier wurde eine verringerte Reisezeit am höchsten bewertet, gefolgt von einem längeren Flughafenaufenthalt im Bereich nach der Sicherheitskontrolle im Vergleich zum Bereich davor. Darüber hinaus wurden Funktionen der DigiBA positiv bewertet, die dem Passagier aktiv oder auf Abruf Informationen über die Prozess-Schritte am Flughafen liefern. Hiervon inspiriert bietet der Flughafen Hamburg seinen Passagieren seit einiger Zeit eine eigene App an, die Informationen zur Wartezeit an der zentralen Sicherheitskontrolle und zu den Flugplandaten liefert. Prozessintegration und Übersicht für Operateure Das DLR Institut für Flugführung konzentriert sich auf die luftseitigen Abläufe an Flughäfen und hat im DLR die Federführung beim Konzept des Total Airport Management (TAM). Steffen Loth und sein Team haben in diesem Kontext in Airport2030 integrierte Arbeitsplätze für Bodenabfertiger- und Flughafenvorfeldlotsen entworfen. Neuartige Mensch-Maschine- Schnittstellen, welche notwendige Informationen und Interaktionen menschzentriert, integriert und intuitiv anbieten, sowie zusätzliche Sensorik zur kompletten Anzeige der Verkehrslage sorgen für eine nachweislich bessere Übersicht. Damit wird eine effizientere Koordination der Flugbewegungen und Bodenfahrzeuge erreicht, wodurch eine zügige und pünktliche Abfertigung der Flugzeuge sichergestellt werden kann [7]. Alle planerischen und operativen Informationen laufen in einem Flughafenleitstand zusammen (Bild 2). Der Fokus von Yves Günther in Airport2030 lag auf der Frage, wie sich das für Hub-Flughäfen entwickelte TAM-Konzept adäquat auf einen mittelgroßen Flughafen wie Hamburg übertragen lässt [8]. Einzigartig ist dabei die Airport Research and Innovation Facility Hamburg, die das DLR zusammen mit dem Flughafen Hamburg und der Deutschen Flugsicherung betreibt. In Airport2030 konnte die volle Anbindung dieser Anlage an die Realdatensysteme des Flughafens erreicht werden, wodurch die neuen integrierten Arbeitsplätze nicht nur anhand vorher gespeicherter Simulationsszenarien, sondern auch parallel zum laufenden Flughafenbetrieb getestet werden konnten. Die Praxistests wurden von den Bodenabfertiger- und Vorfeldlotsen durchweg positiv bewertet. Das DLR sucht nun nach Industriepartnern für die Weiterentwicklung der Systeme bis hin zur Marktreife. Abfertigung einer Box und eines Flügels Neue Flugzeugkonfigurationen werden üblicherweise vor allem für einen effizienten Reiseflug entworfen. In Airport2030 wurden die Bodenprozesse explizit mit einbezogen, um in enger Abstimmung mit Axel Dengler vom Airbus Future Projects Office eine Abwägung zwischen luft- und bodenseitigen Anforderungen vornehmen zu können. Prof. Scholz und Andreas Johanning von der Aircraft Design and Systems Group der HAW Hamburg untersuchten dies im Hinblick auf einen A320-ähnlichen Turboprop und einen Boxwing, der einem Doppeldecker mit verbundenen Flügelenden ähnelt [9-11]. Den gleichen Ansatz hat Till Pfeiffer vom DLR Lufttransportsysteme für einen Blended Wing Body (BWB) verfolgt, bei dem Rumpf und Flügel fließend ineinander übergehen [12] (Bild 3). Die genannten Flugzeugkonzepte versprechen im Reiseflug Vorteile bei der Antriebseffizienz oder der Aerodynamik. Die Analyse der Abfertigungsprozesse auf Basis der geänderten Flugzeuggeometrie hat ergeben, dass zwar jeweils Anpassungen in der Flugzeugabfertigung notwendig sind, diese aber weder grundsätzlich noch kostenseitig gegen diese neuen Flugzeugkonzepte sprechen, sofern einige Regeln wie z. B. die Einhaltung der 80-Meter-Box für die Größe der Flugzeuge, eingehalten werden. Bild 2: Flughafen-Leitstand und neue Arbeitsplätze für Bodenabfertiger- und Vorfeldlotsen Bild 3: Abfertigung eines Blended Wing Body (BWB) am Flughafen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 86 TECHNOLOGIE Luftfahrt Fahrwerk bleibt am Boden Flugzeuge sollen vor allem eines - fliegen! Je länger ein Flugzeug pro Mission in der Luft ist, desto mehr lohnt es sich, alles am Boden zu lassen, was für den Reiseflug nicht benötigt wird. Dieser Logik haben sich Jan Binnebesel und Till Marquardt des KMUs mb+P verschrieben (Bild 4). Der Verzicht auf das Fahrwerk ermöglicht eine Senkung des Treibstoffverbrauchs um bis zu 20 %, je nachdem, ob man nur das Fahrwerk am Flugzeug durch Schnittstellen zum Bodenfahrwerk ersetzt oder das Flugzeug komplett neu entwirft. Die Grundvoraussetzungen für das Ground Based Landing Gear System (GroLaS) sind, dass sich das Bodenfahrwerk jeder Bewegung des Flugzeuges anpasst und die Sicherheit mindestens so hoch ist, wie bei einer konventionellen Landung. In Airport2030 haben die beiden Unternehmer für GroLaS Konzepte zu Sicherheit, Konstruktion [13], Antrieb, Betrieb und Sensorik [14] erarbeitet, einen entsprechenden Simulator aufgebaut und eine umfangreiche Technologiebewertung mit dem DLR und Airbus durchgeführt. Das Konzept hat Eingang gefunden in das Airbus Concept Plane, wurde mehrfach prämiert sowie in Europa, den USA und China patentiert. Grüner Flughafenbetrieb Wie lässt sich ein Flughafen nach Umweltkriterien steuern? Dieser Frage haben sich Niclas Dzikus und Oliver Schneider vom DLR sowie Udo Bradersen und Jan Eike Hardegen vom Umweltreferat des Flughafen Hamburg unter Führung von Dr. German Grünbauer von Siemens angenommen [15]. Zunächst identifizierten sie gemeinsam Metriken für relevante Umwelteinflüsse wie Lärm und Emissionen und entwickelten ein übergreifendes Darstellungskonzept in Form eines Spinnendiagramms. Zur Berechnung der Umweltkennzahlen anhand von Flugplandaten wählte das DLR passende eigene und externe Modelle aus. Siemens integrierte diese schließlich in ein Flughafenassistenzsystem. Damit können Flughäfen in Zukunft in Realzeit die Umwelteinflüsse ihres Betriebes kontrollieren und ad hoc geeignete Maßnahmen zur Einhaltung von Umweltkapazitäten einleiten. Fundierte Szenarien Flughafenszenarien werden häufig im Vorfeld von Ausbauvorhaben durch die Flughäfen an Dritte beauftragt. In Airport2030 lag das Interesse an der Szenario-Entwicklung dagegen in der Schaffung einer Grundlage für die Technologiebewertung und von Seiten des Aviation Marketing des Flughafen Hamburg in der Beurteilung der Auswirkung aktueller Entwicklungen auf die Gültigkeit vorhandener Szenarien. Zu diesem Zweck wurde am Beispiel des Flughafen Hamburg eine Modellkette aufgebaut, die einen Zusammenhang zwischen externen sozioökonomischen Rahmendaten und einem Flugplan herstellt und damit bei aller Unsicherheit grundsätzlich eine langfristige Flugplanprognose erlaubt. Christian Blank konzentrierte sich dabei auf die Prognose der Passagiervolumina auf Basis der sozioökonomischen Daten. Katrin Kölker und Steffen Wenzel vom DLR Lufttransportsysteme erarbeiteten ein Modell, dass aus den destinationsbezogenen Passagiervolumina unter Berücksichtigung von empirisch beobachtbarem Passagier- und Airlineverhalten die Nachfrage nach Flügen zu festgelegten Wochentagen und Tageszeiten ermittelt. Mit einem Verschiebungs-Algorithmus werden die nachgefragten Flugplanslots anschließend mit der verfügbaren Kapazität des Flughafens in Einklang gebracht [16]. Das Ergebnis dieses letzten Schrittes ist ein flughafenspezifischer Prognoseflugplan. Steven Köhler vom Institut für Technische Informatik Systeme der Universität Hamburg brachte mit genetischen Algorithmen eine effiziente Methodik ein, um die oben genannten empirischen Modellsysteme zu kalibrieren, und sorgte überdies für die softwaretechnische Kopplung der einzelnen Kettenglieder. Technologiebewertung Zur Bewertung der in Airport2030 untersuchten Technologien wurden zwei unterschiedliche Bewertungsmethoden verwandt. Zum einen entwickelten Yousef Farschtschi, Marc Widemann und Dr. Kai Himstedt vom Institut für Technische Informatik Systeme der UHH und Niclas Dzikus vom DLR Lufttransportsysteme eine Modellkette, um die dynamische Interaktion zwischen Passagierstrom im Terminal und den Bewegungen von Flugzeugen und Bodenfahrzeugen auf der Luftseite abbilden zu können [17-20]. Dr. Xiaoqian Sun und Dr. Marco Weiss vom DLR Lufttransportsysteme nutzten diese Modellkette, um die Auswirkungen der Airport2030 Technologien abzubilden. Als zweite Bewertungsmethode entwickelten sie mit der CBAirport ein Werkzeug zur Flughafen spezifischen Kosten-Nutzen-Analyse für neue Technologien. Den Rahmen für die Bewertung bildeten jeweils die Flughafenszenarien, die als wichtigste Komponenten eine synthetische Passagierpopulation und Prognoseflugpläne für die Zeithorizonte 2010, 2015 und 2030 enthalten. Fazit Die Spitzenclusterförderung und der Airport2030 Projektverbund waren eine effiziente Grundlage für die vernetzte, interdisziplinäre Flughafenforschung. Weitere Details sind den unten genannten Veröffentlichungen zu entnehmen, die im Rahmen des Verbundes entstanden sind. Die gewonnenen Kompetenzen und Analyse-Ergebnisse werden in nationale und europäische Projekte, z. B. im Rahmen des Bundesluftfahrtforschungsprogramms oder dem neuen EU- Forschungs-Rahmenprogramm Horizon 2020, sowie in die direkte Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstituten und der Luftfahrtindustrie eingebracht. ■ Förderkennzeichen 03CL01, 03CL19, 03CL26, 03CL27 Bild 4: Simulation der Landung mit einem bodengebundenen Fahrwerksystem (GroLas) Luftfahrt TECHNOLOGIE LITERATUR [1] Airbus Global Market Forecast 2013-2032 [2] High Level Group on Aviation Research, Flightpath 2050, S.10-11, ISBN 978-92-79-19724-6, European Union 2011 [3] Lütjens, K.; Lau, A.; Loth, S.; Gollnick, V. et al. (2012): Airport2030 - Lösungen für den effizienten Lufttransport der Zukunft, DLRK 2012, Berlin, Deutsche Nationalbibliothek urn: nbn: de: 101: 1-201210269072 [4] Löwa, S.: Konzept für ein Wirtschaftsverkehrsmodell der Metropolregion Hamburg mit Schwerpunkt flughafenaffiner Verkehre, In: Wirtschaftsverkehr 2011: Modelle-Strategien-Nachhaltigkeit, Dortmund, U.Clausen (Hrsg.), S.97-112 [5] Blank, C.; Gertz, C.; Löwa, S.: Domestic German Air - Rail competition depends on the efficiency of local urban transport systems, Air Transport Research Society, 14th World Conference 2010, Porto. [6] Greßmann, B.; Klimek, H.; Turau, V.: Intelligent Passenger Flows in Airport Terminals Using a Digital Boarding Assistance, 8th International Workshop on Intelligent Transportation, 2011, Hamburg [7] Jakobi,J.; Straube, K.; Loth, S.: Design and Testing of an integrated Ground Handler Working Position, International Conference on Human-Computer Interaction in Aerospace, Silicon Valley 2014 (accepted paper) [8] Papenfuß, A.; Günther, Y.: Feasibility of traffic prognosis for an Airport Operation Centre. 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In: 3rd CEAS Air & Space Conference, Seiten 1513- 1524. 3rd CEAS Air & Space Conference, Venice, Italy [13] Chowson, E.: Konstruktiver Entwurf und Dimensionierung einer flugzeugseitigen Schnittstelle zwischen fahrwerklosen Verkehrsflugzeugen und einem bodengebundenen Fahrwerksystem, DLRK 2010, Hamburg [14] Helling, N.: Preliminary Design and Simulation of a Sensor System for a Ground-based Landing Gear System (GroLaS) based on an Existing Sensor Concept to Detect and Track the Position and Attitude of Approaching Aircraft, DLRK 2012, Berlin [15] Grünbauer, G.; Dzikus, N.; Hardegen, J.-E.: Green Airport Schlußbericht, Technische Informationsbibilothek Hannover, 2014 [16] Wenzel, S.; Kölker, K.; Bießlich, P.; Lütjens, K.: Forecasting Air Traffic Movements at Capacity-Constrained Airports, Aviation 2014 (accepted paper), Atlanta [17] Widemann, M.; Möller, D.: Using model pipelines to simulate the processes in and around an airport through a web-interface, GCMS 2013 Proceedings, ISBN: 978-1-62748-275-2. [18] Farschtschi, Y.; Widemann, M.; Himstedt, K.; Möller, D.: Conceptual design of a two-level server architecture for MATLAB-Java coupling, In: MathMod 2012, p. 1281-1284, Wien [19] Möller, D. P. F.: Airport Technology Management, In: Emerging Dimensions of Technology Management Ed. K. B. Akhilesh Springer Publ., ISBN 978-81-322-0791-7, 2013 [20] Dzikus, N.; Gollnick, V.: Modelling and Simulation of Vehicle Movements Using a SPPTW-Algorithm and the Application to Airport Surface Movement Analysis, 7th EUROSIM Congress on Modelling and Simulation, 2010, Prag Peter Bießlich, Dipl. Verkehrsing. Abteilung Lufttransportbetrieb, TUHH, Institut für Lufttransportsysteme, Hamburg peter.biesslich@tuhh.de Volker Gollnick, Prof. Dr.