Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
111
2015
674
Neue Herausforderungen - intelligente Strategien Sicher ist sicher POLITIK Digitalisierung, Automatisierung und die Herausforderungen INFRASTRUKTUR Voraussetzungen schafen für nachhaltige Mobilität LOGISTIK Strategie-Check und Anreizsysteme MOBILITÄT - EXTRA 20 Seiten Sonderteil im Heft: InnoZ Mobilitätsmonitor 2015 TECHNOLOGIE Lösungen für mehr Verkehrssicherheit www.internationalesverkehrswesen.de Heft 4 l November 2015 67. Jahrgang World Rail Market Study A study commissioned by UNIFE - The European Rail Industry Conducted by Roland Berger Strategy Consultants WORLD MARKET STUDY forecast 2012 to 2017 Commissioned by UNIFE - The European Rail Industry Conducted by Roland Berger Strategy Consultants DVV Media Group GmbH Worldwide Rail Market Study - status quo and outlook 2016 A study commissioned by UNIFE, the Association of the European Rail Industry and conducted by Roland Berger Strategy Consultants DVV Media Group THE EUROPEAN RAIL INDUSTRY DVV Media Group Special rate for InnoTrans exhibitors! forecast 2014 to 2019 WORLD study RAIL MARKET DVV Media Group GmbH THE EUROPEAN RAIL INDUSTRY Commissioned by Conducted by The largest study of its kind Based on a survey conducted in the 55 largest rail markets worldwide, the UNIFE World Rail Market Study provides market volumes and growth predictions from 2014 to 2019. Based on the testimony of UNIFE members and rail experts from all around the globe, the WRMS gives an account of short-term and long-term growth for all rail product segments and regions. Strategic conclusions are elaborated for each product segment and region based on the order intake of UNIFE members, a sophisticated forecasting model and the expertise of selected high-level decision-makers in the most important rail markets in the world political and economic scenarios. Contact: DVV Media Group GmbH • Eurailpress Email: book@dvvmedia.com • Phone +49 40 237 14-440 • Fax +49 40 237 14-450 www.eurailpress.de • www.railwaygazette.com More information at www.eurailpress.de/ wrms Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 3 Hartmut Fricke EDITORIAL Sicherheit im-Verkehr --objektiv fühlbar? D er Verkehr und die damit verbundene Mobilität von Menschen, Maschinen und Ressourcen sind zum integralen Bestandteil unserer modernen Gesellschaft und ein wesentlicher Wohlstandsfaktor geworden. Im Kontext des stetig weiter steigenden Mobilitätsbedürfnisses stellt unsere Gesellschaft zunehmend die Frage, wie eine seit ca. 40 Jahren ungebrochen zwischen 3 % und 8 % p.a. wachsende Verkehrsnachfrage über alle Verkehrsträger mit den bestehenden Verkehrssystemen Luft, Schiene, Straße und zuletzt auch Binnenschiffahrt weiterhin akzeptabel sicher bedient werden kann. Aufgrund der sehr unterschiedlichen, historisch stark divergent gewachsenen Bedienkonzepte der einzelnen Verkehrssysteme wie Straße (betrieblicher Zugang für jedermann, systemisch innovativ), Schiene (nur langsame Öfnung des Zugangs, träge Innovation speziell im Frachtverkehr) und Luftverkehr (stark sich ändernder betrieblicher Zugang, Just-in-Time Erfordernis, Innovation als Muss für Wirtschaftlichkeit) werden um Größenordnungen abweichende Unfallraten zwischen 10 -7 (Luft) und 10 -4 (Straße) Unfälle pro Bewegung gesellschaftlich ofensichtlich gebilligt. Der erfolgte Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft stellt hierbei die etablierten Risikogrenzwerte erneut zur öfentlichen Diskussion, denn die Medien informieren immer zeitnäher, präziser und eindringlicher über sicherheitsrelevante Vorkommnisse, so dass das Bewusstsein um die immanenten Gefahren der objektiv gesehen immer sicherer werdenden Verkehrssysteme signiikant ansteigt. Die Frage einer akzeptablen Sicherheit ist somit im Spannungsfeld zwischen • stetigem Verkehrswachstum, • objektiv inhomogenen Toleranzschwellen und • zunehmenden ökologischen und ökonomischen Anforderungen an die Transportmittel unter • ungleich kritischerer öfentlicher Beachtung zu betrachten. Zudem stellt sich die Frage nach innerer (Security) und äußerer Sicherheit (Safety) bei der Suche nach verkehrlicher Sicherheit, wie uns allen das Flugzeugunglück der Germanwings 4U9525 am 24. März dieses Jahres sehr deutlich machte. Schließlich werden unsere Verkehrssysteme absehbar teilautomatisiert verbleiben, trotz aller technischen Begeisterung für autonomes Fahren, Fliegen von Drohnen oder ferngesteuerte Flugplätze. Dies impliziert das Erfordernis, die Rolle von Mensch und Technik auch im Zeitalter der massiven Daten-Vernetzung sorgfältig im Auge zu behalten: Existierende Stress-, Aufmerksamkeits- und Entscheidungsmodelle aus den Lebenswissenschaften liefern noch zu unpräzise Bewertungen, um beantworten zu können, ob es einen optimalen Automatisierungsgrad in Bezug auf Sicherheit, Qualität und Komfort für alle Verkehrssysteme überhaupt gibt. Sehr geehrte Leserinnen und Leser, die vorliegende Ausgabe des IV lädt Sie auf eine spannende Reise über die Sicherheit im Verkehr und Handel ein, zeigt die verbleibenden Herausforderungen und macht letztlich deutlich, dass auch aus regulativer, legislativer Sicht der Frage nach dem zumutbaren Restrisiko in unserer Gesellschaft weiter nachgegangen werden muss. Herzlichst Ihr Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil. Leiter der Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs, Dekan der Fakultät VW, TU Dresden. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 4 POLITIK 12 Black Box F&E Peter Fey 16 Mobile Breitbanddienste für Verkehrsunternehmen Steigende Datenkommunikation in kritischen Infrastrukturen sichern Bernhard Klinger 18 Die Digitalisierung der Mobilität Standpunkt Markus Häuser 19 Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren Standpunkt Martin Burkert, MdB 20 Sichere (Handels-)Ströme? Ein Wahrnehmungsdeizit in Deutschland. Standpunkt Heinz Schulte LOGISTIK 28 Thailands neuer Logistikplan Asean-Wirtschaftsgemeinschaft beschleunigt Ausbau Dirk Ruppik 35 Strategie-Check Logistik Strategische Positionierung und Ergebnisverbesserung bei Transport- und Logistikunternehmen Paul Wittenbrink WISSENSCHAFT 32 Smart Steaming Ein Anreizsystem für die Unternehmen der Binnenschiffahrt Sabine Bolt Judith M. Pütter INFRASTRUKTUR 21 Erneuerbar unterwegs Mobil mit Batterie und Brennstofzelle in die Zukunft Klaus Bonhof 24 Kolumbien will Verkehrsinfrastruktur ausbauen Fokus auf Straßenbau - Finanzierung durch Private Armin F. Schwolgin Sie finden Internationales Verkehrswesen mit umfangreichem Archiv und aktuellen Terminen unter: www.internationalesverkehrswesen.de Foto: NOW Foto: Laem Chabang Port Foto: Airbus Defense and Space InnoZ MOBILITÄTSMONITOR 43 Vom Verkehrsmarktzum Mobilitätsmonitor Motive, Instrumente und Aufbau Christian Scherf 48 InnoZ Mobilitätsmonitor Andreas Knie Jürgen Peters 49 Verkehrsträger - Modale Sicht Frank Schwartzbach 54 Multi- und Intermodalität Robert Schönduwe 55 Shared Mobility Manuel Hendzlik 57 CO 2 -freie Mobilität/ Elektromobilität Christian Balint 58 Mobilitätsumfeld Digitalisierung Christian Scherf Helga Jonuschat 62 Monitor - „Spickzettel“ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 5 INHALT November 2015 38 Energiespeicher in der Wüste kühlen Kühlsystem der oberleitungsfreien Avenio-Straßenbahnen für-Katar Education City Christian Walczyk WISSENSCHAFT 40 Akzeptanz von Verkehrsinformationstafeln in Berlin Cornelia Rahn Flemming Giesel TECHNOLOGIE RubRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 1 1 Kurz + Kritisch 15 Bericht aus Brüssel 86 Forum Veranstaltungen 89 Impressum | Gremien 90 Vorschau | Termine AUSGABE 1/ 2016 Vernetzte Verkehrswelt IT-Lösungen für Terminals und Verkehr erscheint am 25. Februar 2015 63 Sicherheit und vernetzte Mobilität birgit Ahlborn 66 Architektur für die vernetzte Verkehrszukunft Der ITS-Systemverbund Converge Jonas Vogt Horst Wieker Manuel Fünfrocken 70 Auf gutem Weg - aber längst nicht am Ziel Verkehrssicherheit auf der Straße Walter Niewöhner Markus Egelhaaf 74 Verkehrsbehinderungen intelligent managen Intelligenter Leitkegel Jan Krause René Schönrock WISSENSCHAFT 76 Simulationsgestützte Risikoanalyse des Luftverkehrs Markus Vogel Christoph Thiel Hartmut Fricke 81 Intelligente Ladesteuerung von Fahrzeugpools Technisch-wirtschaftliche bewertung auf Grundlage des aktuellen Strommarktes in Deutschland Jakob Wohlers ulrich Schuster Sven Gräbener Dietmar Göhlich Illustration: Siemens Foto: HPA INTERNATIONAL TRANSPORTATION 2/ 2015 Looking ahead - Advanced transportation solutions erschienen am 1. Oktober 2015 Download unter: www.internationalesverkehrswesen.de MObILITÄT Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 6 Schiene bleibt hinter allgemeiner Prognose zurück A nhaltendes Wachstum kennzeichnet den Güterverkehr in den Jahren 2015 bis 2017. Das geht aus der Ende August veröfentlichten „Gleitenden Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr - Sommer 2015“ des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) und der TCI Röhling Transport Consulting International hervor. Die Prognose wird halbjährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erstellt. Bezogen auf das Jahr 2014 wird für die Gesamttransportleistung bis zum Jahr 2017 verkehrsträgerübergreifend eine Steigerung um rund 3 % angenommen. Die Zuwächse beim Transportaukommen zeigen mit 1,2 % ein moderateres Wachstum. Darin nicht enthalten ist das Aukommen im Seeverkehr, für das bis zum Jahr 2017 ein Zuwachs um 7,3 % erwartet wird. Infolge der guten Wirtschaftsentwicklung ist im Jahr 2015 bei allen Verkehrsträgern außer im Schienengüterverkehr mit einer positiven Aukommens- und Leistungsentwicklung zu rechnen. Gegenüber der kurzfristigen Entwicklung 2015 zeigen sich die prozentualen Wachstumsraten in den Jahren 2016 und 2017 abgeschwächt. Zuwächse werden mittelfristig vor allem im intermodalen sowie im Luftverkehr erwartet. Im Personenverkehr wird aufgrund der laut BAG günstigen Rahmenbedingungen in den Jahren 2015 bis 2017 für das Verkehrsaukommen ebenso wie für die Verkehrsleistung mit positiven jährlichen Wachstumsraten zwischen 0,6 % und 1,7 % gerechnet. Tendenziell proitieren hiervon alle Verkehrsträger. Die höchsten Zuwachsraten werden dabei sowohl kurzals auch mittelfristig dem Luftverkehr zugeschrieben. Eine negative Entwicklung zeigt sich lediglich bei den Eisenbahnverkehren, die für 2015 vor allem negativ vom Arbeitskampf der Bahngewerkschaft GDL beeinlusst wurden. Der vollständige Prognosebericht steht zum kostenlosen Download auf der Homepage des BAG in der Rubrik Verkehrsaufgaben/ Verkehrsprognose zur Verfügung. (zp) www.bag.bund.de Erholung für deutsche Reeder, Rückgang bei Häfen D ie Schife deutscher Reeder sind mit durchschnittlich 91 % so gut ausgelastet wie seit 2009 nicht mehr. Dies geht allerdings auf einen Kapazitätsabbau zurück und hat sich noch nicht auf die Frachtraten ausgewirkt. Hier hat sich die Situation in den ersten sechs Monaten 2015 eher eingetrübt. Dies ist allerdings noch nicht vollständig in die jährliche Reederbefragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PWC eingelossen, deren Ergebnisse das Unternehmen Ende Juli vorgestellt hat. Die 98 Teilnehmer sehen eine leichte Markterholung nach der zurückliegenden Phase der Konsolidierung. 55 % der Unternehmen erwarten für 2015 steigende Umsätze. Drei von vier Reedern planen Investitionen in neue Schife unter Beteiligung institutioneller Kapitalgeber. Werden die neu bestellten Einheiten immer größer, könnten auch die Kosten wieder steigen - allerdings vor allem für Transportunternehmen durch Verzögerungen in den Häfen. Zudem steigen die Kosten für den Steuerzahler durch den Infrastrukturausbau. Was für die Aussichten der deutschen Reeder gilt, gilt nicht unbedingt für die Häfen. Beispielsweise leidet der Hamburger Hafen am Rückgang des Containerverkehrs mit China und den rückläuigen Russlandverkehren. Das wurde auf der Halbjahrespressekonferenz von Hafen Hamburg Marketing Mitte August deutlich. Entsprechend sank der Containerumschlag im Hamburger Hafen in den ersten sechs Monaten 2015 um 6,8 % auf 4,5 Mio. TEU gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Besserung sei nicht in Sicht. In Bremen/ Bremerhaven ist der Umschlag im selben Zeitraum um 3,5 % zurückgegangen. Gewonnen haben die Westhäfen Rotterdam (plus 3,7 %) und Antwerpen (plus 9,5 %), die bereits Ende Juli ihre Halbjahreszahlen vorgelegt haben. Rotterdam begründet den Zuwachs mit der graduellen Wirtschaftserholung in Europa und einem deutlichen Plus bei den Feederverkehren. Antwerpen führt das Ladungsplus vor allem auf die Gründung der 2M-Allianz zwischen Maersk Line und MSC Anfang 2015 zurück, wodurch der Asien- Europa-Verkehr gewachsen ist. Der für November vermutete Teil-Börsengang von Hapag-Lloyd - die Reederei hat sich im vergangenen Jahr mit CSAV zusammengeschlossen und für das erste Halbjahr 2015 schwarze Zahlen präsentiert - wird keine Auswirkungen auf die Umschlagentwicklung in den Häfen haben. (zp) Die deutsche Reederei Hapag Lloyd erwägt, noch in diesem Jahr an die Börse zu gehen. Foto: Hapag Lloyd IM FOKUS Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 7 IM FOKUS Kep-Branche erwartet bis 2019 deutliches Wachstum K urier-, Express- und Paketdienste (Kep) haben 2014 mit 2,8 Mrd. Sendungen (plus 4,5 % gegenüber 2013) einen Gesamtumsatz von mehr als 16,6 Mrd. EUR erzielt (plus 3,6 %) und beschäftigen mehr als 200 000 Menschen in Deutschland. Das geht aus der aktuellen Kep-Studie 2015 des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK) hervor. Der Anteil internationaler Sendungen steigt. Bis 2019 erwartet der Verband ein weiteres Wachstum der Sendungen um 6,4 % pro Jahr auf knapp 3,8- Mrd. Sendungen 2019. In den Jahren 2000 bis 2014 wuchs das Sendungsvolumen durchschnittlich um rund 3,6 %. Die deutlich höhere Erwartung hat zwei wesentliche Gründe: Zum einen geht der BIEK davon aus, dass der Online-Handel wie allgemein prognostiziert zunimmt. Zum anderen wird mit einem weiteren Wachstum der Wirtschaft in Deutschland und einer anziehenden Konjunktur in den europäischen Ländern gerechnet. An zwei neuen Produkten mit deutscher Beteiligung ist auch die zur britischen Royal Mail gehörende General Logistics Systems B.V. (GLS), Amsterdam, beteiligt. DB Schenker Logistics steigt mit GLS als Partner ins Paketgeschäft ein. Das wurde Mitte September bekannt. DB Schenker Logistics kann durch Zustellung über das GLS-Netz ein europaweites Paketprodukt anbieten. Im Gegenzug ist geplant, dass Schenker für GLS palettiertes Stückgut transportiert. Die Paketdienste DPD, GLS und Hermes haben unter dem Namen Parcellock ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das einen anbieterneutralen Zugang zu Paketkästen und -taschen bieten soll. Erste Taschen und Kästen für das Schließsystem will Burg-Wächter im Sommer 2016 auf den Markt bringen. Die drei Paketdienste sind gleichberechtigte Gesellschafter der GmbH. DPD, GLS und Hermes hatten die Entwicklung eines anbieterneutralen Paketkastensystems bereits im Juni 2014 angekündigt. Aus Sicht der Paketdienste sind Paketbehälter für die Empfänger nur dann sinnvoll zu- nutzen, wenn sie nicht an einen einzelnen Anbieter geknüpft sind - denn jeder Empfänger erhält Pakete von unterschiedlichen Dienstleistern. Deshalb soll allen weiteren Paketdiensten ebenfalls Zugrif zum Parcellock-System gewährt werden. Testläufe mit anbieterneutralen Kästen laufen bereits. (ben/ zp) www.biek.de Moderater Anstieg im Luftverkehr von/ nach Deutschland I n den vergangenen Jahren hat sich der Luftverkehr in Deutschland positiv, aber schwach entwickelt, bedingt durch eine Reihe externer und interner Einlüsse. Das teilte der deutsche Flughafenverband ADV kürzlich mit. Der globale Wettbewerbsdruck etwa durch Fluggesellschaften und Flughäfen der Golfstaaten und der Türkei steigt weiter. Netzwerk-Carrier und Low Cost Carrier gleichen ihr Angebot stärker aneinander an, die Konkurrenz wird noch größer. Die Flugzeuge sind größer geworden, um die Sitzplatzkilometerkosten zu senken. Damit einher geht ein Rückgang der Flugfrequenzen. Die wirtschaftliche und soziale Globalisierung zieht eine Verschiebung der Quell- und Zielverkehre nach sich. Nationale Beschränkungen wie Luftverkehrssteuer und Nachtlugverbote erschweren die Situation in Deutschland zusätzlich. 2014 wuchs der Passagierverkehr auf innerdeutschen Flugstrecken um 0,8 %, im Europaverkehr konnte ein Wachstum um 3,1 % verzeichnet werden, auf Interkontinentalstrecken von/ nach Deutschland um 5,6 %. 208 Mio. Passagiere starteten oder landeten auf deutschen Flughäfen. Die Luftfracht belief sich 2014 auf gut 4,445 Mio. t Cargo (plus 2,8 %) Für das laufende Jahr erwartet der ADV bei den Passagieren an/ ab Deutschland ein Plus von 2,8 % und bei der Fracht von 2,7 %. Die Zahl der Flugbewegungen soll nach drei Jahren Rückgang und Stagnation ebenfalls wieder wachsen. Begründet werden die Erwartungen mit der insgesamt positiven Entwicklung der Weltwirtschaft. Im „Marktbarometer Luftverkehr 2016/ 17“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird ein Wachstum der Flugbewegungen in 2016 und 2017 mit jeweils 1,1 % angegeben. Die Zahl der Ein- und Aussteiger in Deutschland soll 2016 um 2,8 % und 2017 um 2,7 % zunehmen. Die Diskrepanz wird auf größeres Fluggerät mit höheren Passagierzahlen zurückgeführt. Dies soll auf dem Interkont-Markt nicht so sein, so dass für diesen Teil von einem Flugbewegungsplus um 4,0 beziehungsweise 4,3 % ausgegangen wird, während die Zahl der Passagiere der Interkontinentallüge mit Quelle oder Ziel in Deutschland um 3,0 oder 3,1 % (2017) steigt. Verkehre, die in Deutschland an einen Hub gebunden sind wie etwa Frankfurt am Main, sollen bei den Bewegungen jeweils um 0,3 % wachsen, die Zahl der Passagiere um jeweils 2,5 %. Handelt es sich um Start-/ Ziel-Verkehre deutscher Flughäfen ohne Hub-Funktion, so wird für die Flugbewegungen eine Zunahme um jeweils 1,0 % prognostiziert sowie für die Zahl der Passagiere von 2,6 (2016) und 2,7 % (2017). (zp) Im Interkontinentalverkehr von und nach Deutschland soll die Passagierzahl 2016 und 2017 jeweils um rund 3 % zulegen. