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Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
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2015
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Innovative Lösungen für Transport und Verkehr Intelligent mobil POLITIK ÖPNV in einer wachsenden Stadt INFRASTRUKTUR Bekannte Projekte, neue Herausforderungen LOGISTIK Nachhaltigkeit in der Praxis MOBILITÄT Verkehr 2050 - die Rolle der Kommunen TECHNOLOGIE Intelligenz auf Rädern - Aspekte der Automatisierung www.internationalesverkehrswesen.de Heft 1 l März 2015 67. Jahrgang Technische Daten: ISBN 978-3-87154-516-0 364 Seiten, Format 140 x 180 mm, Broschur Preis: EUR 62,50 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH | Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 | Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Das Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität Inkl. CD mit umfangreichen Daten zur direkten Weiterverarbeitung Herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jetzt aktuell! Technische Daten: 364 Seiten, Format 140 x 180 mm, Broschur Preis Kontakt: Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 Das Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität Inkl. CD mit umfangreichen Daten zur direkten Weiterverarbeitung Herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jetzt aktuell! Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ viz1 Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 E-Mail: buch@dvvmedia.com Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 E-Mail: buch@dvvmedia.com Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 E-Mail: buch@dvvmedia.com 6372_anz_dvv_viz_180x257.indd 1 11.02.2015 11: 16: 00 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 3 Kay Axhausen EdITORIAL Intelligent mobil - weiter gedacht S eit den späten 80er Jahren wird die Verbindung der Informationstechnologie mit dem Verkehrssystem vorangetrieben: in manchen Bereichen mit gutem Erfolg, in anderen fehlt die Zahlungsbereitschaft der Privatkunden oder der Steuerzahler. Die Behörden zögern in vielen Fällen wegen der Komplexität und der Dauer der Einführung. Die Systeme reichen von der elektronischen Steuerung der Fahrzeugmotoren über die Sicherheitstechnik der Züge bis hin zu „Apps“, die unsere Wege spannender, angenehmer, kürzer, billiger machen sollen. Die intelligenten Systeme kommen dort voran, wo sie einen eindeutigen Nutzen für Fahrzeugbesitzer, -nutzer oder Systembetreiber haben - also im wesentlichen in Fahrzeugen und Steuerungssystemen. Automobilfirmen und Komponentenanbieter wie Bosch oder Continental sind heute auch Softwarehäuser und Integratoren. Nur so können sie ihren Wertschöpfungsanteil sichern oder erhöhen. Der Druck war schon lange vorhanden, aber die neuen Märkte in der Elektromobilität und bei den kommenden autonomen Fahrzeugen haben die Konkurrenz sichtbarer gemacht: Tesla oder Google zum Beispiel. Diese Konkurrenten kommen ohne die Verpflichtungen der Geschichte, ohne die bestehenden Händlernetze, ohne Denkblockaden, die Erfahrungen manchmal auferlegen, ohne die Produktionskapazitäten der großen Hersteller - und im Fall von Google mit den komfortablen Ressourcen des Quasi-Monopolisten im lukrativen elektronischen Anzeigenmarkt. Die Träume vom autonomen Fahrzeug sind alt. Man schaue sich die Bilder und Filme des General Motors Beitrags zur 1939 World Exhibition in New York an: Träume von schnellen spurgeführten Fahrzeugen in einem aufgeräumten und blühenden Amerika. Googles Vision setzt das mit den heutigen Mitteln um, und die Automobilindustrie steuert z. B. mit „Automatic Cruise Control“ ihre inkrementellen Beiträge bei, so dass der Traum um das Jahr 2030 vielleicht wahr werden kann. Die Apps versprechen den Nutzern zum einen, durch ihre Quasi-Allwissenheit des Netzes und der Verkehrssituation Frustrationen zu vermeiden, keine Karten lesen zu müssen oder Zeit zu sparen; zum anderen versprechen sie ein sozial erfüllteres Leben, in dem man seine Freunde einfacher im Raum entdecken und dann vielleicht treffen kann. Beide Ansätze lösen individuelle Probleme oder erfüllen individuelle Wünsche, aber man darf fragen, ob sie auch unsere gemeinsamen Probleme lösen: Erreichbarkeitsverluste durch zu hohe Auslastung der bestehenden Netze und die Belastung durch die Externalitäten des Verkehrs. Viele akademische Studien haben gezeigt, dass Systeme der rein individuellen Optimierung sich für die Kunden nur lohnen, solange ihre Marktdurchdringung nicht zu hoch ist. Weitere Gewinne sind danach nur durch kollektive Systeme wie Straßengebühren oder Rationierung möglich, die vorhandene Kapazitätsreserven ohne interne Widersprüche nutzen können. Die heutige Diskussion verzichtet zudem weitgehend auf die Frage nach den induzierten Nachfrageeffekten. Ist wirklich klar, dass Flotten elektrischer autonomer Fahrzeuge die heutigen privaten und zu wenig genutzten Flotten ersetzen werden - oder werden die erträumten autonomen Fahrzeuge zur Durchführung zusätzlicher Bring- und Holfahrten genutzt? Haben wir denn Zeit für all die Freunde, deren Präsenz wir uns nun bewusst sind? Wird der Strommix z. B. in Indien wirklich die CO 2 Belastung reduzieren? Ja, die neuen Systeme helfen uns kurzfristig und sie können den Verkehr sicherer machen, aber sie können uns die Diskussion über das gewünschte Erreichbarkeitsniveau und die damit verbundenen Geschwindigkeiten und Preise (Steuern) nicht ersparen. Eine Diskussion, die für die urbanen Wachstumsgebiete wie für die schrumpfenden ländlichen Gebiete notwendig ist. Ihr Kay Axhausen Prof., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 4 POLITIK 12 ÖPNV in der wachsenden Stadt Der Berliner Nahverkehrsplan 2014-2018 Benjamin Tiedtke Diana Runge 16 digital, sicher, vernetzt, individuell Intelligente Mobilität braucht einen Aktionsplan Florian Eck 19 Mit Sicherheit gut vernetzt Standpunkt Matthias Wissmann 20 Technologiewechsel im Automobilmarkt Warum haben es Elektroautos in Deutschland so schwer? Antje-Mareike Dietrich 24 Alternative Flugkraftstoffe Chancen und Herausforderungen Michael Engel Lukas Rohleder LOGISTIK 36 Elektrisch leise transportieren Walter Bollinger 38 Supplier Collaboration in der-Bahnindustrie Den Bau von Schienenfahrzeugen optimieren Nils Kruse 45 Smart E-User Einsatz von Elektrofahrzeugen im Personen-Wirtschaftsverkehr Diego Walter Oliver Schwedes Benjamin Sternkopf WISSENSCHAFT 40 Antriebstechnologie und Nachhaltigkeit im Straßengüterverkehr Heinz Dörr Yvonne Toifl Arno Huss Peter Prenninger INFRASTRUKTUR 28 BER - und was daraus zu lernen ist Standpunkt Andreas Kossak 30 Am Puls der Zeit Die neue Leitstelle der KVB Stephan Anemüller 33 Verladende Wirtschaft an Rhein und Elbe im Klimawandel Auswirkungen von Anpassungsmaßnahmen im Vergleich Anja Scholten Benno Rothstein Sie finden Internationales Verkehrswesen mit umfangreichem Archiv und aktuellen Terminen unter: www.internationalesverkehrswesen.de Foto: Dietmar Meinert/ pixelio.de Foto: DAF Foto: Petra Bork/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 5 INHALT März 2015 MOBILITÄT 48 Revolution im Mobilitätsmarkt Die Deutsche Bahn startet Initiative Mobilität 4.0 Christoph Djazirian 52 Liberalisierung des Fernbusverkehrs Wie hoch ist der Beitrag zum Klimaschutz? Tim Laage Thilo Becker Sven Lißner 55 Verkehr 2050 Die Rolle der Kommunen für mehr Lebensqualität und Klimaschutz Wiebke Zimmer Ruth Blanck Friederike Hülsmann 58 Akzeptanz der E-Mobilität nur über Emotionen erreichbar Im Interview: Stefan Schmerbeck, zuständig für Zukunftstechnologien, Antriebskonzepte und Energie im Bereich Außenund-Regierungsbeziehungen der Volkswagen AG. TECHNOLOGIE DVWG-Nachrichten 83 Jahrestagung 2015 - eine Premiere im Norden 84 Verkehrswissenschaftliche Nachrichten 87 dVWG-Veranstaltungen RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 1 1 Kurz + Kritisch 23 Bericht aus Brüssel 78 Forum Lehre Medien Meinung Nachruf 89 Impressum | Gremien 90 Vorschau | Termine AusgAbe 2/ 2015 Transport und Logistik - Multimediale Strategien für nachhaltiges Transportieren erscheint am 27. April 2015 60 Intelligenz auf Rädern Bestandsaufnahme zum automatisierten Fahren Kerstin Zapp 63 Wird die ITK-Industrie die Automotive-Branche revolutionieren? Peter Fey 66 Sichere Übertragung von daten bei drahtloser Kommunikation im ÖPNV Jürgen Kern 69 Zulassungsprozesse für Fahrzeuge in deutschland Straße, Luft und Schiene im Vergleich - Teil 3: Schiene Jürgen Siegmann WISSENSCHAFT 74 Prädiktive Kraftstoffeinsatzoptimierung von Hybridfahrzeugen durch Metaheuristiken Günther Emanuel Marc Naumann Patrick Jochem Wolf Fichtner Bild: Öko-Institut Foto: Nissan Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 6 Airbus- und Boeing-Geschäfte laufen gut B oeing oder Airbus: Wer ist der erfolgreichste Flugzeugbauer der Welt? Das ständige Duell der beiden Konkurrenten geht weiter. Sind die meisten Bestellungen, die meisten Auslieferungen, die größten Flieger oder die sparsamsten Maschinen maßgebend? So hat Airbus in 2014 mit 1456 Neubestellungen 24 Flugzeuge mehr verkauft als Boeing, kommt aber mit den 629 Auslieferungen im vergangenen Jahr nicht an die Zahl von Boeing (723) heran. Mit dem größten Flugzeug ist Airbus bisher nicht so weit vorn gelandet wie erwartet. Der A 380 kam verspätet, Kunden haben Bestellungen zurückgenommen, sparsamer könnte der Riese auch sein - zumindest weisen Wünsche der Airline Emirates nach einer Neuauflage mit sparsameren Triebwerken darauf hin. Dabei soll der Treibstoffverbrauch des A 380 bei weniger als 3 l pro Passagier auf 100 km liegen. Eine der Kernfragen: Wollen die Menschen künftig mit großen Jets zwischen internationalen Hubs fliegen und Zubringerflüge in Kauf nehmen, oder möchten sie lieber Direktverbindungen mit kleineren Einheiten? Das entscheidet - neben dem jeweiligen Flugpreis - über die Auslastung der Maschinen. Boeing bietet mit dem Dreamliner (Boeing 787) ein neues Modell für diese zweite Variante auf der Langstrecke: 250 bis 300 Sitze statt bis zu 853 Plätze wie im A 380. Doch Probleme hatten die US- Amerikaner ebenfalls: verspätete Auslieferung und Schwierigkeiten mit den Bordakkus beispielsweise. Airbus ist mit der Neuauflage des Mittelstreckenjets A 320 laut Auftragsbuch mit bisher 1321 Bestellungen erfolgreich. Er soll ab Ende 2015 ausgeliefert werden und etwa 20 % weniger Energie benötigen als sein Vorgänger. Da der größte Kostenblock der Fluggesellschaften der Treibstoff ist, ein gutes Verkaufsargument. Wie es mit dem A- 350 XWB als neuem Großraumflugzeug mit mittlerer Passagierkapazität für Langstrecken laufen wird, ist abzuwarten. Rumpf und Flügel sind aus Kohlefaserverbundwerkstoffen, modernste Triebwerke von Rolls Royce kommen zum Einsatz, die Aerodynamik entspricht den neuesten Forschungsergebnissen. Alles zusammen sorgt laut Hersteller für einen deutlich reduzierten Treibstoffverbrauch gegenüber vergleichbaren Größen. Die erste Maschine ist Ende Dezember 2014 ausgeliefert worden. Auch der mittlerweile zwanzig Jahre alte Langstreckenflieger A 330 soll ein „Neo“ werden, mit sparsameren Triebwerken und einer verbesserten Aerodynamik. Er startet voraussichtlich ab 2016. Boeing hat bereits im Jahr 2004 mit dem Modell 777-300ER ein Flugzeug mit weniger als 3 l Verbrauch pro Passagier auf 100 km herausgebracht und plant für das nächste Jahrzehnt einen noch sparsameren Nachfolger. Wer auch immer das Rennen gewinnt: Die Auftragsbücher sind bei beiden gut gefüllt. Zudem spricht der internationale Luftfahrtverband Iata von weiterhin steigenden Passagierzahlen und damit auch von einem weiter steigenden Flugzeugbedarf. (zp) Den ersten A 350 XWB hat Airbus an Qatar Airways übergeben. Foto: Airbus IM FOKUS Virtueller Seeverkehr erleichtert Planung I n einem Seegebiet fahren viele Schiffe - in diesem Fall allerdings waren einige von ihnen virtuell unterwegs: Während eines einwöchigen Testlaufs im Rahmen des EU- Projekts „Monalisa 2.0“, bei dem mit EMSN ein Netzwerk europäischer Schiffssimulatoren errichtet wird, fuhren im Dezember 2014 im Kattegat bis zu 14 Schiffe, die durch Simulatoren beispielsweise in Spanien, Finnland, Schweden und Deutschland gesteuert wurden. Über jeden an das Netzwerk angeschlossenen Simulator steuerten die Forscher von einer Brücke aus ein Schiff in einer alltäglichen Verkehrssituation. Sie konnten die anderen simulierten Einheiten erkennen, mit den jeweiligen Besatzungen per Funk kommunizieren und auf die Bewegungen der anderen reagieren. Nach diesem gelungenen Versuch sollen nun weitere Simulatoren an das Netzwerk angeschlossen werden, um komplexe maritime Verkehrssituationen durchzuspielen. Das Teilprojekt soll helfen, ein EU-weites Seeverkehrsmanagementsystem zu entwickeln. Ziel ist es, Effizienz, Kapazität, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit von maritimen Transporten zu stärken. Beispielsweise kann das Zusammenspiel von Küstenstaaten, bemannten Frachtern und autonomen Schiffen vorab untersucht werden. Im Projekt „Monalisa 2.0“ arbeiten 38- europäische Partner aus zehn Ländern bis Ende 2015 zusammen. Im Teilprojekt EMSN unterstützt das Hamburger Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML die Partner bei der Entwicklung eines europaweiten Simulationsnetzwerks und eines Seeverkehrsmanagmentplans. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 7 IM FOKUS Car Sharing ist keine Gefahr für Autohandel und Hersteller W ie wird sich das Autoteilen in den nächsten Jahren entwickeln? Wird der PKW-Absatz durch Car Sharing zurückgehen? Es könnte im Jahr 2020 bis zu 3 Mio. Nutzer von Car-Sharing-Angeboten geben, doch der eigene Wagen wird nicht zum Auslaufmodell. Das geht aus einer im Januar vorgestellten Studie des Tüv Rheinland, der FSP Fahrzeug-Sicherheitsprüfung GmbH & Co. KG und der Beratung BBE Automotive GmbH mit dem Titel „CarSharing in Deutschland - Modeerscheinung oder Herausforderung für die Branche? “ hervor. Nach ihren Untersuchungen wird Car Sharing künftig ein fester Bestandteil zeitgemäßer Mobilität sein und 2020 nur dann mehr als 2 Mio. Nutzer und mehr als 26 000 Fahrzeuge umfassen, wenn die Angebote von der Politik begünstigt werden, einen festen Platz in Mobilitätsportalen haben, unterschiedliche Anbieter miteinander vernetzt sind und auch Firmenfuhrparks für die jeweiligen Mitarbeiter einbezogen werden. Umfragen haben ergeben, dass sich derzeit lediglich 16 % der rund 45 Mio. Autofahrer in Deutschland vorstellen können, den eigenen Wagen abzuschaffen und nur noch Car Sharing zu nutzen. Gleichzeitig erwartet BBE Automotive einen weiterhin steigenden Fahrzeugbestand. Ende 2014 waren rund 1 Mio. Menschen bei Car-Sharing-Anbietern registriert. Mehr als 50 % der Nutzer fahren maximal einmal pro Monat mit einem gemieteten Auto. 28 % der Kunden sind bei mehreren Anbietern angemeldet. 51 % haben kein Auto im Haushalt. Besonders beliebt sind Free-Floating- Angebote, bei denen die Fahrzeuge nicht an festen Stationen gemietet und zurückgegeben werden müssen. Generell kann Mobilität jedoch nicht garantiert werden und setzt eine Flexibilität des Nutzers voraus. Zudem sind die Nutzungsmöglichkeiten von Car Sharing in ländlichen Regionen eingeschränkt. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Angebot für Berufspendler aus Kostengründen nicht geeignet ist. Vorteilhaft ist, dass für den Verbraucher beispielsweise die Anschaffung des Autos inklusive teurer Folgekosten wie Inspektionen und Reparaturen entfällt. Zudem sind die Leihwagen meist auf einem aktuellen technischen Stand. Laut Studie wollen die Menschen trotzdem und auch in Ballungsräumen, in denen der ÖPNV gut ausgebaut ist, ein eigenes Auto besitzen, obwohl der eigene PKW für jüngere Verbraucher nicht mehr den Stellenwert wie in der Vergangenheit hat. Wenn auch zeitverzögert, werden junge Menschen spätestens mit der Familiengründung weiterhin zum eigenen Wagen tendieren, sind die Experten überzeugt. Entsprechend seien keine gravierenden Marktveränderungen zu erwarten. Car-Sharing-Modelle böten stattdessen den Herstellern und Händlern die Möglichkeit, potenzielle Kunden an ihre Produkte heranzuführen. (zp) Extra-Parkplatz für ein Car-Sharing-Auto in Hannover Foto: Dirk Hillbrecht Bahn allein reicht nicht - vernetzte Mobilität muss sein D ie Manager europäischer Bahnen wollen ihre Unternehmen profitabler machen, künftig eine bessere Servicequalität bieten und Wachstum erreichen. Das geht aus der Ende 2014 präsentierten Studie „Executive Rail Radar 2014“ des Beratungshauses Roland Berger hervor. Für 52 % der Befragten ist vernetzte Mobilität der Haupttrend. Die immer stärkere Verbreitung von innovativen Kommunikationstechnologien verändert die Mobilitätswelt. Bahnkunden wollen nicht nur schnell ein Ticket kaufen und ihren Zielbahnhof pünktlich und komfortabel erreichen, sie wollen wissen, wie sie vom Bahnhof aus zügig und kostengünstig zu ihrem Ziel kommen und wo sie für welchen Betrag das nächste Verkehrsmittel finden. Dies öffnet den europäischen Bahnbetreibern neue Geschäftsmöglichkeiten, setzt aber auch voraus, dass sich Bahngesellschaften an die neuen Kundenwünsche anpassen und entsprechende Dienstleistungen bieten können, geht aus der Studie hervor. Darüber hinaus seien Wachstumsstrategien für Schienenverkehrsbetreiber deutlich wichtiger geworden als in den Jahren zuvor. Nach Meinung der Berater liegt die Herausforderung darin, die richtigen Wachstumsfelder zu identifizieren und bei Bedarf gezielt sinnvolle Partnerschaften zur Ausschöpfung der Möglichkeiten einzugehen. Die Herausforderungen sehen die Bahngesellschaften vor allem im Dienstleistungsbereich aufgrund des dortigen Wandels durch innovative Kommunikationstechnologien. Beispielsweise geht ein Viertel der Befragten davon aus, dass vor allem intermodale Applikationen für Smartphones zunehmend gefragt sein werden. Ebenso müssten elektronische Tickets besonders in Osteuropa weiter vorangetrieben werden, und Konzepte für Mobilitätskarten, die die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel wie Bahn, Car Sharing, Ride Sharing oder Taxi zu günstigen Tarifen ermöglichten, seien umzusetzen. Die Anbieter müssten ihre Kunden allerdings sehr gut kennen, um ihre Angebote nicht am Markt vorbei zu entwickeln, merken die Berater an. Gleichzeitig müssten die IT-Systeme der Bahnen in der Lage sein, moderne Mobilitätsangebote verarbeiten und anbieten zu können. Fast 40 % der Befragten plädieren für Kooperationen mit weiteren Unternehmen, mehr als 30 % wollen es allein schaffen. Fakt ist, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen immer stärker auf den Mobilitätsmarkt drängen, etwa IT- und Telekommunikationsanbieter sowie Finanzinstitute. Auf diese Marktveränderungen sollten sich Bahngesellschaften schon heute vorbereiten. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 8 IM FOKUS Emissionen, Effizienz und Schiffsgröße bleiben Themen M ethanol treibt ab Ende März eine Ro- Pax-Fähre der schwedischen Reederei Stena Line an. Ende Januar startete der von der EU-Initiative „Motorways of the Seas“ geförderte Umbau in Kooperation mit dem Motorenhersteller Wärtsilä, dem Hafen Göteborg, dem Seehafen Kiel und dem Methanol-Produzenten Methanex. Methanol als Treibstoff erfüllt alle Auflagen, die zum 1. Januar 2015 im Schwefelemissionsschutzgebiet (Seca) Ostsee in Kraft getreten sind. Von Mai an wird die neue Helgolandfähre der Reederei Cassen Eils mit LNG als Treibstoff ihren Dienst aufnehmen. Auch LNG ist für die Abgaskontrollgebiete geeignet, die auch in Nordamerika und der Karibik eingeführt worden sind. Der zulässige Schwefelgehalt von Schiffsbrennstoffen darf dort statt einem Prozent nur noch 0,1 % betragen. Wer seine Schiffe in den genannten Fahrtgebieten noch nicht auf einen anderen Treibstoff umgerüstet hat, fährt entweder zunächst mit Marinediesel statt Schweröl oder setzt Abgasreinigungssysteme, so genannte Scrubber, ein. Neben Schiffstreibstoffen ist weiterhin die Energieeffizienz ein großes Thema für die Reedereien. Je weniger Energie die Schiffe verbrauchen, desto kostengünstiger für die Reeder. Entsprechend wird von der Rumpfform über die Ruderkonstruktion bis hin zum Antriebsstrang mit Motor, Welle und Propeller optimiert. Die Motoren werden beispielsweise gedrosselt. So ist in dem derzeit größten fahrenden Containerschiff, der „CSCL Globe“ von China Shipping, ein MAN-Zweitaktmotor mit zwölf Zylindern verbaut, der knapp 95 000 PS haben könnte, aber auf 77 200 PS heruntergeregelt wurde. Derzeit fahren die meisten Containerschiffe mit einer Kapazität von 14 000 bis 19 000 20-Fuß-Containereinheiten (TEU) mit einer Marschgeschwindigkeit von 14 bis 20-Knoten. Mehr verbraucht deutlich mehr Brennstoff. Wenn ein neuer Containerriese auf den Markt kommt, kommt auch sofort die Frage auf, wie groß die Frachter noch werden können. Thomas Knudsen, Senior Vice President und Leiter des Zweitakt-Geschäfts bei MAN Diesel & Turbo, sieht bei Bau und Betrieb kaum Beschränkungen und geht davon aus, dass bald Schiffe mit mehr als 20 000 TEU fahren werden. Auch eine Annäherung an 30 000 TEU hält er für denkbar. Beschränkend sei vor allem der Zugang zu den wichtigsten Schifffahrtsstraßen wie dem Suezkanal, dem Panamakanal oder der Straße von Malacca - oder eben zu Häfen. Die „CSCL Globe“ lief mit ihren 400 m Länge und 59 m Breite im Januar in Hamburg ein, allerdings nicht voll beladen. Bei dieser Größe kann das Wendemanöver am Waltershofer Hafen noch gelingen. Neben der Anpassung der Elbfahrrinne in Tiefe und Breite muss auch dort gebaggert werden, um den Wendekreis von 500 auf 600 m Durchmesser für noch größere Schiffe zu erweitern. Eine weitere Restriktion ergibt sich an den Terminals: Eurogate in Hamburg etwa darf maximal mit acht Containerlagen an Deck angelaufen werden, mehr Höhe lassen die Containerbrücken nicht zu. Die „CSCL Globe“ kann aber mit bis zu neun Deckslagen fahren. (zp) Schlepper drehen die „CSCL Globe“ im Waltershofer Hafen. Foto: HHM, Dietmar Hasenpusch Deutsche Flughäfen im Aufwind, europäische Airlines nicht M ehr Passagiere, mehr Fracht, mehr Flugbewegungen: Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen sieht positiv in die Zukunft ihrer Mitglieder. Für 2015 erwartet sie etwa 212,8 Mio. Passagiere, gegenüber 207 Mio. Passagieren 2014 eine Steigerung um 2,8 %. Die Fracht soll um 2,7 % auf 4,565 Mio. t wachsen. Bei den Flugbewegungen wird 2015 erstmals seit drei Jahren wieder mit einer erfreulichen Entwicklung gerechnet, plus 1,4 % auf 2 253 573 Starts und Landungen. In den vergangenen Jahren hat sich der Zuwachs bei den Passagieren auf diese Zahl nicht ausgewirkt, da größere Flugzeuge eingesetzt wurden. Die ADV ist aufgrund der schwierigen Marktlage und der hemmenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen positiv überrascht über das erfolgreiche Jahr 2014 und schaut entsprechend optimistisch in die Zukunft. Der Verband rechnet weiterhin mit reiselustigen Deutschen und einer wachsenden Zahl internationaler Gäste. Bei der Fracht wirkten sich das hohe Exportvolumen der deutschen Unternehmen und die deutlich wachsenden Importe auf dem Luftweg weiterhin positiv aus. Für die europäischen und besonders die deutschen Fluggesellschaften blickt der internationale Luftfahrtverband Iata dagegen auf Probleme: harter Wettbewerb auch durch arabische Konkurrenten, ineffiziente Infrastruktur, hohe Verwaltungskosten und spezielle Steuern. Laut Iata-Prognose bleibt Europa der schwierigste Markt auf dem Globus. Zwar soll der Gewinn der europäischen Airlines von 2,7 Mrd. USD in 2014 auf 4,0 Mrd. USD steigen. Doch vom weltweiten Durchschnitts-Nettogewinn von 7 USD pro Passagier bleiben die Europäer mit 4,27 USD trotz sehr hoher Auslastung ihrer Maschinen laut Iata weit entfernt. Dafür geht die Iata von guten Zeiten für die Luftverkehrsindustrie weltweit aus: 7 % mehr Passagiere, eine stabile Weltwirtschaft und dauerhaft billiges Kerosin sollen die Gewinne der Fluggesellschaften 2015 um mehr als ein Viertel auf 25 Mrd. USD (2014: 19,9 Mrd. USD) steigen lassen. Für das Jahr 2035 erwartet die Iata mit 7,3 Mrd. Passagieren weltweit doppelt so viele wie in 2014. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 9 IM FOKUS 28 Milliarden Euro für zukunftssicheren Schienenverkehr U m einen leistungsstarken und zukunftssicheren Bahnverkehr in Deutschland sicherzustellen, fließen in den nächsten fünf Jahren rund 28 Mrd. EUR in die bestehende Schieneninfrastruktur zur Modernisierung des Schienennetzes. Die Mittel im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung LuFV II sollen unter anderem reichen, um mindestens 875 Brücken voll oder teilweise zu erneuern. Hierfür werden 3 Mrd. EUR veranschlagt, für Tunnel 1 Mrd. EUR. In den Oberbau fließen 12 Mrd. EUR für z. B. 17 000 km Schienen und 8700 Weichen. Die Sanierung und Erneuerung der Leit- und Sicherungstechnik soll 4 Mrd. EUR kosten. Die Deutsche Bahn (DB AG) geht von bis zu 850 Baustellen pro Tag aus und will 1700 Mitarbeiter zusätzlich einstellen. Der Bund hat die Mittel für Ersatzinvestitionen von diesem Jahr an auf 4 Mrd. EUR jährlich erhöht. Zu den Haushaltsmitteln kommen die Dividendenzahlungen der DB AG, die vollständig für die Finanzierung der Ersatzinvestitionen zur Verfügung stehen. Die Deutsche Bahn stellt darüber hinaus pro Jahr etwa 1,6 Mrd. EUR aus Eigenmitteln für die Instandhaltung zur Verfügung, insgesamt also 8 Mrd. EUR bis 2019 und 50-% mehr als bisher. (zp) Baustelle bei Unterleiterbach: Die vielen geplanten Baustellen werden in den nächsten Jahren zu Verzögerungen und Fahrplanänderungen führen. Foto: DB AG, Frank Kniestedt Start-ups engagieren sich für smarte Mobilitätskonzepte D ie Mobilität in Städten smarter und nachhaltiger zu gestalten sowie die Verkehrsinfrastruktur durch Softwarelösungen zu verändern, sind die Ziele einiger Start-ups, die kürzlich die Fachgruppe Future Mobility im Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS) gegründet haben. Initiatoren waren Allryder, Vimcar, Plugsurfing und Lufthansa Systems. Sie wollen helfen, die Entwicklung von Geschäftsmodellen zwischen Start-ups und etablierten IT- oder Industrieunternehmen aus den Bereichen Automotive, öffentlicher Verkehr sowie Logistik zu stärken. Während Lufthansa Systems eine etablierte IT-Beratung für die Verkehrswirtschaft ist und seit 2014 als Fördermitglied zum BVDS gehört, ist Allryder Anbieter einer mobilen App, die ihren Nutzern einen Überblick über diverse Mobilitätsoptionen bietet, inklusive Routen- und Verspätungsinformationen. Plugsurfing ist eine App, die alle verfügbaren E-Ladestationen in Europa anzeigt und es ermöglicht, trotz verschiedener Stromanbieter über eine Rechnung zu bezahlen. Vimcar stellt Fahrzeugdaten herstellerunabhängig und modellübergreifend zur Verfügung. (zp) Deutschland weder Leitmarkt noch -anbieter für Batterien B isher kaufen deutsche Unternehmen benötigte Batteriezellen für Elektromobile in Asien ein. Obwohl Deutschland über alle Kompetenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum Aufbau einer Zellfertigung verfügt, hat sich bisher keine international wettbewerbsfähige Zellfertigung in Deutschland etabliert. In Kamenz in Sachsen wird das Tochterunternehmen Li-Tec der Daimler AG Ende 2015 geschlossen. Die Li-Tec-Zellen gelten zwar als sehr gut, sind aber bei den derzeitigen Produktionszahlen viel zu teuer. Dafür erhält die Daimler-Tochter Deutsche Accumotive für 100 Mio. EUR eine neue Produktionshalle für Batterien, die Mitte 2015 fertig sein soll. Sie sitzt ebenfalls in Kamenz. Zellen zu produzieren und weiterzuentwickeln ist aber das zentrale Thema, um den Hightech-Standort Deutschland zur Leitanbieterschaft zu führen. Das hat kürzlich das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLIB) erneut unterstrichen und wird darin vom Fortschrittsbericht 2014 der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) sowie den Aussagen der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, und dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, bestärkt. Noch gelingt es Deutschland nicht, den mittlerweile deutlich verkürzten Wissensabstand von Industrie und Forschung zu den Konkurrenten in Japan und Korea in größerem Maßstab in eine inländische Zellproduktion umzusetzen. Hier fehlen einerseits etwa der Rohstoffzugang und andererseits Erfahrungen in der industriellen Produktionsprozesstechnologie. Das geht aus einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI hervor. Weder ist Deutschland Leitmarkt mit einer entsprechenden Nachfrage, noch Leitanbieter mit Produktion, erfolgreichem Export und dadurch hoher inländischer Wertschöpfung. Die Leitmärkte sind die USA und Japan mit der mit Abstand größten Elektrofahrzeugproduktion und beachtlichem inländischem Absatz, gestützt durch finanzielle Kaufanreize. Aktuell führender Leitanbieter ist Japan, der mehr als 60 % seiner im Land hergestellten Batteriezellen exportiert und die komplette Wertschöpfungskette der Fahrzeugbatterien abdeckt. Dabei kommen aus Deutschland immer wieder sehr positive Nachrichten: Im Januar haben beispielsweise Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) veröffentlicht, dass es ihnen gelungen ist, die Geschwindigkeit der Herstellung von Elektrodenfolien mit absatzweiser Beschichtung zu verdreifachen auf 100 m pro Minute. So ließen sich die Produktionskosten für Lithium-Ionen-Batterien beträchtlich senken. Die Folien sind die eigentlichen Energiespeicher. Nach Angaben des Instituts könnte in Kombination mit der ebenfalls am KIT entwickelten und zum Patent angemeldeten Helix-Technologie für gewickelte Lithium-Ionen-Batterien die Kostenführerschaft erreicht werden. Die Studie „Energiespeicher für die Elektromobilität - Deutschland auf dem Weg zum Leitmarkt und Leitanbieter? “ kann unter http: / / www.emotor.isi-projekt. de/ emotor-wAssets/ docs/ privat/ EMOTOR_ Leitmarkt-und-Leitanbieter_Fraunhofer- ISI_web.pdf heruntergeladen werden. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 10 IM FOKUS Flugroboter zählen Lagerbestand I nventuren in großen Lagerhallen könnten künftig Flugroboter übernehmen. Ihr Einsatz könnte dafür sorgen, dass kaum noch Mitarbeiter mit dem Zählen von Beständen beschäftigt wären und der Lagerbetrieb überwiegend ungestört weiterlaufen könnte. Die Forscher im Projekt „InventAIRy“ am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund arbeiten an einem dynamisch bewegten Erfassungssystem. Anders als bei einem Tor mit fest installierten Antennen, die die RFID-Chips an den Waren automatisch über Funksensoren erfassen und auslesen, wenn die Waren das Tor passieren, bewegen sich bei Inventairy die Antennen, nicht die Chips. Das Prinzip ist bereits von fahrerlosen Transportsystemen bekannt und wird nun auf die dritte Dimension übertragen. Die Flugroboter sollen in der Luft eigenständig navigieren und Inventuren durchführen oder Artikel finden. Die Erfassung von Barcodes soll über optische Sensoren möglich sein. Die Service-Roboter erhalten zudem Bewegungs- und Ultraschallsensoren, 3-D-Kameras und Laserscanner sowie entsprechende Software zur Orientierung im Lager. Eine lokale Infrastruktur ist nicht erforderlich. Die Forscher arbeiten auch an smarten Schnittstellen, die die Inventurdaten oder regelmäßig die Lagerbestände nahtlos in bestehende Systeme übermitteln. Mitte 2015 soll ein erster teilautomatisierter Roboter zu Testzwecken starten. (zp) Autonome Flugroboter sollen künftig eigenständig navigieren und Inventuren durchführen oder Materialengpässe im Lager melden. Grafik: Fraunhofer IML Ein Cent je Liter Treibstoff für die Elektromobilität D ie Auswahl an Elektro-PKW ist groß und wächst weiter, die Fahrzeuge sind ausgereift und ihre Alltagstauglichkeit - mit den bekannten Grenzen bei der Reichweite - ist zumindest für Wenigfahrer akzeptabel. Aber die Technik ist zu teuer, finanzielle Förderungen für Käufer gibt es bisher nicht. Darum hinkt die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Das war einheitlicher Tenor einer Diskussionsrunde zur Elektromobilität, die an der Universität Duisburg-Essen (UDE) auf Einladung des Centers of Automotive Research (CAR) im Dezember 2014 stattfand. Die Kosten spielen eine größere Rolle als ein gutes Gewissen, weiß Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG. Wie viel eine staatliche Förderung bewirken kann, zeigt sich für ihn unter anderem in den Niederlanden, wo der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen aufgrund hoher Subventionen für gewerbliche Kunden bei rund 4 % liege. Privilegien und Anreizsysteme sind auch für Bernhard Mattes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, entscheidend, damit sich die Anschaffung eines E-Autos für den Käufer rechnet. Thomas Hausch, Managing Director Nissan Center Europe GmbH, appelliert an die Stromversorger, die Ladeinfrastruktur zu verbessern und E-Autos umsonst tanken zu lassen. Einen konkreten Vorschlag machte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Automobilwirtschaftsexperte der Universität Duisburg- Essen (UDE): Er möchte einen E-Auto-Soli einführen, um der elektrischen Mobilität den dringend benötigten Anschub zu geben. Drei Jahre lang soll pro Liter Kraftstoff ein Eurocent Extra-Steuer erhoben werden. Das ergebe ein Steueraufkommen von 650-Mio. EUR pro Jahr und eine Belastung pro Kraftfahrzeug inklusive Krafträder von im Durchschnitt 12,30 EUR an zusätzlichen Steuern für Kraftstoff pro Jahr. Werde der Abstimmungsprozess für die Abwrackprämie als Referenz genommen, sei das Modell im parlamentarischen Berlin innerhalb von drei Monaten umzusetzen, so der Wissenschaftler. Die Einnahmen sollen 200 000 privaten E-Auto-Käufern als Anschaffungsprämie von je 4000 EUR zugutekommen. Zu den- förderwürdigen Fahrzeugen zählt Dudenhöffer auch Plug-in-Hybride. Weitere 850- Mio. EUR sollen in die Verbesserung der Ladeinfrastruktur in den 60 größten deutschen Städten investiert werden. Gleichzeitig seien kostenloser Strom und kostenloses Parken für drei Jahre zu gewährleisten. Und 200 Mio. EUR sieht er für den Ausbau von E-Car-Sharing-Angeboten vor. Zusammen mit erforderlichen Verwaltungskosten beliefe sich der benötigte Betrag auf 1,85 Mrd. EUR. So könne Deutschland den Rückstand gegenüber anderen Ländern nicht nur abbauen, sondern sich sogar in eine Vorreiterrolle katapultieren, ist Dudenhöffer überzeugt. Firmenfahrzeuge sind in sein Modell nicht integriert, da er davon ausgeht, dass die derzeit diskutierte 50 %-Sonderabschreibung auf gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge von der Bundesregierung umgesetzt wird. (zp) Ein Eurocent mehr pro Liter: Mit dem Kauf von Benzin oder Diesel könnte die Elektromobilität gefördert werden. Foto: Rainer Sturm/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Die Länder sind mit ihrer Strategie zunächst aufgelaufen. Sie haben ihre Position überschätzt. Pokern um Regionalisierungsmittel D ie Strategie der Länderverkehrsminister erschien ihren Erfindern als die Problemlösung. Sie sollte endlich die jahrelangen Diskussionen um die globale Höhe und die sehr strittige Länderverteilung der Regionalisierungsmittel des Bundes für den ÖPNV beenden und gleichzeitig den Vorgaben des Regionalisierungsgesetzes entsprechen, ab 2015 eine grundlegende Neuregelung umzusetzen. So beschlossen die Minister am 2. Oktober 2014 in Kiel eine Veränderung des Verteilungsschlüssels, durch den die Länder mit sehr hohen Nahverkehrsaufkommen begünstigt wurden („Kieler Schlüssel“). Gleichzeitig jedoch - und dies als Voraussetzung für einen neuen Verteilungsmodus - forderten sie vom Bund eine Erhöhung der globalen Regionalisierungsmittel von 7,3 Mrd. EUR (2014) auf 8,5 Mrd. EUR und eine Anhebung der jährlichen Dynamisierungsrate von 1,5 % auf deutlich über 2 % mit Festschreibung bis 2030. Das Beschlussergebnis war - wen wundert es - einstimmig. Die Reaktion des Bundes als Finanzierer folgte postwendend und harscher, als es sich die Länderstrategen vorgestellt hatten. Bereits am 7. Oktober 2014 stellte Staatssekretär Werner Gatzer (Bundesfinanzministerium) im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin nüchtern fest, dass entsprechend § 5 ReG ab 2015 eine Neuregelung anstehe, deren Inhalte dem finanzpolitischen Grundziel des ausgeglichenen Bundeshaushalts entsprechen müssten. Im Übrigen sei für 2015 im Haushaltsentwurf überhaupt keine Erhöhung vorgesehen. Zwar ist für 2015 mittlerweile die Fortführung der Dynamisierung mit 1,5 % vom Bund zugestanden worden. Dennoch sind die Länder mit ihrer Strategie zunächst aufgelaufen. Sie haben ihre Position in diesem Poker überschätzt. Gleichzeitig kündigte Gatzer an, die Regionalisierungsmittel in die künftigen Finanzausgleichsregelungen zwischen Bund und Ländern einzubeziehen und in diesem Rahmen die Mitteldotierung zu diskutieren. So bleibt das verkehrspolitisch hochrangige Thema der Höhe und Länderverteilung der Regionalisierungsmittel weiter auf der politischen Agenda. Die Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs ist eine der herausragenden Erfolgskomponenten der Bahnreform von 1994. Aus dem Aschenputtel des Schienennahverkehrs wurde durch die regionale Zuordnung von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auf die Länder und den Wettbewerb einer Vielzahl von Anbietern der Nahverkehrsleistungen ein hochwertiges Qualitätsprodukt. Die Fahrgastzahlen sind seit 1996 von 1,5-Mrd. auf 2,4 Mrd. EUR gestiegen, also um 60 %, und die Personenkilometer um 68 %. Dementsprechend haben sich auch die Verkehrsmittelbestellungen der Aufgabenträger erhöht. Die hieraus resultierenden Kostensteigerungen konnten zunächst durch wettbewerbsbedingt günstigere Angebote der Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden (Wettbewerbsdividende). So sanken die Bestellerentgelte je Personenkilometer im SPNV seit 1996 um 21 %. Allerdings ist dieser Effekt mittlerweile weitestgehend ausgeschöpft. Zahlreiche Kostenkategorien sind auch im SPNV deutlich angestiegen; die Länder klagen über Finanzierungsengpässe und die Gefahr, bislang bestellte Nahverkehrsleistungen ohne höhere Regionalisierungsmittel stornieren zu müssen. Das Bundesfinanzministerium fordert, zunächst vorhandene Effizienzpotentiale im ÖPNV auszunutzen und positioniert sich für harte Verhandlungen. Dass die Regionalisierungsmittel erhöht werden müssen, um die wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge im Nahverkehr zukunftssicher zu machen, ist unbestritten. Nur: So einfach, wie es sich die Länderstrategen vorstellen, ist es nicht. Effizienzreserven dürften in einigen Ländern durchaus noch ausschöpfbar sein, auch wenn dabei einige tradierte politische Grundsätze in der Nahverkehrspolitik über Bord gehen. Allerdings wäre es äußerst gefährlich, die Regionalisierungsmittel in den Bund-Länder-Finanzpoker zu integrieren, da sie dann Gefahr laufen, Spielball auch in den Ländern zu werden. Der ÖPNV benötigt Planungs- und Finanzierungssicherheit. Längere Pokerspiele schaden vor allem den Nutzern des ÖPNV und der von einem leistungsfähigen Nahverkehr abhängigen Allgemeinheit. Und das sind viele Wähler. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche POLITIK Verkehrsplanung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 12 ÖPNV in der wachsenden Stadt Der Berliner Nahverkehrsplan 2014-2018 ÖPNV, Stadtverkehr, Verkehrsplanung, Verkehrspolitik Der ÖPNV in der wachsenden Stadt Berlin verzeichnet seit mehreren Jahren steigende Fahrgastzahlen. Auch für die künftige Entwicklung wird ein weiterer Nachfrageanstieg prognostiziert. Dem gegenüber stand ein seit 2007 weitgehend unverändertes Leistungsvolumen des innerstädtischen ÖPNV. In den letzten Jahren mehrten sich die Anzeichen dafür, dass reine Optimierungen im bestehenden Angebot nicht mehr ausreichten, um bei steigender Nachfrage eine gleichbleibend hohe Qualität des Nahverkehrs zu sichern. Ein Schwerpunkt des Nahverkehrsplans 2014-2018 lag daher auf der Weiterentwicklung des Leistungsvolumens mit dem Ziel, die Daseinsvorsorge und Attraktivität des ÖPNV auch weiterhin zu gewährleisten. Die Autoren: Benjamin Tiedtke, Diana Runge B erlin verfügt über ein dichtes ÖPNV-Netz, in dem sich Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Bus in ihrer jeweiligen Funktion ergänzen. Die verschiedenen ÖPNV-Angebote erfüllen lokale Erschließungsaufgaben sowie großräumige Verbindungsfunktionen innerhalb des Stadtgebiets und gewährleisten die enge Verflechtung der Metropole mit dem umgebenden Land Brandenburg. Der ÖPNV bietet rund um die Uhr ein nahezu flächendeckendes Angebot und stellt eine wichtige Mobilitätsoption für die Bevölkerung und für Besucherinnen und Besucher der Stadt dar. Gleichzeitig bietet er eine umweltfreundliche und stadtverträgliche Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Im Jahr 2013 nutzten fast 1,4 Mrd. Fahrgäste die Bahnen und Busse im Stadtgebiet. Zwei Drittel aller Wege werden in Berlin mit ÖPNV, Fahrrad und zu Fuß zurückgelegt. Der ÖPNV bildet das Rückgrat des Umweltverbunds. Sein Modal-Split-Anteil beträgt 27 %. Insgesamt lebt fast die Hälfte der Berliner Haushalte autofrei [1, 2]. Vor allem Arbeits- und Ausbildungswege werden mit dem ÖPNV zurückgelegt, Wirtschafts- und Erwerbsleben in der Stadt profitieren von den Angeboten, so dass der ÖPNV ein wichtiger Standortfaktor für die Berliner Wirtschaft ist. Verkehrspolitische Ziele und Rahmenbedingungen der ÖPNV- Entwicklung Die verkehrspolitischen Ziele des Landes Berlin werden im Stadtentwicklungsplan Verkehr (StEP Verkehr) festgelegt. Dieser beinhaltet zum einen die langfristige Infrastrukturentwicklungsplanung des Landes Berlin und formuliert zum anderen Leitlinien für die nachgeordneten Fachplanungen, zu denen der Nahverkehrsplan als Fachplan für den ÖPNV gehört. Der StEP Verkehr formuliert die Zielstellung, durch eine attraktive Angebotsgestaltung mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen und seinen Anteil am Verkehrsaufkommen auf gesamtstädtischer Ebene bis zum Jahr 2025 weiter zu erhöhen. Auf diese Weise soll der ÖPNV seinen Beitrag dazu leisten, die verkehrspolitischen Vorgaben des Landes Berlin ebenso zu erreichen, wie weitere Ziele der Umwelt-, Wirtschafts- und der sozialen wie baulichen Stadtentwicklung, die eng mit dem Verkehr verknüpft sind. Der Nahverkehrsplan (NVP) definiert darauf aufbauend das Angebotsniveau, welches einer ausreichenden Verkehrsbedienung entspricht und den erforderlichen Beitrag zu den Zielen des StEP Verkehr leistet. Hierfür werden im NVP die Standards und Vorgaben festgelegt, welche die Zugänglichkeit, die Nutzbarkeit sowie die Qualität der Angebote im Berliner ÖPNV definieren. Zudem gibt der NVP auch die Grundlagen und Leitlinien der mittelfristigen künftigen Angebotsentwicklung vor und legt konkrete planerische Maßnahmenvorschläge zur Weiterentwicklung des ÖPNV fest. Der aktuelle, am 7. Oktober 2014 durch den Senat von Berlin beschlossene NVP umfasst den Zeitraum 2014 bis 2018-[3]. Nachfrage- und Angebotsentwicklung im Berliner ÖPNV Die Bevölkerungsentwicklung in Berlin war in den vergangenen Jahren durch einen deutlichen Anstieg gekennzeichnet. Zwischen 2007 bis 2013 erfolgte gemäß Einwohnerregisterstatistik ein Bevölkerungswachstum um ca. 165 000 Personen auf rund 3,52 Mio. Einwohner (+ 5 %). Die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung übertrifft damit frühere Bevölkerungsprognosen deutlich. Diese Entwicklung ist in den einzelnen Berliner Bezirken unterschiedlich stark ausgeprägt, es profitieren jedoch alle Bezirke von den Zunahmen [4]. Auch in den unmittelbar an Berlin angrenzenden Landkreisen im Land Brandenburg werden Bevölkerungszunahmen verzeichnet. Hinzu kommt, dass parallel zur Bevölkerungsentwicklung auch die Erwerbstätigen-, Touristen- und Pendlerzahlen angestiegen sind. In der Konsequenz verzeichneten alle „klassischen Treiber der Verkehrsnachfrage“ einen deutlichen Aufwärtstrend. Die Fahrgastzahlen im Berliner ÖPNV sind in den vergangenen Jahren folglich merkbar gestiegen (siehe Bild 1). Die Angebotsseite im innerstädtischen ÖPNV blieb demgegenüber per Saldo konstant. Das Gesamtvolumen hat sich im Zeitraum von 2007 bis 2013 nur geringfügig verändert. Mehrbestellungen auf nachfragestarken Strecken konnten nur umgesetzt werden, wenn dafür Angebotskürzungen auf weniger stark nachgefragten Abschnitten erfolgten. Entsprechende Angebotsanpassungen wurden seit 2007 auf Grundlage der jeweiligen NVP-Vorgaben umgesetzt. Das Ziel, das Angebot besser auf eine veränderte Nachfrage abzustimmen, konnte damit zwar erreicht werden. Bereits 2012 zeichnete sich aber ab, dass die Möglichkeiten, über die Umbestellung von Angeboten auf Nachfrageentwicklungen zu reagieren, fast vollständig ausgeschöpft waren. Eine weitere Umschichtung von Angeboten war Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 13 Verkehrsplanung POLITIK durch den Auftrag zur Sicherung der Daseinsvorsorge nur noch in sehr geringem Umfang möglich. Infolgedessen wurden in den letzten Jahren auf mehreren stark nachgefragten Linienabschnitten die Grenzen der einzuhaltenden Kapazitätsstandards häufiger erreicht bzw. teilweise überschritten. Zudem drohten Einschränkungen bei der Erschließung von Neubauvorhaben abseits vorhandener ÖPNV-Angebote. Darüber hinaus zeichnete sich ab, dass entsprechend der prognostizierten Entwicklung wesentlicher Einflussfaktoren weitere Nachfragezuwächse im ÖPNV zu erwarten sind. So wird gemäß der aktuellen Bevölkerungsprognose des Landes Berlin auf Basis des Einwohnerregisters für den Zeitraum bis 2018 in der mittleren Variante mit einem weiteren Anstieg auf rund 3,60-Mio. Einwohner gerechnet, in der oberen Variante sogar mit einem Anstieg auf rund 3,65 Mio. Einwohner [5]. Die reale Bevölkerungsentwicklung seit 2011 übertrifft bislang sogar die obere Variante der Bevölkerungsprognose (siehe Bild 2). Die Schere zwischen Nachfrage- und Angebotsentwicklung drohte somit weiter auseinanderzugehen, wodurch die Ziele der Verkehrsentwicklungsplanung nicht mehr einzuhalten wären. Szenarien der Nachfrageentwicklung für den NVP 2014-2018 Auftrag des NVP war es daher, das Leistungsvolumen zu ermitteln, das erforderlich ist, um bereits bestehende Engpässe auszugleichen, eine den Entwicklungen im Land Berlin angemessene Angebotsplanung innerhalb der NVP-Laufzeit 2014-2018 zu ermöglichen sowie einen soliden Aufsetzpunkt für die darüber hinausgehende, langfristige ÖPNV-Gestaltung zu schaffen. Um die Bandbreite der möglichen Nachfrageentwicklungen abzudecken, wurden verschiedene Nachfrageszenarien entwickelt. Für eine grobe quantitative Nachfrageabschätzung wurden zunächst die Daten der Bevölkerungsprognose mit den Zielsetzungen des Landes Berlin zum Modal-Split- Anteil des ÖPNV verschnitten. Es wurden drei Nachfrage-Szenarien (untere, mittlere und obere Variante) entwickelt. Der Betrachtungszeitraum vom 31.12.2007 bis zum 31.12.2018 ergab sich zum einen aus dem seit Anfang 2008 weitgehend unveränderten gesamthaften Leistungsvolumen des innerstädtischen ÖPNV und zum anderen aus der Laufzeit des NVP. Die Bevölkerungsentwicklung wurde entsprechend der unteren, mittleren und oberen Variante der Bevölkerungsprognose den jeweiligen ÖPNV- Szenarien zugeordnet. In allen Szenarien wurde von einer konstanten Wegehäufigkeit und Mobilitätsquote ausgegangen. Künftig wird zwar eine Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung stattfinden, bei der hohe Altersgruppen mit einer vergleichsweise geringeren täglichen Wegezahl an Bedeutung gewinnen werden. Allerdings war trotz zunehmender Alterung der Gesellschaft in den Jahren 2002 bis 2008 deutschlandweit sogar ein leichter Anstieg der durchschnittlichen Mobilitätsquote und Wegehäufigkeit zu verzeichnen. Dieser resultierte „hauptsächlich aus dem wachsenden Anteil an mobilen älteren Personen im Alter von 60 Jahren und älter und aus der gleichzeitigen Zunahme an Wegen pro Person speziell in dieser Altersgruppe. Das heißt: 2008 gehen nicht nur mehr ältere Menschen aus dem Haus als 2002, sondern jeder Einzelne von ihnen geht auch häufiger aus dem Haus, als dies noch sechs Jahre zuvor der Fall war.“ [6] Der Modal-Split-Anteil des ÖPNV wurde in Anlehnung an die Zielvorgaben des StEP Verkehr variiert. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Erreichung des Zielwertes von weiteren Entwicklungen im Land Berlin abhängig ist und nicht zuletzt auch von der Förderung entsprechender Push- und Pull-Faktoren. Bei der unteren Variante bleibt der ÖPNV-Anteil unverändert. Für die obere Variante wird das Erreichen des Zielwertes des StEP Verkehr (plus zwei Prozentpunkte) für den 31.12.2018 angenommen. In der mittleren Variante wird von einer Steigerung des ÖPNV-Anteils um einen Prozentpunkt ausgegangen. Hinsichtlich künftiger Preiseffekte im ÖPNV wird im Rahmen dieser Betrachtung 3.200.000 3.300.000 3.400.000 3.500.000 3.600.000 3.700.000 3.800.000 3.900.000 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 Prognose Obere Variante Prognose Mittlere Variante Prognose Untere Variante Reale Bevölkerungsentwicklung Ist-Daten 2007-2013: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg - Daten des Einwohnermelderegisters (EWR), Stand jeweils zum 31.12. Prognose 2011-2030: SenStadtUm - Bevölkerungsprognose auf Grundlage EWR Laufzeit NVP 2014-2018 Bild 2: Bevölkerungsentwicklung Berlin 2007-2030; Realentwicklung bis 2013, Prognose 2011-2030 904,0 832,3 925,4 922,0 936,5 937,4 947,3 370,5 388,1 371,0 376,0 382,8 395,0 402,0 18,6 20,8 21,1 21,3 19,8 23,9 k.A. 