-Ing. Institutsdirektor TUHH/ DLR Lufttransportsysteme, Hamburg volker.gollnick@dlr.de Klaus Lütjens, Dipl. Volkswirt Verbundkoordinator Airport2030, Kommiss. Abteilungsleiter Lufttransportbetrieb, DLR Lufttransportsysteme, Hamburg klaus.luetjens@dlr.de Ihre neue Lesefreiheit IV-Leselizenzen: Schneller und umfassender informiert Wie lange warten Sie für gewöhnlich auf Ihr persönliches Lese-Exemplar von IV Internationales Verkehrswesen? Sicher o viel zu lange! In vielen Betrieben kommen auf ein IV-Abo zahlreiche Leser. Diese müssen sich im Umlauf o lange „hinten anstellen“. Manche Information ist dann schon veraltet. Für unsere Abonnenten geht es aber auch schneller: Aktuell und exklusiv informieren sie sich mit unseren digitalen Angeboten. Mit einem IV-Abo ist ein Online-Account verbunden. Dadurch erhalten Sie das Internationale Verkehrswesen bereits am Erscheinungstag als PDF-Datei im Ganzseitenformat. Sie haben alle Beiträge online immer gri ereit und lesen wann und wo Sie wollen. Außerdem haben Sie uneingeschränkten Zugri auf die vollständige digitalisierte Sammlung der Fachbeiträge aus 60 Jahren IV. Eine leserfreundliche Schlagwort-Suche bringt Sie schnell an Ihr Informations-Ziel. Ihre Abonummer und die Postleitzahl dienen als Anmeldedaten zu den digitalen Inhalten auf www.eurailpress.de sowie für die Kiosk- App bei iTunes. Jedes Abonnement enthält bereits einen Zugang für das digitale Angebot der IV Internationales Verkehrswesen. Für alle weiteren Leser des Abonnements, die einen eigenen Log-in zu den digitalen Angeboten von IV wünschen, bieten wir günstige Zugänge in Form digitaler Leselizenzen an. Ihre Vorteile auf einen Blick: • Alle Leser erhalten gleichzeitig Zugriffzu den digitalen Inhalten von IV • Die PDF-Ausgabe von IV bereits Tage vor dem eigentlichen Erscheinungstag • Zugang über PC, Laptop, Tablet und Smartphone • Uneingeschränkter Zugang zu 60 Jahren Fachwissen im IV-Archiv Pro Leselizenz zahlen Sie max. 3,75 EUR je Monat. Weitere Informationen erhalten Sie auf auf www.eurailpress.de/ ivrmenlizenz per Telefon: +49 40 23714-260 oder per E-Mail an: kundenservice@dvvmedia.com 6017_anz_IV-Lesefreiheit_210x148.indd 1 21.02.2014 11: 16: 52 Anzeige TECHNOLOGIE Wissenschaft [ l filbalill! ID • Range Extender Ein Zwischenschritt in die Zukunft? Range Extender bieten einen idealen Kompromiss aus g roßer Reichweite und lokal emissionsfreiem Fahren. Sie sind ein vollständiger Ersatz zum konvent i one llen Fah r zeug mit Verbrennungsmotor. Zur größtmög lichen Reduktio n des C0 2 -Ausstoßes müssen die elektrischen Fahranteile maximiert werden. Daraus ergeben sic h zwe i Fragen: Wie müssten die einzelnen Komponenten für einen individuellen Nutzer optimal d imension i ert sein? Und wie wirken sich verschiedene Nutzungsszenarien der (vorhandenen) Ladeinfrastruktur auf d ie elektrische Reichweite aus? Dte Autoren Jan Gruner. B en)am tn Rtppel, Stefante Marker D er Frage nach dem Potenzial von Elektromobilität wird seit mehr als 100 Jahren nachgegangen, aber erst durch Peak-Oil, Klimawandel und den gestiegenen Bedarf nach Res sourcen erfolgte in den letzten Jahren eine Konzentration auf alternative Antriebskonzepte. GröHte He rausforderung neben dem Preis ist die geringe Reichweite reiner Elektrofahrzeug e_ Dabei werden die Chancen des Durchbruchs dieser Fahrzeuge oft mit der Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen verknüpft, \VCiche die geringe Reichweite theoretisch erhöhen können. Deren Ausbau stockt jedoch auf Grund der hohen Kos ten, weniger potenzieller Nutzer und einer fehlenden Amortisierung. Dieser Teufelskreis scheint die weitere Verbreitung vo n elektrischen Antrieben zu blockieren. Stand der Forschung Die Frage nach dem Mobilitätsverhalten ist dabei essentie ll. So werden regelmäßig Erhebungen zum Nutzerverhalten (z. B. lVlobilität in Deutschland, Mobilitätspanel) durchgeführt ll]. um der aktuellen Entwicklung Rechnung zu tragen und eventuelle Änderungen zu doku mentieren. Daneben haben sich im Laufe der letzten Jahre verschiedene Projekte und Unters uchungen mit der Alltagstauglichkeit von Plug-In Hybridfahrzeugen (PHEV). Elektrofahrzeugen mit Reichweitenverlängel l LlmlDJQID l .JI ... rung (E-REV), reinen El ektrofahrzeugen ( BEY) und d eren Integration in (bestehende) Energieversorgungs strukturen beschäftigt llJ. [ 3J, [4]. In dies en Projekten wirkten Versuchsteilnehmer mit, die für einen ( ku rze n) Zeitraum das Ve rsuchsfahrzeug einzeln oder in einer Flotte (mit -) be nutzen und daher eine ganz andere Beziehung/ Herangehensweise zum Fahrzeug besitze n, oder Nutzer konve ntioneller Fahrzeuge, deren Nutzungsverhalten aufE-Fahrzeuge projiziert wurde [4]. Im Gegensatz dazu betrachtet das Projekt Ampere [5] das reale Nutzungsverhalten mittels Umfragen und Datenaufzeichnung von Käufern eines E-REV, hie r: Opel Ampera. Der große Vorteil von E-R EV liegt im ·wegfall der Reichweitenproblemati k. Das Fahrzeug ist zunächst batterieelektrisch unterwegs. Be i Erreichen eines definierten Lademindest-Zustands wird automatisch der Ve rbrennungsmotor zur Reichweitenve rl ängerung hinzugeschaltet. Dieser Betriebsmodus dient nicht zum L aden, sondern hält den Ladezustand möglichst in einen definierten Be reich . Die vollständige Batterieladung erfolgt über eine Ladestation (z. B. Wall box). Ziel bleibt, die elektrische Reichweite zu maximieren bzw_ die Kom ponentendimcnsionierung bedarfsgerecht zu ges tal te n. Methodik lndiv. Fahrzyklus l ... Energiebedarf l Längsdynamikmodell ( Nutzunasverhalten 1 ] (Stadt I Land I Autobahn I Gesamt) 1 ~ ) ( GPS-Koordinaten ) I Über einen speziellen GPS-Logger, T U ve LOG [ 21. werden Fahrweise und Nutzungsprofil eines realen Nutzers aufgezeichnet. Wie Bild I zeigt, werden mit Hilfe der Fahrdaten zum einen der tatsächliche Energiebedarf des Fahrzeuges für Stadt, Land und Autobahn als auch Standzeiten und (häufige) Aufenthaltsorte ermittelt. Neben den GPS-Koordinaten werden Datum. Zeit und Geschwindigkeit ermittelt, womit sich wiederum Parameterwie Ak tionsradi us, Länge der aktiven Phasen pro Tag, oder Länge und Ort der Standzeiten ableiten lassen. + Standzeiten ., ...... ,. I I Hotzones ) ( Fahrzeugnutzung ) l Bedarf I (Ro<h~ire , "h''''"""''"' } rL .... Sl: ! lOi! riQi! nill~lllltJf[ill: ilm! stYrl ( Szenariovergleich ) ) ( ) l Komponentenj ( Szenario#O Szenario#1 dimensionierung ( Szenario#2 ) ( Szenario#3 ) Bild 1: Methodik 88 Internationales Verkehrswesen (66) 2 I 2014 '. Um eine optimale Ladestrategie für eine(n) spezifischen Nutzer oder Gruppe ermitte ln zu können, muss der Energiebedarfbestimmt werden. Ge rade bei gro Hcn Datenmengen ge ht dies mit einer langen Reche nzeit zur Verbrauchsermittlung einher. Deshalb kommt der IDCB Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 89 Wissenschaft TECHNOLOGIE (Individual Driving Cycle Builder) zur automatischen Generierung repräsentativer, individueller Fahrzyklen, basierend auf den aufgezeichneten Geschwindigkeits- Zeit-Profilen [6] zum Einsatz. Die Fahrdaten werden hierfür in kinematische Sequenzen zerlegt und mittels statistischer Auswertung verschiedener Kriterien (durchschnittliche Geschwindigkeit und Beschleunigung, Stopprate pro km und Stopphäufigkeit) in verschiedene Klassen (z. B.: ((str.)) Stadt, verstopft oder Autobahn, flüssig) eingeteilt. Anschließend werden die Klassen und Sequenzen nach der Methodik von André [7] in ihrer prozentualen Verteilung wieder miteinander zu einem kürzeren Fahrzyklus kombiniert. Die ideale Fahrzykluslänge stellt dabei einen Kompromiss zwischen der späteren Rechenzeit weiterer Simulationsmodelle und der Genauigkeit dar. Ausgangssituation Die öffentlichen Ladeinfrastruktur ist in Berlin nicht homogen, sondern in Clustern verteilt (Regierungsviertel: 22 Stationen, Alexanderplatz/ Gendarmenmarkt: 33- Stationen, TU Berlin, Kurfürstendamm/ Europacenter: 37 Stationen). Die Mehrzahl der öffentlichen Ladestationen befindet sich in Konsum- und Tourismusbereichen. Hier überwiegen wie erwartet die Schnellladestationen (≥-11-kW Leistung). Die Fahrzeuge sollen also relativ zügig während des Aufenthalts an der jeweiligen Lokation geladen werden. Die Ladestationen besitzen überwiegend (81 %) den Anschluss „Typ 2 / Mennekes“, unterstüzen also DC- und AC-Laden. Für eine erste Betrachtung wird ein in Berlin betriebenes Fahrzeug über einen Zeitraum von knapp 4 Monaten mit 104 Messtagen betrachtet. Während dieses Zeitraumes wurde eine Gesamtstrecke von 3664 km zurückgelegt, was einer Fahrleistung von ungefähr 12 500- km pro Jahr entspricht. Das Fahrzeug wird sowohl dienstlich als auch privat genutzt. Die linke Seite von Bild 2 zeigt die Anzahl der aufgenommenen Messungen pro Koordinatenfeld für Berlin, wobei rote Felder eine hohe Anzahl an Messdaten für dieses Feld bedeuten. Dabei handelt es sich normalerweise um Orte mit häufigen Standphasen, bzw. Orte, an denen sich das Fahrzeug regelmäßig befindet, z. B. Wohnort, Arbeitsplatz. Die rechte Seite zeigt das gemessene Geschwindigkeitsprofil. Man erkennt deutlich die Unterschiede zwischen Fahrten in der Innenstadt (blau dominierter Bereich) und Fahrten auf der (Stadt-) Autobahn (grünroter Bereich). Mit dem Fahrzeug werden auch deutlich längere Strecken zurückgelegt. So gibt es über den gesamten Aufzeichnungszeitraum fünf Einzelfahrten über 100 km, wobei die längste Tagefahrstrecke bei 631 km liegt. Insgesamt werden knapp 25 % aller aufgezeichneten Fahrten im IDCB an Hand ihres Profils als Überland- (inkl. Stadtautobahn-) oder Autobahnfahrt klassifiziert. Trotz der vielseitigen Nutzung sind die gefahrenen Tagesstrecken relativ kurz: 75 % aller Tagesfahrstrecken (wochentags) betragen weniger als 40 km (Median: 17,5 km). Mit dem betrachteten E-REV, das nach Herstellerangabe eine Reichweite von 55-80 km besitzt, lassen sich diese (Stadt-)Strecken rein elektrisch und damit lokal emissionsfrei zurücklegen. Die restlichen Strecken können mit dem Verbrennungsmotor abgedeckt werden. Die Einzelstrecken sind im Mittel mit 12,7 km zwar etwas länger als die der MiD-Studie von 2010 [1] (vgl. Tabelle 1), werden aber vor allem durch längere Autobahnstrecken verursacht. Wird der Median betrachtet beträgt die Einzelstrecke nur 5,3 km. Unter Berücksichtigung der nach wie vor hohen Batteriekosten pro Kilowattstunde und deren zukünftiger Preisentwicklung [8] stellt sich nun die Frage, ob für diesen Nutzer die Batterie bereits überdimensioniert ist, Bild 2: Darstellung der werktags aufgezeichneten GPS-Koordinaten für Berlin Links: Anzahl der Datenpunkte pro Feld Rechts: Durchschnittliche Geschwindigkeit [km/ h] pro Feld. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 90 TECHNOLOGIE Wissenschaft bzw. inwiefern die benötigte tägliche elektrische Reichweite nicht auch mit einer optimierten Nutzung der Ladeinfrastruktur und kleinerer Batterie (und damit eines geringeren Fahrzeugpreises) bewältigt werden könnte. Für die spätere Einschätzung zur Dauer der Netzanbindung ist eine gute Vorhersage hinsichtlich der Standzeiten notwendig. Über die Datenauswertung lässt sich feststellen, dass die Hauptfahrzeiträume des Nutzers zwischen 7 und 9 Uhr und 17 und 18.30 Uhr liegen, aber auf Grund des variablen Nutzungsprofils tagsüber nur ein festes mögliches Ladefenster zwischen 2 Uhr und 6 Uhr nachts besteht. Für die Untersuchung des Nutzungsverhaltens und eines möglichen Optimierungspotentials (Batteriegröße, Einfluss des Nutzungsverhaltens auf die elektrische Reichweite) müssen verschiedene Nutzungsszenarien untersucht werden. Bei allen Szenarien wird davon ausgegangen, dass sich die jeweilige Ladestation in Betrieb befindet und genutzt werden kann, sie also frei, kein Vertrag/ Abo mit dem jeweiligen Anbieter notwendig und das Fahrzeug mit der Ladestation kompatibel ist. Des Weiteren soll zunächst davon ausgegangen werden, dass zwischen den einzelnen Stationen kein Preisunterschied besteht und im Vorfeld bekannt ist, wie lange das Fahrzeug geladen werden kann. Unter diesen Bedingungen werden die Ladeszenarien (Tabelle 2) untersucht, die zum einen unterschiedliche Nutzungsvarianten abdecken und zum anderen auch die Potenziale der Infrastrukturnutzung auf die elektrische Reichweite aufzeigen. Fazit E-REV ermöglichen auf Grund ihres Antriebskonzeptes eine große Reichweite ohne Einschränkungen im Nutzungsverhalten mit lokal emissionsfreiem Fahren und sind gleichzeitig unabhängig von einer öffentlichen Lade-Infrastruktur. Der Anteil der elektrischen Reichweite hängt stark von der individuellen Fahrzeugnutzung und Ladestrategie ab. Mit Hilfe der vorgestellten (auch auf größere Nutzer(-Gruppen) skalierbaren) Methodik ist es möglich eine nutzeroptimale Komponentendimensionierung unter Berücksichtigung verschiedener (zukünftiger) Ladeszenarien und tatsächlich benötigter Reichweiten zu bestimmen und den elektrischen Anteil, auch im Hinblick auf reine BEVs, zu optimieren. Der Range-Extender kann an dieser Stelle als Zwischenschritt zur reinen Elektromobilität gesehen werden: lokal emissionsfrei und trotzdem eine große Reichweite zu einem geringeren Preis als ein vergleichbares Elektrofahrzeug, aber auf Kosten einer höheren Komplexität des Antriebsstranges. Trotzdem sind E-REVs schon heute eine Alternative zu konventionellen Fahrzeugen, sowohl im reinen Stadtals auch im Langstreckenbetrieb. Unter Berücksichtigung der Batteriepreise als Hauptkostentreiber ist es jedoch notwendig eine Überdimensionierung der Komponenten zu vermeiden, und neben einer besseren Anpassung an das Nutzungsverhalten des Nutzes (z.B. Auswahl zwischen verschiedenen Batteriegrößen), die Potenziale der Infrastruktur besser auszuschöpfen. ■ LITERATURHINWEISE [1] INFAS; DLR, Mobilität in Deutschland 2008, Berlin und Bonn, 2010. [2] J. Linssen, A. Schulz, S. Mischinger, H. Maas, C. Günther, O. Weinmann, E. Abbasi, S. Bickert, M. Danzer, W. Hennings, E. Lindwedel, S. Marker, V. Schindler, A. Schmidt, P. Schmitz, B. Schott und K. Strunz, Netzintegration von Fahrzeugen mit elektrifizierten Antriebssystemen in bestehende und zukünftige Energieversorgungsstrukturen - Schriften des Forschungszentrums Jülich, Reihe Energie & Umwelt -, Jülich: Forschungszentrum Jülich, 2012. [3] R.