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 8 IM FOKUS Belgisches Schienennetz erhält ETCS Level 2 U m künftig ein einheitliches europäisches Zugsicherungssystem zu haben, wird in vielen Staaten auf das „European Train Control System (ETCS)“ Level 2 umgerüstet. Zum Beispiel sollen mehr als 2200- km der belgischen Schieneninfrastruktur bis 2025 von Siemens im Konsortium mit dem Infrastrukturunternehmen Cofely-Fabricom (GDF Suez) ausgestattet werden. Auftraggeber ist der belgische Eisenbahninfrastrukturbetreiber Infrabel. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf rund 510 Mio. EUR. Dazu gehört auch die Installation der elektronischen Stellwerkstechnik. ETCS Level 2 zeichnet sich durch das bahnspeziische Mobilfunksystem GSM-R aus, welches eine dauerhafte Zwei-Wege- Funkverbindung zwischen Fahrzeug und Strecke bietet und so die kontinuierliche Überwachung der Geschwindigkeit ermöglicht. Zudem können geänderte Fahrbefehle unverzüglich an das Fahrzeug übertragen werden. Bisher existieren mehr als 20 nationale Zugsicherungssysteme auf dem europäischen Kontinent. Der Bereich Mobility Systems von Siemens stattet derzeit Strecken in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien, der Türkei und in Ungarn mit dem Level 2 aus. (zp) Mit ETCS-Ausrüstung werden dem Fahrzeugführer alle relevanten Informationen im Führerraum angezeigt. Foto: Siemens Mauteinnahmen verändern sich I mmer mehr LKW mit geringem Schadstofausstoß sind auf mautplichtigen deutschen Straßen unterwegs. 91 % der Mautkilometer sind im ersten Halbjahr 2015 mit Fahrzeugen der Klassen Euro V, EEV und Euro VI zurückgelegt worden. Im ersten Halbjahr 2014 waren es nur 87 %. Deutsche LKW waren zu 92,5 % beteiligt, ausländische zu 89 %. Mehr als ein Viertel der Fahrleistungen wurde mit Fahrzeugen erbracht, deren Schadstofausstoß der Euro-VI-Norm entspricht. Das geht aus Informationen hervor, die einer Schwesterpublikation von „Internationales Verkehrswesen“, der „DVZ - Deutsche Verkehrs-Zeitung“, vorliegen. Da die Maut sich an den Schadstoklassen der LKW orientiert, sind die Mauteinnahmen im ersten Halbjahr 2015 um 2,6 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres auf etwas mehr als 2,1 Mrd. EUR gesunken. Die Einnahmenhöhe soll gut 48 % des Haushaltsansatzes für 2015 von 4,34 Mrd. EUR entsprechen. Im zweiten Halbjahr 2015 könnte die Situation anders aussehen durch Mauterweiterungen auf weitere 1000 km Bundesstraßen zum 1. Juli 2015 sowie die Mautplicht für LKW ab 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht zum 1. Oktober 2015. Besonders Stückguttransporte könnten sich verteuern. Das Steinbeis-Beratungszentrum Forwarding and Logistics Center (Forlogic), Heilbronn, hat ermittelt, dass sich die Mautkosten für Spediteure um 25 bis 62 % erhöhen, die Gesamtkosten sollen um bis zu 2,6 % steigen. An der vom Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) in Auftrag gegebenen Studie haben sich die Kooperationen Cargoline, IDS, System Alliance, VTL und 24plus sowie Emons und Schenker beteiligt. Forlogic hat ein elektronisches Tool entwickelt zur individuellen Berechnung der Kosten für jedes Unternehmen anhand von Tourenverläufen, Sendungs- und Flottenstrukturen. Das Instrument steht allen DSLV-Mitgliedern kostenfrei zur Verfügung. (zp) Forschung: luftgekühlte Elektromobilität E in luftgekühlter elektriizierter Antriebsstrang war das Hauptausstellungsstück der Forscher des Fraunhofer- Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF auf der 66. Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt am Main im September. Sie haben die Einheit gemeinsam mit ihren Kollegen der Fraunhofer-Institute für integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) und für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (IFAM) entwickelt. Dazu gehören ein luftgekühlter Radnabenmotor, ein luftgekühlter Antriebsumrichter, ein Multi-Level-DCDC-Wandler, ein adaptiver Fahrwerksdämpfer und eine Felge zur Kühlluftunterstützung. Im Windkanal zeigte sich, dass Propeller-Speichen besonders günstig für die radseitige Konvektion und das Abkühlverhalten des Radnabenmotors sind. Um den Einluss der erhöhten reifengefederten Massen zu reduzieren und den höchsten Fahrkomfort zu erreichen, wurde ein magnetorheologischer Dämpfer mit einer neuartigen energieeizienten Magnetfeldführung gebaut. (zp) Elektrifizierte Achse mit Radnabenmotor Quelle: Fraunhofer LBF Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 9 IM FOKUS Wasserstof aus Diesel erleichtert Tankstellensuche E s löst nicht das Treibstof-, wohl aber das Tankstellenproblem: Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie im EU-Projekt „NEMESIS2+“ ein neues Verfahren entwickelt, um Wasserstof aus Diesel und Biodiesel beispielsweise vor Ort an Tankstellen herzustellen. Es kann in Zukunft überall dort zum Einsatz kommen, wo Wasserstof dezentral benötigt wird, etwa für die Betankung von Brennstofzellenfahrzeugen oder für Prozesse in der Glas- und Stahlindustrie. Im Zuge des im Sommer abgeschlossenen Projekts wurde zudem ein entsprechender Anlagenprototyp gebaut und erfolgreich getestet. Er besitzt die Größe eines ISO-Containers und kann daher nach Angaben des DLR ohne größeren Aufwand in bereits bestehende Infrastruktur eingebunden werden. Das DLR ist zuversichtlich, dass mit dieser Entwicklung der Durchbruch der mit Brennstofzellen angetriebenen Fahrzeuge unterstützt wird. Es geht dann nicht mehr darum, ob erst eine entsprechende Anzahl Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein muss, bis dann in die Wasserstoftankstelleninfrastruktur investiert wird. Diese wäre bei Einsatz dieser Brückentechnologie bereits lächig vorhanden und damit würde ein Grund, kein Wasserstoffahrzeug zu kaufen, wegfallen. Die Herstellung von Wasserstof aus Diesel und Biodiesel mittels Dampfreformierung ist allerdings wesentlich anspruchsvoller als aus Erdgas. Grund dafür ist die Deaktivierung des im Prozess verwendeten Katalysators durch die Ablagerung von Kohlenstof und Schwefel auf der Oberläche des Katalysators. Dadurch verschlechtert sich laut DLR die Ausbeute an Wasserstof. Daher wird der Wasserstof zuvor gereinigt. Der Wirkungsgrad des Verfahrens - vom Einsatzstof bis zum Wasserstof - beträgt rund 70 %. Eine ebenfalls innerhalb des EU-Projekts durchgeführte techno-ökonomische Analyse ermittelte nach Angaben des DLR Gestehungskosten von 5,80 EUR/ kg Wasserstof, was den Anlagenprototyp bereits in die Nähe der Wirtschaftlichkeit rücke. (zp) Der von den DLR-Forschern entwickelte Anlagenprototyp ist so groß wie ein ISO-Container und und lässt sich ohne größeren Aufwand in bereits bestehende Infrastruktur einbinden. Foto: DLR Foto : © VDEI / Christine Euler Expertise auf Spur DAS NETZWERK FÜR DEINE K ARRIERE > Berufliche Weiterbildung > Exkursionen > Fachaustausch www.vdei.de Telematik-Kooperation von SBB Cargo und Bosch G emeinsam mit der Schweizer Güterbahn SBB Cargo will Bosch Engineering ein Asset-Intelligence-System für den Schienengüterverkehr entwickeln. Dabei senden die Güterwagen der SBB Cargo Informationen über den Zustand der Fracht und ihre Position an eine Leitstelle. So hat das Bahnunternehmen jederzeit einen Überblick über Fuhrpark und Ladung sowie die Möglichkeit, seine Kunden zeitnäher und detaillierter zu informieren als bisher. Das- System soll nach Angaben der beiden Partner die Zukunftsfähigkeit des Schienengüterverkehrs und seine Digitalisierung vorantreiben. Bosch nutzt unternehmenseigene Automobiltechnik, um Züge mit der SBB-Leitstelle zu vernetzen. Die Daten werden per Mobilfunk übertragen. Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Erschütterungen liefern Angaben zum Ladungszustand, ein Türkontaktsensor meldet unbefugtes Öfnen des Wagens. Darüber hinaus informiert ein vorausschauendes Zustandsüberwachungssystem über den aktuellen Zustand von Komponenten wie Bremsen, um anstehende Reparaturen bedarfsgerecht und frühzeitig zu planen. Das reduziert Ausfallzeiten, schont Ressourcen und spart so Kosten. Bereits seit Februar 2015 ist eine erste SBB-Cargo-Testlotte mit einigen Funktionen eines vernetzten Zustandsüberwachungssystems von Bosch auf dem schweizerischen Bahnnetz unterwegs. Bosch Engineering bündelt als Entwicklungsdienstleister alle bahnspeziischen Anwendungen innerhalb des Unternehmensbereichs Mobility Solutions. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 10 IM FOKUS Weltweit immer mehr Busse mit alternativem Antrieb D iverse Praxistests fanden in den vergangenen Jahren bereits mit Brennstofzellenbussen statt. Ende Juli war der Toyota- Brennstofzellenbus eine Woche lang auf Tokios Straßen unterwegs. Toyota hat den Bus gemeinsam mit der Konzerntochter Hino entwickelt. Wasserstof wird in der Brennstofzelle in elektrische Energie umgewandelt. Der 10,5 m lange Bus mit 26 Sitz- und 50 Stehplätzen verfügt über acht 480-Liter-Wasserstoftanks und zwei Brennstofzellenstacks, die zwei 110 kW starke E-Motoren antreiben. Interessant: Getestet wurde auch, ob die beiden Triebwerke wie vorgesehen für mehrere Tage auch als externes Notstromaggregat eingesetzt werden können, etwa bei einem Stromausfall in einem Krankenhaus. Dieser Versuch ist ebenfalls positiv verlaufen. Weltweit waren im vergangenen Jahr 6,8 % der ausgelieferten Busse mit alternativen Antriebstechnologien ausgerüstet. In Westeuropa sind 2014 mit 29 800 Bussen 2 % weniger Fahrzeuge zugelassen worden als noch im Jahr zuvor, in Deutschland gingen die Neuzulassungen in 2014 um 3 % auf 5700 Busse zurück. Das geht aus einer Erhebung der SCI Verkehr GmbH hervor. Im Nah- und Fernverkehr waren in Deutschland 77 500 Busse im Einsatz, in Europa rund 680 000 Einheiten. Bis 2020 sollen die Neuzulassungen um 2,6 % pro Jahr auf 500 000 Fahrzeuge zunehmen. Bei den alternativen Antrieben liegen Hybridfahrzeuge vor Erdgas- und Elektrobussen. Dabei wurden mehr als 90 % der zwischen 2013 und 2014 bestellten elektrischen Busse an China ausgeliefert, allein 2000 Stück an die chinesische Stadt Hangzhou. Erdgasbusse wurden vor allem in den USA bestellt. In Westeuropa geht der Trend derzeit zu Hybridlösungen. In Deutschland sind weiterhin vor allem Dieselantriebe gefragt, ebenso in Osteuropa. Dort wuchs die Nachfrage nach Bussen zuletzt stark, zwischen 2012 und 2014 um 23 %. Auch der nordamerikanische Markt legte in diesem Zeitraum kräftig zu (plus 21 %). Dagegen ging der Absatz in den Bric-Staaten, die für 60 % der weltweiten Busbestellungen verantwortlich waren, in 2014 stark zurück. Weitere Informationen liefert die neue Marktstudie „Buses - Global Market Trends“ der SCI Verkehr GmbH. (zp) Der Wasserstof-Linienbus von Toyota und der Konzerntochter Hino Foto: Toyota Kontakt: Tim Feindt | Tel.: 040 / 23 714 - 220 Email: tim.feindt@dvvmedia.com Den Richtigen finden... ... mit Ihrer Stellenanzeige in: E-LKW bald wirtschaftlich D erzeit ist der Dieselpreis niedrig, doch sobald er wieder anzieht, könnten E-LKW im städtischen Verteilerverkehr interessant werden. Im überarbeiteten Aktionsplan Güterverkehr und Logistik, dessen Veröfentlichung nach einer Abstimmungsphase mit den Verbänden noch in diesem Jahr geplant ist, ist festgeschrieben, dass im Straßengüterverkehr die Elektriizierung leichter Nutzfahrzeuge vorangetrieben werden soll. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) verweist unter anderem auf die verschiedenen Modellregionen und Schaufenster, in denen E-Wirtschaftsverkehr mit fast 250 Nutzfahrzeugen bereits erfolgreich erprobt wurde. Laut BMVI sind Elektrofahrzeuge im- urbanen Wirtschaftsverkehr heute bereits weitgehend alltagstauglich. Eine wirtschaftliche Möglichkeit wäre die Ausrüstung der leichten LKW mit Lithiumbatterien, die - sobald sie sich nur noch zu etwa 80 % auladen lassen - an Unternehmen verkauft werden, die diese Akkus in ihrem Stromnetz einsetzen. Dieses Second-Life- Konzept ermöglicht einen Wiederverkaufswert der Batterien, der zwischen 50 und 80 % des Anschafungspreises liegt. Davon ist Prof. Boris Zimmermann von der Hochschule Fulda, Schwerpunkt Spedition, Logistik und Prozesslogistik, überzeugt. Hinzu komme die Haltbarkeit der Elektromotoren ohne Getriebe, die aufgrund der geringeren Abnutzung 1,5bis 2-mal höher liege als bei herkömmlichen Dieselmotoren. Bereits bei einer Lauleistung in der Stadt von 50 000 km jährlich seien die E-LKW günstiger als ihre Diesel-Äquivalente, bei einer Mischung aus Autobahn-, Stadt- und Überlandstrecken bei heutigem Dieselpreis ab einer Jahresfahrleistung von mehr als 75 000 km. Eine gute Möglichkeit ist laut Zimmermann auch, Batterien zu leasen. Dieses Modell biete Renault bereits für kleine Elektrofahrzeuge an. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH ÖPNV-Finanzierung zunächst-gesichert S eit fast zwei Jahren drängt Kommunen und Unternehmen des öfentlichen Nahverkehrs die große und berechtigte Sorge hinsichtlich der Gefährdung der wichtigsten Finanzierungsgrundlagen des ÖPNV. Sowohl die Zukunft der GVFG-Investitionsmittel ab 2020 wie auch die der Regionalisierungsmittel wurde von starken politischen Kräften in die Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern geschoben. Vor allem bei den Regionalisierungsmitteln, die im Übrigen einen wesentlichen Bestandteil der Bahnreform von 1994 darstellten und allgemein als außerordentlicher Erfolg anerkannt sind, ist völlig unverständlich, warum sie überhaupt in die Diskussion des Bund-Länder-Finanzausgleichs gelangt sind. Das Problematische bei Einbeziehung in den neuen Finanzausgleich besteht im faktischen Wegfall der Zweckbindung dieser Mittel und der Gefahr neuer Zuwendungskämpfe in 16 Bundesländern, bei denen der Verkehrsbereich erfahrungsgemäß relativ schwach positioniert ist. Damit würde jede Planungssicherheit für Investitionen und Ausschreibungen im ÖPNV akut gefährdet. Dies vor dem Hintergrund seit Jahren steigender Fahrgastzahlen und vor allem in den Agglomerationsräumen zunehmenden Kapazitätsengpässen mit bereits besorgniserregenden Qualitätsverschlechterungen in den Spitzenlastzeiten. Der ÖPNV sichert die Lebenskraft vieler Agglomerationsräume, erfordert jedoch eine gesicherte Finanzmittelbasis. Auch wenn nun durch die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern Ende September endlich eine neue Vereinbarung hinsichtlich Regionalisierungs- und (früheren) GVFG-Mitteln erreicht wurde, sollte doch nicht übersehen werden, welches politisches Kabarett zulasten des ÖPNV monatelang aufgeführt wurde. Die Fortführung der GVFG-Mittel wurde infrage gestellt, ebenso die der Regionisierungsmittel. Oder es wurde die Verschiebung in den neuen Finanzausgleich vorgeschlagen oder ihre deutliche Absenkung im Niveau und bei der bisherigen Dynamisierungsrate. Und als im Bundesrat eine sinnvolle Neuregelung abgelehnt wurde und das Problem der ÖPNV-Finanzierung in den Vermittlungsausschuss überwiesen wurde, begann eine neue Qualität parteipolitischer Verhinderungsstrategie zulasten einer Problemlösung: der monatelangen Verhinderung inhaltlicher Diskussionen im Ausschuss. Auch der frühere sog. Kieler Vorschlag der Länder einer Erhöhung des Niveaus der Regionlisierungsmittel von 7,3 auf 8,5-Mrd.-EUR p.a. und einer Anhebung der Dynamisierungsrate von 1,5 auf 2,0 % p.a. vom Oktober 2014 war der letztlich wenig taugliche Versuch, den länderinternen Verteilungsstreit bei diesen Mitteln durch eine Einigung zulasten Dritter, hier des Bundes, zu lösen. Er trug wie die Fundamentalposition des Bundes, ab 2015 entweder die Zahlung der Regionalierungsmittel einzustellen oder - wenn überhaupt - das bisherige Niveau und keine Dynamisierung anzubieten, zur monatelangen Unsicherheit bei. Der jetzt ofensichtlich gefundene Kompromiss sieht eine Fortführung der (früheren) GVFG-Mittel ab 2020 sowie eine Steigerung der Regionalisierungsmittel ab 2016 beim Niveau auf 8,0- Mrd.- EUR und der Dynamisierung auf 1,8 % p.a. vor. Ob dann aber auch alle Finanzmittel bei den Kommunen und den Verkehrsunternehmen sowie den Aufgabenträgern ankommen, bleibt abzuwarten. Immerhin sichert der Erhalt der Zweckbindung der Regionalierungsmittel des Bundes, die aus dem Mineralölsteueraukommen reinanziert werden, auch die Stabilität der Positivwirkungen der Bahnreform. Es war höchste Zeit, eine Einigung zugunsten des ÖPNV zu erreichen und hofentlich auch rechtsfest zu gestalten. Denn 2016 und in den Folgejahren werden sich die Finanzanforderungen aus dem Flüchtlingszustrom wesentlich erhöhen und damit neue Finanzierungsregelungen für andere Ausgabenbereich erschweren. Aber das ist derzeit noch ein politisches Tabu-Thema. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Problematisch bei der Einbeziehung der-ÖPNV-Finanzierungsmittel in den Neuen-Finanzmittelausgleich zwischen Bund und Ländern ist der faktische Wegfall der-Zweckbindung POLITIK Automotive-Megatrends Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 12 Black Box F&E Neue Herausforderungen an eine unternehmerische Schlüsselfunktion Managementstrategien, Automotive-Branche, Schlüsselfunktionen, Zukunftssicherung Das weltweite Geschäft der Automotive-Branche hat sich in den letzten Jahren trotz des schwachen chinesischen Marktes deutlich positiv entwickelt. Doch auf Grund voller Auftragsbücher und der jüngsten technologischen Herausforderungen stoßen die Forschungs- und Entwicklungs-Abteilungen (F&E) der-OEMs und Zulieferer an ihre Grenzen. Das wiederum ist bedenklich, denn efektives und eizientes F&E-Management bedeutet mehr als die termingerechte Bereitstellung neuer Produkte mit der gewünschten Funktionalität. Der Autor: Peter Fey F orschung und Entwicklung (F&E) ist die Grundlage für die nachhaltige Zukunftssicherung der Unternehmen insbesondere in der innovationsstarken deutschen Automotive- Industrie. Dem F&E-Management kommt somit eine Schlüsselfunktion im unternehmerischen Geschehen zu. Kürzere Innovationszyklen bei steigender Modellanzahl mit neuen, oft branchenfremden technischen Features, F&E-ferne Aufgaben im Tagesgeschäft und akuter Fachkräftemangel trefen auf steigende Komplexität durch Elektronik und Software sowie eine Vielzahl zu integrierender Systeme. Hinzu kommt: Aktuelle Megatrends verändern Aufstellung und Wertschöpfungsstruktur der Automotive-Industrie und die ITK-Industrie wird zum potentiellen Wettbewerber mit ihren speziischen Elektronik-, Software- und Big Data-Kompetenzen. Auf der jüngst zu Ende gegangenen IAA wurde diesen Trends unter dem Stichwort „New Mobility World“ eine eigene Plattform bereitgestellt. Themen wie die Digitalisierung, das autonome Fahren und vernetzte Autos waren in aller Munde. Seitdem Apple und Google feste Commitments zum Auto bzw. zur Mobilität abgegeben haben, werden die Schwergewichte der ITK-Industrie zu potenziellen Wettbewerbern der Automotive-Hersteller gestempelt. Wahr ist, dass in den nächsten Jahren eine ganze Reihe von technischen Innovationen u. a. aus dem Umfeld der ITK- Industrie zu nachhaltigen Veränderungen rund um das Thema Autofahren führen werden. Sicherlich werden diese Entwicklungen den Einluss Branchenfremder auf die OEMs und auf die Automotive-Supplier deutlich steigern. Inwieweit es sich hier um disruptive Entwicklung handelt, kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Allerdings kann mit Sicherheit behauptet werden, dass es verschiedene Megatrends gibt, die in Zukunft zum Teil völlig neue Anforderungen an die OEMs/ Supplier und ihre F&E-Abteilungen stellen werden und bei denen die Unternehmen aus der ITK- Industrie über Kernkompetenzen verfügen, die denen der Automotive-Branche deutlich überlegen sind. Wenn es also in Zukunft darum geht, die Schlüsselfunktion F&E in der Automotiv- Branche so auszurichten, dass sie den alten und neuen Megatrends gleichermaßen gerecht wird, müssen die Unternehmen nicht mehr nur Lösungen für die Frage nach der optimalen Eizienz inden. Vielmehr wird es immer wichtiger, Lösungen für die Frage nach der angemessenen Efektivität in einer durch zunehmende technische Komplexität geprägten Produkt- und Nutzerumwelt zu inden. Worauf sollen sich in Zukunft die eigenen Aktivitäten konzentrieren, wo wird Know-how fremdbezogen, wer beherrscht die so wichtige Schnittstelle zum Kunden und wo werden die Grenzen zwischen den Anbietern aus der Automotive- und ITK- Welt gezogen? Dr. Wieselhuber & Partner hat acht zentrale Megatrends identiiziert, mit denen die Automotive-Branche konfrontiert ist und die einen entscheidenden Einluss auf den zukünftigen Markterfolg der Branchen- Player und die Anforderungen an Efektivität und Eizienz der Schlüsselfunktion F&E haben werden. Dabei wird zwischen Trends unterschieden, die schon seit Jahren Be- Bild 1: Herausforderungen und Risiken Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 13 Automotive-Megatrends POLITIK stand haben und auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen werden und solchen Trends, die in jüngster Zeit verstärkt ins Bewusstsein der Branche gerückt sind. Electronification & Software Saturation Elektronik und Software sind bereits heute, aber in Zukunft noch viel stärker die mit Abstand größten Innovationstreiber im Auto. Das Schlagwort der Digitalisierung macht auch vor dem Auto nicht halt. Die zunehmende Komplexität der verschiedensten miteinander zu vernetzenden Systeme und die anderen Arbeitsweisen in einem mechatronischen bzw. Software-getriebenen Umfeld verlangen nach radikalen Anpassungen in der F&E der Automotive-Unternehmen. Hiervon sind nicht nur neue Systemansätzen und standardisierte, leistungsfähige Tools betrofen. Vielmehr werden sich die Arbeitsweisen auch in den klassischen Entwicklungsabteilungen, z. B. hin zu agilen Methoden verändern müssen. Connected Cars Das Auto wird Teil des „Internet of Things“. Die Konvergenz der Datenwelten von Produkt, User und Infrastruktur stellt völlig neue Anforderungen an die F&E-Abteilungen der Branche. Hier herrscht bei vielen Playern ein deutlicher Nachholbedarf, dem durch die massenweise Rekrutierung von Elektronik- und Software-Spezialisten begegnet wird. An anderer Stelle wird mit Kooperationen mit bislang Branchenfremden reagiert werden, die in anderen Kategorien (z. B. Update- und Upgrade-Funktionen) und kürzeren Innovationszyklen zu denken gewohnt sind. Eher seltener kommt es zu Akquisitionen - jüngstes Beispiel hierzu der Bild 2: Zurückgerufene Fahrzeuge 2014, Anstieg der Variantenvielfalt Quelle: www.auto-institut.de, TAB, Zukunft der Automobilindustrie Bild 3: Trends im Automobilumfeld 1. - 3. März 2016 Messe Karlsruhe Partner + + + E-Ticketing + + + Integriertes Fahrgeldmanagement + + + Echtzeit-Fahrgastinformation + + + Software + + + Verkehrsmanagement +++ Sicherheitssysteme +++ Infotainmentsysteme +++ Kombinierter Verkehr +++ und weitere +++ POLITIK Automotive-Megatrends Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 14 Einstieg von Audi, BMW und Mercedes bei Here. Verändertes Nutzerverhalten Die „Generation Y“ verbindet andere Anforderungen mit dem Wunsch nach Mobilität. Ähnlich wie bei der zunehmenden Vernetzung handelt es sich in diesem Fall um softwaregetriebene Entwicklungen, die jedoch weniger auf den Kernnutzen des Autos an sich gerichtet sind. Content-basierten Services zielen auf die Erfüllung völlig neuer Nutzenerwartungen ab: Welche Produkte/ Leistungen/ Services spielen rund um das Auto, aber für das Auto und die Mobilität zukünftig eine Rolle? Welche Erkenntnisse lassen sich aus den vielen Terabyte Datenmaterial generieren und in tragfähiges Geschäftsmodelle umsetzen? Auf diese Anforderungen sind die klassischen F&E-Abteilungen der Automotive-Branche in der Regel nicht ausreichend präpariert, der richtige Umgang mit dem Phänomen Big Data ist ihnen noch zu fremd. Normative und Sicherheitstrends Die Fragestellungen betrefen vor allem Advanced Driver Assistance Systems (ADAS), autonomes Fahren und Connected Cars: Die Überlegungen der Entwickler müssen neuerdings weit über die Funktionalität des Produktes hinausgehen, um mit der Bandbreite der Konsequenzen ihrer Arbeit richtig umgehen zu können. Hierzu zwei Beispiele: 1. Die gestiegenen Angrife auf private und kommerzielle Systeme zeigen auf, welche Gefahren beim Autofahren drohen können. Konzepte zum Software- (SW-)Monitoring, zur SW-Veriikation, zur Real-Time-Schadensminderung und zum automatischen Roll-Back zu einem vertrauenswürdigen Status sind bei fahrenden Systemen von eminenter Wichtigkeit. 2. Welcher Ethik folgen die Algorithmen beim autonomen Fahren, wenn zwischen zwei Übeln gewählt werden muss (Frontalzusammenstoß mit einem anderen PKW oder einem Fußgänger? ). Für die Entwicklungsabteilungen bedeutet dies, dass Entwicklungsmethoden, QS-Konzepte und -Tools gestiegenen, ganzheitlichen Anforderungen ausgesetzt sind und professionell beherrscht werden müssen. Verlagerung der Wertschöpfungstiefe Durch die weiter zunehmende Verlagerung der Entwicklungsleistungen auf die Supplier lassen sich erfahrene Entwickler nicht rasch genug aubauen und Methoden und Prozesse der Zulieferer sind vielfach noch nicht den gehobenen Ansprüchen der Kunden/ OEMs angepasst. Dieser Trend ist nicht neu, doch im Zuge der Verlagerung z.B. ganzer Baugruppen werden von den Supplieren einerseits immer mehr Systemkompetenz und andererseits die weitere Abrundung ihres Knowhow-Spektrums verlangt. Die Veränderung der inhaltlichen Ausrichtung der F&E-Kompetenzen wird dabei umso größer, je weiter sich das betrefende Unternehmen am Ende der industriellen Wertschöpfungskette beindet. Globalisierung & Regionalisierung Für Entwicklungsabteilungen wird es in Zukunft immer wichtiger werden, in internationalen Netzwerken und in mehr oder weniger dezentralen Strukturen zu arbeiten: Hierfür sind entsprechende Rahmenbedingungen und Prozesse aufzusetzen, denn die Formen der Zusammenarbeit werden sich ändern müssen (Collaborative/ Concurrent Engineering), Competence Application Center, aber auch Lead Concepts werden sich herausprägen, die Sicherstellung der Compliance und der Schutz von IPRs gewinnt in diesen Konstellationen eine neue Bedeutung. Die Komplexität mit der das F&E-Management konfrontiert ist, betrift also nicht nur die Vernetzung von unterschiedlichen Systemen im Produkt, sondern ebenso die zielorientierte Vernetzung der eigenen F&E-Zentren über regionale Grenzen hinweg. Ökologie & Nachhaltigkeit Ökologie und Nachhaltigkeit verlangen durch die weitere Reduzierung der Grenzwerte von den Entwicklungsabteilungen immer wieder aufs neue kreative Lösungen für bekannte Problemstellungen: Die Arbeit der Entwickler rückt immer stärker in die Grenzbereiche des technisch Machbaren vor. Hierbei auf das Pareto-Optimum abzuzielen wird nicht einfacher, zumal sich die Unternehmen nicht über gesetzliche Vorgaben hinweg setzen können. Gefordert werden die F&E-Abteilungen daher in vielfacher Hinsicht: Der Trend zum Downsizing bedeutet eine Abkehr vom Mindset des klassischen Powertrain-Entwicklers. Leichtbau bedeutet eine Ausweitung der Materialkompetenz, z.B. für (Bio-)Composites, Kohlefaserwerkstofe. Darüber hinaus verlangen viele der neuen Materialien neue Fertigungsverfahren, worauf bereits in der Entwicklung sowie später in der Industrialisierung und im Werkzeugbau zu achten ist. Variantenvielfalt und kürzere Lebenszyklen Der Umgang mit der gestiegenen Variantenvielfalt ist nicht nur ein kapazitatives Problem, sondern auch eines der eizienten Nutzung der F&E-Ressourcen, professioneller F&E Prozesse sowie leistungsfähiger Qualitätssicherungskonzepte. Auch bei diesem „Klassiker“ unter den Trends besteht häuig genug noch Anpassungsbedarf: Weiter steigende Forderung nach einer kontrollierten Wiederverwendung hinsichtlich mechanischer, elektrischer und elektronischer Baugruppen sowie von Software. Die Anforderungen an ein vorausschauendes Product Line Engineering sowie das System-Engineering bzw. die Produktarchitektur steigen. Konzepte zur Qualitätssicherung bereits im Entwicklungsprozess erlangen einen höheren Stellenwert. Simulations-Tools bzw. Virtual Testing sind als Ansätze zur Steigerung der Entwicklungskompetenz und -eizienz lächendeckend wichtig. Ein leistungsfähiges F&E-Management ist heute wichtiger denn je. Der zunehmende Wettbewerb in Verbindung mit dem sich immer weiter beschleunigenden technischen Fortschritt setzt die Unternehmen unter einen permanent steigenden Entwicklungsdruck. Die Geschwindigkeit, mit der sich Märkte verändern, verlangt nach schnellen und eizienten Prozessen für die Umsetzung von Produktideen zu vermarktbaren Produkten. Gleichzeitig dürfen weder die Qualität des Entwicklungsprozesses, noch die Qualität des zu entwickelnden Produktes unter dem hohen Druck leiden. Darüber hinaus ist die gestiegene Zahl an Entwicklungsprojekten möglichst kosteneizient zu bewältigen. Die Vielfalt an Anforderungen, die sich aus dem genannten Trends ergeben, stellt die F&E-Abteilungen der Automotive-Branche heute mehr denn je vor immense Herausforderungen. Um die Potenziale eines leistungsfähigen F&E-Managements freizusetzen, sollten bei seiner Gestaltung systematisch alle operativ wie strategisch relevanten Parameter in ihrer ganzen Bandbreite einer auf die Megatrends ausgerichteten Optimierung unterworfen werden. ■ Peter Fey, Dr. Branchenexperte, Dr. Wieselhuber & Partner (W&P), München fey@wieselhuber.de Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 15 E nde Mai trafen sich in der lettischen Hauptstadt Riga Verkehrspolitiker und -manager der EU und Chinas. Es ging um Landverkehre, vor allem per Eisenbahn, zwischen Mitteleuropa und dem Reich der Mitte. Dabei wurde eines sofort klar: Die Vertreter der EU redeten über das Thema und blieben völlig vage. Demgegenüber hatten die Repräsentanten Chinas einen Plan sowie eine konkrete Vorstellung, wie er zu verwirklichen und zu inanzieren sei. Bei der Finanzierung spielt die Asiatische Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) eine zentrale Rolle. Sie bewegt die Europäer immerhin so sehr, dass sich einige Studien mit ihrer Strategie beschäftigen: Das Europäische Politik Strategie Center (EPSC), ein bislang noch kaum wahrgenommener neuer Think Tank der EU-Kommission, widmet dem Thema genauso Aufmerksamkeit wie die Deutsche Bank oder der Verband der Europäischen Bahnindustrien. Die Gründung der AIIB kann als chinesische Reaktion auf die Unfähigkeit der USA und anderer westlicher Staaten verstanden werden, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank so zu reformieren, dass China dort einen seiner ökonomischen Bedeutung entsprechenden Einluss erhält. Nun hat Peking sich über die Gründung eines eigenen Instituts die Möglichkeit geschaffen, eine deutlich größere Rolle in der weltweiten Projektinanzierung zu spielen. Das betrift vor allem die Geldvergabe für Infrastrukturvorhaben, die im strategischen Interesse der Volksrepublik liegen. Dazu gehört, den Transport von Rohstofen (Öl) nach und produzierten Gütern aus China stärker auf den Landweg zu verlegen. Hier sind die Wiederbelebung der „Seidenstraße“ (Landbrücke via Russland nach Europa) und diverse Infrastrukturprojekte für eine eizientere See-Land-Verbindung in Richtung Persischer Golf zu nennen. Über diese Vorhaben verhandelt Peking bereits mit den jeweiligen Staaten - Russland und Kasachstan im Norden, Thailand, Malaysia und Myanmar im Süden - oder sie sind bereits im Bau. In Europa investieren die Chinesen schon in den Ausbau von Bahnverbindungen auf dem Balkan und in Ungarn. Sie sollen dem Weitertransport von im griechischen Piräus angelandeten Containern dienen. Die AIIB ist ein Instrument, diese Investitionen zu inanzieren. Mit einem Kapital von 100 Mrd. USD soll das Institut Ende des laufenden Jahres seine Tätigkeit aufnehmen. Die Kapitalbasis ist mehr als doppelt so hoch wie bei der Europäischen Bank für Wiederaubau und Entwicklung („Osteuropabank“) und entspricht rund einem Drittel der Europäischen Investitionsbank. Aus den Erfahrungen anderer Entwicklungsbanken lässt sich - in eher vorsichtiger Schätzung - ein Ausleihvolumen von rund 200 Mrd. USD ableiten. Das könnte allerdings vergrößert werden, wenn die AIIB und die Chinesische Entwicklungsbank ihr Kapital zusammenlegen. Die Letztgenannte investiert bereits in die Infrastruktur von Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Die AIIB hat ihren Sitz in Peking und ihr Generalsekretär ist der frühere stellvertretende chinesische Finanzminister und spätere Vizepräsident der Asiatischen Entwicklungsbank Jin Liqun. Zu den bislang 57 Nationen, die ihr Interesse als Gründungsmitglieder angemeldet haben, gehören 14 EU-Mitgliedstaaten. Das ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil die USA deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie eine Beteiligung ihrer engsten Partner an einer Bank, die ihren weltweiten inanzpolitischen Einluss schmälern wird, nicht wünschen. Dennoch sprangen zuerst Großbritannien, der engste US-Verbündete in Europa, und danach mit Deutschland weitere 13 EU-Länder auf den AIIB-Zug. Zum anderen zeigt die Hast einzelner Staaten, sich dem Institut anzuschließen, dass die EU in deren Hauptstädten nicht zählt: Ein koordiniertes Vorgehen gegenüber der Bank unter Leitung der EU- Kommission zog ofenbar niemand in Erwägung. Dabei läge ein Engagement Brüssels bei der AIIB nahe. Denn China hat bereits angekündigt, Geld in den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen zu pumpen, das Herzstück des „Investitionsplans für Europa“ der EU-Kommission. Um chinesisches Kapital bemühen sich die EU-Mitgliedstaaten schon länger. Anfang Juni etwa buhlten Vertreter von mehr als 20-europäischen Regionen - von der spanischen Extremadura über die polnische Region Lodz bis zur deutschen Hauptstadt Berlin - um das Interesse von chinesischen Bankern. Warum auch nicht, wenn das Kapital für notwendige Investitionen in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur sonst nicht aufzutreiben ist. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Die Macht des Geldes Politik Professioneller Mobilfunk Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 16 Mobile Breitbanddienste für-Verkehrsunternehmen Steigende Datenkommunikation in kritischen Infrastrukturen sichern und mehr PMR-Frequenzen für die Betreiber bereitstellen Mobilfunk, Kommunikationssysteme, nichtöfentliche Netze, mobile Datennetze Die Verfügbarkeit internationaler Standards für die drahtlose Übertragung großer Datenmengen eröfnet Betreibern kritischer Infrastrukturen - und somit auch Unternehmen des Verkehrssektors - eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Mobilität, Flexibilität und als Alternative zu kabelgebundenen Lösungen. Als Beispiele für datenintensive Anwendungen seien die Video-Übertragung zur Erhöhung der Fahrgastsicherheit im ÖPNV, die industrielle Prozesssteuerung und Prozessautomatisierung, sowie die Herausforderungen der Energiewende (Smart Metering/ Smart Grid) für Energieversorger genannt. Hierzu bedarf es leistungsfähiger Technologien und Kommunikationssysteme des Professionellen Mobilfunks (PMR), die den individuellen Anforderungen der Unternehmen gerecht werden. Der Autor: Bernhard Klinger N eben wirtschaftlichen Lösungen auf Basis von Technologien des Professionellen Mobilfunks (PMR) ist die Verfügbarkeit eines geeigneten Frequenzspektrums die Grundvoraussetzung. Frequenzen sind - physikalisch bedingt - eine endliche Ressource. Das erweist sich vor allem in Großstädten und den Ballungsgebieten an Rhein, Main und Ruhr als Problem. So müssen beispielsweise Unternehmen des öfentlichen Nahverkehrs, deren Fahrer jederzeit erreichbar sein müssen, jahrelang auf Frequenzzuteilungen warten, weil nicht genügend Funkkanäle verfügbar sind. Solche Situationen dürften zur Regel werden, wenn der Bedarf an PMR - insbesondere für die Übertragung mobiler Datendienste - zunimmt. Und genau das lässt sich aus einer repräsentativen Befragung schlussfolgern, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa auf Veranlassung des Bundesverbandes Professioneller Mobilfunk e. V. (PMeV) 1 und mit Unterstützung der Bundesnetzagentur durchgeführt hat: Die Betreiber kritischer Infrastrukturen müssen künftig per Digitalfunk verstärkt Daten übertragen. Außerdem erweitern Innovationen in kritischen Infrastrukturen die Einsatzgebiete des PMR. Beides wird den Bedarf an Frequenzen in den kommenden Jahren erhöhen. Frequenzspektrum als Schlüsselressource Ohne zusätzliche Frequenzen werden Nutzer mobiler professioneller Kommunikationssysteme ihre Aufgaben angesichts der sich ändernden Anforderungen wie z. B. die zunehmende Übertragung visueller Informationen nicht mehr erfüllen können. Der PMeV sieht heute einen zusätzlichen lizenzierbaren Bedarf von mindestens 2 x 10- MHz allein für breitbandige mobile Datendienste der Unternehmen des Transport- und Versorgungs-Sektors sowie der Industrie. Hinzu kommt der Bedarf der Sicherheitsbehörden, die ebenfalls Ansprüche geltend machen. Die Unternehmen stehen somit einerseits im Wettbewerb zu den Sicherheitsbehörden um Ressourcen, andererseits ergeben sich aber auch Kooperationsmöglichkeiten, die sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus operativ-taktischen Erwägungen sinnvoll wären und daher in Betracht gezogen werden sollten. Das Frequenzspektrum sollte - zumindest bei Flächennutzungen - unterhalb von 1 GHz liegen. Je niedriger die Frequenz, desto günstiger sind die Ausbreitungsbedingungen. In Anbetracht der Entwicklungen bei Sicherheitsbehörden in den USA, die sich für den 700 MHz-Frequenzbereich entschieden und bereits Projekte realisiert haben, sowie aufgrund der Nähe dieses Frequenzbereichs zu dem öfentlicher Breitbandsysteme, sind für Produkte im 700-MHz-Bereich Skalenefekte zu erwarten, die signiikante Kostenvorteile versprechen. Aus diesem Grund empiehlt der PMeV den 700-MHz-Bereich und fordert eine entsprechende Zuweisung von Frequenzressourcen seitens des Regulierers. Öfentliche oder nichtöfentliche Netze Kritische Infrastrukturen sind zunehmend bedroht, sowohl durch Extremwetterereignisse als auch durch terroristische Gewalt. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit müssen Kommunikationssysteme, die dem Schutz kritischer Infrastrukturen dienen, besonders sicher sein. Für Einschränkungen oder Ausfälle öfentlicher Kommunikationssysteme bedarf es nicht einmal eines großen Vorfalls. Es genügt die falsche Zeit (Silvester, 24.00 Uhr), der falsche Ort (Oktoberfest, München) oder eine ungünstige Situation (Autobahnstau zur Hauptverkehrszeit), die zu überlasteten oder gar ausfallenden Mobiltelefonsystemen führt. Gerade zu jener Zeit, an jenem Ort und in jener Situation werden mobile Sprach- und Datenkommunikationssysteme, die den reibungslosen Betrieb kritischer Infrastrukturen oder betriebskritischer Unternehmensprozesse sicher stellen, aber besonders dringend benötigt. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 17 Öfentliche Kommunikationssysteme werden vornehmlich nach kommerziellen Gesichtspunkten errichtet. Ihre geograische Abdeckung ist ebenso eingeschränkt wie ihre Überlebensdauer bei Stromausfall. Technische Ausfälle, Naturkatastrophen oder terroristische Anschläge sind jedoch überall möglich. Letztere können sogar die Ursache von Ausfällen unzureichend geschützter öfentlicher Kommunikationssysteme sein. Im Falle des Ausfalls eines öfentlichen Mobiltelefonnetzes wird dessen Betreiber nur geringe inanzielle Einbußen zu verzeichnen haben. Störungen im Betriebsablauf von Unternehmen des Verkehrs- und Versorgungs-Sektors sowie der Industrie sind dagegen viel weitreichender. Sie haben neben der betriebswirtschaftlichen auch eine volkswirtschaftliche und eine sicherheitsstrategische Komponente. Systeme, die dem Schutz kritischer Infrastrukturen oder dem Schutz betriebskritischer Unternehmensprozesse dienen, müssen deshalb einen deutlich höheren Sicherheitsstandard aufweisen als öfentliche Mobiltelefonnetze. Dieser hohe Sicherheitsstandard kann nur mit auf den Bedarf des jeweiligen Unternehmens zugeschnittenen, professionellen Mobilfunksystemen erreicht werden. Das gilt für die Breitbanddatennetze ebenso wie für die Sprachnetze. Diese Kommunikationsnetze können sowohl durch die nutzenden Unternehmen als auch durch Betreiber professioneller Funknetze bereitgestellt und betrieben werden. Technischer Standard Die derzeit vornehmlich für einsatzbzw.- geschäftskritische Sprachkommunikation genutzten Schmalbandsysteme (z. B. TETRA oder DMR) werden auf nicht absehbare Zeit, mindestens jedoch noch die nächsten 15 bis 20 Jahre, unverzichtbar sein. Für breitbandige Datenkommunikation im öfentlichen Bereich ist heute LTE der weltweit führende Standard. Im Zuge seiner Weiterentwicklung entsteht mit LTE der globale Standard für Breitbandkommunikation, sowohl für kommerzielle als auch für professionelle Anwender. So entwickelt sich ein weltweit harmonisierter Markt, der sich durch gesunden Wettbewerb unter zahlreichen Anbietern, eine große Angebotsvielfalt, Kostenvorteile durch Skaleneffekte infolge sehr großer Produktionsvolumina sowie Investitionsschutz und Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern aufgrund von Interoperabilität auszeichnet. Gesetzlicher Standard Eine ausfallsichere, jederzeit verfügbare mobile Kommunikation ist für Betreiber kritischer Infrastrukturen wichtiger denn je. Das spricht zwar für PMR-Lösungen, doch gesetzlich eindeutig vorgeschrieben sind sie nicht. Der Gesetzgeber sollte hier für klare Verhältnisse sorgen und den PMR in der Daseinsvorsorge zur Plicht erklären. Ein klarer gesetzlicher Rahmen ist ein wesentlicher Schritt zur Lösung künftiger Herausforderungen. ■ 1 Der Bundesverband Professioneller Mobilfunk e.V. (PMeV) ist ein Zusammenschluss führender Anbieter und Anwender von Kommunikationssystemen für den mobilen professionellen Einsatz. Seine Mitglieder sind Hersteller, System- und Applikationshäuser, Netzbetreiber und Nutzer wie etwa Verkehrsunternehmen. Ziel des PMeV ist es, den Markt des Professionellen Mobilfunks (PMR) in Deutschland weiter zu entwickeln. Er bietet zu diesem Zweck ein Forum für einen neutralen, herstellerunabhängigen und partnerschaftlichen Dialog mit den Marktpartnern, fördert Standards und wirkt an deren Weiterentwicklung im Sinne der Anforderungen des deutschen Marktes aktiv mit. Bernhard Klinger Vice President Business Development, Hytera Mobilfunk; Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes und Leiter des Fachbereiches Breitband im Bundesverband Professioneller Mobilfunk e.V. (PMeV) breitband@pmev.de Foto: Airbus Defense and Space Professioneller Mobilfunk POLITIK POLITIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 18 Die Digitalisierung der Mobilität D as Fortschreiten der Digitalisierung des Autofahrens ist unauhaltbar. Die Vorteile von computergesteuerten Fahrten liegen dabei auf der Hand: Neben vielen Komfortaspekten dürfte vor allem die erheblich gesteigerte Sicherheit den Markt von den neuen Technologien überzeugen. Mehr als vier von fünf Unfällen beruhen derzeit noch auf menschlichem Versagen, der Anteil von technischen Versagen liegt hingegen unter einem Prozent. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie viel sicherer der Verkehr werden könnte. Hierauf wies auch Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der IAA-Eröfnungsfeier in Frankfurt noch einmal besonders hin. Gleichzeitig erklärte Wissmann aber auch, dass die rasante technische Entwicklung die Politik vor die große und wichtige Aufgabe stelle, möglichst rasch den rechtlichen Rahmen anzupassen, und dass auch ein Schulterschluss mit der nationalen und internationalen Politik notwendig sei. Wissmann hat mit diesen Aussagen den Finger in die Wunde gelegt: Ob das geltende Recht alles richtig erfasst, kann stark bezweifelt werden. So sind derzeit alle vollautonomen Fahrten in Deutschland reine Testfahrten, welche die Gesetze unter strengen Aulagen und in engen Grenzen zulassen. Doch wie sieht die rechtliche Lage für den Betrieb eigentlich aus? Die Einführung eines vollautonomen Fahrzeugs wäre nach derzeitiger Rechtslage zunächst nur sehr schwer mit der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu vereinbaren. In dieser wird an vielen Stellen an das Verhalten des Fahrzeugführers angeknüpft, was bei autonomen Fahrzeugen entweder unmöglich ist oder aber keinen Sinn macht. Nur in Teilen wird auf die Bewegung des Fahrzeugs im Raum abgestellt - insoweit lassen sich die Ge- und Verbote auch auf autonome Fahrzeuge übertragen. Die StVO müsste also angepasst werden, um auch bei autonomen Fahrzeugen den Sicherheitsstandard zu bieten, der sonst gilt. Auch das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 war jedenfalls noch bis vor kurzem die höchste aller recht lichen Hürden. Nach diesem musste der Fahrer das Fahrzeug „ständig beherrschen“. Diese absolute Formulierung sorgte für eine schwierige Rechtslage schon bei einfachen Assistenzsystemen. Hier wurde aber im letzten Jahr eine Klärung auf den Weg gebracht, nach der die Assistenzsysteme zulässig sind, wenn sie jederzeit vom Fahrer übersteuert oder ausgeschaltet werden können. Dies sollte jedenfalls für viele Fahrassistenzsysteme einen sicheren Rechtsraum bieten. Das völlig autonome Fahren wird jedoch weiterhin ein rechtlicher Problemfall bleiben. Im Zulassungsrecht für Fahrzeuge müssten wohl auch neue Regeln gefunden werden. Denn auch die ECE-Regeln für die EG-Typengenehmigung setzen voraus, dass der Fahrer das Fahrzeug jederzeit „durch einen bewussten Eingrif übersteuern kann“. Große Herausforderungen stellen sich aber auch im Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit. In diesem Zusammenhang wies Wissmann auf der IAA darauf hin, dass auch bei Datensicherheit und Datenschutz international harmonisierte Standards notwendig sein werden. Dabei betonte er, dass die Automobilindustrie in diesem Bereich ihre verantwortungsvolle Rolle sehr ernst nehme. Klar ist: Mit dem autonomen Fahren werden die Fahrzeuge erheblich mehr Daten generieren können (und müssen). Diese Daten werden dann teils auch von den Herstellern zentral verarbeitet werden. Neben Fragen zur Zulässigkeit der Datenerhebungen, also typisch datenschutzrechtlichen Fragen, stellt sich dabei dann auch die Frage, wem diese Daten eigentlich gehören. Dass neben dem Datenschutz auch die Datensicherheit bei fortschreitender Digitalisierung des Fahrens ein großes Thema ist, liegt auf der Hand. Hacker dürfen die Fahrzeuge keinesfalls in ihre Gewalt bringen oder manipulieren können. Die Einführung internationaler Standards zur Cybersecurity im automobilen Bereich erscheint in diesem Kontext unabdingbar. Ein besonders großes Thema im Bereich des autonomen Fahrens ist die Haftung bei den (dann selteneren) Unfällen. Nach dem geltenden Recht haftet in erster Linie der Halter eines Fahrzeugs. Diesem wird, je autonomer ein Fahrzeug fährt, jedoch zunehmend eine Abwälzung der Haftung auf den Hersteller gelingen. Ein rechtlicher „Deal-Breaker“ wäre diese Haftung zwar nicht. Eine vorwiegende Haftung der Hersteller widerspricht aber der Risikozuweisung, die der Halterhaftung eigentlich zugrunde liegt. Dies würde letztlich zwar die Versicherungsbeiträge senken, könnte den Kaufpreis der Fahrzeuge aber in die Höhe treiben und wäre deshalb kontraproduktiv. Wenn der volkswirtschaftliche Nutzen einer niedrigeren Unfallrate tatsächlich gezogen werden soll, ist also der europäische Gesetzgeber gefragt und es müssen Änderungen beim Produkthaftungsrecht her. Im Fazit ist festzuhalten, dass die Digitalisierung des Automobils zahlreiche rechtliche Herausforderungen mit sich bringt. Dies gilt besonders mit Hinblick auf das vollautonome Fahren, das in Deutschland weiterhin nicht mit den geltenden Gesetzen zu vereinbaren ist. Das soll und wird die Technologie jedoch nicht auhalten. Ihr Nutzen ist so groß, dass es sich lohnt, weitere notwendige und sinnvolle Gesetzesänderungen vorzunehmen und den Schritt in die Zukunft zu wagen. Bei Ihrer Eröfnungsrede auf der diesjährigen IAA unterstützte die Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsche Autoindustrie auf ihrem digitalen Kurs und erklärte, man nähere sich Schritt für Schritt dem automatisierten Fahren. Das hört sich zwar nicht nach berauschender Geschwindigkeit an, deutet aber zumindest darauf hin, dass ein politischer Wille zur Lösung auch der rechtlichen Probleme vorhanden ist. ■ Dr. Markus Häuser, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltssozietät CMS Hasche Sigle, Experte für Rechtsfragen der digitalen Wirtschaft. markus.haeuser@cms-hs.com Die Digitalisierung der Mobilität war das beherrschende Thema auf der diesjährigen Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Doch die rechtlichen Fragen, die sich durch die Vernetzung des Automobils und beim (teil-)autonomen Fahren stellen, sind großteils noch unbeantwortet. Ein Kommentar von Markus Häuser. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 19 Standpunkt POLITIK Strategie automatisiertes und-vernetztes Fahren D er zunehmende Straßenverkehr stellt uns vor große Herausforderungen in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz, Flächenverbrauch, Stauvermeidung, Verkehrssicherheit und begrenzte Ressourcen für die Verkehrsinfrastruktur. Wir brauchen intelligente Lösungen für die Fahrzeuge und die Verkehrsinfrastruktur sowie für eine eiziente Verknüpfung der Verkehrsträger und -infrastrukturen. Ebenso wichtig ist es für das Exportland Deutschland, in dem die Automobilindustrie mit vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine besondere Bedeutung hat, auch in Zukunft Produkte anbieten zu können, welche den Anforderungen und Wünschen der Kunden ebenso entsprechen wie den von der Gesellschaft deinierten Rahmenbedingungen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir die digitale Revolution für Automobil und für Verkehrsinfrastruktur nutzen, um die Qualität unseres Verkehrssystems zu verbessern und den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland sozialverträglich zu stärken. Automatisiertes und vernetztes Fahren spielt hier eine wichtige Rolle. Es ergeben sich daraus vielfältige Möglichkeiten, die Nutzung des Automobils sicherer, eizienter und komfortabler zu gestalten. Die Bereitstellung von Verkehrsinformationen in Echtzeit durch Vernetzung von Fahrzeugen kann die Verkehrssicherheit erhöhen, den Verkehrsluss verbessern und den Fahrweg optimieren. Daher begrüße ich die Strategie der Bundesregierung zum automatisierten und vernetzten Fahren, welche gemeinsam mit dem „Runden Tisch Automatisiertes Fahren“ entwickelt wurde. Die dort in den Handlungsfeldern Infrastruktur, Recht, Innovation, IT-Sicherheit und Datenschutz vorgesehen Maßnahmen gilt es nun zu bearbeiten. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass die deutsche Industrie Technologien und Produkte für das automatisierte und vernetzte Fahren auch im Angebot haben muss, wenn sich die Nachfrage auf anderen Märkten schneller als auf dem deutschen Markt entwickeln sollte. Daher sind vor allem eine intensive wissenschaftlich-technologische Auseinandersetzung mit der Thematik, die inanzielle Förderung von Forschungsvorhaben, sowie der staatliche Rahmen für die Erprobung der Technologien vordringlich. Die kürzlich unterzeichnete „Innovationscharta für das Digitale Testfeld Autobahn“ ist ein erster wichtiger Schritt, um hier neue Technologien unter realistischen Bedingungen erproben zu können. Der Deutsche Bundestag kann bei der Förderung des automatisierten und vernetzten Fahrens vor allem einen Beitrag leisten, indem er die rechtlichen Rahmenbedingungen überprüft und gegebenenfalls anpasst sowie Mittel für die Forschung bereitstellt. Bund, Ländern und Kommunen fällt die Aufgabe zu, die Schafung der notwendigen Infrastruktur an unseren Straßen anzustoßen, zu ermöglichen und zu fördern bzw. sie dort, wo es um staatliche Aufgaben geht, zu schafen. Zu begrüßen ist, dass auch die Verkehrsminister der G7-Staaten und die EU-Kommissarin für Verkehr in einer Erklärung die Entwicklungen im Bereich des vernetzten und automatisierten unterstützen. Gerade die Schafung international harmonisierter Regeln ist wichtig, um solche innovativen Technologien grenzüberschreitend einsetzen zu können. Eine Voraussetzung für das automatisierte und vernetzte Fahren ist ein zuverlässiges und lächendeckendes Mobilfunknetz mit hoher Bandbreite. Ein wichtiger Schritt ist hier die Aulage bei der Versteigerung der 700-MHz-Frequenzen, bis 2018 eine Anbindung der Autobahnen mit einer Überragungsrate von mindestens 50-MBit/ s je Antennensektor zu gewährleisten. Automatisiertes und vernetztes Fahren wirft aber auch Fragen auf, die beantwortet werden müssen, bevor Fakten geschafen werden. Die Politik muss hier „auf Ballhöhe“ bleiben, um schnell reagieren und ihre Entscheidungen auf einer fundierten Grundlage trefen zu können. Sinnvolle Entwicklungen sollte sie fördern. Vermeiden müssen wir aber, dass die technische Entwicklung sich ihren eigenen Rahmen schaft und die Politik das Ergebnis nur noch zur Kenntnis nehmen kann, ohne eine Abwägung aller beteiligten Interessen vornehmen zu können. Fragen, die wir rechtzeitig beantworten müssen, betrefen beispielsweise Verantwortung und Haftung für das Versagen der Technik beim automatisierten Fahren, Schutz vor Cyberangrifen, Datenschutz und Netzneutralität. Automatisiertes Fahren kann die Verkehrssicherheit verbessern, es können sich aber auch Risiken ergeben, wenn die Technik versagt oder sich der Fahrer zu sehr auf sie verlässt. Auch die Gefahr der Ablenkung im Straßenverkehr durch Internet und Kommunikationsmöglichkeiten ist zu beachten. Werden die Funktionen des automatisierten Fahrens dies voll ausgleichen? Und wie steht es mit Befürchtungen, das automatisierte Fahren könnte den Individualverkehr so attraktiv machen, dass Staus zunehmen und umweltfreundliche öfentliche Verkehre ins Hintertrefen geraten? Welche Chancen bietet die Vernetzung demgegenüber für eine optimale Verknüpfung aller Verkehrsträger und für die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen? Welche Besonderheiten weist der Straßengüterverkehr beim automatisierten und vernetzten Fahren gegenüber dem Personenverkehr auf? Straßenverkehr und Automobilwirtschaft stehen beim automatisierten und vernetzten Fahren am Beginn einer wichtigen technischen Evolution. Neue Technologien werden entwickelt und vor allem werden bereits bekannte Technologien verknüpft sowie in ein Gesamtsystem integriert. Diese Entwicklung bietet viele Chancen, beinhaltet aber auch Risiken. Sie wird sich vor dem Hintergrund von Trends in der Gesellschaft vollziehen, deren Verlauf schwer abzuschätzen ist. Wir dürfen sehr gespannt sein, wie unsere automobile Welt in 20 Jahren aussehen wird. ■ Martin Burkert, MdB Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages verkehrsausschuss@bundestag.de Seit Monaten scheint sich beim Thema Verkehr alles um Automatisierung und Vernetzung zu drehen. Welchen Herausforderungen muss sich die Politik in Deutschland stellen? Ein Kommentar vom Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Martin