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Fahrgastnachfrage in Mio. Regionalverkehr*** S-Bahn Berlin GmbH** BVG AöR* * Fahrgastfahrten Unternehmen ** Berlin und Brandenburg *** alle Unternehmen, ab 2008 Daten: Meldungen der Unternehmen an den Aufgabenträger Bild 1: Entwicklung der Fahrgastzahlen im Berliner ÖPNV 2007-2013 POLITIK Verkehrsplanung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 14 keine bedeutende positive oder negative Nachfragebeeinflussung angenommen. Die Ergebnisse für die drei Szenarien werden in der Tabelle 1 dargestellt. Demnach ergibt sich für das Jahr 2018 eine Nachfragesteigerung zwischen 147 000 (+ 5 %) bis 460 000 (+ 17 %) Wegen pro Tag im Vergleich zum Jahr 2007. Im Rahmen des NVP wurde entsprechend einer vorsichtigen und konservativen Abschätzung eine durch Bevölkerungszunahmen generierte Nachfragesteigerung zwischen der unteren und der mittleren Variante angenommen. Neben dem Bevölkerungswachstum kommen weitere Treiber von Mehrbedarf und Nachfrage hinzu. Zu diesen gehören vor allem die wachsende Bedeutung des Tourismus, die positive Entwicklung des Arbeitsmarktes mit einer Intensivierung der berufsbedingten Wege und der Pendlerverflechtungen mit dem Umland sowie die zusätzlichen Erschließungsbedarfe neuer Wohn- und Gewerbestandorte. Die aus diesen Entwicklungen entstehenden Mehrbedarfe wurden in einem zweiten Berechnungsschritt qualitativ abgeschätzt. Schließlich wurden die noch vorhandenen Kapazitätsreserven sowie die geringen Spielräume zur Umgestaltung des bestehenden Angebots berücksichtigt. In Summe ergab sich für die einzelnen ÖPNV- Verkehrsmittel hieraus ein Angebots-Mehrbedarf in Bezug auf das Leistungsvolumen von rund drei bis sieben Prozent (Regionalverkehr: + 6 %, S-Bahn (nur Berlin): + 7 %, U- Bahn: + 3 %, Straßenbahn: + 3 %, Bus: + 4,5 %). Die größeren Mehrleistungen im Regional- und S-Bahn-Verkehr resultieren aus infrastrukturbedingten Angebotsmaßnahmen. Höhere Werte im Busverkehr resultieren aus den zusätzlichen Erschließungsaufgaben, die insbesondere der Busverkehr aufgrund der kurzfristigen Anpassbarkeit übernimmt. Erste Umsetzungsschritte Die Mehrleistungen sollen schrittweise in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Für den ÖPNV-Leistungsaufwuchs in der wachsenden Stadt ergibt sich ein entsprechender zusätzlicher Finanzierungsbedarf. Für die Jahre 2014 und 2015 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin diesen zusätzlichen Bedarf mit dem Beschluss des Doppelhaushaltes 2014/ 15 bewilligt. Auf Basis der beschlossenen zusätzlichen Mittel wurden im Jahr 2014 schrittweise Mehrleistungen bei Bus, Straßenbahn und U-Bahn auf insgesamt rund 50 Linien umgesetzt. Die Maßnahmen konzentrierten sich dabei auf folgende Schwerpunkte: zeitliche Ausweitung dichter Takte (z. B. Verlängerung der Früh- und Spät-Hauptverkehrszeit), Taktverdichtungen in der Hauptverkehrszeit, zusätzliche Fahrten im Abend- und Nachtverkehr (zeitlich veränderte Nachfrage infolge von Tourismus sowie Einkaufs- und Freizeitverkehren) sowie Zusatzleistungen am Wochenende (insbesondere in Reaktion auf höhere Nachfrage im Einkaufsverkehr am Samstagnachmittag und -abend). Fazit und Ausblick Eine der Nachfrage angemessene Angebotsentwicklung ist erforderlich, um die Zugänglichkeit, Nutzbarkeit sowie die Qualität des ÖPNV auch in der wachsenden Stadt zu sichern. Eine Angebotausweitung ist darüber hinaus auch Grundlage dafür, die für den ÖPNV positive Entwicklung der Rahmenbedingungen zu nutzen und die sich ergebenden Fahrgastpotenziale auszuschöpfen. Hierdurch können weitere Modal-Split-Verlagerungen hin zum ÖPNV und damit verkehrspolitische, soziale und umweltbezogene Ziele des Landes Berlin erreicht werden. Bei den zeitnahen, bereits erfolgten Mehrbestellungen konnten noch nicht alle Linien und Zeiträume, bei denen Bedarf für zusätzliche Kapazitäten besteht, berücksichtigt werden. Zum einen bestehen hier insbesondere im Schienenverkehr Einschränkungen durch die Fahrzeugverfügbarkeit. Gerade in der Hauptverkehrszeit sind bereits alle verfügbaren Fahrzeuge im Einsatz und eine kurzfristige Beschaffung zusätzlicher Fahrzeuge ist nicht möglich. Des Weiteren decken die im Doppelhaushalt 2014/ 2015 bewilligten zusätzlichen Mittel den Bedarf an ÖPNV-Leistungen in der wachsenden Stadt noch nicht vollständig ab. Ein weiterer Mittelaufwuchs in den Folgejahren sowie eine künftige Beschaffung zusätzlicher Fahrzeuge sind daher zwei wesentliche Voraussetzungen, um den ÖPNV in Berlin langfristig entsprechend des Bedarfs der wachsenden Stadt und der politischen Zielsetzungen weiterentwickeln zu können. Die Aussagen des Nahverkehrsplans bieten hierfür eine wichtige Grundlage. ■ QueLLeN [1] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2010: Mobilität in Berlin - Bilanz zum Personenverkehr in der Stadt (SrV 2008) [2] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2014: Mobilität der Stadt - Berliner Verkehr in Zahlen 2013 [3] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2014: Nahverkehrsplan Berlin 2014 - 2018 [4] Amt für Statistik Berlin-Brandenburg - Bevölkerungsstatistik (auf Basis Einwohnerregisterstatistik) [5] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2013: Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2011-2030 auf Grundlage EWR [6] infas und DLR 2010: Mobilität in Deutschland 2008 - Ergebnisbericht Benjamin Tiedtke, Dipl.-Ing. Verkehrswesen Center Nahverkehr Berlin (CNB), Berlin tiedtke@cnb-online.de diana Runge, Dipl.-Ing. Stadt- und Regionalplanung Center Nahverkehr Berlin (CNB), Berlin runge@cnb-online.de 2007 2018 - Szenarien Untere Variante Mittlere Variante Obere Variante Bevölkerung* 3 350 000 3 540 000 3 600 000 3 650 000 Wege pro Person und Tag** 3 Anteil des ÖPNV*** 27 % 27 % 28 % 29 % ÖPNV-Wege pro Tag**** 2 717 000 2 864 000 3 020 000 3 177 000 Veränderung ÖPNV- Wege pro Tag 2007-2018 absolut**** - 147 000 303 000 460 000 Veränderung ÖPNV- Wege pro Tag 2007-2018**** - + 5 % + 11 % + 17 % * 2007: Bevölkerungsstand 31.12.2007 nach [4]; 2018: gerundete Werte nach [5] ** Wert aus [2], die Zahl der Wege wird im Zeitverlauf als konstant angenommen, siehe Text *** 2007: Wert aus [1], 2018: Variantenbildung auf Grundlage StEP-Verkehr-Ziel für 2025, siehe Text **** eigene Berechnungen, alle Werte gerundet Tabelle 1: Szenarien Entwicklung ÖPNV-Nachfrage siemens.com/ mobility Bequemer von der Metro in die Tram. Und in den Park. Mit intelligenter Vernetzung von A nach B. Zuverlässigkeit, Sicherheit und Attraktivität sind entscheidend im Schienenverkehr - für zufriedene Fahrgäste und wettbewerbsfähige Mobilitätsangebote. Wir bieten Ihnen dazu ein einzigartiges, integriertes Portfolio: durchgängige IT-Plattformen zur Optimierung des Fahrbetriebs, zuverlässige Stellwerks- und Bahnübergangstechnik, innovative Ticketing-Systeme, effiziente Schienenfahrzeuge sowie maßgeschneiderte Service- und Beratungsleistungen. Und Integration geht für uns noch weiter. Mit unserem umfassenden Know-how zur Optimierung des Verkehrs auf Schiene und Straße werden wir mit intelligenter IT alle Verkehrsträger immer perfekter miteinander vernetzen - damit Reisende noch schneller, sicherer und entspannter von A nach B gelangen. Die Technologien dazu sind da. Die Konzepte auch. Lassen Sie uns gemeinsam die Mobilität von morgen gestalten. A19100 -V901- F114 POLITIK Mobilitätsstrategie Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 16 Digital, sicher, vernetzt, individuell Intelligente Mobilität braucht einen Aktionsplan Vernetzung, Verkehrstelematik, Digitalisierung, Big Data, Verkehrsinformationen Die Bundesregierung hat in ihrer Hightech-Strategie 2020 das Ziel „CO 2 -neutrale, energieeffiziente und klimaangepasste Stadt“ ausgerufen. Bereits heute ist es absehbar: Bis 2030 werden 30 % aller Bundesbürger in Großstädten leben. Gleichzeitig sind die Menschen in den vergangenen Jahren immer mobiler geworden: Sie haben ihren Radius im Alltag erweitert, legen mehr Wege zurück und verwenden einen größeren Anteil ihrer täglichen Zeit darauf, unterwegs zu sein. Mit diesen Veränderungen muss die Verkehrspolitik, aber auch die Verkehrsbranche umgehen. Die intelligente Mobilität der Zukunft muss digital, sicher, vernetzt und individuell sein. Der Autor: Florian Eck M obilität wird immer komplexer. So hat ein Reisender in Deutschland mittlerweile theoretisch die Wahl zwischen 5400 Bahnhöfen, 17 größeren Flughäfen sowie einem überregionalen Straßennetz von 230 000 km. Der Nutzer wird somit von sich aus nicht immer die optimale Kombination aus Verkehrsmitteln und Wegen wählen können, da er nicht alle theoretischen Möglichkeiten durchspielt. Hier muss die Intelligente Mobilität ansetzen, indem sie den Kunden, den Reisenden und den Fahrzeugführer unterstützt, effizient und sicher ans Ziel zu kommen. Dabei hilft intelligente Mobilität auch, die weltweit geschätzten 1,2 Mio. Verkehrstoten auf unseren Straßen zu reduzieren. Darüber hinaus müssen Ansätze gefunden werden, kurzfristig die Kapazitäten unserer Verkehrswege besser auszunutzen, bis sie ausgebessert und ausgebaut werden können. Auch das ist Intelligente Mobilität. Mobilitätsstandort deutschland Deutschland gilt immer noch weltweit als vorbildlicher Mobilitätsstandort. Zunehmend stockt jedoch die Umsetzung von modernen Verkehrskonzepten und reibt sich an Hindernissen auf. Es ist Zeit, diese Hemmnisse gezielt anzugehen. So wie sich das produzierende Gewerbe fit macht für „Industrie 4.0“, muss der deutsche Mobilitätssektor auf „Intelligente Mobilität“ setzen. Die maßgeblichen Elemente dazu sind bereits heute vorhanden. Es geht darum, Sensoren, Daten, Ortung und Navigation, Rechnerleistung und Kommunikationssysteme so miteinander zu verknüpfen, dass sie die physische Mobilität effizienter, nachhaltiger, sicherer und auch bedarfsgerecht machen. Richtig eingesetzt, ergeben sich daraus Produkte und Dienstleistungen wie lebensrettende Fahrerassistenzsysteme oder Notrufsysteme wie e-Call, zuverlässige Verkehrsinformationen und Prognosen sowie barrierefreie Mobilitätsketten. Intelligent unterwegs Bereits heute sind Ansätze von intelligenten Verkehrssystemen im Einsatz: Verkehrsmittel können auf den Verkehrsträgern Straße, Schiene, Luft und Wasserstraße durch moderne Leit- und Sicherungstechnik so unterstützt werden, dass sie auf der richtigen Strecke, mit der optimalen energieeffizienten Geschwindigkeit und im optimalen Abstand zueinander unterwegs sind. Notrufsysteme wie e-Call informieren bei einem Unfall Rettungskräfte, Verkehrsmittel warnen andere Verkehrsmittel automatisch vor Gefahrenstellen. Die intelligenten Systeme schonen Ressourcen, steuern knappe Infrastrukturkapazitäten aus und ermöglichen optimale Sicherheitsabstände. Auch ein halbbis vollautomatischer Betrieb wird dadurch möglich. Dies bewirken Systeme wie die Satellitennavigation GPS und Galileo, das europäische Zugleit- und -sicherungssystem ETCS/ ERTMS oder das River Information System RIS. Diese Systeme gilt es ebenso auszubauen und zu verbreiten wie den einheitlichen europäischen Luftraum Single European Sky. Handy als Mobilitätsassistent Ein weiteres Szenario: Der Berufspendler erhält bereits morgens am Frühstückstisch eine Routen- und Verkehrsmittelempfehlung für seinen Weg zur Arbeit - basierend auf seinen Gewohnheiten, Echtzeit-Störungsmeldungen, Baustellen und Verspätungen im ÖPNV und auf Verkehrsprognosen. Kommt es bei einer Autofahrt unvorhergesehen zu Staus, können Umfahrungen oder Parkplätze und Umsteigemöglichkeiten zum ÖPNV angeboten werden. Ein elektronisches Ticket erschließt alle Verkehrsmittel. Bei all diesen Entwicklungen gibt es ein wichtiges Bindeglied: Das Smartphone ist der „Zündschlüssel der Zukunft“. Hier laufen multimodale Informationen zusammen, es wird navigiert, der Parkplatz gebucht und bezahlt, Car-Sharing reserviert, ein Fahrrad freigeschaltet, ein Fahrschein gekauft. Gleiches ist mit den entsprechenden Bordinformationssystemen der Autos oder per Telefon möglich (Bild 1). Hemmnisse abbauen Viele weitere Anwendungsfälle von intelligenten Verkehrssystemen mit dem Ziel einer intelligenten, vernetzten Mobilität sind denkbar. Die modernen Mobilitätswelten brauchen Innovation, Veränderung und Raum für neue Ideen. Das setzt aber voraus, dass sich die Rahmenbedingungen ändern und bestehende Entwicklungshemmnisse abgebaut werden. Das Deutsche Verkehrsforum hat hierzu mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) in ei- Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 17 Mobilitätsstrategie POLITIK nem „Aktionsplan Intelligente Mobilität“ neun zentrale Handlungsfelder identifiziert, die angegangen werden müssen: 1. Mobilitätsdaten verfügbar machen: Im Zentrum aller Ansätze der Intelligenten Mobilität stehen Daten - Fahrpläne, Staumeldungen, Prognosen, etc. Bisher stoppen die Datenströme oftmals an Verkehrsträger-, Unternehmens- und Verwaltungsgrenzen. Diese Datenschätze müssen gehoben werden. Erste Ansätze wie Open Data und der Mobilitätsdatenmarktplatz müssen ausgebaut werden. 2. Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten: Nicht erst seit der NSA-Affäre existieren Zweifel beim Nutzer hinsichtlich der Datensicherheit ihrer Mobilitätsdaten. Die Branche nimmt diese Bedenken ernst. Ein Kodex, rigide Selbstverpflichtung, Transparenz, Kontrollinstanzen und ein geeigneter gesetzlicher Rahmen müssen Vertrauen schaffen. Auch das Thema „Cyber-Security“ muss mit der zunehmenden Digitalisierung Schritt halten. Nur so kann Big Data für den Verkehrsbereich umgesetzt werden. 3. Bandbreite im Datennetz sicherstellen: Um Verkehrsunternehmen und Endkunden ausreichend mit Mobilitätsdiensten versorgen zu können, müssen entsprechende Bandbreiten im Mobilfunk- und Festnetz sichergestellt werden - mit Priorität entlang der Hauptverkehrsachsen und in den Ballungsräumen. 4. Standardisierung vorantreiben: Die Vielzahl an Dienstleistungen, Datenformaten, Prozessen und Akteuren auf dem Mobilitätsmarkt verhindern momentan eine umfassende Integration der Angebote. Hier müssen existierende Defacto-Standards schrittweise ausgebaut werden. 5. Übergreifende Bezahldienste und Ticketing ausbauen: Die Abrechnung und das intermodale Ticketing zwischen verschiedenen Dienstleistern ist weiterhin eine Herausforderung. Hier müssen die Zahlungsverkehrsdienstleister gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen noch Aufbauhilfe leisten. 6. Akzeptanz beim Nutzer verbessern: Oftmals ist der Nutzen neuer Mobilitätsdienstleistungen nicht offensichtlich oder wird vom Kunden nicht so hoch bewertet. Dies mündet in mangelnde Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft. Die Angebote müssen folglich näher am Kunden konzipiert und besser vermarktet werden oder es werden andere Kostenträger genutzt. 7. Umrüstung der Infrastruktur unterstützen: Die vorhandene Telematik-Infrastruktur - z. B. Signaltechnik oder Verkehrsinformationssysteme - ist oftmals nicht ausbaubar für weitere Dienste und Anwendungen. Dies ist ein Investitions- und Entwicklungshemmnis. Auch im digitalen Bereich muss Infrastruktur als Daseinsvorsorge betrachtet werden. Teilweise brauchen die Verkehrsunternehmen wie beim e-Ticket oder beim Signalsystem ERTMS/ ETCS Fördermittel, da sonst keine Umrüstung möglich ist. 8. Rechtsrahmen anpassen: Der gesetzliche und regulatorische Rahmen für intelligente Mobilität muss ergänzt oder angepasst werden. Dies betrifft etwa Fragen des Datenschutzes, der Nutzbarkeit von LKW-Mautdaten, der Haftung sowie der Automatisierung. 9. Grenzen überwinden: Auch in einem vereinten Europa und trotz der umfangreichen Arbeiten von DIN, CEN und ISO existieren im Bereich intelligenter Mobilität immer noch nationale oder sogar regionale Alleingänge und Standards. Beispiele dafür finden sich u.a. immer noch bei Fahrplan- und Verkehrsinformationen sowie Trackingdaten. Die Einführung eines eigenen Ressorts für die Digitale Gesellschaft im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) ist ein erster wichtiger Schritt, dem jetzt weitere verbindliche Maßnahmen folgen müssen. Um diesen Aktionsplan umzusetzen und die Hemmnisse zu beseitigen, ist vor allem ein Koordinator erforderlich, der die Aktivitäten von Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusammenführt und so auf die Lösung der noch offenen Aufgaben des Aktionsplans „Intelligente Mobilität“ hin wirkt. Ein solcher Koordinator sollte an der Schnittstelle von digitalen Technologien und Verkehr angesiedelt sein, idealerweise im BMVI. ■ Florian Eck, Dr. Stellv. Geschäftsführer Deutsches Verkehrsforum, Berlin eck@verkehrsforum.de Bild 1: Nutzerwünsche für die Verbesserung von Smartphone-Apps Grafik: DVF 2012, Quelle Infas-Umfrage WORLD MARKET STUDY forecast 2012 to 2017 Providing competitive railway systems www.unife.org UNIFE The European Rail Industry Avenue Louise 221 B-1050 Brussels www.unife.org Roland Berger Strategy Consultants Mies-van-der-Rohe-Straße 6 D-80807 München www.rolandberger.com Commissioned by UNIFE - The European Rail Industry Conducted by Roland Berger Strategy Consultants UNIFE WORLD RAIL MARKET STUDY 2012 DVV Media Group GmbH WORLD MARKET oreca mmissioned nducted by Worldwide Rail Market Study - status quo and outlook 2016 A study commissioned by UNIFE, the Association of the European Rail Industry and conducted by Roland Berger Strategy Consultants DVV Media Group The largest study of its kind World Rail Market Study A study commissioned by UNIFE - The European Rail Industry Conducted by Roland Berger Strategy Consultants Special rate for InnoTrans exhibitors! 100 0 100 20 C M Y K 70 0 100 10 C M Y K 50 0 100 5 C M Y K 0 0 0 60 C M Y K Unife Logo THE EUROPEAN RAIL INDUSTRY THE EUROPEAN RAIL INDUSTRY DVV Media Group Order now: www.eurailpress.de/ rms2 Email: book@dvvmedia.com Phone +49 40 237 14-440 • Fax +49 40 237 14-450 www.eurailpress.de • www.railwaygazette.com Worldwide Rail Market Study - status quo and outlook 2016 A study commissioned by UNIFE, the Association of the European Rail Industry and conducted by Roland Berger Strategy Consultants UNIFE The European Rail Industry Avenue Louise 221 B-1050 Brussels www.unife.org Roland Berger Strategy Consultants Mies-van-der-Rohe-Straße 6 D-80807 München www.rolandberger.com unife World rail Market Study forecast 2014 to 2019 forecast 2014 to 2019 world study railMarket DVV Media Group GmbH 100 0 100 20 C M Y K 70 0 100 10 C M Y K 50 0 100 5 C M Y K 0 0 0 60 C M Y K Unife Logo THE EUROPEAN RAIL INDUSTRY THE EUROPEAN RAIL INDUSTRY Commissioned by Conducted by SuStainable promote rail market growth for mob i l i t y Publishing year: 2014 • Features: 164 pages, Brochure Format: DIN A4 • ISBN: 978-3-7771-0468-8 • Price: EUR 2,600 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 19 Standpunkt POLITIK Mit Sicherheit gut vernetzt Z u den größten Herausforderungen, denen sich die deutsche Automobilindustrie gegenwärtig gegenübersieht, gehört die stetige CO 2 -Reduktion. Allein im vergangenen Jahr ist der durchschnittliche CO 2 -Ausstoß der neu zugelassenen PKW deutscher Konzernmarken um 3,8 Prozent auf 136-Gramm pro Kilometer gesunken. Unsere Hersteller bieten heute 878 Modelle auf dem deutschen Markt an, die höchstens 130- Gramm ausstoßen. 528 Modelle haben sogar einen CO 2 -Wert von unter 120 Gramm. Mit diesen Effizienzsteigerungen sind wir Vorreiter beim Klimaschutz. Mit der Optimierung der klassischen Motoren - Diesel und Benziner - ist es aber nicht getan. Wir nähern uns der Grenze des technisch Machbaren. Die Kosten für jedes eingesparte Gramm CO 2 nehmen zu. Damit die Vorgaben für das Jahr 2020 (95 Gramm) erfüllt werden können, müssen mehr Fahrzeuge mit alternativen Antrieben auf die Straße kommen. Die Elektromobilität ist einer von mehreren Wegen dorthin. Wie der aktuelle Electric Vehicle Index (EVI) der Unternehmensberatung McKinsey zeigt, hat Deutschland in den vergangenen Jahren beim Angebot von Elektroautos den größten Fortschritt aufzuweisen: Wir sind hier klar in der Pole-Position. 2014 brachten unsere Hersteller 17 E-Autos auf die Straße, 2015 folgen zwölf weitere. Dahinter steckt ein enormer Kraftakt: Viele Milliarden Euro wurden in Forschung und Entwicklung investiert - bei Herstellern und Zulieferern. Das Ziel, Leitanbieter für Elektromobilität zu werden, ist erreicht. Doch vom zweiten Ziel, Deutschland als Leitmarkt für Elektromobilität zu etablieren, sind wir noch weit entfernt - trotz der hohen Zuwachsraten. Dabei haben wir im Inland nahezu alle notwendigen Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dieses Potenzial gilt es umzusetzen. Die Zeit drängt. Das Elektromobilitätsgesetz soll noch im Frühjahr verabschiedet werden. Es umfasst zum Beispiel die Nutzung von Busspuren und bevorzugte Parkplätze. Das ist ein erster Schritt, dem rasch weitere Maßnahmen folgen müssen. Wenn der Markthochlauf bis 2017 wie geplant erfolgen soll, müssen die Anreize so gesetzt werden, dass sie in den nächsten Jahren auch greifen. Die Nationale Plattform Elektromobilität NPE empfiehlt die Einführung einer Sonderabschreibung für Unternehmen, die Elektroautos anschaffen. Die Kosten sollten im ersten Jahr zu 50 Prozent von der Steuer absetzbar sein. Wir begrüßen diesen Vorschlag ausdrücklich, denn damit wird der Kauf von Elektrofahrzeugen auch für Flottenmanager wirtschaftlich attraktiv. Auf der Seite der Firmenwagen-Nutzer gibt es ja bereits den Nachteilsausgleich. Die Politik sollte den Vorschlag rasch aufnehmen und umsetzen. Zudem kann eine Beschaffungsinitiative wichtige Impulse setzen: Öffentliche Unternehmen sowie Bund, Länder, Städte und Gemeinden sollten bei der Erneuerung ihrer Fuhrparks mit gutem Beispiel vorangehen. Ebenfalls notwendig ist ein Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur. Zwar wird ein Großteil der Autofahrer den Strom zu Hause oder an der Arbeitsstätte laden. Doch der Erfolg der Elektromobilität hängt entscheidend davon ab, dass das Nachladen einfach und jederzeit unterwegs möglich ist. Der bisherige Bestand an Ladepunkten reicht dafür nicht aus. Erforderlich ist eine standardisierte, leicht zugängliche und anbieterunabhängige Ladeinfrastruktur. Auch beim Thema Vernetzung sind die deutschen Hersteller und Zulieferer technologisch vorn. Das Auto erlebt eine digitale Evolution. Die IT wird mit rasantem Tempo in die neuen Autos integriert. Studien zur Fahrzeugvernetzung prognostizieren, dass bereits in zwei Jahren mindestens 80 Prozent aller verkauften Neuwagen vernetzt sein werden. Künftig wissen Fahrzeuge über Ampelphasen und Baustellen Bescheid, werden von vorausfahrenden Fahrzeugen vor Gefahrensituationen, Hindernissen oder Glatteis gewarnt und können entsprechend reagieren. Die deutschen Hersteller und Zulieferer arbeiten konsequent an der Weiterentwicklung bestehender Assistenzsysteme, um das Autofahren effizienter, komfortabler und sicherer zu machen. Die deutsche Automobilindustrie hat den Anspruch, beim Thema „Vernetzung des Fahrzeugs“ Innovationstreiber zu sein. Allein in den kommenden drei bis vier Jahren werden die deutschen Hersteller und Zulieferer 16 bis 18 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung zum vernetzten und automatisierten Fahren investieren. Allerdings hat der Industriestandort Deutschland in den letzten Jahren an Vorsprung einbüßt. Die Energiekosten sind im internationalen Vergleich hoch - und wir sehen mit Sorge, dass sie weiter steigen. Auch die Lohnstückkosten gehen wieder nach oben. Sozialpolitische Maßnahmen belasten den Produktionsstandort zusätzlich. Am Beispiel unserer zahlenmäßig größten Herstellergruppe lässt sich die Herausforderung für unseren Industriestandort in Deutschland benennen: Die Zulieferer haben sich seit der Krise zu neuer Stärke im internationalen Vergleich entwickelt. Sie zeichnen sich durch Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit aus. Zugleich stehen sie vor großen internationalen Herausforderungen. Inzwischen müssen sich auch die Mittelständler verstärkt damit auseinandersetzen, den großen Herstellern oder deren großen Zulieferern in die Auslandsmärkte zu folgen und dort vor Ort zu produzieren. Diese Doppelaufgabe - hohe Auslastung und Entwicklung im Inland und zunehmende Fertigung an Auslandsstandorten - ist alles andere als leicht. Die Politik muss mit richtigen Entscheidungen für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen in Deutschland dazu beitragen, die Zuliefererstandorte im Inland auch in der kommenden Dekade zu sichern. Ein Blick auf China und USA zeigt, dass der weltweite Standortwettbewerb immer schärfer wird. Jede künftige CO 2 -Regulierung in Brüssel muss sich stärker als bisher an einer Balance zwischen Ökologie und Ökonomie orientieren. Neue Regulierungen dürfen Innovationen nicht strangulieren. Im Gegenteil, sie müssen stimulieren. ■ Die deutsche Automobilindustrie steht 2015 vor technologischen, wettbewerbs- und handelspolitischen Herausforderungen. Ein Beitrag von Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie VDA. „Vom Ziel, Deutschland als Leitmarkt für Elektromobilität zu etablieren, sind wir noch weit entfernt.“ Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 20 POLITIK Technologieförderung Technologiewechsel im Automobilmarkt Warum haben es Elektroautos in Deutschland so schwer? Elektroautos, Alternative Antriebstechnologien, Klimapolitik, Tankstellennetz Elektroautos und weitere Alternativen sollen zukünftig konventionelle PKW ablösen. Das Ziel ist die Verringerung von CO 2 -Emissionen. Eine Hürde beim angestrebten Technologieübergang stellt der Bedarf an neuer Tankstelleninfrastruktur dar. Die damit einhergehenden Netzwerkeffekte liefern ein Argument, um alternative Antriebstechnologien zu fördern. Dabei darf jedoch die klimapolitische Zielsetzung nicht aus dem Blick geraten. Die Autorin: Antje-Mareike Dietrich I m Automobilmarkt herrscht Umbruchstimmung. Seit August 2009 gilt in Deutschland das öffentlichkeitswirksam kommunizierte Ziel der Bundesregierung, Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen. Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektroautos auf die Straßen gebracht werden. Damit hat die Bundesregierung die öffentliche Aufmerksamkeit auf den möglicherweise bevorstehenden Technologiewechsel im Automobilmarkt gelenkt. Konventionelle Verbrennungsmotoren sollen zukünftig durch Alternativen, wie z. B. batterie- oder wasserstoffbetriebene Elektromotoren, ersetzt werden. Der Einsatz alternativer Kraftstoffe, insbesondere Erdgas und Biokraftstoffe, wird ebenfalls diskutiert. Ein Technologiewechsel wird in Deutschland und der Europäischen Union (EU) vor allem durch klimapolitische Argumente motiviert. Das Ziel ist die Verringerung menschlicher Treibhausgasemissionen. In entwickelten Volkswirtschaften geht es dabei in erster Linie um die Einsparung von Kohlendioxid(CO 2 )-Emissionen, die durch Verbrennungsprozesse entstehen. Foto: Petra Bork/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 21 Technologieförderung POLITIK Der Verkehrssektor ist in Deutschland der drittgrößte CO 2 -Emittent, allein der PKW- Verkehr ist für etwa zehn Prozent der deutschen CO 2 -Emissionen verantwortlich. Laut „Weißbuch Verkehr“ der EU sollen die CO 2 - Emissionen des gesamten Verkehrs bis 2050 um etwa zwei Drittel reduziert werden. Aufgrund unterschiedlicher Einsparpotenziale sollen gemäß der „Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie“ der Bundesregierung PKW bis 2050 sogar nahezu emissionsfrei fahren, damit das Gesamtziel erreicht wird. Um die klimapolitischen Ziele einzuhalten, werden in wichtigen europäischen Absatzmärkten bereits politische Maßnahmen ergriffen. Frankreich fördert den Kauf emissionsarmer Fahrzeuge im Rahmen eines Bonus-/ Malussystems durch Kaufprämien. Der Kauf von Fahrzeugen mit hohen Emissionen wird durch staatliche Preisaufschläge bestraft. Die britische Regierung erstattet im Rahmen des „Plug-in Car Grant“ beim Kauf eines emissionsarmen Fahrzeugs 25 % des Kaufpreises. Auch außerhalb der EU gibt es politische Maßnahmen zur Förderung elektrischer Antriebe. Beim Kauf oder bei Umrüstung eines PKW auf Elektroantrieb erlässt die US-Regierung 2500 bis 7500 USD Steuern [1]. Die chinesische Zentralregierung zahlt in Pilotstädten des „1000 new-energy cars in 10 cities program“ beim Verkauf von (teil-) elektrisch betriebenen Fahrzeugen Herstellertransfers in Höhe von 6200 bis 7400- EUR. Industrie- und umweltpolitische Interessen sind in diesen Märkten ausschlaggebend. Die deutsche Bundesregierung beschränkt sich in erster Linie auf die Förderung von Forschung und Entwicklung und hat zu diesem Zweck den „Nationale Entwicklungsplan Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ sowie den „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ initiiert. Marktreife Elektroautos werden zusätzlich von der KFZ-Steuer befreit. Gasbetriebene Modelle werden durch reduzierte Energiesteuersätze ebenfalls gefördert. Aktuell fordert die „Nationale Plattform Elektromobilität“ in ihrem vierten Zwischenbericht zum wiederholten Male, die Förderung auszuweiten. Bisher wurden solche Forderungen von der Bundesregierung zurückgewiesen. Ihre Haltung begründet die Bundesregierung unter Anderem mit den Unsicherheiten in Bezug auf den einzuschlagenden Technologiepfad. Tatsächlich herrscht noch Unklarheit darüber, welche Technologie(n) die konventionell betriebenen Verbrennungsmotoren ablösen wird (werden). Technischer Entwicklungsbedarf besteht z. B. in Bezug auf geeignete Speicher für Elektroautos oder der nachhaltigen Produktion von CO 2 -neutralen Biokraftstoffen. Automobilkäufer sind zudem nicht bereit, hohe Preisaufschläge für alternativ betriebene PKW zu zahlen. Das gilt insbesondere dann, wenn kein passendes Tankstellennetz verfügbar ist. Für etablierte Automobilhersteller bedeuten neue Antriebssysteme außerdem eine Veränderung ihres bestehenden Geschäftsmodells mit anfangs sinkenden Gewinnmargen. Vor diesem Hintergrund lohnt sich die nähere Analyse des Automobilmarktes. An dieser Stelle werden zwei Besonderheiten hervorgehoben, die auch für den politischen Entscheidungsträger relevant sind. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Entwicklung des Automobilmarktes sogenannten Pfadabhängigkeiten unterliegt. Als das Auto um die vorletzte Jahrhundertwende Marktreife erlangte konkurrierten die Antriebsvarianten Dampfmaschine, Elektromotor und Verbrennungsmotor um den Markt. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Verbrennungsmotoren war die Entdeckung des Öls in Amerika. Seine massenhafte Förderung konnte den relativ kostengünstigen Betrieb der Autos sicherstellen. Außerdem war mit dem Öl ein Kraftstoff gefunden, der relativ gut zu transportieren war und eine verhältnismäßig lange Reichweite pro Tankfüllung sicherstellte. Nachdem der Kraftstoff zunächst in Apotheken und Drogerien verkauft wurde, etablierten sich in den 1920er Jahren in Deutschland Tankstellen mit Zapfsäulen und Tanks. Heute gibt es etwa 14 700 Tankstellen in Deutschland, die Benzin und Diesel anbieten (Bild 1) [2]. Das große Tankstellennetz verschafft konventionellen Autos einen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen Alternativen, die über kein vergleichbares Netz verfügen. Der Grund dafür sind sogenannte Netzwerkeffekte. Automobilkäufer entscheiden sich z.B. erst dann für ein Elektroauto, wenn es genug öffentliche Ladestationen gibt, die den Betrieb gewährleisten. Der Aufbau einer passenden Infrastruktur lohnt sich jedoch nur, wenn genug elektrisch betriebene Autos vorhanden sind. Weisen Elektroautos keine weiteren Vorteile auf, die zu einer deutlichen Verbesserung der individuellen Mobilität führen, sind sie mit den konventionellen PKW nicht konkurrenzfähig. Von allein kommt es zu keinem Technologiewechsel im Automobilmarkt, dies bestätigen die Zahlen der PKW-Neuzulassungen des Kraftfahrtbundesamtes. Im Jahr 2014 lag der Anteil der Benzin- und Diesel-PKW unter 2 %. Neben den höheren Anschaffungskosten geben potenzielle Nutzer als wesentlichen Grund für ihre Kaufzurückhaltung, etwa in Bezug auf batteriebetriebene Autos, den Mangel an Ladeinfrastruktur an [3]. Unter Berücksichtigung des Bedarfs an Tankstellen wäre der Technologiewechsel beim Automobilantrieb aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten also erst dann sinnvoll, sobald von der neuen Technologie eine wesentliche technische Verbesserung ausgeht. Aktuell wird der Vorteil von Elektroautos und anderen Alternativen insbesondere in der Vermeidung von CO 2 -Emissionen gesehen. Weitere Vorteile, etwa in Bezug auf die Verbesserung der individuellen Mobilität, zeichnen sich hingegen nicht ab. Geringere Reichweiten pro Tankfüllung oder längere Ladezeiten werden im direkten Vergleich zu konventionellen Autors sogar als Verschlechterung wahrgenommen. Die Mehrheit der Autofahrer berücksichtigt bei ihrer Kaufentscheidung jedoch nicht oder nicht ausreichend die Auswirkungen ihrer Automobilnutzung auf das Klima. Man spricht in diesem Zusammenhang von externen Effekten, da die Kosten des Autofahrens nicht vollständig vom Nutzer sondern zum Teil von der Gemeinschaft getragen werden. Im Fall der CO 2 -Emissionen entstehen die Kosten des Klimawandels sogar global. 14.700 6.500 920 15 2.800 Benzin/ Diesel Flüssiggas Erdgas Wasserstoff Strom Bild 1: Tankstellen in Deutschland nach Kraftstoffart POLITIK Technologieförderung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 22 Volkswirtschaftlich ist die Vermeidung von CO 2 -Emissionen dann effizient, wenn sie weniger Kosten verursacht als die Emissionen selbst. Vor diesem Hintergrund stellen Investitionen in zusätzliche Tankstelleninfrastruktur auch aus Effizienzgesichtspunkten ein Hemmnis beim Technologieübergang dar. Alternativen, die mit dem bestehenden Tankstellennetz kompatibel sind, wären demnach vorzuziehen. Flüssige Biokraftstoffe erscheinen deswegen attraktiver als Strom oder Wasserstoff, die entweder eine E-Ladesäule pro Auto oder ein neues Drucktanksystem erfordern. Tatsächlich spielten in der EU bisher flüssige Biokraftstoffe die entscheidende Rolle zur kurzfristigen Senkung der CO 2 -Emissionen im Verkehr. Aktuell werden konventionellem Benzin 10 % und konventionellem Diesel 7 % Biokraftstoffe beigemischt [2]. Insbesondere der Elektromobilität wird großes Potenzial zugeschrieben, gänzlich CO 2 -frei Auto zu fahren. Die Realität zeichnet aktuell noch ein anderes Bild. Im Jahr 2012 lag der CO 2 -Ausstoß des deutschen Strommixes bei 601 g pro Kilowattstunde (kWh) [4]. Ein Mittelklasse-Elektroauto benötigt 22 kWh, um 100 km zu fahren. Legt man den Strommix des Jahres 2012 zu Grunde, wurden somit auf der Strecke 13,2- kg CO 2 -Emissionen emittiert. Im selben Jahr lagen die durchschnittlichen CO 2 - Emissionen neuer konventioneller Antriebe bei 14,1 kg pro 100 km [5]. Solange sich die CO 2 -Emissionen der deutschen Stromproduktion nicht verringern, fallen die Einsparungen durch die massenhafte Nutzung von Elektroautos relativ gering aus, wie in Bild 2 gegenübergestellt. Das Gleiche gilt für die Produktion von Biokraftstoffen und Biogas. Die derzeit beigemischten Biokraftstoffe sollen laut Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung zwar mindestens 35 % Treibhausgasemissionen einsparen. Einige Untersuchungen kommen jedoch zu dem Schluss, dass ihre Produktion sogar mehr Treibhausgase verursacht als die konventioneller Kraftstoffe. Außerdem sind sie aufgrund ihres hohen Bedarfs an Anbaufläche umstritten, der in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung steht. Für konventionell gefördertes Erdgas liegt das Einsparpotenzial gegenüber konventionellem Benzin bei 20 %, gegenüber konventionellem Diesel bei 14 % [6]. Die langfristigen Klimaziele lassen sich damit nicht erreichen. Diese Zahlen machen deutlich, dass die Umrüstung des Automobilsektors auf alternative Antriebstechnologien als Teil einer Transformation der gesamten Energieversorgung verstanden werden muss. Deswegen sollten weitere Anstrengungen zum Ausbau der CO 2 -neutralen Energiegewinnung unternommen werden. In diesem Zusammenhang müssen für die Stromproduzenten eindeutige Anreize zur Nutzung erneuerbarer Energieträger bestehen. Ein stark schwankender bzw. dauerhaft niedriger CO 2 -Preis schafft hingegen kein klares Signal. Die Reform des europäischen Emissionshandels ist deswegen notwendig. Für die Produktion von Biokraftstoffen und Biogas geht es um die Erforschung, Entwicklung und Erprobung von CO 2 -neutralen Produktionsverfahren. Biokraftstoffe der zweiten Generation, wie etwa „Biomass-to- Liquid“, emittieren schätzungsweise 85 bis 90 % weniger CO 2 als konventionelle Kraftstoffe [6]. Synthetisches Erdgas könnte mittels „Power-to-Gas“-Technologie sogar gänzlich CO 2 -neutral produziert werden. Bei diesen Alternativen bestehen noch eine Reihe offener Fragen zur Verfahrenstechnik und zu anderen Aspekten, wie z.B. der Emission von Luftschadstoffen. Die Beantwortung dieser Fragen ist ebenfalls von gesellschaftlichem Interesse. Aufgrund des derzeit geringen Beitrags der diskutierten Kraftstoffalternativen zur Erreichung der deutschen Klimaziele erscheint die Zurückhaltung der Bundesregierung mit Maßnahmen zur direkten Absatzförderung von alternativ betriebenen PKW sinnvoll. Langfristig scheint an einer Förderung jedoch kein Weg vorbei zu führen, solange von Elektrofahrzeugen keine weiteren Vorteile zu erwarten sind. Voraussetzung für die Förderpolitik muss aber immer die deutliche Verringerung der CO 2 - Emissionen sein. Einen besonderen Förderbedarf haben dabei die Alternativen, die von der vorhandenen Tankstelleninfrastruktur nicht bedient werden können. Hierzu zählen strom- oder wasserstoffbetriebene Elektroautos aber auch Erdgasautos. Wie in Bild- 1 dargestellt, existieren bisher etwa 3000 Stromladestellen [7] und 15 Wasserstofftankstellen zu Forschungszwecken, dazu rund 900 Erdgastankstellen [2]. Die oben beschriebenen Netzwerkeffekte erschweren es diesen Alternativen, konventionelle PKW aus eigener Kraft abzulösen. Deswegen sollten die Auswirkungen weitergehender Fördermaßnahmen, wie z.B. Kaufprämien, Besteuerung bzw. Verbot konventioneller Autos oder die Bezuschussung von Investitionen in Tankstelleninfrastruktur, diskutiert werden. ■ QueLLeN [1] US Department of Energy (2014): Fuel Cell Motor Vehicle Tax Credit. www.afdc.energy.gov/ laws/ law/ US/ 350 (abgerufen am 23.01.2015) [2] Kalinowska, D., Kräher, M., Rumpke, Ch. A. (2012): Verkehr. Energie. Klima. Alles Wichtige auf einen Blick. Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) und Total Deutschland GmbH [3] Achtnicht, M., Bühler G., Hermeling C. (2012): “The impact of fuel availability on demand for alternative-fuel vehicles”. In: Transportation Research Part D 17.3, S. 262-269 [4] Icha, P. (2013): Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2012. Umweltbundesamt. [5] Jato Consult (2013): Europe continues to clean up act as car CO 2 targets loom, with Fiat retaining the overall European crown; 5th March 2013; http: / / ww11.jato.com/ PressReleases/ Europe%20continues%20to%20clean%20up%20act%20as%20car%20CO2%20targets%20loom,%20with%20Fiat%20retaining%20the%20overall%20European%20crown.pdf (abgerufen am 23.01.2015) [6] Voßwinkel, J. S., Nader N., Block J. (2012): Kraftstoffe der Zukunft, Durchsetzung alternativer Antriebssysteme im Wettbewerb. Centrum für Europäische Politik [7] Nationale Plattform Elektromobilität (2012): Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht aufbauen. Nationale Plattform Elektromobilität AG 3 - Ladeinfrastruktur und Netzintegration Antje-Mareike dietrich, Dipl.-Vw. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig, Braunschweig a-m.dietrich@tu-braunschweig.de Elektroauto (Mittelklasse) 13,2 kg/ 100 km Konventionelles Auto (Durchschnitt) 14,1 kg/ 100 km Bild 2: CO 2 -Emissionen deutscher PKW im Jahr 2012 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 23 K aum im Amt, präsentierte die EU- Kommission im vergangenen Herbst ihr Meisterstück: den „Investitionsplan für Europa“. Das Vorhaben, nach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch kurz Juncker-Plan genannt, will in einer Art Finanz-Zauberei mit geringem Einsatz öffentlicher Mittel 315 Mrd. EUR an privatem Kapital mobilisieren. Das Geld der Anleger soll in überfällige Investitionen für den Ausbau der Breitband-, Energie- und auch der Transportnetze fließen. Ausbau und Modernisierung dieser Netzwerke werden indirekt für Beschäftigung und damit für den sehnlichst erwarteten Aufschwung in der EU sorgen. Schon auf den ersten Blick ist der Juncker- Plan bemerkenswert: Die EU setzt zum ersten Mal seit langem nicht auf Haushaltssanierung und Sparen, um die Voraussetzungen für eine stärkere wirtschaftliche Dynamik zu schaffen. Sie will Geld in die Hand nehmen und ausgeben. Von Haushaltsdisziplin ist nicht mehr viel die Rede. Im Gegenteil sollen Mitgliedstaaten, die mit Mitteln aus ihren Etats zum Juncker-Plan beitragen wollen, ihre Geldspritze nicht auf ihr Budgetdefizit anrechnen müssen. Ein Fonds für strategische Investitionen (Efsi), der bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtet wird, ist Kernstück des Plans. In diesen Topf bringt die EU Garantien in Höhe von 16-Mrd. EUR ein. Die EIB, ihre „Hausbank“, schießt 5 Mrd. EUR zu. Mit diesem Einsatz von öffentlichem Geld in Höhe von 21 Mrd.-EUR als Garantiesumme will die Union das Risiko von privaten Investitionen mindern. Zu Beginn des Jahres hat die EU-Kommission einen Gesetzentwurf für den Efsi vorgelegt und den Fonds flugs als Wunderwerk gepriesen. Er werde „Investitionen in jenen Ländern und Wirtschaftszweigen anschieben, in denen Arbeitsplätze und Wachstum am dringendsten benötigt werden“. Von der EU-Garantie in Höhe von 16 Mrd. EUR liegt nur die Hälfte konkret auf dem Tisch. Und auch diese 8 Mrd. EUR sind kein „frisches Geld“. Denn der Juncker-Plan greift auf vorhandene EU- Mittel zurück. 2,7 Mrd. EUR stammen aus dem für den Verkehr vorgesehenen Teil der Connecting Europe Facility (CEF). Für EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc ist das kein Problem. Sie lässt keine Gelegenheit verstreichen, die enormen Chancen des Juncker-Plans gerade für die Verkehrsinfrastruktur zu betonen. Das ist im Europäischen Parlament (EP) anders. Dort blicken viele Abgeordnete eher skeptisch auf die Finanz-Alchemie von Kommission und EIB. Die Transportpolitiker unter ihnen müssen feststellen, dass aus dem gut 26 Mrd. EUR schweren CEF-Verkehrsteil mehr als 5 Mrd. EUR in den Efsi fließen sollen. Denn die vorgesehenen 2,7 Mrd. EUR werden - zusätzlich zu den ohnehin für neue Finanzinstrumente und damit einer Zielsetzung wie im Juncker-Plan vorgesehenen rund 2,6 Mrd. EUR - aus der CEF abgezogen. Hinzu kommt: 10 Mrd. EUR der CEF-Mittel für Verkehr kommen aus dem EU-Kohäsionsfonds. Das bedeutet, dieser Betrag darf nur den mittel- und osteuropäischen EU-(Kohäsions-) Staaten zur Verfügung gestellt werden. Das reduziert den Betrag für alle Länder auf rund 16- Mrd. EUR. Davon geht mit 5 Mrd. fast ein Drittel in den Juncker-Plan. Das hat Konsequenzen: Die Mittel verlieren ihre streng definierte Zweckbindung, auf die die Planer der Transeuropäischen Verkehrsnetze und ihres Finanzierungsinstruments CEF so stolz waren. Stichworte: Lückenschluss an den Grenzen, Infrastrukturprojekte mit europäischem Mehrwert, mehr in Bahn und Binnenschifffahrt als in die Straße. Die Abgeordneten befürchten zu Recht, dass die im Efsi-Gesetzentwurf vorgesehenen Instanzen - ein Lenkungsrat und ein Investitionsausschuss -, die über die Verwendung der Fonds-Mittel bestimmen sollen, das Geld auch anders einsetzen werden. Es könnte in alle möglichen Vorhaben fließen, auch Energie- und Breitband- Projekte. Und wenn es im Verkehr eingesetzt würde, käme es möglicherweise eher dem Autobahnals dem Eisenbahn-Ausbau zugute. Denn bei all jenen, die sich mit Privatinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur beschäftigen, ist es kein Geheimnis, dass Anleger im Autoverkehr eher ein profitables Geschäftsmodell ausmachen können als im Bahnbetrieb. Es dürfte die Skepsis der Transportpolitiker im EP noch vergrößern, dass die Pressemitteilung der EU-Kommission über den Efsi gar keine Verkehrsprojekte mehr erwähnt, sondern nur noch von der Förderung „strategischer Investitionen, zum Beispiel in Breitband- und Energienetze“ sowie für „kleinere Unternehmen“ spricht. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Brüsseler Finanz-Zauberei POLITIK Biokraftstoff Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 24 Alternative Flugkraftstoffe - Chancen und Herausforderungen Alternativer Kraftstoff, Luftverkehr, Emissionen, Nachhaltigkeit, Klimaschutz Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind zentrale Themen des Luftverkehrs. Eine bedeutende Rolle spielen dabei alternative Flugkraftstoffe, die im Vergleich zu fossilem Kerosin eine wesentlich günstigere CO 2 - Bilanz aufweisen. Technische Fortschritte erlauben deren Einsatz schon heute. Es mangelt jedoch noch immer an geeigneten Bioraffinerien, die nur mit den richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden können. Hierzu bedarf es entsprechender staatlicher Investitionsförderung und Nutzungsanreize in Deutschland sowie eines international harmonisierten und wettbewerbsneutralen Finanzierungssystems. Die Autoren: Michael Engel, Lukas Rohleder D er stetig wachsende internationale Luftverkehr ist zum Sinnbild der Globalisierung geworden. Er verbindet Menschen, ermöglicht Handel und schafft Wohlstand. Bei einer prognostizierten Zunahme der geflogenen Passagierkilometer von 4-5 % p. a. wird sich die Verkehrsleistung in den nächsten 15 Jahren verdoppeln. Schon heute sind zu jeder Tageszeit 6000-8000 Passagierflugzeuge und damit ca. eine Million Fluggäste unterwegs. Dieses Wachstum führt nicht nur zu Kapazitätsengpässen am Boden und in der Luft, es wirft auch Fragen auf, wie der Kraftstoffbedarf langfristig gedeckt und die Umweltwirkungen steigender Treibhausgasemissionen reduziert werden können. Die Luftverkehrswirtschaft hat sich daher bereits 2008 auf eine Vier-Säulen-Strategie geeinigt, mit der die Emissionen vom Verkehrswachstum entkoppelt und der Bedarf an Kerosin nachhaltig bereitgestellt werden soll. Alternative Flugkraftstoffe haben dabei eine Schlüsselfunktion und erfahren seither eine äußerst dynamische Entwicklung. Unterlegt ist die Vier-Säulen- Strategie mit ehrgeizigen Zielmarken. Zwischen 2009 und 2020 soll die Kraftstoffeffizienz um 1,5 % p.a. steigen, was seither erfüllt wird. Zusätzlich wird ab 2020 ein CO 2 -neutrales Verkehrswachstum angestrebt, während bis 2050 die CO 2 -Emissionen gegenüber dem Wert von 2005 halbiert werden sollen (Bild 1). Herkömmliche Maßnahmen, wie inkrementelle technische Verbesserungen am Flugzeug und optimierte Flugverfahren, reichen hierfür nicht aus. Dies begründet die Sonderstellung alternativer Flugkraftstoffe, die, über ihren Lebenszyklus betrachtet, bis zu 80 % weniger CO 2 -Emissionen erzeugen. Vielfältige Technologien - verfügbar und einsatzfähig Im Straßenverkehr sind alternative Kraftstoffe heute etabliert und durch Quotenregeln fixiert. Während Bioethanol und Biodiesel technisch leicht herstellbar sind, aufgrund Ihrer chemischen Zusammensetzung herkömmlichen Motoren aber nur in geringem Umfang beigemischt werden können, sind die Voraussetzungen beim Einsatz alternativer Flugkraftstoffe, wie z. B. Biokerosin, andere. Das biogene Substitut muss dem fossilen Kraftstoff nahezu identisch sein, was komplexere Herstellungsverfahren erfordert, jedoch auch weit höhere Beimischungen ermöglicht. Dank des aktiven Engagements einer Vielzahl von Fluggesellschaften stehen inzwischen drei (Bio-)Raffinerietechnologien für die Herstellung von alternativen Flugkraftstoffen zur Verfügung. Weitere Verfahren werden in Kürze folgen und es so ermöglichen, dass angmessene lokale Lösungen für das globale Klimaproblem gefunden werden. Die Entwicklung synthetischen Kerosins begann in den 1980er Jahren mit der südafrikanischen Firma Sasol, die eine Sondererlaubnis zur Produktion auf Kohlebasis erhielt. Nicht Nachhaltigkeitserwägungen, sondern die Unabhängigkeit von Importen waren damals leitend. Die Suche nach klimafreundlichen Kraftstoffen führte 2009 zu einer allgemeinen Zulassung der sogenannten Fischer-Tropsch-Kraftstoffe (FT-SPK, Bild 2) durch die für Prüfung und Zulassung zuständige Standardisierungsorganisation ASTM. Der Vorteil des Fischer-Tropsch- Prozesses ist die große Variabilität der verwendbaren Einsatzstoffe. Jeder energierei- Bild 1: Bedeutung der Biokraftstoffe zur Reduzierung der CO 2 -Emissionen Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 25 Biokraftstoff POLITIK che Rohstoff ist grundsätzlich geeignet, neben Kohle und Erdgas auch Biogas, Holz, landwirtschaftliche Abfälle oder Haushaltsmüll. Die Einsatzstoffe werden dabei zunächst in gasförmigen Zustand versetzt und dann zu Flüssigkraftstoffen synthetisiert. Außer Sasol produziert bisher nur der niederländisch-britische Mineralölkonzern Shell FT-Kraftstoffe in großem Umfang. In Katar werden von Shell täglich 120 000 Barrel auf Erdgasbasis (GtL) erzeugt und primär im Straßenverkehr als Premiumkraftstoff vermarktet. Der geringe Absatz von FT-Kerosin aus Katar ist auch dadurch bedingt, dass der Kraftstoff aufgrund seines fossilen Ursprungs nicht zur Senkung der CO 2 -Emissionen beiträgt. Die weltweit erste FT-Anlage zur Nutzung von fester Biomasse (BtL), also z. B. Waldrestholz und Altholz, wurde von Choren im sächsischen Freiberg errichtet. Anhaltende technische Probleme führten allerdings 2011 zur Insolvenz des Unternehmens. Die BtL-Technologie wird hierzulande derzeit nur am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) weiterentwickelt, wo im November 2014 eine Pilotanlage erfolgreich in Betrieb ging. Eine kommerzielle Anwendung steht allerdings noch aus. Weltweit bevorzugen die Fluggesellschaften im Hinblick auf FT-Technologie aktuell Haushaltsmüll als Eingangsstoff. British Airways entwickelt im Themse-Delta auf dem Gelände einer stillgelegten Raffinerie für 500 Mio. Pfund eine Anlage, die einen Teil des Londoner Mülls zu jährlich 50 000 t Kerosin verarbeitet. Cathay Pacific aus Hongkong geht noch weiter und hat sich direkt an Fulcrum BioEnergy beteiligt, die ebenfalls Haushaltsmüll verarbeiten. Ein langfristiger Liefervertrag stellt sicher, dass die Airline über 10 Jahre 2 % ihres Kraftstoffbedarfs nachhaltig decken können wird. Kostengünstiger und daher näher an der Marktreife ist HEFA-Kerosin (Hydrotreated Esters and Fatty Acids, Bild 3), die zweite, 2011 zugelassene Bioraffinerietechnologie. Die finnische Neste Oil betreibt weltweit Raffinerien mit einer Gesamtjahreskapazität von 2 Mio. t, die potentiell auch Biokerosin herstellen können. So hat z. B. die Lufthansa den Kraftstoff für ihr Erprobungsprogramm BurnFAIR [1] 2011 von Neste Oil erhalten (Bild 4). Auch für HEFA- Kraftstoffe ist die Rohstoffbasis sehr breit: pflanzliche Öle aus Anbaubiomasse, aber auch Alt- und Reststoffe wie tierische Fette, Pflanzenölreste und Altspeiseöl. Schon heute nutzt Neste Oil mehr als 60 % Alt- und Reststoffe und beabsichtigt, bis 2017 gänzlich auf Anbaubiomasse zu verzichten. Damit kommt das Unternehmen auch einer Forderung von EU-Kommission und Bun- Bild 2: Schema der FT-Herstellung Bild 3: Schema der HEFA-Herstellung Bild 4: Betankung eines Lufthansa Airbus A321 mit nachhaltigem Flugkraftstoff im Rahmen des BurnFAIR-Projekts Foto: Deutsche Lufthansa AG POLITIK Biokraftstoff Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 26 desregierung nach, die so mögliche Landnutzungskonkurrenzen verhindern wollen. HEFA-Kerosin wird heute bereits in geringen Mengen von KLM auf Flügen in die Karibik genutzt. United Airlines beginnt noch in diesem Jahr Flüge mit einem Biokerosinanteil am Flughafen Los Angeles. In beiden Fällen wird hauptsächlich Altspeisefett als Rohstoff genutzt. Im Juni 2014 erhielt schließlich auch ein zuckerbasierter Kraftstoff, das sogenannte Farnesan, die ASTM-Zulassung als Kerosinkomponente. Das französische Mineralölunternehmen Total entwickelte den Prozess gemeinsam mit der amerikanischen Amyris und errichtete im brasilianischen Brotas eine kommerzielle Anlage. Mittelfristig kann auch hier anstelle des Rohrzuckers ein Reststoff, der Zellstoff aus den Pflanzenresten des Zuckerrohrs, verwendet werden. Nach erfolgreichen kommerziellen Flügen von Gol und Lufthansa setzt Air France Farnesan seit September 2014 wöchentlich auf einem Flug von Toulouse nach Paris ein. Das Projekt „Lab‘line for the future“ untersucht ein Jahr lang verschiedene Aspekte des ökologischen Fliegens. Mit den drei beschriebenen Technologien ist längst nicht das Ende der Entwicklung erreicht. CAAFI, die amerikanische Luftfahrtinitiative für alternative Kraftstoffe, erwartet, dass zukünftig alle sechs Monate ein weiteres Verfahren das Plazet der ASTM erhält. Zu den Kandidaten gehören Alcoholto-Jet (AtJ, Bild 5), also die Weiterverarbeitung von Ethanol oder anderen Alkoholen zu Kerosin, sowie Green Diesel, die Beimischung von HEFA-Diesel als Kerosinkomponente. Beide Verfahren könnten bereits 2016 verfügbar sein. Festzuhalten ist, dass bereits heute die technischen Voraussetzungen für eine Markteinführung gegeben sind. Markteinführung: Best Practice USA - Vorbild für deutschland? Ist ein Prozess erprobt und zugelassen, beginnt die teils langwierige Arbeit der kommerziellen Entwicklung. Schwerpunkte sind dabei jeweils, eine stetige, nachhaltige und kostengünstige Rohstoffversorgung sicherzustellen und Investoren für großindustrielle Bioraffinerien zu finden. aireg, die deutsche Luftfahrtinitiative für alternative Kraftstoffe, wurde 2011 gegründet, um ein wertschöpfungskettenübergreifendes Expertennetzwerk zu bilden uns so die Markteinführung in Deutschland zu beschleunigen. Dank der oben dargestellten Vielzahl an möglichen Rohstoffen, stellt die Versorgung eine wesentliche, aber keine unüberwindbare Herausforderung dar (Bilder 6 und-7). Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO hebt denn auch hervor, dass Vor- und Nachteile der Bioenergieproduktion nur am konkreten Beispiel bewertet und nicht verallgemeinert werden können [2]. Dieser Empfehlung folgend, arbeiten die Mitglieder von aireg auf Projektbasis daran, unterschiedliche Rohstoffe an verschiedenen Standorten auf Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit zu untersuchen. Hier konnten insbesondere bei der Entwicklung von Algen und der Jatrophanuss Fortschritte erzielt werden. Schwieriger jedoch stellt sich der nächste Schritt, die Raffinerieentwicklung dar. Bild 5: Schema der AtJ-Herstellung Bild 6: AUFWIND-Projekt zur Optimierung der Algenölproduktion für die Biokerosingewinnung Foto: Forschungszentrum Jülich AuF eINeN bLICK: AIReg Unternehmen und Organisationen aus Industrie, Forschung und Wissenschaft haben sich in aireg, der deutschen Luftfahrtinitiative für alternative Kraftstoffe, zusammengeschlossen. aireg hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung und Nutzung regenerativer Flüssigkraftstoffe voranzutreiben und damit die Erreichung der ambitionierten CO 2 -Minderungsziele des Luftverkehrs zu unterstützen. Bis 2025 sollen 10 % des deutschen Kerosinbedarfs durch nachhaltige, alternative Flugkraftstoffe ersetzt werden. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 27 Biokraftstoff POLITIK Bei Investitionssummen von mehreren hundert Mio. EUR sind die politischen Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Die USA sind heute mit deutlichem Abstand Technologieführer, da die dortige Regierung ein langfristiges Förderinstrumentarium für Kraftstoffe der nächsten Generation geschaffen hat. Durch staatliche Investitionszuschüsse in Raffinerien, ein an die Inverkehrbringung gekoppeltes Bonussystem sowie Abnahmeverträge des Militärs besteht in den USA langfristige Planungssicherheit für Investoren. Trotz des aktuell niedrigen Rohölpreises und steigender inländischer Rohölversorgung in den USA begünstigt das Ziel der Energieunabhängigkeit weiterhin Forschung, Entwicklung und Markteinführung alternativer Kraftstoffe. Die steigende Zahl an Absatzverträgen zwischen Fluggesellschaften und Biokraftstoffherstellen ist Ausdruck des Erfolgs dieser staatlich gesetzten Marktanreizmechanismen. Die Situation in Deutschland unterscheidet sich hiervon noch deutlich. Während der Einführung von Biokraftstoffen im Straßenverkehr vor ca. zehn Jahren war es die Absicht, Zusatzerlöse für europäische Bauern zu schaffen. Heute würde z.B. das Bundesumweltministerium am liebsten ganz auf die Nutzung von Anbaubiomasse verzichten, um vermutete, aber bisher nicht belegbare negative Verdrängungseffekte im außereuropäischen Ausland zu verhindern. Auch die EU-Kommission wird voraussichtlich für die Zeit ab 2020 von einer Quotenregelung für den Straßenverkehr absehen. Diese unsteten politischen Vorgaben hemmen die dringend benötigten Investitionen in fortschrittliche Bioraffinerien. Da der Luftverkehr aber zwingend auf Flüssigkraftstoffe angewiesen ist, wird er ohne entsprechende Kapazitäten nicht in der Lage sein, zur Energiewende im Verkehr beizutragen. Ein erster Schritt: die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung In der 2013 verabschiedeten Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie bekennt sich die Bundesregierung im Grundsatz zur weiteren Erforschung alternativer Flugkraftstoffe und fordert, mit einem 10 000-t-Biokerosin-Programm in die Kommerzialisierung einzusteigen [3]. Dies ist der richtige Weg, wenn man den Luftverkehr in die Lage versetzen will, Eigenbeiträge zum Klimaschutz zu leisten. Dieser Ankündigung müssen jetzt auch Taten folgen. So könnten z. B. stillgelegte Raffinerien als fortschrittliche Bioraffinerien ertüchtigt werden und so, neben den ökologischen Vorteilen, auch positive Beschäftigungswirkungen erzielen. Eine einmalige Chance auf internationaler Ebene voranzukommen bietet das oben beschriebene, von Staaten und Industrie gleichermaßen verfolgte Ziel, das Wachstum des Luftverkehrs ab 2020 CO 2 -neutral zu gestalten. Die UN-Organisation für den zivilen Luftverkehr ICAO will hierfür ein Offsetsystem etablieren, das bereits 2016 beschlossen werden soll. Fluggesellschaften müssten danach Zertifikate erwerben, wenn ihre Emissionen ansteigen. Entscheidend wird dabei sein, welche Anforderungen an die Qualität der Zertifikate gestellt wird. Es kann nicht genügen, Emissionsminderungen anderer Wirtschaftszweige einzukaufen. Vielmehr muss zumindest ein Teil der Zertifikate Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr direkt finanzieren. Bioenergie- und Bioraffinerieprojekte wären ideale Anlageziele für messbare Emissionsminderungen. Ein solches System, das extrasektorale und intrasektorale Maßnahmen verknüpft, könnte unterschiedliche CO 2 -Minderungskosten abfedern und wettbewerbsneutral verteilen. Wenn dies gelänge, wäre ein System geschaffen, das als Vorbild für die Energiewende im Verkehr insgesamt dienen kann. ■ LITeRATuR [1] Link zum Abschlussbericht des BurnFAIR-Projektes: http: / / www. aireg.de/ images/ downloads/ Abschlussbericht_BurnFAIR.pdf [2] Link zur aireg-Broschüre „Nachhaltigkeit alternativer Flugkraftstoffe“ 11/ 2014: http: / / www.aireg.de/ images/ downloads/ Broschuere- Nachhaltigkeit_aireg.pdf [3] Link zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung 06/ 2013: http: / / www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ UI-MKS/ mks-strategie-final.pdf? __blob=publicationFile Michael Engel, Dr. Mitglied des Vorstands von aireg e.V. sowie Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF), Berlin m.engel@bdf.aero Lukas Rohleder Vorstandsreferent von aireg e.V., zuständig für Politische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Berlin lukas.rohleder@aireg.de Bild 7: Jatrophaplantage auf Madagaskar Foto: JatroSolutions GmbH Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 28 INFRASTRUKTUR Standpunkt BER - und was daraus zu-lernen ist D ie Geschichte der Realisierung des neuen Hauptstadtflughafens BER ist national und international seit Jahren geprägt durch das Attribut „Pannenflughafen“. In seiner aktuellen Version sollte er ursprünglich im Jahr 2008 eröffnet werden, als nächste Termine waren November 2011, Juni 2012, März 2013, Oktober 2013, Herbst 2015 etc. genannt worden [1]. Nunmehr ist von einem „Terminband“ in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 die Rede; auch das ist allerdings alles andere als gesichert. Die Kosten sind von ursprünglich zugrunde gelegten rund 2 Mrd. EUR auf mindestens 5,4 Mrd. EUR gestiegen. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass deutsche Unternehmen und Fachleute weltweit (vielfach federführend) an der erfolgreichen kosten- und zeittreuen Fertigstellung vergleichbarer Projekte beteiligt waren und sind, ist es geboten, Eckpunkte des „Debakels“ [2] unter die Lupe zu nehmen und daraus ggf. Lehren zu ziehen. Ausgewählte Eckpunkte Standortentscheidung Unmittelbar nach der „Wende“, im Jahr 1990, fällt im Einvernehmen zwischen dem Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg die Entscheidung zum Bau eines neuen Großflughafens für die Metropolregion. Es werden acht Standorte auf ihre „Tauglichkeit hin getestet“. Im Juni 1993 werden die Raumordnungsverfahren für die Standorte „Jüterbog Ost“ und „Sperenberg“ im Süden des Ballungsraumes (deutlich räumlich davon angesetzt in dünn besiedelten Regionen) sowie „Schönefeld“ (im engeren, relativ dicht besiedelten Rand der Metropolregion) eröffnet. Der Bund bevorzugt den Standort des alten Zentralflughafens der DDR in Schönefeld. Im Juni 1996 kommt es zu einem „Konsensbeschluss“ mit den beteiligten Ländern zu Gunsten des betreffenden Standortes [2]. Dafür sprechen in erster Linie die bereits disponierten Flächen, die vorhandene Infrastruktur sowie die guten Bedingungen der verkehrlichen Anbindung an das Ballungszentrum. Dagegen sprechen insbesondere Aspekte des Lärmschutzes und der ökologischen Auswirkungen auf Schutzgebiete; sie werden später ausschlaggebend für beträchtliche Verzögerungen (Einsprüche Betroffener und von Verbänden) und Kostensteigerungen (Lärmschutzmaßnahmen) sein. Die Verbindung der Standortentscheidung mit der Entscheidung, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung in Schönefeld die anderen Verkehrsflughäfen in der Region (Tempelhof, Tegel) aufgelassen werden, steht in doppeltem Widerspruch zur Behandlung des Themas in vergleichbaren Regionen weltweit. Danach werden neue Großflughäfen in der Regel aus Gründen des Umweltschutzes und der Spielräume für spätere Erweiterungen räumlich deutlich von den Haupt-Siedlungsgebieten abgesetzt (z. B. München, Paris, Oslo,- Stockholm, Washington) und die alten „Hauptflughäfen“ als Ergänzung (Kurzstreckenverkehre) und Ausweichreserven im Rahmen von Flughafensystemen in reduziertem Umfang weiter betrieben [3]. Regie von Realisierung und Betrieb Im originären Planungsverfahren war vorgesehen, dass der Flughafen von Privaten gebaut und betrieben wird. Das Interesse der Wirtschaft daran war groß. Den Zuschlag erhielt in 1999 ein Konsortium um den Baukonzern Hochtief. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Eröffnung im Jahr 2008 vorgesehen. Das Konzept scheiterte schließlich im Jahr 2003, weil das ausgewählte Konsortium angeblich nicht bereit sei, finanzielle Risiken zu tragen. Die Gesellschafter (Bund, Berlin, Brandenburg) entscheiden, das Projekt in öffentlicher Regie weiter zu verfolgen [1]. Im Lichte der nachfolgenden Ereignisse waren die Privaten offenkundig gut beraten, die geforderte Risikoverteilung nicht zu akzeptieren. Tatsächlich gehört die adäquate Risiko-Allokation zu den entscheidenden Faktoren einer erfolgreichen „Öffentlich Privaten Partnerschaft“ (ÖPP/ PPP) bei Großprojekten. Dafür gibt es seit Jahrzehnten in großer Zahl gute Beispiele aus weltweiter Praxis. Im Gegensatz zu vergleichbaren Ländern ist die Position von Politik und öffentlicher Hand gegenüber der Beschaffungsform PPP in Deutschland nach wie vor durch Misstrauen bis Abneigung geprägt - genährt durch regelmäßige Gutachten von Rechnungshöfen zu Verkehrsinfrastrukturprojekten, in denen allerdings in der Regel zu Lasten der Privaten „Äpfel mit Birnen verglichen“ werden [4]. Mit der Regie eines Projektes der betreffenden Art und Dimension sind Politiker und Verwaltung in aller Regel überfordert. Ausschlag gebend für den Erfolg ist die Beteiligung von personell und fachlich hochrangigem externem Sachverstand in den Aufsichtsgremien; das ist im Falle BER bis heute nicht gegeben. Personalentscheidungen Zum Credo erfahrener Entwickler großer Infrastrukturprojekte gehört die Überzeugung: Es gibt keine technischen Probleme, es gibt nur Management-Probleme. Das gilt in diesem Fall nicht zuletzt auch für die „Entrauchungsanlage“, die häufig als Hauptgrund für Verzögerungen und Kostensteigerungen geltend gemacht wird. An der Spitze der für die Realisierung eines Projektes der betreffenden Art, Größenordnung und Komplexität verantwortlichen Organisationseinheit müssen mit vergleichbaren Aufgaben vertraute und darin nachweislich bewährte Fachleute und Manager stehen. Nur dann ist eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit gewährleistet. Relevante Projekt-Erfahrungen des in 2006 als Sprecher der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft eingesetzten Prof. Dr. Rainer Schwarz sind nicht bekannt. Ende 2010 wurde sein Vertrag bis Ende 2016 verlängert, obschon bereits „zahlreiche Hinweise zu Problemen“ vorlagen [5], die eher eine Zurückhaltung in dieser Angelegenheit nahe gelegt hätten; das gilt zumal vor dem Hintergrund der Praxis der Rechtsprechung zur Fortzahlung der Gehälter hoch bezahlter Manager bei vorzeitiger Vertragsauflösung. Nach seiner Der Bau des neuen Hauptstadtflughafens in Berlin gerät zur endlosen Geschichte und zieht international das Ansehen deutscher Ingenieure in Mitleidenschaft. Fakten-Check und Kommentar von Andreas Kossak. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 29 Standpunkt INFRASTRUKTUR Entlassung im Januar 2013 hat er sich auf die bemerkenswerte Position zurückgezogen, er sei laut Geschäftsverteilungsplan gar nicht für den Bau des neuen Flughafens verantwortlich gewesen [6]. Im Mai 2012 war bereits dem damaligen „Planungschef“ gekündigt und die Zusammenarbeit mit dem „Generalplanungskonsortium“ beendet worden, an dem mit ähnlichen Vorhaben international erfahrene und renommierte Unternehmen beteiligt waren [2]. Für die Nachfolge in der Führung der Flughafengesellschaft hatte sich der ehemalige langjährige Chef des mit Abstand größten Deutschen Flughafens (Fraport - Frankfurt/ Main), Prof. Wilhelm Bender, bereit erklärt. Das wäre ohne Zweifel die bestmögliche Lösung gewesen. Aufgrund der Behandlung seiner Personalie durch Politik und Verwaltung sah er sich jedoch gezwungen, seine Zusage zurückzuziehen - vielleicht nicht zuletzt aus der Überzeugung heraus, dass ein effizientes Wirken in einem derartigen Umfeld nicht möglich sein würde. Stattdessen wurde Hartmut Mehdorn, der ehemalige Vorstandsvorsitzende unter anderem von Deutscher Bahn AG und Air-Berlin für die Aufgabe gewonnen. Er gilt in der Öffentlichkeit als Top-Manager, insbesondere als Top-Sanierer, der zwar für einen hemdsärmeligen und gelegentlich auch ruppigen Führungsstil bekannt ist, aber auch dafür, dass er sich voll in seine Aufgaben reinhängt. Das schien dem Wunschprofil der verantwortlichen Politiker sehr nahe zu kommen. Die Zweifel an der Nachhaltigkeit seines Wirkens in seinen früheren Management-Positionen [7] sowie der Umstand, dass er vorher keine vergleichbare Aufgabe in direkter Verantwortung bewältigt hatte, spielte bei der Personalentscheidung offenkundig keine Rolle. Es folgten Vorschläge für „pragmatische“ Teillösungen, die allerdings in der Regel nicht mit den Rahmenbedingungen des Projektes vereinbar waren. Mit Hilfe einer großen Strategie-Beratungsfirma wurde ein-„Beschleunigungsprogramm“ namens „Sprint“ aufgelegt und nachfolgend von extrem hoch bezahlten „Nachwuchsberatern“ gesteuert, die von beteiligten Insidern unverblümt als „Kerle kurz nach ihrer Konfirmation“ klassifiziert wurden [3]. Die Arbeit der Flughafengesellschaft war seither durch die Entlassung oder Kaltstellung zahlreicher erfahrener Fachleute geprägt, durch ein gravierendes Korruptionsverfahren auf oberer Führungsebene, durch interne und externe Vorwürfe von (verheerender) Inkompetenz [1,- 2], durch Unstimmigkeiten mit dem Aufsichtsrat etc.; von einer Beschleunigung konnte keine Rede sein. Gutachten Die Einholung von externen Fach-Gutachten als Entscheidungshilfe ist ein übliches und häufig gebotenes Instrument der Steuerung von Groß-Projekten. Nicht zuletzt in der Politik ist allerdings seit Langem die Neigung verbreitet, sich damit in erster Linie die eigene Meinung bestätigen lassen zu wollen; dementsprechend erfolgt nicht selten die Gutachten-Vergabe und die Interpretation der Ergebnisse. Als Credo des pragmatischen Machers gilt dabei vielfach: Fachwissen stört nur [8]. Zu den von der Politik wiederholt geltend gemachten Argumenten für das Projekt BER gehörten die Arbeitsplätze, die damit geschaffen würden. Mit Verweis auf die Ergebnisse eines akademischen Gutachtens wurde dazu wiederholt eine Zahl genannt, bei der es sich zum überwiegenden Teil jedoch um die Arbeitsplätze handelte, die dem Flughafen Berlin-Tegel zuzurechnen sind und bei dessen Auflassung nach Eröffnung von BER lediglich verlagert würden. Im Streit um ein Nachtflugverbot wurde mit Bezug auf ein Gutachten desselben Verfassers geltend gemacht, dass am Flughafen 18 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Nach den üblichen Faustformeln wäre das gleichbedeutend mit rd. 19 Mio. Pax-Äquivalenten (Passagiere und Fracht) jährlich allein in den Nachtstunden; das entspräche mehr als zwei Dritteln der Gesamt-Leistungsfähigkeit des Flughafens im Basis-Ausbauzustand (rd. 25 000 Fluggäste) [9,-10]. Ein Beispiel dafür, dass teure externe Gutachten ggf. aber auch mit geringem Aufwand durch internen Sachverstand ersetzt werden könnten, sind in diesem Fall die Entwicklung des Passagieraufkommens und die daraus zu ziehenden Konsequenzen für den Ausbauzustand bei Eröffnung. Ein Blick in die Statistiken der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen“ (ADV) hätte genügt, dies bereits um 2005 in Betracht zu ziehen und davon um 2010 als weitgehend gesichert auszugehen [11] (Bild 1); dafür hätte es nicht erst der Ergebnisse eines Gutachtens in 2014 bedurft.. Schlussfolgerungen Im Lichte der hier selektiv in Erinnerung gerufenen Tatbestände ist es geboten, die damit verbundenen Schlüsselentscheidungen und ihre Konsequenzen aus heutiger Sicht auszuwerten sowie daraus die erforderlichen Schlüsse für künftige vergleichbare Projekte zu ziehen. Nicht verantwortbar ist jedenfalls die auch in diesem Fall bereits wiederholt öffentlich geäußerte Position, dass die Probleme nach letztlich erfolgter Eröffnung schnell vergessen sein werden und man dann allen Grund haben werde, auf das erzielte Ergebnis stolz zu sein. ■ Dr.-Ing. Andreas Kossak, Kossak Forschung und Beratung, Hamburg drkossak@aol.com AusgewäHLTe LITeRATuR  [1] rbb-online.de : Flughafen BER - Alles wird größer und teuer; 13.Dezember 2014  [2] Kohlenberg, K. und Tatje, C.: Berlin delayed; In: Zeit online, 10. April 2014  [3] Kossak, A.: Quo vadis, Luftverkehrsstandort Deutschland? In: Internationales Verkehrswesen (55) 10/ 2003  [4] Kossak, A.: ÖPP im Verkehrssektor - eine vernachlässigte Option mit großem Potential; In: p - newsletter Nr. 21 / September 2013  [5] Europaticker: BER Desaster: Flughafengesellschaft hatte ab 2010 zahlreiche Hinweise zu Problemen; www. europaticker.de; 12. Januar 2015  [6] Bombosch, F.: Rainer Schwarz gibt sich unschuldig; In: Berliner Zeitung vom 19. Dezember 2014  [7] Doll, N.: Mehdorn hat keines seiner Projekte realisiert; In: Die Welt vom 15. Dezember 2014  [8] Kossak, A.: Expert knowledge disturbs; In: Thinking Highways, Juni/ Juli 2010  [9] Andreas Kossak Forschung und Beratung: Bedeutung des Flughafens Düsseldorf als Standortfaktor für die Region Rhein-Ruhr; Gutachten 2006 [10] Kossak, A.: Luftverkehrsstandort Deutschland gestalten! ; In: Internationales Verkehrswesen (63) 6/ 2011 [11] Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen ADV: Verkehrszahlen; www.adv.aero Fluggäste BER und MUC 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 45.000 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 Jahr 1.000 Fluggäste BER MUC Bild 1: Entwicklung des Fluggastaufkommens in Berlin (BER) und München (MUC) von 1991 bis 2013 Quelle: ADV [11], eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 30 Am Puls der Zeit Die neue Leitstelle der KVB sichert Qualität und Quantität des Kölner ÖPNV Verkehrsleittechnik, Leitstelle, Nahverkehr, Fahrgastinformation, ÖPNV Die Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) hat ihre neue Leitstelle zur Steuerung der Stadtbahn- und Bus- Verkehre in Köln nach einem dreijährigen Umbau Ende September 2014 in Betrieb genommen. Die alte Einrichtung wurde saniert und modernisiert. Insgesamt wurden etwa 17,8 Mio. EUR investiert, wovon die Förderung durch die Nahverkehr Rheinland GmbH (NVR) etwa 9,5 Mio. EUR umfasst. Für den NVR war neben der Quantität des Angebotes auch die Qualität des KVB-Verkehrsmanagements entscheidend. Der Autor: Stephan Anemüller I m Zuge einer umfassenden Modernisierung wurde die Leitstelle der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) mit modernster und in der Branche wegweisender Leitstellentechnik ausgestattet. Hierbei kommt einer 21 m breiten und 4 m hohen Multimediawand, die aus 48 nahtlos aneinandergefügten Elementen besteht, zentrale Bedeutung im 525 m 2 großen Einsatzraum zu. Sie bietet den Kölner Leitstellen-Spezialisten völlig neue Übersicht-, Kontroll- und Arbeitsmöglichkeiten (Bild 1). Diese Multimediawand, deren Anzeige sich digital steuern lässt, stellt das Stadtbahn-Netz und seine Verknüpfungen mit dem Bus-Netz sowie das Netz der Bahnstromversorgung dar und verschafft den Leitstellen-Mitarbeitern sekundenschnell volle Übersicht. Die aktuellen Positionen der Stadtbahnen und alle Zugbewegungen sind jederzeit erkennbar. Zudem lassen sich Detailausschnitte des Netzes vergrößert anzeigen. Im Falle einer größeren Störung erhalten somit alle Leitstellen-Mitarbeiter gemeinsam ein aktuelles Lagebild. In der Mitte der Multimediawand befinden sich neun Videomonitore, auf denen das Betriebsgeschehen an Haltestellen live aufgeschaltet werden kann. Hier lassen sich auch Bilder von Streckenkameras, Fotos und Formulare darstellen. Mithilfe der so gewonnenen Erkenntnisse können beispielsweise an Tagen mit Großveranstaltungen rechtzeitig und kundenorientiert Stadtbahnen und Busse „zur Verfügung der Aufsicht“ auf die Stecke geschickt werden. Kleine Mannschaft steuert elf Stadtbahn- und 56 Bus-Linien In der KVB-Leitstelle arbeiten neben deren Leiter insgesamt 54 Mitarbeiter rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb: 5 Einsatzleiter, 35 Verkehrsmeister und 14 Infomanager. Sie steuern Entstörungen, falls Stadtbahn- oder Busverkehre durch Unfälle, Fahrzeugschäden, Falschparker, Baustellen etc. beeinträchtigt werden. Sie koordinieren Fahrten von Bussen und Stadtbahnen, falls Anschlüsse gesichert werden müssen oder automatische Signalanlagen zeitweise streiken. Sie können aus der Leitstelle heraus direkt in die Fahrstromversorgung vor Ort eingreifen, falls an Oberleitungen gearbeitet werden muss oder beschädigte Oberleitungen zur Gefahrquelle werden. Und sie Foto: Fotostudio Heupel Bild 1: Einsatzraum der neuen KVB-Leitstelle mit Multimediawand und Einzelarbeitsplätzen INFRASTRUKTUR Verkehrsleitsteuerung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 31 Verkehrsleitsteuerung INFRASTRUKTUR führen die Fahrgastinformation an den Haltestellen und in die Busse und Stadtbahnen hinein durch. Auf den ersten Blick erscheint die Zahl von 54 Mitarbeitern zwar hoch, vor dem Hintergrund des Dreischichtbetriebs an sieben Tagen in der Woche handelt es sich jedoch nicht um eine besonders große Gruppe. Gemessen an der Gesamtzahl der rund 3300 Beschäftigten der KVB umfasst die Leitstelle lediglich etwa 1,6 % aller Mitarbeiter. Die Mitarbeiter der Leitstelle kommen insbesondere in brisanten, nicht planmäßigen Situationen ins Spiel und erfüllen darüber hinaus Standardaufgaben. Sie fahren also nicht, sie bauen und erhalten nicht und kümmern sich nicht um den Vertrieb - aber sie halten die Leistung aufrecht, wenn der normale Fahrplan nicht mehr funktioniert, und sind insofern „überlebenswichtig“ für den Betrieb. Was aber, wenn es in den „Spitzenzeiten“ der Leitstelle - etwa bei großen Störungen, während weiträumiger Witterungsbeeinflussungen und an großen Eventtagen - zu personellen Engpässen kommt? Dann könnte der gestörte Betrieb gestört zurückbleiben und die Mobilität der Kunden stark beeinträchtigt werden: Betrieblich gesehen setzen Störungsfortpflanzungen ein, also zum Beispiel die Übertragung von Verspätungen von einer Linie auf weitere Linien, wodurch die Einflüsse auf die Qualitätsminderung noch größer werden. Es ist deshalb zwingend, die Mitarbeiter der Leitstelle optimal einsetzen zu können. Störungen in der Leitstelle, etwa durch Erkrankungen oder in Urlaubsschwerpunkten, sollen möglichst nicht die Qualität des ÖPNV-Betriebs beeinflussen. Der Lösungsansatz liegt in der Realisierung einer möglichst weitgehenden Flexibilität. Die Mitarbeiter der Leitstelle sollen möglichst alle Tätigkeiten ihrer Organisationseinheit ausüben können. So können Lücken geschlossen und zugleich Monotonie im Arbeitsalltag vermieden werden. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, die Arbeitsplätze möglichst gleich einzurichten. Der Platzwechsel soll nicht durch Unterschiede in den Geräten oder der Software behindert werden: Muss etwa im Gefahrfall die Bahnstromversorgung abgestellt werden, darf sich der hiermit betraute Mitarbeiter nicht erst mit einem ungewohnten Gerät beschäftigen müssen. Ein gravierender Nachteil der alten Leitstelle war, dass nach und nach immer mehr Geräte und Möbel angebaut wurden - hier ein neues Brett mit einem neuen EDV-Gerät, da ein neuer Bildschirm und eine weitere Tastatur. Dabei wurden die EDV-Programme nicht immer alle auf den neuesten, einheitlichen Stand gebracht. So wuchs ein Sammelsurium heran, das auf die Arbeitsökonomie und Zufriedenheit der Mitarbeiter nachtteiligen Einfluss nahm. Im Rahmen der Modernisierung wurden nun alle Bildschirmarbeitsplätze in der KVB-Leitstelle nach neuesten Erkenntnissen eingerichtet und mit 89 ebenfalls neu installierten PCs im Untergeschoss verbunden. Allein hierfür wurden 26 km Datenkabel verlegt. Den Mitarbeitern stehen nun übersichtliche Bildschirmarbeitsplätze mit im Prinzip nur einer Tastatur und einer Maus zur Verfügung (Bild 2). Weil alle Plätze gleich ausgestattet sind, können an jedem Platz sämtliche Arbeiten ausgeführt werden. Höhenverstellbare Tische und Stühle, individuell einstellbares Licht, eine verbesserte Akustik und eine neue Klimaanlage sorgen für eine moderne Arbeitsumgebung. Lediglich einzelne Tätigkeiten werden noch an „separaten“ Plätzen durchgeführt. Mit der Neuerrichtung der Leitstelle wurde die Flexibilität weitgehend verbessert. Einzelne Anpassungen werden zukünftig noch notwendig sein. Die Mitarbeiter gewöhnen sich an geänderte Einsatzprofile, doch wie überall, wo Routinen und Alltagsgewohnheiten verändert werden, ist das kein Selbstläufer. der Wandel der Fahrgastinformation griff tief in die Leitstelle ein Tritt eine Störung auf, kommt die Leitstelle in der Handlungskette direkt nach dem die Störung meldenden Fahrer ins Spiel. Im Sinne der Fahrgäste und eines so weit wie möglich reibungslosen Betriebsablaufes wurde die Entstörung immer weiter optimiert. So dauert es durchschnittlich weniger als sechs Minuten, bis einem erkrankten Fahrgast im Bus geholfen ist und der Verkehr wieder rollt. In weniger als acht Minuten ist ein falsch parkender LKW aus dem Lichtraumprofil einer Stadtbahn-Linie entfernt (vgl. auch [1]). Hierfür steht den Außendienst-Kollegen des Entstördienstes ein umfangreicher Fuhrpark zur Verfügung. Von zentraler Bedeutung sind aber auch die Arbeitsmöglichkeiten der Leitstelle, also im Innendienst. Sowohl die Eignung der Mitarbeiter und ihr Zusammenspiel im Team, als auch die EDV-technische und ergonomische Einrichtung ihrer Arbeitsplätze entscheiden über Minuten. Auch die zielgerichtete Fahrgastinformation im Störungsfall gehört zum Kern des Servicegedankens. Hierzu gehört die Information zu Art und Umfang der Störung, ihrer voraussichtlichen Dauer und im besten Fall auch alternativen Fahrtmöglichkeiten. Deshalb setzt die KVB einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in die kontinuierliche Verbesserung der Fahrgastinformationssysteme. Im gesamten Liniennetz der Stadtbahn sowie an den stärker frequentierten Haltstellen im Busnetz befinden sich Anlagen der dynamischen Fahrgastinformation (DFI), in die Lauftexte („Ticker“) zur Information im Störungsfall eingespielt werden (Bild 3). Hierbei haben sich in den vergangenen Jahren die Ansprüche der Fahrgäste stark gewandelt. Früher reichte der gedruckte Aushangfahrplan, und wenn der Bus oder die Stadtbahn mal nicht taktgemäß kamen oder ganz ausfielen, zeigte man Geduld. Heute setzt die Echtzeitinformation den Maßstab. So wie im PKW über Verkehrsfunk und Navigationsgerät, wollen die Fahr- Bild 2: Gleichartige Arbeitsplätze mit moderner Technik sichern Flexibilität. Foto: Christoph Seelbach Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 32 INFRASTRUKTUR Verkehrsleitsteuerung gäste auch beim ÖPNV schnell und präzise informiert werden. Zum Aushangfahrplan und zu Durchsagen an Haltestellen und in Fahrzeuge hinein kamen die DFI-Anlagen unter anderem mit ihrem Laufticker hinzu, dann die mobilen Telefone mit ihren Datendiensten und mobilem Internet, später Apps, Facebook, Twitter und Co. Auch bei der Fahrgastinformation kommt der Leitstelle eine zentrale Bedeutung zu. Hier fließen alle Informationen über Istzustand und Prognose zusammen. Und hier erstellen die Infomanager kundengerechte Informationen für die verschiedenen Live-Medien. Wenn der Verkehr eben nicht nach normalem Fahrplan läuft, genügen keine automatisierten Datendienste mehr. Dann muss die Leitstelle händisch eingreifen, Informationen formulieren und einspeisen. Dabei gilt es, alle Teilsysteme möglichst optimal aufeinander abzustimmen und Differenzen in der Informationslage zu minimieren. Deshalb arbeiten in der KVB-Leitstelle heute Infomanager, die Einsatzleiter und Kollegen an den Funkplätzen, Stellwerksplätzen sowie in der Bahnstromversorgung entlasten und das betriebliche Geschehen in eine für die Kunden verständliche Sprache übersetzen. Das Tätigkeitsprofil „Infomanager“ gab es zuvor bei der KVB noch nicht. Derzeit trifft es auf 14 der 55 Leitstellen-Mitarbeiter zu - rund ein Viertel des Teams. Bei großen Events zeigt sich die volle Leistungsfähigkeit Zirka 60 bis 70 Veranstaltungen im Jahr nehmen erkennbaren Einfluss auf den ÖPNV in Köln. Häufig bringen notwendige Umleitungen, Linientrennungen, die hohe Verkehrsdichte oder hohes Fahrgastaufkommen den normalen Fahrplan aus dem Takt. Dabei werden Beeinträchtigungen häufig vorher bekannt oder erschließen sich aus der Erfahrung. Die Betriebssteuerung kann deshalb hier planen und Vorsorge treffen. In vielen Fällen treten jedoch auch unerwartete Störungen ein, die Einfluss auf Qualität und Quantität des ÖPNV haben. In jedem Fall ist an Eventtagen wie zum KölnMarathon, in den Tagen des Straßenkarnevals, zu den „Kölner Lichtern“, an Silvester und ähnlichem die Leitstelle der KVB besonders gefordert. Die Betriebslage an solchen Tagen ist dadurch gekennzeichnet, dass überdurchschnittlich viele Menschen - Einheimische und Gäste - zur ungefähr selben Zeit an denselben Ort oder in ein Veranstaltungsgebiet wollen. Häufig liegt auch der Rückweg in einem eng begrenzten Zeitraum. Mehrverkehre sind notwendig, wo dichte Takte häufig bereits an die Kapazitätsgrenzen herangehen. Viele der Veranstaltungen nehmen in ihrer Fläche Einfluss auf die Linienwege des ÖPNV, so dass es zu Störungen kommt. Nicht selten müssen Linien getrennt werden und, wie etwa bei den Karnevalsumzügen, auch die Oberleitungen der Stadtbahn stromfrei gestellt werden. Die Veranstaltungsgäste wollen dennoch schnell und pünktlich da sein, die Veranstaltung soll ihren Platz einnehmen dürfen und am Ende soll die Dienstleistung ÖPNV möglichst unverzüglich wieder normal zur Verfügung stehen. Und nicht zu vergessen: Andere Verkehrsteilnehmer wollen gar nicht zum Event, sondern möglichst ohne Einschränkung den ÖPNV nutzen, der seiner Bedienpflicht nachzukommen hat. Ein aktuelles Beispiel aus jährlich wiederkehrender Erfahrung: An Weiberfastnacht, dem Start des Straßenkarnevals in Köln, wurden auch im Februar 2015 wieder rund 370 zusätzliche Fahrten vor allem auf den Stadtbahn-Linien durchgeführt, mit der Trennung von zwei Stadtbahn-Linien über den Großteil des Tages musste gerechnet werden und es stand zu befürchten, dass eine oberirdische Stadtbahn-Haltestelle und zwei weitere im Bereich der U-Bahn aufgrund polizeilicher Sperrung ohne Fahrgastwechsel durchfahren werden müssen. Hinzu kommen zunehmender Einfluss von Genussmitteln im Laufe des Tages und das jahreszeitlich bedingte frühe Einsetzen der Dunkelheit. Für den Fahrdienst, die Servicekräfte aber auch die Betriebssteuerung im Außen- und Innendienst sind das große Herausforderungen. Die Leitstelle, der Innendienst der Betriebssteuerung, sichert auch an diesen Tagen mit besonderer Bedeutung des ÖPNV die Mobilität in der Stadt. An den Tagen mit großen Events zeigt sich die volle Leistungsfähigkeit des Systems (Bild 4). Rund 800 000 Fahrgäste täglich nutzen dann die Bus- und Stadtbahn-Angebote des Unternehmens - Fahrten, die eine Menge Individualverkehr ersetzen und das Straßennetz enorm entlasten. So profitieren letztlich nicht nur die Kunden der KVB von der Leistungsfähigkeit der neuen Leitstelle, sondern alle Bürger der Stadt. ■ LITeRATuR [1] Anemüller, S.: Handeln statt resignieren - Extern verursachte Störungen des ÖPNV strategisch vermeiden; In: Internationales Verkehrswesen (66) 1/ 2014, S. 80-82 Stephan Anemüller, Dipl.-Geogr. Mediensprecher, Kölner Verkehrs- Betriebe AG stephan.anemueller@kvb-koeln.de Bild 3: Fahrgastinfo in Echtzeit ist aus dem modernen ÖPNV nicht wegzudenken - im Störungsfall übernimmt die Leitstelle die Steuerung. Foto: Stephan Anemüller Bild 4: Zu großen Events, wie hier an Weiberfastnacht bestimmen enorme Nachfrage und besondere Betriebsregelungen das Geschehen. Foto: Stephan Anemüller Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 33 Binnenschiffahrt INFRASTRUKTUR Verladende Wirtschaft an Rhein und Elbe im Klimawandel Auswirkungen von Anpassungsmaßnahmen im Vergleich Binnenschiff, Schiffahrtsstraße, Klimawandel, Fahrrinnentiefe, Rhein, Elbe Schwankende Fahrrinnentiefen stellen eine Herausforderung für die verladende Wirtschaft dar, die auf kostengünstigen Transport von Massengütern per Binnenschiff angewiesen ist. Basierend auf Unternehmensbefragungen wurde ein Modell entwickelt, das nicht nur die Verwundbarkeit von Unternehmen gegenüber schwankenden Fahrrinnentiefen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berechnen kann, sondern auch die positive Wirkung von Anpassungsmaßnahmen. Nachdem in einem früheren Artikel die Auswirkungen des Klimawandels quantifiziert wurden, wird nun hier die Wirksamkeit verschiedener Anpassungsmaßnahmen vergleichend für Unternehmen an Rhein und Elbe vorgestellt. Die Autoren: Anja Scholten, Benno Rothstein I n einem vorangegangenen Beitrag (siehe [1]) wurden die unterschiedlichen Unternehmensstrukturen der aufs Binnenschiff verladenden Industrie an Rhein und Elbe sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die selben dargestellt. Um die Auswirkungen des Klimawandels quantifizieren zu können wurde ein Modell genutzt, das im Rahmen des KLIWAS Projekts (www.kliwas.de) entwickelt wurde. Hauptergebnisse der in diesem Artikel vorgestellten Untersuchungen sind: • Die Unternehmen an Rhein und Elbe haben sehr verschiedene Transportstrukturen: Sie unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Transportmengen, des Transportanteils der Binnenschifffahrt, der verwendeten Schiffsgröße, der Bedeutung des Flusses als Standortfaktor, des Anschlusses an verschiedene Verkehrsmodi und der Lagerkapazität. Dies sagt vor allem etwas über die Anpassung an den jeweiligen Transportweg aus, jedoch nichts über ihre Anpassung an den Klimawandel. • Diese unterschiedlichen Transportstrukturen wirken sich aus, wenn die Vulnerabilität (Verwundbarkeit) von für die jeweiligen Flüsse typischen Verladertypen (Rhein: Schiffsgröße 3000 t, Transportanteil per Binnenschiff über 40 %; Elbe: Schiffsgröße ≤ 1000 t; Transportanteil per Binnenschiff unter 20 %) berechnet wird: Am Rhein gibt es in der fernen Zukunft maximale Abweichungen von bis zu - 45 % im Vergleich zum Zustand des optimalen Lagers von 1961-1990, während an der Elbe nur maximal Änderungen von - 11 % auftreten. Für weitere Details sei auf [1] verwiesen. Im vorliegenden Artikel wird zuerst die erwartete Betroffenheit der Unternehmen durch den Klimawandel beschrieben, bevor mögliche Anpassungsmaßnahmen vorgestellt und die Auswirkungen einiger Maßnahmen mittels des Vulnerabilitätsmodells quantifiziert werden. Erwartungen bezüglich des Klimawandels Immerhin 75 % der befragten Unternehmen an der Elbe erwarten eine Zunahme der Schwierigkeiten mit Extremereignissen (am Rhein knapp 70 %). Dabei gehen die meisten von einer (wahrscheinlichen) Zunahme von Niedrig- und Hochwasserereignissen aus, keinesfalls jedoch von weniger Transporteinschränkungen. Dennoch spielt der Klimawandel nur bei einem Drittel der Unternehmen eine Rolle für die weitere Planung. Dabei gaben 39 % der Befragten an, ihre Informationen aus Medien wie Zeitung oder Fernsehen zu beziehen. 22 % nutzten das Internet für die Informationsbeschaffung und 17 % lesen die Veröffentlichungen von Ministerien. Auch am Rhein gaben die Unternehmen an, ihre Informationen vor allem aus den Medien und neusten Veröffentlichungen zu ziehen. Wissenschaftliche Abhandlungen oder Bücher werden nur von 11 % bzw. 6 % der Befragten zu Rate gezogen. Mögliche Anpassungsmaßnahmen Insgesamt gibt je ein Drittel der Befragten an der Elbe an, bereits Vorkehrungen in Bezug auf mögliche Änderungen der Fahrwasserverhältnisse getroffen zu haben (Rhein: 24 %), solche zu planen (Rhein: 17 %) oder keine Vorbereitungen getroffen zu haben (Rhein: 59 % [1]). Auf zeitlicher Ebene sind kurz-, mittel- und langfristige Anpassungs-Maßnahmen zu unterscheiden. Kurzfristige Maßnahmen: • Nutzung kleinerer Schiffe • Herunterfahren der Produktion • Verlagerung eines Teils der Transporte auf die Bahn • (zeitliche) Verschiebung der Transporte Mittelfristige bis langfristige Maßnahmen (Bild 1 für die Elbe): • Vorhalten kleinerer Schiffe • Vorhaltung einer werkseigenen Flotte • Längerfristige Verträge mit Bahnunternehmen • Lagerausbau • Standortverlagerung • Nutzung anderer Bezugsquellen • Überdenken des Konzepts der Just-in- Time-Transporte Zu den laut den Unternehmen (sehr gut) umsetzbaren Anpassungsmaßnahmen zählt hierbei vor allem eine langfristige Verkehrsverlagerung. Einen Lagerausbau halten einige Unternehmen für möglich, andere jedoch schwierig. Gleiches gilt für Standortverlagerungen oder die Versorgung aus anderen Quellen/ von anderen Standorten. Vielleicht umsetzbar ist für einige Unternehmen eine Verschiebung der Transporte, Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 34 INFRASTRUKTUR Binnenschiffahrt der Aufbau einer werkseigenen Flotte oder ein Überdenken des Just-in-Time-Transports, während andere auch dies für schwer bis unmöglich halten (Bild 1). Der Haupthinderungsgrund des Lagerausbaus ist die Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Gegen eine Verlagerung der Transporte auf andere Verkehrsträger spricht, dass das Binnenschiff für viele Unternehmen (vor allem am Rhein) das bevorzugte Verkehrsmittel ist. Standortverlagerungen werden durch die Kosten erschwert und benötigen die Beibehaltung der Hafeninfrastruktur. Die Versorgung aus anderen Werken oder Bezugsquellen gestaltet sich schwierig, weil entweder geeignete Alternativen fehlen oder zusätzliche Transportkosten entstehen. Gegen eine zeitliche Verschiebung der Transporte sowie das Überdenken des Just-in-Time-Transportmodells sprechen die Kundenanforderungen. Dem Aufbau einer werkseigenen Flotte stehen die Investitionskosten entgegen. Zudem gehört dies nicht zum Kerngeschäft der betroffenen Unternehmen. Der richtige Maßnahmenkatalog für die Anpassung an den Klimawandel ist somit individuell für die einzelnen Unternehmen, basierend auf den örtlichen Gegebenheiten, ihrer Transportstruktur und ihrer spezifischen, innerbetrieblichen und branchenspezifischen Situation. Auswirkungen von Anpassungsmaßnahmen Bild 2 zeigt die Ergebnisse von Berechnungen für ausgewählte Anpassungsmaßnahmen für einige Unternehmen am Rhein (Verladertyp: Schiffsgröße 3000t, Transportanteil per Binnenschiff über 40 %). Dazu gehören die Nutzung kleinerer Schiffe für den Transport (in Bild 2: „SG“) und der Ausbau der Lagerkapazitäten (Bild 2: „L“). Dabei stellt die Nulllinie das Maß der Vulnerabilität von 1961-1990 dar. Für Informationen bezüglich der verwendeten Klimawandelszenarien sei auf [1] und [2] verwiesen. Für die nahe Zukunft (2021-2050) ist eine Vergrößerung der Lagerkapazitäten der hier gezeigten Unternehmen um 25 % ausreichend, um die Vulnerabilität der Unternehmen auf das Niveau von 1961-1990 zu senken. Für die ferne Zukunft (2071-2100) wird jedoch eine Vergrößerung des Lagers um 75 % benötigt, um die Vulnerabilität auf ein den Unternehmen aus der Vergangenheit geläufiges Maß zu reduzieren. Vor allem Unternehmen, die große Schiffe für den Transport bevorzugen, können ihre Vulnerabilität durch die Verwendung kleinerer Schiffe zum Teil deutlich reduzieren, da diese prozentual weniger und durch ihren verminderten Tiefgang erst bei geringeren Fahrrinnentiefen durch Niedrigwasser beeinträchtigt werden. Bei diesem Verladertyp reicht für die nahe und ferne Zukunft die Verwendung der nächstkleineren Schiffsgröße aus, um die Vulnerabilität auf das Maß von 1961-1990 zu verringern. Die Verlagerung der Transporte auf andere Verkehrsträger führt ebenfalls zu einer Reduktion der Vulnerabilität gegenüber schwankenden Fahrrinnentiefen auf die Werte der Vergangenheit. Würde bei dem hier dargestellten Unternehmen der Anteil des Binnenschiffstransports von etwa 50 % auf 20 % reduziert (hier nicht dargestellt), wäre die Vulnerabilität in der fernen Zukunft nur noch um etwa 1 % erhöht. Allerdings führt dies nicht nur zu einem Anstieg der Kosten, sondern auch zu Vulnerabilitäten durch Auswirkungen des Klimawandels Bild 1. Einschätzung der befragten Unternehmen an der Elbe zur Umsetzbarkeit verschiedener Anpassungsmaßnahmen Quelle: Eigene Darstellung aus Unternehmensbefragung mit Vulnerabilitätsmodell 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -50% -45% -40% -35% -30% -25% -20% -15% -10% -5% 0% ohne Anpassung L+2,5 L+5 L+10 L+15 L+25 L+50 L+75 L+100 SG-1 SG-2 Monat Abweichungvom optimalen Lager (%) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -50% -45% -40% -35% -30% -25% -20% -15% -10% -5% 0% ohne Anpassung L+2,5 L+5 L+10 L+15 L+25 L+50 L+75 L+100 SG-1 SG-2 Monat Abweichungvom optimalen Lager (%) Nahe Zukunft Ferne Zukunft Bild 2: Auswirkungen verschiedener Anpassungsmaßnahmen (Lagervergrößerung L in % und Schiffsgrößenverkleinerung SG nach Größenklassen) für ausgewählte Unternehmen am Rhein; CCLM A1B Modellkette Quelle: Eigene Berechnung nach Daten aus Unternehmensbefragung mit Vulnerabilitätsmodell Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 35 Binnenschiffahrt INFRASTRUKTUR auf den Bahntransport z. B. durch Sturmschäden. Zudem sind die Kapazitäten der Bahn entlang der Rheinstrecke bereits heute weitestgehend ausgelastet [1]. Wie für den Rhein wurden auch für die Elbe die Auswirkungen beispielhafter Anpassungsmaßnahmen auf die Vulnerabilität der Unternehmen berechnet (Verladertyp: Schiffsgröße ≤ 1000 t; Transportanteil per Binnenschiff unter 20 %). Für die nahe Zukunft zeigt sich, dass für die Unternehmen eine Vergrößerung des Lagers um 10 % notwendig ist, um die Abweichung vom optimalen Lager auf 1 % im Dezember zu reduzieren. Eine Lagervergrößerung um 12,5 % ausreichend, um die Vulnerabilität vollständig auf das Level von 1961-1990 zu senken. Die Verringerung der Schiffsgröße um zwei Größen (auf die Größe „Theodor Bayer“) senkt die Vulnerabilität ebenfalls fast auf das Niveau von 1961- 1990, während die Verringerung um nur eine Schiffsgröße nicht zielführend ist. Für die ferne Zukunft ist eine Vergrößerung des Lagers um 15 % nötig, um die Abweichung vom optimalen Lager auf unter 2 % im Dezember und im Rest des Jahres auf null zu senken. Auch hier ist eine Verringerung der Schiffsgröße um zwei Größen geeignet, um die Vulnerabilität fast auf das Maß der Vergangenheit zu senken. Da für die langfristige Nutzung von kleineren Schiffen im Niedrigwasserfall zusätzliche kleine Schiffe in die Flotte eingebunden werden müssten, führt diese Maßnahme, wie auch die Vergrößerung des Lagers, zu einer Überkompensation im ersten Halbjahr. Sowohl die Vorhaltung kleinerer Schiffe als auch der ganzjährige Einsatz derselben führt zu einer Steigerung der Kosten. Fazit Sowohl an Elbe als auch am Rhein erwarten die Unternehmen in Zukunft häufigere Einschränkungen der Binnenschifffahrt. Dennoch haben bisher die wenigsten Unternehmen Vorkehrungsmaßnahmen getroffen, obwohl es verschiedene Handlungen gibt, die von den Unternehmen für umsetzbar gehalten werden. Dabei ist ein individuelles Vorgehen notwendig, da nicht alle Maßnahmen an allen Standorten und für alle Unternehmen geeignet sind. Berechnungen der Auswirkungen ausgewählter Anpassungsmaßnahmen zeigen jedoch, dass diese in der Lage sind, die Vulnerabilität der Unternehmen auf das Maß von 1961-1990 zu senken und damit in eine Größenordnung, mit der die Unternehmen umzugehen gelernt haben. Während sich eine Vergrößerung des Lagers dabei als besonders geeignet erweist, überkompensiert diese Maßnahme die Auswirkungen des Klimawandels in den Monaten mit ausreichenden Fahrrinnentiefen. Zudem erfordert diese Option einen hohen Kapitaleinsatz und die notwendigen freien Flächen sind bei Weitem nicht an allen Standorten verfügbar. Für Unternehmen, die bevorzugt große Schiffe für den Transport einsetzen, ist auch die Verringerung der Schiffsgröße eine wirksame Maßnahme, die jedoch einer Umorientierung der Flottenentwicklung (Bau von mehr kleineren Schiffen) bedürfte. Auch die Verlagerung von Transporten auf andere Transportmodi ist nur eingeschränkt möglich, da hier nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung stehen. Zudem sind alle Anpassungsmaßnahmen mit zusätzlichen Kosten verbunden. Um wirtschaftlich zu sein, müssten diese geringer sein, als die durch die Einschränkungen des Transports entstehenden Kosten. ■ LITeRATuR: [1] Scholten, Rothstein (2014): Nutzung der Binnenschifffahrt auf Rhein und Elbe - Vergleich der Nutzung der Binnenschifffahrt auf Rhein und Elbe durch die verladende Wirtschaft unter Einfluss des Klimawandels; In: Internationales Verkehrswesen (66) 3/ 2014, ISSN 0020-9511 [2] Nilson, Carambia, Krahe, Larina, Belz, Promny (2012): Deduction of discharge scenarios for water management at the River Rhine, BMVBS. Weissensee Verlag, Bonn, pp 83-86 [3] Scholten (2010): Massenguttransport auf dem Rhein vor dem Hintergrund des Klimawandels. Würzburger Geographische Arbeiten 104. Würzburg [4] Scholten, Rothstein, Baumhauer (2014): Mass-cargo-affine industries and climate change; Climatic Change Volume 122, Issue 1-2, pp 111-125; http: / / link.springer.com/ article/ 10.1007%2 Fs10584-013-0968-0 Anja Scholten, Dr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Würzburg/ HTWG Konstanz anja.scholten@uni-wuerzburg.de Benno Rothstein, Prof. Dr. habil. Professur Geowissenschaftliches Ressourcenmanagement, HTWG Konstanz rothstein@htwg-konstanz.de 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -12% -10% -8% -6% -4% -2% 0% Ohne Anpassung L+2,5 L+5 L+7,5 L+10 L+15 L+25 L+50 L+75 L+100 SG-1 SG-2 Monat Abweichungen vom optimalen Lager (%) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -12% -10% -8% -6% -4% -2% 0% Ohne Anpassung L+2,5 L+5 L+7,5 L+10 L+15 L+25 L+50 L+75 L+100 SG-1 SG-2 Monat Abweichungen vom optimalen Lager (%) Nahe Zukunft Ferne Zukunft Bild 3: Auswirkungen verschiedener Anpassungsmaßnahmen (Lagervergrößerung (L) in % und Schiffsgrößenverkleinerung (SG) nach Größenklassen) für ausgewählte Unternehmen an der Elbe; HCQ0 A1B Modellkette Quelle: Eigene Berechnung nach Daten aus Unternehmensbefragung mit Vulnerabilitätsmodell Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 36 LOGISTIK Elektromobilität Elektrisch leise transportieren Plug-in Hybrid Electric Vehicle (PHEV), E-Logistik, Transporter, Antriebstechnik Mit dem Projekt Elena hat ein Zusammenschluss baden-württembergischer Automotive-Unternehmen Komponenten für einen Plug-in-Hybrid-Transporter entwickelt, der sich sowohl für rein elektrischen Verteilerverkehr als auch für lange Fahrstrecken eignet und auch als Nachrüstsatz für Serienfahrzeuge zu-haben sein wird. Der Autor: Walter Bollinger F ür Handwerker, Dienstleister und Logistiker kann es künftig besonders einfach sein, einen umweltfreundlichen Transporter mit elektrischem Antrieb einzusetzen, der zugleich auch langstreckentauglich ist. Im Rahmen eines Entwicklungsprojekts hat Elena, ein Zusammenschluss von neun baden-württembergischen Automotive-Unternehmen, dem Fraunhofer IPA und der Hochschule Esslingen (www.elena-phev. com), eine marktfähige Lösung entwickelt, mit der sich neue oder vorhandene Mercedes-Benz Sprinter der aktuellen Baureihe zum Plug-in-Hybrid-Transporter umrüsten lassen (Bild 1). Besonderheit des Konzepts, dessen Entwicklung im Rahmen der Modellregion Elektromobilität Region Stuttgart vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gefördert wurde, ist seine modulare Bauweise. Alle wesentlichen Baugruppen des Serienfahrzeugs bleiben erhalten. Daher lassen sich die Hybrid-Komponenten relativ einfach auch in vorhandenen Fahrzeugen nachrüsten, später rückbauen und bei Fahrzeugwechsel in den neuen Transporter mitnehmen. Nutzen und Einsatzgebiete in-der-Praxis Das Tri-Mode-Konzept von Elena kombiniert die Vorteile des elektrischen, hybriden und konventionellen Antriebs miteinander und erlaubt es, während der Fahrt in den jeweils sinnvollsten Modus umzuschalten. Elektrisch Der reine elektrische Antrieb mit einem drehmomentstarken E-Motor steht für emissionsfreie und geräuschlose Fahrt mit bis zu 50 km Reichweite und Geschwindigkeiten bis 90 km/ h. Das ist für Fahrten in Umweltzonen, Wohngebieten, Innenstädten oder Werkhallen, aber auch in Verkehrsstaus völlig ausreichend. Hybrid Der standardmäßig aktivierte Hybridmodus kombiniert