-U. Bochum, „EneSys Langstrecken-Elektromobilität,“ [Online]. Available: http: / / www. enesys.rub.de/ projekte/ langstrecken_elektromobilitaet.html.de. [Zugriff am 28 01 2014]. [4] P. Nobis, C. Pellinger und T. Staudacher, „eFlott: Wissenschaftliche Analysen zur Elektromobilität,“ Forschungsstelle für Energiewirtschaft, München, 2011. [5] Technische Universität Berlin, „Allgemeiner Praxistest für Elektrofahrzeuge mit verlängerter Reichweite E-REV,“ [Online]. Available: http: / / www.projekt-ampere.de. [Zugriff am 28 01 2014]. [6] J. Grüner, „Erstellung eines Modells zur automatischen Generierung eines individuellen Fahrzyklus mit Hilfe von Geschwindigkeitsprofilen aus Langzeitversuchen (Studienarbeit),“ Technische Universität Berlin, Fachgebiet Kraftfahrzeuge, Berlin, 2010. [7] M. André, „Real-world driving cycles for measuring cars pollutant emissions - Part A : The Artemis European driving cycles,“ Inrets, Bron, 2004. [8] A. Thielmann, A. Sauer, R. Isenmann und M. Wietschel, „Technologie-Roadmap Energiespeicher für Elektromobilität 2030,“ Fraunhofer ISI, Karlsruhe, 2012. Benjamin Rippel, M. Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Fahrerverhaltensbeobachtung für energetische Optimierung und Unfallvermeidung, Technische Universität Berlin, Institut für Land- und Seeverkehr benjamin.rippel@tu-berlin.de Stefanie Marker, Prof. Dr. rer. nat. Leiterin Fachgebiet Fahrerverhaltensbeobachtung für energetische Optimierung und Unfallvermeidung, Technische Universität Berlin, Institut für Land- und Seeverkehr stefanie.marker@tu-berlin.de Jan Grüner, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Kraftfahrzeuge, Technische Universität Berlin, Institut für Land- und Seeverkehr jan.gruener@tu-berlin.de Infas & DLR 2010 [1] Indiv. Nutzer Alle Tage Mo. - Fr. Alle Tage Mo. - Fr. Mittlere Tagesfahrstrecke [km/ Tag] 45,9 41,7 41,2 38,9 Mittlere Tageswegezahl (Median) [#/ Tag] 3,9 4,0 3,2 (3,0) 1,6 (3,0) Mittlere Weglänge [km] 11,8 10,3 12,7 12,7 90% der Tagesfahrstrecke kleiner als [km] 90,1 87,3 81,8 74,4 Tabelle 1: Nutzerparameter an Werk- und Wochentagen #0 #1 #2 #3 Ladezeitpunkt Tag Nachts Standzeit > 30 min Standzeit > 30 min Ladeort Arbeitsplatz (fester Stellplatz) Zu Hause Stellplatz, zu Hause, Ladestation im Umkreis von 500 m (vom Haltepunkt, GPS) Stellplatz, zu Hause, Ladestation (virtuell) Tabelle 2: Ladeszenarien Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 91 Wissenschaft TECHNOLOGIE Sind Elektroautos wirklich umweltfreundlich? Elektroautos gelten laut europäischem Gesetz als emissionsfrei. Lokal werden beim Betrieb tatsächlich keinerlei klimarelevante Treibhausgase emittiert. Entscheidend für die Klimaerwärmungsproblematik sind hingegen alle direkt und indirekt anfallenden Emissionen für Produktion, Betrieb und Entsorgung. Diese sog. globalen Emissionen werden mithilfe des Verfahrens „Economic Input-Output Life Cycle Assessment“ für ein Elektroauto ermittelt und mit den Werten herkömmlicher Fahrzeuge verglichen. Als Untersuchungsobjekte dienen dabei drei Fahrzeugvarianten der sechsten Generation des VW-Golf. Die Autoren: Daniel Martin, Martin Treiber D as „Regierungsprogramm Elektromobilität“, das im Mai 2011 verabschiedet wurde und 2013 durch die Große Koalition bestätigt wurde, soll die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Deutschland sowohl Leitmarkt als auch -anbieter in Sachen Elektromobilität wird. Die Zielsetzung ist ein Bestand von einer Million rein elektrisch betriebener Kraftfahrzeuge 2020 beziehungsweise sechs Millionen im Jahre 2030. Die Beweggründe haben dabei vornehmlich ökologischen Charakter: Elektromobilität soll als Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele dienen [1, 2]. Um die Wirksamkeit dieser Zielsetzung im Hinblick auf die Emissionsreduzierung der Kraftfahrzeuge in Deutschland zu ermitteln, müssen alle innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette eines Elektroautos anfallenden Abgase berechnet werden. Das klassische Verfahren ist die Ökobilanz (Life Cycle Assessment), die alle direkt anfallenden Emissionen einschließlich linearer Vorketten umfasst. Volkswirtschaftliche Verflechtungen und Rückkopplungen sind darin allerdings nicht enthalten. Zur Ermittlung aller Emissionen, die sowohl mittelbar als auch unmittelbar durch die Herstellung, Nutzung und Entsorgung des Fahrzeugs anfallen, ist eine Kombination der LCA mit einer sogenannten „Input-Output- Analyse“ nötig. Diese Analysemethode wird als „Economic Input-Output-LCA (EIO-LCA)“ bezeichnet [3, 4]. Die angewandte Methode Die Methodik der EIO-LCA geht mit einer aggregierten Sichtweise aller Sektoren, die alle möglichen Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft erstellen, ans Werk. Hierfür muss vereinfacht angenommen werden, dass alle Produktions- und Dienstleistungseinrichtungen in Sektoren zusammengefasst werden können. Zudem wird davon ausgegangen, dass zur Erhöhung des Outputs (eines Sektors) um einen bestimmten Prozentbetrag alle Inputs dieses Sektors um den gleichen Prozentsatz erhöht werden müssen [4]. Die konkrete Durchführung dieses Verfahrens gliedert sich in vier Teilschritte: Aufstellung der Sachbilanz, Abbildung der Sachbilanz auf die volkswirtschaftlichen Sektoren, Berechnung der Emissionsfaktoren und schließlich die Ermittlung der Gesamtemissionen. Die ermittelten, teils geschätzten, Materialbedürfnisse der drei untersuchten Varianten des VW Golf beruhen weitestgehend auf Herstellerangaben und geben Auskunft darüber, welche Materialen in welchem Umfang in Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 92 TECHNOLOGIE Wissenschaft die verschiedenen Modelle verbaut werden. Außerdem fallen jährlich Aufwendungen für Versicherung, Wartung und Instandhaltung an. Diese werden, für jeden Fahrzeugtyp spezifisch, in die erweiterte Sachbilanz aufgenommen. Der Produktions- und der Entsorgungsvorgang der Kraftfahrzeuge stellen weitere Bestandteile dar. Um die Emissionen der Positionen der Sachbilanz ermitteln zu können, ist eine Zuordnung der einzelnen Materialien und Aufwendungen zu volkswirtschaftlichen Sektoren notwendig. Hierzu wird die Input-Output-Rechnung des Bundes herangezogen, in der 73 Sektoren unterschieden werden [5, 6]. Der Quotient aus CO 2 -Äquivalent (in kg) und Gesamtoutput (in EUR) pro Jahr und Sektor ergibt den spezifischen CO 2 -Äq.-Emissionskoeffizienten (in kg/ EUR) für jeden Sektor. Weitere Annahmen und Ergebnisse Laut Herstellerangaben beträgt die Laufleistung der Golf-Modelle mit Verbrennungsmotor 150 000 km [7]. Es wird vereinfacht von einer jährlichen Fahrleistung von 15 000 km ausgegangen, die Nutzungsdauer der beiden Fahrzeugtypen mit Verbrennungsmotor beträgt folglich zehn Jahre. Im Basisszenario entspricht dies ebenfalls der Nutzungsdauer des E-Golf. Neben den drei bereits benannten Fahrzeugvarianten wird im Basisszenario (und in allen anderen Szenarien) ebenfalls ein E-Golf betrachtet, bei dem während der Nutzungsdauer der Akkumulator ausgetauscht werden muss. Dieses Szenario wird betrachtet, da die Lebenszeit der Akkus wegen des häufigen Ladens und Entladens begrenzt ist. Die Ergebnisse der EIO-LCA beziehen sich auf den Betrachtungszeitraum von einem Jahr. Die auf die herkömmliche Einheit kg CO 2 -Äq. pro 100 km Fahrt umgerechneten Ergebnisse im Basisszenario sind Bild 1 zu entnehmen. Die Herstellung des Akkumulators ist sehr emissionsintensiv, da sowohl der Emissionswert der Materialbereitstellung als auch der des Fahrzeugbaus beim E-Golf essenziell höher ist. Im Zuge der Herstellung insgesamt fallen beim E-Auto etwa 77 % mehr Emissionen an als beim Dieselfahrzeug, im Vergleich zum Benzinfahrzeug sind es sogar fast doppelt so viele. Muss der Akkumulator ein zweites Mal hergestellt werden, erhöht sich die Emissionsbilanz noch einmal bedeutsam: Es werden ca. 43 % mehr CO 2 -Äq. emittiert als beim E-Auto ohne Akkuwechsel. Abgase, die durch die Bereitstellung des betrieblich bedingten Energiebedarfs (Treibstoffbeziehungsweise Strombereitstellung) entstehen (Well-to-Tank) sind beim Elektroauto erwartungsgemäß höher. Lokale Emissionen (Tank-to-Wheel) treten hingegen nur bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf. Die Entsorgung des Akkumulators ist den Berechnungen zufolge sehr emissionsintensiv und macht ca. 57 % der Gesamtemissionen der Entsorgung des E-Golf aus. Insgesamt fallen mehr als doppelt so viele Emissionen als bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor an. Muss darüber hinaus ein Akkumulatorwechsel vorgenommen werden, sind es sogar gut dreieinhalbmal so viele Luftverunreinigungen. Bei Betrachtung der gesamten Emissionen innerhalb der Lebenszyklen der Fahrzeugvarianten inklusive aller volkswirtschaftlichen Verflechtungen liegt der E-Golf zwischen den beiden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor: Seine Treibhausgasbilanz ist ca. 10 % schlechter als die des Dieselfahrzeugs, aber ca. 11 % besser als die des Benzinfahrzeugs. Muss der Akkumulator ausgetauscht werden, ist die Bilanz allerdings sogar geringfügig schlechter als die des Benzinfahrzeugs. Sensitivitätsanalyse Die Ergebnisse im Basisszenario sind von bestimmten Annahmen abhängig, die vorneherein getroffen wurden. Deshalb wird im Folgenden analysiert, wie sich die Ergebnisse beim Modifizieren dieser Variablen, bzw. beim Wandel verschiedener technologischer Voraussetzungen, verändern. Tabelle 1 zeigt die CO 2 -Äq.