Burkert, MdB. Foto: Deutscher Bundestag/ Hermann J. Mueller POLITIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 20 Sichere (Handels-)Ströme? Ein Wahrnehmungsdeizit in Deutschland B ei dem Thema fühlt man sich an den Kalauer erinnert: „Energiewende hin oder her, bei uns kommt der Strom aus der Dose! “ Die Tatsache, dass gerade Deutschland als außerordentlich erfolgreiche Exportnation und Hüter des Euro - die führende globale Reservewährung neben dem Dollar - Verantwortung für die Sicherheit der Transportinfrastruktur und der logistischen Ketten trägt, ist in Berlin und im Lande nur unzureichend entwickelt. Ob man es will oder nicht, die gewohnte Sicherheitsarchitektur wird global neu vermessen und ist heute nur noch ganzheitlich zu denken. Die bewährten Grenzen zwischen äußerer und innerer Sicherheit - Streitkräfte dort und Polizei hier - kommen zunehmend unter Druck. An bestimmten Stellen sind sie bereits irrelevant. Der Versuch, die Globalisierung internationaler Wertschöpfungsketten durch nationale Autarkie zu ersetzen, ist zum Scheitern verurteilt: „Just in time“ ist ein logistischer Grundsatz, der keine robusten Pufer zulässt. Hinzu kommt der neue Aspekt der Cyber-Sicherheit: Warum sollte man eine Brücke physisch zerstören, wenn man den gesamten Verkehrsluss mit einem Mausklick verhindern kann? Man denke an technisch anfällige Verkehrsleitsysteme (Schleusen, Schifsverkehrsführung in engen Seegebieten, Flugsicherung) oder „Flaschenhälse“ wie See- und Flughäfen. Entwickelte Industrieländer sind anfällig für Störung der Transportinfrastruktur und der logistischen Ströme. Dies wiederum wirkt sich unmittelbar auf Volkswirtschaften und Währungen aus. Wir erinnern daran, dass Berlin für die gemeinsame Euro-Währung an vorderster Stelle Verantwortung trägt. Das Fazit? Es gibt keine idyllischen Inseln der Glückseligkeit! Nach jüngsten Recherchen der norwegischen Consultingirma Menon ist Singapur der bedeutendste maritime Standort der Welt. Basis für die Untersuchungen waren vier Kriterien: Schiffahrt, Finanzierung und Gesetze, Technologie sowie Hafen- und Logistikgegebenheiten. Befragt wurden 200 Industrieexperten in 33 Ländern. Für Singapur zu Buche schlugen insgesamt die branchenfreundliche Politik sowie die strategische Lage an der Haupthandelsroute zwischen Europa und Asien. Auf Platz zwei in dem Ranking der Untersuchung folgt Hamburg. Und was leitet Berlin von dieser internationalen Positionierung ab? Waren es früher die Kolonialmächte (vor allem Spanien, Portugal, Holland und England), die internationale Seewege zwischen der neuen und der alten Welt beherrschten und über ihre „Companien“ den internationalen Handel fest in den Händen hielten, sind es heute international gültige Standards und Handelsabkommen, die den freien Fluss der Handelsströme gewährleisten sollen. An dieser Stelle muss Berlin Anspruch auf Gestaltung anmelden, und genau an dieser Stelle ist auch der Aufstieg Chinas einzuordnen: Es ist das strategische Interesses Beijings, seine Währung als dritte globale Reservewährung - neben Dollar und Euro - zu platzieren. Dazu muss die chinesische Währung an den internationalen Märkten frei konvertierbar und im globalen Handel nutzbar sein. Entweder wird das Reich der Mitte in das westliche System (IWF und transpaziische Handelsabkommen) aufgenommen oder es entwickelt ein eigenes (Gegen-)System. All dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherung der globalen Ströme. Fasst man zusammen, so sind drei grundsätzliche Thesen erlaubt: • Die Sicherung weltweiter Ströme (Flows) an Gütern (Stichwort: Container Screening), Rohstofen (Liefersicherheit), Menschen (illegale Migration/ Terrorismus), Informationen (Datensicherheit) und Finanzen (Geldwäsche) deiniert das Zeitalter der Globalisierung. • Die Sicherung der globalen Ströme verursacht Kosten - Schutz der kritischen Infrastruktur (See- und Flughäfen) sowie Versicherungsprämien. Diese Kosten entstehen zusätzlich zu klassischen Verteidigungsausgaben. • Wer die Standards setzt, schaft Märkte! Für diesen Prozess stehen im Wesentlichen Begrife wie Good governance, Rule of law und Antikorruption. Verbindliche Standards sollen in transatlantischen und transpaziischen Handels- und Investitionsabkommen verankert werden. Im Augenblick setzen zwei politische Kraftzentren diese Standards: Washington und Brüssel. Weitere kommen in (Südost-)Asien hinzu: Beijing und Singapur fürs Erste. Kehren wir nach Deutschland zurück: Berlin verstößt gegen nationale Interessen, wenn es den politischen Diskurs über sichere Handelsströme und die Deinitionsmacht internationaler Handels- und Investitionsabkommen nicht befördert. Bei TTIP geht es nicht in erster Linie um Chlorhühnchen! Jedoch hat man „Unter den Linden“ nicht den Eindruck, dass diese Einordnung bereits im politischen Raum angekommen ist. ■ www.griephan.de Ein Kommentar von Heinz Schulte, Chefredakteur der griephan Fachinformationen zum Geschäftsfeld äußere & innere Sicherheit Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 21 Erneuerbare Energien Infrastruktur Erneuerbar unterwegs Mobil mit Batterie und Brennstofzelle in die Zukunft Brennstofzelle, Wasserstof, Batterie, Marktvorbereitung Das Energiesystem in Deutschland steht vor einem Umbruch, weg von fossilen Kraftstofen, hin zu Erneuerbaren Energien. Die Wasserstof-, Brennstofzellen- und Batterietechnologien sind Schlüsseltechnologien, um Erneuerbare Energien in den Energiesektor und als strombasierte Kraftstofe in den Verkehrsbereich zu integrieren. Sie bieten große Potentiale, Emissionen zu senken, die Eizienz zu steigern und können so einen wesentlichen Beitrag zum 2-Grad-Szenario der internationalen Gemeinschaft leisten. Bund und Industrie investieren gemeinsam in strategischer Partnerschaft seit 2006 in die Erprobung der Technologien im Alltag und die Marktvorbereitung von entsprechenden Produkten. Koordiniert wird die Zusammenarbeit von der NOW Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie. Der Autor: Klaus Bonhof A ls Kraftstof im Verkehr und als Speichermedium für Erneuerbare Energie hat die strategische Bedeutung der Wasserstoftechnologie in den vergangenen Jahren zugenommen. Sie ermöglicht, Treibhausgase substantiell zu reduzieren und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Im Verkehrsbereich sind Brennstofzellenfahrzeuge insbesondere deshalb attraktiv, weil sie innerhalb weniger Minuten mit gasförmigem Wasserstof vollgetankt werden können und über eine Reichweite von bis zu 700 km verfügen, sich also aus Kundensicht wenig von heutigen Gewohnheiten unterscheiden. Hersteller aus Korea und Japan sind bereits mit ersten Modellen auf den Markt gegangen. Deutsche Hersteller haben den Markteintritt für die kommenden Jahre angekündigt. Marktvorbereitung seit 2006 - nationales Innovationsprogramm Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie Die Marktvorbereitung der Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie betreiben Bund, Industrie und Wissenschaft seit 2006-gemeinsam im Rahmen des gleichnamigen Nationalen Innovationsprogramms (NIP). Das Programm mit den Schwerpunkten auf angewandter FuE und Demonstrationsvorhaben läuft in seiner jetzigen Form bis 2016. Zum Gesamtvolumen des Programms von 1,4 Mrd. EUR tragen öfentliche Hand und Industrie je die Hälfte bei. Auf Seiten des Bundes tragen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 500- Mio. EUR, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 200 Mio. EUR bei. Das NIP ist in vier Programmbereiche unterteilt, um den verschiedenen Produkt- und Anwendungsmöglichkeiten der Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie gleichermaßen gerecht zu werden. Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie Demonstrationsprojekte können so je nach Anwendungsgebiet in den Bereichen Verkehr und Infrastruktur, Wasserstobereitstellung, Stationäre Anwendungen oder Spezielle Märkte gefördert werden. Das BMVI wird die Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie bis 2018 mit 161 Mio. EUR weiter fördern. Zur ganzheitlichen Koordinierung des Programms wurde 2008 die NOW gegründet (siehe Infobox Seite 23). Im Bereich Verkehr wurden seither rund 250 FuE-Vorhaben mit einem Fördervolumen von fast 300 Mio. EUR bzw. einem gesamten Investitionsvolumen von über 600-Mio. EUR durchgeführt. Rund ein Drittel der Mittel entiel auf die Alltagserprobung der Technologie in der Clean Energy Partnership (CEP) - einem Zusammenschluss der Unternehmen Air Liquide, BMW, Bohlen & Doyen, Daimler, EnBW, Ford, GM/ Opel, Hamburger Hochbahn, Honda, Hyundai, Linde, Shell, Siemens, die Stuttgarter Straßenbahnen SSB, Total, Toyota, OMV, Volkswagen und Westfalen - speziell zur Erprobung und Marktvorbereitung der Mobilität mit Wasserstof. In der CEP kamen bis dato 110 Brennstofzellen-PKW in Kundenhand und mehrere Brennstofzellen-Busse im ÖPNV in Berlin, Hamburg und Stuttgart zum Einsatz im Alltagsbetrieb. Innerhalb des NIP gelang es fahrzeugseitig unter anderem die Systemkosten für die Brennstofzellentechnik um 75 Prozent zu reduzieren und eine Voll- Bild 1: Ein Brennstofzellenfahrzeug kann innerhalb weniger Minuten mit gasförmigem Wasserstof vollgetankt werden - und hat dann wieder eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 22 INFRASTRUKTUR Erneuerbare Energien betankung mit gasförmigem Wasserstof in wenigen Minuten sicherzustellen (Bild 1). Maßgebend war die CEP auch bei der Festlegung des weltweiten Standards für den Betankungsdruck von 700 bar. Die Partner der CEP zeichnen zudem verantwortlich für den unter FuE-Gesichtspunkten erfolgten Aubau und Betrieb von derzeit 19 öffentlich zugänglichen Wasserstoftankstellen in Deutschland. Dabei verlief die Entwicklung vom mobilen Tankanhänger vor einigen Jahren zur heute vollintegrierten Tankstelle. Die Erprobung der Technologie in der CEP unter Einbeziehung aller relevanten Branchen (Fahrzeug, H 2 -Betankung, H 2 -Herstellung/ Distribution) war damit die wesentliche Voraussetzung, dass Deutschland heute als Startmarkt für Wasserstof und Brennstofzelle bestens gerüstet ist. Nächster Schritt - Aufbau einer flächendeckenden Betankungsinfrastruktur Im Übergang von der Marktvorbereitung zum Markthochlauf wurde noch als Teil des NIP der Bau von 50 Wasserstoftankstellen bis 2016 in Deutschland initiiert, die eine erste so genannte bedarfsgerechte Versorgung in den Metropolregionen sowie entlang der Verbindungsstrecken gewährleisten sollen. Diese Grundversorgung ist zur Flankierung des Markteintritts der ersten Fahrzeugmodelle notwendig. Das 50-Tankstellen-Programm an sich ist ein großer Erfolg. Mit ihm gehen die Aktivitäten weit über die ursprüngliche Planung hinaus. Denn zu Beginn des NIP ging es nur darum, einzelne Tankstellen und ihre Technologien zu erproben. Der Plan und die Umsetzung der 50 Tankstellen verdeutlichen sehr anschaulich, dass innerhalb des Förderrahmens NIP lexibel auf veränderte Bedarfe reagiert werden kann (Bild 2). Der weitere Aubau hin zu insgesamt 400 Wasserstoftankstellen bis zum Jahr 2023 wird in enger Abstimmung zwischen Fahrzeug- und Infrastrukturindustrie erfolgen. Umsetzender Akteur auf Seiten der Industrie wird das von Daimler, Linde, Air- Liquide, Total, Shell und OMV 2015 gegründete Unternehmen H2Mobility sein. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat seine Unterstützung für den weiteren Netzausbau angekündigt. Fortsetzung des NIP nach 2016 Nach der erfolgreichen ersten Phase des NIP zur Marktvorbereitung von 2006 bis 2016, stehen die Zeichen auf Fortführung der gemeinsamen Anstrengungen von öffentlicher Hand und Industrie. Das Ziel ist es für die anstehende Phase des Markthochlaufs erneut einen verlässlichen Rahmen zu schafen, damit die Innovationen aus dem Bereich Wasserstof und Brennstofzelle in ihrer Einführungsphase im Markt bestehen können. Klar ist aber auch, dass Forschung und Entwicklung sowie Vorhaben zur Demonstration der Technologie im Alltag fortgeführt werden müssen, um auch künftig eine breite technologische Basis zu haben. Sie ist notwendig, um weitere Innovationen an den Markt heranzuführen, Lücken in der Wertschöpfungskette zu schließen und kleine und mittlere Unternehmen in die Technologieentwicklung einzubinden. Konkrete Arbeitsschwerpunkte im FuE-Bereich werden künftig nicht zuletzt die Themen Wasserstofproduktion und Wasserstof als Speicher sein. So liegen u. a. in der Elektrolysetechnik noch hohe Potentiale zur Kostenreduzierung. Modellregionen Elektromobilität - Nullemissionen mit Batteriefahrzeugen Elektromobilität heißt nicht nur Brennstofzelle, sondern in der öfentlichen Wahrnehmung vor allem Batterie. Der Bund fördert die Technologie in umfassenden Praxistests (Fahrzeugbetrieb, Infrastruktur, Begleitforschung) seit 2009. Es gibt derzeit vier so genannte Modellregionen Elektromobilität des BMVI (Hamburg, Bremen/ HINTERGRUND Wasserstof und Brennstofzelle - die Schwerpunkte der Marktaktivierung • Aufbau einer angebotsorientierten Was serstof-Betankungsinfrastruktur und der damit verbundenen nachhaltigen Wasser stoferzeugung und seiner systematischen Verknüpfung mit dem Energiesystem • Brennstofzellensysteme für den Einsatz in der nachhaltigen und klimaschonenden Mobilität • Stationäre Brennstofzellen für Haushalte und Industrie als Kraft-Wärme-Kopplung sowie sichere Stromversorgung sicher heitskritischer Anlagen und Systeme • Speziische Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Zulieferindustrie Bild 2: 50 Wasserstoftankstellen bis 2016 - Innerhalb der Laufzeit des NIP werden 50 Wasser stoftankstellen in Deutschland gebaut. Danach übernimmt das Industrie Gemeinschaftsunter nehmen H2Mobility den weiteren Ausbau. Interaktive Karte auf http: / / www.now-gmbh.de/ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 23 Erneuerbare Energien Infrastruktur Oldenburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main), vier Schaufenster der Bundesregionen (Berlin, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern/ Sachsen) sowie drei Modellprojekte des BMVI in ländlichen Regionen (Mecklenburg-Vorpommern, Mitteldeutschland, Saarland). Nicht zuletzt aufgrund der Förderaktivitäten des Bundes ist Deutschland im globalen Vergleich heute in einer guten Position beim Thema Elektromobilität: Alle deutschen Automobilhersteller bieten batteriebetriebene PKW kommerziell an; über 5000 Ladepunkte (bzw. 2500 Ladestationen) ermöglichen schon heute in mehreren Regionen eine bedarfsgerechte Versorgung (Bild-3). neue förderrichtlinie Elektromobilität Es muss im nächsten Schritt gelingen, verstärkt Fahrzeuge in die Anwendung zu bekommen. Darum hat das BMVI zu neuen Bewerbungen im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität aufgerufen. Gefördert werden die Beschafung von Elektrofahrzeugen und die für den Betrieb notwendige Ladeinfrastruktur in Kommunen. Als weiteren Schwerpunkt fördert das BMVI die Erarbeitung von kommunalen Elektromobilitätskonzepten. Denn Kommunen sind die zentralen Akteure für den Erfolg der Elektromobilität in der Breite. Sie verfügen über umfassende strategische und operative Gestaltungsmöglichkeiten: Von Klima-, Verkehrs- und stadtplanerischen Konzepten über die Genehmigung von Ladeinfrastruktur im öfentlichen Raum bis hin zur Nutzung von Elektrofahrzeugen im eigenen Flottenbetrieb (inkl. kommunale Betriebe) und im ÖPNV. Für den weiteren Aubau von Ladeinfrastruktur muss im Vordergrund stehen, die Aktivitäten sowohl auf nationaler Ebene als auch die Anbindung an europäische Strategien aus einer Hand heraus zu koordinieren. Ein- Schwerpunkt muss dabei auf einem Netzwerk von Schnelllade-Möglichkeiten liegen. Es geht nur mit Batterie und Brennstofzelle Alternative Kraftstofe, die emissionsarm bzw. -frei sind, in Kombination mit eizienten Antrieben wie Elektromotoren werden künftig eine normale Erscheinung im Verkehrsbereich sein. Der Rahmen für diese Entwicklung wurde vom Gesetzgeber vorgezeichnet (95 g CO 2 / km bis 2021, weitere Zielmarken für 2025 bzw. 2030 sind in Diskussion). Gleichzeitig haben Politik und Wirtschaft, alle beteiligten Akteure einbindend, einen Prozess in Gang gesetzt, der geeignet ist, um diese Ziele zu erreichen und am Ende Deutschland als Wirtschafts- und Technologiestandort zu stärken. International indet Deutschland eine hohe Beachtung bzgl. seines Ansatzes Wasserstof, Brennstofzelle und Batterie langfristig, ressortübergreifend, technologieoffen und die Bedürfnisse von Politik und Industrie einbeziehend zu fördern. In diesem Kontext ist die NOW meines Erachtens ein gutes Beispiel für eizientes Innovationsmanagement von öfentlich geförderter Forschung und Entwicklung. ■ HINTERGRUND NOW - Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie Kernaufgabe der NOW ist es, zwei Marktvorbereitungsprogramme des Bundes umzusetzen: das Nationale Innovationsprogramm Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie (NIP) sowie die Modellregionen Elektromobilität des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Die NOW versteht sich dabei als neutrale und ofene Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Sie initiiert, bewertet und begleitet konkrete Projekte; moderiert die strategische Ausrichtung der Programme und dient als Plattform für die Bildung von Industrieallianzen zu speziischen Themen (z. B. http: / / h2-mobility.de/ , http: / / www.performing-energy.de/ ). Die NOW sorgt auch für die Verwertung und Verbreitung von Erkenntnissen aus der Projektarbeit bzw. der begleitenden wissenschaftlichen Forschung und forciert die internationale Zusammenarbeit. Seit 2015 ist die NOW zudem durch das BMVI mit der Erarbeitung nationaler Strategiepläne im Rahmen des EU-Maßnahmenpakets Clean Power for Transport beauftragt. Modellregionen Elektromobilität Seit 2009 koordiniert die NOW in bislang über 480 Einzelvorhaben die Projektarbeit und Begleitforschung im Rahmen der Modellregionen Elektromobilität des BMVI. Der Förderansatz unterstützt eine übergreifende Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und öfentlicher Hand, um die Verankerung der Elektromobilität im Alltag voranzutreiben. Mit seiner aktuellen Förderrichtlinie fördert das BMVI den Markthochlauf von Fahrzeugen mit elektrischen Antrieben insbesondere in Kommunen inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur (http: / / www. now-gmbh.de/ de/ foerderrichtlinie_elektromobilitaet.html). Starterset Elektromobilität von BMVI und NOW Das Starterset Elektromobilität (http: / / starterset-elektromobilitaet.de) soll Kommunen in die Lage versetzen, besser und einfacher in das Thema starten zu können. Es enthält praktische Handlungsempfehlungen für Kommunen, die im Rahmen des Förderprogramms Modellregionen Elektromobilität BMVI erarbeitet wurden. Eingelossen sind Ergebnisse und Erfahrungen, die das NOW gemeinsam mit seinen Projektpartnern (Automobilhersteller, Energieversorgungsunternehmen, Kommunen, Verkehrsbetriebe, wissenschaftliche Einrichtungen und weitere) in den vergangenen Jahren beim Aufbau von Elektromobilität gemacht haben. klaus Bonhof, Dr. Geschäftsführer (Sprecher), NOW Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie, Berlin klaus.bonhof@now-gmbh.de Bild 3: In Deutschland gibt es rund 2500 Ladestationen. Rund 1500 aller zugelassenen Batteriefahrzeuge sind Teil der Modellregionen Elektromobilität. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 24 INFRASTRUKTUR Kolumbien Kolumbien will Verkehrsinfrastruktur ausbauen Fokus auf Straßenbau - Finanzierung durch Private Südamerika, Transportinfrastruktur, Finanzierungsmodelle, Public Private Partnership Kolumbien ist geographisch günstig im Norden des südamerikanischen Subkontinents gelegen. Die Karibikhäfen Barranquilla und Cartagena und der Hafen Buenaventura am Pazifik könnten Kolumbien zu einer Logistikdrehscheibe zwischen dem Atlantik und dem Pazifik machen. Vor allem die unzureichende Infrastruktur hat dies bislang verhindert. Zudem stellt dieses Defizit ein ernstes Hindernis für die weitere Entwicklung des Landes dar. Der Nachholbedarf Kolumbiens kommt in verschiedenen Indikatoren klar zum Ausdruck. Die Politik will dem jetzt stärker Rechnung tragen. Der Autor: Armin F. Schwolgin N ach dem Global Competitive Report des World Economic Forum rangiert die Infrastruktur Kolumbiens insgesamt auf Rang 84 von 144 untersuchten Ländern, die Straßeninfrastruktur nur auf Platz 126. Nach der Korruption wird die unzureichende Infrastruktur als zweitgrößtes Problem des Landes wahrgenommen [1]. Ein ähnliches Bild liefert der Logistics Performance Index der Weltbank. Danach liegt die Infrastruktur Kolumbiens auf Rang 98 von 160 Ländern [2]. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat die Regierung des im Juni 2014 im Amt bestätigten Präsidenten Juan Manuel Santos neben der Befriedung des Landes dem Auf- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur endlich das notwendige Gewicht beigemessen. Organisatorisch kommt dies in den neuen Zuständigkeiten des Vizepräsidenten Germán Vargas Lleras zum Ausdruck. Nach dem Dekret 1647/ 2014 ist er nicht nur der Verhinderungsstellvertreter von Präsident Santos, sondern hat auch eine Reihe von direkten Aufgaben erhalten. Dazu zählt vor allem die „interinstitutionelle und intersektorale Koordination von Projekten der Infrastruktur und der urbanen Erneuerung“ [3]. In einem von der für die Koordination der Infrastruktur zuständigen Direktorat des Vizepräsidenten erarbeiteten Plan für 2015 sind zusätzlich weitere vier Aufgaben genannt: die quartalsmäßige Überprüfung der Zielerreichung der von den staatlichen Stellen vorgegebenen Ziele, die Anhörung staatlicher und privater Stellen, die mit Projekten der Transportinfrastruktur befasst sind, die Identiizierung und Förderung von Public Private Partnerships sowie die Kommunikation und Steuerung von Infrastrukturmaßnahmen in Richtung der Gremien und Unternehmen [4]. Verkehrsinfrastruktur hat hohe Priorität Diese Koordinationsfunktion ist angesichts der verschiedenen Ministerien und Behörden, die in Kolumbien involviert sind, ein wichtiger Baustein für den Erfolg einer Verkehrsinfrastrukturpolitik. Beteiligt sind neben dem Transportministerium zunächst die diesem unterstellte Nationale Infrastruktur Agentur ANI (Agencia Nacional de Infraestructura). Hinzu kommt die Entwicklungsbank FDN (Financiera de Desarrollo Nacional S. A.), ein in privater Rechtsform geführtes Finanzinstitut, das trotz seiner zum Teil privaten Aktionäre dem Finanzministerium zugeordnet ist. Neben dem kolumbianischen Staat (73 %) sind vor allem die International Finance Corporatión IFC (17,7 %) und die Corporacion Andina de Fomento CAF (8,8 %) beteiligt. Die Ratingagentur Fitch hat der FDN im April 2015 ein Rating von BBB (Investmentgrade) verliehen, welches dem Rating Kolumbiens entspricht [5]. Die Aufgabe der FDN besteht darin, die zum Aus- und Aubau der Infrastruktur Kolumbiens erforderlichen Mittel im In- und Ausland zu beschafen. Als dritte Behörde kommt das Nationale Planungsamt DNP (Departamento Nacional de Planeación) hinzu, das direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Überschneidungen bei den Aufgaben sind nicht zu übersehen. Insofern ist die neue Zuständigkeit des Vizepräsidenten von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Infrastrukturentwicklung in Kolumbien [6], zumal auch die Provinzen (Departamentos) und die Kommunen sowie deren Repräsentanten beteiligt sein wollen (Bild 1). Bild 1: Zuständigkeiten für die Verkehrsinfrastruktur in Kolumbien Quelle: Schwolgin Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 25 Kolumbien Infrastruktur Interesse an ausländischem know-how Die dringende Notwendigkeit, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen und zu entwickeln, wurde Ende Juli 2015 im Rahmen einer Konferenz über „International Best Practices in Transportation Planning“ deutlich. Hierzu hatten im Auftrag des Vizepräsidenten die Präsidenten der FDN und der ANI in- und ausländische Experten aus Kanada, Mexiko, Chile, Korea und Deutschland 1 nach Bogotá eingeladen. Den Vorsitz hatten Transportministerin Natalia Abello Vives und ihre Vizeminister, Enrique José Nates Guerra (Bild 2). In ihren Eingangsstatements machten die Spitzen des Ministeriums deutlich, welche ungeheuren infrastrukturellen Anstrengungen Kolumbien unternehmen müsse, um die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu ermöglichen. Das Interesse der kolumbianischen Fachleute bezog sich auf Fragen nach der Abstimmung und Koordination der Planung auf der nationalen, regionalen und lokalen Ebene. Die Bewertung und Priorisierung der Projekte war ein weiterer Komplex, der die Kolumbianer interessierte. Breiten Raum nahmen schließlich die Fragen der Finanzierung ein, wobei die Gastgeber besonderes Interesse an den Erfahrungen mit Public Private Partnerships hatten, da in Kolumbien für den Auf- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kaum Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. aktuelle Infrastrukturvorhaben Dem Auf- und Ausbau eines Straßennetzes kommt in Kolumbien eine sehr große Bedeutung zu. Zum einen, weil der Straßengüterverkehr der dominierende Verkehrsträger ist. Dabei spielen im Fernverkehr die superschweren Lastkraftwagen, im Volksmund „tractomulas“ (Lastesel) genannten Fahrzeuge eine dominierende Rolle (Bild 3). Mit einem zulässigen Gesamtgewicht von ca. 50 t, verteilt auf sechs Achsen, stellen diese Giganten der Straße das Rückgrat der kolumbianischen Transportwirtschaft dar [7]. Zum anderen ist die verkehrsmäßige Erschließung auch abgelegener Gebiete für die Entwicklung, aber auch für die Befriedung des Landes von großer Bedeutung. Deshalb will die Regierung nach Aussagen des Präsidenten der ANI, Fernando Andrade Moreno, in den nächsten Jahren die Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur von rund 1% des Bruttoinlandsproduktes auf 3 % steigern [8]. Dies wäre ein Stand, den das Land seit 1995 nicht mehr erreicht hat [9]. Allerdings sollen Zweidrittel der Gesamtsumme durch private Investoren aufgebracht werden. Nach den vom Präsidenten der FDN, Clemente del Valle Borráez, genannten Hartwährungszahlen (vgl. Tabelle-1) sollen über 80 % der Mittel in den Straßenbau ließen [10]. straßenbauprogramm der 4.-Generation Das vierte Straßenbauprogramm (bekannt als 4G oder IV Generación), das den Zeitraum bis ca. 2022 umfasst, soll mit 8000 km mehr als dreimal so umfangreich werden wie das dritte Programm der Jahre 2001 - 2013. Von der vorgesehenen Gesamtstrecke werden mehr als 1370 km vierspurig geplant. Der überwiegende Teil der Gesamtstrecke ist für eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 80 km/ h ausgelegt. Auf Grund der topographischen Situation sind Bild 2: Transportministerin Abello Vives (rechts) und ihr Stellvertreter Nates Guerra Quelle: Schwolgin Bild 3: „Tractomulas“ sind das Rückgrat der kolumbianischen Transportwirtschaft Quelle: Schwolgin Verkehrsträger Zahl der Einzelprojekte Länge kosten (in Mrd. us$) Straßen 40 8.000 km 27,00 Flughäfen 3 1,31 Häfen 5 1,00 Eisenbahn 10 3,00 Binnenschiffahrt Magdalena 1,00 Summe 33,31 Tabelle 1: Aktuelle Infrastrukturprojekte in Kolumbien Quelle: del Valle (2014), Übersetzung des Verfassers Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 26 INFRASTRUKTUR Kolumbien insgesamt 159 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 141 km erforderlich. Hinzu kommen 1300 Brücken mit einer Länge von 146 km [11]. Ein Blick auf die Straßenkarte (Bild 4) zeigt, dass der Ausbau der Nord-Süd-Verbindungen im Westen, in der Mitte und im Osten des Landes Priorität haben. Hinzu kommen einige Querspangen, z. B. von Medellín nach Tunja oder von La Felisa in den Großraum Bogotá. Für die Logistik und damit für die wirtschaftliche Entwicklung Kolumbiens ist auch die Verbindung der Hafenstädte Santa Marta, Barranquilla und Cartagena am Atlantik von großer Bedeutung. Der Paziikhafen Buenaventura wird zukünftig deutlich besser an die Wirtschaftszentren Cali, Medellín und Bogotá angebunden sein. Ende Juli kündigte Vizepräsident Vargas Lleras in den Medien an, dass nach dem sechsspurigen Ausbau der Strecke zwischen Bogotá und Girardot in diesem Jahr noch sieben große Straßenbauprojekte mit einem Volumen von 17 Billionen kolumbianische Pesos (gut 5 Mrd. EUR) an private Investoren vergeben werden sollen. Er unterstrich zugleich, dass die momentane Haushaltslage es nicht erlaube, Infrastrukturprojekte aus staatlichen Mitteln zu inanzieren. Denkbar wären in Ausnahmefällen Mischinanzierungen mit einem Staatsanteil von 20 %. Dies wurde sowohl von dem Departemento Nacional de Planeación (DNP) als auch aus Kreisen der ANI bestätigt [12]. Ambitionierter Masterplan für den Transportbereich Im Rahmen der Best Practice Konferenz wurde erklärt, dass Kolumbien bis Ende 2015 einen „Intermodal Transportation Master Plan“ vorlegen will, der auf 20 Jahre (2015-2035) angelegt sein soll. Ausgehend von der erwarteten Verkehrsnachfrage geht es darum, eine Verkehrsinfrastruktur zu schafen, die den Außenhandel stärkt und zugleich die regionale Entwicklung und Beschäftigung fördert. Nach den Ausführungen des für die Planungsmethodik zuständigen Vertreters der FDN, Juan Benevides, sollen die 18 Oberzentren verkehrsmäßig so angeschlossen und verbunden werden, dass Kolumbien in dem Logistics Performance Index der Weltbank von der bisher als äußerst unbefriedigend empfundenen Gesamtposition 97 in Richtung von Chile oder Mexiko aufsteigt, die heute auf den Rängen 42 und 50 liegen. Neben der regionalen Entwicklung, die auch einen Beitrag zur nachhaltigen Befriedung des Landes leisten soll, geht es nach Benevides vor allem um die bessere Integration Kolumbiens in den Weltmarkt sowie insbesondere die Stärkung der Landwirtschaft und des produzierenden Sektors. Der bisherige Masterplan fokussiert sehr stark auf den Straßenverkehr. Der Modal Split im Güterverkehr zeigt die Dominanz des Verkehrsträgers Straße (Tabelle 2). Der Verkehrsträger Schiene dient zu 99 % allein dem Kohletransport von zwei Bergwerken im Landesinneren zu den Häfen [13]. Bild 4: Aktuelles (grün) und geplantes Netz (rot) der an Private konzessionierten Straßen Quelle: FDN Tonnen in Tsd. Prozent Straßen 102.961 60,6 Schiene 49.227 29,0 Binnenwasserstraße 5.045 3,0 Luftverkehr 135 0,1 Küstenschiffahrt 399 0,2 Öl-Pipelines 12.100 7,1 Summe 169.867 100,0 Tabelle 2: Modal Split im Güterverkehr Kolumbiens Quelle: Cantillo, V.; Holguin-Veras, J.; Jaller, M. (2014), S. 492 Kolumbien INFRASTRUKTUR Ausblick Gerade im Hinblick auf die agrarischen Massengüter sowie Kohle und Öl wird eine Lösung der Verkehrsprobleme allein mit dem Ausbau des Straßennetzes nicht zu bewältigen sein. Zahlen für den Transport per Pipeline, der für die Ölindustrie des Landes von großer Bedeutung ist, wurden gar nicht genannt und sollen zunächst auch ausgeklammert werden. Auch der Eisenbahnsektor nimmt eine völlig untergeordnete Stellung ein; der Schienenpersonenverkehr kommt in den bisherigen Überlegungen erst gar nicht vor. Beim Schienengüterverkehr wird zudem die ordnungspolitische Frage des Open Access bisher nicht aufgeworfen. Die multimodale Ausrichtung der Verkehrspolitik im Sinne einer Integration aller Modi in einer Transportkette indet in der Planung kaum ihren Niederschlag. Die Möglichkeiten des begleiteten und unbegleiteten kombinierten Verkehrs scheinen bei den Akteuren noch nicht richtig eingeschätzt zu werden. Dies wurde auch in einem Interview, das der Vizepräsident im Juni der Wirtschaftszeitung Portafolio gegeben hat, deutlich [14]. Bei dem Ausbau der Binnenschiffahrt geht es vor allem um die Regulierung des Flusses Magdalena, von dem bisher nur 300 km von 900 km wirtschaftlich genutzt werden können. Multimodale Terminals mit entsprechender Straßen- und Schienenanbindung wären in die Planung einzubeziehen. Die Fertigstellung des Verkehrsinfrastrukturplans bis Ende November erscheint sehr ambitioniert. Dies liegt sicher nicht am guten Willen der handelnden Personen, die alle über eine bemerkenswerte Vita verfügen. Das Problem ist eher ein übertriebener Ehrgeiz, da man sich vorgenommen hat, für alle Projekte eine detaillierte Kostenplanung vorzulegen, die Basis für Ausschreibungen sein soll. Dies ist angesichts der verfügbaren zeitlichen und personellen Ressourcen wohl kaum realisierbar. ■ 1 Auch der Verfasser hielt sich Ende Juli 2015 auf Einladung der kolumbianischen Regierung in Bogotá auf. LITERATUR: [1] Vgl. World Economic Forum (Hrsg.): The Global Competitiveness Report 2014 - 2015, Geneva 2014, S. 156 und 157. [2] Vgl. The World Bank (Hrsg.): Connecting to compete. Trade Logistics in the Global Economy 2014, S. 36. [3] Vgl. Decreto Nr. 1647 vom 2. September 2014, http: / / wsp.presidencia.gov.co/ Normativa/ Decretos / 2014/ Documents/ SEPTIEMBRE/ 02/ DECRETO%201647%20DEL%2002%20DE%20SEPTIEMBRE%20DE%20 2014.pdf, abgerufen am 8.9.2015, Übersetzung des Verfassers. [4] Vgl. Dirección par als Coordinación de Infraestructura: Plan operativo 2015, hrsg. von der Vicepresidencia, in: http: / / www.vicepresidencia.gov.co/ vicepresidencia/ Lists/ Planes%20operativos_/ Attachments/ 1/ Presentación%20Plan%20Operativo%202015.pdf, abgerufen am 8.9.2015. [5] Vgl. o. V.: Fitch Assigns Support-Driven Ratings to Financiera de Desarrollo Nacional S. A., in: http: / / www.reuters.com/ article/ 2015/ 04/ 07/ idUSFit91865120150407, abgerufen am 8.9.2015. [6] Die oberste Zuständigkeit für die Infrastrukturpolitik hat allerdings dazu geführt, dass die Transportministerin in der ersten Amtszeit von Präsident Santos, Cecilia Àlvarez-Correa Glen, ausgeschieden ist, die bereits in der Vergangenheit wichtige Impulse gesetzt hatte. Vgl. Dazu auch Schwolgin, Armin F.: Die Wiederentdeckung der Eisenbahn in Kolumbien. Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft. Working & Discussion Paper No. 1/ 2015, insbesondere S. 25. [7] Vgl. Schwolgin, Armin F.: Ohne “tractomulas” rollt es nicht. Reformen im kolumbianischen Güterverkehr haben es schwer, in: ITZ Internationale Transportzeitschrift Nr. 31-34/ 2013, S. 28. [8] Vgl. Bracing for Change. Interview mit Luis Fernando Andrade Moreno, Präsident der Agencia Nacional de Infraestructura, in: The Business Year 2013, https: / / www.thebusinessyear.com/ colombia-2013/ bracing-for-change/ interview. [9] Vgl. Schwolgin (2015), S. 10 sowie derselbe: „Kolumbien hat zu wenig investiert“, in: DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung vom 18.6.2013, S.-3. [10] Vgl. del Vale, Clemente: A new approach to infrastructure inancing in Colombia. Power Point Presentation, Bogotá April 2014, Folie 5. [11] Vgl. Andrade Moreno, Luis Fernando: Programa Cuarta Generación de Concesiones. Implicaciones iscales, Power Point Präsentation, Bogotá 16. Juli 2015, Folie 2 sowie del Vale, Clemente: Nuevas Oportunidades de Financiamento en el Infraestructura, Bogotá Juno 2015. [12] Vgl. Murillo Mojica, Òscar: $ 17 billones en iniciativas privadas para carretas, in: El Tiempo vom 27. Juli 2015, S. 7. [13] Vgl. Cantillo, Victor; Holgun-Veras, Jose; Jaller, Miguel: The Columbian Strategic Freight Transport Model based on Product Analysis, in: Promet - Traic & Transportation No.6/ 2014, S. 487 - 496, hier S. 492. [14] Vgl. o. V.: Ríos, trens y aeroportos tambíem serán ‘4G’, Interview mit dem Vizepräsidenten Kolumbiens Germán Vargas Lleras, 23. Juni 2015, in: http: / / www.portafolio.co/ especiales/ rutas-cuartageneracion-4g-colombia/ sistemas-transporte-4g-colombia-vargas-lleras, abgerufen am 8.9.2015. Armin F. Schwolgin, Prof. Dr. Studiengangsleiter, BWL-Spedition, Transport und Logistik, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Lörrach; Adjunct Professor Beijing Wuzi University schwolgin@dhbw-loerrach.de * Industrie-Sectionaltor SPU 67 Thermo im Vergleich zum SPU 42 Energiesparen inklusive: Sectionaltore SPU Thermo • Europas Nr. 1 mit über 75 Jahren Erfahrung im Torbau • beste Wärmedämmung: U-Wert bis zu 0,51 W/ (m² • K) • Weltneuheit: thermisch getrennte Schlupftür mit extralacher Edelstahl-Schwelle Industrie-Sectionaltor SPU F42 Industrie-Sectionaltor SPU 67 Thermo bis zu 30 % * bessere Wärmedämmung Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 28 Thailands neuer Logistikplan Asean-Wirtschaftsgemeinschaft beschleunigt Ausbau Hafenausbau, Hochgeschwindigkeitsverkehr, Gütertransport, Luftverkehr, Asean Economic Community Thailand hat einen Infrastruktur-Entwicklungsplan (2015 bis 2022) im Wert von rund 60 Mrd. EUR genehmigt. Mehr als 70 % des Budgets sollen für die Überholung und Restrukturierung des Transportsystems aufgewendet werden, damit sich das Königreich zum Logistik- und Fertigungshub in der Asean Economic Community entwickeln kann. Der Autor: Dirk Ruppik M assiv ausbauen will Thailand im Rahmen der Asean Economic Community (AEC) die eigene Infrastruktur und die Anbindung an die Nachbarländer: Im Juli 2014 hat die Regierung einen Infrastruktur- Entwicklungsplan für die Jahre 2015 bis 2022 im Wert von 2400 Mrd. THB (rund 60-Mrd. EUR) genehmigt. Von diesem Budget sollen mehr als 70 % für die Überholung und Restrukturierung des Transportsystems aufgewendet werden. Durch den Ausbau des Eisenbahnsystems soll auch die Abhängigkeit des Landes vom Straßentransport reduziert werden. Mehr als 80 % aller Güter werden im Königreich auf der Straße transportiert (2 % auf der Schiene, s.