beide Antriebsaggregate und verbessert die Effizienz bei Überlandfahrten. Weitere Merkmale des Hybridmodus sind Rekuperation, Maximierung der Gesamtreichweite sowie Kraftstoffersparnis im Realbetrieb bis zu 35 %. Die maximale Fahrgeschwindigkeit ist auf 110 km/ h limitiert. Dieselmotorisch Das ursprüngliche Antriebskonzept steht jederzeit zur Verfügung. Die maximale Fahrgeschwindigkeit entspricht dem Basisfahrzeug. die Technik Das Plug-In-Hybrid-Paket besteht aus einer zusätzlichen Kühlung, einem Zwischengetriebe mit angeflanschtem Elektromotor sowie dem Inverter, der Batterie, dem Konverter und dem Ladegerät (Bild 2). Der Asynchronmotor mit 80 kW und 266 Nm wird mithilfe eines Zwischengetriebes in die Antriebswelle zu den Hinterrädern eingebaut und sorgt bei elektrischer Fahrt für alleinigen, im Hybrid-Modus für zusätzlichen Vortrieb. Beim Bremsen wirkt der Mo- Bild 1: Elena Plug-In Hybrid Transporter Elektromobilität LOGISTIK tor als Generator und lädt die Batterien auf. Wird der Elektromotor gar nicht gebraucht, kuppelt ihn das Zwischengetriebe kraftstoffsparend vollständig ab. Das zweistufige Zwischengetriebe wird von Lauer & Weiss entwickelt und geliefert (Bild 3). Es ermöglicht den schnellen Wechsel zwischen den Betriebsmodi ohne mechanische Synchroneinheit und gewährleistet durch seine Übersetzung das Fahren mit optimalem Wirkungsgrad. Der konsequente Einsatz virtueller Entwicklungsmethoden, von der Bewertung des Verbrauchs verschiedener Triebstrangkonzepte über die Bauraumanalyse mit Digitalen Versuchsmodellen (Digital Mock-Up, DMU) bis zur Absicherung der Festigkeit und Beölung mit Hilfe moderner CAE- und CFD-Software, hat zur erfolgreichen Durchführung des Projekts beigetragen. Die Ingenieure von Lauer & Weiss integrieren alle Komponenten in den vorhandenen Bauraum, ohne den Laderaum einzuschränken. Dabei bleibt die gewohnte Konfigurationsvielfalt erhalten: Das Hybrid- Paket lässt sich für Transporter, Kasten- und Pritschenfahrzeuge mit beliebiger Ausstattung gleichermaßen verwenden. Einzig die maximale Zuladung verringert sich um 350-kg. Die intelligente Anordnung der Systemkomponenten erlaubt zudem den schnellen Ein- und Rückbau. So kann der Plug-In-Hybrid-Nachrüstsatz bei einem Fahrzeugwechsel oder Neukauf schnell in einen neuen Transporter integriert werden. Einfache Bedienung Die Bedienung des Fahrzeugs ist dennoch einfach. Das Bedienkonzept des ursprünglichen Fahrzeuges blieb erhalten, die neuen Optionen lassen sich intuitiv per Einknopfbedienung (Pushbutton) wählen. Die aktuellen Betriebszustände wie Batterieladung und Fahrmodus werden mit integrierten LEDs angezeigt, durch Tastendruck lassen sich die Betriebsarten während der Fahrt oder im Stand umschalten. Vorraussichtlich im 4. Quartal 2015 werden Elena Plug-In Hybrid Transporter und Nachrüstpakete auf den Markt kommen. ■ Walter Bollinger Mitglied der Geschäftsleitung, Lauer & Weiss GmbH, Fellbach walter.bollinger@lauer-weiss.de Bild 3: Das Elena-Zwischengetriebe Bild 2: Komponenten des Plug-In Hybrids * Industrie-Sectionaltor SPU 67 Thermo im Vergleich zum SPU 42 02-15 (gewerbliche EV) Energiesparen inklusive: Sectionaltore SPU Thermo • Europas Nr. 1 mit über 75 Jahren Erfahrung im Torbau • beste Wärmedämmung: U-Wert bis zu 0,51 W/ (m²•K) • Weltneuheit: thermisch getrennte Schlupftür mit extraflacher Edelstahl-Schwelle Industrie-Sectionaltor SPU F42 Industrie-Sectionaltor SPU 67 Thermo bis zu 30 % * bessere Wärmedämmung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 38 LOGISTIK Prozessoptimierung LOGISTIK Prozessoptimierung Supplier Collaboration in-der-Bahnindustrie Bessere Koordination und Integration aller am Product- Lifecycle beteiligten Unternehmen könnte den Bau von Schienenfahrzeugen optimieren. Produktion, Materialfluss, Rationalisierung Die traditionsreiche deutsche Bahntechnik ist weltweit für ihre Produktions- und Innovationskraft berühmt. Ein Blick auf die komplexen Lieferketten bei der Herstellung von Schienenfahrzeugen zeigt jedoch, dass hier noch ein großes Optimierungspotenzial besteht. Um im globalen Wettbewerb auch in Zukunft gut dazustehen und wachsende Umsatzchancen zu realisieren, ist es Zeit, die Effizienz der Supply Chain kritisch zu prüfen. Hilfreich hierfür ist ein Blick auf eine benachbarte Branche: den Flugzeugbau. Der Autor: Nils Kruse P olitik und Wissenschaft sind sich einig: Der Schienenverkehr spielt für die Zukunft der Mobilität eine maßgebliche Rolle. In puncto CO 2 - Bilanz, Verkehrssicherheit, sogar bei den Mobilitätskosten schneiden Bahnen besser ab als manch anderes Verkehrsmittel. Höchste Zeit also für die Bahnindustrie, sich für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen, Produktionshemmnisse aus dem Weg zu räumen und Wachstumspotenziale zu realisieren. Dabei sind es vor allem durch die Politik vorgegebene Rahmenbedingungen, die hierbei Beachtung finden müssen: Die Energiewende, der Trend zur Deregulierung und Privatisierung des Bahnverkehrs sowie die europäischen Bemühungen um Interoperabilität und Vereinheitlichung - alle diese politischen Ziele werden erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die Betreiber, sondern auch auf die Produzenten von Bahntechnik haben. Hinzu kommen gesellschaftliche und wirtschaftliche Tendenzen, die zusammengenommen das Potenzial haben, die Fertigung und den Betrieb von Schienenfahrzeugen auf ganz neue Grundlagen zu stellen: Die zunehmende Globalisierung und Verflechtung der Weltwirtschaft schafft zuvor ungeahnte Absatzmärkte für Produzenten und Betreibergesellschaften, steigende Energiekosten machen technologische Innovationen erforderlich, wachsende Städte verlangen nach einem effizienten kommunalen Nahverkehrssystem. Herausforderungen wie diese treffen auf eine hochgradig verflochtene und zugleich sehr spezialisierte Bahnindustrie, der es zuweilen schwer fällt, sich auf flexiblere Märkte und wandelnde Produktanforderungen einzustellen. Dabei kann ein Blick auf den Flugzeugbau zeigen, wie die Herstellung von Schienentechnik optimiert werden könnte. Komplexe Supply Chain Insgesamt zeichnet sich die Bahnindustrie durch eine komplexe und grenzüberschreitende Fertigungsstruktur aus, wobei in Foto: fotolia.de Deutschland drei große Hersteller von Schienenfahrzeugen mit einer Vielzahl mittelständischer Zulieferbetriebe zusammenarbeiten. Einen Eindruck von der Komplexität der Zuliefererkette im Schienenverkehr liefert der Hauptabnehmer Deutsche Bahn: Hier organisiert ein Team von ca. 1000 Angestellten die Zulieferung durch rund 19 000 Betriebe. Erschwert wird die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Unternehmen dabei durch manche Eigenheiten, die branchentypisch für die Bahnindustrie sind: So wünschen sich die Betreibergesellschaften in der Regel speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Züge, was zur Folge hat, dass unterschiedliche Zugvarianten in der Regel nur in geringer Stückzahl produziert werden. Der Aufwand für Herstellung, Wartung und Instandsetzung der Bahntechnik ist dementsprechend hoch. Dass es auch anders geht, zeigt der Flugzeugbau, denn hier ist es üblich, den Fluggesellschaften Standardmodelle anzubieten. Um den Herstellungsprozess von Bahntechnik zu optimieren, empfiehlt es sich daher, das Product-Lifecycle-Management (PLM) und insbesondere das Supply- Chain-Management der Luftfahrtbranche genauer unter die Lupe zu nehmen. Die hier üblichen Prozesse, Standarddefinitionen und IT-Lösungen könnten auch die deutsche Bahnindustrie dabei unterstützen, ihren Marktanteil im internationalen Wettbewerb weiter auszubauen. Vorbild Luftfahrtindustrie Insbesondere bei komplexen Lieferketten kann es sich auszahlen, hierfür einen externen Dienstleister zu engagieren. Ein Experte aus dem Bereich Flugzeugbau ist die Airbus-Tochterfirma Cimpa, die sich auf Dienstleistungen im Bereich PLM spezialisiert hat. Um die Effizienz der Supply Chain zu optimieren und alle an der Herstellung beteiligten Unternehmen besser in das Netzwerk zu integrieren, hat CIMPA ein umfassendes Modell entwickelt, das das Potenzial hat, die Zusammenarbeit auch in der Bahnindustrie auf eine ganz neue Grundlage zu stellen. Das Collaboration Model greift dabei auf drei Ebenen unterstützend in den Produktionsprozess ein: Auf der ersten Ebene geht es zunächst darum, Verträge auszuarbeiten, Standards zu definieren und die Zusammenarbeit zwischen den Zulieferern und dem Abnehmer durch verbindliche Regeln zu gestalten und zu dokumentieren. Der Vorteil: Solche übergeordneten und verbindlichen Regelungen stellen Klarheiten her und helfen dabei, Reibungsverluste im Herstellungsprozess zu minimieren. Erst auf der zweiten Ebene sieht das Collaboration Model die Implementierung konkreter PLM-Methoden und Prozesse vor. Ziel ist es hierbei, durch ein professionelles Konfigurations- und Changemanagement die unternehmensübergreifenden Planungs- und Produktionsprozesse zu harmonisieren, die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Supply Chain zu steigern, und so die Anforderungen und Wünsche des Endabnehmers termin- und vertragsgerecht zu erfüllen. Kernstück der dritten Ebene, die sich auf die Gestaltung der IT-Architektur des Extended Enterprise bezieht, ist die zentrale Datenspeicherung und Nutzerverwaltung aller am Produktionsprozess beteiligter Instanzen. Design- und Produktdaten sind so jederzeit verfügbar - unnötige Barrieren und Zeitverluste können vermieden werden. Um ein solches IT-System gegen unbefugten Zugriff zu sichern, sieht das Modell unter anderem eine zentralisierte Verwaltung der Zugangsrechte und die Implementierung hochwertiger Firewalls vor. 1 Großes Optimierungspotenzial Die Trends der Zukunft bieten große Markt- und Gewinnchancen für die traditionsreiche deutsche Bahnindustrie. Dies nicht nur, weil in vielen Regionen der Welt der Bahnverkehr als klimaschonendes und günstiges Verkehrs- und Transportmittel stark ausgebaut wird, sondern auch, weil die global vernetzten Fertigungsprozesse beim Bau von Schienenfahrzeugen noch ein großes Optimierungspotenzial besitzen. Die Stärkung von Koordination und Integration aller am Product-Lifecycle beteiligter Unternehmen kann durch ein umfassendes, extern geplantes und umgesetztes Maßnahmenpaket wie das von CIMPA nachhaltig gefördert werden. Im weltweiten Vergleich steht die deutsche Bahnindustrie an der Spitze - sowohl hinsichtlich der Branchengröße als auch ihrer Innovationskraft. Nun ist es Zeit, alles dafür zu tun, dass ihre Supply Chain auch in Zukunft so funktioniert wie die von ihr produzierten Züge: Pünktlich, schnell und zuverlässig. ■ 1 Unternehmen, die das Collaboration Model von Cimpa nutzen, profitieren in allen Stadien der Zusammenarbeit von den Beratungs- und Serviceleistungen der Airbus-Tochter - von der Planungs- und Implementierungsphase über den laufenden Prozess bis zum Auslaufen des Kollaborationsvertrages und einem eventuellen Neustart. Nils Kruse Head of EADS & External Market PLM Services, CIMPA info@cimpa.com Connecting Global Competence Logistics makes it happen Pünktlich am richtigen Ort: Auf der Weltleitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management erwarten Sie über 2.000 Aussteller aus 63 Ländern. Hier dürfen Sie auf keinen Fall fehlen. BuCHen SIe IHr TICkeT jeTzT MIT WenIgen kLICkS: www.transportlogistic.de/ tickets 5. - 8. Mai 2015 Messe München TL15-Besucher_70x297_D.indd 1 06.02.15 12: 47 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 40 LOGISTIK Wissenschaft Antriebstechnologie und Nachhaltigkeit im Straßengüterverkehr Verknüpfung von Verkehrslogistik und Fahrdynamik von Nutzfahrzeugen Verkehrslogistik, Fahrzyklen-Simulation, Fahrzeugantriebe, Hybridisierung, Energieverbrauch, Emissionsreduktion Viel wird über Nachhaltigkeit in der Logistik und im Verkehr geredet, aber die Umwelt- und die Klimaproblematik bleiben akut und die Indikatoren zur Transportproduktivität zeigen erhebliche Potenziale zur Energieeinsparung und Emissionsreduktion auf. Es mangelt nicht an technologischen Zukunftskonzepten, vielmehr fehlen systematische Blickweisen, um die Stimmung für emissionsreduzierte Nutzfahrzeuge und nachhaltige Transportketten zu heben. Dabei soll die Verknüpfung von logistischen Anforderungen mit den fahrdynamischen Eigenschaften von Antrieben Argumente liefern. Die Autoren: Heinz Dörr, Yvonne Toifl, Arno Huss, Peter Prenninger U nbestritten eine Erfolgsgeschichte sind die- motorenseitigen Abgasvorschriften der EURO-Klassen, die rechtzeitig erlassen wurden und einen Technologieschub sowie eine nie dagewesene Dynamik in der Flottenerneuerung in Gang gesetzt haben. Allerdings scheint mit EURO VI bei den herkömmlichen Antrieben ein gewisser Plafond erreicht worden zu sein. Das moderne Fuhrparkmanagement zielt in kürzeren Zeiträumen auf höhere Fahrleistungen ab, womit externe Effekte auf die frequentierte Verkehrsinfrastruktur und die belastete Umwelt verbunden sind, die zunehmen können, auch wenn das einzelne Fahrzeug und die Flotten der Transportunternehmen im Durchschnitt weniger Energie verbrauchen und weniger an die Umwelt emittieren. Eine Nachfrage der verladenden und transportierenden Wirtschaft nach zukunftsfähigen technologischen Transportlösungen ergibt sich, wenn damit die Kundenanforderungen besser erfüllt und bei der Fahrzeugbeschaffung ein realistischer Return on Investment erzielt werden können. Vorhaben Sollen überzeugende Argumente ins Treffen geführt werden, braucht es griffige, an der Tourenpraxis der Logistikdienste orientierte Indikatoren. Dazu muss die Teilnahme der Nutzfahrzeuge im werktäglichen Verkehrsgeschehen erfasst werden, um mit diesem Daten-Input Simulationen der Fahrdynamik von Nutzfahrzeugen vornehmen zu können. Damit können in weiterer Folge verkehrsökonomische und verkehrsökologischen Effekte quantifiziert sowie verkehrslogistische Gestaltungsmöglichkeiten für den Nutzfahrzeugeinsatz abgeleitet werden. Fahrzyklen-Simulation Mit der Simulation von Fahrzyklen wird bezweckt, Daten über den Energiebzw. Kraftstoffverbrauch und den Emissionsausstoß unter bestimmten vielfältigen Lastanforderungen an den Fahrzeugantrieb zu gewinnen. Während die Fahrzeugindustrie auf die Prüfung von Komponenten und deren optimales Zusammenwirken als Aggregate fokussiert ist, wurden im Projekt EFLOG verkehrslogistische Einsatz-Szenarien den Fahrzeugbewegungen als Randbedingungen zugrunde gelegt. 1 Dabei fungiert der Fahrweg eines Transportlaufes als Schnittstelle zwischen den fahrdynamischen Vorgängen aufgrund der gewählten Antriebstechnologie sowie den Einflussfaktoren aufgrund der definierten Logistikaufgabe und den anzutreffenden äußeren Bedingungen aufgrund der Verkehrsteilnahme des Nutzfahrzeuges im Straßennetz. daten-Input-Modell Folgende Datensätze wurden in die Simulation als verkehrslogistische Randbedingungen eingebracht. Sie waren aus Einflussfaktoren in ihren Wirkungszusammenhängen zu generieren (Bild 1): • Kantenlänge eines Beschleunigungs-, Roll- und Verzögerungsvorganges in der Fahrzeugbewegung unter homogenen Befahrungsbedingungen des Fahrweges • Maximal mögliche Fahrgeschwindigkeit in % der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Auslastung des Fahrweges • Häufigkeit und mittlere Dauer der verkehrsbedingten und der logistikbedingten Stopps • Beladungszustand des Fahrzeuges Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 41 Wissenschaft LOGISTIK Dazu sind straßennetzspezifische Aufbereitungen („Infrastrukturelles Setting“) notwendig. Diese umfassen Ausstattungsattribute, wie Streifigkeit, Knotenabstände, Längsneigungen, verkehrslichtsignalgeregelte Knoten und spezifische Beschränkungen, die für die Kapazität des Fahrweges maßgeblich sind und das frequentierte Netz in Kanten und nach Straßenkategorien aufgliedern lassen. 2 Zu diesen statischen Faktoren gesellen sich dynamische Einflussfaktoren des Verkehrsgeschehens, um die Verkehrsteilnahme der Güterfahrzeuge in den Kontext des Fließverkehrs zu stellen. Dazu gehört die Interpretation der werktäglichen Verkehrslagebilder, die aus der Erfassung des Zeitganges der Verkehrsstärken über automatische Zählstellen gewonnen werden. 3 Damit kann eine Einstufung der Verkehrsqualität im Abgleich von theoretischer Kapazität und tatsächlicher Verkehrsabwicklung differenziert im Tagesgang als Level of Service (LoS) definiert werden, der mit einer entsprechend erreichbaren Fahrgeschwindigkeit der Nutzfahrzeuge nach Klassen (N1, N2, N3) bezogen auf Kanten in die Simulation einfließen kann. 4 Als Determinante der Transportkette kommt die Tourenplanung zum Tragen, die im Kundenauftrag eines Verladers oder Empfängers durchgeführt wird und die Dichte und Anzahl der anzufahrenden Ladestationen (wie Points of Sale, Points of Delivery etc.) sowie die Ladungsabschichtung dort bestimmt. Dieses „Logistische Setting“ führt zur Auswahl des Transportregimes (make or buy) und des einzusetzenden Fahrzeuges („Transportwirtschaftliches Setting“), dessen Kenndaten, wie das jeweilige im Laufe der Tour veränderte Fahrzeuggesamtgewicht, auf die Kanten der als Netzgraph dargestellten Fahrtroute umgelegt werden. 5 Anwendung in Mustertransportläufen Dieser Modellaufbau erlaubt es nunmehr, verschiedenartige logistische Bedienungen von Gütersenken oder Transportrelationen im Punkt-zu-Punkt-Verkehr für Fahrzyklen-Simulationen herzunehmen. Als Einstieg dafür wurden drei Mustertransportläufe innerhalb der Metropolregion Wien angenommen, die sich aus folgenden Komponenten konstituiert haben: 1. Drei werktägliche Logistikprozesse, nämlich Verteiltouren von Logistiklägern im Umland zu einem innerstädtischen Lieferbezirk im KEP-Dienst und für die Belieferung im Lebensmittelhandel (LEH-Tour) sowie eine industrielle Lieferfahrt von einer innerstädtischen Produktionsstätte zu einem Großabnehmer (ZZG-Tour) im Umland und retour mit einer Lauflänge zwischen 36 und 40 km . 2. Diese Touren werden mit typischen Nutzfahrzeugen der Klassen N1 (bis 3,5 t Gesamtgewicht), N2 (12 t maximales Gesamtgewicht) und N3 (bis 40 t zulässiges Gesamtgewicht, hier aber mit maximal 35 t unterwegs) durchgeführt. 3. Die Lieferfahrzeuge verkehren auf einem repräsentativen Laufweg, die in der Streckenabfolge die drei charakteristischen Straßenkategorien I (Autobahn), II (Hauptstraße) und III (Erschließungsnetz) frequentieren. 6 4. Für die Mustertransportläufe wurden für die jeweiligen Logistiktouren (ab Auslieferlager) übliche Zeitfenster definiert (z. B. KEP-Dienst mit N1: 8-17 h, LEH-Tour mit N2: 6-20 h, ZZG-Tour mit N3: 17- 22- h), um sodann für die drei Straßenkategorien die im Zeitfenster des Tagesganges der Verkehrsstärken auftretenden Anteile der drei Verkehrszustände LoS A*, C* und E* zu ermitteln (Bild 2). 5. Mithilfe des Basisdiagrammes ergibt sich in Abhängigkeit von der Kantenlauflänge die erreichbare Fahrgeschwindigkeit je Kante (Bild 3), welche die Grundlage für die fahrdynamische Simulation der Lastanforderung an den Antrieb und das Betriebsverhalten des Antriebssystems selbst darstellt, wie im Bild 4 für einen 23-minütigen Zeitabschnitt auf einer Zulaufstrecke für das N2-Fahrzeug vom Umland in das Stadtgebiet dargestellt ist 7 (siehe auch Bilder 5-7). Antriebsvarianten und Reduktionspotenziale Die Fahrzyklen-Simulationen wurden mit dem AVL- CRUISE-Simulations-Programm im AVL-List-Stammsitz in Graz durchgeführt. Als Antriebskonfigurationen wurden für die erwähnten Nutzfahrzeug-Typen zunächst herkömmliche Diesel- und Gasantriebe (CNG) als Basisvarianten auf dem Stand der Technik (EURO VI) unter Zugrundelegung der genannten verkehrslogistischen Fahrzeugeinsätze gewählt und deren Kraftstoffbzw. Energieverbrauch und die CO 2 -äquivalenten Emissionsmengen bestimmt. 52% 35% 13% Straßenkategorie II ~8 km = 30% ˣ 51% 45% 4% Straßenkategorie III ~12 km = 20% ˣ LoS A* LoS C* LoS E* 20% 75% 5% Straßenkategorie I ~20 km = 50% ˣ N2: LoS-Anteile im Zeitfenster 6-20 Uhr ˣ der Ges amtdi stanz Straßenkategorie Fahrstreifenanzahl theoretische Verkehrsstärke (theoretische max. Kapazität) reale Verkehrsstärke (tatsächliche Kapazität) LoS je Straßenkategorie Anteil des LoS im Zeitfenster je Straßenkategorie branchenspezi sche Besonderheiten gesetzliche Rahmenbedingungen anteilsmäßige Verteilung des LoS auf die Kantenabschnitte Zeitfenster aufgrund des LoS max. mögliche Geschwindigkeit max. erlaubte Geschwindigkeit Fahrzeugklasse Routenwahl Nutzlast / Volumen Länge des Kantenabschnittes Geschwindigkeit je Kantenabschnitt transportwirtschaftliche Ein ussfaktoren (z.B. Entladung) infrastrukturelle Ein ussfaktoren (z.B. Verkehrslichtsignalanlage) Häu gkeit und Dauer der Stopps Beladung des Nfz ENERGIE-/ KRAFTSTOFFVERBRAUCH Transportwirtschaftliches Setting Logistisches Setting Infrastrukturelles Setting Legende: Ein ussfaktoren auf den Energie- / Kraftsto verbrauch organisatorische und technologische Innovationen Fahrdynamik: - Start und Stopp - Hybrideinsatz - Fahrerassistenzsysteme Logistikwirtschaft: - Änderung der Lieferzeitfenster (Kundenintervention) - Routenänderung (Abfolge der Lieferpunkte) Verkehrsorganisation: - Verkehrs ächenangebot - Verkehrs ussorganisation - Verkehrsregulierungen - ... Wirkungszusammenhänge zur Herleitung der Eingangsparameter Eingangsparameter als Randbedingungen für die Fahrzyklen-Simulation Randbedingungen zur Gestaltung einer emissionsarmen Gütermobilität Bild 1: Verkehrslogistische Einflussfaktoren auf Fahrdynamik und Kraftstoffverbrauch Bild 2: Verkehrszustände im Zeitfenster einer Logistiktour nach frequentierten Straßenkategorien Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 42 LOGISTIK Wissenschaft Um Reduktionspotenziale herauszufinden und eine Flottenumstellung zu antizipieren (eine Prognose erschien von Anfang an noch nicht sinnvoll) wurden jene Antriebsvarianten für die Hybridisierung und Elektrifizierung ausgewählt, die bis zum Jahr 2020 für die gestellten Anforderungen als technisch einsatzfähig gelten können, auch wenn solcherart ausgestattete Nutzfahrzeugmodelle gegenwärtig am Markt noch wenige angeboten werden. Bei den Systemauslegungen, was die Motorleistungen oder die Kapazität der Energiespeicher (insbesondere Batterie) betrifft, wurde Augenmaß angelegt, da nur Fahrzeuge überzeugen, die alltagstauglich im Wirtschaftsverkehr einsatzfähig sind. 8 Die detaillierten technischen Spezifikationen der Hybridisierung bzw. alternativer Antriebsformen, einschließlich der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie, können hier nicht in aller Breite ausgeführt werden. Generell kann gesagt werden, dass als technische Alternativen zum rein dieselbasierten Antrieb einerseits „Dual-Fuel“-Varianten, d. h. die Versorgung eines Fahrzeugantriebes mit zweierlei fossilen Kraftstoffen, wie z. B. Diesel mit verflüssigtem (LNG) oder komprimiertem Erdgas (CNG), und andererseits „Alternative Fuel“-Varianten, d. h. die Versorgung ausschließlich mit alternativen Antriebsenergien, Zukunftsoptionen darstellen. Von besonderer Bedeutung sind „Dual-Energy“- oder „Hybrid“-Varianten, die eine breite Palette von Hybrid- Antrieben bzw. -Fahrzeugen (HEV) umfassen, in denen je nach Hybridisierungsgrad Verbrennungsmotor und Elektromaschine sowie Kraftstofftank und Batterie unterschiedlicher Leistung und Kapazität kombiniert werden. Mikro- und Mild-Hybrid-Fahrzeuge sparen durch die Start-Stopp-Funktionalität vor allem im Stadtverkehr schon erheblich an fossilem Kraftstoff ein, Voll-Hybrid- Fahrzeuge erlauben über gewisse Strecken rein elektrisches Fahren, z. B. um immissionsgefährdete Siedlungsräumen zu entlasten. Diese können mit einer Plug-In- Funktion zum leitungsgebundenen Aufladen der Batterie ausgestattet sein, um neben der Energierückgewinnung während der Fahrt (Rekuperation) auch während eines längeren Stopps extern Strom aufzunehmen. Damit kann die Reichweite für das elektrische Fahren wesentlich gesteigert werden. Das muss aber mit einem steigenden Gewicht der Batterie, was wiederum die Nutzlastkapazität des Fahrzeuges reduziert, und mit einer stärkeren Leitungsbelastung des Stromnetzes bezahlt werden. Schließlich stellen die rein batteriegestützten Elektrofahrzeuge (BEV) beim Stand der Batterietechnologie in absehbarer Zeit nur für den Leistungsbedarf der leichteren und maximal mittleren Nutzfahrzeugklassen (N1, N2) eine Alternative dar. Sie sind allerdings die für den Geschwindigkeit [km/ h] Kantenlau änge [m] K0 K1 Level of Service E* (Stop and Go - Verkehr) zulässige Vmax Beschleunigungsphase Gleit- (Roll-) Phase Verzögerungs- (Brems-) Phase Basisdiagramm: Fahrverhalten abhängig von der Kapazitätsauslastungdes Fahrweges (LoS) Level of Service C* (Fahrgeschwindigkeit = Fließgeschwindigkeit) Level of Service A* (frei Wahl der Geschwindigkeit, daher Vzulässig = Vmax) 100% % von Vzulässig 50% 40% Leerfahrt Vollfahrt Bandbreite der Beschleunigung 0% A* E* C* E* A* C* A* Leistungsbedarf für elektr. Fahren aller Geschwindigkeiten Straßenkat. I A2, A23 Straßenkat. II B224 Zulauf Bild 3: Basisdiagramm Fahrverhalten nach Verkehrszustand Bild 4: Motorleistungsbedarf für das N2-Fahrzeug aufgrund des Geschwindigkeitsprofils nach Level of Service im Zeitdiagramm einer Zulaufstrecke Bilder 5-7: Level of Service (LoS) A* auf Straßenkategorie I (links), LoS C* auf Straßenkategorie II (Mitte), LoS E* auf Straßenkategorie III (rechts) im Zeitfenster einer Beobachtungsfahrt Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 43 Wissenschaft LOGISTIK Gütertransport innerhalb von Ballungsräumen bevorzugten Verkehrsmittel, sofern die verkehrslogistisch erforderliche Reichweite, z. B. durch Batterie-Ladeinfrastruktur im Bedienungsgebiet, gewährleistet werden kann. Des Weiteren können zusätzliche fahrzeugseitige Maßnahmen zur Reduktion von Energieverbrauch und Emissionen beitragen, indem die Abwärmenutzung (Waste Heat Recovery) in Betracht gezogen wird und am Fahrwerk (einschließlich der Reifen), an der Karosserie und am Aufbau zur Verringerung des Roll- und Luftwiderstands angesetzt wird. Um die Transportproduktivität des Fahrzeuges zu verbessern, kommen zudem Leichtbaukomponenten in Frage, womit das Verhältnis zwischen Nutzlastgewicht und Fahrzeuggesamtgewicht deutlich gesteigert werden könnte. Ergebnisse der Fahrzyklen-Simulationen Um eine Grundlage für die Interpretation verkehrslogistischer Aufgabenstellungen zu schaffen, wurden in einem ersten Durchgang nur herkömmliche dieselangetriebene Nutzfahrzeuge unter den Verkehrsbedingungen von jeweils Level of Service A* (z.B. bei Nachtanlieferung), C* (z. B. Tour außerhalb der Verkehrsspitzenzeiten) und E* (z. B. Terminlieferung in der Morgenspitze) simuliert. Dabei ergab sich wenig überraschend, dass der lockere Fließverkehr mit LoS C* dem Gütertransport aller drei Nutzfahrzeugklassen am besten entgegenkommt und die Dieselverbräuche daran zu messen sind. Diese variieren zwischen dem 2,6-fachen (bei N1) und dem 5,6-fachen Dieselverbrauch (bei N3) bei Verschlechterung der Verkehrsqualität von C* zu E*, aber auch zwischen 24 % und 30 % Mehrverbrauch bei einer Verbesserung zu A*. Das spricht sowohl für eine fahrzeugseitige Innovationsoffensive als auch für ein Verkehrsmanagement, das für eine Homogenisierung der Verkehrsflüsse im Tagesgang sorgt. Die Simulationsergebnisse für die verschiedenen Antriebsvarianten ergeben bemerkenswerte Reduktionspotenziale, wie in Bild 8 beispielhaft dargestellt ist. So zeigt sich, dass schon kleinere technologische Maßnahmen, wie die Start-Stopp-Funktion (Micro Hybrid), über alle Nutzfahrzeugklassen zwischen 11 % und 39 % Reduktionspotenzial beim Energieverbrauch erzielen. Eine volle Hybridisierung mit einem Dual-Energy-Concept, das konventionelles mit elektrischem Fahren kombinieren lässt, könnte sogar bis zu 75 % Energie- und ähnliche Emissionseinsparungen erbringen. In Hinblick auf Energieeffizienz und mit dem Vorteil von Nullemission sind reine Elektrofahrzeuge kaum zu übertreffen, aber ihre Einsatzfähigkeit ist aufgrund der Reichweitenanforderungen von Güterverkehren noch eng begrenzt. Die Möglichkeit zur Rekuperation ist sowohl ein Argument für den Einsatz reiner Elektrofahrzeuge als auch von entsprechend ausgerüsteten Hybridfahrzeugen, die eine neuralgische Strecke emissionsfrei zurücklegen können. Nachhaltigkeitsindikatoren Abschließend hat sich die Aufgabe gestellt, nicht nur eine Vergleichbarkeit der Antriebsvarianten in Hinblick auf ihre Reduktionspotenziale innerhalb einer Fahrzeugklasse und einer typischen Logistik-Tour herzustel- 0 100 200 300 400 500 600 700 800 Baseline Reduktion FW Start & Stop P2 HEV (CSGI) P2 HEV (TISG) P2 Plug-In HEV S HEV1 S HEV2 BEV Diesel; 707.3 Diesel; 694.2 Diesel; 570.6 Diesel; 532.9 Diesel; 496.8 Diesel + Strom*; 153.8 Diesel; 388.0 Diesel; 416.9 Strom*; 137.4 CNG; 672.8 CNG; 663.4 CNG; 521.1 CNG; 486.7 CNG; 446.9 CO 2 -Äquivalente Emissionen (gCO 2 -Äq/ km) Verbrauchsreduktionspotentiale durch neue Antriebstechnologien bis 2020 N2 Fahrzeugklasse , Fahrzeuggewicht <12t @ LEH-Tour N2 Bild 8: Emissionsreduktionspotenziale bei einer Lebensmittel-Liefertour mit N2-Fahrzeug nach Antriebsvarianten 9 Tourenkennwerte für N1-, N2- und N3-Fahrzeuge Tour eines Mustertransportlaufes Simulierter Energieverbrauch in Mega-Joule (MJ) Tour eines Mustertransportlaufes Simulierte Emissionsmenge CO 2 -Äquivalente in g/ tkm Fahrzeuggewicht (FzG) Lauflänge der Tour Vollladungsäquivalente Fahrleistung mit Startgewicht Leerfahrtäquivalente Fahrleistung mit Eigenmasse Transportaufwand zur Bedienung der Tour Antriebsbestvariante beim Energieverbrauch Energieverbrauch je Tour (Kontrollrechnung) Verkehrslogistischer Energieverbrauch in MJ pro tkm tourenspezifisches Fahrzeuggewicht Antriebsbestvariante bei der Emissionsmenge Emissionsmenge je Tour (Kontrollrechnung) Emissionsmenge in Gramm pro tkm tourenspezifisches Fahrzeuggewicht 39,1 km 27,4 km mit 3,0 t = 82,20 tkm 11,7 km mit 2,5 t = 29,25 tkm 111,45 tkm N1-KeP-Tour mit elektrofahrzeug (beV) 68,97 MJ/ 39,1 km der Tour = 1,764-MJ/ km 68,97 MJ je Tour/ 111,45-tkm je Tour-= 0,619 MJ/ tkm Fzg N1-KeP-Tour mit elektrofahrzeug (beV) 3.773,15 gCO 2 -Äq / 39,1 km der Tour = 96,50 gCO 2 -Äq/ km 3.773,15 gCO 2 -Äq je Tour: 111,45 tkm je Tour = 33,86 gCO 2 -äq/ tkm Fzg 40,2 km 20,1 km mit 9,35-t = 187,94-tkm 20,1 km mit 4,85-t = 97,49-tkm 285,42-tkm N2-LeH-Tour mit Diesel/ Plug-In-Hybrid P2/ Dual energy Concept 92,82 MJ/ 40,2 km der Tour = 2,309-MJ/ km 92,82 MJ je Tour/ 285,42-tkm je Tour = 0,325 MJ/ tkm Fzg — — — 20,1 km mit 9,55-t = 191,96 tkm 20,1 km mit 5,05 t = 101,51 tkm 293,46-tkm — — — N2-LeH-Tour mit elektrofahrzeug (beV) 5.523,48 gCO 2 -Äq / 40,2 km der Tour = 137,4 g CO 2 -Äq/ km 5.523,48 gCO 2 -Äq je Tour: 293,46 tkm je Tour = 18,82 gCO 2 -äq/ tkm Fzg 36,0 km 18,0 km mit 35,24-t = 634,32-tkm 18,0 km mit 15,24 t = 274,32-tkm 908,64 tkm N3-ZZg-Tour mit Diesel/ P2 (TIsg) Hybrid 451,33 MJ/ 36,0-km der Tour = 12,537 MJ/ km 451,33 MJ je Tour/ 908,64-tkm je Tour = 0,497 MJ/ tkm Fzg N3-ZZg-Tour mit CNg/ P2 (TIsg) Hybrid 28.490,40 gCO 2 -Äq / 36,0 km der Tour = 791,40 gCO 2 -Äq/ km 28.490,40 gCO 2 -Äq je Tour: 908,64 tkm je Tour = 31,35 gCO 2 -äq/ tkm Fzg Tabelle 1: Antriebs-Bestvarianten auf Basis des simulierten Energieverbrauchs und Emissionsausstoßes anhand von Nachhaltigkeitsindikatoren Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 44 LOGISTIK Wissenschaft len, sondern auch Indikatoren für eine übergreifende Bewertung aufzustellen. Denen liegen das sich verändernde Gesamtfahrzeuggewicht (FzG), wenn eine Abschichtung der Zuladung während einer Tour passiert, und die Umrechnung in darauf bezogene Tonnenkilometer für den zu leistenden Transportaufwand zugrunde. Wegen der unterschiedlichen Antriebsenergien wurden der Energieverbrauch in Mega-Joule (MJ) sowie die Emissionsmenge in Gramm CO 2 -Äquivalenten bezogen auf Tonnenkilometer äquivalentem Fahrzeuggesamtgewicht ausgedrückt. Damit liegt eine brauchbare Indikatorentafel zur Evaluierung der Nachhaltigkeit von Transportläufen vor. Nachfolgender Auszug daraus stellt die Antriebs-Bestvarianten je Tour und Nutzfahrzeugklasse im übergreifenden Vergleich dar (Tabelle 1). Fazit und Ausblick Zur Aktivierung der erkannten Reduktionspotenziale können erstens technologische Maßnahmen am Fahrzeug gesetzt werden, die vor allem den Antriebsstrang, die Energiebzw. Kraftstoffversorgung, die Energiespeicherung und den Fahrwiderstand betreffen. Zweitens können die Organisation des logistischen Einsatzes des Fuhrparks und außerdem die unternehmerische Standortpolitik als Quellen und Ziele der Güterverkehrsrelationen zur Verkehrsrationalisierung beitragen. Schließlich tauchen am Zukunftshorizont (teil)automatisierte und vernetzte Verkehrssysteme auf, in denen die Bewegungen der einzelnen Fahrzeuge am Fahrweg untereinander koordiniert ablaufen und im Straßennetz mit dem zeitnahen Verkehrsmanagement interagieren werden. Das wird künftig eine methodische Integration von logistikorganisatorischen, verkehrsplanerischen und fahrzeugtechnischen Zugängen erfordern, um eine nachhaltigere Gestaltung der Gütermobilität zu realisieren. Ein solcher interdisziplinärer Brückenschlag kann mit dem Oberbegriff „Intelligente Verkehrslogistik“ trefflich bezeichnet werden. ■ 1 Das Projekt EFLOG - Neue Fahrzeugtechnologien und ihre Effekte auf Logistik und Güterverkehr - wurde als Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung für das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) durchgeführt. Am Forschungskonsortium haben das Ziviltechnikerbüro arp-planning.consulting.research (Wien), die AVL List GmbH (Graz), der Fachbereich Verkehrssystemplanung am Department für Raumplanung der Technischen Universität Wien und EnergyComment (Hamburg) mitgewirkt. Der Ergebnisbericht [1] ist als Download unter dem Link verfügbar: http: / / www.bmvit.gv.at/ service/ publikationen/ innovation/ mobilitaet/ downloads/ eflog.pdf 2 Die Aufbereitung der Input-Daten erfolgte nach dem methodischen Konzept der Graphentheorie (Grundlegendes bei [2]), die in der Touren- und Verkehrsnetzplanung breite Verwendung findet. Beispiele für die Attributierung von Verkehrsgraphen für Branchenverkehre wurden dargelegt in [3]. 3 Dabei wurde auf Auswertungen der UNECE-Zählungen 2010 für das Land Wien mit 96 Zeitschnitten in 24 Stunden (viertelstündliche Änderung der Verkehrsstärken) zurückgegriffen (Quelle: [4]). 4 Ausgehend vom klassischen Ansatz der Stufen A (freier Verkehrsfluss) bis F (stockender Verkehr), wurden, da Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht ohnehin mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung belegt sind und daher den Level of Service A nicht in gleicher Weise nützen können wie Pkw, die Stufen A+B zu A*, C+D zu C* und E+F zu E* zusammengefasst. 5 Zur Strukturierung der Entscheidungszusammenhänge hat sich das Konzept der (drei) Settings bewährt (siehe [5]). 6 Als repräsentativ anzusehende Referenzstrecke wurde nach einem Screening von 22 Umland-Kernstadt-Straßenzügen mit hohem LKW-Anteil die Zulaufroute vom Wirtschaftspark Industriezentrum Niederösterreich Süd an der A2 bis in den gründerzeitlichen Wiener Außenbezirk Ottakring gewählt. 7 Eine Orientierungshilfe bot das Highway Capacity Manual, 2000, table 15-3 und 15-4 [6], das dazu den Indikator „Bandbreite der freien Fließgeschwindigkeit“ (Range of free-flow speeds - FFS) in Abhängigkeit vom Verkehrszustand Level of Service (LoS) und von der vierstufigen Straßenkategorie Urban Street Class ausführt. Adaptionen in Hinblick auf heimische Straßennetzbedingungen waren allerdings vorzunehmen. 8 Je nach Hybridisierungsgrad der Antriebsvariante wurde z.B. beim N2-Fahrzeug für den simulierten Einsatzzweck ein maximaler Leistungsbedarf des Elektromotors von 160 kW festgelegt, womit das Rekuperationspotenzial zu rd. 2/ 3 ausgeschöpft werden kann. Dadurch kann das Batteriegewicht in zweckmäßigen Grenzen gehalten werden. 9 Die dargestellten Maßnahmen bzw. Antriebsvarianten sind: FW = Fahrwiderstand als Summe von Luft- und Rollwiderstand P2 HEV = Hybrid Electric Vehicle (Hybridfahrzeug) mit Kupplung zwischen Verbrennungskraftmaschine und Elektromaschine CSG = Crankshaft Starter Generator (Kurbelwellen-Starter-Generator) TISG = Transmission Integrated Starter Generator (getriebeintegrierter Startergenerator) S HEV 1 = Serielles Hybridfahrzeug im Bestpunkt-Betrieb: die Verbrennungskraftmaschine dient als Generator und wird bei konstanter Leistung im verbrauchsoptimalen Betriebspunkt betrieben. Dazu wird eine größere Batterie zur Pufferung benötigt. S HEV 2 = Serielles Hybridfahrzeug im Linien-Betrieb: die Leistung der Verbrennungskraftmaschinen wird kontinuierlich an die geforderte Antriebsleistung des Elektromotors angepasst und kann dadurch nicht nur im verbrauchsoptimalen Betriebspunkt betrieben werden. BEV = Battery Electric Vehicle (reines Elektrofahrzeug) LITeRATuR [1] EFLOG - Neue Fahrzeugtechnologien und ihre Effekte auf Logistik und Güterverkehr; Forschungs- und Entwicklungsprojekt des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Ergebnisbericht als Download verfügbar unter http: / / www.bmvit.gv.at/ service/ publikationen/ innovation/ mobilitaet/ downloads/ eflog.pdf [2] Diestel: Graphentheorie, Heidelberg 2006 [3] Dörr, Hörl, Pöchtrager: Friendly Supply Chains, IVS-Schriften Bd. 35, Wien 2010, 56 ff. [4] Käfer-Verkehrsplanung: Straßenverkehrszählung Wien 2010, Auswertung Gemeindestraßen A+B, Wien 2011 [5] Dörr, Frank, Tesar: Gewandelte Bedingungen für die Allokation von Transportläufen im Verkehrssystem, Jahrbuch Logistik 2007, 42 ff, Korschenbroich [6] Transportation Research Board - National Academies of Sciences (2000, 2010): Highway Capacity Manual 4th resp. 5th Edition, Washington Yvonne Toifl, B.Sc. Raumplanerin, arp-planning. consulting.research, Wien yvonne.toifl@arp.co.at Arno Huss, Dipl.-Ing. Dr. Fachexperte Hybrid und Systemsimulation, AVL List GmbH, Graz arno.huss@avl.com Heinz dörr, Dipl.-Ing. Dr. Beratender Ingenieur für Raumund-Verkehrsplanung, arp-planning. consulting.research, Wien heinz.doerr@arp.co.at Peter Prenninger, Dipl.-Ing. Dr. Manager Research Future Technologies, AVL List GmbH, Graz peter.prenninger@avl.com Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 45 E-Mobilität LOGISTIK Smart E-User Einsatz von Elektrofahrzeugen im Personen- Wirtschaftsverkehr Elektromobilität, Nutzerverhalten, Personen-Wirtschaftsverkehr, Reichweite Im Projekt Smart-E-User, das im Rahmen der Schaufensterprojekte durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, untersucht das Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung der Fakultät Verkehrs- und Maschinensysteme an der TU Berlin das Nutzungsverhalten von Elektrofahrzeugen im Personenwirtschaftsverkehr. Es zeigt sich, dass im Anwendungsbereich des Gesundheits- und Sozialwesens das Elektrifiierungspotential unterschiedlich ausgeprägt ist. Eine sinkende Hemmschwelle gegenüber der Nutzung von Elektrofahrzeugen kann allerdings durch den Einsatz von Dispositionswerkzeugen beobachtet werden. Die Autoren: Diego Walter, Oliver Schwedes, Benjamin Sternkopf U m eine möglichst hohe Anzahl von Fahrzeugen mit Elektroantrieb in den Fahrzeugmarkt zu integrieren und das ambitionierte Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen zu erreichen, wird es nicht ausreichen, nur auf den motorisierten Individualverkehr zu vertrauen und zu hoffen, dass private NutzerInnen genügend Elektrofahrzeuge anschaffen werden. Darüber hinaus sollte insbesondere der Wirtschaftsverkehr, der mit ca. 27,5 % einen beträchtlichen Anteil des Gesamtverkehrsaufkommens ausmacht, in die Marktintegration von E- Fahrzeugen einbezogen werden. Neben dem Güter-Wirtschaftsverkehr entfallen mehr als die Hälfte der Fahrleistung auf den sogenannten Personen-Wirtschaftsverkehr, bei dem Personen überwiegend berufliche oder dienstliche Tätigkeiten verfolgen [1]. Im Rahmen des Schaufensters Elektromobilität werden Güter- und Personen-Wirtschaftsverkehr im Projekt „Smart E-User: Konzept für elektrische Stadtlogistik“ getrennt untersucht, da von sehr unterschiedlichen Anforderungen an den Einsatz von Elektrofahrzeugen ausgegangen wird. Das Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung der TU Berlin erforscht dabei, inwiefern der Einsatz von Elektrofahrzeugen speziell im Personen-Wirtschaftsverkehr sinnvoll umsetzbar ist. Das Forschungsprojekt Smart-E-User untersucht vor allem den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Gesundheits- und Sozialwesen, welches sich schon in vorangegangenen Untersuchungen als vielversprechende Branche erwiesen hat [2, 3]. Um die bisherigen Untersuchungen zu Potentialanalysen auszubauen, werden zunächst die spezifischen Anforderungen dieses Bereiches an den Einsatz von Elektrofahrzeugen ermittelt. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie batterieelektrische Fahrzeuge in die Arbeitsprozesse des Tagesgeschäfts von Unternehmen im Gesundheit- und Sozialwesens eingebunden werden können. Die dazu befragten Unternehmen kommen aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens. Neben einem ambulanten Pflegedienst und einem Beratungs- und Sachverständigenunternehmen werden auch eine Stiftung für schwer und unheilbar kranke Kinder sowie ein Kinderdorf zum Einsatz der vorhandenen Elektrofahrzeuge befragt. Unterschiedliche Anforderungen an-Elektrofahrzeuge Die bisherigen Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich die Anforderungen an den Fahrzeugeinsatz im Gesundheits- und Sozialwesen sehr unterscheiden und Verallgemeinerungen in der Potenzialabschätzung, wie sie bisher mit Blick auf das Gesundheits- und Sozialwesen getroffen wurden, nicht sinnvoll sind. Beispielhaft soll hier der Umgang mit dem Problem der zu geringen Reichweite von Elektrofahrzeugen beschrieben werden. Aus diesem lassen sich erste, unternehmensspezifische Anforderungen an den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Gesundheits- und Sozialwesen ableiten. So ist das betrachtete Kinderdorf auf eine relativ spontane Nutzung des zur Verfügung stehenden Fahrzeugs, ein Mercedes-Benz Vito E-Cell, angewiesen, da hier meist Fahrwege vorliegen, die der Ausprägung des Individualverkehrs stark ähneln: Sie reichen vom Schulweg der zu betreuenden Kinder über Fahrten zu Einkaufmöglichkeiten bis hin zu Freizeitverkehren. Durch die spontane Nutzung spielt hier die oft im Zusammenhang mit dem Individualverkehr diskutierte Reichweitenproblematik eine große Rolle. Dieser Umstand führt bei den NutzerInnen der Elektrofahrzeuge zu der Einschätzung, die notwendigen Wege nicht immer bewältigen zu können. Allerdings versuchen die FahrerInnen der gefühlten Mobilitätseinschränkung durch eine gezieltere Fahrtenplanung entgegenzuwirken. Die betrachtete Stiftung für schwer und unheilbar kranke Kinder zeigt in der Nutzung ihrer Elektrofahrzeuge ein etwas anderes Anforderungsprofil. So gibt es hier fest eingeplante und regelmäßig stattfindende Fahrten mit relativ konstanten Tagesfahrleistungen, die zumeist von den Mitarbeitern des Verwaltungsbereichs der Einrichtung durchgeführt werden. Diese feststehenden Routen können mit einem Elektrofahrzeug, einem Nissan Leaf, bewältigt werden, so dass hier die Reichweitenproblematik weniger präsent ist. Die Elektrofahrzeuge werden allerdings auch in der ambulanten Pflege eingesetzt, und dabei kommt es in der betrachteten Einrichtung auch immer wieder zu spontanen Routenänderungen durch Notfälle mit betreuten Kindern und deren Familien. Für die NutzerInnen ist nur schwer abschätzbar, wie sich eine Routenänderung während einer Fahrt auf die Restreichweite auswirken wird und ob die zusätzliche Strecke den Aktionsraum des Fahrzeugs nicht übersteigt. Hier tritt die Reichweitenangst und die Befürchtung, die Tätigkeit nicht wie geplant durchführen zu können, wieder sehr deut- Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 46 LOGISTIK E-Mobilität lich zu Tage. Die Verteilung der Einsatzorte über den gesamten Berliner Raum verschärft die Reichweitenangst noch zusätzlich. Die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge ist hier von essentieller Bedeutung. Durch die spontan notwendig werdenden Veränderungen von Routen kann diese Zuverlässigkeit unter Umständen nicht mehr gewährleistet werden und somit eine adäquate Betreuung gefährden. Zugleich erfordert gerade die Dringlichkeit von Einsätzen in der Hospizbetreuung eine hohe Zuverlässigkeit des Fahrzeugs. Deshalb wird selbst bei geringer Wahrscheinlichkeit, die unvorhersehbaren Einsätze nicht mit dem Elektrofahrzeug bewältigen zu können, auf das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zurückgegriffen. Im dritten Beispiel, einem ambulanten Pflegedienst, wird zur Fahrtenplanung ein Dispositionsprogramm verwendet, welches eine genaue Routenplanung ermöglicht. Den NutzerInnen der Elektrofahrzeuge Modell Smart Electric Drive sind die zu fahrenden Kilometer vor Fahrtantritt bekannt. Gegenüber den zuvor betrachteten Einrichtungen zeigt sich hier ein hohes Vertrauen in die zuverlässige Erfüllung des Tagesgeschäftes mittels Elektrofahrzeugen und das Problem der Reichweitenangst spielt in der Wahrnehmung der NutzerInnen kaum noch eine Rolle. Auch wird die Nutzung des Fahrzeugs nicht durch die Reichweitenproblematik eingeschränkt. Ein weiteres Indiz für das gestiegene Vertrauen in die Technik von elektrisch betriebenen Fahrzeugen zeigt die Implementierung der Fahrzeuge vom Einschichtbetrieb in den Zweischichtbetrieb des Pflegedienstes. Die Einsatzzeiten der Elektrofahrzeuge wurden mittlerweile auf die notwendigen Ladezyklen angepasst und das Fahrzeug kann jetzt, ebenso wie die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, im Zweischichtbetrieb genutzt werden. Bild 1 zeigt die Tagesganglinie des Ladezustandes eines Elektrofahrzeuges im Einsatz für den betrachteten ambulanten Pflegedienst. Die Daten basieren auf der Beobachtung einer Schicht mit normaler Länge und Dauer bei einer Temperatur von - 2 °C bis + 4 °C und geringem Niederschlag. Die zweite Schicht des Tages wurde als gleichwertig angenommen. Das Winterszenario und das Ladeverhalten wurden aus den Nutzerinterviews abgeleitet. Sowohl Routen als auch Betreuungszeiten sind in engen Grenzen vorgegeben. Dies ermöglicht eine sehr genaue Planung der Einsatzzeiten und der zu fahrenden Kilometer. Auch hier kommt der Zuverlässigkeit der Fahrzeuge natürlich eine große Bedeutung zu. Allerdings gibt es dabei, anders als bei der betrachteten Hospizbetreuung, kaum Einschränkungen durch spontane Routenänderungen. Ebenso ist das Einsatzgebiet deutlich kleiner und nur auf einen Teilbereich Berlins beschränkt. Die genannten Faktoren führen im betrachteten Pflegedienst zum einen zu einer gesunkenen Hemmschwelle gegenüber der Nutzung eines Elektrofahrzeugs. Zum anderen erlauben sie den Einsatz der Elektrofahrzeuge in Substitution zu einem Verbrennerfahrzeug. Gezielte Fahrtenplanung mittels disposition Entsprechend der bisherigen Erkenntnisse ergeben sich unterschiedliche Elektrifizierungspotenziale für die verschiedenen Einsatzbereiche der sozialen Einrichtungen. So zeigt sich für das Kinderdorf und das Hospiz, dass das Elektrifizierungspotenzial des Fuhrparks im Verwaltungsbereich höher ausfällt als im Pflegebereich. Zwar können aus technischer Sicht die meisten Fahrten der PflegerInnen mit Elektrofahrzeugen bewältigt werden, jedoch muss ein Verbrennungsfahrzeug mit höherer Reichweite als „Backup“ bereitgestellt werden, sodass hier keine ökonomisch sinnvolle Lösung besteht. Der ambulante Pflegedienst hingegen weist ein Nutzungsprofil auf, das eine fast vollständige Elektrifizierung des Fuhrparks erlaubt. Dieses Beispiel zeigt, dass das Dispositionsprogramm die geringe Reichweite des Elektrofahrzeugs für NutzerInnen besser berechenbar macht, wodurch die Akzeptanz steigt. In der Folge ergibt sich eine erhöhte Auslastung der Fahrzeuge und damit ein geringerer Kostenabstand zur verbrennungsmotorischen Lösung. Dennoch lässt sich der Flotteneinsatz von Elektroautos selbst unter diesen denkbar günstigen Rahmenbedingungen und bei Jahresfahrleistungen von ca. 20 000 km für den Betreiber bisher nicht wirtschaftlich darstellen. Eine höhere Auslastung der Elektroautos bzw. die Substitution der Fahrzeuge mit fossilem Antrieb ist in den betrachteten Einrichtungen mit Individualverkehrslösung ebenso denkbar. Dafür müsste fahrzeugseitig eine bessere Verbrauchsvorhersage getroffen werden, sodass auch hier die Fahrt für die NutzerInnen berechenbarer wird („Quasi-Disposition“). Die FahrerInnen kritisieren in diesem Zusammenhang, dass die Abschätzung der Restreichweite durch den Bordcomputer zeitverzögert mit Zu- und Abschaltung der anliegenden Verbraucher wie Heizung und Scheibenwischer angezeigt wird. So zeigt sich in manchen Fällen, dass die NutzerInnen durchaus bereit sind, auf nicht sicherheitsrelevante Verbraucher zu verzichten und das Elektrofahrzeug zu verwenden. Hierfür müssen sie allerdings eine verbindliche Zusage über eine erhöhte Restreichweite erhalten. In anderen Fällen sehen sich die NutzerInnen mit Auflagen von Seiten des Gesetzgebers konfrontiert. Im Falle des Kinderdorfs etwa verlangt das Bild 1: Tagesganglinie Ladestand Zweischichtbetrieb ambulanter Pflegedienst Quelle: Eigene Darstellung Schwedes/ Sternkopf Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 47 E-Mobilität LOGISTIK Personenbeförderungsgesetz, dass der Einsatz der Heizung zu jeder Zeit gewährleistet ist [4]. Fazit Die Forschungsergebnisse im Personen- Wirtschaftsverkehr bestätigen eine generelle Einsicht aus den Erfahrungen mit dem Einsatz von Elektroautos der letzten Jahre: Es gibt nicht den Elektroverkehr. Anders als mit dem Verbrennerfahrzeug gewohnt, das universell einsetzbar ist, gestalten sich die Einsatzmöglichkeiten von Elektrofahrzeugen wesentlich differenzierter. Das Verbrennerfahrzeug kann ohne eine vorherige dezidiert geplante Disposition eingesetzt werden, da die Reichweitenproblematik hier keine Rolle spielt. Ein Elektrofahrzeug kann, aufgrund seiner Reichweiteneinschränkung, nicht in dieser Form genutzt werden. Dieser Umstand erscheint heute noch als Nachteil, könnte sich aber schon bald als ein wesentlicher Vorteil, hinsichtlich eines integrierten Ansatzes von Verkehrsplanung, erweisen. Denn die universelle Einsetzbarkeit des Verbrennerfahrzeugs wird erkauft mit einem weitgehend überflüssigen Ressourcenaufwand. Eine Disposition, um die eingesetzte Energie, die Fahrstrecke und damit den induzierten Verkehr möglichst zu minimieren, ist nicht zwingend erforderlich. Demgegenüber erfordert das Elektrofahrzeug aufgrund seiner begrenzten Reichweite eine präzise Anpassung an spezifische Nutzungskontexte, die ihrerseits flexibel auf die besonderen Anforderungen von Elektrofahrzeugen reagieren müssen. In den hochgradig ausdifferenzierten Branchensegmenten des Personenwirtschaftsverkehrs ist die Notwendigkeit technischer und sozialer Anpassungsleistungen besonders gut zu erkennen. Diese müssen zukünftig durch angemessene politische, ökologische und ökonomische Maßnahmen ergänzt werden, die den Einsatz von Elektrofahrzeugen unterstützen. Dazu bedarf es einer integrierten Planungsstrategie, die auf eine nachhaltige Verkehrsentwicklung gerichtet ist. ■ LITeRATuR [1] Wermuth, Manfred (2015): Personen- und Personenwirtschaftsverkehr: Personenwirtschaftsverkehr als Stiefkind der Verkehrsnachfrageforschung, In: Schwedes, Oliver; Canzler, Wert; Knie Andreas (Hrsg.): Handbuch Verkehrspolitik, VS-Verlag, Wiesbaden (im Erscheinen). [2] Fraunhofer ISI (2012): Working Paper Working Paper Sustainability and Innovation No. S 7/ 2012 - Elektromobilität im Personenwirtschaftsverkehr, Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research, Karlsruhe, URL: http: / / publica.fraunhofer.de/ eprints? urn: nbn: de: 0011-n-2141358.pdf, letzter Zugriff: 19.12.2014. [3] ColognE-mobil (2011): Schlussbericht zum Forschungsvorhaben colognE-mobil - Simulation und Begleitforschung, Universität Duisburg-Essen, URL: https: / / getinfo.de/ app/ Schlussbericht-zum-Forschungsvorhaben-colognE-mobil/ id/ TIBKAT%3A697291944, letzter Zugriff: 19.12.2014. [4] Verkehrsblatt, Amtsblatt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen der Bundesrepublik Deutschland (2005): 14.07.2005 Anforderungskatalog für Kraftomnibusse (KOM) und Kleinbusse (PKW), die zur Beförderung von Schülern und Kindergartenkindern besonders eingesetzt werden, Ausgabe Nr. 15, S. 608. Verkehrsblatt-Verlag, Dortmund. Oliver Schwedes, Prof. Dr. Fachgebietsleitung Integrierte Verkehrsplanung, Fakultät Verkehrs- und Maschinensysteme, TU Berlin oliver.schwedes@ivp.tu-berlin.de Benjamin Sternkopf, B. Sc. Tutor Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung, Fakultät Verkehrs- und Maschinensysteme, TU Berlin benjamin.sternkopf@ivp.tu-berlin.de diego Walter, M. Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung, Fakultät Verkehrs- und Maschinensysteme, TU Berlin diego.walter@ivp.tu-berlin.de Beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr in Bremen ist in der Abteilung Verkehr im Referat Verkehrsprojekte zum nächstmöglichen Zeitpunkt der Dienstposten eines/ einer Referenten/ in Verkehrsprojekte Entgeltgruppe 13 TV-L/ Besoldungsgruppe A 13 zu besetzen. Aufgabenschwerpunkte: • Koordination von Verkehrsprojekten im Bereich Verkehrlenkung, ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr, Ruhender Verkehr • Konzeption, Planung und Abstimmung von Verkehrsprojekten • Betreuung von Ingenieurbüros und Koordinierung der Maßnahme innerhalb der Verwaltung • Steuerung und Erstellen von Förderanträgen für Verkehrsprojekte • Erarbeitung von Beschlussvorlagen für die politischen Gremien einschließlich der Koordinierung der Fachbeiträge sowie die selbstständige Vertretung der Beschlussvorlagen und der Planung in der Öffentlichkeit sowie in den politischen Gremien • Koordination und Mitarbeit in interdisziplinären Projekten mit anderen Fachabteilungen • Einbindung der Bürgerinnen und Bürger durch geeignete Beteiligungsverfahren • Baustellenkoordination Anforderungen: • abgeschlossenes Studium der Fachrichtung Bauingenieurbzw. Verkehrsingenieurwesen (TH, TU) mit Schwerpunkt Verkehrswesen bzw. Masterabschluss an einer Hochschule • Erfahrungen im Projektmanagement und in der Verkehrsplanung • Erfahrung in Beteiligungsverfahren und Öffentlichkeitsarbeit • Kenntnisse der Ressourcenplanung und des -controllings • fundierte Kenntnisse der gültigen Richtlinien im Bereich der Straßenverkehrsplanung und des ÖPNV • Berufserfahrung und Verwaltungspraxis, wünschenswert im Verkehrsbereich, insbesondere im ÖV • Bereitschaft und Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit und zur Teamarbeit • sicheres, freundliches und verbindliches Auftreten sowie die Fähigkeit zur Repräsentation und strukturiertes, selbstständiges Arbeiten • Vortrags- und Verhandlungsgeschick • Bereitschaft zur Wahrnehmung von Dienstgeschäften auch außerhalb der üblichen Dienstzeit • guter schriftlicher Ausdruck Allgemeine Hinweise: Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr strebt die Erhöhung des Frauenanteils an und fordert daher qualifizierte Frauen ausdrücklich zur Bewerbung auf. Bei vorliegender gleichwertiger Qualifikation wird die Besetzung der Stelle mit einer Frau angestrebt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe dagegen sprechen. Schwerbehinderten Menschen wird bei im Wesentlichen gleicher fachlicher und persönlicher Eignung der Vorrang gegeben. Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr hat ein starkes Interesse an der Integration von Zuwanderern und Zuwanderinnen in den bremischen öffentlichen Dienst; Bewerbungen von Menschen mit einem Migrationshintergrund werden begrüßt. Unser Haus fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und wurde entsprechend zertifiziert. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.beruf-und-familie.de. Unser Haus hat ein Umweltmanagementsystem nach EMAS eingeführt und ist entsprechend zertifiziert. Für telefonische Auskünfte steht Ihnen im Referat Verkehrsprojekte Frau Baute (Tel. 0421/ 361-15322) oder Herr Nickel aus dem Personalreferat (Tel.: 0421/ 361-99528) gerne zur Verfügung. Bewerbungsschluss: Bitte fügen Sie Ihren Bewerbungsunterlagen keine Originalzeugnisse und -bescheinigungen bei. Bitte verwenden Sie auch keine Mappen und Folien. Die Bewerbungsunterlagen werden nur auf Wunsch zurückgesandt, falls Sie einen ausreichend frankierten Freiumschlag mitsenden. Andernfalls werden die Unterlagen bei erfolgloser Bewerbung nach Abschluss des Auswahlverfahrens vernichtet. Ihre Bewerbung richten Sie bitte (gern per Email) möglichst unter Beifügung einer aktuellen dienstlichen Beurteilung oder eines Zeugnisses bis zum 1. April 2015 an den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr - Referat 15 - Ansgaritorstr. 2 28195 Bremen E-Mail: bewerbungen@bau.bremen.de Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 48 MOBILITÄT Digitalisierung Revolution im Mobilitätsmarkt Die Deutsche Bahn startet Initiative Mobilität 4.0 Initiative Mobilität 4.0, Deutsche Bahn, Digitalisierung, Mobilitätsmarkt der Zukunft, Kundenerlebnis, Tür-zu-Tür-Reisekette, leistungsfähige Organisation Digitalisierung leitet die vierte Revolution im Mobilitätsmarkt ein: Kunden erwarten zunehmend individuelle, flexible, einfache und effiziente Mobilitätslösungen. Dies begünstigt neue Modelle und alternative Angebote. Mit ihrer Initiative Mobilität 4.0 zielt die Deutsche Bahn darauf ab, diese Zukunft der Mobilität aktiv mitzugestalten. Als Teil dieser Initiative wurde im ersten Schritt bereits das d.lab gegründet. Hier-entstehen innovative Ideen, die nach und nach umgesetzt werden sollen, um das Reiseerlebnis der-Kunden stetig zu verbessern. Der Autor: Christoph Djazirian M obile Technologien, das Internet der Dinge, Big Data, soziale Netze, Sharing - waren diese Trends zur Jahrtausendwende noch eine Zukunftsvision, sind sie heute bereits Realität. Wie die allermeisten Branchen und Bereiche, ist auch die Mobilität in der vierten Revolution angekommen. Mobilität 1.0 war dominiert von Dampfmaschine und Verbrennungsmotor. In der zweiten Revolution eröffnete elektrische Energie immer mehr Menschen wachsende Mobilität im Nah- und Fernverkehr. Mit der Einführung von Computern und IT-Systemen brach die dritte Revolution der Mobilität an: Sie vereinfachte und präzisierte insbesondere die Verkehrsplanung und das Verkehrsmanagement, während IT-gestützte Buchungssysteme das Reisen und dessen Planung weit komfortabler gestalteten. Die Digitalisierung leitet heute die vierte Revolution der Mobilität ein. Mobilität 4.0 steht für die Verknüpfung von realer und virtueller Welt sowie für eine stark ausgeprägte Individualisierung der Produkte und Leistungen. Für etablierte Mobilitätsanbieter wie die Deutsche Bahn stellt sich somit die Frage, wie der Mobilitätsmarkt der Zukunft aussehen wird und wie sie sich auf einem solchen Markt behaupten. Mit der Initiative Mobilität 4.0 will die Deutsche Bahn diese Fragen beantworten und die Zukunft der Mobilität entscheidend mitgestalten. Fortschreitende digitalisierung und wachsende Erwartungen Digitale Technologien beeinflussen die Erwartungen und das Verhalten von Kunden - und in der Folge auch das Angebot auf dem Mobilitätsmarkt. Mobile Anwendungen ermöglichen es, nahezu immer online zu sein und sich auch unterwegs mit anderen austauschen zu können. So spielen sich Kommunikation und Information zunehmend auf mobilen Endgeräten ab. Dabei sind nicht nur Menschen, sondern vermehrt auch „Dinge” im Internet miteinander vernetzt und tauschen kontinuierlich Daten aus. Mittels Big Data-Technologien lassen sich riesige Datenmengen wirtschaftlich sinnvoll sammeln und nutzen, um individuelle Informationen und Leistungen bereitzustellen (Bild 1). Gleichzeitig macht die Digitalisierung Anbieter, Produkte, Leistungen und Preise für den Kunden transparenter. In Online- Portalen und sozialen Netzwerken werden positive Erlebnisse geteilt. Noch häufiger werden jedoch negative Erfahrungen weitergegeben und schlechte Leistungen sofort Bild 1 - Grafik: Frank Gräfe/ Eat, Sleep + Design Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 49 Digitalisierung MOBILITÄT abgestraft. Wenn viele Kunden von ähnlichen Erlebnissen berichten, verlassen sich andere Kunden auf diese „Weisheit der Vielen“. Begünstigt durch die zunehmende Digitalisierung verbreiteten und etablierten sich auch Sharing-Konzepte. Erst durch den Ausbau und die vermehrte Nutzung von Online-Portalen konnten sie ihre Nische verlassen, wurden massentauglich und machten die Idee, an Dingen teilzuhaben, anstatt sie zwingend selbst zu besitzen, zum breiten Trend (Bild 2). In der Summe machen es digitale Technologien den Kunden leichter, sich kontinuierlich zu informieren, Anbieter und ihre Leistungen zu vergleichen, zu bewerten und damit auch bewusst zwischen vielfältigen Alternativen zu wählen. In der Folge werden die Kunden anspruchsvoller: Sie wollen als Individuen wahrgenommen und wertgeschätzt werden, sie fordern Informationen und Leistungen, die auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Die Kunden haben sich zunehmend daran gewöhnt, dass Unternehmen ihre Wünsche antizipieren und proaktiv auf sie eingehen. Viele erfolgreiche Unternehmen sammeln in großem Umfang Informationen über ihre Kunden und leiten daraus mittels Big Data-Technologien und Predictive Analytics deren Verhaltensmuster und Bedürfnisprofile ab. Dieses Wissen nutzen sie, um individuelle Leistungen und Produkte zu entwickeln und zum richtigen Zeitpunkt anzubieten - möglichst schon bevor diese explizit vom Kunden nachgefragt werden. Die Idee hinter solchen Verfahren ist nicht nur, unmittelbar Umsatz und Effizienz zu steigern, sondern auch, Momente der Begeisterung für den Kunden zu schaffen, um ihn dauerhaft für das Unternehmen zu gewinnen. Angebote an den Kunden, die Merkmale enthalten, die er noch gar nicht erwartet, können ihn positiv überraschen und begeistern. Und solche begeisterungsfähigen Produkte und Leistungen schaffen auch auf dem Mobilitätsmarkt zunehmend Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig steigen die Informationsflut und alternativen Angebote ständig an, sodass zunehmend smarte Lösungen nachgefragt werden, die die Komplexität reduzieren: Informationen, Produkte und Leistungen sollen übersichtlich sein, bequem zu beschaffen - und generell benutzerfreundlich. digitalisierung als Motor des Wandels Der Wandel der Technologie und mit ihr der Kundenerwartungen wirken sich umfassend auf den Mobilitätsmarkt aus. Es entstehen neue Mobilitätskonzepte und Geschäftsmodelle. So haben sich unter anderem verschiedene Sharing-Konzepte erfolgreich auf dem Mobilitätsmarkt etabliert. Neben Car- und Bike-Sharing werden vermehrt auch professionelle und private Peerto-Peer Ride-Sharing-Angebote genutzt. Dies hat Start-Ups wie BlaBlaCar oder Uber den erfolgreichen Eintritt in den Mobilitätsmarkt ermöglicht. Auch die Entstehung (teil-)autonom fahrender PKW wird durch die technologischen Entwicklungen und die Forderung der Kunden nach individuellen Angeboten begünstigt. Der Automobilhersteller Tesla Motors hat bereits für 2015 autonomes Fahren auf einigen Strecken in den USA angekündigt [1]. Das selbstfahrende Auto von Google hat auf kalifornischen Straßen bereits mehr als eine Million Kilometer unfallfrei hinter sich gebracht [2]. Mit der wachsenden Bedeutung digitaler und mobiler Technologien steigt auch der Wettbewerb um die Kundenschnittstelle im Mobilitätsmarkt. Kunden suchen zunehmend in unabhängigen Internetportalen nach passenden, positiv bewerteten Angeboten und buchen möglichst auch direkt über solche Portale. Dies trägt unter anderem zum Wachstum des Fernbusmarktes in Deutschland bei. Generische Suchmaschinen und Navigationsdienste, die mithilfe Bild 2: In den vergangenen Jahren konnten sich verschiedene Sharing-Konzepte wie Bike- oder Carsharing auf dem Mobilitätsmarkt positionieren. Fotos: Deutsche Bahn Bild 3: An der Schnittstelle zum Kunden bieten intermodale Plattformen Tür-zu-Tür-Mobilitätslösungen aus einer Hand. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 50 MOBILITÄT Digitalisierung von Data Analytics proaktiv Lösungen aus einer Hand für immer mehr Lebensbereiche anbieten, gewinnen wachsende Bedeutung als digitale Lebensbegleiter und können auch zu integrierten, intermodalen Mobilitätsplattformen werden (Bild 3). Schon heute stellt zum Beispiel Google Now dem Kunden das Boardticket und alle wichtigen Informationen wie Abflug-Gate oder Status der Pünktlichkeit bereit, wenn er sich das gebuchte Flugticket auf seinen gmail- Account schicken lässt. Mobilität 4.0 bei der deutschen Bahn Mit digitalen Anwendungen wie bahn.de, DB Navigator, Qixxit, den Apps für Flinkster und Call a Bike verfügt die Deutsche Bahn bereits heute über ein vielfältiges Angebot an digitalen Produkten für den Endkunden. Auch die Verfügbarkeit von WLAN an Bahnhöfen und im ICE baut die Deutsche Bahn konsequent aus. Mit der Initiative Mobilität 4.0 werden nun weitere innovative Leistungen und Services auf den Weg gebracht, um die Zukunft der Mobilität aktiv mitzugestalten und die Kunden auch in Zukunft mit smarten Lösungen zu begeistern. Ausgangspunkte sind vier Leitfragen: Wie entwickelt sich der Mobilitätsmarkt der Zukunft? Wie positioniert sich die Deutsche Bahn auf diesem Markt? Mit welchen Leistungen und Angeboten bietet die Deutsche Bahn Kundenerlebnisse, die begeistern? Wie gestaltet die Deutsche Bahn eine noch leistungsfähigere Organisation mit hoher Innovationskraft? Um das Verständnis für den Mobilitätsmarkt der Zukunft zu vertiefen, hat die Deutsche Bahn die skizzierten Trends und Entwicklungen mit Hilfe der Szenariotechnik erfasst, untersucht, ausgewertet - und konkrete Vorstellungen über seine mögliche Zukunft abgeleitet. Die Ableitung unterschiedlicher Szenarien ermöglicht es, gedanklich verschiedene Modelle dieser Zukunft zu skizzieren. Anstatt das wahrscheinlichste Szenario zu bestimmen, beziehungsweise sich auf nur eines festzulegen und vorzubereiten, wurden drei alternative Szenarien entwickelt, die sich teilweise überschneiden. So wird ein Raum der Möglichkeiten definiert, um strategische Handlungsoptionen für alle Szenarien beziehungsweise deren Kombinationen zu entwickeln (siehe Infobox). Attraktive Mobilitätsangebote können nur dann nachhaltig und erfolgreich im Markt platziert werden, wenn sie aus Sicht des Nutzers gedacht sind. Das Kundenerlebnis rückt somit noch stärker in den Mittelpunkt. Es umfasst das ganzheitliche Reiseerlebnis: die Inspirationsphase vor der Reise, alle Vorbereitungen, die gesamte Reisekette von Tür-zu-Tür sowie sämtliche Prozesse und Abläufe, die nach der Reise stattfinden. Jede Interaktion mit dem Kunden bietet dabei die Chance, vom Kunden zu lernen, um das Mobilitätsangebot und letztlich die Beziehung zum Kunden stetig weiter zu verbessern. Der Kunde wird auf seiner Reise begleitet und erlebt Momente, die begeistern. Um ein tieferes Verständnis für die individuellen Reisen der Kunden zu bekommen, wird die Persona-Methode genutzt. Sie ermöglicht es, die individuellen Bedürfnisse in der Reisekette zu erkennen und sowohl Störfaktoren und Probleme, sogenannte „Pain Points“, als auch Begeisterungsfaktoren zu identifizieren. Diese Informationen, ergänzt um klassische und moderne qualitative Methoden, wie z. B. Design Thinking [3], liefern Kenntnisse über die Erwartungshaltung jedes einzelnen Kunden an seine Reise. Daraus konnten vier Reiseerlebnisversprechen abgeleitet werden: Das Kundenerlebnis auf einer Reise mit der Deutschen Bahn soll a) einfach, b) entspannt, c) persönlich und d) begeisternd sein. Um diese vier Reiseerlebnisversprechen langfristig erfüllen zu können, werden für jedes davon konkrete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt. Um eine leistungsfähigere Organisation mit hoher Innovationskraft zu schaffen, werden im Rahmen von Mobilität 4.0 auch organisationale Prozesse und Strukturen weiterentwickelt. Ansatzpunkte hierfür können Arbeitsweisen und Konzepte erfolgreicher „digitaler“ Unternehmen liefern. Diese zeichnen sich unter anderem durch Bild 4: Im d.lab werden neue Arbeitsweisen und Methoden erprobt und verstetigt. „Im d.lab wird die Offenheit für Kooperationen bereits gelebt.“ Christoph Djazirian AuF eINeN bLICK szenarien für den Mobilitätsmarkt der Zukunft In Szenario 1 „Auto Reloaded“ bringen autonom fahrende Elektroautos die Menschen im Individualverkehr komfortabel und sicher von Tür zu Tür. In Smart Cities werden diese Fahrzeuge von intelligenten Verkehrsmanagementsystemen gesteuert - ohne Staus, Unfälle und Smog. Individuelle Mobilität hat sich durchgesetzt. Das Szenario 2 „Spend less, share more“ zeichnet sich aus durch zahlreich verfügbare Sharing-Fahrzeuge, die flächendeckend bereitstehen und abgestellt werden können. Zudem finden über soziale Netzwerke Fahrer und Mitfahrer zusammen -für Fernreisen ebenso wie für den Weg zur Arbeit. Leerkapazitäten werden vermieden und Mobilität wird preiswerter, effizienter und umweltfreundlicher. In diesem Szenario (ver)schwindet das Bedürfnis, ein eigenes Auto zu besitzen zugunsten völliger Flexibilität bei der Verkehrsmittelwahl. Mobilität wird zum Erlebnis, das man gerne mit Gleichgesinnten teilt, um möglichst günstig mobil zu sein. In Szenario 3 steht „Digitale Dominanz“ im Fokus. Entsprechend der individuellen Präferenzen und des bisherigen Reiseverhaltens schlägt der digitale Lebensbegleiter aktiv Reiserouten, -zeiten und Verkehrsmittel vor. Es genügt, die gewünschte Option auszuwählen und zu bestätigen - die Organisation und Buchung geschieht automatisiert per App. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 51 Digitalisierung MOBILITÄT eine hohe Geschwindigkeit aus: Dazu zählen kurze Entwicklungszyklen, das konsequente Erproben von möglicherweise noch nicht marktreifen Produkten (Prototyping) und auch das frühzeitige Erkennen und Zulassen von Misserfolgen, um aus Fehlern sofort zu lernen (Fail and Learn Fast). Auch heterogene Teamarbeit, offene Kommunikation und kreative Arbeitsmethoden haben sich in Unternehmen mit hoher Innovationskraft als wichtige Elemente der Arbeitskultur bewährt. Die häufig mit dem Schlagwort „Open Innovation“ benannte Einbindung externer Ressourcen kann die Innovationskraft eines Unternehmens ebenfalls fördern: insbesondere Kooperationen mit zum Beispiel Start-Ups, wissenschaftlichen Einrichtungen und anderen Unternehmen - auch über Branchengrenzen hinweg (Bild 4). Diese Prinzipien und Arbeitsweisen sollen zukünftig im neu gegründeten d.lab geprobt und verstetigt werden. Ein interdisziplinäres Team begleitet im d.lab geschäftsfeldübergreifend Innovationen von der Idee über die Entwicklung und das Testen von Prototypen bis hin zur Übergabe an Linienfunktionen. Durch intensiven internen wie externen Austausch dient das d.lab als Trendscout, Technologieradar und Impulsgeber für den Personenverkehr der Deutschen Bahn. Das d.lab macht die Vision der Deutschen Bahn von der Mobilität der Zukunft greifbar und ist zugleich „Mikrokosmos“ für Wandel, um den Personenverkehr der Deutschen Bahn noch leistungsfähiger zu machen und zukunftssicher aufzustellen. Fazit Wann genau welche Technologien die Marktreife erlangen, ist noch nicht absehbar. Auch sind für viele Anwendungsfälle wie etwa (teil-)autonomes Fahren mit dem PKW die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht geklärt und die gesellschaftliche Akzeptanz vielleicht noch nicht gegeben. Die große Aufmerksamkeit für solche Themen in den Medien forciert jedoch die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung damit und potenziell auch deren Akzeptanz und Realisierung. Dass diese Trends Realität werden und dass dies nicht erst in ferner Zukunft geschieht, davon ist auszugehen. Um auf einem Mobilitätsmarkt im Wandel zu bestehen, beschreitet die Deutsche Bahn mit der Initiative Mobilität 4.0 radikal neue Wege. Es geht dabei nicht allein darum, neue Produkte und Leistungen zu entwickeln, sondern auch darum Arbeitsweisen und Denkhaltung zu ändern. Hierbei ist die gesamte Mobilitätsbranche einzubeziehen: Nur wenn sich eine Kultur der Offenheit für Kooperationen etabliert, können Mobilitätslösungen von Tür-zu-Tür entwickelt werden, die sich für den Kunden wie „aus einer Hand“ anfühlen. Und nur so können einfache, entspannte, persönliche und bereichernde Reiseerlebnisse entstehen, die den Kunden begeistern. ■ LITeRATuR [1] Die Welt, Online-Beitrag vom 06.10.2014; http: / / www.welt.de/ motor/ article132965043/ Nach-dem-SUV-kommt-jetzt-das-SAV.html (aufgerufen am 22.01.2015) [2] googleblog.blogspot.de, Beitrag vom 28.04.2014; http: / / googleblog.blogspot.de/ 2014/ 04/ the-latest-chapter-for-self-drivingcar.html (aufgerufen am 22.01.2015) [3] Tim Brown (2009): Change by Design: How Design Thinking Transforms Organizations and Inspires Innovation, HarperCollins Publishing, New York Christoph djazirian Leiter Strategie Personenverkehr, DB Mobility Logistics AG, Frankfurt a. Main christoph.djazirian@deutschebahn.com Facebook “ f ” Logo CMYK / .eps Facebook “ f ” Logo CMYK / .eps DBKarriere DBKarriere main red PMS 1795C C0 M96 Y90 K2 YOUTUBE LOGO SPECS PRINT gradient bottom PMS 1815C C13 M96 Y81 K54 on dark backgrounds on light backgrounds standard no gradients watermark stacked logo (for sharing only) standard no gradients watermark stacked logo (for sharing only) white WHITE C0 M0 Y0 K0 black BLACK C100 M100 Y100 K100 DBKarriere Deutsche Bahn Deutsche Bahn Komponist Ruhepol Energieprofi Kein Job wie jeder andere: Elektroingenieur (w/ m) in NRW bei der DB. Täglich für Hochspannung sorgen und gemeinsam mit den Kollegen ein ganzes Land elektrisieren: in der Leit- und Sicherungstechnik oder im Bahnstrom. Wir suchen Sie als Elektroingenieur (w/ m) in den Bereichen Projektmanagement, Planung oder Bauüberwachung, z. B. in Köln oder Duisburg. Werden Sie Teil einer der größten Familien Deutschlands: deutschebahn.com/ karriere Für Menschen. Für Märkte. Für morgen. 210x148_DB=PM_15_10_17_Internationales_Verkehrswesen_M69.indd 1 16.01.15 12: 43 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 52 MOBILITÄT Fernbusverkehr Liberalisierung des Fernbusverkehrs Wie hoch ist der Beitrag zum Klimaschutz? Fernbus, Klimaschutz, Personenverkehr, Umweltfolgen Der Fernbusverkehr ist seit der Marktliberalisierung 2013 der am stärksten wachsende Verkehrsmarkt in Deutschland. Obwohl im Vorfeld der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes viele Prognosen zur Marktentwicklung erstellt wurden, fehlt bisher eine umfassende Evaluation der Gesetzesnovelle. Gerade die damals thematisierten Umweltvorteile basieren primär auf bedingt vergleichbaren Rahmenbedingungen des Gelegenheitsverkehrs mit Reisebussen. Zur Bewertung der heutigen verkehrlichen und ökologischen Folgen wurde deshalb am Standort Dresden eine Verkehrserhebung durchgeführt. Die Autoren: Tim Laage, Thilo Becker, Sven Lißner U m die Auswirkungen des Fernbusverkehrs auf die Umwelt berechnen zu können, ist eine fundierte Datengrundlage unabdingbar. Vergleichsweise leicht lassen sich die Fahrleistungen aus den Fahrplänen sowie die Emissionsfaktoren aus dem Handbuch für Emissionsfaktoren ermitteln ([1], s.-auch [2]). Die dritte notwendige Kenngröße zur Ermittlung der Umweltbelastung pro Personenkilometer, der Auslastungsgrad, stellt bisher allerdings eine Unbekannte dar. Aufgrund des starken Wettbewerbs ist nicht von einer freiwilligen Freigabe von streckenspezifischen Daten durch die Anbieter auszugehen. Die einzige, eingeschränkt verwendbare Grundlage stellen somit die Schätzungen des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer dar [3]. Folgerichtig ergibt sich ein hoher Bedarf an repräsentativen Erhebungen. Für eine Bewertung des wachsenden Fernbusmarktes darf dieser nicht isoliert für sich betrachtet werden. Ein weiterer zentraler Punkt ist daher die Frage nach dem modalen Ursprung: Hätten die Fahrten auch ohne die preisgünstigen Fernbusse stattgefunden? Welche Verkehrsmittel wären alternativ verwendet worden? Aus dem Bedarf des Auslastungsgrades und der modalen Herkunft der Fahrgäste ergibt sich die in Bild 1 dargestellte Erhebungsstruktur einer kombinierten Zählung und Befragung. die Erhebung Die Erhebung wurde am Fernbushaltepunkt Dresden, Bayrische Straße (am Hbf ), während einer Normalwoche 1 Ende Mai 2014 durchgeführt. An den Erhebungstagen wurde von 6.30 Uhr bis 21.00 Uhr gezählt und befragt. Am betrachteten Haltepunkt finden täglich ca. 52 Abfahrten statt (Stand 05/ 2014). Fahrten mit internationalen Zielen wurden nicht erhoben. Die Erhebung bestand aus einer Fahrgastzählung mit anschließender bzw. paralleler Befragung. Für die Zählung wurden vor jeder Abfahrt die im Bus befindlichen Fahrgäste ermittelt. Im Zuge der Befragung wurden 952 Fahrgäste für die Befragung angesprochen. Die Verweigererquote lag bei lediglich 2,5 %. Erhoben wurden implizit die in Bild 2 ersichtlichen Fernbuslinien ab Dresden der Anbieter ADAC Postbus, BLB, FlixBus, MeinFernbus und internationaler Anbieter mit Zieldestination in Deutschland. Unterschieden wurde dabei im weiteren Verlauf der Auswertung vereinfacht in die Richtungen Chemnitz, Leipzig und Berlin. Auswertung der Fahrgastzählung Die Grundlage für die Berechnung der Auslastung besteht aus 331 erhobenen Abfahrten am Haltepunkt Dresden, Bayerische Straße. Im Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Auslastung wurde diese in Abhängigkeit der ermittelten Sitzplätze des jeweiligen Fernbusses berechnet. Die durchschnittliche Auslastung für abfahrende Fernbuse beträgt dabei im Gegensatz zu den Annahmen des statistischen Bundesamtes nicht 55 % [4], sondern lediglich 46 %. Im Wochenverlauf ist eine deutliche Zunahme hin zu den Wochentagen Freitag, Samstag und Sonntag zu registrieren (Bild-3). Dieser Verlauf einer Wochenganglinie weist bereits deutlich auf private Fahrzwecke hin [5]. Diese These kann anhand der Fahrgastbefragung bestätigt werden, in der ein Anteil privater Fahrzwecke von 62 % ermittelt wurde. Auffällig sind weiterhin die starken Schwankungen zwischen den einzelnen Anbietern. Diese sind bei einem überwiegend niedrigen Preisniveau aller Bild 1: Erhebungsstruktur der Fernbuserhebung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 53 Fernbusverkehr MOBILITÄT Anbieter unter anderem der Bedienhäufigkeit und Bedienzeit sowie dem Linienangebot zuzuschreiben. Die durchschnittlichen Auslastungen schwanken sowohl anbieterals auch relationsbezogen teilweise stark (Bild 4). Innerhalb Deutschlands werden ab Dresden lediglich die drei dargestellten Städte als nächste Ziele direkt angefahren. Berlin als Bundeshauptstadt, Kunst- und Kulturzentrum sowie internationaler Flughafenstandort weist trotz des großen Fahrtenangebotes (Anteil an den erhobenen Fahrten: 51 %) die höchste Verkehrsmittelauslastung auf. Ein weiterer Einflussfaktor auf Streckenangebot und Nachfrage im Fernbusverkehr ist die Ausprägung konkurierender Angebote, beispielsweise dem Fernverkehrsangebot der Deutschen Bahn. Auf der Relation Dresden - Berlin kann der Fernbus deutliche Vorteile hinsichtlich der Kombination aus Preis, Reisezeit und Bedienhäufigkeit 2 verzeichnen. Auswertung der Fahrgastbefragung Durch die Entwicklung eines neuen Marktes oder Produktes im Verkehrssegment entstehen zwangsläufig Bewegungen in Form eines Modal Shift im Sinne einer Abwanderungen von bestehenden Verkehrsmitteln beziehungsweise die Induktion neuer Verkehre. Verschiedene Quellen gingen im Vorfeld der Marktliberalisierung für Fernbusse davon aus, dass ein signifikanter Teil der Neukunden vom Motorisierten Individualverkehr (MIV) umsteigen würde [6,-7]. Durch die Auswertung der Befragungsdaten hinsichtlich der Frage nach der Verkehrsmittelwahl der Befragten in der Vergangenheit, kann diese Annahme zum Teil widerlegt werden. Wie in Bild 5 deutlich wird, sind 42 % der Fernbusfahrgäste ehemalige Kunden im Fernverkehr der Deutschen Bahn. Zwar liegt der Anteil von Nutzern, welche ihre modale Herkunft im MIV verorten, mit in Summe 49 % auf einem ähnlichen Niveau, doch muss der Schienenpersonenfernverkehr als eigenständiges Verkehrssystem die größten Verluste im Modal Shift hinnehmen. Somit ist zu vermuten, dass die Substitutionsbeziehung zwischen den öffentlichen Verkehrsmitteln wesentlich stärker sind als jene zu einem Individualverkehrsmittel [5]. Nicht zu vernachlässigen ist auch der, wenn auch geringe, Anteil induzierter Fahrten. Diese schlagen sich in zusätzlicher Personenverkehrsleistung nieder und sorgen somit für zusätzliche - verkehrsbedingte - Emissionen. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Mo Di Mi Do Fr Sa So n = 331 Fahrten Durchschnittliche Auslastung nach Unternehmen MeinFernbus FlixBus BLB ADAC Postbus Durchschnitt Bild 3: Wochenganglinie der Durchschnittsauslastung nach Unternehmen Bild 4: Relationsbezogene Auslastung Bild 2: Fernbuslinien ab bzw. durch Dresden Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 54 MOBILITÄT Fernbusverkehr Umweltbilanz nach der Marktliberalisierung Basierend auf den am Standort Dresden ermittelten Auslastungszahlen, den Streckenanteilen der Autobahn und der Verkehrssituationen auf den Relationen nach Berlin, Chemnitz und Leipzig und der Emissionsfaktoren (Standard-3-Achser-Bus mit 54 Sitzplätzen, 70 % Abgasnorm Euro 5, 30 % Euro 6) werden CO 2 -Äquivalente berechnet (Bild 6). Dabei weist der Fernbus trotz geringerer Durchschnittsauslastung im Vergleich mit dem Reisebus im Verkehrsmittelvergleich des Umweltbundesamtes (UBA) mit die geringsten Emissionen auf. Der Abstand gegenüber dem SPFV veringert sich jedoch. Schlussfolgerungen Mit der Satuierung des Marktes einhergehende höhere Auslastungen der Busse lassen bei der Umweltbilanz noch Verbesserungspotential vermuten. Aufgrund der geringen Emissionen ist der Fernbus bereits aktuell für alle Nutzer, die den Modal Shift vollzogen haben, die weniger umweltschädliche Alternative. Die aus dem Modal Shift resultierende geringere Auslastung der Bahn im SPFV darf hier jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Gleiches gilt für die bisher noch nicht betrachteten Stickoxid- und Feinstaubemissionen sowie sonstige nicht berücksichtigte Umweltwirkungen. Mit Blick auf die Energiewende und die damit einhergehende Veränderung der Zusammensetzung des Bahnstrommixes hin zu einem hohen Anteil oder vollständiger Versorgung mit erneuerbarer Energie ist das Potential des Schienenverkehrs jedoch ungleich höher einzuschätzen. Aus ökologischer Sicht ist somit der hohe Anteil des Modal Shift von der Bahn zum Fernbus kurz und vielleicht auch mittelfristig positiv zu sehen, langfristig jedoch wohl ein Schritt in die falsche Richtung. Insgesamt machen Fernbusse den Fernverkehrsmarkt variantenreicher und die neue Konkurenz kann das Geschäft des öffentlichen Fernverkehrs zusätzlich beleben. Die Abweichung der realen Marktentwicklung von den ursprünglichen Erwartungen verdeutlicht allerdings den Bedarf an einer bundesweiten Evaluation. Darauf aufbauend muss gegebenenfalls entschieden werden, ob zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs und zur Erreichung der umwelt- und verkehrspolitischen Ziele die regulatorischen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. ■ 1 Eine Normalwoche beschreibt eine Kalenderwoche im Sommerhalbjahr ohne Ferien und/ oder Feiertage oder sonstige Unregelmäßigkeiten. 2 Durchschnittliche Fahrtzeit SPNV im Schnitt 45 min länger. Fahrpreisvergleich über www.bahn.de bzw. www.busliniensuche.de QueLLeN [1] UBA (2014) Hrsg.: Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs, Version 3.2 / Juli 2014; Dokumentation zur Version Deutschland erarbeitet durch INFRAS AG Bern/ Schweiz in Zusammenarbeit mit IFEU Heidelberg; Umweltbundesamt Berlin. http: / / www.hbefa. net/ d/ start.html [2] UBA (2013): Vergleich der Emissionen einzelner Verkehrsträger im Personenverkehr. Umweltbundesamt Dessau. Online unter: http: / / www.umweltbundesamt.de/ themen/ verkehr-laerm/ emissionsdaten [3] IGES Institut GmbH (2013): Der Fernbusmarkt Deutschland Dezember 2013; Präsentation - IGES Mobilitätsberatung, Berlin. Online unter: http: / / www.fernbus24.de/ wp-content/ uploads/ 2013/ 12/ 13-41_Ein_Jahr_Marktoeffnung_IGES-Studie.pdf [4] Destatis (2014): Boom bei Linienfernbussen 2013. Pressemitteilung Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 08.10.2014 [5] Zumkeller, D. et al. (2005): Die intermodale Vernetzung von Personenverkehrsmitteln unter Berücksichtigung der Nutzerbedürfnisse. Schlussbericht Invermo; BMBF, Karlsruhe [6] Eisenkopf, A.; Burgdorf, C. (2010): Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland. Wettbewerb. Marktentwicklung und Regulierungsrahmen, Studie der Zeppelin Universität Friedrichshafen im Auftrag des VDA [7] Hirschhausen, C. et al. (2008): Das Potenzial des Fernbusverkehrs in Deutschland. Transport Economic Working Papers, WP-TR-15, Dresden Thilo Becker, Dipl.-Ing. Professur für Verkehrsökologie, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, TU Dresden thilo.becker@tu-dresden.de Sven Lißner, Dipl.-Ing. Professur für Verkehrsökologie, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, TU Dresden sven.lissner@tu-dresden.de Tim Laage, Dipl.-Ing. Diplomstudiengang Verkehrsingenieurwesen, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, Technische Universität Dresden tim.laage@gmail.com Bild 6: Vergleich der CO 2 Emissionen, UBA Verkehrsmittelvergleich [2] ergänzt um Berechnungen für Fernbusse (in Klammern Auslastungsgrade) 42,3 26,0 23,2 4,0 4,6 0 10 20 30 40 50 SPFV MFG Pkw gar nicht sonstiges Anteile in Prozent n = 936 Modale Herkunft Bild 5: Modal Shift der befragten Fernbusfahrgäste 30,0 37,5 43,0 72,0 139,0 0 20 40 60 80 100 120 140 160 CO2-Äq. Emissionen in g/ pkm CO 2 - Äquivalent-Emissionen Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 55 Klimaschutz MOBILITÄT Verkehr 2050 Die Rolle der Kommunen für mehr Lebensqualität und Klimaschutz Verkehr 2050, Lebensqualität in Städten, Verkehrsnachfrage, Szenarien Projekte wie „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ der deutschen Umweltverbände und „Stadt der Zukunft“ des Öko-Instituts zeigen, dass klimaschutzkonforme Entwicklungsmöglichkeiten für den Verkehrssektor machbar sind. Die Kernaussage: Bis 2050 können die Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Wesentlich dafür ist, dass auch die Verkehrsnachfrage entsprechend adressiert wird. Die Kommunen nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein und müssen von der nationalen Ebene unterstützt werden. Für-die Umsetzung ist hilfreich, dass Klimaschutz und Lebensqualität in den meisten Fällen Hand in Hand gehen. Die Autoren: Wiebke Zimmer, Ruth Blanck, Friederike Hülsmann D ie Bundesregierung hat sich im Energiekonzept 2010 zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2050 um bis zu 95 % gegenüber 1990 zu senken. Bisher gibt es jedoch kaum Anzeichen dafür, dass der Verkehrssektor einen entsprechenden Pfad einschlägt. Dass klimaschutzkonforme Entwicklungsmöglichkeiten für den Verkehrssektor machbar sind, zeigen die Projekte „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland: Weichenstellungen bis 2050“ [1], das den Fokus auf die nationale Ebene legt, und „Stadt der Zukunft“ [2], das die lokalen Handlungsoptionen untersucht. die Vision der Umweltverbände Die deutschen Umweltverbände WWF, BUND, Germanwatch, NABU und VCD haben in dem Projekt „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ [1] ein Konzept vorgelegt, das zum Ziel hat, die Treibhausgasemissionen im Verkehr um 95 % zu reduzieren. Adressiert werden dabei alle Handlungsfelder eines effizienten Verkehrssystems: Verkehrsverlagerung und -vermeidung, Effizienzsteigerungen bei allen Verkehrsträgern sowie die Einführung alternativer Antriebe und die Dekarbonisierung von Kraftstoffen. Das Öko-Institut hat die Vorstellungen der Verbände in einem Szenario umgesetzt, wobei Verkehrsverlagerung und -vermeidung annahmenbasiert abgebildet und Technologieentwicklung, Energiebedarf und Treibhausgasemissionen mit dem Modell TEMPS des Öko-Instituts (Transport Emissions and Policy Scenarios) berechnet wurden. Für die Personenverkehrsnachfrage wurden Annahmen getroffen, wie sich Fahrtzwecke, Wegelänge, Wegehäufigkeit und Verkehrsmittelwahl unter bestimmten, dem Klimaschutz förderlichen Rahmenbedingungen entwickeln könnten. Der Anteil des Umweltverbundes im Jahr 2050 beträgt in diesem Szenario rund 50 % (Bild 1). Auch die Modellierung der Güterverkehrsnachfrage basiert auf einem Makroansatz unter Berücksichtigung wesentlicher Parameter. Dazu zählen das Transportaufkommen differenziert nach verschiedenen Gütergruppen, die durchschnittlichen Transportweiten, der Modal Split und die Auslastung. Mit den von den Umweltverbänden getroffenen Annahmen ergibt sich, wie in Bild 2 dargestellt, bei entsprechenden Maßnahmen bis 2030 ein- Anstieg der Transportleistung auf knapp- 700- Mrd. tkm, darauf folgt bis 2050 ein leichter Rückgang auf etwa heutiges Niveau. Im Jahr 2050 liegt der Anteil der-Schiene bei 37 %, der des Binnenschiffes bei 12 %. Ein Schlüssel neben Technologien: Verändertes Verkehrs- und Nachfrageverhalten Werden zusätzlich zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung die Effizienzpotenziale bei den Fahrzeugen maximal ausgeschöpft und eine höchstmögliche Elektrifizierung angenommen, so kann sich eine Reduktion des Endenergiebedarfs gegenüber 2005 um 67 % ergeben. Damit wird eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 64 % gegenüber 1990 erreicht. Der von Deutschland abgehende internationale Luft- und Seeverkehr sowie die höhere Klimawirksamkeit des Luftverkehrs sind dabei berücksichtigt. Die „Lücke“ zu einer fast vollständigen Minderung der Treibhausgasemissionen könnte Dynamisierung Regionalisie rungsmittel Nutzen statt besitzen Reform Entfernungs pauschale und Dienstwagen besteuerung Internalisierung externer Kosten deutliche Förderung Radverkehr Stadt der kurzen Wege Kerosin steuer Deutschland - Takt Bild 1: Vision Personenverkehr 2050, In Anlehnung an [1] Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 56 MOBILITÄT Klimaschutz Bild 3: Modal Split der Bevölkerung von Bremen und Stuttgart [2] 21% 25% 40% 14% Basisjahr 2010 22% 27% 36% 15% VEP Zielszenario 2025 25% 37% 22% 17% Langfristszenario 2050 zu Fuß Fahrrad MIV ÖV 26% 5% 46% 23% Basisjahr 2010 27% 6% 39% 28% VEK 2030 (abgeschätzt) 28% 16% 24% 32% Langfristszenario 2050 zu Fuß Fahrrad MIV ÖV dann durch den Einsatz treibhausgasarmer Kraftstoffe geschlossen werden. Allerdings gibt es große Unsicherheit bezüglich der Verfügbarkeit nachhaltiger biogener Kraftstoffalternativen sowie nachhaltiger strombasierter Gas- und Flüssigkraftstoffe. Werden in dem Szenario die Biokraftstoffpotenziale für Abfall- und Reststoffe von 280 PJ maximal ausgeschöpft und vollständig im Verkehrssektor eingesetzt und die verbleibenden 379 PJ aus strombasierten Kraftstoffen bereitgestellt, so würde der gesamte Strombedarf des Verkehrssektors an Erneuerbaren Energien für den elektrischen Verkehr und strombasierte Kraftstoffe im Jahr 2050 bei 1074 PJ (298-TWh) liegen. Das entspricht rund der Hälfte des Brutto-Inlandstromverbrauchs Deutschlands im Jahr 2013. Es ist also eine große Herausforderung, entsprechende Mengen an Erneuerbaren-Energien-Strom zusätzlich zu einer Umsetzung der Energiewende im Strom- und Wärmemarkt im Jahr 2050 bereitzustellen. Der wesentliche Schritt muss daher aufgrund der begrenzten bzw. unsicheren Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe zunächst die Reduktion des Endenergiebedarfs sein. Szenarien wie das Konzept der Umweltverbände zeigen, dass eine Wende im Verkehr hin zu mehr Klimaschutz möglich ist. Sie zeigen aber auch, dass nur in eine Richtung zu denken nicht ausreicht, sondern dass sich Klimaschutz im Verkehr aus vielen Einzelbausteinen zusammensetzt. Ein Schlüssel dabei ist neben Technik und Effizienzsteigerungen ein verändertes Verkehrs- und Nachfrageverhalten, das noch deutliche Potenziale aufweist, derzeit jedoch - wie auch im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 - zwar ansatzweise, aber immer noch viel zu wenig adressiert wird. Hier spielen neben den nationalen Rahmenbedingungen und der internationalen Ebene die Kommunen und Städte eine wesentliche Rolle. Denn die Entscheidung zur alltäglichen Verkehrsmittelwahl setzt vor der Haustür an. Eine Kommune, die sehr gute Alternativen zum eigenen PKW bereitstellt und die PKW-Nutzung unnötig macht, ermöglicht den Bewohnern, die Abschaffung des eigenen Autos in Erwägung zu ziehen. Hilfreich dabei ist, dass die Maßnahmen zur Steigerung des Anteils des Umweltverbundes zum einen zum Klimaschutz beitragen, zum anderen aber auch mit einer Steigerung der Lebensqualität einhergehen - einem wesentlichen Ziel vieler Kommunen. Weitestgehend sind die Maßnahmen für mehr Lebensqualität in Innenstädten bekannt: Bürgerinnen und Bürger fühlen sich in Städten mit einem hohen Anteil an Fuß-, Fahrradverkehr und öffentlichem Verkehr besonders wohl. Selbst unter Einsatz der neuesten Technologien verbrauchen motorisierte Fahrzeuge weiterhin Fläche, verursachen bei höheren Geschwindigkeiten Lärm und je nach Technologie auch Emissionen und stellen ein Sicherheitsrisiko dar. Es geht also vor allem zunächst darum, die Verkehrsträger des Umweltverbundes zu stärken und den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Wesentlich ist dabei, dass Förderung und Optimierung der einzelnen umweltfreundlichen Verkehrsmittel integrierend konzipiert und die Wechselwirkungen berücksichtigen werden. Lebensqualität und Klimaschutz: Bremen und Stuttgart als Beispielstädte der Zukunft Das war der Ansatzpunkt des Projekts „Stadt der Zukunft“ [2]. An den Beispielstädten Bremen und Stuttgart wurde untersucht, was diese beiden Städte bereits planen und umsetzen und welche Maßnahmen darüber hinaus notwendig sind, um dem Ziel einer höheren Lebensqualität in der Stadt näher zu kommen. Die Ergebnisse zeigen, dass mit den Maßnahmen des Verkehrsentwicklungskonzeptes 2030 der Stadt Stuttgart [3] die Verkehrsleistung des MIV bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um 12 % sinken kann. Die CO 2 -Emissionen im Personen- und Güterverkehr können damit unter Annahme zu erwartender Technologieverbesserungen um rund 38 % im Vergleich zu 2010 reduziert werden. In Bremen wird mit den im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans 2025 [4] entwickelten Maßnahmen die Verkehrsleistung im motorisierten Individualverkehr um 15 % bis zum Jahr 2025 sinken. Die CO 2 -Emissionen des Verkehrs in Bremen werden damit um rund ein Drittel reduziert. Für die Langfristperspektive wurden im Rahmen des Projektes darauf aufbauend zusätzliche Maßnahmen für mehr Lebensqualität und Klimaschutz betrachtet und ihre Wirkung auf das Verkehrsverhalten analysiert. Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass Menschen in Innenstädten bevorzugt multimodal unterwegs sind und immer öfter auf ein eigenes Auto verzichten. Derzeit ist bei den jüngeren Bevölkerungsschichten in Städten ein Bedeutungsverlust des Autos als regionale Wirtschafts kreisläufe Kapazitäts engpässe beheben Ausbau Schienennetz Preissignale (Maut, Kraftsto steuern) weniger Transport fossiler Energieträger Bild 2: Vision Güterverkehr 2050, in Anlehnung an [1] Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 57 Klimaschutz MOBILITÄT Statussymbol gegenüber anderen Konsumgütern wie z. B. Smartphones zu beobachten. Zudem unterstützt ein vielfältiges Angebot an alternativen Mobilitätsoptionen wie z. B. Carsharing einen solchen Trend. Leitgedanke der Modellierungen war es, dass sich dieser abzeichnende Wandel in Präferenzen und Einstellungen zur Mobilität bei entsprechenden Rahmenbedingungen verstetigt. Zusätzlich zu Förderungen des Fuß-, Fahrrad- und Pedelec-Verkehrs sowie des ÖPNV machen weitere Regelungen wie beispielsweise eine intensivierte Parkraumbewirtschaftung den PKW-Verkehr in den Szenarien zunehmend unattraktiver. Auch wurde hinterlegt, dass alle Formen des Car- und Bikesharing umfassend gefördert werden. Da höhere Mobilitätskosten die motorisierte Verkehrsleistung wirksam reduzieren können, wurden Maßnahmen wie eine Regio- Maut mit kilometerabhängigen Mautgebühren oder höhere Mineralölsteuern, wie sie auch in der Verkehrsverflechtungsprognose 2030 des BMVI angenommen werden [5], in den Szenarien unterstellt. Auf Technologieebene wurde zwischen zwei Entwicklungen unterschieden. Das Trendszenario basiert auf einer Technologieentwicklung, die aufgrund der aktuellen und geplanten Maßnahmen in den Städten zur Förderung von (teil-) elektrischen Fahrzeugen und der Ausschöpfung maximaler Effizienzpotenziale bei allen Verkehrsträgern in Anlehnung an die Studie „Klimaschutzszenario 2050“ im Auftrag des BMUB hergeleitet wurde [6]. Neben dem Trendszenario wurde ein Technologie- Szenario berechnet, das auf einer progressiveren Technologieentwicklung basiert, was eine maximal denkbare Marktdurchdringung von (teil-) elektrischen Fahrzeugen impliziert [7]. Ergreifen die beiden Städte Bremen und Stuttgart entsprechende zusätzliche Maßnahmen, kann die PKW-Verkehrsleistung bis spätestens zum Jahr 2050 um rund 40 % zurückgehen. Demgegenüber würden die ÖPNV- und Fahrradanteile erheblich steigen (Bild 3). Die CO 2 -Emissionen des Personen- und Güterverkehrs können so bis zum Jahr 2050 je nach Technologieentwicklung um mindestens 60 % reduziert werden. Betrachtet man ausschließlich den Personenverkehr, können die Emissionen sogar um 75 % bis 80 % gesenkt werden, wobei davon je nach Stadt 33 % bis 40 % durch Maßnahmen zur Vermeidung und Verlagerung erreicht werden. Unterstützung des Bundes für die Kommunen notwendig Auch wenn die Kommunen im Rahmen des föderalen Systems in Deutschland für viele Aspekte selbst verantwortlich sind, kann und sollte der Bund sie bei ihrer nachhaltigen Verkehrspolitik stärker unterstützen, damit sie besser dazu beitragen können, die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen. So müssten beispielsweise die Rechte der Fußgänger und Fahrradfahrer gegenüber dem Kfz-Verkehr weiter gestärkt werden. Um die geteilte und gleichberechtige Nutzung des Straßenraums für alle Verkehrsteilnehmer zu erleichtern, kann der Bund die Straßenverkehrsordnung (StVO) entsprechend überarbeiten. Eine Anpassung wurde bereits im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung angekündigt. Weiterhin kann eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der StVO eine bundesweit einheitliche und praxisnahe Rechtsgrundlage schaffen, die den Kommunen die Ausweisung von Stellplätzen für Carsharing im öffentlichen Straßenraum ermöglicht. Ein wesentlicher Aspekt ist das Parkraummanagement. Kommunen, die das Parkplatzangebot verringern und Alternativen zum PKW bereitstellen, schaffen mehr Lebensraum und reduzieren den Parksuchverkehr. Der Bund kann dafür sorgen, dass-durch höhere Bußgelder und Abschleppen das Falschparken deutlich unattraktiver wird. Dafür brauchen die Kommunen eine großzügigere Handhabe bei der Vollstreckung. Das Projekt „Stadt der Zukunft“ zeigt das Zukunftsbild einer Stadt, in der nachhaltige Mobilität für mehr Lebensqualität sorgt (Bild 4). Durch nachhaltige Verkehrskonzepte ergibt sich mehr Lebensraum als Parkraum, eine verbesserte Luftqualität, weniger Lärmbelastung und mehr Klimaschutz. Damit diese Vision Realität werden kann, braucht es nicht nur maßgeschneiderte Lösungen für die Kommunen, sondern auch die Unterstützung des Bundes. Denn Klimaschutz in Kommunen nimmt eine Schlüsselrolle für eine erfolgreiche Klimaschutzstrategie im Verkehrssektor ein und sollte von der nationalen Ebene stärker beachtet und integriert werden. Unterstützend dabei wirkt, dass Klimaschutz und Lebensqualität in den meisten Fällen Hand in Hand gehen. ■ LITeRATuR [1] Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland, WWF, BUND, NABU, VCD, Germanwatch, Juni 2014 [2] Stadt der Zukunft, Lebenswerte Innenstädte durch Emissionsfreien Verkehr, Spendenprojekt, Öko-Institut, November 2014 [3] VEK 2030 - Verkehrsentwicklungskonzept der Landeshauptstadt Stuttgart, Hrsg.: Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, Abteilung Verkehrsplanung und Stadtgestaltung, 2013 [4] Verkehrsentwicklungsplan Bremen 2025; Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Freie Hansestadt Bremen, 2014 [5] Verkehrsverflechtungsprognose 2030, Intraplan, BVU, IVV, Planco im Auftrag des BMVI, Schlussbericht Juni 2014 [6] Klimaschutzszenario 2050, Öko-Institut und Fraunhofer ISI, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Berlin 2014 [7] eMobil 2050. Szenarien zum möglichen Beitrag des elektrischen Verkehrs zum langfristigen Klimaschutz; Öko-Institut, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Berlin 2014 Ruth Blanck Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Öko-Institut e.V., Berlin r.blanck@oeko.de Friederike Hülsmann, Dr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Öko-Institut e.V., Berlin f.huelsmann@oeko.de Wiebke Zimmer, Dr. Stellv. Leiterin Bereich Infrastruktur & Unternehmen, Öko-Institut e.V., Berlin w.zimmer@oeko.de Bild 4: Stadt der Zukunft - gemeinsam für lebenswerte und klimafreundliche Städte [2] Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 58 MOBILITÄT Interview Stefan Schmerbeck Akzeptanz der E-Mobilität nur über Emotionen erreichbar Der VW-Konzern hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Nicht nur die Fahrzeuge sollen immer umweltfreundlicher werden, sondern auch ihre Produktion. Wie genau der Autobauer dies erreichen will und welche Unterstützung wünschenswert wäre, erfragte Kerstin Zapp bei Dr. Stefan Schmerbeck, zuständig für Zukunftstechnologien, Antriebskonzepte und Energie im Bereich Konzern-Außen- und -Regierungsbeziehungen der Volkswagen AG. Herr Dr. schmerbeck, Vw will bis zum Jahr 2018 gegenüber 2010 um 25 % pro produzierter einheit umweltfreundlicher fertigen. was heißt das genau? Eines der Unternehmensziele der Volkswagen AG ist die Nachhaltigkeit. Effiziente Fahrzeuge sollten aus einer effizienten Produktion kommen. Zudem ist es unser Ziel, in 2018 zum ökologischsten Hersteller im Wettbewerb zu werden. Unser Ansatz dazu heißt „Think blue“. Dabei wollen wir bis 2018 die Umweltbelastung, die durch die Produktion jedes Fahrzeugs und Komponententeils entsteht, senken, und zwar um 25 % gegenüber 2010. Dies gilt für Wasser- und Energieverbrauch, anfallenden Abfall und die entstehenden CO 2 -Emissionen bis hin zum Lösungsmittelverbrauch. Bei „Think blue“ greifen viele unterschiedliche Maßnahmen an unseren Standorten ineinander. welche Maßnahmen stecken dahinter? Vor allem der Einsatz erneuerbarer Energien: In Chattanooga, Tennessee, produzieren wir beispielsweise seit Januar 2013 unseren eigenen Strom. 