-Emissionen der Fahrzeugtypen in den verschiedenen Szenarien. Das erste abgewandelte Szenario geht von 50 % Erhöhung der Laufleistung aus. Dies ist insbesondere für den Bild 1: Treibhausgasemissionen in kg pro 100 km Fahrt unter Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Verflechtungen (nach Bereichen, Basisszenario) Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 93 Wissenschaft TECHNOLOGIE E-Golf relevant, da E-Autos im Allgemeinen länger halten [8]. Hier verringert sich die Treibhausgasbelastung um knapp 11 % und sinkt auf ein Niveau, das unter dem des Diesels im Basisszenario liegt. Fraglich ist allerdings, ob ungeachtet des Restfahrzeugs auch beim Akkumulator eine Nutzungsdauer von 15 Jahren realistisch ist [9]. Muss der Akku gewechselt werden, liegt die Emissionsbelastung ca. 9 % über der des Dieselfahrzeugs im Basisszenario. Sowohl die Senkung des spezifischen Materialaufwands der Produktion des Akkus bei gleichbleibender Kapazität als auch die Senkung der Produktionskosten von Akkumulatoren, was beides wohl mittelfristig realisierbar ist, lassen den E-Golf noch immer nicht besser als die Alternativen mit Verbrennungsmotor dastehen. Dies ändert sich, wenn statt des deutschen Strommix ein spezifischer CO 2 -Emissionsfaktor der Stromerzeugung von 0,2 kg/ kWh angenommen wird („Ökostrom“). Während sich die Emissionswerte der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor aufgrund der volkswirtschaftlichen Verflechtung mit dem Sektor der Energiebereitstellung über den gesamten Lebenszyklus geringfügig verbessern, halbieren sich die Emissionen des E-Autos sogar um knapp die Hälfte. Der E-Golf emittiert in diesem Szenario nur etwa 60 % so viel wie das Dieselmodell. Selbst wenn ein Akkuwechsel vonnöten ist, ist die Emissionsbilanz um gut 26 % besser als die des TDI. Wird stattdessen angenommen, dass ein Großteil der bereitgestellten Energie in Kohlekraftwerken hergestellt wird („China-Strom“) und der Emissionsfaktor der Stromerzeugung 1 kg/ kWh beträgt, sind logischerweise genau gegenteilige Effekte festzustellen. Die Umweltbilanz des E-Golf verschlechtert sich mit und ohne nötigen Akkuwechsel um gut die Hälfte gegenüber dem Basisszenario. Auch die Bilanzen des Diesel- und des Benzinfahrzeugs verschlechtern sich, fallen aber um gut 37 % beziehungsweise 23 % besser aus als beim E-Golf, selbst wenn dort kein Akkuwechsel nötig ist. Die EU gibt für das Jahr 2020 das Ziel aus, die flottengemittelte lokale CO 2 -Emission von PKW in Europa auf 95 g/ km zu begrenzen. Lässt sich dies bei den beiden Verbrennungsmotor-Varianten durch Effizienzsteigerungen bei sonst gleichbleibenden Bedingungen und Materialbedürfnissen realisieren, ist in der Gesamtbetrachtung plötzlich das Benzinfahrzeug das umweltfreundlichste aller betrachteten Varianten und emittiert in etwa 30 % weniger als der E-Golf unter Standard-Annahmen. Fazit und Ausblick Da der Betrachtungsrahmen sehr viel umfangreicher ist als der von Studien, die eine Lebenszyklusanalyse anwenden oder alleine den Betrieb der Fahrzeuge zum Gegenstand machen, ist das Ergebnis schlussfolgernd sehr viel aussagekräftiger: Der Golf mit Dieselantrieb ist im Status quo umweltfreundlicher als der E-Golf. Das Anwenden der EIO-LCA dreht somit die Ergebnisse einer herkömmlichen LCA (angewandt auf den VW Golf VI) um [9]. Das einzige Szenario, das den E-Golf gegenüber dem Dieselfahrzeug im Vorteil sieht, ist der Bezug von Ökostrom. Sollen elektrisch betriebene Fahrzeuge einen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgase in Deutschland leisten, muss die Senkung des spezifischen Emissionskoeffizienten der Energiebereitstellung die oberste Maxime der deutschen Bundesregierung sein. Vor dem Hintergrund, dass die aktuellen Modelle der siebten Generation des VW Golf sogar noch weitaus weniger Treibstoff benötigen als die in dieser Arbeit betrachteten Fahrzeuge [10] und damit den europäischen Zielvorgaben für das Jahr 2020 sehr nahe kommen, steht der E- Golf im Vergleich sogar noch schlechter da. Ein Ausbau erneuerbarer Energien im deutschen Strommix ist zur Sicherstellung der Umweltfreundlichkeit der Elektromobilität damit unerlässlich. ■ QUELLEN [1] Die Bundesregierung (2011): Regierungsprogramm Elektromobilität, http: / / www.bmbf. de/ , 05.08.2013. [2] Kraftfahrtbundesamt (2013): Bestand an Personenkraftwagen in den Jahren 2006 bis 2013 nach ausgewählten Kraftstoffarten (Teil 2), http: / / www.kba.de/ , 06.08.2013. [3] A. Auf der Maur, M. Treiber & S. Lämmer (2012): Kombinierte Lebenszyklus- und Verflechtungsanalyse zur Bilanzierung der CO 2 -Emissionen von Elektrofahrzeugen, http: / / stefanlaemmer.de/ , 16.07.2013. [4] C. T. Hendrickson, L. B. Lave & H. S. Matthews (2006): Environmental Life Cycle Assessment of Goods and Services - An Input-Output Approach, Washington DC, RFF Press. [5] Statistisches Bundesamt (2013): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen - Input-Output-Rechnung 2009, https: / / www.destatis.de/ , 06.08.2013. [6] Statistisches Bundesamt (2013): Luftemissionen: Deutschland, Jahre, Luftemissionsart, Produktionsbereiche, https: / / www-genesis.destatis.de/ , 18.08.2013. [7] Volkswagen (2008): Der Golf - Umweltprädikat - Hintergrundbericht, http: / / www.volkswagen.de/ , 31.7.2013. [8] M. Lienkamp (2012): Elektromobilität: Hype oder Revolution? , Berlin-Heidelberg, Springer-Verlag. [9] H.-J. Althaus & M. Gauch (2010): Vergleichende Ökobilanz individueller Mobilität: Elektromobilität versus konventionelle Mobilität mit Bio- und fossilen Treibstoffen, http: / / www. empa.ch/ , 13.08.2013. [10] Volkswagen (2012): Der Golf - Umweltprädikat - Hintergrundbericht, http: / / www.volkswagen.de/ , 04.09.2013. Daniel Martin, B.Sc. Wissenschaftliche Hilfskraft bei der Planungsgemeinschaft Verkehr Hannover. DanyMartin@gmx.de Martin Treiber, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaft und Verkehr an der Technischen Universität Dresden. treiber@vwi.tu-dresden.de Szenario Diesel Benzin Elektro Elektro inkl. Akkuwechsel Basisszenario 18,27 22,71 20,11 23,06 Laufleistung 15 J. 17,11 21,67 17,97 19,94 Akku-Effizienz + 25% 18,27 22,71 19,70 22,23 Akkuprod. 100-EUR/ kWh 18,27 22,71 19,08 20,99 Ökostrom 17,00 21,57 10,21 12,57 Chinastrom 19,71 24,00 31,28 34,89 Langfristziel EU 15,55 15,46 20,11 23,06 Tabelle 1: Treibhausgasemissionen der Fahrzeugtypen in kg CO 2 -Äq. pro 100 km Fahrt nach Szenarien FORUM Lehre Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 94 Neue Masterstudiengänge Englischsprachiger European Master An der Leibniz Universität Hannover startet, in enger Kooperation mit der TU Braunschweig, zum Wintersemester 2014/ 2015 erstmalig der neue englischsprachige Studiengang „European Master in Territorial Development“. D er innovative Studiengang European Master in Territorial Development richtet sich an AbsolventInnen einschlägiger Bachelor- oder Masterstudiengänge (Stadt- und Regionalplanung, Umweltplanung, Geographie, etc.), die vertiefende Kenntnisse im Bereich nachhaltiger Raumentwicklung erwerben möchten. In dem zweijährigen Studium beschäftigen sich die Studierenden in einem internationalen Kontext mit konkreten räumlichen Entwicklungen und ihren Steuerungsmöglichkeiten. Dabei geht es sowohl um integrative Ansätze der Raumordnung und Raumentwicklung auf allen Handlungsebenen, als auch um spezifische Zugänge wie Verkehrs- und Mobilitätspolitik, Landschaftsplanung, Siedlungsentwicklung etc.. Darüber hinaus werden grundsätzliche Aspekte raumbezogener Governance sowie planungstheoretische und -soziologische Ansätze erörtert (siehe Bild 1). Wahlmodule wie z. B. Nachhaltigkeit in Verkehrs- und Stadtplanung, ÖPNV - Planung und Betrieb, Planungsinformatik etc. ergänzen dieses Angebot. Eine zentrale Rolle kommt dem projektorientierten Arbeiten zu. In Kleingruppen werden selbstständig komplexe Praxisprobleme und Forschungsfragen bearbeitet. Hierbei werden auch Selbstmanagement, Darstellungs- und Präsentationstechniken sowie Teamfähigkeit in interdisziplinärer Zusammenarbeit gefördert. Der Masterstudiengang wird gemeinsam mit der TU Braunschweig organisiert und findet in enger Kooperation mit Partnern an der • Universität für Bodenkultur in Wien (Österreich), • Universität François Rabelais Tours (Frankreich), • University of the West of England Bristol (England), • Universität Wageningen (Niederlande) und • Universität Stockholm (Schweden) statt. Für die Studierenden ist ein Auslandssemester an einer der genannten Partneruniversitäten obligatorisch und dient gleichzeitig auch der Vorbereitung der Master-Thesis. Der europäische Arbeitsmarkt stellt zunehmend ein neues Feld der Positionierung dar. Durch die internationale Kooperation mit den europäischen Universitäten und die intensive Auseinandersetzung mit europäischen Herausforderungen und Chancen territorialer Entwicklung sind die AbsolventInnen sowohl für Führungs- und Projektleiterpositionen in den klassischen Berufsfeldern wie der Raumplanung oder Verkehrsplanung als auch für „neue“ Felder wie der integrierten Regionalentwicklung, der nachhaltigen Stadtentwicklung, der Kohäsionspolitik, der grenzüberschreitenden Kooperation sowie der Fördermittelberatung und dem -management qualifiziert. Eine ausführliche Beschreibung und Hinweise zur Bewerbung sind im Studienführer www.uni-hannover.de/ studienangebot zu finden. Zudem hält die Internetdarstellung des Studiengangs www.landschaft. uni-hannover.de/ msc_eumitd.html weitere Informationen bereit. ■ KONTAKT UND WEITERE INFO Dr. Pia Steffenhagen, Leibniz Universität Hannover; Institut für Umweltplanung, Hannover, Steffenhagen@umwelt.uni-hannover.de Dipl. Ing. Sonja Nollenberg, Studiengangskoordinatorin, Leibniz Universität Hannover; Studiendekanat Fachgruppe Landschaft, Hannover studiendekanat@laum.uni-hannover.de Bild 1: Studienverlaufsplan Quelle: Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 95 Lehre FORUM Berufsbegleitender M.Sc. ÖPNV und Mobilität UNIKIMS, die Management School der Universität Kassel, bietet den berufsbegleitenden Masterstudiengang „ÖPNV und Mobilität“ an. Er richtet sich an Fachsowie Führungs- und Führungsnachwuchskräfte, die ihren ersten Hochschulabschluss etwa in Ingenieurswissenschaften aller Fachrichtungen, Wirtschaftswissenschaften, Informatik oder Jura erworben haben. D er Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zählt zu einer sehr interdisziplinären Branche, in der die Fach- und Führungskräfte meist Ingenieure aller Fachrichtungen, Betriebswirte, Informatiker und Juristen sind. Planung, Betrieb und Management von Verkehrsdienstleistungen sowie Planung, Bau und Betrieb der zugehörigen Infrastruktur im ÖPNV sind komplexe Aufgaben, die neben spezifischem Fachwissen allgemeine Kenntnisse des ÖPNV erfordern, besonders aber die Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen den spezifischen Fachgebieten verstehen und bewerten zu können. Aufgrund veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen, demografischer Veränderungen und finanzieller Zwänge erhöhen sich die Anforderungen an diese Fach- und Führungskräfte im ÖPNV weiter. Vor diesem Hintergrund bietet UNI- KIMS den berufsbegleitenden Masterstudiengang „ÖPNV und Mobilität“ an. Hier sollen die im ersten Studiengang erworbenen fachspezifischen Kenntnisse durch zusätzliches interdisziplinäres Sach- und Methodenwissen erweitert und durch aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen im ÖPNV ergänzt werden. Der fünfsemestrige Studiengang startet jeweils im Wintersemester (Oktober) und wird mit dem akademischen Grad eines Master of Science abgeschlossen. Der Titel wird nach erfolgreichem Studienabschluss von der Universität Kassel verliehen und berechtigt zur Promotion. Neben der fachwissenschaftlichen Theorie- und Methodenausbildung steht der Anwendungsbezug im Vordergrund. Der Transfer von wissenschaftlichem Know-how in die berufliche Praxis ist somit Leitbild der Ausbildung. Im Einzelnen: • Erweiterung der Kenntnisse und Methoden bei Planung, Betrieb und Management von Verkehrsdienstleistungen sowie bei Planung, Bau und Betrieb der zugehörigen Infrastruktur im ÖPNV (Sach- und Methodenkompetenz* • Entwicklung der Fähigkeit, integrierte fachübergreifende Lösungen für Planungs- und Managementaufgaben im Unternehmen zu finden (interdisziplinäre Kompetenz) • Aufbau bzw. Ausbau der Kompetenz zur Übernahme von Fach- und Führungsverantwortung im Unternehmen • Unterstützung des Aufbaus eines persönlichen Netzwerks der Studierenden ■ Executive Master in Mobility Innovations (eMA MOBI) Die Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen bietet den neuen englischsprachigen Studiengang „Executive Master in Mobility Innovations“ an, in dem Experten aus der Transport-, Logistik- und Mobilitätsbranche zu interdisziplinären Mobilitätsmanagern ausgebildet werden. Z iel des 24-monatigen Studiengangs, der jeweils im Januar beginnt, ist die Vermittlung von Strukturen, Funktionsweisen und zukünftigen Herausforderungen des Transport- und Logistiksektors, ihre wechselseitigen Beziehungen sowie das Erkennen zukünftiger Trends basierend auf dem neuesten Stand der Technik. Der Studiengang ist explizit für Teilnehmer mit verschiedenen beruflichen Hintergründen und Ausbildungen ausgelegt: Wirtschaftsingenieure treffen auf Kommunikationsmanager, Mitarbeiter von Autozulieferern auf Flughafenbetreiber, Logistiker oder Bahnmitarbeiter. So lassen sich interdisziplinäre Netzwerke aufbauen und Erfahrungen mit branchenübergreifendem Arbeiten sammeln. Um neue, interdisziplinäre und intermodale Geschäftsmodelle am Markt entwickeln und zum Erfolg bringen zu können, lernen die Teilnehmer, nationale und globale Märkte, Marktentwicklungen, Transportketten und Handelsbeziehungen zu analysieren. Das interdisziplinäre Curriculum deckt ökonomische und technologische Aspekte ebenso ab wie die Vermittlung soziologischer und psychologischer Aspekte von Nutzern und Anwendern. Der berufsbegleitende Studiengang ist der einzige seiner Art, in dem ein ganzheitlicher und verkehrsträgerübergreifender Ansatz mit der konkreten Umsetzung von intermodalen Geschäftsmodellen verknüpft wird. Da der Studiengang eine internationale Perspektive auf die zukünftige Entwicklung der Mobilität wählt, ist die Unterrichtssprache Englisch. ■ KONTAKT UND WEITERE INFO Frauke Rogalla, Program Director, Tel +49 7541 6009-1605, frauke.rogalla@zu.de Prof Dr habil Wolfgang H. Schulz, Academic Program Responsibilty, Tel +49 7541 6009-1610, wolfgang.schulz@zu.de www.zu.de KONTAKT UND WEITERE INFO Univ.-Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer, Akademischer Leiter; Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrssysteme, Universität Kassel c.sommer@uni-kassel.de www.unikims.de/ oepnv/ master-oepnv-undmobilitaet-msc Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 96 FORUM Veranstaltung | Medien Länderkonferenzen: Ideen für eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland bröckelt. Mit einer regionalen Veranstaltungsreihe will die bundesweite Initiative „Infra Dialog Deutschland“ den Sanierungsbedarf der Verkehrswege in den Blickpunkt der Politik, der Medien und einer breiten Öffentlichkeit rücken und neue Ideen entwickeln. D eutschlands Infrastruktur braucht mehr Geld: Bei Bussen und Bahnen, bei Straßen, Brücken und Wasserstraßen hat die Sanierung von Anlagen, Fahrzeugen und Technik erhebliche Verspätung, weil die Finanzierung nicht steht. Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren zusätzliche Milliarden in die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur investieren - doch auch dieser Betrag reicht längst nicht aus, um die Versäumnisse der Vergangenheit auszugleichen. Deshalb veranstaltet die Initiative „Infra Dialog Deutschland“, 2013 vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zusammen mit anderen Institutionen und Unternehmen aus verschiedenen Branchen ins Leben gerufen, acht Länderkonferenzen in unterschiedlichen Bundesländern und Stadtstaaten. Hier diskutieren Bürger und Interessierte aus der Region mit den Verkehrsministern oder anderen hochrangigen Vertretern aus der Politik sowie Experten und Betroffenen aus Wirtschaft, Verwaltung, Verbänden und Medien. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie Sanierung, Ausbau und Neubau der Verkehrsinfrastruktur künftig bewältigt und finanziert werden können, ohne dass die Lebensqualität der Menschen vor Ort leidet: • Wie können regionale Belastungen angesichts des wachsenden Transit- und Binnenverkehrs bewältigt werden? • Wie lässt sich die Finanzierung der Infrastruktur im Land auf eine verlässliche Grundlage stellen? • Und welche Auswirkung hat dies alles auf die Lebensqualität der Menschen vor Ort? Nach den bereits erfolgten Länderkonferenzen in Bremen Ende März sowie Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen im April folgt am 19. Juni eine Veranstaltung in Hamburg. Länderkonferenzen in Hannover, Dresden und München sind im Laufe des Juli geplant, der Raum Rhein-Main folgt im Herbst. Die genauen Termine standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest - sie werden aktuell auf der Webseite der Initiative veröffentlicht. Dort können auch Ideen und Vorschläge eingereicht werden, ebenso besteht die Möglichkeit zur Anmeldung. Der bundesweite 2. Infrastrukturgipfel in Berlin, an dem auch Bundesverkehrsminister Dobrindt teilnehmen soll, ist anschließend für den 9. September 2014 geplant. ebl Weitere Information, Termine und Anmeldung: www.infra-dialog.de Mitten hindurch oder außen herum? Die lange Planungsgeschichte des-Autobahnrings München Roland Gabriel, Wolfgang Wirth Franz Schiermeier Verlag, 2013, 216 Seiten, broschiert mit zahlreichen Fotografien, Illustrationen, Infografiken, Karten und Übersichtsplänen, 18 doppelseitige Klapptafeln ISBN 978-3-943866-16-2 EUR 29,50 Dass Straßenverkehrsprojekte ihre Zeit brauchen, ist bekannt. Die Planungen zu einem Autobahnring um die bayerische Hauptstadt sind immerhin gut 80 Jahre alt. Mehr als 50 Trassenvarianten zur Verbindung und Zusammenführung der erst drei, heute sieben auf München zulaufenden Autobahnen haben die Autoren Roland Gabriel und Wolfgang Wirth in Archiven entdeckt, gut zehn hier erstmals veröffentlicht. Viele Autobahntrassen gehen auf alte Handelswege zurück, und München war lange Schnittpunkt wichtiger Fernstraßen von Schlesien nach Triest und von Wien über Stuttgart an den Rhein. Die Autoren haben sich daher auch mit den Entwicklungen in der vorautomobilen Zeit befasst, der Schwerpunkt liegt jedoch auf den verschiedenen Planungs- und Bauphasen der Vor- und Nachkriegszeit. Da zeigt sich, dass Zeitgeist und Ideologie stets direkten Niederschlag in den Planungen fanden - in einer Prachtstraße über dem Nymphenburger Kanal, einer Autoschneise entlang der Isar-Auen oder gigantischen Kreuzungsbauwerken direkt im Zentrum. Kernfrage war freilich damals wie heute die Finanzierung solcher Großprojekte - und so ist der Stadt zum Glück viel Unheil erspart geblieben. Bemerkenswert an diesem sorgsam zusammengestellten Buch sind nicht nur die zahlreichen historischen Pläne und Abbildungen, sondern auch die ausführlich kommentierten Klapptafeln und Projektkarten von 1889 bis in die heutige Zeit. Ein „Schmankerl“ auch für professionelle Verkehrs- und Regionalplaner. ebl ZWISCHENRUF „Die Finanzierung ist das Kernthema. Persönliche Egoismen und Parteirivalitäten sind bei einem so existentiellen Thema wie der Infrastruktur fehl am Platz. Wir müssen das als Solidargemeinschaft anpacken, sonst packen wir es nie.“ Oliver Wolff, Geschäftsführer der Initiative INFRA Dialog Deutschland und VDV-Hauptgeschäftsführer Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 97 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. 2. Heft Mai 2014 Mobilität für über eine Milliarde Menschen erleben L iebe Freunde und Mitglieder der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft, seit mehreren Jahren haben wir in unser DVWG- Veranstaltungsportfolio neben den jährlichen Jahresverkehrskongressen und den verschiedenen Fachforen, wie das Luftverkehrs-, das Nahverkehrs-, das Seeverkehrs- und das ÖPNV-Forum auch eine Auslandsfachexkursion integriert. Nach Peking (2010), Kanada (2011), Dubai (2012) und Barcelona (2013) können wir in diesem Jahr unseren Mitgliedern ein besonderes Reiseziel anbieten. Gemeinsam mit unserem langjährigen Partner, der ReiseDienst- Bartsch GmbH, haben wir ein interessantes Exkursionsprogramm vorbereitet, das in das größte Land Südasiens führt - nach Indien. „Wenn es einen Ort gibt, wo alle Träume seit den ersten Tagen, da der Mensch zu träumen begann, eine Heimat gefunden haben, dann ist es Indien.“ (Romain Rolland) Vom 23. November bis 1. Dezember 2014 wird die DVWG-Reisegruppe neben dem Besuch verschiedener touristischer Höhepunkte vor allem einen umfangreichen und vielseitigen Einblick in die Mobilität Indiens erhalten können. Auf dem Programm stehen u.a. der Besuch der kulturellen Metropole Neu-Dehli, Agra mit den beiden Denkmälern des UNESCO-Weltkulturerbes Taj Mahal und das Rote Fort sowie die „rosarote Stadt“ Jaipur mit Jantar Mantar, dem größten steinernen Observatorium der Welt. Als dicht bevölkertes Land mit einer Fläche von 3 Mrd. km 2 ist Indien verkehrsmäßig recht gut erschlossen und hat z.B. das zweitgrößte Eisenbahnnetz der Welt. Seine Bevölkerungsdichte beträgt 329 Einwohner pro km 2 (zum Vergleich: Deutschland 231 pro km 2 ). Das Land steht im Verkehrssektor vor gewaltigen Herausforderungen: Der Fahrzeugmarkt boomt, bis 2020 soll Indien der drittgrößte weltweit sein. Obwohl die Motorisierung der Bevölkerung noch gering ist, versinken die Großstädte bereits heute im Verkehrschaos mit Staus, Luftverschmutzung und Lärm. Die Regierung sucht nach Lösungen, um die steigende Luftbelastung in den Städten zu bekämpfen. Der indische Luftfahrtmarkt ist derzeit einer der größten Wachstumsmärkte weltweit. Das Bedürfnis nach Mobilität ist gewaltig und es ist auch weiterhin mit über dem Wirtschaftswachstum liegenden Zuwachsraten in der Luftfahrt zu rechnen. Denn mit der aufstrebenden Wirtschaft Indiens geht ebenso das Wachstum einer zahlungskräftigen Mittelschicht einher - und diese will fliegen. Auch der Markt für Elektrofahrzeuge entwickelt sich in den letzten Jahren rasant. Die Absatzzahlen steigen, denn seit Ende 2010 fördert die Regierung den Verkauf von Elektrozweirädern und -automobilen mit einem Zuschuss auf den Werkspreis. Vielfältige Fördermaßnahmen sind geplant. Die Regierung richtet eine „National Mission for Hybrid and Electric Vehicles“ ein, um die Branche gezielt zu fördern. Bis 2015 soll die Anzahl der E-Fahrzeuge auf den Straßen des Subkontinents auf 800 000 steigen. Der aktuelle Planungsstand des Fachprogramms der Exkursion sieht u.a. einen Besuch mit Vortrag und Informationen zum Projekt des weiteren Ausbau des U-Bahn-Netzes in Delhi, Mass Rapid Transit System (DMRTS), vor. Derzeitig beträgt das Liniennetz 181,8 km, besteht aus fünf Linien sowie einer Zweiglinie und verbindet aktuell 138 Stationen miteinander. Weiterhin werden die Teilnehmer in Fachgesprächen mit indischen Berufskollegen umfangreiche Informationen zur Stadtverkehrsplanung und der Optimierung der Verkehrsinfrastruktur „erfahren“, denn Projektvorstellungen zur „Dehli-Noida Toll Brigde“ und „Dehli-Gurgaon Expressway“ sind ebenfalls geplant. Bis zum Reisestart sind noch 6 Monate Zeit, die ersten Anmeldungen sind bereits in der Hauptgeschäftsstelle eingegangen. Gern sind wir bereit, noch weitere Bestandteile in das Fachprogramm zu integrieren und wären für entsprechend Hinweise und Unterstützung besonders durch unsere körperschaftlichen Mitglieder, die sich auf dem Verkehrssektor in Indien engagieren, sehr dankbar. Ich bin davon überzeugt, dass die diesjährige Indien-Fachexkursion ihren Teilnehmern einen einzigartigen Einblick in die faszinierende und vielschichtige Mobilität eines Milliarden-Einwohner- Landes mit all ihren Begleiterscheinungen, Folgeproblemen, Potentialen und Wachstumsperspektiven bringen wird. Melden Sie sich an! Ausführliche Informationen zum Reiseablauf finden Sie unter www.dvwg.de Eine gute Reise wünscht Ihnen Ihre Iris Götsch Teamleitung Hauptgeschäftsstelle DVWG e.V. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 98 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten 20 Jahre Ausbildung von Verkehrstechnikern in Gotha - Notwendigkeit, Erfahrungen, Reflexionen Tagungsbericht zum 26. Gothaer Technologenseminar Rolf Zeranski/ Tobias Pretzsch, Gotha Z um 26. Mal fand an der Staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr das Gothaer Technologenseminar statt. Dieses Jahr stand die von der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. (DVWG), der Fachschule Gotha sowie dem Institut für Ausbildungsförderung, Fortbildung und Wissenstransfer Gotha e.V. (IAFW) organisierte Verkehrsfachtagung ganz im Zeichen der Verkehrstechnikerausbildung an der Fachschule. Nach 20- Jahren Ausbildung wurde mit ca. 50 Teilnehmern Resümee gezogen, inwieweit der Anfang der 90er Jahre neu beschriebenen Notwendigkeit der Ausbildung entsprochen wurde, welche Erfahrungen aus dem Prozess der Umsetzung dieses Studienkonzeptes vorliegen und wie sich die Absolventen - also die Verkehrstechniker - inzwischen in der Verkehrspraxis etabliert haben (siehe Bild 1). Mit originalen Zeitdokumenten erläuterten Herr Prof. Kill (FH Erfurt) und Herr Höhne (FS Gotha) zunächst den Übergang vom Verkehrsingenieur (an der Schule erlangter Abschluss bis 1994) zum Verkehrstechniker Anfang der 90er Jahre. Herr Weber-Wernz von der VDV-Akademie machte in seinem anschließenden Vortrag die Wichtigkeit der Fachschulausbildung für die Verkehrsbranche anhand von folgenden 3 Thesen deutlich: • Fachschulausbildung ist wirksam und wichtig für die Branche, weil sie das notwendige fachliche Wissen und die richtige berufliche Einstellung vermitteln kann. • Die Fachschulausbildung stellt für die Branche ein wichtiges Bildungs-Instrument dar, um die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei den technischen Spezialisten sukzessive schließen zu können. • Fachschulen müssen die Verkehrstechniker von morgen zur Verfügung stellen. Die, die in Zusammenhängen denken und planen können, die erfolgreiche Lösungen für Betrieb, Werkstatt und Infrastruktur ausarbeiten und den Verkehrssektor von Morgen neu erfinden. Herr Effler vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ordnete in seinem Vortrag die Fachschulausbildung in die Thüringer Schullandschaft ein und zeigte, dass die Fachschule Gotha mit 7 Fachrichtungen eine thüringenweite (davon 3 Fachrichtungen sogar deutschlandweite) Einmaligkeit vorweist. Er informierte zudem darüber, dass die Einstufung des Abschlusses zum Techniker in die Stufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens auf den Abschlusszeugnissen vermerkt wird. Damit soll die Gleichwertigkeit des Abschlusses mit Bachelorabschlüssen von Hochschulen