-Bild 1). Das Land nimmt eine bedeutende Schlüsselrolle als Fertigungsszentrum in der Greater Mekong Subregion (GMS) ein. Daher ist der Ausbau des Schienennetzwerkes auch für den Frachttransport eine dringende Notwendigkeit. Im Rahmen des Plans ist beabsichtigt, das Intercity-Schienennetzwerk auf den Hauptstrecken zweispurig auszubauen. Ebenso werden die Flughäfen und Seehäfen erweitert und deren Kapazität erhöht sowie die Anbindung an das Hinterland verbessert. Die Schnellstraßen des Landes sollen zwischen den bedeutenden Wirtschaftszonen und an den Grenzen zu Nachbarländern vierspurig werden. Zudem ist geplant, Containerhöfe und andere Einrichtungen zu bauen (Tabelle 1). Beim Logistics Performance Index der Weltbank nahm das Königreich 2014 weltweit Platz 35 ein, bei den Asean-Staaten lag es auf Platz 3 hinter Singapur und Malaysia. Durch die zentrale Lage in den Asean- Staaten und der Wirtschaftsgemeinschaft AEC bieten sich viele Möglichkeiten im Bereich Logistik und Fertigung bzw. für den- Aubau von Verkaufs- und Vertriebszentren für die Region. Die Lohnkosten sind niedrig, der durchschnittliche Lohn liegt aktuell bei 13 000 THB (325 EUR), fachlich besonders qualiizierte Arbeitskräfte sind allerdings schwer zu bekommen. Ein weiteres Problem ist die trotz der neuen Militärregierung politisch nach wie vor instabile Lage. Viele Menschen schauen mit Ungewissheit und Angst einer möglichen Destabilisierung des Landes entgegen, wenn der 87-jährige König Rama IX. Bhumibol Aduljadej stirbt, seit 1946 im Amt und damit das am längsten regierende Staatsoberhaupt der Welt. Künftig zweigleisig und mit Hochgeschwindigkeit Das thailändische Schienennetzwerk hat momentan eine Länge von 4043 km, davon 3685 km eingleisig. Die durchschnittliche Geschwindigkeit beträgt nur 60 km pro Stunde bei Passagierzügen und 39 km pro Stunde bei Güterzügen, da diese überwiegend eingleisig fahren. In den nächsten Jahren sollen die Schienenverbindungen zwei- LOGISTIK Infrastrukturausbau Ostasien Don Mueang International Airport Cargo Terminal in Bangkok Foto: PlusMinus/ wikipedia.de Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 29 Infrastrukturausbau Ostasien LOGISTIK oder dreispurig ausgelegt werden und Geschwindigkeiten von 100 bis 120 km/ h erlauben. Bis 2022 soll sich die Gesamtstrecke auf 5097 km verlängern, wobei 3215 km dann zweigleisig sein sollen. Es wird erwartet, dass das Gütertransportvolumen von 11- Mio. t pro Jahr auf 50 Mio. t pro Jahr ansteigt. Die Frachtzüge werden dann mit einer Geschwindigkeit von 60 km/ h und die Passagierzüge mit 100 km/ h fahren. Vier Eisenbahnrouten sind als Hochgeschwindigkeitsstrecken (HGS) ausgewiesen. Alle beginnen in Bangkok und führen in den Norden (Chiang Mai), Nordosten (Nong Khai und Ubon Ratchathani), den Osten (Chanthaburi und Aranyaprathet) sowie den Süden (Padang Besar). Anstelle ofener Ausschreibungen existieren bilaterale Regierungsabkommen (G2G) mit China und Japan zum Bau der HGS. Die Bauarbeiten werden überwiegend thailändischen Bauirmen vorbehalten bleiben. Bislang sollte die Höchstgeschwindigkeit bei 250 km/ h liegen. Laut dem stellvertretenden Ministerpräsident Thailands, Pridiyathorn Devakula, wird der Bau sehr wahrscheinlich im November starten, die Finanzierung iat aber noch ungewiss (Bild 2). Eine der Linien führt vom chinesischen Kunming ins thailändische Nong Khai (Isaan Provinz). Die South China Morning Post berichtete im Juni, dass sich China gegen eine HGS in Thailand entschieden hat. Dazu Pridiyathorn Devakula: „Wir haben die Chinesen eingeladen, eine HGS zu bauen, doch die haben sich für mittlere Geschwindigkeiten entschieden, da sie auch den Gütertransport ermöglichen wollen. Es ist die Entscheidung Chinas, nicht Thailands.“ Ende Juli berichtete die Bangkok Post, ein japanisches Team sei zu einer Streckenuntersuchung für die 672 km lange HGS zwischen Chiang Mai und Bangkok entsandt worden. Laut dem stellvertretendem Transportminister Arkhom Termpittayapaisith ist ein Arbeitsplan für die HGS zwischen Bangkok und Chiang Mai vollendet worden. Im Stadtteil Bang Sue im Chatuchak-Distrikt von Bangkok wird zudem bis 2019 ein neuer Hauptbahnhof fertiggestellt werden. Um entlegene Regionen zu fördern, wurden sechs Gebiete für die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen ausgewählt. Dazu gehören Nong Khai, Mukdahan, Trat, Tak, Sa Kaeo und Songkhla. Ausbau beider Hauptstadtflughäfen Im Infrastruktur-Entwicklungsplan ist ein massiver Ausbau der Flughäfen Suvarnabhumi und Don Mueang in der Hauptstadt (großes Bild Seite 28), Phuket, Betong in der Yala-Provinz in Südthailand sowie Mae Sot in der Provinz Tak im nördlichen Thailand vorgesehen. Laut Regierung soll Thailand aufgrund der günstigen Lage in der AEC zum regionalen Zentrum für Lufttransport werden. Gemäß des Transportministeriums soll der Hauptstadtlughafen Suvarnabhumi in naher Zukunft alleine 120- Mio. Passagiere (Pax) abfertigen und 6,5-Mio. t Fracht umschlagen (in 2013 rund rund 66 Mio. Pax und 1,25 Mio. t zusammen mit Don Muang). Suvarnabhumi arbeitet bereits an der Kapazitätsgrenze und soll bis 2017 auf eine Railway Expand the inter-city rail network, with double track on main rails and extension to respective city borders Enhance mass tranist railway system in Bagkok an vicinity Air transport Enhace capacity of airports to serve as regional air traic hub Establish aviation industrial estates Sea transport Improve capacity and land connectivity of seaports on both Gulf ot Thailand and Andaman Sea (West of Thailand) Road Enhance highway capacity with four-lane road networks connecting key economic regions and linking border areas with neighbouring countries Devleop facilities along the main roads (such as container yards) Tabelle 1: Hauptprojekte des Infrastrukturentwicklungsplans (2015-2022) Quelle: Thailand Board of Investment Bild 1: Probleme des Transport- und Logistiksystems Bild 2: Hochgeschwindigkeitszüge wie der Zeiro von Bombardier sollen künftig auch in Thailand unterwegs sein. Foto: Bombardier Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 30 LOGISTIK Infrastrukturausbau Ostasien Kapazität von jährlich 60 Mio. Pax erweitert werden. Gleichzeitig wird der alte Hauptstadtlughafen ausgebaut und soll laut Bangkok Post schon in diesem Jahr als regional führender Hub für Billigluglinien dienen. Betreiber AOT renoviert die Terminals 1 und 2, um bei Eröfnung rund 30 Mio. Pax abfertigen zu können, momentan wird nur Terminal 1 betrieben. Am Flughafen Phuket wurde die Fertigstellung des Erweiterungsprojekts auch wegen schwerer Monsunregen auf 2016 verschoben. Die Kapazität liegt dann bei 12,5-Mio. Pax. Allerdings wird erwartet, dass schon Ende 2015 mehr als zwölf Millionen Passagiere auf die Insel kommen. „Die Zahl der Passagiere wächst aufgrund der Popularität der Resorts und dem Ruf als tropische Trauminsel rasant. Bei Fertigstellung des Flughafenausbaus könnten schon jährlich 18 Millionen Passagiere auf Phuket ankommen“, erklärte Flughafendirektor Prathuang Sornkham. Gemäß Berichten der Bangkok Post ist zudem der Ausbau der Flughäfen in Chiang Mai und Chiang Rai im Norden und Songkhla (Hat Yai) im Süden nahe Malaysia geplant (Tabelle 2). Landesweites Hafennetzwerk entsteht Im Rahmen des Infrastrukturplans wird das Königreich die Häfen Laem Chabang, Map Ta Phut, Chumpon, Songkhla 2 und Pakbara ausbauen, wobei Laem Chabang als wichtigster Hafen (Bild 3) derzeit die dritte Ausbauphase entwickelt. Der Hafen in der Nähe Pattayas nahm beim Containervolumen-Ranking 2015 des amerikanischen Journal of Commerce (JOC) Platz 22 ein und schlug 6,58 Mio. TEU im Jahre 2014 um, ein Plus von 9 % gegenüber dem Vorjahr. Laut der stellvertretenden Direktorin Arporn Tanttivechakul wird die Anbindung an Inlandswasserwege und die Schienenanbindung verbessert: „In der Zukunft wird Laem Chabang über zwei Gleise erreichbar sein. Nur ein Betreiber wird den Transport durchführen. Bisher organisieren die verschiedenen Terminalbetreiber, ihren Transfer selbst. Dies führt immer wieder zu Verstopfungen.“ Weiterhin werden Einrichtungen für den Container- und Passagierverkehr gebaut werden. Am bedeutensten ist die geplante Ausbaggerung des Hafens auf 18 m, wodurch Laem Chabang auch Megacontainerschife handeln könnte. Prajin Juntong, Generaloberst der Luftwafe und Transportminister Thailands, sagte, dass auch der Industriehafen Map Ta Phut in Rayong entwickelt werden soll, berichtete die Londoner Worldfolio. „Wir planen zudem den Bau eines Tiefwasserhafens in Pakbara im Süden Thailands in der Satun-Provinz. Bild 4: Laufende und geplante Infrastrukturprojekte Thailands Bild 3: Bei Laem Chabang als wichtigstem Hafen steht derzeit die dritte Ausbauphase an. Foto: Laem Chabang Port Airport Total Movement % Change from 2012 Passenger Aircraft Movement Passenger Aircraft Movement Chiang Mai 5,172,742 41,295 19.34 16.09 Chiang Rai 1,053,863 6,882 13.77 3.12 Hat Yai 2,465,370 17,056 22.46 17.04 Phuket 10,979,537 70,198 19.85 18.17 Suvarnabhumi & Don Mueang 66,463,450 423,992 20.65 16.45 Note: Data for fiscal years, Oct 2012-Sep 2013 Tabelle 2: Luftverkehr und Passagieraufkommen 2013 in Thailand Quelle: Airports of Thailand Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 31 Infrastrukturausbau Ostasien Logistik Momentan erstellen wir noch eine Machbarkeitsstudie. Wir wollen den anschließenden Meeresnationalpark nicht schädigen.“ Pakbara soll über Land mit dem Hafen Songkhla an der Ostküste verbunden werden. Ein weiteres Projekt ist der Ausbau des Seehafens Chumporn im mittleren südlichen Thailand. „Wir fokussieren nicht nur auf die Entwicklung der Inlandshäfen, sondern auch auf internationale Großprojekte, wie den Hafen Dawei in Myanmar in der Andamanen-See“, erklärte Juntong. „Im Moment sind wir im Verhandlungsprozess über die Finanzierung zwischen Myanmar, Thailand und China.“ Zu diesem Projekt gehört die Anbindung des Hafens via Schiene und Straße an Thailand, Kambodscha und Vietnam. Eine grenzüberschreitende Schnellstraße und eine Eisenbahnlinie werden Myanmar mit dem Nachbarland Thailand, via dem Tenasserim Gebirge mit Bangkok und dem Haupthafen Laem Chabang verbinden. Viele Waren sowie Öl und Gas können dann direkt unter Umgehung Singapurs über Burma nach Südchina und Südostasien gelangen. Für die langfristige Sicherung des Strombedarfs in der AEC spielen Myanmar und Laos eine wichtige Rolle. So investierte das thailändische Erdölunternehmen PTT Exploration & Production in fünf burmesische Ofshore-Felder und wird wohl auch an weiteren Ausschreibungen teilhaben. Der Hafen ist nicht zuletzt für die chinesische Regierung von Interesse, die damit Ressourcen wie Öl unter Umgehung der Melakkastraße nach Südchina befördern kann. Hub für die Region durch massiven straßenausbau schafen Thailand teilt über 5500 km Grenze mit den Nachbarstaaten Myanmar, Laos, Kambodscha und Malaysia. Laut Thailand Development Research Institute (TDRI) führt das Königreich derzeit 23 grenzübergreifende Landinfrastrukturprojekte durch: Acht zwischen Thailand und Laos, drei zwischen Thailand und Kambodscha, fünf Projekte zwischen Thailand und Malaysia und sieben Projekte zwischen Thailand und Myanmar (Bild 4). Zudem soll auch das inländische Schnellstraßensystem massiv ausgebaut werden. Um die Transitzeiten zwischen Bangkok und anderen großen Städten zu verringern, werden erweiterte vierspurige Schnellstraßen gebaut. Insgesamt sind laut Board of Investment (BOI) 235 Projekte auf zwölf Hauptverbindungen mit insgesamt 2162 km Streckenlänge geplant. Das Transportministerium (MOT) verlautbart, dass auch die Straßenverbindungen zwischen Thailand und Myanmar und von Thailand via Kambodscha nach Vietnam für den LKW-Frachttransport entwickelt werden. Das Königreich besitze wegen seiner zentralen Lage klar das Potenzial, als Hub für den Inlandsfrachttransport der Mekong Subregion zu fungieren. Der Handel zwischen dem Königreich und Malaysia beläuft sich aktuell auf 20 % des gesamten thailändischen Inner-Asean-Handels. Wertmäßig liegen die Im- und Exporte über dem mit allen anderen Nachbarländern. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Engineering & Consulting Wir entwickeln weltweit intelligente Verkehrssysteme für dynamische Wirtschaftsregionen. Von der Idee bis zur Realisierung, für Projekte jeder Größenordnung - made by Deutsche Bahn. Für Menschen. Für Märkte. Für morgen. www.db-international.de Setzen Sie auf uns. DB International Foto Fabry Die ganze Welt setzt auf die Schiene. Entdecken Sie unsere App für iOS und Android Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 32 Logistik Wissenschaft Smart Steaming Ein Anreizsystem für die Unternehmen der-Binnenschiffahrt Anreize, Verhalten, Nachhaltigkeit, Kostensenkung Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz rücken in der Binnenschiffahrt zunehmend in den Fokus. Der Kraftstofverbrauch von Schifen ist hierbei ein wichtiger Parameter. Allerdings ist das Ziel „Reduzierung des Kraftstofverbrauchs“ stark vom Verhalten der Binnenschifsführer abhängig. Im Forschungsprojekt Smart Steaming wird ein an die Binnenschiffahrt angepasstes verhaltensorientiertes Steuerungskonzept zur Senkung des Kraftstofverbrauchs entwickelt. Dieses umfasst u.a. ein Anreizsystem, welches Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist. Die Autoren: Sabine Bolt, Judith M. Pütter D as Thema Nachhaltigkeit und insbesondere der Umweltschutz rücken auch in der Binnenschiffahrt zunehmend in den Fokus. Durch einen reduzierten Kraftstofverbrauch wird eine geringere Menge an Schadstofemissionen produziert, was in einem hohen Maße zum Umweltschutz beiträgt. Daneben bedeutet die Senkung des Kraftstofverbrauchs auch eine Reduzierung der Kosten und damit letztlich eine nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrtsunternehmen (BSU). Aktuell gibt es eine Vielzahl von Initiativen, die sich den Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Binnenschiffahrt widmen (z. B. Vision 2018 der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt (ZKR), das Kompetenzzentrum Green-Shipping Niedersachen (GSK)). Insbesondere werden hier technische Ansätze zur Optimierung des Kraftstofverbrauchs diskutiert, z. B. Investitionen in Motoren- und Antriebstechnologien. Diese Investitionen sind jedoch mit hohen Kosten verbunden. Darüber hinaus umfasst deren Umsetzung relativ langfristige Zeiträume. Für kleine und mittelständische BSU, die durch begrenzte inanzielle Ressourcen charakterisiert sind, sind diese Aufwendungen enorm. Im Forschungsprojekt „Smart Steaming“ befassen wir uns daher mit einem verhaltensorientierten Ansatz, der auch ohne weitreichende Investitionen im Rahmen der vorhandenen Technologien kurzfristig von kleinen und mittelständischen BSU umgesetzt werden kann. Dazu wurde ein an die Binnenschiffahrt angepasstes verhaltensorientiertes Steuerungskonzept zur Senkung des Kraftstofverbrauchs entwickelt [1], welches an das Fahrverhalten der Binnenschifsführer anknüpft. Das verhaltensorientierte Steuerungskonzept umfasst vier Bausteine (vgl. Bild 1): 1. Aktionsbezogene Steuerung: Es kann direkt Einluss auf das Fahrverhalten der Binnenschifsführer genommen werden, indem konkrete Fahranweisungen bzw. Vorgaben hinsichtlich einer optimalen Geschwindigkeit gegeben werden. 2. Ergebnisbezogene Steuerung: Es ist erforderlich, dass das Ergebnis der Leistung - das an die Vorgaben angepasste Fahrverhalten - belohnt oder sanktioniert wird. 3. Personenbezogene Steuerung: Die Mitarbeiter müssen vom Smart Steaming-Konzept überzeugt werden, indem Maßnahmen zum Aubau von Mitarbeiterkompetenzen und -motivation in den Unternehmen implementiert werden. 4. Kulturelle Steuerung: Auch eine kulturelle Verankerung des Smart Steaming-Konzeptes in den Unternehmen ist erforderlich, um durch Normen und Werte das Fahrverhalten der Binnenschifsführer zu beeinlussen. Eine Kernthematik ist das Anreizsystem, welches dem zweiten Baustein - der ergebnisbezogenen Steuerung - zuzuordnen ist. Das Anreizsystem wird im Rahmen des Projektes Smart Steaming so weiterentwickelt,-dass es im Kontext der Binnenschiffahrt anwendbar ist. Im folgenden Beitrag stellen wir die Struktur des für die Binnenschiffahrt angepassten Anreizsystems vor. Zunächst wird ein kurzer Überblick über Ziel und Inhalte von Anreizsystemen gegeben, um dann den aktuellen Entwicklungsstand des Anreizsystems vorzustellen. Der Beitrag schließt mit einem Fazit und Ausblick. Ein Anreizsystem für Unternehmen der Binnenschiffahrt Ziel eines Anreizsystems Die Erreichung des Unternehmensziels - in unserem Fall ein reduzierter bzw. optimaler Kraftstofverbrauch unter sonst gleichbleibender Leistungserbringung ist stark vom Verhalten des Binnenschifsführers und seiner Mannschaft abhängig. Das Unternehmensziel ist i. d. R. nur dann erreichbar, wenn es mit der individuellen Zielsetzung der Binnenschifsführer übereinstimmt. In der Praxis ist jedoch oft zu beobachten, dass die individuel- Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 33 Wissenschaft LOGISTIK len Ziele der Mitarbeiter nicht mit den Zielen des Unternehmens übereinstimmen [2, 3]. Als Lösung hierfür werden oft Anreizsysteme eingesetzt, um eine Übereinstimmung der Unternehmensziele mit den individuellen Zielen der Mitarbeiter zu erreichen. Mithilfe des Einsatzes von Anreizsystemen kann das Unternehmen die Verhaltensweisen (hier: an das Ziel eines optimierten Kraftstofverbrauchs angepasstes Fahrverhalten der Binnenschifsführer) steuern: Erwünschtes Verhalten wird durch positive Anreize belohnt und unerwünschtes Verhalten durch negative Anreize bzw. Sanktionen, bestraft [4]. Damit Anreizsysteme zielgerichtet eingesetzt werden können, müssen diese unternehmensspeziisch gestaltet werden, d.h. an die jeweiligen Gegebenheiten des Unternehmens angepasst werden. Hierzu gehören die Auswahl von geeigneten Belohnungsarten, die Festlegung der Bemessungsgrundlage sowie die Deinition der Belohnungsfunktion [4]. Inhalte eines Anreizsystems Die Beantwortung der folgenden Fragen unterstützt dabei, ein Anreizsystem für BSU zu entwickeln: • Welche Belohnungsarten (Anreize) können positives Verhalten hervorrufen? • Mit welcher Bemessungsgrundlage können die Leistungen gemessen werden? • Wie soll die Belohnungsfunktion deiniert werden? D. h., welcher funktionale Zusammenhang soll zwischen den Belohnungsarten und den Bemessungsgrundlagen bestehen, um die Gewährung von Anreizen zu steuern? 