33 600 Solarmodule mit 3,1- Megawattstunden decken zwischen 12,5- und 100 % des Energiebedarfs des Werks. Auch die Raumklimatisierung ist ein Beispiel: Die Pfähle der Karosseriehalle in unserem Werk in Emden leiten Kälte aus der Erde in das Kühlwasser der Schweißanlagen. Dort erhitzt sich das Wasser und fließt wieder zurück in die Pfähle - ein Kreislauf ganz im Sinne von „Think Blue“. Ähnlich effizient erwärmen wir auch die Fußbodenheizung unseres Logistikzentrums, nämlich mit Fernwärme aus einem Biomassekraftwerk. Bedeutet: weniger CO 2 -Emissionen. Ihr Konzern hat sich als einer der ersten Automobilhersteller dazu bekannt, bis 2020 das von der eu für Neufahrzeuge festgelegte emissionsziel von im Flottendurchschnitt 95 g CO₂/ km zu erreichen. wie werden sie das schaffen? Das ist eine echte Herausforderung! Einerseits muss das Gesamtfahrzeug, etwa in Bezug auf Gewicht und Aerodynamik, optimiert werden. Dann sind vor allem die Antriebe weiter zu verbessern. Dabei kommt den alternativen Antrieben eine besondere Bedeutung zu. Volkswagen hat sich mit dem so genannten „modularen Querbaukasten“ darauf eingestellt. Der Baukasten enthält alle Varianten von möglichen Antrieben: hoch effiziente Verbrennungsmotoren (Diesel, Otto und Erdgas), Hybride, Plug-In-Hybride, reine Batteriefahrzeuge und sogar die Brennstoffzelle, deren Serieneinsatz aufgrund der fehlenden Infrastruktur noch einige Jahre auf sich warten lassen wird. Zur Erreichung der Flottenziele wird die Nutzung von elektrifizierten Antrieben zu einer elementaren Voraussetzung. Jedoch bringt ein reines E-Fahrzeug zu erschwinglichen Kosten auch Änderungen im Mobilitätsangebot mit sich. So bietet ein E-Fahrzeug mit einer Reichweite von rund 200 km eher Mobilität in einem urbanen Umfeld. Hier können die Vorteile der lokalen Emissionsfreiheit und die attraktive Fahrdynamik genutzt werden. Um die gewohnte Langstreckentauglichkeit mit den Vorteilen der E-Mobilität zu kombinieren, setzt Volkswagen auf Plug-In-Hybride. Ein Volkswagen GTE hat eine elektrische Reichweite von etwa 50 km. Gleichzeitig ist im GTE ein hocheffizienter TSI-Motor für die Langstreckenmobilität verbaut. Zusammen kann so ein Systemdrehmoment von 350 Nm erreicht werden. Für Volkswagen steht fest, dass E-Mobilität hoch emotional sein muss und wir nur so den Kunden überzeugen können, sie zu nutzen. was bedeutet hier „hoch emotional“? Die Emotionalität zeigt sich hier im nahezu lautlosen Fahren mit hohem Drehmoment oder im hochdynamischen Fahren mit hoher Systemleistung und Reichweite. Wir sind überzeugt, dass diese Aspekte Kunden anziehen. wie weit können die CO₂-emissionen von Verbrennungsmotoren denn noch reduziert werden? Auch die heute schon hoch effizienten Verbrennungsmotoren werden künftig noch besser. Über neue und aufeinander abgestimmte Technologien wie etwa Aufladung, Einspritzung, variable Verdichtung, Zylinderabschaltung und Reibungsreduzierung sind auch weiterhin Effizienzverbesserungen zu erreichen. Der TDI Blue Motion ist heute für die Langstrecke der effizienteste Antrieb und beim Wechsel zu unserer neuesten Fahrzeuggeneration konnten wir 15 % effizienter werden - diese Steigerung wollen wir auch künftig erreichen. Martin winterkorn hat einmal gesagt: „Jedes gramm CO₂, das wir in europa in der Flotte einsparen, kostet unseren Konzern fast 100 Mio. euR.“ Lohnt es sich überhaupt noch, hier weiterzuentwickeln? Die individuelle Mobilität spielt in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Daher sind weitere Anstrengungen bei der Steigerung der Effizienz lohnenswert. Effiziente Antriebe helfen, die Klimaschutzziele zu erreichen, und sind gleichzeitig ein Differenzierungsmerkmal. Volkswagen hat allein 2013 rund 10 Mrd. EUR in Forschung und Entwicklung investiert. Es geht hier auch um den Erhalt und die Stärkung des Industriestandorts Deutschland. Wichtig für eine künftige gesamthafte CO 2 -Betrachtung ist jedoch auch der verwendete Kraftstoff. Daher demonstriert der Konzern beispielsweise im Emsland die Produktion von so genanntem E-Gas (Erdgas/ Methan) aus „grünem“, also erneuerbarem Strom. es sind ja bereits noch strengere werte- für CO₂-emissionen im Neuwagenflottendurchschnitt nach 2020 im gespräch. wie wäre das Ihrer Meinung nach zu schaffen? Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 59 Interview Stefan Schmerbeck MOBILITÄT Bereits die CO 2 -Gesetzgebung für 2020 stellt uns vor große Aufgaben. Für die Zielerreichung in 2020 spielt wie gesagt die E-Mobilität eine entscheidende Rolle. Es muss uns gelingen, Deutschland zu einem Leitmarkt der E-Mobilität und zu einem Leuchtturm für Europa zu entwickeln. Jedes CO 2 -Ziel nach 2020 muss über eine maßgebliche Erhöhung der Elektrifizierung erreicht werden und wir müssen hier erst schauen, wie sich die Kundenakzeptanz entwickelt. Erst dann können wir weitere Ziele im Dialog mit der Politik diskutieren. wie könnte denn die Kundenakzeptanz von e-Fahrzeugen weiter angekurbelt werden? Änderungen im Verhalten bedürfen Zeit. Die Kunden müssen Erfahrungen sammeln und Vertrauen aufbauen können. Die E-Mobilität darf keine Wünsche offen lassen: Sie muss Spaß machen, die gewohnten Kundenbedürfnisse erfüllen und natürlich bezahlbar sein. Unsere Batteriefahrzeuge und Plug-In-Hybride erfüllen diese Ansprüche. Der Dieselmotor wurde auch erst zum Erfolg, als zur Wirtschaftlichkeit die Sportlichkeit in Form attraktiver Dynamik hinzukam. Gleichzeitig muss die Ladeinfrastruktur flächendeckender werden. Wir brauchen zum Beispiel Schnellladestationen entlang der europäischen Autobahnen. Hier hat Bundesverkehrsminister Dobrindt mit den 400 CCS-Ladesäulen entlang der Autobahnen für Deutschland ein erstes richtiges Zeichen gesetzt. Auch beim Neubau von Garagen und Parkplätzen muss die Einplanung von Ladepunkten selbstverständlich werden. Einige Anreize für die E-Mobilität werden mit dem ersten Teil des E-Mobilitätsgesetzes umgesetzt werden. Im zweiten Teil des E-Mobilitätsgesetzes muss im Besonderen der Ausbau der Infrastruktur berücksichtigt werden. Auch eine Sonderabschreibung kann hier Impulse setzen. Nur mit ausgereiften Fahrzeugen und einer existierenden Infrastruktur wird die E- Mobilität erfolgreich und das politische Ziel von 1 Mio. E-Fahrzeugen in Deutschland bis 2020 zu erreichen sein. welche Möglichkeit gibt es Ihrer Meinung nach, um die Kunden generell hin zu energieeffizienteren Fahrzeugen zu lenken? Volkswagen stellt den Kunden attraktive Mobilitätsangebote zur Verfügung: vom XL1 über hoch effiziente Verbrennungsmotoren bis hin zu reinen E-Fahrzeugen. Die Verbreitung alternativer Antriebe ließe sich sicher durch einige Maßnahmen unterstützen. Über die E-Fahrzeuge haben wir ja gerade gesprochen. Doch neben der E-Mobilität ist auch der Erdgasantrieb (CNG) in der europäischen Direktive „Clean-Power for Transport“ als alternativer Antrieb definiert. Bei der Nutzung von Erdgas können bis zu 25 % CO 2 mit modernen TGI-Motoren eingespart werden. Zudem liegt der Anteil von Biomethan bereits heute bei 20 % des im Verkehr genutzten Erdgases in Deutschland. Über die Power-to- Gas-Technologie könnte auch aus „grünem“ Strom nachhaltiges Erdgas hergestellt werden. Die Umsetzung der reduzierten Energiesteuer auf Erdgas nach 2018 und eine kundentransparente Preisauszeichnung - etwa als EUR pro Liter Benzinäquivalent - an der Tankstelle würden den Absatz von Erdgasfahrzeugen fördern. was halten sie davon, Kraftstoffe in den europäischen emissionshandel einzubeziehen? Für uns als Automobilhersteller wird die weitere Effizienzsteigerung der Fahrzeuge im Fokus bleiben - das ist unsere Kernaufgabe! Unser Bilanzrahmen ist das Auto und damit die Bilanzierung Tank-to-Wheel. Um jedoch künftig eine CO 2 -neutrale und nachhaltige Mobilität erreichen zu können, müssen auch die Energieträger einen Beitrag leisten. Das Instrument des Emissionshandels könnte ein Instrument zur Dekarbonisierung sein. Hier liegt die Verantwortung bei der Mineralöl- und Energieindustrie. Zudem kann über dekarbonisierte Kraftstoffe auch der CO 2 -Ausstoß der Bestandsflotte gesenkt werden. wie müsste die Politik künftig handeln, um die energiewende im Verkehr voranzubringen? Für die Industrie sind verlässliche, langfristige Rahmenbedingungen notwendig. Gleichzeitig gilt es, auch künftige Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Anfänglich ist es hilfreich, neue Technologien zu fördern. Nach einer gewissen Zeit muss sich aber jeder technologische Ansatz aus eigener Kraft gegenüber anderen Technologien behaupten. Volkswagen hat sich zur E-Mobilität und damit zu einer Energiewende im Verkehr bekannt und entsprechende Produkte wie den e-up und den e-Golf in die Serie gebracht. Auf dem Weg hin zur Energiewende sind die Bezahlbarkeit der E-Technologie, der Erhalt der hohen Emotionalität und der Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur zu leisten. Das ist nur im Zusammenspiel mit der Politik zu schaffen, etwa durch eine Änderung der Bauordnung. ■ Dr. Stefan Schmerbeck , wurde am 7.-Mai-1975 in Lüdenscheid geboren. Er studierte bis 2001 Maschinenbau an der Ruhr-Universität in Bochum mit der Fachrichtung Energie und Verfahrenstechnik zum Dipl.-Ing. Im Jahr 2008 beendete er seine Doktorarbeit an der Fakultät Maschinenbau der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg über dieselmotorische, hybride Brennverfahren. Als Dr.-Ing. hat Stefan Schmerbeck seit 2001 in der Volkswagen- Konzernforschung für Antriebe gearbeitet. In 2007 übernahm er die Verantwortung für neue dieselmotorische Brennverfahren. Ab 2010 war er verantwortlich für zukünftige Kraftstoffe und Energieträger in der Konzernforschung. Im Jahr 2012 wechselte er in die Konzern-Außen- und -Regierungsbeziehungen der Volkswagen AG und ist dort zuständig für die Themen Zukunftstechnologie, Antriebskonzepte und Energie. ZUR PERSON Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 60 TECHNOLOGIE Automatisiertes Fahren Intelligenz auf Rädern Autonomes Fahren, Assistenzsysteme, Car2Car-Kommunikation, Vehicle2Infrastructure Automatische Steuerungssysteme sind bei vielen Verkehrsmitteln längst Standard. Linienpiloten überlassen die meisten Tätigkeiten der Elektronik und greifen allenfalls bei Start und Landung selbst zum Steuerknüppel. Gleiches gilt auf offener See, und manche Schienenfahrzeuge sind bereits gänzlich fahrerlos unterwegs. Auch die Automobilindustrie bietet zunehmend intelligente Assistenzsysteme für ihre Produkte und arbeitet weltweit an fahrerlosen Fahrzeugen. Doch bis zur Einführung sind noch zahlreiche Hürden zu nehmen. Eine Bestandsaufnahme. Die Autorin: Kerstin Zapp D avon träumt so mancher Autofahrer: Mein Auto holt mich an der Haustür ab, hat meinen Terminkalender im Smartphone abgefragt und weiß deshalb schon, wo es mich hinbringen soll. Ich bestelle unterwegs kurz ein Geburtstagsgeschenk im Internet und checke entspannt meine Mails. Das Auto setzt mich am gewünschten Ort ab und sucht sich selbst einen Parkplatz. Oder es fährt - wenn es nicht der eigene Wagen ist, sondern ein „Car on demand“ - weiter zum nächsten Kunden. Aus der Kutsche ohne Pferd soll also die Kutsche ohne Kutscher werden. Bis allerdings überall auf deutschen Straßen die Mobile autonom unterwegs sind, werden noch einige Jahrzehnte vergehen. Fahrzeughersteller wie Zulieferer sind derzeit damit beschäftigt, die bereits existierenden Assistenz- und Sicherheitssysteme zu verfeinern, miteinander zu koppeln und neue zu entwerfen sowie die Kommunikation zwischen den Autos untereinander (Car2Car) und zwischen den Fahrzeugen und der Infrastruktur (Vehicle2Infrastructure) zu verbessern. Neue Radarsensoren für die 360-Grad-Rundumsicht sind zu entwickeln, Laserscanner, 3-D-Kameras, Infrarotkameras und Ultraschallsensoren, Antennen, Steuergeräte und Bildverarbeitungssysteme sind für den Fahrzeugeinsatz zu optimieren, gegen Wettereinflüsse und Schmutz zu wappnen und in einer Sensordatenfusion zusammenzuführen. Software muss die gesammelten Daten auswerten und Algorithmen für korrekte Entscheidungen berechnen. Von assistiert bis autonom Die Entwicklung hin zum autonomen Fahren läuft über verschiedene Schritte: An erster Stelle steht das Fahren mit Assistenzsystemen wie etwa ABS, Fernlicht- und Notbremsassistent oder Nachtsichtsystem. Das ist bereits heute erlaubt und wird von fast allen Herstellern angeboten. Auch das teilautomatisierte Fahren mit der nächsten Generation von Assistenzsystemen, die die Fahrzeuglängs- und -querführung übernehmen, ist fast schon Alltag: Zum teilautomatisierten Fahren rechnet man Systeme wie Lenk- und Stau-Assistenten oder Park-Assistenten, die selbstständig rückwärts einpar- Studie F 015 Luxury in Motion Foto: Daimler AG Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 61 Automatisiertes Fahren TECHNOLOGIE ken. Die verschiedenen Automatisierungsstufen (Bild 1): • Assistiertes und teilautomatisiertes Fahren - etwa mit den genannten Assistenzsystemen - erfordert die dauerhafte Überwachung durch den Fahrer. • Hochautomatisiertes Fahren erlaubt in bestimmten Anwendungsszenarien, dass der Fahrer das System nicht mehr ständig überwachen muss. • Vollautomatisiertes Fahren entlastet den Fahrzeuglenker zumindest in bestimmten Anwendungsfällen von der Pflicht, als Rückfallebene zur Verfügung zu stehen. In dieser Zeit kann er andere Tätigkeiten ausführen, doch welche? Einschlafen darf er sicher nicht, denn er muss sofort wieder voll konzentriert das Steuer übernehmen können, wenn sich die Fahrsituation ändert. • Autonomes Fahren dagegen macht das Eingreifen eines Fahrzeugführers unnötig: Es ist vollautomatisiertes Fahren während der gesamten Fahrt, nicht nur in bestimmten Situationen. Autonome Fahrzeuge müssen nicht einmal mehr ein Lenkrad besitzen - so das im Sommer 2014 vorgestellte Google Car. Der neue Prototyp, den Google im Dezember 2014 präsentiert hat, ist allerdings wieder mit Lenkrad und Bremse ausgerüstet. Von ihm will Google 150 Exemplare bauen und demnächst auf öffentlichen Straßen in Kalifornien testen. Bei allen Stufen des assistierten und des automatisierten Fahrens muss der Fahrer also weiterhin eingreifen können und ist rechtlich voll und ganz für den Fahrvorgang verantwortlich. Nach dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (siehe Infobox, [1]) ist autonomes Fahren nur auf einigen abgesperrten Teststrecken erlaubt [2].Technisch allerdings sind die meisten Hürden genommen, mehrere Autobauer lassen Testfahrzeuge bereits selbstständig fahren. Schon im Jahr 2005 gewann Volkswagen mit dem „Stanley“, einem mit Sensoren, GPS-System und Kameras aufgerüsteten VW Touareg der Stanford University die „DARPA Grand Challenge“, ein Rennen zwischen autonomen Fahrzeugen quer durch die Mojave-Wüste (Bild 2). Renault-Nissan kündigte an, von 2020 an ein autonom fahrendes Serienauto im Repertoire zu haben - erst im Januar gaben Nissan und die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA ein Programm zur gemeinsamen Forschung und Entwicklung autonomer Fahrzeugsysteme bekannt. Audi präsentierte auf der Elektronikmesse CES 2015 in Las Vegas einen A7, der zuvor 900 km vollautomatisch in den USA zurückgelegt hat. Daimler zeigte auf der CES die Studie F 015, bei der die Vordersitze während der Fahrt um 180 Grad gedreht werden können - trotzdem sind noch Lenkrad, Brems- und Gaspedal vorhanden. Und mit dem „Future Truck“ hat Daimler bereits im Sommer 2014 bewiesen, dass hoch- und vollautomatisiertes Fahren auch für schwere Nutzfahrzeuge möglich ist (Bild 3). Vorzüge und Nachteile Herausforderungen sind rechtliche Fragen etwa zur Haftung ebenso wie Datenschutzaspekte [3]. Es fehlt zudem noch hochwertiges digitales Kartenmaterial, das möglichst minutengenau die aktuelle Verkehrslage mit aufnimmt. Dazu kommen Kosten, Haltbarkeit und Verlässlichkeit der Systeme. So sind zum Beispiel Lösungen zur Beobachtung des Fahrers auf Unaufmerk- Bild 1: Die verschiedenen Stufen des automatisierten Fahrens Grafik: VDA Bild 2: Ein autonom fahrender VW Touareg gewann 2005 das Wüstenrennen „DARPA Grand Challenge“. Foto: ampnet AuF eINeN bLICK Automatisch fahren: Die Rechtslage Auf Basis des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr (WÜ) von 1968, auch als Wiener Straßenverkehrskonvention bezeichnet, gestattet die UN/ ECE-Regelung R 79 für automatisierte Lenkanlagen zwar korrigierende Lenkeingriffe, jedoch kein automatisches Lenken bei Geschwindigkeiten über 10-km/ h. Das machen sich Park- und Stauassistenten zunutze, sie bleiben unter der genannten Geschwindigkeit [5, 6]. Ein Expertenausschuss der Vereinten Nationen hat 2014 das WÜ ergänzt und damit die Basis für die Legalisierung des automatisierten Fahrens geschaffen: Entsprechende Systeme sollen künftig zulässig sein, wenn sie jederzeit vom Fahrer abgeschaltet oder übersteuert werden können. In deutsches Recht ist die Regelung allerdings noch nicht umgesetzt worden. Eine ausführliche Analyse dazu siehe [2]. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 62 TECHNOLOGIE Automatisiertes Fahren samkeitssignale hin oder die Interpretation von Mimik und Gestik anderer Verkehrsteilnehmer durch Maschinen technisch noch nicht wirklich ausgereift. Darüber hinaus ist abzusehen, dass manche Fahrer die Systeme nicht akzeptieren werden, weil sie den Verlust von Fahrspaß, aber auch von Kontrolle befürchten: Schließlich vertrauen sie ihr Leben einem technischen System an, dessen Zuverlässigkeit sie nicht beurteilen können, weil sie es nicht mehr vollständig verstehen. Neben besserem Umweltschutz durch gleichmäßigeres Fahrverhalten könnten jedoch automatisiertes und (teil-)autonomes Fahren, bei denen die Fahrzeuge untereinander sowie mit der Infrastruktur kommunizieren, vor allem Sicherheitsvorteile bringen: Unter anderem könnten Unfall- und Stauzahlen sinken, Verkehrsregeln würden strikt eingehalten, ältere Menschen hätten die Möglichkeit zu längerer Mobilität und sozialer Teilhabe (siehe [4]) und hoch mobile Menschen könnten ihre Fahrzeit im Auto gefahrlos für andere Aktivitäten nutzen. Zuvor sind jedoch noch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nötig, wie der eNOVA Strategiekreis Elektromobilität, eine Allianz relevanter Industrieunternehmen aus Automotive-Schlüsselbranchen, in seinem aktuellen Positionspapier vermerkt [5]. Nach Meinung der Experten sind neben Aktivitäten in den Bereichen adaptives Power- und Reichweitenmanagement sowie automatisiertes Parken und Laden auch Verbesserungen beim kooperativen Fahren sowie Karten- und Navigationsservices erforderlich. Dazu kommt eine umfassende Roadmap für die Fahrzeugautomatisierung an sich, die Anstrengungen von Wissenschaft und Industrie bündelt und auch als Grundlage für entsprechende Förderprogramme dienen könnte. Wesentliche Fragen noch ungeklärt Sicher ist, dass die Automatisierung von Straßenfahrzeugen weiter zunimmt. Dennoch bleiben etliche wesentliche Fragen offen. Einerseits sollen die verschiedenen Stufen des automatisierten Fahrens die Verkehrssituation sicherer machen. Andererseits muss der Mensch weiterhin eingreifen können [6] - er muss dies aber auch vermögen. Wird das noch mit Sicherheit möglich sein, wenn die tägliche Fahrroutine entfällt, jedoch beim Eingreifen ausgerechnet in komplexen Situationen diese Erfahrung lebensnotwendig wäre? Zudem werden auf absehbare Zeit sehr unterschiedlich ausgestattete Fahrzeuge gleichzeitig unterwegs sein. Niemand kann also beispielsweise auf Notbremsassistenten anderer Verkehrsteilnehmer zählen, und wer beim Carsharing mit verschiedenen Fahrzeugen unterwegs ist, muss sich noch penibler als heute mit den installierten Automatikfunktionen vertraut machen. Ob sich wohl jeder Fahrer ständig bewusst sein kann, welche Sicherheitsausstattung das gerade gefahrene Auto bietet? Ist der Mensch dann - in fernerer Zukunft - im autonom fahrenden Fahrzeug endlich von jeglicher Fahrverantwortung entbunden, muss die Software des Autos auch in Gefahrensituationen zuverlässig und sicher entscheiden. Dies wird auch bedeuten, dass die Software entscheidet, ob das Fahrzeug einem auf die Fahrbahn gestürzten Radfahrer ausweicht - womöglich einen Abhang hinunter oder in eine Menschengruppe an einer Bushaltestelle - oder ob es weiter auf den Radfahrer zu hält. Zugleich muss Datensicherheit gewährleistet sein, denn abgesehen vom Schutz der Privatsphäre des Autofahrers ist sicherzustellen, dass die Elektronik der Fahrzeuge nicht „gehackt“ und gestört oder ferngesteuert werden kann. In technischer und rechtlicher Hinsicht sind derzeit also wesentliche Fragen noch ungeklärt. Immerhin will Verkehrsminister Alexander Dobrindt auf der Autobahn 9 in Bayern schon mal eine Teststrecke für zunächst Autos mit Assistenzsystemen und später auch vollautomatisierte Fahrzeuge einrichten. ■ LITeRATuR [1] Convention on Road Traffic. Vienna, 8 November 1968; https: / / treaties.un.org/ doc/ Treaties/ 1977/ 05/ 19770524%2000-13%20AM/ Ch_ XI_B_19.pdf (Abruf am 28.01.2015) Deutsche Fassung: http: / / www.admin.ch/ opc/ de/ classified-compilation/ 19680244/ index.html (Abruf am 28.01.2015) [2] Lutz, L; Tang, T.; Lienkamp, M.: Analyse der rechtlichen Situation von teleoperierten (und autonomen) Fahrzeugen. Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, Technische Universität München; www.ftm.mw.tum. de/ uploads/ media/ 07_Lutz.pdf (Abruf am 20.01.2015) [3] Fasse S.: Recht bremst autonomes Fahren in Europa aus, In: VDI Nachrichten, Ausgabe Nr. 44, 31.10.2015; http: / / www.vdi-nachrichten.com/ Technik-Wirtschaft/ Recht-bremst-autonomes-Fahren-in- Europa (Abruf am 20.01.2015) [4] ADAC (Hrsg.): Mobilitätsoptionen Älterer im ländlichen Raum; http: / / www.adac.de/ _mmm/ pdf/ fv_mobilitaet_laendlich_ gipp_14_220274.pdf (Abruf am 28.01.2015) [5] eNOVA Strategiekreis Elektromobilität: Automatisiertes Fahren - Chancen für die Elektromobilität, Positionspapier Version 1.0, 29. 01. 2014; www.strategiekreis-elektromobilitaet.de/ public/ files/ enovapositionspapier-automatisiertes-fahren (Abruf am 20.01.2015) [6] Bewersdorf, C.: Zur Vereinbarkeit von nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8. November 1968, NVZ 2003, S. 266-271 Kerstin Zapp Freie Fachjournalistin Logistik - Mobilität - Energie, Hamburg kerstin.zapp@zapp4media.de „Wer nur an die Technik denkt, hat noch nicht erkannt, wie das autonome Fahren unsere Gesellschaft verändern wird.“ dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender Daimler AG Bild 3: Zur IAA Nutzfahrzeuge 2014 präsentierte Mercedes-Benz den „Future Truck 2025“ als ersten autonom fahrenden LKW der Welt. Foto: Daimler AG Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 63 Wird die ITK-Industrie die-Automotive-Branche revolutionieren? ITK-Technologie, Automotive, Wertschöpfungsstruktur, Megatrends, Connected Car Seit das Google-Car fahrerlos seine Runden zieht, werden Google & Co. als potenzielle Wettbewerber der Automotive-Hersteller gehandelt. Wahr ist, dass in den nächsten Jahren eine ganze Reihe technischer Innovationen u.a. aus dem Umfeld der Informations- und Telekommunikationstechnologie (ITK) zu nachhaltigen Veränderungen rund um das Thema Autofahren führen wird. Sicher werden diese Entwicklungen den Einfluss der ITK-Industrie auf Erstausrüster und Automobilzulieferer deutlich steigern. Doch ist damit eine disruptive Entwicklung für die Automotive-Branche in Summe verbunden? Eine Analyse der Megatrends liefert Antworten. Der Autor: Peter Fey Z u den branchenrelevanten Megatrends gehören zum einen solche, die bereits seit vielen Jahren Bestand haben und auch in naher bis mittlerer Zukunft eine entscheidende Rolle einnehmen werden. Gemeint sind hiermit zum Beispiel die Veränderungen durch die weiter voranschreitende Globalisierung in Verbindung mit der anhaltenden Verlagerung der Wertschöpfung von den Erstausrüster (OEMs) auf die Zulieferer (Supplier); hinzu kommen die Forderungen nach der Erfüllung noch höherer ökologischer Anforderungen, steigende Modell- und Variantenvielfalt und die die Reduzierung der Produktlebenszyklen. Alle diese Trends betreffen die Automotive-Industrie in ihrer klassischen Aufstellung und Wertschöpfungsstruktur. Zum anderen haben sich in den letzten Jahren zu diesen Trends auch solche hinzu gesellt, bei denen neben den klassischen Automotive-Suppliern auch branchenfremde Industrieunternehmen der Informations- und Telekommunikationstechnologie (ITK) über Kernkompetenzen verfügen, die denen der Automotive-Branche in einigen Fällen deutlich überlegen sind. Dazu gehören die weitere Durchdringung der Fahrzeuge mit Elektronik und Software für „Advanced Driver Assistance Systems“ (ADAS), die zunehmende Vernetzung der Automobile im Kontext des „Autonomen Fahrens“ Foto: Volvo Car Group Automotive-Trends TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 64 TECHNOLOGIE Automotive-Trends und auch Veränderungen im Nutzerverhalten, wenn es um Fragen der Mobilität geht. Vor allem im Kontext von Connected Cars und des autonomen Fahrens treten infolge des Phänomens „Big Data“ Herausforderungen auf, die rechtlicher und datenschutzorientierter Natur sind und mit denen ITK- Unternehmen eher vertraut sind als der klassische OEM aus dem Automotive- Bereich. Veränderungsdruck wächst Der sich abzeichnende Veränderungsdruck lässt sich gerade an den zuvor genannten Megatrends anschaulich verdeutlichen. Connected Cars Stehen unter diesem Schlagwort heute noch Dienste wie Infotainment, Verkehrsmeldungen, Notrufsysteme und die Übermittlung von Telematikdaten an die OEMs im Vordergrund, wird sich der Nutzen zukünftig erheblich ausweiten. Im Schwerpunkt fördert dieser technologische Trend die Konvergenz verschiedener Datenwelten, aber auch bisher getrennter Lebenswelten der Nutzer/ Autofahrer. Die nutzerbezogenen Daten (z. B. Fahrzustand und Fahrstrecke/ ziel) werden dabei mit denen aus der Infrastruktur (z. B. von Verkehrsflusssensoren und intelligenten Ampeln oder über Straßenverhältnisse auf der Strecke) und den Daten anderer Automobile im Zuge einer Vehicle-to-Vehicle-Kommunikation (V2V- Kommunikation) gekoppelt (Bild 1). Der Nutzen für den Autofahrer entsteht jedoch erst durch die Datenintegration und -verarbeitung. Wie ein Google-Manager es ausdrückte: „Das Fahren von Autos ist ein Informationsproblem. Genau das ist unser Geschäft.“ Auch bei der Konvergenz der Lebenswelten kommt es zu einem stärkeren Ineinandergreifen von Informationswelten, die bisher nichts bis wenig miteinander zu tun hatten: Der Mediaplayer zuhause wird ebenso mit dem Auto gekoppelt wie Smart Home-Anwendungen oder bekannte Funktionen aus der Office-Welt. Alleinstellungsmerkmal ist also die nutzenorientierte Bereitstellung von Information, um Effizienz, Sicherheit, Komfort und Ökologie zu verbessern. Hierbei geht es nicht um Mechanik und vordergründig auch nicht um mechatronische Lösungen - es geht vielmehr um die Bereitstellung gewünschter Serviceleistungen mit Hilfe leistungsfähiger Programme und Datenverarbeitungs- und Datenübertragungs- Systeme. Infrastrukturanbieter wie Cisco und IBM sind hier ebenso führend wie etwa die Content-Anbieter Google, Facebook oder Apple. Gleiches gilt für die Service Provider aus dem Telekommunikationsumfeld. Autonomes Fahren Bei diesem Thema treten ITK-Riesen wie Google oder Apple besonders offensichtlich gegen die etablierten Premiumhersteller wie Audi, BMW und Mercedes an. Schlagworte wie etwa Google Car (Bild 2) oder Robo-Taxi sprechen für sich. Zwar veröffentlichen die genannten Autohersteller in den letzten Monaten verstärkt Meldungen zum autonomen bzw. teilautonomen Fahren, doch aus heutiger Sicht kann noch nicht abschließend gesagt werden, wer hier die Nase vorne haben wird. Zur Zeit kann nur festgestellt werden, dass hinsichtlich der Kernfunktionalitäten des Autos die etablierten Anbieter einen deutlichen Vorsprung haben; wenn jedoch die Frage nach den Fähigkeiten im Umgang mit der Vernetzung und der Verarbeitung von Daten gestellt wird, dann sind zweifelsohne die ITK-Anbieter in der Spitzenposition, deren Kernkompetenz genau hierin verankert ist. Unter dem Strich wird das Rennen wohl durch die Nutzer entschieden werden. Erst durch die Verlinkung der verschiedensten Sensoren aus dem Antriebsstrang, dem Fahrwerk und der Kommunikationswelt wird vollautonomes Fahren auf breiter Front zugänglich. Autonomes Fahren auf der Autobahn wird für PKWs und für LKWs schon in naher Zukunft präsent sein (Bild 3). Auf den Landstraßen und mehr noch in den Städten fordert autonomes Fahren jedoch einen weit umfassenderen und komplexeren Umgang hinsichtlich der Verarbeitung von Daten. Zwar stecken bereits heute in der Elektronik eines gut ausgestatteten Oberklassenfahrzeugs mit bis zu 100 Mio. „Lines of Code“ mehr Programmzeilen als in der eines Flugzeugs (ca. 20 bis 35 Mio. Zeilen), dennoch liegt in der Verknüpfung der Daten mit solchen außerhalb des „technischen Ökosystems Auto“ die eigentliche Herausforderung. Hier haben ITK-Unternehmen deutlich die Nase vorn. Veränderung der Nutzenerwartungen Was für Nokia und Apple galt, kann auch in der Automotive-Welt nicht ganz vernachlässigt werden: War zu Hoch-Zeiten von Nokia ein Mobile-Phone noch primär ein Telefon mit Tasten, ist dieses durch Apple und andere zu einem leistungsfähigen mobilen Computer mit Touchscreen mutiert. Smartphones beherrschen den Markt der mobilen Kommunikation, weil sie die Nutzenerwartungen der heutigen Verbraucher besser und zielgerichteter erfüllen als einfache Tastentelefone. Wird die Nutzenerwartung Home-Automation Smart-Grid Versorger Life-Style Fahrerlebnis Mobilität Service Provider/ Kommunikation Komfort User/ Connected Car Bild 2: Der autonom fahrende Versuchsträger von Google Quelle: Raoul Ranoa/ Google Bild 1: Konvergenz der Lebenswelten Alle Grafiken: Dr. Wieselhuber & Partner Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 65 Automotive-Trends TECHNOLOGIE an das Autofahren bzw. die Mobilität einem ähnlichen Wandel unterworfen werden? Wenn dem so ist, wird es zwangsläufig zu einer Veränderung in der Wertschöpfungsstruktur der Automotive-Industrie kommen. Derartige Tendenzen zeichnen sich bereits heute ab: Immer mehr und insbesondere die jungen Autofahrer verlangen ein hohes Maß an Konnektivität. Hierbei geht es, wie bereits oben beschrieben, um die Verlinkung unterschiedlichster Daten- und Lebenswelten. Das Autofahren als solches wird zwar auch künftig einen hohen Stellenwert besitzen - was aber sind in Zukunft die wirklich kaufentscheidenden Faktoren? Dienste wie „Mobility on Demand“, Versicherungsangebote, die sich am Fahrverhalten der Autofahrer orientieren, intelligente, vorausschauende Verkehrsführung sowie neue Formen des Flottenmanagements bieten im privaten wie auch im professionellen Umfeld entscheidenden Nutzen (Bild 4). Allerdings haben viele dieser Dienste eines gemeinsam: Sie werden nicht von den OEMs oder den klassischen Suppliern angeboten. Das ist solange nicht bedenklich, wie Fahrspaß, Luxus und Prestige noch die Entscheidung beim Autokauf dominieren. Nase vorn mit Schrittmachertechnologien Wird also die ITK-Industrie die Automotive-Branche revolutionieren? Die Antwort ist einfach: Wer die Schrittmachertechnologien einer Branche beherrscht, wird früher oder später die Branche dominieren. Dieser Trend ermöglicht neuen Playern den Eintritt in den Automotive-Markt. Hinzu kommt, dass die Kerntechnologien Elektronik, Software und Content-Management von den Unternehmen der ITK-Branche in der Regel besser beherrscht und vor allem deutlich kurzzyklischer vorangetrieben werden als in der Automobilindustrie. Letztlich entscheidet heutzutage im erheblichen Maße der Zeitfaktor über Erfolg oder Misserfolg einer Innovation. Andererseits wird zukünftig ein Mindestmaß an Offenheit der Systeme wichtig sein, was den proprietären Systemen der Automotive-Industrie zuwider läuft. Hinzu kommt: In Zukunft wird auch eine Update- und Upgrade-Fähigkeit der Systeme über den gesamten Produktlebenszyklus von Automobilien an Relevanz gewinnen. Auch hinsichtlich dieser Aufgabenstellungen werden die relevanten Prozesse von der ITK- Industrie seit Jahren erfolgreich praktiziert. Das Setzen von Standards, schnellere Innovationszyklen, eine hohe Software-Expertise und ein großes Gespür für die Bedürfnisse der Kunden im Hinblick auf die von diesen erwarteten Inhalte lässt die ITK-Unternehmen die Nase vorne haben. Entscheidend hierbei ist der Zugang zu einer Vielfalt von Daten und deren intelligente Vernetzung über leistungsfähige Programme bzw. Algorithmen mit Fokus auf den vom Autofahrer erwarteten Mehrwert. Den Extremfall unterstellt, könnten die skizzierten Entwicklungen zu einer völligen Neuordnung der Branchenstruktur führen: Statt der bekannten Wertschöpfungskette „Supplier - OEMs - Händler“ könnte sich in Zukunft eine völlig neue Kette bilden: „Hersteller - Netzwerkinfrastruktur-Anbieter - Content-Integratoren“. Noch scheint dieses Zukunftsszenario sehr abstrakt, noch wähnt sich der eine oder andere Automotive-Manager mit einem komfortablen Zeitpolster ausgestattet. Zu unterschätzen ist die Entwicklung jedoch keineswegs. Vor diesem Hintergrund müssen die etablierten OEMs und Zulieferer ihre Geschäftsmodelle anpassen, wollen sie nicht langfristig von den Entwicklungen überrollt werden. ■ Peter Fey, Dr. Branchenexperte, Dr. Wieselhuber & Partner, München fey@wieselhuber.de 100% Gestern Morgen Heute § Mobilität § Sicherheit § Ökologie § Ökologie § Sicherheit § Mobilität § Mobilität § Komplexe Assistenzsysteme (ADAS) § Content-basierte Services § Nutzen jenseits des Fahrens i.e.S. Nutzenerwartung § Infotainment § Telematik § Einfache Fahrerassistenzsysteme § Sicherheit § Ökologie § Infotainment § Telematik § Einfache Fahrerassistenzsysteme Bild 4: Verschiebungen der Nutzenerwartung Bild 3: Autonomes Fahren als fester Alltagsbestandteil bis 2035 2020: Hochautomatisiertes Fahren als Sonderausstattung in Premiumfahrzeugen 2025: Vollautomatisiertes Fahren; Kein Eingreifen des Fahrers mehr notwendig 2035: Durchdringung der Driving Base; ca. 200 Mio. automatisierte, vollautomatisierte oder autonome PKWs, was einem Marktanteil von ca. 20 % entspricht 2016: Teilautonomes Fahren (z.B. Autobahnpilot) 2015: Passive und aktive Sicherheitssysteme (z.B. Spurwechselwarnung, Brems-Assistent) Zeitachse Technologiefortschritt Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 66 TECHNOLOGIE Datensicherheit Sichere Übertragung von Daten bei drahtloser Kommunikation im ÖPNV Datenübertragung, Wireless Communication, Mobilfunk, Sicherheit, ÖPNV Datenkommunikation per Mobilfunk gilt als Stimulanz für neue Anwendungen im öffentlichen Nahverkehr, und ihr Einsatz nimmt rasant zu. Wachsende Funk-Abdeckung und eine steigende Zahl von Hotspots macht Wireless Communication besonders attraktiv für die Optimierung von Verkehrsströmen, betrieblichen Abläufen und Komfortfunktionen im ÖPNV. Der Autor: Jürgen Kern D ie hohe Funkabdeckung über das normale Mobilfunknetz und die zunehmende Verfügbarkeit von Public WLAN (PWLAN) Hotspots macht Funkübertragungen besonders attraktiv für Aufgaben mit Online-Verbindungen wie zeitaktuelle Fahrgastinformationen, Austausch von Betriebsdaten, Videoüberwachung, Fahrerkommunikation oder Internetzugang für Passagiere im Fahrzeug. Die rasche Ausbreitung des LTE- Netzes verstärkt diesen Trend. Bei vielen dieser Anwendungen werden zunehmend auch sensitive Daten übertragen: Dazu gehören Betriebsinformationen vom Fahrzeug, EC-/ CC-Verifikationsdaten beim bargeldlosen Ticketing und die Sprachkommunikation des Fahrers mit der Zentrale. Bei derartigen Datenübertragungen rückt die Sicherheit in den Mittelpunkt des Interesses. die größten Herausforderungen Zum Thema Sicherheit bei der Wireless Übertragung von Informationen und Daten gibt es mehrere Aspekte: Zuverlässigkeit Sicherheit im Sinne von Zuverlässigkeit bedeutet, dass die Verbindung zwischen Endgeräten in Bus oder Tram und Zentrale (Server) immer aktiv (online) ist; das heißt, die Mean Time between Failures (MTBF) ist sehr hoch. Bei einer Unterbrechung muss sichergestellt sein, dass die Verbindung automatisch wieder hergestellt wird, so dass man die Mean Time to Repair (MTTR) sehr gering halten kann. Die Beteiligten sollen davon nichts bemerken. Datenschutz Sicherheit im Sinne von geschützter Datenübertragung bedeutet, dass die Übertragung von Informationen und Daten - vor allem über das öffentliche Medium Internet - für Dritte unzugänglich, d.h. abhör- und manipulationssicher durchführbar ist. Wie kann eine permanente Verbindung (‚Always-on‘) sichergestellt werden? Die Sicherstellung einer Permanentverbindung erreicht man dadurch, dass man in regelmäßigen, zeitlichen Abständen sogenannte ‚Pings‘ (das sind kurze Nachrichten) an die Endgeräte schickt und die Reaktion darauf analysiert. Erfolgt innerhalb einer definierten Zeit keine Reaktion, wird die Verbindung neu aufgebaut, ohne dass die Partner dies bemerken. Diese ‚Always-on‘- Verbindung ist wichtig bei kontinuierlichen Überwachungsprozessen, bei der Übertragung von Überwachungsvideos in Sicherheitsanwendungen sowie beim Sprachverkehr des Fahrpersonals mit der Zentrale. Wie lässt sich die datenübertragung vor unbefugtem Zugriff schützen? In der Regel werden die zu übertragenden Daten verschlüsselt und/ oder über sogenannte Virtual Private Networks (VPN) übertragen, also virtuelle „private“ Rech- Internet 10.10.1.41 LAN 1-1 172.16.1/ 24 APN (NAPT, Filters) UMTS / LTE 172.16.1.1 10.10.1.42 LAN 1-2 172.16.2/ 24 172.16.2.1 Private Network Application 1 172.16/ 16 OpenVPN Server VPN Daemon Application 1 VPN Tunnels Application 1 10.10.1.1 10.10.1.43 LAN 2-1 172.17.1/ 24 172.17.1.1 10.10.1.44 LAN 2-2 172.17.2/ 24 172.17.2.1 Private Network Application 2 172.17/ 16 172.17.3.1 VPN Tunnels Application 2 VPN Daemon Application 2 Bild 1: Virtual Private Network realisiert mit OpenVPN Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 67 Datensicherheit TECHNOLOGIE nernetze, die auf einer öffentlichen Netzwerk-Infrastruktur aufgebaut sind. Firewalls sichern zudem den Zugang zu den Endgeräten und Servern. VPNs bieten außerdem den interessanten Nebeneffekt, Daten unterschiedlicher Anwendungen gleichzeitig über ein und dasselbe physikalische Medium zu schicken. So können beispielsweise in einem Linienbus Fahrgastinformationen, Betriebsdaten und EC/ CC-Verifikationsdaten gesichert über eine Mobilfunkbzw.- WLAN-Verbindung geschickt werden, ohne sich gegenseitig zu stören oder beeinflussen. Virtual Private Network im detail Ein VPN ist ein geschlossenes, logisches Netz, das in der Regel auf den Schichten 2 oder 3 des OSI-Referenzmodells aufsetzt und Tunneling-Mechanismen für den IPbasierten Datenverkehr verwendet. Es nutzt immer die öffentlich zugänglichen Übertragungsnetzwerke (z. B. das Mobilfunknetz), deren Verbindungen durch einen öffentlichen Anbieter bereitgestellt werden, und verbindet Teilnehmer untereinander standardmäßig über das Point-to-Point-Protokoll (PPP) mit IP-Tunneling. Häufig werden Sicherheitsprotokolle wie IPSec oder PPTP und L2TP zur Erhöhung der geschützten Datenübertragung eingesetzt. Eine weitere Alternative ist OpenVPN - ein Open Source 1 -Softwarepaket, das die einfache Realisierung von VPNs über Mobilfunk und/ oder WLAN ermöglicht (Bild 1). So funktioniert OpenVPN Das zentrale Element eines solchen Netzwerks ist der OpenVPN-Server. Für jedes aufgebaute private Netzwerk betreibt er einen sogenannten VPN Daemon, der die VPN-Tunnels abschließt und miteinander verbindet. Der OpenVPN-Server kennt die Topologie und die Adressierung des gesamten privaten Netzwerks und weist jedem Teilnehmer eine gültige Adresse zu. Über eine Network Address Port Translation (NAPT) bietet er zudem auch den Zugang zum öffentlichen Internet. Der OpenVPN Server selbst ist über das öffentliche Internet erreichbar, meist mit einer statischen Adresse des Internet Protokolls (IP). VPN-Clients oder Endgeräte wie PCs oder Smartphones, die ins Netz eingebunden werden sollen, schliessen die anderen Enden der VPN-Tunnels ab. Ihnen werden vom Mobilfunk-Provider dynamische, meist private IP-Adressen (z.B. 10.10.1.41) zugeteilt. Die Clients verbinden sich automatisch mit dem VPN-Server und bauen dadurch die VPN-Tunnels auf. Diese Verbindungen öffnen die NAPT und/ oder Firewall des Providers für den Datenverkehr in die entgegengesetzte Richtung. Nach einer bestimmten Zeit ohne Datenverkehr schließen sowohl die NAPT als auch die Firewall ihre Zugänge wieder. Um dies zu verhindern, müssen die VPN-Clients regelmäßig Datenpakete schicken. Die lokalen Kabel- oder Funk-Netzwerke (LAN oder WLAN), die zu einem privaten Netzwerk verbunden werden sollen, sind an die VPN-Clients angeschlossen. Sie sind für „ihr“ Netzwerk eine Art Kopfstation und fungieren als Standard-Gateways und Router für die Kommunikation nach außen. Ausserdem sind sie als DNS Proxy zuständig für die Erkennung und Zuordnung der Domain-Namen und als DHCP Server für die Zuteilung der IP-Adressen innerhalb der Netzwerke. So ermöglicht OpenVPN sowohl unterbrechungsfreie als auch sichere Übertragungen. Online-Anwendungen nehmen zu Viele Fahrzeuge im ÖPNV sind heute schon vernetzt, Tendenz steigend. Viele davon (z. B. Busse und Trams) stecken bereits voller Anwendungen mit Onlineverbindung: So erfordert der Ticketkauf mit Bank- oder Kreditkarte am Automaten im Fahrzeug eine Verifizierung der Karte mittels Onlineverbindung zu einer Überprüfungszentrale. Die Fahrzeuge sind zudem immer öfter mit elektronischen Anzeigen ausgestattet, die Fahrgäste mit Reiseinformationen und Werbung versorgen - jederzeit per Fernzugriff veränderbar bzw. aktualisierbar. Ein Bordcomputer übermittelt verschiedene Betriebsdaten und die aktuelle Fahrzeugposition an die Betriebsleitstelle. Dies erlaubt, stets die genaue Ankunftszeit an den Haltestellen anzuzeigen. Ein aktueller Trend ist, dass immer mehr Verkehrsbetriebe ihren Fahrgästen die kostenlose Internetnutzung via WLAN als zusätzlichen Service anbieten. Sie versprechen sich davon höhere Fahrgastzahlen und eine engere Kundenbindung - wie sich das etwa in Cafés bereits etabliert und bewährt hat. Bild 2 zeigt die verschiedenen Anwendungen im Fahrzeugnetz. Bisher wurden für die verschiedenen Anwendungen mehrere Kommunikationsgeräte verschiedener Hersteller eingesetzt, mit der Konsequenz eines Nebeneinanders mehrerer inkompatibler Systeme. Wird nun anstelle mehrerer Modems ein einziger Wireless Routers eingesetzt, ermöglicht dies deutliche Einsparungen sowohl bei den Wartungs- und Instandhaltungskosten als auch bei den anfallenden Verbindungskosten. Um alle Anwendungen mit einem einzigen System betreiben zu können, trennt man die Kommunikationsaufgaben von der eigentlichen Applikation. Das bedeutet: Im Fahrzeug muss ein zuverlässiges Netzwerk zur Verfügung stehen, das alle Applikationen nutzen können. Meistens wird hierfür Ethernet bzw. die TCP/ IP-Technologie verwendet. An ein solches LAN können alle Subsysteme im Fahrzeug angeschlossen werden, ohne dass diese eigene Kommunikationslösungen benötigen. Die Kommunikation zur Leitzentrale oder zur Online-Datenbank für die Kreditkartenprüfung erfolgt über Mobilfunk, z. B. UMTS, oder über WLAN, wenn sich der Bus im Depot oder an Haltestellen mit WLAN-Hotspots befindet. Bild 3 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer sicheren UMTS/ WLAN-Kombination. Im vorgestellten Anwendungsfall kommt ein Wireless Router NB2700 zum Einsatz, Bild 2: Online-Anwendungen im ÖPNV-Fahrzeugnetz Bild 3: Sichere Übertragung über Mobilfunk bzw. WLAN Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 68 TECHNOLOGIE Datensicherheit dessen wesentliches Merkmal die automatische Umschaltung zwischen den unterschiedlichen Wireless-Technologien nach definierten Regeln ist. So kann beispielsweise die schnellste und/ oder günstigste Verbindung ermittelt und genutzt werden. Nähert sich der Bus einem WLAN-Hotspot, schaltet der Router von Mobilfunkbetrieb auf WLAN-Betrieb um. Gleichzeitig signalisiert er dies den Applikationen, die dann große Datenmengen wie z. B. Werbevideos kostengünstig und schnell übertragen können. Eine weitere Anforderung an den Wireless Router ist, dass er sich sowohl als Access Point (fürs Surfen der Fahrgäste im Internet) wie auch als Client (für den Datentransfer an Hotspots oder im Depot) betreiben lässt. Zur sicheren Datenübertragung werden in diesem konkreten Anwendungsfall Virtuelle Netze oder virtuelle LANs (VLANs), wie zuvor beschrieben, verwendet. Eine besondere Methode zur Definition eines virtuellen Netzes ist die Zuordnung von Ports zu Teilnehmern einer Anwendung. Alle Stationen, die an einem bestimmten Port anliegen, gelten als Teil des virtuellen Netzes. Bild 4 zeigt die Zuordnung der Ports zu den verschiedenen Anwendungen. Das Sicherheitsbedürfnis der rasch zunehmenden Anwendungen bei Wireless- Kommunikation lässt sich mit verschiedenen Methoden und Lösungsansätzen erfüllen. Die hier vorgestellte Lösung erlaubt die Realisierung sicherer und zuverlässiger, aber auch kostengünstiger Kommunikation in verschiedenen Anwendungen (Bild 5). ■ 1 Open Source: Software, deren Quelltext offenliegt und beliebig kopiert, verbreitet, genutzt und verändert werden darf. Jürgen Kern Geschäftsführer NetModule AG juergen.kern@netmodule.com Bild 5: Komponenten einer Kommunikationslösung zur sicheren Datenübertragung Bild 4: VLANs mit Port-Zuordnung © Rainer Sturm, pixelio.de IHR KUR ZE R DR AHT ZUM ANZEIGEN -T E AM Silke Härtel Anzeigenleitung Tel.: +49 (40) 23714-227 silke.haertel@dvvmedia.com Tim Feindt Anzeigenverkauf Tel.: +49 (40) 23714-220 tim.feindt@dvvmedia.com Telefax Anzeigen-Team: +49 (40) 23714-236 IV EAZ.indd 1 28.2.2014 15: 33: 04 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 69 Zulassungsprozesse für Fahrzeuge in Deutschland Straße, Luft und Schiene im Vergleich - Teil 3: Schiene Verkehrssysteme, Fahrzeugzulassung, Schienenfahrzeuge, Zulassungsprozesse Die dreiteilige Artikelreihe vergleicht die Zulassungsprozesse verschiedener Verkehrssysteme. Sie soll Unterschiede und mögliche Schwachstellen herausarbeiten und Möglichkeiten zur Optimierung aufdecken. - Teil 3 behandelt den aktuellen Stand der Zulassungsprozesse für Schienenfahrzeuge und gibt Empfehlungen an die Politik. Der Autor: Jürgen Siegmann A lle Akteure im System Bahn bedauern seit geraumer Zeit die zunehmenden Verzögerungen in den Zulassungsprozessen von Schienenfahrzeugen. Die Zulassungsprozesse für Flugzeuge und Automobile verlaufen dagegen scheinbar reibungslos und effizient. Daher befasst sich die Artikelserie mit dem Vergleich der Systeme, um hieraus - so weit erkennbar - Lernprozesse anzustoßen und verbleibende Schwachstellen aufzudecken. Systemunterschiede und Vergleichbarkeit Vorgaben für das System Bahn Das hohe erreichte Sicherheitsniveau sowohl auf der Fahrwegseite als auch bei den Schienenfahrzeugen und deren Zusammenspiel beim Bahnbetrieb darf nicht durch neue Komponenten gefährdet werden. Gesetzliche Regelungen wie die Eisenbahnbau- und -betriebsordnung (EBO) auf Basis des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) definieren Mindeststandards für das komplexe Zusammenspiel von Fahrzeug und Fahrweg. Noch genauer werden die Erfahrungen aus mehr als 175 Jahren Bahnbetrieb in diversen weiteren Regelwerken festgehalten. EBO § 2 verlangt, dass bei jeder Änderung im System mindestens die gleiche Sicherheit erreicht wird wie bei Verwendung der vorhandenen Komponenten und Betriebsvorschriften. Weil jede Neuerung häufig ein wenig mehr Sicherheit liefert, droht das System Bahn sich langfristig wegen seines dann erreichten Sicherheitsniveaus bezüglich der Innovation selbst zu hemmen. Historisch sind die vorwiegend staatlichen Bahnen in Europa nicht einheitlich gewachsen, sie haben sich zeitweise bewusst von Systemen in anderen Ländern abgegrenzt. Mit dem Ziel der Durchlässigkeit der Grenzen, einer universellen Verwendbarkeit von Wagen und Triebfahrzeugen und der Erhöhung der Stückzahlen der diversen Bahnkomponenten - mit entsprechender Preisdegression - verfolgt die EU seit mehr als 15 Jahren die Vereinheitlichung der Bahnsysteme und will das u. a. mit den Technischen Spezifikationen Interoperabilität (TSI) erreichen. Da jedes Land sich nach seinen Möglichkeiten und Rand- Foto: Siemens Fahrzeugzulassung TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 70 TECHNOLOGIE Fahrzeugzulassung bedingungen an die EU-Vorgaben anpassen muss, werden die Bahnsysteme im EU- Raum dennoch mindestens 20 Jahre uneinheitlich sein. Vergleich der Bedingungen der Verkehrssysteme Aus einem Vergleich der Zulassungsprozesse bei Flugzeugen und Straßenbzw. Schienenfahrzeugen sollen daher Empfehlungen abgeleitet werden, wie die bereits eingeleiteten Schritte zur Verbesserung der Zulassungen (u. a. Handbuch Zulassung Schiene) im Sinne von best practice noch weiter optimiert werden können. Die Ausführungen zu Straßenfahrzeugen finden sich in Internationales Verkehrswesen 3/ 2014 [1], die zu Flugzeugen in Ausgabe 4/ 2014 [2]. Dazu sind in Tabelle 1 nochmals die Eckdaten der drei Verkehrssysteme gegenübergestellt. Schienenverkehr Anzahl der Zulassungsprozesse je Jahr geschätzt Die hohen Anforderungen im Bahnsystem führen zu einer wirtschaftlichen Lebensdauer der Fahrzeuge und Fahrwegkomponenten von 30 bis 50 Jahren mit der Folge, dass jährlich nur relativ wenig Neufahrzeuge beschafft werden. Es gibt nur einen sehr gering ausgeprägten Gebrauchtfahrzeugmarkt. Geschätzt werden jährlich Anträge auf Zulassung für etwa 10 Triebfahrzeugbaureihen, etwa 15 Triebwagentypen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und drei Fahrzeugtypen für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) sowie etwa neue 20 Güterwagenbaureihen oder -derivate gestellt. Jährlich werden von allen deutschen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) oder Wagenhaltern etwa durchschnittlich • 100 Fahrzeuge für den SPNV auf Vollbahnen • zehn Fahrzeuge für den SPFV (stark schwankend je Jahr von 