verdeutlicht werden. Herr Klabunde von der DB Netz AG stellte in seinem Vortrag die Einsatzfelder von Verkehrstechnikern in einem Eisenbahnunternehmen dar. Diese sind vielfältig und reichen vom Zugdisponenten über Baubetriebsplaner bis hin zum Fachbeauftragten Betrieb. Er verglich zudem die Ausbildung zum Verkehrstechniker mit der zum Fachwirt für Bahnbetrieb und stellte Vor- und Nachteile der jeweiligen Ausbildungen heraus. Inhaltlich sind beide Ausbildungen ähnlich. Wesentliche Vorteile der Verkehrstechnikerausbildung sind das nicht benötigte Abitur als Zulassungsvoraussetzung sowie die Möglichkeit der berufsbegleitenden Ausbildung. Der Fachwirt erlangt direkt in seiner Ausbildung zusätzliche Befähigungen zum Bezirksleiter Betrieb und Notfallmanager. Diese Qualifikationen kann der Verkehrstechniker auf seine Ausbildung aufbauend jedoch noch nachholen. Herr Credé von der Dresdner Verkehrsbetriebe AG untermauerte in seinem Vortrag die Wichtigkeit der Verkehrstechniker in seinem Unternehmen. Besonders in der Ebene des „Middle Management“ werden durch die derzeitige Alterstruktur des Unternehmens in der nächsten Zeit Fachkräfte fehlen. Dadurch entstehende Lücken sollen durch Verkehrstechniker wieder gefüllt werden. Deshalb startet das Unternehmen derzeit auch eine Ausbildungsoffensive und lässt 7 Mitarbeiter an der Fachschule Gotha berufsbegleitend ausbilden. Herr Zeranski von der Fachschule Gotha skizzierte die bisherige Ausbildung des Verkehrstechnikers seit 1992 bis heute. Dabei ging er konkret auf die Profilerweiterung des damaligen Studiums zum Schwerpunkt „Verkehrsmanagement“ ein. Im Anschluss präsentierte Herr Pretzsch, ebenfalls von der Fachschule Gotha, die Zukunftspläne der Fachrichtung Verkehrstechnik. Parallel zum existierenden Studienschwerpunkt Eisenbahnbetrieb soll der Studienschwerpunkt Personenverkehrssysteme entwickelt werden. Um einen Bezug zum Eisenbahnbetriebsfeld herzustellen, sollen in dieser Ausbildung die Inhalte bzw. Prozessschritte der ÖPNV-Planung anhand eines an das Eisenbahnbetriebsfeld gekoppelten virtuellen ÖPNV-Netzes vermittelt werden. Herr Seifert von der Dresdner Verkehrsbetriebe AG, Herr Grassel von der DB Netz AG sowie Herr Döpping von der ER bahnconsulting berichteten im letzten Vortragsteil von ihren Erfahrungen mit dem Abschluss als Verkehrstechniker. Die drei Referenten eint, dass sie in Ihren Unternehmen mittlerweile Führungspositionen innehaben, sie unterscheidet jedoch der Werdegang zu dieser. Während für Herrn Grassel der Abschluss als Verkehrstechniker Ausgangspunkt für den innerbetrieblichen Aufstieg war, hatten die anderen beiden Re- Bild 1: Teilnehmer des 26. GTS im historischen Spiegelsaal der Fachschule Gotha Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 99 Verkehrswissenschaftliche Nachrichten DVWG Streiflicht Japan - Verkehrsentwicklung in einem Land im Umbruch Wissenschaftlicher Vortrag Bernd-Walter Schubert/ Martin Hoffmann, Bezirksvereinigung Sachsen Anhalt A m 11. März 2014, dem 3. Jahrestag der Natur- und Technik-Katastrophe des schweren Tohoku-Seebebens in Japan mit verheerenden Folgen aus Tsunami-Flut und Kernschmelze in drei Reaktoren des Kernkraftwerkes Fukushima Dai-ichi, hielt Dipl.- Ing. Tim Schneider bei der Bezirksvereinigung Sachsen-Anhalt einen Fachvortrag über aktuelle Themen der Verkehrsplanung in Japan. Nach einem spannenden Gesamtüberblick zu Land und Leuten beleuchtete der Referent zahlreiche Verkehrsbauvorhaben, darunter auch jene, welche in Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio entstehen. Hervorgehoben wurden innerstädtische Expressway- Bauvorhaben in aufgeständerter Bauweise und in stadtverträglicher Tunnel-Lage. Weiterhin wurden facettenreiche Projekte zur Verbesserung des schienengebundenen Fern- und Nahverkehrs vorgestellt. Bei allen gezeigten Projekten wurde immer wieder deutlich, welche große Rolle die besonderen geologischen Randbedingungen in Japan spielen. Darüber hinaus bedingt die von Mitteleuropa verschiedene Siedlungsweise eine deutlich andere Struktur des Verkehrswesens. Die in den großen Ballungsräumen weit ausdifferenzierten Lebensweisen sowie das berufliche Mobilitätsverhalten und die Mobilitätsmuster des Freizeitverkehrs haben ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Verkehrssysteme und die konkreten Verkehrsangebote. Anhand von wiederkehrenden typischen Planungs-, Abwägungssowie Entscheidungsmustern und aktuellen Investitionsprioritäten in Japan wurde eine Brücke geschlagen zum laufenden „Planungsgeschäft“ in urbanen Ballungsräumen Deutschlands. Sensibilisiert durch den Vortrag diskutierten die Teilnehmer im Anschluss u. a. zu folgenden Fragen: Wird Verkehr immer als dienende Funktion der sachgerechten Verbindung verschiedener Orte betrachtet oder erliegt man einseitigen Entscheidungsmustern wie z.B. der Förderung des Verkehrs um des Verkehrs willen als Versuch einer Standortaufwertung? Welche maßgeblichen Unterschiede gibt es in punkto Stadt- und Verkehrsentwicklungsplanung zwischen Japan und Deutschland bzw. welche Gemeinsamkeiten lassen sich herausfiltern? In welchen Themenfeldern können wir von Japan lernen? Was könnte Japan von uns aufgreifen? Die angebotene Themenvielfalt spiegelte sich auch im Teilnehmerkreis wider. So konnten neben den Mitgliedern der Bezirksvereinigung Sachsen-Anhalt auch Vertreter aus Verkehrsunternehmen, Planungsbüros und des Akademischen Mittelbaus der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie der Präsident der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Sachsen-Anhalt e.V., Herr Prof. Dr.-Ing. habil. Lutz Wisweh, begrüßt werden. ■ Shinkansen in Okayama, Westjapan (Foto: Tim Schneider) ferenten eine Führungsposition bereits im Vorfeld ihrer Ausbildung inne. Die Ausbildung in Gotha diente als Ausgangspunkt für weitere notwendige Fortbildungsmaßnahmen. Sie diente neben der Aneignung von Fachwissen vor allem aber auch dazu, nach längerer Berufstätigkeit wieder das „Lernen zu lernen“, was in weiteren Fortbildungen gewinnbringend genutzt werden konnte. In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde vor allem über den Bekanntheitsgrad der Ausbildung über die Grenzen Thüringens bzw. Mitteldeutschlands hinaus diskutiert. Es wurden stärkere PR-Maßnahmen gefordert und auch die Thüringer Politik wurde aufgefordert, sich langfristig zur Schule zu bekennen und vor allem auch außerhalb von Thüringen mit der Einzigartigkeit der Schule und der Ausbildung zu werben. Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass die Ausbildung zum Verkehrstechniker an der Fachschule Gotha erfolgreich in die Ausbildungslandschaft integriert werden konnte und sie aufgrund des zu erwartenden Fachkräftemangels weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die Tagungsbeiträge können im Internet unter folgendem Link heruntergeladen werden: www.iafw-gotha.de/ GTS/ gts_26.html ■ Die Autoren: Dipl.-Ing. Rolf Zeranski, Leiter der Fachrichtung Verkehrstechnik der Staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr Gotha, rolf.zeranski@ fachschule-gotha.thueringen.de Dipl.-Ing. Tobias Pretzsch, Fachlehrer für Verkehr an der Staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr Gotha, tobias.pretzsch@fachschulegotha.thueringen.de Bild 2: Abschließende Podiumsdiskussion mit den Vortragenden Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 100 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten DVWG-Mobilitätsbrunch - echter Mehrwert für-unsere körperschaftlichen Mitglieder Thorsten Fromm/ Frank Nagel, BV FrankfurtRheinMain e.V. U nsere Bezirksvereinigung Frankfurt- RheinMain e.V. hat sich mit einem eigenen Veranstaltungsformat - dem DVWG- Mobilitätsbrunch besonders der Mitgliederpflege ihrer körperschaftlichen Mitglieder verschrieben. Seit Herbst 2011 laden wir bis zu viermal jährlich dazu ein. Die Termine werden frühzeitig im Rahmen unseres BV-Veranstaltungsprogrammes kommuniziert und angekündigt. Bewusst sind wir dabei von den üblichen Abendterminen abgewichen, pünktlich ab 8.30 Uhr treffen sich persönliche Mitglieder, Vertreter unserer Körperschaften, Freunde der DVWG. Gäste sind stets willkommen. Man trifft sich zur gleichen Zeit, stets am gleichen Ort. Alle bisherigen Veranstaltungen dieser Reihe fanden bis auf eine Ausnahme im HOLM- Forum, am Flughafen Frankfurt statt. Nicht nur Mitgliederpflege, sondern auch Neugewinnung lautet hier das Ziel. Denn der gemeinsame Business-Brunch hat sich in kürzester Zeit zu einer gefragten festen Veranstaltungsgröße in der Frankfurter Community entwickelt. Man schätzt die entspannte Gelegenheit zum persönlichen Austausch und Networking. Eingeladen wird jeweils ein besonderer Gast aus der Region. Das waren bisher sowohl Vertreter aus Verkehr, Politik, aber auch Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Öffentlichkeit. Nach einem Einführungsvortrag besteht die Möglichkeit zu Dialog- und Diskussionsmöglichkeiten. So konnten seit „Erfindung“ dieser Veranstaltungsreihe u. a. Dr. Petra Roth (ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt), Michael Clausecker (Vorsitzender der Geschäftsführung von Bombardier Transportation) oder Dr. Dirk Flege (Geschäftsführer Allianz pro Schiene) als Gast und Gesprächspartner begrüßt werden. Im März dieses Jahres konnte der insgesamt 8. Mobilitätsbrunch angeboten. Staatssekretär Christian Gaebler von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin stellte sich in einer angeregten Diskussion den Fragen der Anwesenden und Gäste. Von den zahlreichen körperschaftlichen Mitgliedern unserer Region erhielt unsere Bezirksvereinigung ein außerordentlich positives Feedback. Die Gelegenheit zum fachlichen Meinungsaustausch, zur Informations- und Wissensgewinnung aber auch zur Pflege des Partnernetzwerkes nutzen besonders Vertreter aus der mittleren und oberen Management gern und nehmen, wenn terminlich möglich, regelmäßig an diesen Veranstaltungen teil. Insofern werden wir diese Reihe gern weiter fortführen, um unseren körperschaftlichen Vertretern mit dem Mobilitätsbrunch nicht nur einen „Nährwert“, sondern zugleich einen echten „Mehrwert“ zu bieten. ■ frankfurtrheinmain@dvwg.de Bisherige Veranstaltungen und ihre-Gäste: Termin 22.06.2011 1. Mobilitätsbrunch Dr. Joachim Scheiner, TU Dortmund 9.02.2012 2. Mobilitätsbrunch Dr. Lothar Klemm, Hessischer Staatsminister a.D. 24.05.2012 3. Mobilitätsbrunch Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba 23.08.2012 4. Mobilitätsbrunch Dr. Petra Roth, Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt a.D. 22.02.2013 5. Mobilitätsbrunch Dr. Stefan Walter, Geschäftsführer HOLM 04.06.2013 6. Mobilitätsbrunch Michael Clausecker, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bombardier Transportation Deutschland Ort: transport logistic München, Hessischer Gemeinschaftsstand 30.08.2013 7. Mobilitätsbrunch Dr. Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene 04.03.2014 8. Mobilitätsbrunch StS. Christian Gaebler, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin Nächste Termine: 22. Mai 2014 - 16. September 2014 - 27. November 2014 Foto: Frank Nagel Foto: Frank Nagel Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 101 Verkehrswissenschaftliche Nachrichten DVWG Zentrale Veranstaltungen Mildenberg 22.08.2014 Oberhavel Verkehrsgespräche „Steigende Fahrgastzahlen - Unsichere Finanzen! Wie geht es 2019 weiter? “ 23.11.-1.12.2014 DVWG-Auslandsfachexkursion „Das-Beste Indiens“ Frankfurt 10.12.2014 9. Nahverkehrsforum „ÖPNV in Ballungsräumen - Aufgaben und Lösungsmöglichkeiten“ SAVE THE DATE 12./ 13.11.2014, Frankfurt Deutscher Mobilitätskongress 2014 Mobility 4.0 - Datenfluss und Mobilität DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 25 10555 Berlin Tel. +49 30 2936060 Fax +49 30 29360629 E-Mail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Berg und Mark berg-mark@dvwg.de 20.05.2014, 13: 00 Uhr Exkursion des Jungen Forums Berg & Mark zur Müngstener Brücke Ort: Solingen Schaberg Anmeldung: Sprecher-BergundMark@ jungesforum.DVWG.de 12.06.2014, 16: 00 Uhr Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr: Struktur - Aufgaben - Ziele Aktuelle Projekte an Hand ausgewählter Beispiele Ort: Universität Wuppertal, Campus Haspel, Eugen-Langen-Saal, HD 35 Nordhessen nordhessen@dvwg.de 16.