0 bis 15 Fz/ a) • 20 Triebfahrzeuge (zwischen 0 und 50 Fahrzeuge/ a) • 2000 Güterwagen diverser Baureihen neu beschafft. Diese Zahlen ergeben sich aus der Hochrechnung diverser Veröffentlichungen der Bahnen und der Hersteller. Insbesondere im SPNV besteht derzeit aber ein umfangreicher Tauschmarkt mit diversen Aufarbeitungsprogrammen und Besitzerwechseln, wobei unter Umständen auch erneuter Zulassungsbedarf besteht. Bei vielen SPNV-Ausschreibungen wird der Einsatz von Neufahrzeugen mit speziellen, vom Besteller geforderten Ausstattungen gefordert - wozu alle Anbieter sich Angebote von Fahrzeugherstellern einholen müssen, aber nur einer zum Zuge kommt, also wirklich eine Bestellung auslöst. Die technische Lebensdauer von Schienenfahrzeugen liegt bei 30 bis 50 Jahren, wobei mehrere Redesign-Maßnahmen zwischendurch erfolgen. Ältere Fahrzeuge im SPFV sind z. B. viele IC-Wagen, die teilweise auf Rahmen aus den 1950er Jahren laufen und dringend einer Ablösung bedürfen. Auch hierfür wird der neue ICx konzipiert. Die ICE-Flotte ist relativ modern, der ICE1 wurde etwa 1990 in Betrieb genommen, der ICE2 1998 und der ICE3 von 2000 bis 2002. Neue ICE-Baureihen (BR 407) kommen nach jahrelangen Verzögerungen auch infolge Zulassungsschwierigkeiten erst ab 2014 nach und nach zum kommerziellen Einsatz. Der Marktdruck und die Trennung von Netz und Betrieb führen zu einem starken Veränderungsprozess bei allen Systemkomponenten. Die SPNV-Leistungen werden ausgeschrieben und die Besteller verlangen unter Umständen Fahrzeuge mit besonderen Merkmalen, die noch nicht am Markt verfügbar sind. Die Folge sind lange Zulassungsprozesse auch für Derivate bewährter Baureihen und unterschiedliche, untereinander nicht kompatible SPNV-Fahrzeuge im deutschen Schienennetz [3]. In den eigenwirtschaftlichen Angebotsformen SPFV und Schienengüterverkehr (SGV) müssen Mehrverkehr durch Innovationen und Mehraufwand durch neue Fahrzeuge oder Betriebsweisen in Einklang gebracht werden. Bei den Güterwagen ist eine breite Spanne in der Altersverteilung anzutreffen. Die etwa 60 000 Privatgüterwagen (u.a. nahezu alle Kesselwagen) sind mit etwa zehn bis 15- Jahren mittleres Alter relativ modern. Das trifft auch auf die vielen KV-Tragwagen für Container zu, da dieser stark wachsende Markt ständig nach neuen Tragwagen verlangt. Die übrigen Güterwagen zeigen moderne Baureihen in boomenden Märkten (Autotransporte, spezielles Massengut) und Auslaufmodelle wie die Zweiachs-Güterwagen für Kaufmannsgüter. Ein großer Bereich der Zulassung von Bahnfahrzeugen sind Nebenfahrzeuge wie Zweiwegebagger, Inspektionsfahrzeuge und andere, die insbesondere durch ihre Spezialanbauten individuell auf Bahntauglichkeit geprüft werden müssen. Bei den sehr kleinen Stückzahlen ist der Aufwand relativ hoch. Die Instandhaltung erfolgt in der Regel zeitabhängig, lediglich in besonderen Fällen oder als Selbstverpflichtung der Betreiber wird auch laufleistungsabhängig eine Instandhaltung oder Inspektion durchgeführt. So ordnete das Eisenbahnbundesamt (EBA) nach dem Radbruch bei einem ICE3 in Köln eine Kontrolle aller Achsen nach 30 000 km Laufleistung an, so dass diese ICE dann monatlich zur Untersuchung aller Räder muss- Luftfahrt Straßenverkehr Eisenbahn Bewegungsoptionen 3-D (Raum) 2-D (Fläche) 1-D (Linie) Bediener Verantwortlicher Fahrzeugführer meist redundant nicht redundant nicht redundant Professionalität der Fahrzeugführer fast vollständig hauptberuflich geringer Anteil hauptberuflich fast vollständig hauptberuflich Ausbildung Theorie > 750 Stunden > 21 Stunden ~ 800 Stunden Praxis > 1500 Stunden > 9 Stunden 1 ~ 400 Stunden Schulung auf Fahrzeugtyp Ja Nein Ja Weiterbildung Erforderlich Nicht erforderlich Erforderlich Technische Rahmenbedingungen Dokumentation Fahrten/ Betriebsstunden Ja Nein Überwachung der Laufleistung, automatische Fahrtenschreiber Instandhaltung, Reparatur Nur von zertifizierten Betrieben Werkstätten, Selbsthilfe Nur von zertifizierten Betrieben, dann auch kleine Werkstätten Unfallanalyse Jeder Unfall/ schwere Störung, durch unabhängige staatliche Stelle In Einzelfällen, durch zertifizierte Gutachter Jeder Unfall/ schwere Störung, durch unabhängige staatliche Stelle Stückzahlen (in Europa) 103 (fallend) 106 (steigend) 103 (fallend, bei steigender Fahrleistung pro Triebfahrzeug) Modellwechsel ca. 20 Jahre ca. 5 - 7 Jahre ca. 20 Jahre für Triebfahrzeuge Tabelle 1: Vergleich der Bedingungen der Verkehrssysteme Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 71 Fahrzeugzulassung TECHNOLOGIE ten und eine Neuaufstellung der Umlaufpläne notwendig war. Diese intensive Kontrolle hat aber keine weiteren bekannt gewordenen Auffälligkeiten gezeigt. Güterwagen haben sehr unterschiedliche Laufleistungen zwischen 20 000 und 300 000 km/ a. Im Nahverkehr sind Inspektionen, Nachschauen oder größere Wartungsarbeiten langfristig in den Fahrzeugeinsatz eingeplant und entsprechende Reservegarnituren werden vorgehalten. Die Arbeiten werden zumeist an einem zentralen Ort im Einsatzgebiet durchgeführt, so dass Überführungsfahrten selten notwendig sind. Zulassungsinstitutionen und amtliche Zulassungsbehörde Heute stimmen sich die Zulassungsbehörde, das EBA und die Hersteller über die für ein neues Produkt zu berücksichtigen Regelungen und Normen ab. Das EBA überwacht stichprobenartig die Produktion. Es stellt eine Liste der für die Zulassung vorzulegenden Sachverständigengutachten zusammen. Wenn diese zu einem positiven Urteil kommen und das EBA die Gutachten akzeptiert, kann eine Zulassung erteilt werden. Anderenfalls werden weitere Gutachten eingeholt - auf Kosten der Hersteller - oder Zulassungsfahrten bis hin zu einem Testprogramm werden angeordnet. Nach den Zielvorstellungen der EU, formuliert in der EU-Richtlinie 2008/ 57/ EG [5] mit dem Leitmotiv des Cross Acceptance, der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen in einzelnen Mitgliedsländern, wurde kürzlich das Dokument DV 29 verabschiedet, das die Sicherheitsrichtlinie Common Safety Measurements (CSM) und die Interoperabilitätsrichtlinie TSI verbinden soll. Dieses Dokument beschreibt auch die Konformitätsbewertung und definiert dazu folgende Organe: • NoBo - Notified Body - mit der Aufgabe der Bewertung der Konformität mit den TSI (erfüllt oder nicht erfüllt). • DeBo - Design Body - zur Bewertung der Konformität mit den notifizierten nationalen Vorschriften. Auch hier ist das Ergebnis erfüllt oder nicht erfüllt. • AssBo - Assessment Body - für eine Risikobewertung gemäß der CSM-Verordnung. Dies ist wichtig insbesondere bei der Zulassung von innovativen Komponenten, die mit den vorhandenen Zulassungsbedingungen nicht komplett abgedeckt werden können. Inzwischen hat die DEKRA eine Notifizierung als AssBo erhalten. Damit haben die europäischen Ebenen einen weiteren Schritt zur Vereinheitlichung der europäischen Bahnsysteme getan. Notified Bodies, benannte Stellen für die Interoperabilität, sind in Deutschland eine Ausgründung des EBA, die EBC. Benannt, also anerkannt als nationale Prüfstelle gemäß den europäischen Normen TSI, werden sie von der European Railway Agency (ERA), die bisher selbst kaum Prüfungen durchführt oder Zulassungen erteilt. Sowohl neue Fahrzeuge als auch Fahrweg- und Sicherungselemente sowie die Betriebsverfahren müssen zugelassen werden. Als Verbindung zwischen Interoperabilitäts- und Sicherheitsrichtlinie dienen diverse CSM-Kapitel und EU-Verordnungen (Komformitätsbewertung, Supervision für NSA über EVU und EIU, Monitoring für EVU, EIU und ECM und Risikoevaluierung). Das Zusammenspiel der neuen Institutionen im Bereich Zulassung Schiene zeigt Bild 1. Die TSI müssen in nationales Recht einfließen, sind aber selbst noch nicht „abgetropft“, befinden sich also im Entwicklungsprozess. Daher gibt es in Europa noch keine verlässlichen Regeln für eine nachhaltige Zulassung. Die EU schafft es bisher nicht, die Geschwindigkeiten in den Umsetzungsprozessen in den diversen Mitgliedsländern anzupassen. Die Umsetzung in die Praxis scheitert meist an fehlenden Finanzmitteln. Die Zulassungsbehörde EBA/ EBC hat einen Kranz von zertifizierten Prüfinstituten, die im Auftrag der Industrie diverse Versuche durchführen und so die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit erbringen. Lastannahmen und Prüfbedingungen sind in DIN- Normen festgelegt. Das EBA zertifiziert diese Gutachter und erteilt letztendlich die generelle Zulassung oder eine für den Einzelfall. Das Ende der bisher notwendigen Einzel-Inbetriebnahmegenehmigungen von Schienenfahrzeugen soll die Typenzulassung bringen, die derzeit vom Bundesrat beraten wird. Fahrzeugtypen können dabei entweder auf Grundlage einer EG-Baumusterprüfung genehmigt werden oder es wird ein Einzelfahrzeug genehmigt und der Antragsteller gibt eine Konfirmitätserklärung ab, dass die Serie mit einem geprüften Einzelfahrzeug übereinstimmt. Die Sicherheitsbehörde kann eine Typgenehmigung widerrufen, falls sicherheitsrelevante Änderungen vorgenommen wurden. Die Europäische Eisenbahnagentur ERA wird dann informiert. Auch für Teile oder Teilsysteme kann diese Regelung zukünftig Anwendung finden. Die Notified Bodies, die die Baumuster auf Konformität mit den relevanten TSI prüfen, können Zwischenprüfbescheinigungen und Konformitätsbescheinigungen für diese identisch zu verbauenden Teilsysteme ausstellen. Der neue Zulassungsprozess Anträge auf Erteilung einer Inbetriebnahmegenehmigung dürfen seit Oktober 2013 auch die Hersteller und Fahrzeughalter stellen, nicht nur wie bisher die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Die Prüfungen im Rahmen von Fahrzeugzulassungen dürfen nun auch private Organisationen durchführen; bisher war dafür allein das EBA zuständig, das mangels eigener Prüfkapazitäten dafür auch zertifizierte Gutachter damit beauftragt hat. Das EBA bleibt aber die Behörde, die der Zulassung von Bahntechnik Rechtskraft verleiht. Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) sieht damit auch für den Bahnsektor ähnliche Strukturen, wie sie sich im Bereich Luftfahrt und für Straßenfahrzeuge seit Jahren bewährt haben (vgl. [4]). Die EU hat mit den Interoperabilitätsrichtlinien in transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr und auch im konventionellen Schienenverkehr wichtige Schritte in Richtung einer technischen Harmonisierung der Bahnen in Europa getan. Diese wurde mit der TEIV (Transeuropäische Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung) 2012 auch in Deutschland umgesetzt. Damit wird eine technische Mindestkompatibilität der Bahntechnik in Europa verfolgt. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme müssen die Bahnfahrzeuge den jeweiligen Anforderungen der öffentlichen Sicherheit Bild 1: Neuer Prozess für eine Inbetriebnahmegenehmigung für Schienenfahrzeuge [4] NoBo - Notified Body DeBo - Design Body AssBo - Assessment Body Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 72 TECHNOLOGIE Fahrzeugzulassung entsprechen. Das EBA ist für die Durchführung des Inbetriebnahmeverfahrens nach der TEIV zuständig. Die Antragsteller (Industrie, Bahnen, Wagenhalter) müssen durch entsprechende Gutachten nachweisen, dass die definierten Anforderungen eingehalten werden. Nach der Inbetriebnahme sind für die Sicherheit im Betrieb der Fahrzeuge die Eisenbahnen und Halter verantwortlich. Wenn die Nachweise nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erbracht werden können, kommt es zu Verzögerungen im Genehmigungsprozess. Die Antragsteller sind aber meist in den Zwängen abgeschlossener Ablieferungs- oder Betriebsaufnahmeverträge, so dass es unter Umständen zu Vertragsauflösungen oder finanziellen Lasten kommt. Druck auf die Zulassungsbehörden hilft aber hier nicht weiter. Zwar sollten diese ausreichend personell ausgestattet sein - nur können nicht genehmigungsfähige Objekte eben keine Zulassung erhalten. Insbesondere bei Problemen im Bereich Bremse oder Insassensicherheit hat die Zulassungsbehörde keinerlei Toleranzspielraum. Auch beim Betreten von Bereichen mit wenigen Betriebserfahrungen - etwa bei neuen Materialien für die Achsen von Bahnfahrzeugen - müssen umfangreiche Prüfungen erfolgen, um u. a. die Dauerfestigkeit nachzuweisen. Weitere Entwicklung der Zulassungsprozesse Schiene Die Fahrzeuge müssen netzkompatibel sein, also möglichst freizügig verkehren können, was bei der Zersplitterung der Bahnwelt (Spurweite, Bahnstrom, Lichtraumprofile, Bahnsteighöhen und -längen sowie Leit- und Sicherungstechnik) einen sehr großen Anspruch darstellt. Angestrebt dabei wird der barrierefreie Netzzugang in- Europa, auch als Voraussetzung für mehr- Wettbewerb zwischen den (privaten) EVU auf den Bahnnetzen der Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen (EIU), die meist weiterhin im Staatsbesitz verbleiben werden. In der neuen Verwaltungsvorschrift zur Inbetriebnahme von Eisenbahnfahrzeugen vom Februar 2013 sind entsprechende Checklisten enthalten, die ständig aktuell gehalten werden. Sie bieten den Antragstellern auf Zulassung vorab einen Überblick, welche Regelwerke bei der spezifischen Fragestellung für neue Projekte Anwendung finden sollen. Als nationales Steuerungsgremium hat sich ein Lenkungskreis (LK) Fahrzeuge etabliert, in dem alle aktuellen Probleme diskutiert und entsprechende Vorschläge zur Weiterentwicklung der Zulassungsprozesse erarbeitet werden. Die Bahnindustrie und die Verkehrsunternehmen, vertreten durch den VDV, aber auch die DB AG selbst, das EBA und der BMVI sind Mitglied im LK. Das EBA ist an die Zwei-Drittel-Beschlüsse des LK rechtlich nicht gebunden, muss aber vom Votum abweichende Entscheidungen zeitnah und schriftlich begründen. Entscheidend für die Innovationsfähigkeit im Bahnsytem ist die Zulassung bei Nachweis der mindestens gleichen Sicherheit bei unkonventionellen Lösungen. Das darf durch die europäische Normung nicht unmöglich werden, damit sich Innovationen in der Praxis bewähren können und bei entsprechenden Vorteilen eventuell selbst irgendwann zum Standard werden. Die EU- Regeln sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Bahnen gegenüber der Konkurrenz eher stärken und dürfen das System langfristig nicht lähmen durch zu starre Regeln und Einschränkung der Innovationsfähigkeit. Die gesetzlichen Regelungen mit EBO, ESO, AEG, TEIV, u. a. werden von diesen Harmonisierungsbestrebungen überlagert und müssen bei Bedarf entsprechend angepasst werden. Auf die Bahnindustrie kommen durch die neuen Zulassungsprozesse erhebliche neue Anforderungen zu, da sie selbst die Vorarbeiten zur Zulassung leisten bzw. an zertifizierte Unternehmen vergeben und die beizubringenden Gutachten koordinieren müssen. Dazu gehören auch umfangreiche Labor- und Praxisversuche an Komponenten und den Prototypen. Sie haben das aber so gewollt, weil sie meinen, damit den Zulassungsprozess ohne Abstriche an der Sicherheit beschleunigen zu können. Im Juni 2013 wurde ein Memorandum of Understanding (MoU) über die Neugestaltung von Zulassungsverfahren für Eisenbahnfahrzeuge unterzeichnet, indem die Prüfbereiche in • Radsatz • Bremseinrichtung • Fahrtechnik, Fahrsicherheit • Zugsteuerung, Zugsicherung strukturiert wurden. Sie stellen die Schwerpunkte aus Sicht der Sicherheitsrelevanz dar. Bei Zweifeln an der Zulassungsfähigkeit von Komponenten für extreme Bedingungen kann ein ansonsten zulassungsfähiges Fahrzeug mit Einschränkungen zugelassen werden, z. B. mit reduzierter Höchstgeschwindigkeit oder Achslast, womöglich mit der Folge, dass Einschränkungen im Betriebseinsatz dem Bahnunternehmen richtig weh tun. Mit den so gewonnenen Betriebserfahrungen können dann später gegebenenfalls die Restriktionen wieder zurückgenommen werden. Die Zulassung im europäischen Bahnwesen befindet sich also derzeit in einem gewaltigen Umbruch mit Auswirkungen auf alle Prozesse bei der Industrie, den Bahnbetreibern und den Netzen. Dauer einer Zulassung Im Bahnbereich werden schätzungsweise vier völlig neue Baureihen für den Nahverkehr pro Jahr zugelassen, aber auch diverse Derivate. Der Hauptaufwand der Zulassungsbehörde liegt in der Begleitung des Planungs-, Konstruktions- und Bauprozesses bei den Herstellern, wobei auch die Kompatibilität von Zulieferteilen geprüft werden muss. Da Güterwagen in Deutschland so gut wie nicht mehr gebaut werden, überwiegen in diesem Bereich die Übernahmen von Zulassungen aus dem Ausland, also die Prüfung der zusätzlichen Auflagen. Im Zuge der europäischen Standardisierung gehen auch diese Zusatzprüfungen zurück. Mit dem Versuchsring in Wegberg-Wildenrath bei Aachen steht der Bahnindustrie ein ideales Testgelände für Versuchs- und Zulassungsfahrten zur Verfügung. Auch die Zulassungsbehörden sind hier vor Ort. Neben speziellen Tests wie z. B. im Hochgeschwindigkeitsverkehr oder auf Strecken mit besonderer Trassierung sind Zulassungsfahrten auch im Netz der DB AG notwendig. Die Zulassung verzögert sich und ganze Flotten neugebauter und für den anstehenden Fahrplanwechsel dringend benötigter Fahrzeuge stehen still, wenn sie die Zulassungsbedingungen nicht rechtzeitig erfüllen (Talent 2, KISS, ICE BR407, …). Die Nachforderungen sind berechtigt, wenn z.B. die Probleme erst bei höheren Geschwindigkeiten (z. B. zu langer Bremsweg) oder bei ungünstigen Kuppelverhältnissen von für sich schon zulassungsfähigen Einzelfahrzeugen auftauchen. Die Industrie empfindet das manchmal als Schikane, weil sie unter Umständen erhebliche Verluste finanziell und am Image in Kauf nehmen muss. In einigen Fällen trägt sie aber auch Mitschuld, weil die von ihr aufgestellten Zulassungsfahrpläne zu anspruchsvoll waren oder Änderungen eine Wiederholung der Prüfungen verlangen. Verantwortung für die Zulassung Der jeweils Verantwortliche wird bei Gefährdungen oder gar Unfällen infolge einer fahrlässigen Zulassung in Regress genommen. Die Hersteller stehen mit ihrem guten Namen für die Qualität der Produkte und sind verantwortlich für das Beibringen der notwendigen Nachweise. Im EBA wird die Verantwortung für die vollständige Beachtung aller relevanten Vorschriften auf die involvierten leitenden Mitarbeiter gelenkt. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 73 Fahrzeugzulassung TECHNOLOGIE Vermutungen, dass dadurch die Zulassungshürde drastisch angehoben wurde, konnten aber in der Praxis nicht bestätigt werden. Die zuliefernden Einzelgutachter haben eine Verantwortung für ihren Sektor und können bei mehrfacher Verletzung der Sorgfaltspflicht beim Abfassen von Gutachten ihre Zertifizierung verlieren. Der Betreiber des Fahrzeugs und - falls nicht identisch - der Besitzer (Leasing) sind verantwortlich für die Instandhaltung. Sie müssen über ein QMS-System jederzeit nachweisen können, welche Laufleistung das Fahrzeug vollbracht hat, ob besondere Vorkommnisse am Fahrzeug geschehen sind (Unfälle, Defekte) und welche Instandhaltungsschritte vollzogen wurden. Die Instandhalter haben diese Schritt für Schritt zu dokumentieren und per Unterschrift die regelkonforme Ausführung zu quittieren. Gültigkeitsbereich der Zulassung Den Bahnen wäre am liebsten eine zentrale europäische Zulassungsbehörde wie die ERA, die einen Katalog der beizubringenden Nachweise erstellt, die durch viele konkurrenzierende und zertifizierte Prüfinstitute im Wettbewerb erbracht werden können. Ein durch die ERA zugelassenes Fahrzeug sollte dann in allen europäischen Bahnsystemen verkehren können, so weit die technischen Parameter passen. Eine zusätzliche nationale Zulassung entfiele. Heute können die Fahrzeuge beim EBA zugelassen werden, wenn sie nur in Deutschland verkehren sollen, oder über die ERA, die dann eine europaweit gültige Zulassung erteilt. Weitere Verbesserungspotentiale Die Prozesse in den Bereichen Straßenfahrzeuge und Luftverkehr erfordern keine Veränderungen. Sie sind ein gutes Muster für die Zulassungen in anderen Bereichen, wobei aber auch deutlich wird, wie im Prinzip ähnlich (Typenzulassung), aber auch systembedingt in Nuancen unterschiedlich sie sind infolge der Einsatzgebiete, der Interdependenzen mit ihrer Infrastruktur und dem jeweiligen Sicherheitsregime. Das System Bahn ist auch im Bereich der Zulassung auf dem Weg zu einem zumindest europäisch einheitlichen System. Die Erfolge und das erreichte Sicherheitsniveau sind auch Bedingung für den weiterhin erfolgreichen Export deutscher Schienenfahrzeug- und Infrastrukturtechnologie. Das Verkehrsministerium hat diese Probleme bei der Zulassung von Schienenfahrzeugen erkannt und eine vermittelnde Rolle eingenommen. Ergebnis war ein Handbuch für die Zulassungsprozesse, das von allen Beteiligten als Fortschritt anerkannt wurde [5]. Das Ministerium hat damit auch seine Behörde EBA vor unberechtigten Anforderungen geschützt, aber gleichzeitig weiteren Handlungsbedarf aufgezeigt. In relativ kurzer Zeit und ohne Einschränkungen in der Sicherheit haben die TSI die Bahnwelt in Europa strukturell und auch technisch stark verändert. Nach erheblichen Problemen zwischen der Industrie und den Bahnen haben das Handbuch, die Lenkungsgruppe Schienenfahrzeuge und das neue Prozessverständnis im EBA/ EBC sowie die nun kanalisierten Regelwerke für eine Beruhigung gesorgt Dieser Lernprozess bei allen Beteiligten hat Wirkung gezeigt und durch die aktive Unterstützung durch das BMVBS wurden auch erhebliche Fortschritte erzielt. Rationalisierungspotential wäre gegeben, wenn die Bahnindustrie Grundmodelle konzipiert, die über mindestens 20 Jahre lieferbar sein sollten (und für die Ersatzteile verfügbar sind). Den Wünschen der Besteller könnte mit Individualisierungspaketen entgegen gekommen werden, die nicht an der Grundzulassung rütteln. So würden dann Rabatte für Großserienbestellungen in diesem Rahmen möglich. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Besteller weitgehend auf zulassungsrelevante Sonderwünsche verzichten und sich zu Sammelbestellungen verbinden. Das könnten auch Verbände wie der VDV organisieren. Die EU-Politik könnte Innovationen im Schienenverkehr durch gezielte, langfristig einzuplanende Zielvorgaben in Stufen analog den EUROx-Paketen für LKW fördern. Das betrifft z.B. den Lärmpegel von Schienenfahrzeugen innen und außen, den Energieverbrauch bzw. CO 2 -Ausstoß, die barrierefreie Gestaltung von Zügen und Stationen oder den Brandschutz. Speziell für den Schienengüterverkehr - der einen besonders großen Nachholbedarf hat, aber diesen vermeintlich am Markt nicht refinanzieren kann - sind weitere Impulse bis hin zu Verboten bei Nichterfüllung bzgl. Lärmgrenzen, I+K-Kompatibilität und für moderne Kupplungstechnik zu geben. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Zulassungsbehörden über ausreichendes kompetentes Personal (und entsprechenden Nachwuchs) verfügen, um den Wissenskreislauf nicht zu unterbrechen und als kompetenter Partner der Industrie und der Betreiber auftreten zu können. Auch die Verknüpfung mit den Partnern in der EU sowie in Brüssel selbst muss gepflegt werden. Die Aufsichtsbehörden sollten sicherstellen, dass Veränderungen in der Gesetzgebung nur paketweise z.B. alle fünf Jahre greifen und Bestandsschutz für die laufenden Serienprodukte für z.B. weitere fünf Jahre geben. Erste Ansätze dazu finden sich im Handbuch Zulassung, wo für Neukonstruktionen die zum Zeitpunkt der Erstzulassung gültigen Vorschriften für sieben Jahre fixiert werden. Damit einher geht eine Eindämmung der Regelungsflut mit TSI mit undurchschaubaren Terminen für die Einhaltung. Dem Bahnbereich ist eine Beruhigungs- und Bewährungsphase zuzubilligen, um die starken Veränderungen in den Zulassungsprozessen wirken zu lassen und innerhalb der neuen Regeln Erfahrungen zu sammeln. Mit dem LK Schienenfahrzeuge hat der Sektor ein Gremium, das diesen Einschwingprozess adäquat steuern kann. Die sinkenden Unfallzahlen beweisen, dass die Zulassung von sicheren Fahrzeugen funktioniert, aber auch, dass die Prozesse nicht aufgeweicht werden dürfen. Neue Vorschriften sollten nur als Paket in Kraft treten. So besteht eine gewisse Sicherheit für die Beteiligten, die innerhalb einer Produktentwicklung auf gültige Vorschriften bauen können. Die Zulassungsprozesse im Bahnwesen sind also auf dem richtigen Weg durch das Gestrüpp der europäischen Harmonisierung. Dabei werden die hohen Sicherheitsanforderungen im System Bahn nicht gefährdet. Die allmähliche Annäherung der Zulassungsprozesse im Verkehrsbereich bei Straße, Luft und Schiene ist zu begrüßen. ■ QueLLeN [1] Winner, H.: Zulassungsprozesse für Fahrzeuge in Deutschland - Teil 1: Straße. In: Internationales Verkehrswesen (66), Heft 3/ 2014, S. 104-107 [2] Fricke, M.: Zulassungsprozesse für Fahrzeuge in Deutschland - Teil 2: Luft. In: Internationales Verkehrswesen (66), Heft 4/ 2014, S. 70-74 [3] Schnellere Zulassung von Zügen notwendig; in: GRV Nachrichten, Folge 93, 5/ 2012 [4] Thomasch, A.: Zulassungsverfahren für Eisenbahnfahrzeuge in Deutschland. In: Eisenbahntechnische Rundschau (ETR), 10/ 2013, S. 24-31 [5] Neue Züge kommen schneller in Fahrt. In: Der Fahrgast/ Pro Bahn 1/ 2014, S. 10-16 Jürgen Siegmann, Prof. Dr.-Ing. habil. Leiter des Fachgebietes Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, Institut für Land- und Seeverkehr, TU Berlin jsiegmann@railways.tu-berlin.de Teil 1: Zulassung von Straßenfahrzeugen Hermann Winner, Prof. Dr. rer. nat., TU Darmstadt Teil 2: Zulassung von Luftfahrzeugen Hartmut Fricke, Prof. Dr.-Ing., TU Dresden Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 74 TECHNOLOGIE Wissenschaft Prädiktive Kraftstoffeinsatzoptimierung von Hybridfahrzeugen durch Metaheuristiken Verbrauchssenkung, Geschwindigkeitsoptimierung, Metaheuristiken, optimale Steuerung, Hybridfahrzeug, globale Optimierung Zur Kraftstoffeinsatzoptimierung kann eine Hybridisierung des Antriebsstrangs die Vorteile des Elektro- und Verbrennungsmotors synergetisch verbinden. Dies kann beispielsweise durch eine optimierte Drehmomentverteilung in Kombination mit einer vorausschauenden Teilautomatisierung der Längsführung des Fahrzeugs realisiert werden. Die hierfür entwickelten metaheuristischen Verfahren berücksichtigen beide Dimensionen und führen in Echtzeit zu nahezu optimalen Ergebnissen. Dieses Verfahren führte in der betrachteten Simulation zu einer zusätzlichen Kraftstoffeinsparung von 0,2-l/ 100 km. Die Autoren: Günther Emanuel, Marc Naumann, Patrick Jochem, Wolf Fichtner D ie durch Politik und Gesetzgebung (z. B. REG443/ 2009 und 333/ 2014) vorangetriebene, weitere Reduktion der CO 2 -Emissionen stellt im Kraftfahrzeugbetrieb eine zentrale Herausforderung für die Automobilindustrie dar. Während der konventionelle Antriebsstrang weitgehend optimiert ist, bieten sich an anderer Stelle weitere Möglichkeiten. So kann die Kombination von elektrischem und konventionellem Antrieb die Vorteile beider Topologien verbinden, und durch eine optimierte Drehmomentverteilung (DMV) werden deutliche Einsparungen erzielt. Durch eine Teilautomatisierung der Längsführung des Fahrzeugs mit Vorausschau ist eine weitere Kraftstoffeinsparung realisierbar. Das hier betrachtete Optimierungsproblem kombiniert beide Dimensionen zur Kraftstoffeinsatzoptimierung eines hybridelektrischen Fahrzeugs auf einem Streckenabschnitt. Dabei soll für einen parallelverzweigten PKW-Hybrid die Geschwindigkeit so bestimmt werden, dass mindestens eine vorgegebene Reisezeit eingehalten wird, sodass im Optimierungsproblem gleichzeitig alle Zeitabschnitte betrachtet werden müssen und keine triviale Lösung, wie z.B. die langsamste mögliche Geschwindigkeit, in Frage kommt. Von zentraler Bedeutung ist auch die Echtzeitfähigkeit der Optimierung. Stand der Forschung In den Bereichen der DMV sowie der Automatisierung der Fahrzeuglängsführung von hybriden PKW sind bisher beide Ansätze für sich genommen vielfach untersucht und bis zu einem gewissen bereits Grad gelöst worden. So werden in [1] verschiedene Strategien für die DMV präsentiert. Am prominentesten hierfür ist das Equivalent Consumption Minimization Strategy (ECMS) Verfahren, welches dem Energiebezug aus der Batterie einen Äquivalenzfaktor zur Ermittlung der daraus resultierenden Kosten zuordnet [2]. Durch diese Monetarisierung der Nutzung des elektrischen Antriebsstrangs wird der ladungserhaltende Betrieb der Batterie über den betrachteten Fahrzyklus bei geeigneter Wahl des Faktors erreicht. Zur Automatisierung der Fahrzeuglängsführung wurden ebenfalls bereits verschiedenste Ansätze verfolgt. Dabei wurden aber lediglich Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb betrachtet und vielfach wurde die Optimierung auf die Autobahnfahrt, speziell bei LKWs, beschränkt (u. a. [3, 4]). Der hier gewählte Ansatz löst beide Optimierungsprobleme zugleich und kann so eine zusätzliche Minimierung des Kraftstoffverbrauchs gewährleisten. Einordnung der Problemstellung Bei dem betrachteten Problem der Kraftstoffeinsatzoptimierung durch Geschwindigkeitsplanung und DMV handelt es sich um ein Optimalsteuerungsproblem (OSP). Nach [5] und [6] gibt es drei verschiedene Ansätze zur Lösung dieser Probleme: • Direkte Lösungsverfahren: Dabei wird das OSP in eine endlichdimensionales, nichtlineares Optimierungs- PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 21.11.2014 Endfassung: 30.01.2015 Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 75 Wissenschaft TECHNOLOGIE problem umgewandelt und anschließend numerisch gelöst. Eine globale Optimalität lässt sich so nicht garantieren. Dennoch erschien der Ansatz vielversprechend und wurde daher im Folgenden verwendet. • Optimalsteuerungstheorie: Aus den notwendigen Optimalitätsbedingungen, welche über Pontryagins Maximumprinzip analytisch hergeleitet werden, wird ein Randwertproblem gewöhnlicher Differentialgleichungen abgeleitet und gelöst. Zur analytischen Lösung sind weitreichende Vereinfachungen notwendig. Daher wurde dieser Ansatz nicht weiter verfolgt. • Dynamische Programmierung: Bei diesem Ansatz wird das Problem als mehrstufiger Entscheidungsprozess aufgefasst, in welchem in jeder Stufe das Problem in einem diskretisierten Zustandsraum für alle möglichen Steuerungen gelöst wird. Nach Bellmans Optimalitätsprinzip garantiert das Verfahren durch die rekursive Berücksichtigung der Ergebnisse vorheriger Stufen globale Optimalität [7]. Allerdings wächst die Komplexität dynamischer Programmierung (DP) exponentiell mit der Dimensionalität des Optimierungsproblems und geht also mit erheblichem Rechenaufwand einher. Bei gleichzeitiger Steuerung der DMV ist die Echtzeitfähigkeit nicht ohne erheblichen Aufwand zu erreichen. Beim Einsatz von direkten Verfahren gilt es zunächst das OSP als Optimierungsproblem umzuformulieren. Die zugrundeliegenden Verfahren sind aber wegen des hohen Rechenaufwands nur bedingt geeignet. In der Regel wird zudem ein Gradient benötigt, der im betrachteten Problem nur näherungsweise bestimmt werden kann. Anstelle dieser Verfahren ist auch eine Lösung mittels Metaheuristiken möglich. Diese bieten sich an, da sie zunächst einen breiten Lösungsraum absuchen und sich stetig verbessern. Zudem ist der Echtzeitbetrieb realisierbar, da sich die Rechendauer begrenzen lässt. Implementierter Lösungsansatz Zur Lösung des Problems mit Metaheuristiken muss das OSP als kombinatorisches Optimierungsproblem aufgefasst werden. Das heißt, anstelle der perfekten Steuerung des Systems wird jetzt die optimale Zustandskombination gesucht. Durch die verschiedenen Dimensionen (Vorausschauhorizont, Geschwindigkeit, DMV) wird bei ausreichend feiner Diskretisierung ein sehr großer Lösungsraum betrachtet, in dem Verbesserungsalgorithmen nur langsam zu adäquaten Lösungen kommen. Daher war die Entwicklung von Strategien zur Reduktion des Lösungsraums notwendig. Für unser Problem erscheint die Nutzung des ECMS- Verfahrens zur DMV vorteilhaft, da die Dimension der Drehmomentverzweigung zwischen beiden Maschinen wegfällt. Zur weiteren Reduzierung der Komplexität wurde eine Einteilung des Vorausschauhorizonts in Abschnitte vorgenommen. Dazu wurden verschiedene Strategien von einer einfachen äquidistanten Einteilung über Berücksichtigung der gesetzlichen Geschwindigkeitsvorgaben bis hin zu Betrachtung von Höhendaten sowie Kombinationen aus den Verfahren verwendet. Nur an diesen Abschnittsgrenzen werden nun noch Geschwindigkeiten optimiert, während dazwischen mittels kubischer Interpolation der Verlauf der Geschwindigkeitstrajektorie angenähert wird. Insgesamt gelingt es hierdurch, die Komplexität von 1000 Streckenpunkten bei einer Streckendiskretisierung von zehn Metern mit jeweils zwei zu optimierenden Dimensionen zu zehn bis 40 Abschnittspunkten mit nur einer Optimierungsdimension, der Geschwindigkeitswahl, zu reduzieren. Für dieses reduzierte Problem können metaheuristische Verfahren angewandt werden, die in kurzer Zeit gute Lösungen liefern. Bei den metaheuristischen Verfahren wurde ein populationsbasiertes Verfahren, Invasive Weed Optimization (IWO) nach [8], mit dem weit verbreiteten Simulated Annealing (SA) verglichen, wobei aufgrund der besseren Ergebnisse im folgenden vornehmlich auf IWO eingegangen wird. darstellung der Ergebnisse Die Ergebnisse der Optimierungsdurchläufe wurden anhand der Streckenabschnittseinteilung sowie unterschiedlicher Populationsgröße für beide metaheuristischen Verfahren bei unterschiedlichen zulässigen Reisezeiten betrachtet und verglichen. Die Optimierung führt dabei zu unterschiedlichen Geschwindigkeitsverläufen je nach Optimierungsdurchlauf, deren durchschnittliche Verbräuche allerdings sehr ähnlich sind. In Bild 1 sind fünf beispielhafte Optimierungsdurchläufe bei Einteilung nach dem Geschwindigkeitsband mit ähnlichem Verlauf dargestellt. Der durchschnittliche Verbrauch für diese Optimierungen liegt bei 4,978 l/ 100km bei einer Standardabweichung von 0,01333. Die Rechenzeit beträgt im Mittel ca. 16 Sekunden (Intel Core i5 M520, 2 x 2,4 GHz, 4 GB RAM) und ist damit für eine Echtzeitanwendung geeignet. In Bild 2 werden neben dem erwarteten Zusammenhang zwischen Fahrtzeit und Kraftstoffverbrauch auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Streckeneinteilungsmethoden deutlich. Diese Einteilungen ergaben sich durch 1. spezifische Punkte des Geschwindigkeitsbandes (v-Band), 2. spezifische Punkte des Energiebandes (E-Band), 3. äquidistante Einteilung (250m) und 4. durch eine Kombination aus (1.) und (3.) (kombiniert). Bild 1: Optimierte Geschwindigkeitstrajektoren für fünf Optimierungsdurchläufe mit einer Fahrzeit von 505 Sekunden Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 76 TECHNOLOGIE Wissenschaft Die zuvor beschriebene Einteilung des Vorausschauhorizonts hat einen leichten Einfluss auf die Lösungsgüte, während der grundsätzliche Verlauf der Paretofront jeweils ähnlich ist. Eine dominante Strategie konnte für die Streckeneinteilung nicht ausgemacht werden. Insgesamt erschien die Kombination aus Daten zum Geschwindigkeitsband mit äquidistanten Zwischenpunkten bei guter Lösungsqualität am robustesten. Vergleichen wir diese Lösung mit einer Referenzlösung, ergeben sich Einsparungen im Modell von 0,2229-l/ 100km bzw. 4,29 %. Die Referenzlösung basiert auf einer relativen Geschwindigkeit in Abhängigkeit der vorgegebenen Referenzdauer und der erlaubten Geschwindigkeitsgrenzen gemäß v ref = v min + alpha · (v max − v min ). Hierbei sind v min und v max die obere bzw. untere Geschwindigkeitsgrenze für jeden Streckenpunkt angeben und alpha ein Faktor, der entsprechend der vorgegebenen Referenzdauer der Fahrt angepasst wird. Die DMV wird auch zur Bestimmung der Referenzlösung über ECMS geregelt. Dabei fallen die Effizienzgewinne bei steigender Durchschnittsgeschwindigkeit höher aus (vgl. Bild 3). Vergleich mit dynamischer Programmierung Um das Ergebnis des Algorithmus mit dem globalen Optimum zu vergleichen, wurde das Problem für die DP aufbauend auf der MATLAB®-Funktion nach [9] modelliert. Dabei konnten Verluste bei der Nutzung der IWO- Optimierung von ca. 4,19 % im Vergleich zur global optimalen Lösung identifiziert werden (vgl. Bild 4). Jedoch benötigte deren Berechnung auf einem leistungsstärkeren Rechner (Intel Xeon E5-1650, 6 x 3,2 GHz, 32 GB RAM) bei voller Nutzung des Arbeitsspeichers mehr als 12-Stunden. Bei Verwendung anderer Modellierungen konnte durch DP weiterhin festgestellt werden, dass etwa die Hälfte dieser 4,19 % Suboptimalität nicht auf die Metaheuristik, sondern auf die Segmentierung und die Verwendung des ECMS-Verfahrens zurückzuführen sind. Fazit Hybridisierung sowie eine Automatisierung der Längsführung sind technologische Maßnahmen zur weiteren Verbrauchssenkung bei PKW. Insbesondere eine Kombination beider Optionen erscheint vielversprechend, erfordert jedoch die schnelle Berechnung eines komplexen Problems. Dies wird durch Verwendung metaheuristischer Verfahren ermöglicht, welche zunächst eine Umformulierung des OSP in ein Optimierungsproblem erfordert. Entscheidend zur schnellen Lösungsfindung ist die signifikante Reduktion des Lösungsraums, was durch die Einteilung der Vorausschau in Abschnitte und die Verwendung des ECMS-Verfahrens zur DMV realisiert wird. So konnten sehr zufriedenstellende Ergebnisse erzielt und auf einem beispielhaften Streckenabschnitt ca. 0,223 l/ 100 km im Vergleich zu einer Referenzgeschwindigkeit eingespart werden. Die optimierte Lösung liegt dabei nur 4,19% unter dem globalen Optimum. ■ Bild 2: Paretofronten der IWO für verschiedene Abschnittseinteilungen Bild 3: Vergleich des Kraftstoffverbrauchs der IWO-Lösung mit einer Referenzfahrweise Bild 4: Vergleich der Paretofronten der IWO- und der global optimalen DP-Lösung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 77 Wissenschaft TECHNOLOGIE LITeRATuR [1] Serrao, L. ; Onori, S. ; Rizzoni, G. : A Comparative Analysis of Energy Management Strategies for Hybrid Electric Vehicles. In: Journal of Dynamic Systems, Measurement, and Control 133 (2011), S. 031012 [2] Radke, T.; Fischer, U.; Huber, A.; Naumann, M.; Ritzert, J.; Wagner, A.: Connected Energybased Powertrain Control for Various Hybrid Vehicle Topologies. In: Proceedings of the 23rd Aachen Colloquium on Automobile and Engine Technology, 2014, S. 1401-1411 [3] Hellström, E.; Åslund, J.; Lars, N.: Management of Kinetic and Electric Energy in Heavy Trucks. In: SAE International Journal of Engines 3 (2010), Nr. 1, S. 1152-1163 [4] Passenberg, B. ; Kock, P. ; Stursberg, O. : Combined Time and Fuel Optimal Driving of Trucks based on a Hybrid Model. In: European Control Conference. Budapest, Hungary, 2009 [5] Guzzella, L. : Modelbased Optimization of Hybrid Powertrains. In: Proceedings of the 4th Stuttgart International Symposium on Automotive and Engine Technology. Stuttgart, 2001, S. 566-580 [6] Saerens, B. ; Diehl, M. ; Bulck, E. Van d.: Optimal Control Using Pontryagin’s Maximum Principle and Dynamic Programming. In: Del Re, L.; Allgöwer, F.; Glielmo, L.; Guardiola, C.; Kolmanovsky, I. (Hrsg.): Automotive Model Predictive Control Bd. 402. Berlin, 2010, S. 119-138 [7] Bellman, R. E.: Dynamic Programming. Princeton, NJ : Princeton University Press, 1957 [8] Mehrabian, A. R.; Lucas, C. : A novel numerical optimization algorithm inspired from weed colonization. In: Ecological Informatics 1 (2006), Nr. 4, S. 355-366 [9] Sundström, O. ; Guzzella, L. : A generic dynamic programming Matlab function. In: Proceedings of the 18th IEEE International Conference on Control Applications, 2009, S. 1625- 1630 Marc Naumann, Dr. Robert Bosch GmbH, Corporate Sector Research and Advance Engineering, Renningen marc.naumann@de.bosch.com Patrick Jochem, Dr. Gruppenleiter, Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) und Karlsruhe Service Research Institute (KSRI), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe jochem@kit.edu Günther Emanuel, M. Sc. Wi.-Ing. Absolvent des Wirtschaftsingenieurwesens. Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Karlsruhe guenther.emanuel @student.kit.edu Wolf Fichtner, Prof. Dr. Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Energiewirtschaft, Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) und Karlsruhe Service Research Institute (KSRI), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe wolf.fichtner@kit.edu Brief und Siegel für Wissenschafts-Beiträge Peer Review - sichtbares Qualitätsinstrument für Autoren und Leserschaft P eer-Review-Verfahren sind weltweit anerkannt als Instrument zur Qualitätssicherung: Sie dienen der konstruktivkritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, wissenschaftlichen Argumentationen und technischen Entwicklungen des Faches und sollen sicherstellen, dass die Wissenschaftsbeiträge unserer Zeitschrift hohen Standards genügen. Herausgeber und Redaktion laden daher Forscher und Entwickler im Verkehrswesen, Wissenschaftler, Ingenieure und Studierende sehr herzlich dazu ein, geeignete Manuskripte für die Rubrik Wissenschaft mit entsprechendem Vermerk bei der Redaktion einzureichen. Die Beiträge müssen „Originalbeiträge“ sein, die in dieser Form und Zusammenstellung erstmals publiziert werden sollen. Sie durchlaufen nach formaler redaktioneller Prüfung ein standardisiertes Begutachtungsverfahren, bei dem ein Manuskript zwei, in besonderen Fällen weiteren Gutachtern (Referees) aus dem betreffenden Fachgebiet vorgelegt wird. Die Kernpunkte des Verfahrens: • Angenommene Manuskripte gehen an jeweils zwei Gutachter der entsprechenden Fachrichtung anonymisiert zur Begutachtung. Autoren können darum bitten, bestimmte Gutachter nicht zu beauftragen - dies wird vertraulich behandelt. • Die Entscheidung, welchen Gutachtern das Manuskript vorgelegt wird, trifft die Redaktionsleitung in Abstimmung mit der Herausgeberschaft. • Gutachter nehmen ihre Begutachtung anhand eines standardisierten Bewertungsbogens vor, kommentieren die Bewertung schriftlich und empfehlen die danach uneingeschränkte Annahme zur Veröffentlichung, die Überarbeitung in bestimmten Punkten oder die Ablehnung. Die Begutachtung soll sachlich und konstruktiv erfolgen und die Autoren bei Bedarf in die Lage versetzen, ihr Manuskript auf dieser Grundlage zu verbessern. Bei nicht einstimmigen Ergebnissen wird ein dritter Gutachter hinzugezogen. • Die Redaktionsleitung teilt den Autoren die Entscheidung der Gutachter umgehend mit, bei Bedarf zusammen mit den Überarbeitungsauflagen. Die Gutachten selbst werden nicht an die Autoren weitergeleitet - die Gutachter bleiben also für die Autoren anonym. Interessierte Autoren erhalten die Verfahrensregeln, die allgemeinen Autorenhinweise mit der aktuellen Themen- und Terminübersicht sowie das Formblatt für die Einreichung des Beitrages auf Anfrage per Mail. Diese Informationen stehen auch auf der Webseite www.internationalesverkehrswesen.de unter dem Menüpunkt „Service“ zum Download bereit. Eberhard Buhl KONTAKT Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleiter Internationales Verkehrswesen Tel.: (040) 23714-223 eberhard.buhl@dvvmedia.com FORUM Lehre Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 78 SRM - ein besonderer Studiengang Der Bachelor-Studiengang Schiffs-und Reedereimanagement an der Hochschule Emden-Leer beschäftigt sich speziell mit technischen und logistischen Prozessen rund um das Transportsystem Schiff und ist bundesweit einzigartig. M aritime Wirtschaft ist das Rückgrat des globalen Handels und benötigt zunehmend vielseitige Fachkräfte. Deshalb sind Menschen gefragt, die technische, naturwissenschaftliche und nautische Kenntnisse mit wirtschaftlichem und juristischem Know-how verbinden können. Die Absolventen des Studiengangs Schiffs- und Reedereimanagement (SRM) an der Hochschule Emden-Leer werden diesen Anforderungen voll gerecht. Die historische Seehafenstadt Leer ist der zweitgrößte Reedereistandort Deutschlands. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Wunsch nach speziell ausgebildeten Fachkräften von den hiesigen Reedern an den Fachbereich Seefahrt der Hochschule Emden/ Leer herangetragen wurde. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur Fachkräfte für den kaufmännischen und logistischen, sondern auch für den technischen Einsatz gesucht werden. Ausgehend von dem Praxisbedarf wurde ein Bachelorstudiengang mit einer besonderen Struktur konzipiert. Nach dem Grundstudium erfolgt im Fachstudium eine Spezialisierung in den Bereichen Schiffs- und Umwelttechnik bzw. Reedereimanagement und -logistik. Ein verpflichtendes Praxissemester und eine Bachelorarbeit sind integrale Bestandteile der praktischen und wissenschaftlichen Ausrichtung dieses Studiengangs (Bild 1). Da am Fachbereich Seefahrt selbstverständlich auch hochqualifizierte Schiffsoffiziere ausgebildet werden, stehen die SRM- Studierenden vom Beginn des Grundstudiums bis zur Abschlussprüfung mit ihren zukünftigen Kollegen an Bord in engem Kontakt. Vorlesungen wie Schiffstheorie, Seehandelsrecht und BWL tragen dazu bei, dass man über eine fachliche, oft auch freundschaftliche Basis verfügt. Die Studierenden sprechen deshalb nicht nur die Sprache der Ingenieure und Ökonomen, sondern auch die der Nautiker. In den ersten beiden Semestern werden die wesentlichen Basics für den späteren Studienerfolg gelegt. Informatik, Mathematik und Physik sind dabei ebenso verpflichtend zu belegen wie allgemeines Recht und maritimes Englisch. Spannend wird es im Fachstudium ab dem 3. Semester. Gemeinsame Lehrveranstaltungen wie Qualitäts- und Umweltmanagement oder Schiffsführung sind verpflichtend, aber die bisher erlangten Grundlagen werden in den Spezialisierungen Schiffs- und Umwelttechnik sowie Reedereimanagement und -logistik geschärft. Hierbei werden die Studierenden auch aktiv an innovativen Forschungsvorhaben beteiligt (Bild 1). Derzeit konzentriert sich der Fachbereich auf die Themen „Green Shipping“ und „Offshore-Windenergie“. In den kommenden drei Jahren werden verschiedene Innovationsprojekte umgesetzt. Dabei stehen LNG-Antriebe und weltweit beachtete Projekte zu Windhybridsystemen (z. B. mit Flettner-Rotoren) im Fokus. Studierende, die in den Fächern Schiffskonstruktion, Werkstoffkunde und CAD-Technik gelernt haben, wie komplexe technische Fragestellungen bearbeitet werden, sind ein wesentlicher Teil des Forschungserfolgs der Hochschule. Für den Bereich Offshore-Windenergie wurde ein neues Labor für Meerestechnik aufgebaut. Professoren und Studenten entwickeln hier computergestützte Verfahren zur dreidimensionalen Modellierung von Strömungen. Diese sogenannten Computational Fluid Dynamics-Verfahren eigenen sich im maritimen Bereich u.a. hervorragend zum Untersuchen von Wellenlasten an Gründungsstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen (Bild 2). Die Spezialisierung Reedereimanagement und -logistik bereitet optimal auf den Einsatz im internationalen Geschäft vor. Innovative Logistikkonzepte im maritimen Umfeld werden durch die modellgestützte Planung von Logistik- und Produktionspro- Bild 1: Ab dem 3. Semester sind die Studierenden aktiv an innovativen Forschungsvorhaben beteiligt. Bild 2: Computergestützte Verfahren erlauben die dreidimensionale Modellierung von Strömungen. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 79 Medien FORUM KONTAKT uND weITeRe INFO Typ: Standardstudium Regelstudienzeit: 7 Semester Abschluss: Bachelor of Science (B.Sc.) studienort: Leer studienbeginn: Wintersemester bewerbungsschluss: 30. September Zulassungsbeschränkung: nein Informationen: Hildegard Hitzemann Tel.: +49 491/ 92817-5010 hildegard.hitzemann@hs-emden-leer.de zessen entwickelt. Schwerpunkte liegen dabei in der Simulation von Hafenterminals, der Planung intermodaler Transportketten und der Analyse von Verkehrsnetzen zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Ferner wird das maritim-juristische Knowhow entscheidend vertieft. Die Studierenden lernen u. a., Charterverträge anhand von Beispielen aus der Praxis selbst zu entwerfen. Außerdem werden Kenntnisse zum Schiffbauvertrag und dessen Durchführung sowie die erfolgreiche Abwicklung von Schiffskaufverträgen vermittelt. Wichtige betriebswirtschaftliche Aspekten werden immer im maritimen Kontext gelehrt. Die Module „Human Ressource Management“, „Controlling und Kostenrechnung“, „Investition und Finanzierung“, „Reedereibetriebswirtschaftslehre“ sowie „Strategische Unternehmensführung“ und „Marketing“ gehen über allgemeine Vorlesungen zu diesen Themen hinaus. Ziel ist immer, die Studierenden optimal auf die maritime Branche mit ihren Besonderheiten vorzubereiten. SRM-Absolventen sind in der Praxis als Spezialisten und als Schnittstellenmanager gefragt, denn das Studium bereitet auf alle Herausforderungen in der maritimen Wirtschaft vor. Zukünftige Arbeitgeber sind neben Reedereien und Werften die gesamte maritime Industrie, Hafenbetriebe, Behörden, internationale Logistikdienstleister, die Offshore-Energie Branche, Meerestechnik und Wasserbau, aber auch global agierende maritime Beratungsunternehmen und Klassifikationsgesellschaften. ■ Prof. Dr. Marcus Bentin Dekan Fachbereich Seefahrt, Hochschule Emden-Leer marcus.bentin@hs-emden-leer.de Tammo Lenger, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Seefahrt, Hochschule Emden-Leer tammo.lenger@hs-emden-leer.de Transportmanagement Kostenoptimierung, Green Logistics und Herausforderungen an der Schnittstelle Rampe Paul Wittenbrink 2. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2014, 366 Seiten ISBN Softcover: 978-3-8349-3376-8 ISBN E-Book: 978-3-8349-3825-1 ISBN Online-SmartBook: 978-3-658-08387-8 EUR 34,99 Durchdachtes Transportmanagement ist für Einkäufer von Transportleistungen wie für Logistikdienstleister gleichermaßen der Schlüssel zum Erfolg. Das Buch von Prof. Dr. Paul Wittenbrink, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Lörrach Transport und Logistik lehrt und Mitgesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH in Karlsruhe ist, bildet mit hohem Praxisbezug und zahlreichen konkreten Ansätzen zur Kosteneinsparung umfassende Grundlagen der Fahrzeug- und Transportkostenrechnung. Es eignet sich deshalb in besonderer Weise auch als methodisches Lehrbuch. Knapp zweieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Auflage erschien nun die zweite, komplett überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage des Buches. Der Inhalt: • Handlungsbedarf Transportmanagement • Für den Transport- und Logistikmarkt relevante Megatrends • Strategische Positionierung und Risikomanagement • Grundlagen der Nutzfahrzeugkalkulation • Entwicklung eines Kostenmodells auf Excel-Basis • Transportkalkulation • Ansätze zur Kostensenkung • Herausforderungen und Lösungsansätze an der Schnittstelle Rampe • Green Logistics Im Vergleich zur ersten Auflage haben sich wesentliche Änderungen ergeben. So wurde das Kapitel „Handlungsbedarf Transportmanagement“ komplett überarbeitet und aktualisiert. Da für das Transportmanagement auch die strategische Positionierung von entscheidender Bedeutung ist, gibt es hierzu nun ein neues Kapitel „Für den Transport- und Logistikmarkt relevante Megatrends“, in dem unter Anderem aktuelle Umfragen vorgestellt werden. Ein eigenständiges Kapitel behandelt die Grundlagen der Nutzfahrzeugkalkulation, gefolgt von der Entwicklung eines Kostenmodells und einem separaten Kapitel zur Transportkostenkalkulation mit Beispielrechnungen für verschiedene Fahrzeugstypen mithilfe des Kalkulationstools „Transportrechner TRUCK 2.0“. Komplett neu ist das Kapitel „Herausforderungen und Lösungsansätze an der Schnittstelle Rampe“. Hier wird im Wesentlichen auf die Ergebnisse eines Forschungsprojektes eingegangen, das der gemeinsam mit der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH für das Bundesverkehrsministerium durchgeführt hat. Den Abschluss des Buches bildet das komplett überarbeitete und aktualisierte Kapitel „Green Logistics“, das neben aktuellen Entwicklungen auch den Ist-Zustand bei der Emissionsbelastung und die methodischen Ansätze zur Messung des Carbon Footprint behandelt. So beleuchtet diese neue, grundlegend überarbeitete Ausgabe praxisnah alle wesentlichen Themenfelder und hilft, die steigenden Anforderungen an das Transportmanagement besser zu bewältigen. Für Einkäufer, Transportdienstleister und Studierende kann das Buch als Standardwerk für Transportmanagement gelten. ■ Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 80 Shinkansen-Züge meist langsamer Leserzuschrift zum Beitrag „50 Jahre Shinkansen“, Internationales Verkehrswesen (66), 4/ 2014, S. 54 I n ihrem Bericht erwähnen die Autoren Wunderlich/ Mayer/ Klug, dass der schnellste Zug zwischen Tokyo und Osaka mittlerweile nur noch 2 h 25 min benötigt. Sie verschweigen hierzu aber, dass von den 80 Nozomi-Zügen, die täglich zwischen Tokyo und Osaka verkehren nur 2 diese schnelle Reisezeit erbringen, nämlich der erste und der letzte. Die Masse der Züge über Tag, nämlich 63 Züge (= 78,7 %) braucht 2 h 33 min (= + 5,5 %) und 14-Züge (= 17,5 %), zur Abfahrtminute x: 30 Uhr brauchen sogar 2 h 36 min (= +7,6 %). Die Ursache hierfür liegt im Mischungsverhältnis der Züge, denn die schnellste Zugkategorie auf den Shinkansen, die Nozomi, stellt mittlerweile die Mehrheit dar. Der Linienbetrieb, der auf den Shinkansen abgewickelt wird, zwingt die Nozomi-Züge zu zahlreichen Überholungen in Zwischenstationen. Hierzu müssen sie ihre Fahrt etwas verlangsamen, da die Infrastruktur in den Unterwegsbahnhöfen hierfür nicht ausgerichtet ist. Man hat zu Beginn der Eröffnung der Shinkansen in 1964 nicht mit einem so großen Verkehrszuwachs gerechnet. In 2014 muss man aber festhalten, dass eine zweigleise Shinkansen-Strecke qualitativ und quantitativ der Nachfrage in diesem überaus dichten Korridor nicht mehr gerecht werden kann. Dies ist auch der tiefere Grund, warum die JR Central weiteren Zwischenhalten nicht zustimmen kann - schon gar nicht in der nähern Umgebung von Tokyo und Kyoto. Aufgrund der äußerst produktiv genutzten Infrastruktur sowie der entscheidenden Bedeutung des Schienenpersonenverkehrs für das Funktionieren der japanischen Wirtschaft in den dominierenden Ballungsgebieten und der Notwendigkeit, die Beförderungsleistungen über lange Zeiten des Tages an der Grenze bekannter technischer Möglichkeiten zu erbringen, sind die JR Central gezwungen, alle Anstrengungen auf einen „Null-Fehler-Betrieb“ auszurichten. Dazu gehört auch, die Fahrzeuge möglichst immer auf einen sicher funktionierenden Stand zu halten. Hierzu gehört auch, dass Fahrzeugtypen generell nicht länger als 15 Jahre in Betrieb sind. Diese Tatsache kann man sehr gut dem jährlich erscheinenden „Data Book“ der JR Central unter dem Punkt „Rolling Stock“ entnehmen. Zusammenfassend ist die Schlussfolgerung zu ziehen: Hätte JR Central noch einmal die Chance gehabt, den Tokaido- Shinkansen mit den Erfahrungen von heute neu zu bauen, so würden sie sie als viergleisige Strecke für 300 km/ h bauen, um so schnelle und langsame Verkehre besser verteilen zu können. Warum erwähnen die Autoren nicht die Spitzengeschwindigkeit von 443,0 km/ h, die das Rad-Schiene-Fahrzeug 300 X von JR Central im Testbetrieb am 26.07.1996 zwischen Kyoto und Maibara erreicht hat? Auf Seite 106 der von ihnen benutzten Literaturquelle [1] hätten sie diese Information finden können. Mit dieser Spitzengeschwindigkeit wollten die japanischen Rad-Schiene-Experten die Rad-Schiene-Technik für den geplanten Chuo-Shinkansen ihrem Vorstand gegenüber empfehlen. Der damalige Vorstandsvorsitzende Kasai hat aber schon Ende 1996 den Systementscheid getroffen, den neuen Chuo-Shinkansen in Superconducting Maglev-Technologie (SCM) 1 bauen zu lassen, ohne alle anfallenden Systementscheidungen zuvor hinreichend intensiv zu beurteilen. Mit der Vorgabe des Verkehrsministeriums, 10 000 Reisende pro Richtung in der Spitzenstunde zu befördern, und der Vorgabe der Kapazität von 1000 Plätzen des SCM-Fahrzeugs ergibt sich eine Zugfolge von 6-Minuten für die nur in Tokyo, Nagoya und Osaka haltenden SCM- Fahrzeuge. Nur ein knappes Jahr später, 1997, haben dann die Maglev-Fachleute feststellen müssen, dass die Weichenumstellzeit in Maglev-Technik sechsmal länger dauert als in Rad-Schiene-Technik. Es können unter diesen Bedingungen keine zusätzlichen Unterwegshalte, an denen Überholungen stattfinden müssen, technisch eingerichtet werden. Niemand von JR Central ist bisher bereit, diese unangenehme Erkenntnis in der Region auszusprechen. Sobald aber vor Ort dies bekannt werden sollte, wird das Chuo-Projekt in Maglev-Technik zugunsten einem Chuo-Projekt in Rad-Schiene-Technik aufgegeben werden. ■ Sven Andersen, Düsseldorf 1 Elektrodynamisches Schwebesystem mit supraleitenden Magnetspulen Kommentar der Autoren H err Andersens Beitrag zeichnet sich durch eine hohe Detailkenntnis aus und stellt eine Ergänzung zu unserem Artikel da, in dem er vor allem noch einmal die betrieblichen Zwänge deutlich macht, die das 50 Jahre alte System inzwischen mit sich bringt. In unserem Artikel konnten wir aus Platzgründen nicht auf alle Details zum Shinkansen eingehen. Wir danken Herrn Andersen für sein datengestütztes Plädoyer für die Weiterentwicklung der Rad-Schiene-Technik. Wenn der Tokaido-Shinkansen heute noch einmal gebaut werden würde, würde er sicherlich für eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/ h ausgelegt werden, da können wir Herrn Andersen ohne Vorbehalte zustimmen. Statt einer viergleisigen Strecke ist es allerdings wahrscheinlicher, dass zwei zweigleisige Strecken gebaut würden, wie es nun mit dem Chuo-Shinkansen geschieht. Neben der Anbindung zusätzlicher Regionen ist vor allem zu beachten, dass man nach den Erfahrungen der großen Erdbeben von Kobe 1995 und Tohoku 2011 (damals waren die Shinkansen-Strecken wegen Erdbebenschäden für 82 bzw. 50 Tage unterbrochen) großes Interesse daran hat, völlig unabhängige Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen zwei Ballungsräumen zu schaffen. Der Chuo- Shinkansen wird das für die Relation Tokyo - Nagoya auf der Route durch die japanischen Alpen sein, die zudem wesentlich kürzer als die Tokaido-Strecke entlang der Küste ist. Geplante Streckenführung des Maglev-Projekts Chuo-Shinkansen; blau: Tokaido-Shinkansen Grafik: Hisagi/ wikipedia.de FORUM Meinung Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 81 Meinung FORUM Die geringere Kapazität des Chuo-Shinkansens von rund 1000 gegenüber 1323 Passagieren (Baureihe N700) ergibt sich aus seinem deutlich kleineren Lichtraumprofil. Die von Herrn Andersen genannte politische Vorgabe von 10 000 Fahrgästen pro Stunde und Richtung ist jedoch in der aktuellen Diskussion in Japan nicht mehr präsent. Während sehr detaillierte Pläne zum Strecken- und Bahnhofsbau veröffentlicht wurden, gibt es zum zukünftigen Betriebskonzept bisher nur eine kurze Pressemitteilung vom September 2013. Demnach sollen 2027 fünf Züge pro Stunde zwischen Tokyo und Nagoya fahren, davon vier nonstop und einer mit allen vier Zwischenhalten; dies macht eine Kapazität von 5000 Fahrgästen pro Stunde und Richtung. Ob später Verstärkerzüge hinzukommen werden, wird das Verkehrsaufkommen zeigen. Was die öffentliche Diskussion in Japan dagegen dominiert, ist die Fahrzeit-Verkürzung auf nur 40 Minuten zwischen Tokyo und Nagoya. Die von Herrn Andersen geäußerte Ansicht, dass die Strecke eher in Rad-Schiene- Technik gebaut werden sollte, können wir daher nicht teilen. Im technikfreundlichen Japan wird das Projekt, obwohl offiziell als Chuo-Shinkansen bezeichnet, stets nur „Maglev“ oder „Linear“ genannt, wodurch der Schwerpunkt auf die eingesetzte innovative Technik gelegt wird. Der Betrieb auf der Teststrecke läuft seit 1998 störungsfrei und zuverlässig, zudem wird die Möglichkeit zur Mitfahrt auf der Teststrecke intensiv beworben, so dass ein Abrücken von der Maglev-Technologie einen massiven Gesichtsverlust für JR Central bedeuten würde und daher zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr realistisch scheint. Am Ende unseres Artikels haben wir die optimistische These aufgestellt, dass das Bahnsystem in Japan mit dem Maglev neue Rekorde aufstellen wird; eine Beurteilung des künftigen Betriebs oder eine Bewertung aus Fahrgastsicht sowie ein Abwägen der Vor- und Nachteile der verschiedenen Technologien war nicht unsere Absicht und sollte einem späteren Artikel vorbehalten sein. Ob der Maglev eine Erfolgsgeschichte wie der Shinkansen wird, wird man erst in einigen Jahrzehnten beurteilen können. Hätten die japanischen Ingenieure nicht so viel Mut gehabt, den Shinkansen gegen viele Widerstände zu bauen und 1964 in Betrieb zu nehmen, hätte sich die Entwicklung der Hochgeschwindigkeitsbahn weltweit um viele Jahrzehnte verzögert. ■ Wilfried Wunderlich, Oliver Mayer, Stefan Klug Mehr Autos, weniger Kilometer? Leserzuschrift zum Beitrag „PKW-Mobilität am Wendepunkt“, Internationales Verkehrswesen (66), 4/ 2014, S. 64 D er Artikel zeigt einen deutlichen Rückgang des altersbezogenen Motorisierungsgrads in den letzten zwei Jahrzenten vor allem bei Männern bis um die 40 und einen deutlichen Anstieg bei Frauen über 50 Jahre. Für die nächsten 25 Jahre treffen die Autoren von Prognos und Shell zwei erstaunliche Annahmen: a) Während die Jahrgänge der heute 70bis 79-jährigen Männer wie auch Frauen ihren Motorisierungsgrad von vor 20 Jahren weitgehend beibehalten haben, würden nach der Prognose viel mehr der heute 45bis 65-jährigen Autobesitzer/ innen die Autoschlüssel abgegeben haben, wenn sie zu dieser Altersgruppe gehören. b) Für die heutigen jungen Männer bis Anfang 40 wird unterstellt, dass die meisten Nichtautofahrer dieser Jahrgänge ihr Mobilitätsverhalten noch verändern, und diese Jahrgangs-Kohorten im Alter zwischen 45 und 64 annähernd genauso viele Autos besitzen werden wie die 20 Jahre ältere Männergeneration heute. Mein Versuch einer Trendfortschreibung mit der Annahme eines stetigeren Mobilitätsverhaltens der Jahrgangskohorten kommt zu anderen Ergebnissen: In 20 Jahren kann der Motorisierungsgrad in der nächsten Rentnerinnengeneration, also der heute noch 45bis 59-Jährigen, um die 50% betragen. Die Männer, die heute der Altersgruppe 45 und 64 angehören und heute rechnerisch etwas mehr ein Auto je Person besitzen, können in 20 Jahren, im Alter von 65 bis 84, eine Motorisierungsquote von 80-90 % aufweisen. Damit würden wesentlich mehr altengerechte PKW benötigt werden, insbesondere für betagte Damen geeignete Typen. Die heute 25bis 39-Jährigen haben fast 30 % weniger Autos als Gleichaltrige vor 20 Jahren. Für sie erscheint in 20 Jahren eine reduzierte Quote zwischen 70 % und 90 % plausibler, wenn sie 45 bis 59 sein werden. Der Absatzmarkt für Autoklassen, wie sie von berufstätigen Männern im mittleren Alter bevorzugt werden, geht somit etwas zurück. Schließlich haben Akademiker-Haushalte bei Ausklammerung des Einkommenseffekts weniger PKW (ifmo 2011), und immer mehr Schulabsolventen studieren. Die Summe dieser Effekte könnte zu einem etwas höheren PKW- Bestand als prognostiziert führen, bei allerdings niedrigeren Fahrleistungen, denn Rentnerinnen legen kürzere Strecken mit ihrem Auto zurück als Männer mittleren Alters. Künftig gibt es mehr Elektroautos, und deren begrenzte Reichweiten führen ebenfalls zu reduzierten Auto-Fahrleistungen bei vermehrter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Fernverkehr. Bei größeren Strukturbrüchen als Folge von Peak Oil, Rentenrückgang oder allgemeinen Wirtschaftskrisen können sich die Zahlen natürlich deutlicher verändern, auch bei Angeboten preiswerter und autonom fahrender Elektroautos sowie ernsthaften Klimaschutzmaßnahmen. Der Trend heute noch junger Menschen in die großen Städte kann die Entwicklung zu weniger Autoverkehr verstärken, dort leben zunehmend urbane, unterhaltungsorientierte Uni-Absolventen, die unabhängig von eigenen Autos mit dem Umweltverbund von U-Bahn bis Uber unterwegs sind (8U). Der Platz in den Großstädten ist begrenzt, Verdrängungsprozesse durch Gentrifizierung werden sich fortsetzen. Die Alten und die Armen, die sich die Immobilienpreise in den Städten nicht leisten können, bleiben als Autofahrer außerorts, dort steigt auch der Ausländerbzw. Migrantenanteil (5A). ■ Joachim Falkenhagen, Berlin FORUM Nachruf Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 82 Zum Gedenken an Hans-Georg Retzko Am 19. November 2014 starb Professor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Hans-Georg Retzko im Alter von 85 Jahren. H ans-Georg Retzko wurde in Hagen/ Westfalen geboren und gehörte zu der Generation, die den Krieg noch als Luftwaffenhelfer miterleben musste. Nach Abitur und Studium des Bauingenieurwesens war Hans-Georg Retzko wissenschaftlicher Assistent von Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Johannes Schlums an der damaligen Technischen Hochschule Hannover. Er promovierte in der Straßenverkehrstechnik. Seine fachlichen Kenntnisse wurden wesentlich verbreitert und mit praktischen Erfahrungen ergänzt durch seine Tätigkeiten als städtischer Baurat und Oberbaurat im Stadtplanungsamt Nürnberg sowie als Oberregierungsbaurat im Niedersächsischen Sozialministerium in Hannover. Im Alter von nur 37 Jahren wurde er 1966 auf den neu geschaffenen ordentlichen Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Hochschule Darmstadt berufen. Hier wirkte er bis 1997 in Forschung, Lehre und Praxis. Die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Retzko waren die systematische Erforschung des Verkehrsablaufs an Straßenverkehrsknotenpunkten ohne Lichtsignalanlage, grundlegende Untersuchungen zur Signalprogrammberechnung für Knotenpunkte mit Lichtsignalanlage, Untersuchungen über den Prozess der städtischen und regionalen Verkehrsplanung sowie interdisziplinäre Untersuchungen über Probleme des städtischen und regionalen Verkehrs. Insbesondere über das Planungsbüro Retzko+Topp hat er sein Fachwissen in die Praxis eingebracht, die Verkehrsentwicklung in zahlreichen in- und ausländischen Städten geprägt und wertvolle Erfahrungen daraus in seinen Vorlesungen weitergegeben. Viele Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten von Hans-Georg Retzko gingen in die einschlägigen Technischen Regelwerke ein. Zum Beispiel entstanden die ersten Technischen Regelwerke der FGSV über Lichtsignalanlagen und über die städtische und regionale Verkehrsplanung unter seiner Leitung. Neben der FGSV gehörte Hans-Georg Retzko zahlreichen weiteren Organisationen an, zum Beispiel der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung und der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Die Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Hessen hat er 1967 mit gegründet. Sein fachliches Wirken ist in über 200 Veröffentlichungen dokumentiert und wurde mehrfach hoch anerkannt. Besonders erwähnenswert ist, dass ihm im Jahr 1996 die Ehrendoktorwürde durch die Technische Universität Dresden verliehen wurde. Auch in der Lehre war Hans-Georg Retzko äußerst erfolgreich. Neben ungezählten Diplomanden betreute er 37 Promotionen als Referent und weitere 43 als Korreferent, hinzu kommen 2 Habilitationen. Zahlreiche seiner Doktoranden wurden Professoren. Er war drei Mal Dekan seines Fachbereichs und hat erheblich zur interdisziplinären Entwicklung seiner Universität beigetragen. Für seine besonderen Verdienste um die Technische Hochschule Darmstadt wurde ihm im Jahr 1995 die Erasmus-Kittler- Medaille verliehen. Hans-Georg Retzko hat sein Land in zahlreichen internationalen Fachgremien vertreten und häufig auch an ausländischen Universitäten unterrichtet. Vor allem in China, Japan und Vietnam hatte er sehr gute Kontakte. Der Ungarische Verkehrswissenschaftliche Verein verlieh ihm das „Abzeichen mit dem goldenen Kranz“ und ernannte ihn zum Ehrenmitglied. Die Sozialistische Republik Vietnam verlieh ihm die Medaille „Für Verdienste im Bildungswesen“, und die Tongji University Shanghai (China) ernannte ihn 2006 zum Advisory Professor und verlieh ihm 2011 den Preis „Tongji Special Award for International Cooperation“. Alle Auszeichnungen und Ehrungen sind nicht allein mit dem exzellenten Fachwissen von Hans-Georg Retzko zu erklären. Hierzu gehörte auch eine Persönlichkeit, die von den Menschen in seinem Umfeld sehr geschätzt und gemocht wurde. Hans- Georg Retzko hat dabei in vielfältiger Weise auch politisch gewirkt. Bei allem in ihm verankerten Wunsch, Konflikte zu vermeiden, hat er sich immer konsequent für freien Meinungsaustausch und Demokratie eingesetzt. So wurde ihm für seine ganz besonderen Verdienste um den Austausch zwischen Ost und West in der Zeit der Teilung Deutschlands im Jahr 2002 das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1997 hat Hans-Georg Retzko weiter gern und viel gearbeitet. Noch über fast 15 Jahre war er nahezu täglich in seinem Büro in der Universität, danach leider immer seltener. Es gibt sehr viel, was von seinem Wirken bleibt. Seine Schüler haben seine Gedanken und fachlichen Kenntnisse aufgegriffen und tragen sie weiter. Viele seiner Forschungsergebnisse sind heute die Grundlage unserer Arbeit. Und viele Verkehrsprojekte, die er mit geplant hat, sind umgesetzt worden und werden von den Menschen genutzt. Er hat aber auch den Menschen in seinem Umfeld mit seiner Achtung und Menschlichkeit immer sehr viel gegeben. Hans-Georg Retzko hatte ein großes, erfülltes Leben, und er hat bis zuletzt bekundet, dass er damit sehr glücklich sei. Wir sollten ihn so zufrieden und positiv in Erinnerung behalten. Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze, Technische Universität Darmstadt, Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Foto: Ralf Schäfer Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 83 V e R K e H R sw I s s e N s C H A F T L I C H e N AC H R I C H T e N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. 1. Heft März 2015 Jahrestagung 2015 - eine Premiere im Norden L iebe Mitglieder der DVWG, sehr geehrte Damen und Herren, gern möchte ich Ihnen und Ihren Familien an dieser Stelle - auch wenn der Start nun schon ein paar Wochen zurückliegt - für 2015 viel Gesundheit, Glück und persönlichen Erfolg wünschen. Der Beginn des Jahres gestaltete sich für die Hauptgeschäftsstelle dieses Mal recht turbulent. In relativ kurzer Zeit musste der Umzug in unsere neuen Büroräume in Berlin-Spandau vorbereitet, organisiert und abgewickelt werden. Als nächstes großes Projekt liegt nun die Vorbereitung und Durchführung der DVWG-Jahrestagung 2015 vor uns. Als besonderer Höhepunkt des Vereinslebens hat sich die Jahrestagung seit vielen Jahren fest etabliert. Die 66. Ausgabe wird mal wieder eine Premiere hinsichtlich des Veranstaltungsortes: Erstmals wird eine Jahrestagung in der Hansestadt Rostock stattfinden. Und damit ist es eigentlich schon klar - es wird maritim … Die gastgebende Bezirksvereinigung Mecklenburg-Vorpommern e.V. hat in den letzten Wochen mit großem persönlichen Einsatz und vielen kreativen Vorschlägen gemeinsam mit uns ein spannendes und abwechslungsreiches Programm vorbereitet. Am Mittwoch, den 27.05.2015, wird die Bundesdelegiertenversammlung stattfinden. Anschließend sind Mitglieder und Gäste nach Kühlungsborn zum Begrüßungsabend eingeladen, passend werden wir mit dem „Molli“, der historischen Kleinbahn anreisen. Die Abendveranstaltung mit Verleihung der DVWG-Nachwuchspreise findet traditionell am Abend des ersten Kongresstages statt, dieses Mal in der Sky-Bar des Neptun-Hotels. In der 19. Etage aus 64 Metern Höhe können Sie dort den einmaligen Blick über den Warnemünder Strand und die Ostsee genießen. Auch die vier angebotenen begleitenden Fachexkursionen u.a. mit Hafen- und Werftbesichtigungen dürften viele Interessierte begeistern. Der Jahresverkehrskongress mit dem Titel „Wachsender Verkehr auf der Ostsee - verkehrswirtschaftliche und umweltpolitische Herausforderungen im Seeverkehr“ wird am 28./ 29. Mai 2015 als 12. Baltisches Verkehrsforum im Bernsteinsaal des Hotels Neptun stattfinden. Die Veranstaltung wird durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert und richtet sich in erster Linie an deutsche Teilnehmer. Darüber hinaus werden auch Referenten und Teilnehmer aus den Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee erwartet. Der Fachkongress wird sich thematisch mit den folgenden vier Schwerpunkten auseinandersetzten: • Herausforderungen für den deutschen Seeverkehr im maritimen Ostseetransport • Verkehrsinfrastruktur und Hafenhinterlandtransport • Verkehrsknotenpunkte als regionale Wirtschaftszentren • Steigende Klima- und Umweltschutzanforderungen an den Seeverkehr Begleitend wird eine Poster-Session für Nachwuchswissenschaftler durchgeführt. Fünf junge Nachwuchswissenschaftler werden die Möglichkeit erhalten, parallel zur laufenden Veranstaltung ihre wissenschaftlichen Arbeiten den Konferenzteilnehmern zu präsentieren. Die Präsentation der ausgewählten Arbeiten erfolgt auf großformatigen Postern im Foyer des Kongresshotels. Dazu wird ein Call for Papers auf dem Internetportal der DVWG, im Newsletter „DVWG aktuell“ sowie in weiteren geeigneten Medien platziert. Das ausführliche Programm unserer Jahrestagung finden Sie wie immer unter www.dvwg.de. Die Einladungsbroschüre mit allen Informationen und organisatorischen Hinweisen zum fachlichen und touristischen Programm werden wir nun in den nächsten Wochen gemeinsam mit den Kollegen der Bezirksvereinigung Mecklenburg-Vorpommern e.V. fertigstellen und hoffen, dass jedes Mitglied seine persönliche Einladung pünktlich vor Ostern erhält. Ich freue mich, Sie alle in Rostock zu treffen. Iris Götsch Hauptgeschäftsstelle Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 84 dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Kombilösung in Karlsruhe Günter Koch, Bezirksvereinigung Oberrhein K arlsruhe bleibt noch einige Zeit die „Baustellen-Hauptstadt“ Deutschlands. Dessen wird man sich an allen Ecken und Enden bewusst, wenn man sich durch die Stadt bewegt. Mit Abstand die größte Baustelle ist die Umsetzung der Kombilösung. Mit ihr soll die zentrale Hauptachse der Straßenbahn im Kernbereich der Stadt unter die Erde verlegt und die Bundesstraße B10 mit heute bis zu zehn Fahrstreifen abschnittsweise ebenfalls tiefer gelegt werden und Raum für eine neue städtebauliche Gestaltung zu bekommen. Die Maßnahme wird von der stadteigenen Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (KASIG) mbH umgesetzt. Exklusiv für die DVWG gab Herr Uwe Konrath, Geschäftsführer der KASIG, am 21. Oktober 2014 in einem Vortrag einen Einblick in das aktuelle Geschehen. Er berichtete detailreich und spannend über die aktuellen und noch bevorstehenden Bauaktivitäten (Bild-1). Vor fast fünf Jahren fiel der Startschuss für die Tieferlegung, bisher allerdings schon mit zwei Jahren Bauverzug, was auch seit drei Jahren unverändert blieb. Dass nach einer überstandenen Insolvenz einer der beteiligten Bauunternehmen der Betrieb fast nahtlos weiter läuft, ist dem großen Engagement aller Projektbeteiligten geschuldet. Auch die Bürger mussten immer wieder große Einschränkungen in ihrer Mobilität hinnehmen um einen zügigen und kostenoptimierten Bauprozess zu ermöglichen. Nach zwei Bürgerentscheiden hatten diese sich jedoch nach heftigen Diskussionen für das Bauvorhaben entschieden und der gefundene Konsens besteht bis heute fort. Die Herausforderungen sind groß. In Ost-Westrichtung ist ein Tunnel mit 2,4 km Länge und vier Haltestellen im Bau. Er wird mittig unter der Kaiserstraße, Karlsruhes Hauptgeschäftsstraße, verlaufen und soll den überwiegenden Teil der heute dort verkehrenden Straßenbahnen aufnehmen. Am Marktplatz in Streckenmitte schließt in- Nord-Südrichtung ein weiterer 1,3 km langer Tunnel mit weiteren drei Haltestellen an. Konrath erläuterte, wie das Bauverfahren durch die logistischen und technischen Herausforderungen bestimmt wird. Der Bauablauf für den Ost-West-Tunnel begann mit der Baufeldfreimachung und der Gebäudesicherung. Anschließend wurden die- Haltestellenbauwerke in halbseitiger Deckelbauweise erstellt. Die Errichtung der Haltestellen wurde erschwert durch einen Grundwasserstand von ca. 3 m unter Geländeoberfläche. Da eine Grundwasserabsenkung wegen des sandigen und kiesigen Untergrundes nicht möglich war, musste eine wasserdichte Baugrube erstellt werden. Dies machte wiederum auch abschnittsweise eine Rückverankerung der Baugrube notwendig, dies überwiegend unter den anliegenden Gebäuden. Umfangreiche Sicherungen und Vereinbarungen mit den Eigentümern waren notwendig. Die Errichtung der Bohrpfahlwände erfolgte im Schnitt mit zwei Pfählen pro Tag und dies fast nur wenige Zentimeter von den Fassaden entfernt, damit war die Zugänglichkeit der Gebäude nicht zu gewährleisten. So einigte man sich darauf, einige Abschnitte in Nachtarbeit zu errichten, um tagsüber die volle Zugänglichkeit gewährleisten zu können. Eine Hochdruckinjektionssohle (HDI-Sohle) dichtet die Bauwerke nach unten ab. Der zweigleisige Tunnel unter der Kaiserstraße wird mit einer Tunnelvortriebsmaschine (TVM) in einer Sohltiefe von 17 bis 19 m unter den in Betrieb befindlichen Straßenbahngleisen erstellt (Bild 2). Die Maschine von Herrenknecht aus dem badischen Schwanau ist zwischenzeitlich gestartet und arbeitet sich anfangs mit ca. 8 m pro Tag voran, später sollen es 10 bis 12 m werden. Vor der TVM wird zur Abdichtung gegen das anstehende Grundwasser ein Hydro-oder Mixed-Schild aufgebaut, bestehend aus einer Stützflüssigkeit aus Bentonit. Das Schneidrad hat einen Durchmesser von 9,3-m und wird von mehreren Motoren mit einer Gesamtleistung von über 1,2 MW angetrieben. Die Auskleidung erfolgt einschalig mit Tübbingringen. Ein Tübbingring mit 8,5 m Innendurchmesser besteht aus 6 Elementen, ist 2 m lang und hat ein Gewicht von ca. 54 t. Zur Überwachung möglicher Veränderungen wurde eine Messplattform „Iris“ eingerichtet, die automatisierte Messungen erlaubt. Die TVM durchfährt die Haltestellenbauwerke von Osten nach Westen, beginnend am Durlacher Tor. Im Anschluss kann der Ausbau der Haltestellen beginnen. Im Gegensatz zu anderen Städten sind keine kommerziellen Nutzungen in den unterirdischen Anlagen der Haltestellen vorgesehen. Bild 1: Baustellenführung für die DVWG Alle Fotos: Günter Koch Bild 2: Der Tunnel unter der Kaiserstraße wird mit einer Tunnelvortriebsmaschine erstellt. Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 85 Verkehrswissenschaftliche Nachrichten dVWG Wegen der geringen Tiefe lag es nahe, den Tunnel alternativ in Deckelbauweise zu errichten. In diesem Falle wären die Beeinträchtigungen für die Geschäfte und Anlieger allerdings deutlich größer und auch länger gewesen, so dass diese Lösung verworfen worden war. Der Tunnel unter der Karl-Friedrich- Straße (Nord-Süd-Achse) wird ab Marktplatz auf einer Länge von ca. 240 m mit bergmännischem Vortrieb unter Druckluft aufgefahren. Für das Vorhaben werden ca. 550 000 m 3 Boden bewegt, davon müssen 150 000 m 3 abgefahren werden, wofür der Unternehmer verantwortlich ist. Wenn alles nach dem heutigen Plan läuft, kann eine Inbetriebnahme des Stadtbahntunnels Mitte 2018 erfolgen. Nach dem Vortrag gab es eine Baustellenführung in den Startschacht der TVM am Durlacher Tor, wo die Maschine mit ihren fast 80 m Länge und 1300 t schon auf den Startschuss wartete (Bild 3). Ein Vertreter der Bauüberwachung erläuterte geduldig die vielen Fragen der Exkursionsteilnehmer zum Aufbau und Arbeit der TVM. Deren Komponenten konnten gleichzeitig aus nächster Nähe begutachtet und erläutert werden, z. B. wie der Materialtransport funktioniert. Die aus Bentonit bestehende Stützflüssigkeit wird mit dem Aushubmaterial über ein Rohrsystem an den Ausgangspunkt zurückgepumpt und dann in einer Separieranlage wieder voneinander getrennt. Das Bentonit wird zurückgewonnen. Für den Transport der Tübbingringe wurde eine schienengebundene Materialbahn eingerichtet. Die Ver- und Entsorgung erfolgt vom Ostportal des Tunnels. Das Konzept konnte auch nur deshalb so umgesetzt werden, weil es entgegen der ursprünglichen Planung gelang, eine wichtige Straßenbahnachse über viele Jahre komplett aus dem Baufeld heraus und um dieses herum zu führen. Beim Hin- und Rückweg zum Startpunkt der Tunnelbaustelle wurden der 30-köpfigen Gruppe der DVWG noch verschiedene andere Baustellenstandorte erläutert, die das Bild der dreistündigen Veranstaltung abrundeten. Zur Kombilösung gehört auch der Umbau der ca. 350 bis 500 m südlich verlaufenden Kriegsstraße zur Allee mit neuer Straßenbahnstrecke. Dafür wird ein ca. 1,4 km langer Autotunnel gebaut. Mit den vorbereitenden Arbeiten wurde bereits Anfang 2014 begonnen. Die Kosten des Gesamtvorhabens haben sich von 495 Mio. EUR im Jahr 2004 auf aktuell 868 Mio. EUR erhöht. Das Bauen unter Betrieb im städtischen Umfeld heißt, dass alle Gebäude auf der Straße ständig anfahr- und erreichbar sein müssen und dass die Versorgung mit Medien (u. a. Fernwärme, Gas, Wasser, Strom) durchgehend sichergestellt sein muss. Weiterhin bedeutet dies auch, dass Mobilität der über 100 000 Fahrgäste pro Tag des öffentlichen Verkehrs in der Innenstadt weiterhin sicher gestellt bleibt. Die Baumaßnahmen erzwingen jedoch auch in kurzen Zeitabständen wiederkehrende Linienumlegungen und Haltestellenverlegungen. Vortrag und Baustellenführung haben eindrücklich allen Beteiligten gezeigt, wie komplex ein derartiges Vorhaben ist und an wie vielen Stellen Konflikte entstehen können. Der überwiegend entspannte Umgang der Bürger und Geschäftsleute mit dem Vorhaben zeigt, dass der Informations- und Beteiligungsprozess von Stadt und KASIG auf dem richtigen Weg ist. ■ Save the Date: Deutscher Mobilitätskongress 2015 D ie Katastrophenmeldungen zum Zustand der Erde häufen sich: Unser Lebensstil verbraucht in einem Maße Ressourcen, wie sie nur von eineinhalb Erden zur Verfügung gestellt werden könnten. Schon heute liegt der Ausstoß von klimaschädigendem Kohlendioxid über dem Wert, den wir in 90 Jahren nicht überschreiten dürfen, wenn sich das Erdklima nicht um mehr als zwei Grad erwärmen sollte. Der Verkehr, die Beförderung der Menschen und der Transport von Gütern tragen zum Ausstoß von CO 2 und zur Gefährdung der Biosphäre in erheblichem Maße bei. Im Straßentransport hat sich der CO 2 -Ausstoß seit 1990 gar um 23 % erhöht, der Autoverkehr trägt EU-weit 15 % zur gesamten CO 2 - Emission der EU bei. Fatalismus aber wäre angesichts der Warnmeldungen von WWF und IPCC aber unangebracht: Wir verfügen über die technischen Mittel, die Innovationen und die Kooperationsfähigkeit, die Wende im Verkehrssektor einzuleiten. Moderne Technologie wie die Elektromobilität für den privaten Alltagsverkehr, die Nutzung der Brennstoffzelle für Züge und Lastwagen, der Aufbau elektrifizierter Autobahnen für den Schwerverkehr und die Nutzung regenerativer Energie für einen emissionsarmen oder emissionsfreien Verkehr sind längst verfügbar. Die Vernetzung der Angebote über die Verarbeitung umfassender Daten wird die Effizienz des Verkehrs weiter erhöhen. Der Deutsche Mobilitätskongress 2015 in Frankfurt am Main wird deshalb aufzeigen, über welche Mittel wir bereits verfügen, um die Umweltwirkungen unserer Mobilität auf ein Minimum zu reduzieren, ohne unsere Freiheit einzuschränken. Termin: 12./ 13. November 2015 Ort: Kap Europa, Osloer Straße 5, 60327 Frankfurt am Main Ausführliche Informationen unter www.deutscher-mobilitaetskongress.de ■ Bild 3: Baustellenführung in den Startschacht Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 86 dVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten weitere Informationen www.bahnland-bayern.de www.bahnland-bayern.de/ beg www.bayern-fahrplan.de Kontakt: Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH Sandra Höldl Public Relations Stellvertretende Pressesprecherin Boschetsrieder Straße 69 81379 München Telefon: 089/ 748825-33 Telefax: 089/ 748825-51 E-Mail: sandra.hoeldl@bahnland-bayern.de 20 Jahre Bahnreform - Stehen wir vor neuen Weichenstellungen? dr. Johann Niggl, Geschäftsführer der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), sprach bei der dVWG Südbayern über die Herausforderungen im SPNV D ie Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) wertet Niggl definitiv als Erfolgsgeschichte. Im Vergleich zu den 90er-Jahren, als sinkende Fahrgastzahlen und Streckenstilllegungen keine Seltenheit waren, zeigt sich heute ein ganz anderes Bild: moderne Züge, ein integraler Taktfahrplan und ein Wettbewerb unter den Unternehmen. Das Wettbewerbsprinzip hat Dynamik in den Markt und Verbesserungen im Angebot gebracht. Bayern bestellt dieses Jahr 121 Mio. Zugkilometer. Bayern ist damit Spitze in Deutschland! Das Angebot wurde seit 1996 um 48 Prozent ausgebaut. Die Zahl der Fahrgäste im Regionalverkehr inklusive S-Bahn Nürnberg ist um 70 % gestiegen, bei der Münchner S- Bahn um 26 %. Niggl weist auf grundlegende Veränderungen hin: Das System stößt aufgrund der Finanzierungsproblematik zunehmend an seine Grenzen. Die Entwicklung und rechtzeitige Zulassung neuer Fahrzeuge ist eine große Herausforderung. Der Kapazitätsbedarf in den Ballungsräumen wird immer weiter ansteigen. Zugleich fordert der ländliche Raum dichtere Takte, ja sogar Reaktivierungen von stillgelegten Strecken. Die Fernbusse schnappen dem Regionalverkehr - bei ungleichen Rahmenbedingungen - Fahrgäste weg, was aufgrund der Einnahmeverluste die Kosten über kurz oder lang steigen lassen wird. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen sind zwar viel näher am Kunden, aber Niggl fragt sich seit Langem: Wo bleibt eigentlich der unternehmerische Grundsatz, Chancen und Risiken zu tragen? Immer mehr Verantwortung wird auf den Aufgabenträger abgewälzt. Denn was bei den Unternehmen nicht bestellt und im Detail vorgeben wird, wird nicht geliefert. Das ist paradox. Bedeutet das die Rückkehr zur Staatsbahn? Einige Bundesländer ändern derzeit bereits radikal ihre SPVN-Politik. Fest steht jedenfalls: Ohne die Erhöhung der Regionalisierungsmittel, die der Bund für die Bestellung des SPNV bereit stellt, und eine Dynamisierung, die die Entwicklung der Trassen- und Stationspreise berücksichtigt, kann das erreichte Angebotsniveau für die Fahrgäste kaum gehalten werden. Die permanent steigenden Infrastrukturgebühren engen den finanziellen Spielraum für die Angebotsgestaltung immer weiter ein. Denn die Trassengebühren für die Nutzung der Gleise und die Gebühren für die Nutzung der Stationen trägt die BEG. Bayern zahlt derzeit 620 Mio. EUR pro Jahr an DB Netz und DB Station & Service. Das sind 260 Mio. EUR mehr als noch im Jahr 2000. Gleichzeitig haben sich die Regionalisierungsmittel in diesem Zeitraum faktisch nicht erhöht. Es werden daher dringend mehr Mittel im Rahmen der Revision der Regionalisierungsmittel benötigt. Die Zeit der großen Einsparungen bei Ausschreibungen ist vorbei, die Unternehmen sind wählerischer, der Anreiz des Nettovertrags, die Fahrgelderlöse zu behalten und dafür bestmögliche Qualität zu liefern, hat an Zugkraft verloren. Die Branche steht vor neuen Weichenstellungen, sie muss sich öffnen, neue Ideen und Visionen haben! Nur so können die künftigen Herausforderungen gemeinsam gemeistert werden, schloss Niggl. ■ Sandra Höldl, Bayerische Eisenbahngesellschaft ÖPNV interessiert viele Karin Haucke, Südbayern A uch bei dieser Veranstaltung am 28. Oktober 2014 hat es sich wieder gezeigt: Die Themen ÖPNV oder SPNV ziehen Interessierte in Scharen an. Und sie wurden nicht enttäuscht. Der engagierte und ehrliche Vortrag von Dr. Johann Niggl hat große Zustimmung erhalten und eine spannende Diskussion ausgelöst. So war es auch vor gut einem Jahr, als sich der ehemalige, langjährige Geschäftsführer der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), Fritz Czeschka, in den Ruhestand verabschiedet hat, nicht ohne uns seine Erfahrungen und Erfolge, aber auch anstehende Probleme des SPNV nahe zu bringen. Seit einem Jahr gibt es nun mit Dr. Johann Niggl einen neuen BEG- Geschäftsführer, der sich der DVWG Südbayern mit dieser Veranstaltung vorgestellt hat. Zu diesem Termin waren wir zum ersten Mal im Casino des ehemaligen Straßenbauamts München zu Gast. In dem neobarocken Gebäude in der Winzererstraße in München wurde Ende des 19. Jahrhunderts die Offiziersspeiseanstalt der neuen Infantriekaserne eingerichtet. Das Casino war Teil der Prinz-Leopold-Kavalleriekaserne der bayerischen Armee in München. Sie hat ihren Namen vom ehemaligen Kommandeur des ersten Schwere-Reiter-Regiments, Prinz Leopold von Bayern. Damit wird auch klar, warum die Straßen in der Umgebung Schwere-Reiter-Straße und Infantriestraße heißen. ■ www.suedbayern.dvwg.de SPNV in Bayern Quelle: DVWG Südbayern Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 87 Verkehrswissenschaftliche Nachrichten dVWG Veranstaltungen der bezirksvereinigungen Thüringen thueringen@dvwg.de 23./ 24.04.2015 27. Gothaer Technologenseminar „Regionale ÖV-Planung im Spannungsfeld von Vergaberecht und Kundeninteressen“ Ort: Staatliche Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr in Gotha, Friedrichstr. 5 Hamburg hamburg@dvwg.de 02.03.2015, 18: 00 Uhr Fachvortrag: 25 Jahre Verkehrsentwicklung in Hamburg (im Anschluss Mitgliederversammlung) Ort: Handelskammer Hamburg, Raum Merkur, Adolphsplatz 1, 20459 Hamburg 23.03.2015, 17: 00 Uhr Forum Seeverkehr: die neue nautische Zentrale als Kernstück des Hamburger Hafens Ort: Nautische Zentrale, Bubendeyweg 33, 21129 Hamburg 16.04.2015, 18: 00 Uhr Fachvortrag: Von Altona nach Altona - ein Bahnhof zieht um Ort: Hamburger Verkehrsverbund GmbH, Steindamm 94, 20099 Hamburg Südbayern e.V. suedbayern@dvwg.de 13.03.2015, 18: 00 Uhr Hochgeschwindigkeitsverkehr der dB AG: Fernverkehrsstrategie der dB AG, Sicherheit und Instandhaltung mit Besichtigung des ICE-Werks München Ort: München, S-Bahn-Halt Hirschgarten 25.03.2015, 17: 30 Uhr Neue Medien verändern die Welt - Chancen der digitalisierung im ÖPNV (Transparenz, Sharing, Big data) Ort: DB Regio München 14.04.2015, 17: 00 Uhr Gemeinschaftsveranstaltung mit der Regierung von Niederbayern: Stärken und Schwächen der Verkehrsinfrastruktur am Beispiel Niederbayerns Ort: Regierung von Niederbayern, Landshut Berg & Mark berg-mark@dvwg.de 23.04.2015, 16: 00 Uhr Schulwegcheck, Elterntaxi und Verkehrszähmer, Ort: Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich D, Abt. Bauingenieurwesen, Eugen-Langen-Saal HD 35, Pauluskirchstr. 7, Wuppertal Rheinland e.V rheinland@dvwg.de 12.03.2015, 17: 00 Uhr JuFo Rheinland: AdAC Helikopter Simulator - Führung und Erläuterung Ort: ADAC Hems-Academy GmbH, Flugplatz Bonn-Hangelar, Richthofenstr. 142, 53757 Sankt Augustin 13.04.2015, 18: 00 Uhr Städtische Versorgungslogistik der Zukunft Ort: Köln Nordbayern nordbayern@dvwg.de 19.03.2015, 17: 30 Uhr Urbane Mobilitätsmärkte im Umbruch - Welche Rolle spielt das CarSharing? Wie können der ÖPNV und die neuen Mobilitätsangebote voneinander profitieren? Ort: Technische Hochschule Nürnberg, Kesslerplatz 12 16.04.2015, 17: 30 Uhr die datenspur der Mobilität - Big data und Herausforderungen im Umfeld des autonomen Fahrens Ort: Technische Hochschule Nürnberg, Kesslerplatz 12 Württemberg e.V. wuerttemberg@dvwg.de 23.03.2015, 17: 30 Uhr Wie kommen die Fahrzeuge in der EU auf die Schiene? Ort: Verband Region Stuttgart, Kronenstraße 25, 70173 Stuttgart 27.04.2015, 17: 30 Uhr Vorträge Junger Verkehrswissenschaftler Universität Stuttgart, Hörsaal V 7.31, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart Zentrale Veranstaltungen Zagreb 22.-24.04.2015, Zagreb 13. Europäischer Verkehrskongress der EPTS „European Union Transport: demand meeting Supply“ Frankfurt 12./ 13.11.2015, Frankfurt am Main deutscher Mobilitätskongress 2015 Rostock-Warnemünde 27.-29.05.2015 dVWG-Jahrestagung 2015 mit Bundesdelegiertenversammlung und Jahresverkehrskongress „Wachsender Verkehr auf der Ostsee - Verkehrswirtschaftliche und umweltpolitische Herausforderungen im Seeverkehr“ (12. Baltisches Verkehrsforum) Veranstaltungen des Junges Forums Fulda junges.forum@dvwg.de 7.03.2015, 11: 00 Uhr 13. Verkehrswissenschaftliches Zukunftsforum Ort: Hochschulzentrum Fulda-Transfer, (im Anschluss Bundesdelegiertenkonferenz) Zagreb junges.forum@dvwg.de 22.-24.04.2015 Exkursion des Jungen Forums zum Europäischen Verkehrskongress nach-Zagreb Wir sind umgezogen: dVWG Hauptgeschäftsstelle Weißenburger Straße 16 13595 Berlin Tel. +49 30 2936060 Fax +49 30 29360629 E-Mail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Das Controlling von ÖPNV-Unternehmen steht im Mittelpunkt dieses Buchs. Experten aus ÖPNV-Unternehmen, Wissenschaft und Beratungshäusern stellen Instrumente zur Unternehmenssteuerung praxisnah vor und informieren über aktuelle Entwicklungen. Damit liefert das Buch Anregungen, Ideen und Lösungsansätze für Controllingprobleme. Controlling im ÖPNV Instrumente und Praxisbeispiele Unternehmenssteuerung und Controlling im ÖPNV, Christian Schneider (Hrsg.), 1. Auflage 2013, 224 Seiten, broschiert, EUR 49,inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Oder bestellen Sie jetzt per Telefon: 040-23714-440 Weitere Infos, Leseproben und Bestellung: www.dvz.de/ controepnv2 JETZT BESTELLEN Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 89 Erscheint im 67. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 10 16 09, D-20010 Hamburg Nordkanalstraße 36, D-20097 Hamburg Tel. +49 40 23714-01 geschäftsführer Martin Weber Verlagsleiter Detlev K. Suchanek Tel. +49 40 23714 227 | detlev.suchanek@dvvmedia.com Redaktion Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. + 49 40 23714-223 | Fax: +49 40 23714-205 eberhard.buhl@dvvmedia.com DVwg-Nachrichten Dr. Karin Jäntschi-Haucke (verantwortlich) hgs@dvwg.de Redaktionelle Mitarbeit Kerstin Zapp Korrektorat Ulla Grosch Anzeigen gesamtanzeigenleitung Tilman Kummer Anzeigenleitung Silke Härtel (verantw.) + 49 40 23714-227 | silke.härtel@dvvmedia.com Anzeigenverkauf Tim Feindt + 49 40 23714-220 | tim.feindt@dvvmedia.com Anzeigentechnik Patrick Schröter +49 23714-127 | patrick.schroeter@dvvmedia.com Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 52 vom 01.01.2015. Vertrieb Leiter Marketing & Vertrieb Markus Kukuk +49 40 23714-291 | markus.kukuk@dvvmedia.com unternehmenslizenzen Digital/ Print Oliver Brandt +49 8191 3055039 | oliver.brandt@dvvmedia.com Leser- und Abonnentenservice Tel. +49 40 23714-260 | Fax +49 40 23714-243 kundenservice@dvvmedia.com Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Laufzeit eines Abonnements beträgt mindestens ein Jahr. 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KG, Geldern Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild The Snake Of the Information Highway Foto: ClipDealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Ben Möbius Dr., ehem. Abteilungsleiter Mobilität und Kommunikation des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Ronald Pörner Prof. Dr., ehem. Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland e. V. (VDB), Berlin Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Associate Partner, Oliver Wyman, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Alexander Hedderich Dr., Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Schenker Rail GmbH und Mitglied des Executive Board der Deutsche Bahn AG, Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Intermodal der Wincanton GmbH, Mannheim Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-dietrich Haasis Prof. Dr., Direktor Institut für Seewirtschaft und Logistik ISL, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Reinhard Lüken Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik e. V., Hamburg Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 90 Liebe Leserinnen und Leser, für Verlag und Redaktion ist 2015 ein besonderes Jahr: Zum ersten Mal planen wir - zusätzlich zu vier regulären deutschsprachigen Ausgaben - für Mai und Oktober 2015 zwei Themenausgaben in englischer Sprache als Open Access- Publikation, die Sie auf unserer Webseite finden, lesen und herunterladen können. Internationales Verkehrswesen 2/ 2015, die nächste deutsche Ausgabe, erscheint am 27. April und wird unter dem Schwerpunktthema Transport und Logistik - Multimodale Strategien für nachhaltiges Transportieren innovative urbane Logistiklösungen, aber auch neue Aspekte zu Air Cargo oder Kombiverkehr berücksichtigen. International Transportation 1/ 2015 wird ab 20. Mai verfügbar sein und mit dem Themenkreis Urban Transportation - Smart strategies to meet the requirements of tomorrow zunehmend aktuelle Fragestellungen aufgreifen. Details zu den Themen und Terminen des Jahres finden Sie übrigens in den Autorenhinweisen. Die stehen auf www.internationalesverkehrswesen.de unter dem Menüpunkt „Service“ zum Download bereit. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 09.-11.03.2015 Freiburg (DE) 7. ÖPNV-Innovationskongress des Landes baden-württemberg Veranstalter: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg Ort: Kongresszentrum Konzerthaus Freiburg Kontakt: Helmut Hakius Tel.: +49 (711) 231-5723, helmut.hakius@mvi.bwl.de www.innovationskongress-bw.de 12.-13.03.2015 Wien (AT) 13. wiener eisenbahn-Kolloquium Veranstalter: TU Wien http: / / www.eiba.tuwien.ac.at/ events/ wiener-eisenbahnkolloquien/ 13-wiener-eisenbahnkolloquium.html 16.-20.03.2015 Hannover (DE) CebIT 2015 Veranstalter: Deutsche Messe Info: info@messe.de www.cebit.de 18.-20.03.2015 Prag (CZ) International Railway Transport Conference eRRIC/ IRFC 2015 Veranstalter: OLTIS Group www.railconference.com 13.-17.04.2015 Hannover (DE) Hannover Messe Mit MobiliTec, MDA-Motion, Drive & Automation Kontakt: Michaela Gärtner, Deutsche Messe Tel.: +49 (511) 89-31309 www.hannovermesse.de 14.-16.04.2015 Hamburg (DE) Aircraft Interiors expo 2015 Ort: Hamburg Messe Kontakt: Reed Exhibitions, Kelly Weatherer Tel.: +44 (0) 208 439 5461 www.aircraftinteriorsexpo.com 15.-18.04.2015 Friedrichshafen (DE) Aero 2015 Internationale Fachmesse für Allgemeine Luftfahrt Veranstalter: Messe Friedrichshafen Info: +49 (7541) 708-0, info@messe-fn.de www.messe-friedrichshafen.de 22.-24.04.2015 Zagreb (HR) european union Transport: Demand meeting supply 13th European Transport Congress ETC Veranstalter: European Platform of Transport Sciences (EPTS) Kontakt: Sebastian Belz Info: www.epts.eu 23.04.2015 Nürnberg (DE) Forum bahntechnik 2015 Innovationen der Bahntechnik - Vorsprung durch Energieeffizienz und Emissionsreduzierung Ort: IHK Akademie Nürnberg für Mittelfranken, Nürnberg Kontakt und Info: Center for Transportation & Logistics Neuer Adler e.V. Tel.: +49 (911) 4809-4815, info@c-na.de 23.-24.04. 2015 Gotha (DE) 27. gothaer Technologenseminar Regionale ÖV-Planung im Spannungsfeld von Vergaberecht und Kundeninteressen Ort: Fachschule Gotha Veranstalter: DVWG Bezirksvereinigung Thüringen Info: Wilfried Höhne Tel.: +49 (3621) 776400, wilfried.hoehne@fachschule-gotha.tueringen.de 05.-08.05.2015 München (DE) transport logistik mit Air Cargo Europe und mariLOG Internationale Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management Ort: Messe München Kontakt: +49 (89) 949-11368, info@transportlogistic.de 06.-07.05.2015 Düsseldorf (DE) Polis Convention Urban Development http: / / www.polis-convention.com TeRMINe + VeRANsTALTuNgeN 05.03.2015 bis 07.05.2015 weitere Veranstaltungen finden sie unter www.internationalesverkehrswesen.de, www.dvwg.de www.eurailpress.de, www.schiffundhafen.de, www.dvz.de VORSCHAU | TERMINE Antrag auf persönliche Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 96 EUR/ Studierende 48 EUR) Eintritt zum Titel, Vorname, Name Beruf, Amtsbezeichnung Geburtsdatum Anschrift (privat) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (privat) Fax (privat) E-Mail (privat) Firma, Institution (dienstlich) Anschrift (dienstlich) - Straße, Haus-Nr. PLZ, Ort Telefon (dienstlich) Fax (dienstlich) E-Mail (dienstlich) Wenn Sie den schriftlichen Kontakt mit der DVWG bzw. die Lieferung der Organzeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ an eine dienstliche Adresse wünschen, wählen Sie bitte Kontakt „dienstlich“. Bitte beachten Sie, dass die Angabe der privaten Adresse für eine Anmeldung zwingend erforderlich ist! Kontakt: □ privat □ dienstlich Bezug der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“: □ ja □ nein Interesse an Informationen zum Jungen Forum der DVWG: □ ja □ nein Ort/ Datum Unterschrift Agricolastraße 25 Tel.: 030 / 293 60 60 www.dvwg.de 10555 Berlin Fax: 030 / 293 60 629 hgs@dvwg.de ■ Preisnachlass erhalten für Publikationen der Schriftenreihe (Bücher und CDs) ■ Gelegenheiten nutzen für den Auf- und Ausbau von Karriere-, Berufs- und Partnernetzwerken ■ exklusiven Zugang erhalten zum Internetportal der DVWG (Mitgliederbereich und Download) ■ persönliche Einladungen erhalten für über 200 Veranstaltungen im Jahr auf Bundesebene und in Ihrer Bezirksvereinigung ■ aktiv mitarbeiten in dem unabhängigen Kompetenzzentrum für Mobilität und Verkehr in Deutschland ■ mitarbeiten im Jungen Forum und der Europäischen Plattform für Verkehrswissenschaften ■ teilnehmen an jährlichen Fachexkursionen ins Ausland Wir vernetzen Verkehrsexperten! Antrag auf körperschaftliche Mitgliedschaft finden Sie unter: www.dvwg.de ■ das „Internationale Verkehrswesen“, die renommierte Fach- und Organzeitschrift, beziehen Mitglied werden und Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e.V. JETZT bestellen bestellen Ihr Fahrplan für Rechtsfragen im ÖPNV Gesetze und Kommentar zum ÖPNV-Recht plus Online-Zugang zu gerichtlichen Leitentscheidungen Das Praxishandbuch „Recht des ÖPNV“ liefert Ihnen: ▪ Ausführliche Erläuterungen und Kommentierungen aller relevanten Vorschriften des ö entlichen Personenverkehrsrechts ▪ Anwendungsbeispiele aus der Praxis Weitere Infos, Leseprobe und Bestellung: www.eurailpress.de/ ropa1 | Telefon: (040) 23714-440 1. Auflage 2013, Band 1 Gesetze, 660 Seiten; Band 2 Kommentar, 854 Seiten, 2013, Hardcover, DIN A5, ISBN: 978-3-7771-0455-3, EUR 189,- inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Das Praxishandbuch des ÖPNV“ des ÖPNV“ des ÖPNV“ ▪ ▪ 6477_Anzeigen_oepnv_DNV_180x257.indd 1 11.02.2015 09: 47: 22