-18.06.2014 Exkursion nach Halle und Leipzig Programm: Baustellenbesichtigung, „Citytunnel“, ICE-Neubaustrecke Leipzig - Erfurt, Hallesche Verkehrs AG, Airport-Tour am Flughafen Leipzig/ Halle Oberrhein oberrhein@dvwg.de 20.05.2014, 17: 30 Uhr Karlsruhe - CarSharing Hauptstadt Deutschlands Ort: Infopavillon K., Ettlinger-Tor-Platz 1a, 76133 Karlsruhe 03.06.2014, 16: 00 Uhr Verkehrswissenschaftliches Kolloquium: Planung und Genehmigung der verkehrlichen Erschließung von Großveranstaltungen Ort: KIT, Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen, Geb. 10.81, Otto-Ammann-Platz 1, 76131 Karlsruhe Rheinland e.V. rheinland@dvwg.de 20.05.2014, 18: 00 Uhrr Elektromobilität in Köln - Das Projekt ColognE-mobil Ort: IHK Köln, Raum: 3.07 23.06.2014, 17: 30 Uhr Wettbewerb und Regulierung im Eisenbahnverkehr Ort: Bundesnetzagentur, Tulpenfeld 4, 53113 Bonn FrankfurtRheinMain e.V. frankfurtrheinmain@dvwg.de 18.07.2014, 17: 00 Uhr Kooperationsveranstaltung IHK/ DVWG: Die Verkehrspolitik im Ballungsraum nach den Wahlen Ort: IHK Frankfurt, Börsenplatz 4, 60313 Frankfurt am Main Württemberg e.V. wuerttemberg@dvwg.de 19.05.2014, 17: 30 Uhr Intermodalität aus Sicht der Speditionsbranche Ort: Verband Region Stuttgart Kronenstr. 25, 70173 Stuttgart Berlin-Brandenburg e.V. berlin-brandenburg@dvwg.de 21.05.2014, 18: 00 Uhr Gemeinschaftsveranstaltung mit DLR: Förderung der Nahmobilität - Vorfahrt für Radfahrer in Berlin! Ort: DLR e.V., Rosa-Luxemburg-Str. 2, 10178 Berlin Südbayern e. V. suedbayern@dvwg.de 28.05.2014, 17: 00 Uhr Sicher unterwegs - wie sicher sind Bayerns Straßen für Fußgänger, Fahrrad- und Autofahrer? Ort: Hanns-Seidel-Stiftung 5.06.2014, 17: 30 Uhr Mitgliederforum der DVWG Südbayern: Von und für uns - Mitglieder stellen ihre Projekte im Verkehrsbereich vor Ort: München, Deutsche Museum, Verkehrszentrum 21.06.2014, 13.00 Uhr Nachrichtenverkehr: Besuch des Industriedenkmals Radom Raisting Ort: Raisting 19.07.2014 Jahresexkursion nach Murnau: Bürgerbahnhof Murnau und Rahmenprogramm Ort: Murnau Hamburg hamburg@dvwg.de 20.05.2014, 18: 00 Uhr Kamingespräche Junges Forum „Nachwuchs trifft Entscheider“ Referent: Michael Eggenschwiler (Vorsitzender der Geschäftsführung, Flughafen Hamburg GmbH) 19.06.2014, 14: 00 Uhr Fährverkehr der HADAG Ort: St. Pauli Fischmarkt 28, 20539 Hamburg Veranstaltungen des Junges Forums München 8.-10.10.2014 Jahres-Fachexkursion „Der Verkehr in der Metropole München“ München 11.10.2014 12. Verkehrswissenschaftliches Zukunftsforum mit Bundesdelegiertenkonferenz des JF Brüssel 3.-5.11.2014 Europa-Exkursion mit Exkursionsauftakt in Aachen und Besuch des European Transport Congress FORUM In eigener Sache Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 102 Näher an der Branche Seit Jahresbeginn 2014 hat Internationales Verkehrswesen einen um sechs Experten erweiterten Herausgeberkreis. Die neuen Mitglieder vertreten wichtige Teilgebiete des Verkehrswesens in Forschung, Lehre oder Praxis und stellen sich Ihnen auf den folgenden Seiten vor: mit kurzen Statements zum eigenen Tätigkeitsbereich, zu den aktuellen Herausforderungen des Marktes und zu ihrer Sicht auf Internationales Verkehrswesen. Prof. Dr. Kay W. Axhausen, Vorstand, Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), ETH Zürich axhausen@ivt.baug.ethz.ch D as Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) ist das älteste und größte verkehrswissenschaftliche Institut der Schweiz: 130 Jahre 1 Geschichte und heute 50 Mitarbeiter in drei Forschungsgruppen: Verkehrstechnik (Dr. M. Menendez), Verkehrssyteme (Prof. U. Weidmann) und Verkehrsplanung. Unsere Arbeit vereint Forschung, Normierung und Beratung mit leicht unterschiedlichen Anteilen. 2 Die Bandbreite meiner eigenen Arbeit reicht von Befragungen zum räumlichen Verhalten über dessen ökonometrische Modellierung bis zur Umsetzung der gewonnenen Einsichten in großräumigen, aber räumlich und zeitlich hochaufgelösten Simulationsmodellen. Das Open-source-Werkzeug MATSim für diese agenten-basierte Simulation (www.matsim.org) wird ständig methodisch weiterentwickelt, stellt aber durch große eigene Implementierungen (Schweiz und Singapur) auch den Rahmen für unsere substantiellen Arbeiten bereit. Die Möglichkeiten der big data, und dazu sollte man auch die kommerziellen Quellen wie zum Beispiel NavTeq, Tom-Tom, HAFAS, zählen, erlauben eine bisher unerhörte Tiefe der Analyse und Beratung, drohen die Arbeiten aber auch unter der Datenflut zu ertränken. Die Frage ist also, ob und wann diese Tiefe notwendig ist und wann dramatisch einfachere Modelle planerisch und politisch angemessen sind. Diese Frage beschäftigt mich sehr, da für die künftige Entwicklung wohl eher gröbere Modelle die politische Diskussion beeinflussen können. Die Abwägung zwischen Erreichbarkeiten, mittleren Geschwindigkeiten der Verkehrssysteme und der Produktivität unserer Gesellschaften braucht quantitative Modelle, um durchdachte Aussagen zur Besteuerung und zu den Investitionen machen zu können. Wie detailliert müssen diese Modelle aber sein? Das Internationale Verkehrswesen steht für mich genau an dieser Schnittstelle zwischen methodischer und politisch, unternehmerischer Diskussion zu diesen Themen. Seine Mischung erlaubt es mir und den Lesern zu sehen, wie methodischer Fortschritt und planerische Diskussion sich gegenseitig beeinflussen und voranbringen. 1 Sandmeier, S. (2008): Vom Eisenbahnbau zur Verkehrsplanung: Die Institutionalisierung des Verkehrswesen an der ETH Zürich, in: S. Sandmeier and K.W. Axhausen (eds.) 125 Jahre Verkehrswesen an der ETH Zürich, 4-33, IVT, ETH Zürich, Zürich. 2 Siehe z.B. Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (2012): Jahresbericht 2012, IVT, ETH Zürich, Zürich auf www.ivt.baug.ethz.ch Prof. Dr.-Ing. habil. Hartmut Fricke, Dekan der Fakultät Verkehrswissenschaften, Professur Technologie & Logistik des Luftverkehrs, Institut für Luftfahrt und Logistik, Technische Universität Dresden fricke@ifl.tu-dresden.de D ie Professur für Technologie und Logistik des Luftverkehrs am Institut für Luftfahrt und Logistik (IFL), Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, Technische Universität Dresden, bietet die Ausbildung zum Verkehrsingenieur mit Schwerpunkt Luftverkehrstechnologien an. Darüber hinaus werden vielfältige Kurse für Verkehrswirtschaftler, Wirtschaftsingenieure, Luft- und Raumfahrttechniker sowie Informatiker angeboten. Die Lehrveranstaltungen decken die technologischen, operationellen und politisch/ rechtlichen Grundlagen des Luftfahrzeuges, seines Antriebs und seiner betrieblichen Umgebung ab. Wir forschen in den Gebieten Trajectory & Rollverkehrsmanagement, Airport & Terminal Operations sowie technisch/ betrieblicher Risiken. Methodisch wird ebenso im Bereich der Methoden, Algorithmen und Modellbildung (gefördert von der DFG und SESAR) als auch im Rahmen industrieller, angewandter Forschung im Air Traffic Management im Auftrag von Luftverkehrsgesellschaften, Flughäfen, Ministerien als auch Flugsicherungen gearbeitet. Dabei strebe ich selbst stete Aktualität der Arbeiten am Lehrstuhl an: als Mitglied in Review Komitees internationaler Publikationsorgane und Symposien der Eurocontrol, FAA, PWH, International Review of Aerospace Engineering (IREASE), CEAS sowie des Wissenschaftlichen Beirats beim Deutschen Verkehrsminister (BMVI) und des Industriebeirats Lufttransportsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zudem bin ich DFG Fachkollegiat für den Bereich Systemtechnik. Eine der aktuellen Herausforderungen der ATM-Branche ist, für ökologisch nachhaltige Verkehrsangebote zu sorgen, somit die Erforschung aussichtsreicher Technologien für ein weiter umweltverträglicheres Luftverkehrssystem gekennzeichnet durch Verbräuche deutlich unter 3 Liter/ 100 Passagier-km und nochmals reduzierten exter- Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 103 In eigener Sache FORUM nen Effekten. Dies erfordert neben technischen Anpassungen auch die stete Optimierung und Neuentwicklung von betrieblichen Verfahren. Als Mitherausgeber hoffe ich, mithilfe des Internationalen Verkehrswesens Sie über die spannenden ökologischen, ökonomischen als auch sicherheitsbezogenen Fortschritte des Luftverkehrs regelmäßig informieren zu dürfen. Für Kritik und Hinweise stehe ich Ihnen gern per Email fricke@ifl.tu-dresden. de zur Verfügung. Bleiben Sie uns gewogen! Prof. Dr. Hans-Dietrich Haasis, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Universität Bremen; Vorsitzender des Direktoriums ISL - Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremen, Bremerhaven haasis@isl.org D as ISL ist eines der europaweit führenden Institute für angewandte Forschung, praxisorientierte wissenschaftliche Beratung und Knowhow-Transfer auf den Gebieten Seeverkehrswirtschaft und Logistik. Es wurde vor 60 Jahren als gemeinnützige Stiftung in Bremen gegründet. 1 Rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten heute an zwei Standorten Bremen und Bremerhaven in drei Abteilungen „Logistische Systeme“, „Maritime Wirtschaft und Verkehr“ und „Informationslogistik“ Projekte aus der ganzen Welt. Betrachtet man aktuelle Herausforderungen in der maritimen Logistik - Flexibilität, Sicherheit, Umwelt, Kommunikation, Integration und Zeiteffizienz -, so sind neue betriebs- und informationswirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten für unterschiedliche Anwendungsszenarien in der maritimen logistischen Kette zu entwickeln und umzusetzen. Vor diesem Zusammenhang beschäftige ich mich mit betriebswirtschaftlichen und transportwissenschaftlichen Ansätzen zur Entscheidungsunterstützung und zur Verbesserung der Kommunikation, der Kooperation und des gemeinsamen Lernens bei und zwischen Partnern in maritim geprägten internationalen logistischen Netzwerken. Aufgabe des Internationalen Verkehrswesens ist es, über die Entwicklungen auch in der maritimen Logistik und Transportwirtschaft seine Leserinnen und Leser zu informieren und zu sensibilisieren, und damit Impulsgeber zu sein für den Transfer von Wissen zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen des internationalen Verkehrswesens. Hierzu möchte ich als Mitherausgeber beitragen - und selbstverständlich auch meine internationalen Kontakte einbringen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Sprechen Sie mich gerne an. 1 siehe Seite 40 Univ.-Prof. Dr. Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien sebastian.kummer@wu.ac.at D as Institut für Transportwirtschaft und Logistik gehört seit über 90 Jahren zu den führenden Instituten im Bereiche Transportwirtschaft, Logistik und Supply Chain Management. Es bietet vielseitige und praxisorientierte Veranstaltungen, anwendungsnahe Forschungsarbeiten sowie eine solide Ausbildung an. In Kooperation mit Unternehmen, Verbänden, Studenten und der Verkehrspolitik lösen wir aktuelle praktische Probleme und wissenschaftliche Forschungsfragen. Darüber hinaus organisieren wir den Wissenstransfer zwischen Lehre und Praxis. Transportwirtschaft und Logistik sind entscheidende Faktoren im Standortwettbewerb. Aufgrund einer gewissen „Antiverkehrspolitik“ ist Österreich im aktuellen Logistik-Performance-Index (LPI) 2014 der Weltbank leider auf Platz 22 abgerutscht. Die Herausforderung ist es, die zentrale Lage Österreichs, insbesondere als Drehscheibe für die mittel- und osteuropäischen Länder, zu nutzen und Österreich zum besten Logistikstandort in CEE und SEE zu machen. Aufgrund der hohen Kosten muss es dabei das Ziel sein, ein hervorragendes Serviceniveau sowie ökologisch führende Transport- und Logistikleistungen bei wettbewerbsfähigen Kosten anzubieten. Die Zeitschrift Internationales Verkehrswesen kann durch das Aufzeigen aktueller Trends und neuester Forschungsergebnisse die Verkehrspolitik dabei unterstützen, die Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleitung Telefon (040) 23714-223 Telefax (089) 889518-75 eberhard.buhl@dvvmedia.com IHR KURZER DR AHT ZUR REDAKTION © freni/ pixelio.de IV EAZ.indd 3 28.2.2014 16: 12: 56 FORUM In eigener Sache Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 104 richtigen Maßnahmen zu treffen. Managern aus dem Bereich der Transportwirtschaft und der interessierten Öffentlichkeit bietet IV eine ideale Informationsplattform. Als Mitherausgeber will ich dafür sorgen, dass neueste Forschungsergebnisse ebenso aufgegriffen werden wie wichtige verkehrspolitische Entwicklungen. Ich freue mich auf einen konstruktiv kritischen Dialog mit Ihnen, damit Internationales Verkehrswesen weiterhin das bleibt, was es seit Jahren ist - die führende deutschsprachige Fachzeitschrift im Bereich der Transportwirtschaft. Prof. Dr. Barbara Lenz, Direktorin, DLR Institut für-Verkehrsforschung, Berlin-Adlershof barbara.lenz@dlr.de D as Institut für Verkehrsforschung in Berlin-Adlershof ist eines der drei Verkehrs-Institute im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Arbeitsschwerpunkte der annähernd 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Berliner Instituts sind die Erforschung von Verkehrsentstehung und Verkehrsverhalten, die Untersuchung der Akzeptanz von neuen Technologien und Steuerungsmaßnahmen sowie die Erarbeitung von Methoden zur Bewertung der mittel- und langfristigen Auswirkungen von Verkehr, vor allem vor dem Hintergrund einer an Nachhaltigkeit orientierten Politik. Die dafür notwendigen methodischen Kompetenzen reichen von der empirischen Forschung bis hin zur Modellbildung sowohl im Personenals auch im Wirtschaftsverkehr. Mit seinen Arbeiten geht das Institut die besonderen Herausforderungen an, mit denen Gesellschaft, Unternehmen und Politik derzeit konfrontiert sind: Es geht um die Gewährleistung eines hohen Maßes an Mobilität, gleichzeitig aber um die Reduzierung der Umweltbelastungen durch den Verkehr - Lärm, Luftverschmutzung, Flächenbedarf, Klimawirkungen. Zusammen mit Forschungspartnern innerhalb und außerhalb des DLR arbeitet das Institut für Verkehrsforschung deshalb intensiv an einer empirisch fundierten Wirkungsforschung. Blickt man über die Inhalte, die in den vergangenen Monaten und Jahren in Internationales Verkehrswesen publiziert und diskutiert wurden, wird schnell deutlich, dass dies das wichtigste Forum für die multimodale Verkehrsforschung im deutschen Sprachraum ist. Mit einem Format, das Abwechslung und Vielfalt zulässt, können neue Themen früh platziert und damit angestoßen werden - und das für eine breite Leserschaft. An dieser Stelle sehe ich meine besondere Aufgabe als Mitherausgeberin: neue Themen frühzeitig aufgreifen, die Diskussion anstoßen und Kontroversen zulassen, den Dialog zwischen Fachdisziplinen ebenso wie zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stärken. Ich freue mich darauf, mich in die Weiterentwicklung von Internationales Verkehrswesen einbringen zu dürfen. Sprechen Sie mich an, damit ich auch Ihre Ideen und Anregungen aufnehmen kann. Prof. Knut Ringat, Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH k_ringat@rmv.de D er Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) ist einer der größten deutschen Verkehrsverbünde, er bewegt fast 2,5 Mio. Menschen täglich. Mit mehr als 5 Mio. Einwohnern auf einer Fläche von 14 000 km 2 ist unser Gebiet geprägt von Gegensätzen: Stark wachsende Zentren stehen ländlichen Regionen gegenüber, beiden gerecht zu werden, ist die große Herausforderung der nächsten Jahre. Menschen werden mobiler, allein auf der Schiene haben wir einen Fahrgastzuwachs von rund 30 % innerhalb von fünf Jahren zu verzeichnen gehabt. Dem müssen wir ebenso Rechnung tragen wie den rückläufigen Schülerzahlen in der- Fläche. Um den Zuwächsen im Ballungsraum gerecht zu werden, braucht es eine moderne und zukunftsfähige Infrastruktur - und dafür setzen wir uns bundesweit ein. Die Kunden stehen für uns immer im Mittelpunkt unserer Arbeit. Unsere Fahrgäste erwarten Pünktlichkeit, moderne Fahrzeuge und gute Informationen - auch unterwegs - sowie einfache Zugänge. Dem tragen wir Rechnung durch unsere innovativen Features: die RMV-App mit mehr rund 120 000 angemeldeten Kunden und das eTicket RheinMain, mit dem wir als einziger Verbund in Deutschland ein verbundweites Hintergrundsystem etablieren konnten und das zudem als Mobilitätskarte viele weitere Nutzungen wie das Ausleihen von eBikes oder die Nutzung von Carsharing- Angeboten zulässt. Damit werden wir zum Innovationstreiber in der ÖPNV-Branche in Deutschland. Infrastruktur ist deutschlandweit zurzeit ein wichtiges Thema, ebenso wie die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Beide Themen sollen im Internationalen Verkehrswesen (IV) eine Plattform finden. Zudem soll der wissenschaftliche interdisziplinäre und verkehrsträgerübergreifende Ansatz konsequent weiter verfolgt werden. Alle Kräfte der Mobilitätsbranche müssen gebündelt werden, um gemeinsam Verkehr und Mobilität in Deutschland voranzubringen - dafür braucht es den wissenschaftlichen Diskurs. Dies werde ich gerade auch in meiner Funktion als DVWG-Präsident voranbringen und als IV-Mitherausgeber zum Gelingen dieses Vernetzungsgedankens beitragen. ■ Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 105 Erscheint im 66. Jahrgang Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Frank Straube (Sprecher) Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 101609, D-20010 Hamburg Nordkanalstr. 36, D-20097 Hamburg Telefon (040) 2 37 14-01 Geschäftsführer: Martin Weber Detlev K. Suchanek (Verlagsleiter Technik & Verkehr) detlev.suchanek@dvvmedia.com Redaktion Eberhard Buhl, M.A. (verantw.), (Durchwahl: -223) eberhard.buhl@dvvmedia.com Telefax Redaktion: (040) 2 37 14-205 Dr. Karin Jäntschi-Haucke, hgs@dvwg.de (verantw. DVWG-Nachrichten) Redaktionelle Mitarbeit: Kerstin Zapp Korrektorat: Ulla Grosch Anzeigen Tilman Kummer (Gesamtanzeigenleitung) Tel.: (040) 2 37 14-175, tilman.kummer@dvvmedia.com Silke Härtel (verantw. Leitung) (Durchwahl: -227) silke.haertel@dvvmedia.com Tim Feindt (Anzeigenverkauf) (Durchwahl -220) tim.feindt@dvvmedia.com Telefax Anzeigen: (040) 2 37 14-236 Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 50 vom 1. Januar 2013. Vertrieb Vertriebsleitung: Stefanie Hesslein stefanie.hesslein@dvvmedia.com Vertrieb IV: Bernd Thobaben Tel.: (040) 2 37 14-108 bernd.thobaben@dvvmedia.com Leser- und Abonnentenservice Tel. (040) 23714-260 | Fax: (040) 23714-243 Bezugsgebühren: Abonnement-Paket Inland: EUR 150,00 (inkl. Porto zzgl. 7 % MwSt.); Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print, Digital und E-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Abonnement Ausland Print: EUR 167,00 (inkl. Porto). Abonnement Ausland Digital: EUR 150,00 Mitglieder der DVWG erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelheft: EUR 39,50 (im Inland inkl. MwSt.) zzgl. Versand. Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-Rom. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Layoutkonzept: Helmut Ortner Titelbild: Containerschiff auf der Ostsee bei Kiel, clipdealer.de Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern Herstellung: Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Offizielles Organ: Mitglied/ Member: Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Ben Möbius Dr., Abteilungsleiter Mobilität und Kommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Michael P. Clausecker MBA Vorsitzender der Geschäftsführung Bombardier Transportation GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Ronald Pörner Prof. Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Bereichsleiter Geschäftsentwicklung und Sales, Veolia Verkehr GmbH, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Frank Straube Prof. Dr.-Ing., Leiter des Fachgebiets Logistik, Technische Universität Berlin Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Christoph Klingenberg Dr., Bereichsleiter Information Management und Chief Information Officer der Lufthansa Passage Airlines, Frankfurt/ Main Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Direktor Institut für Seewirtschaft und Logistik ISL, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Reinhard Lüken Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 106 Liebe Leserinnen und Leser, man sollte meinen, die Diskussionen um die marode und unzureichende Verkehrsinfrastruktur in Deutschland müssten endlich Wirkung zeigen. Vorerst bleibt dieses unerfreuliche Thema ein Dauerbrenner, wie Sie auch an der vorliegenden Ausgabe von Internationales Verkehrswesen sehen. Ob sich daran so bald etwas ändern wird, bleibt unsicher. Sicher ist aber, dass unsere Ausgabe 3/ 2014 am 15. September mit dem Themenschwerpunkt Verkehr neu denken - Strategien für die Mobilität der Zukunft erscheinen wird. Das Thema ist naheliegend, denn in diesem Jahr finden - neben anderen wichtigen Fachveranstaltungen - nahezu parallel die Schienenverkehrsmesse InnoTrans in Berlin und die IAA Nutzfahrzeuge in Hannover statt, gefolgt von der eCarTec in München. Für uns ist das der ideale Anlass, gezielt innovative Mobilitätskonzepte im Güter- und Personenverkehr und Zukunftsentwicklungen bei der Fahrzeug- und Antriebstechnik in den Fokus zu stellen. Weitere Fachbeiträge werden sich mit Verkehr auf dem Wasser und in der Luft beschäftigen, abgerundet durch Marktanalysen und Projektberichte. Ich bin überzeugt, wir können auch im September ein für alle Leser interessantes Informationspaket schnüren. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 19.-23.5.2014 Hannover (D) CeMat -Weltleitmesse der Intralogistik Info: Deutsche Messe Hannover Tel.: +49 511 89-0 www.cemat.de 20.5.2014 Frankfurt (D) Tag der Infrastruktur Thementag „Verkehrs-Infrastruktur“ der Frankfurt Global Business Week 2014 Info: Maleki Group, Dr. Katrin Pickenhan Tel: +49 69 97176-0 info@malekigroup.com www.frankfurt-gbw.com/ infra2014 20.-25.5.2014 Berlin (D) ILA Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung + Konferenz Info: Messe Berlin GmbH www.ila-berlin.de ila@messe-berlin.de 26.-28.5.2014 Berlin (D) VDV Jahrestagung Info: Kai Uhlemann, VDV Tel.: +49 221 57979-151 uhlemann@vdv.de 23.-25.6.2014 Wien (A) 4th UIC Global Rail Freight Conference Info Programm: UIC, grfc@uic.org Info Ausstellung: Europoint, Marieke Bouman, mbouman@europoint.eu www.grfc2014.com 23.-26.9.2014 Berlin (D) InnoTrans 2014 Info: Messe Berlin GmbH, Tim Hamker Tel.: +49 303038-2376 Fax: +49 30 3038-2190 E-Mail: innotrans@messe-berlin.de 25.9.-2.10.2014 Hannover (D) 65. IAA Nutzfahrzeuge Veranstalter: Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA), Berlin Tel.: +49 30 897842-0 Fax: +49 30 897842-600 www.vda.de 29.9.-1.10.2014 Frankfurt (D) European Transport Conference 2014 Veranstalter: Association for European Transport (AET), Henley-in-Arden, UK; www.aetransport.org Info: www.etcproceedings.org 1.-2.10.2014 Bremen (D) ISL Maritime Conference 2014 Veranstalter: Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) Info und Anmeldung: Leif Peters, ISL Tel.: +49 421 22096-0 info@isl.org www.isl.org/ conference 21.-23.10.2014 München (D) eCarTec Munich 2014 Kontakt: Moritz Fuchs, Trade Fair & Conference Manager Tel.: +49 (89) 322991-20 Fax: +49 (89) 322991-19 moritz.fuchs@munichexpo.de www.ecartec.de 4.-5.11. 2014 Brüssel (B) European Rail Summit Veranstalter: Railway Gazette, DVV Media UK Info und Registrierung: www.europeanrailsummit.com 12.-13.11.2014 Frankfurt/ M. (D) Deutscher Mobilitätskongress 2014 Mobility 4.0 - Datenfluss und Mobilität Info: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG), Berlin Tel.: +49 (0)30 293 606-0, Fax +49 (0)30 293 606-29 hgs@dvwg.de www.deutscher-mobilitaetskongress.de TERMINE + VERANSTALTUNGEN 19.5.2014 bis 13.11.2014 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schiffundhafen.de, www.dvz.de VORSCHAU | TERMINE Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: □ privat □ dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: □ ja □ nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: □ ja □ nein Ort/ Datum Unterschrift Agricolastraße 25 Tel.: 030 / 293 60 60 www.dvwg.de 10555 Berlin Fax: 030 / 293 60 629 hgs@dvwg.de ■ Preisnachlass erhalten für Publikationen der Schriftenreihe (Bücher und CDs) ■ Gelegenheiten nutzen für den Auf- und Ausbau von Karriere-, Berufs- und Partnernetzwerken ■ exklusiven Zugang erhalten zum Internetportal der DVWG (Mitgliederbereich und Download) ■ persönliche Einladungen erhalten für über 200 Veranstaltungen im Jahr auf Bundesebene und in Ihrer Bezirksvereinigung ■ aktiv mitarbeiten in dem unabhängigen Kompetenzzentrum für Mobilität und Verkehr in Deutschland ■ mitarbeiten im Jungen Forum und der Europäischen Plattform für Verkehrswissenschaften ■ teilnehmen an jährlichen Fachexkursionen ins Ausland Wir vernetzen Verkehrsexperten! Antrag auf körperschaftliche Mitgliedschaft finden Sie unter: www.dvwg.de ■ das „Internationale Verkehrswesen“, die renommierte Fach- und Organzeitschrift, beziehen Mitglied werden und Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. Das Grundlagenwerk für Theorie und Praxis Einführung in die volkswirtschaftlichen Grundlagen Ziele und Instrumente der Verkehrspolitik Nicht nur eine Informationsbasis für Studierende und Praktiker Technische Daten: ISBN 978-3-87154-495-8, 262 Seiten, Format 16,5 x 24 cm, kartoniert, Preis: € 59,00, inkl. MwSt., zzgl. Versand Neuauflage 2014 Jetzt bestellen! Per Telefon: 040-23714-440 oder in unserem Buchshop unter www.dvz.de/ shop Hier finden Sie auch eine Leseprobe! 6045_anz_dvzpraxis_verkehrspol_IV_180x257.indd 1 02.04.2014 14: 13: 14