1. Frage: Welche Belohnungsarten (Anreize) können positives Verhalten hervorrufen? Belohnungsarten sind speziische Anreize, die dem Binnenschifsführer gewährt werden, wenn er ein bestimmtes Ziel erreicht hat. Belohnungsarten lassen sich in materielle (direkt inanziell und indirekt inanziell) und in immaterielle Anreize unterscheiden [5, 6, 7]: Eine Möglichkeit für direkt inanzielle Anreize sind Erfolgsbeteiligungen bzw. Erfolgsprämien, die als Gewinnbeteiligung ausgeschüttet werden. Mit Erfolg ist nicht der wirtschaftliche Erfolg gemeint, sondern das Erreichen vorgegebener Ziele, in diesem Kontext Einsparung von Kraftstof in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes. Genauer könnte eine positive Entwicklung der Kosten, also Kosteneinsparung durch weniger Kraftstofverbrauch, gemeint sein. Indirekt inanzielle Anreize können in Form von inanziellen Zuschüssen an Sachleistungen oder Dienstleistungen gewährt werden. Im Rahmen des hier zu entwickelnden Anreizsystems sind BSU-speziische Sachleistungen, bspw. moderne Ausstattung des Arbeitsplatzes oder Zuschüsse an Dienstleistungen, bspw. Fahrtraining, gemeint. Durch indirekt inanzielle Belohnungsarten können Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreicht werden. Auch immateriellen Anreizen kommt in der Binnenschiffahrt eine große Bedeutung zu. Hierzu zählen bspw. Lob und Anerkennung. Der Vorteil immaterieller Anreize ist, dass deren Wirkung eindeutig und zielgerichtet auf die Bedürfnisse des einzelnen Binnenschifsführers ist und so individuell gestaltet werden kann [8]. 2. Frage: Mit welcher Bemessungsgrundlage können die Leistungen gemessen werden? Die Bemessungsgrundlage legt die Größen fest, anhand dieser das Ergebnis des Mitarbeiters gemessen wird [4]. Grundsätzlich kann bei kleinen und mittelständischen BSU als Bemessungsgrundlage die individuelle Zielvereinbarung eingesetzt werden. Als Grundlage für individuelle Zielvereinbarungen fungiert das Zielvereinbarungsgespräch. So kann im Zielvereinbarungsgespräch festgelegt werden, welche Ziele konkret erreicht werden sollen. Im Hinblick auf Smart Steaming können so Ziele formuliert werden, die darauf gerichtet sind, dass sich der Mitarbeiter an die Geschwindigkeitsvorgaben in Abhängigkeit der externen Einlussfaktoren (z. B. Wind, Strömung, etc.) hält. Schließlich sind Kennzahlen zu er- Aktionsbezogene Steuerung Direkte Einflussnahme auf das Verhalten Fokus: Handlungen der Mitarbeiter Steuerung des Verhaltens über Aktionen Handelnde werden über Verhaltensfreigaben oder Verhaltensbeschränkungen gesteuert Bedeutet: konkrete Fahranweisungen für bestimmte Streckenabschnitte Reportingsystem Ergebnisbezogene Steuerung Indirekte Einflussnahme auf das Verhalten Fokus: Ergebnisse von Aktivitäten der Mitarbeiter Durch Zielvorgaben und Anreize sollen die gewünschten Ergebnisse erreicht werden Zielerreichung wird über eine zuvor festgelegte Bemessungsgrundlage anhand einer geeigneten Belohnungsfunktion gemessen. Anreizsystem Zielvereinbarungssystem Personenbezogene Steuerung Personalmaßnahmen zum Aufbau von Mitarbeiterkompetenzen und Mitarbeitermotivation Anforderungsprofil für Smart Steaming (Berufsprofile) Theoriegeleitete Schulungen Trainingsmaßnahmen am Simulator Kulturelle Steuerung Verhaltensbeeinflussung bspw. über Werte und soziale Normen Implementierungskonzept: Handlungsleitfaden und kulturelle Verankerung (Gruppenbelohnung) Emotionale Nähe zwischen den Mitarbeitern aufbauen, um dadurch die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen. Bild 1: Verhaltensorientiertes Steuerungskonzept [1] Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 34 LOGISTIK Wissenschaft mitteln, die die Zielerreichung messen. Als mögliche Kennzahl ist bspw. der Kraftstofverbrauch je Fahrt zu nennen. Durch die Auswertung der Kennzahlen kann überprüft werden, ob der- Mitarbeiter die formulierten Ziele auch tatsächlich erreicht hat und ob folglich Belohnungen gewährt werden. Möglich ist auch, dass kollektive Zielvereinbarungen mit der gesamten Mannschaft in Betracht gezogen werden [4]. 3. Frage: Wie soll die Belohnungsfunktion definiert werden? Schließlich ist zu überlegen, wie die Belohnungsfunktion zu gestalten ist. Hierzu sind die Verlaufsform und der Gewährungsmodus zu bestimmen. Die Verlaufsform sagt aus, ob die Belohnung in Abhängigkeit der Zielerreichung angepasst wird. Eine ixe Verlaufsform bedeutet bspw., dass die Höhe der Belohnung nicht angepasst wird. Nur wenn das Ziel erreicht wird, gibt es die vereinbarte Belohnung. Die proportionale Verlaufsform ist bei quantitativ-messbaren Zielen geeignet. So steigt die Belohnung proportional zum eingesparten Kraftstof. Es soll auch möglich sein, dass sehr gute Leistungen, die weit über die Erwartungen hinausgehen, belohnt werden. Hier bietet sich der progressive Verlauf an. Der Gewährungsmodus gibt die zeitliche Diferenz zwischen Zielerreichung und Belohnung an. Grundsätzlich ist es angebracht, die Belohnung zeitnah nach der erfolgreichen Zielerreichung zu gewähren, damit die Belohnung auch als solche wirkt [4]. Stand des Projektes Aktuell werden die Belohnungsarten auf ihre Praxistauglichkeit untersucht. Hierzu werden zwei Umfragen durchgeführt. Ziele dieser Umfragen ist es, zum einen den Aufwand für die Unternehmen, der aus der Gewährung der Belohnungen resultiert, und zum anderen die Wirksamkeit einzelner Belohnungsarten zu bestimmen. Die erste Umfrage ist abgeschlossen und wurde mit Mitarbeitern in mehreren Unternehmen geführt, die die Belohnungen gewähren. Die Belohnungsarten wurden nach dem Aufwand der Umsetzung bewertet. Der Aufwand kann inanzieller Art sein oder in Form von Mitarbeiterkapazitäten auftreten. Finanzieller Aufwand entsteht bspw. durch die Auszahlung von direkt inanziellen Belohnungen sowie durch die Gewährung von Sachprämien. Die Bereitstellung von Kapazität in Form von Arbeitszeit, die für Tätigkeiten mit Bezug zum kraftstofsparenden Fahren entstehen - etwa für die Durchführung von Fahrtrainings oder Weiterbildungen - stellen ebenso einen Aufwand für das Unternehmen dar. Die zweite Umfrage wird aktuell mit Binnenschifsführern geführt. Diese sollen bewerten, welche Belohnungsarten sie besonders motivieren, um sich an Geschwindigkeitsvorgaben zu halten. Das Kriterium ist die Bewertung der Wirksamkeit von Belohnungsarten. Eine Belohnungsart, die keine Wirkung hat, ist nicht zweckdienlich. Die Belohnungsarten werden auf einer Skala von 1-5 bewertet. Bei diesen Umfragen ist noch anzumerken, dass die Bewertungen lediglich Einschätzungen darstellen und demnach als Tendenzen zu verstehen sind. Mit den Ergebnissen der Umfrage kann die erste Frage nach der Belohnungsart beantwortet und abgeschlossen werden. Für die Beantwortung der zweiten Frage wurden bereits Kennzahlen deiniert, ebenso wurde ein Leitfaden zur Durchführung von Zielvereinbarungsgesprächen entwickelt, der eine Orientierung in der Festlegung zur Bemessungsgrundlage gibt. Die Beantwortung der dritten Frage hinsichtlich der Belohnungsfunktion basiert auf den Ergebnissen der ersten beiden Fragen und kann erst nach Auswertung der Umfragen beantwortet werden. Fazit und Ausblick Ein Anreizsystem stellt eine gute Möglichkeit dar, das Verhalten der Binnenschifsführer zu beeinlussen. Wichtig ist, dass das Anreizsystem an die Gegebenheiten der Unternehmen angepasst wird. Neben dem Nutzen, den ein Anreizsystem bringt, ist auch der Aufwand zu berücksichtigen. Dieser ergibt sich bspw. aus der Gewährung materieller Anreize sowie der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Zielvereinbarungsgesprächen. Nach Auswertung der Ergebnisse steht ein Leitfaden für die Gestaltung eines Anreizsystems zur Verfügung. Bei Interesse kann dieser voraussichtlich ab 1. Dezember 2015 unter www.ipri-institute.com bezogen werden. ■ FÖRDERHINWEIS Das IGF-Vorhaben 18279 N der Forschungsvereinigung Entwicklungszentrum für Schifstechnik und Transportsysteme e.V. - DST, Oststraße 77, 47057 Duisburg wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. LITERATUR [1] Merchant, K.A.; Van der Stede, W.A.: Management Control Systems: Performance Measurement, Evaluation and Incentives, 2. Aul., Harlow 2007 [2] Guthof, P.: Strategische Anreizsysteme, Wiesbaden 1995 [3] von Staudt, E.; Bock, J.; Kriegsmann, B.: Anreizsystem als Instrument des betrieblichen Innovationsmanagements, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60. Jg. (1990), H. 11, S.-1183-1204 [4] Hungenberg, H.: Anreizsysteme für Führungskräfte - Theoretische Grundlagen und praktische Ausgestaltungsmöglichkeiten, in: Hahn, D. und Taylor, B.: Strategische Unternehmungsplanung - strategische Unternehmungsführung: Stand und Entwicklungstendenzen, Berlin u.a. 2006, S. 353-364 [5] Welge, M.; Hüttemann, H.; Al-Laham, A.: Strategieimplementierung, Anreizsystemgestaltung und Erfolg, in: Zeitschrift Führung und Organisation, 65. Jg. (1996), S. 80-85 [6] Guthof, P.: Strategische Anreizsysteme - Gestaltungsoptionen im Rahmen der Unternehmensentwicklung, Wiesbaden 1995 [7] Lechner, K.; Egger, A.; Schauer, R.: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 25. Aul., Wien 2010 [8] Wälchi, A.: Strategische Anreizsysteme, Bern u.a. 1995 Sabine Bolt, Dipl.-Kfr. Dipl.-Vw. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am International Performance Research Institute gGmbH, Stuttgart sbolt@ipri-institute.com Judith M. Pütter, Dipl.-Ök. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am International Performance Research Institute gGmbH, Stuttgart jpuetter@ipri-institute.com Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 35 Strategie-Check Logistik Strategische Positionierung und Ergebnisverbesserung bei-Transport- und Logistikunternehmen Wertschöpfungstiefe, Akquisitionsplanung, Unternehmenserfolg Zwischen Herbst 2014 und Frühjahr 2015 wurden 196 Transport- und Logistikunternehmen nach ihrer Strategie und Ansätzen zur Ergebnisverbesserung befragt. Mit einem vom Autor entwickelten internetbasierten Tool nahmen die Unternehmen eine Selbsteinschätzung vor. Dabei zeigte sich, dass viele Unternehmen gut aufgestellt sind, bei einem wesentlichen Teil jedoch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Der Autor: Paul Wittenbrink A ngesichts von in den letzten Jahren stagnierenden bzw. z. T. auch sinkenden Preisen für Transportunternehmen, einer volatilen Marktsituation und eines intensiven Wettbewerbs, ist es für Transport- und Logistikunternehmen umso wichtiger, über eine ausgefeilte Strategie 1 zu verfügen und sämtliche Potenziale zur Ergebnisverbesserung auszuschöpfen. Um zu analysieren, wie gut und professionell Transport- und Logistikunternehmen heute aufgestellt sind, hat der Autor dieses Beitrags mit der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH 2 ein internetbasiertes Tool „Strategie-Check Transport und Logistik“ entwickelt, bei der die Unternehmen eine Selbsteinschätzung vornehmen können. 3 Die Entwicklung des Tools wurde inanziell von der ExxonMobil unterstützt. Zudem erfolgte eine fachliche Begleitung durch den Verband für Verkehrswirtschaft und Logistik NRW (VVWL). 4 Das Tool haben insgesamt 196 Unternehmen genutzt, deren Antworten im Folgenden in aggregierter Form dargestellt werden. 5 Struktur der Umfrage Bei der Umfrage machen die Unternehmen mit einem Jahresumsatz • bis zu 500 000 EUR: 16,4 %, • zwischen 500 000 EUR und 2 Mio. EUR: 16,8 %, • zwischen 2 und 5 Mio. EUR: 30,7 % und • ab 5 Mio. EUR: 35,1 % aus. Somit haben sich insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen an der Befragung beteiligt. Sehr kleine Unternehmen bilden hier die Ausnahme, obwohl nach der Statistik des BGL die Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 0,5 Mio. EUR fast drei Viertel der Unternehmen ausmachen. 6 Insgesamt wurden Fragen zu verschiedenen Themenbereichen gestellt. Dabei hatten die Unternehmen die Möglichkeit, bestimmte Aussagen mit „Die Aussage trift für unser Unternehmen eher zu“ oder „Die Aussage trift für unser Unternehmen eher nicht zu“ zu bewerten. Im Folgenden wird eine Auswahl der Ergebnisse vorgestellt. Die Resultate erheben keinen Anspruch darauf, als repräsentativ im strengen statistischen Sinne zu gelten. Es sind aber interessante Trends ableitbar. Unterschieden werden jeweils die Gesamtergebnisse sowie die Ergebnisse für kleine (bis 5 Mio. EUR Jahresumsatz) und große (ab 5 Mio. EUR Umsatz) Transport- und Logistikunternehmen. Themenfeld Kunden/ Preise Bei nur knapp der Hälfte der Befragten hat der größte Kunde einen Umsatzanteil von weniger als 30 %, was auf eine hohe Abhängigkeit von wenigen Großkunden schließen lässt (Bild 1). Die Abhängigkeit bezieht sich jedoch nicht nur auf die Kunden. Fast ein Drittel der Unternehmen ist nur in einer Branche tätig. Darüber hinaus arbeiten zwar knapp 60 Prozent (59,8 %) der Befragten sehr eng mit ihren Kunden zusammen (hohe Wertschöpfungstiefe), so dass das eigene Unternehmen nicht so leicht auswechselbar ist. Bei knapp 40 Prozent ist das aber nicht der Fall. Die Kombination aus wenigen Kunden, einer Branche und geringer Wertschöpfungstiefe kann sich hier schnell zu einem Klumpenrisiko entwickeln. Positiv ist, dass 79,6 % nach eigenen Angaben die Zufriedenheit ihrer Kunden sehr gut Foto: Paul-Georg Meister/ pixelio.de Strategie LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 36 Logistik Strategie kennen. Auch wissen zwei Drittel der Unternehmen (68,8 %) sehr genau, in welchen Bereichen das eigene Unternehmen besser bzw. schlechter als die jeweiligen Wettbewerber ist. Fast ein Drittel hat jedoch keine klare Vorstellung darüber. Fast 70 Prozent (69,1 %) der Unternehmen geben an, dass ihre Preise auf einer eindeutigen leistungs- und kostenorientierten Kalkulation beruhen, was sehr positiv zu werten ist. Demgegenüber legt anscheinend fast ein Drittel (30,9 %) der Unternehmen Preise fest, ohne vorab richtig kalkuliert zu haben. Erstaunlich ist auch, dass nach der Umfrage ca. 40 Prozent der Unternehmen keine Dieselpreis-Gleitklausel mit ihren Kunden vereinbart haben und somit der Unternehmenserfolg wesentlich von den Kraftstofpreisen beeinlusst wird. Zu bedenken gibt auch, dass es der überwiegende Teil (70,3 %) der Unternehmen nicht schaft, nachweisbare Kostensteigerungen nahezu vollständig im Preis umzusetzen, was natürlich auch ein Spiegelbild des intensiven Wettbewerbs und der angespannten Marktsituation ist. themenfeld Vertrieb/ oferten/ kalkulation Insgesamt scheint der Vertrieb mehrheitlich eher zufällig und wenig systematisch zu agieren. Nur 28,3 % der Unternehmen verfügen (als eine Voraussetzung für eine systematische Preisbildung) über eine Angebotsdatenbank, wobei hier größere Unternehmen deutlich besser aufgestellt sind (Bild 2). Auch verfügen nur sehr wenige Unternehmen (17,8 %) über einen klaren Akquisitionsplan in Bezug auf aktuelle und potenzielle Kunden und haben klare Vertriebsziele deiniert. Im Hinblick auf den Vertrieb ist es auch wichtig, dass die heutigen und potenziellen Kunden das gesamte Leistungsangebot kennen, was aber nur für 68,2 % der Befragten zutrift. Interessant ist dabei, dass dieser Wert bei kleineren Unternehmen mit 70,4 % etwas höher ist als bei den größeren Unternehmen (63,3 %), was auf eine größere Kundennähe (oder auch ein weniger komplexes Leistungsangebot) der kleinen Unternehmen hinweist. Knapp zwei Drittel (66,9 %) der Unternehmen verfügen über ein monatliches Reporting mitsamt Frühindikatoren, wobei hier größere Unternehmen mit 81,6 % wesentlich besser aufgestellt zu sein scheinen als kleinere Transport- und Logistikunternehmen (59,8 %). Große Deizite gibt es im Bereich Kostenrechnung/ Controlling. Nur eine Minderheit von 44,1 % kennt die genauen Deckungsbeiträge bei den Kunden und Produkten, was in gewissem Widerspruch zu den 69,1 % der Befragten steht, die angeben, dass ihre Preise auf einer eindeutigen Kalkulation beruhen (siehe oben). Die Unkenntnis über die Deckungsbeiträge scheint jedoch insbesondere ein Deizit bei den kleineren Unternehmen zu sein, sind hier doch größere Unternehmen wesentlich besser aufgestellt (61,7 % zu 35,7 %). Die Unkenntnis über die Deckungsbeiträge passt auch dazu, dass nur knapp jedes zweite Unternehmen für ihre wichtigen Leistungsangebote eine Vor- und zeitnahe Nach-Kalkulation durchführt. Auch geben mehr als 40 Prozent (44,8 %) der Unternehmen an, potenzielle Ausfallrisiken und Wagnisse nicht ausreichend bei der Kalkulation zu berücksichtigen, was sich als sehr riskant erweisen kann. Zentral für den Unternehmenserfolg ist auch die Liquiditätsplanung, da bei mangelnder Liquidität die Gefahr einer Insolvenz besteht. Obwohl die Sicherung der Liquidität für die Unternehmen überlebenswichtig ist, verfügen nur 55,3 % der Unternehmen über eine wochenbezogene Liquiditätsplanung, um möglichen Liquiditätsengpässen frühzeitig gegensteuern zu können. Aber auch hier scheinen große Unternehmen etwas besser aufgestellt zu sein. Während 62,8 % der großen Unternehmen eine entsprechende Planung vornehmen, liegt dieser Anteil bei den kleinen Unternehmen nur bei 52,0 %. themenfeld strategie/ Unternehmensplanung Ein hoher Selbsteintritt, also das Fahren mit eigenen Fahrzeugen, kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Dem steht jedoch ein hohes Auslastungsrisiko für den eigenen Fuhrpark gegenüber, insbesondere dann, wenn der Eigenanteil sehr hoch ist. In Zeiten großer Marktvolatilität sollte es daher das Ziel Bild 1: Ergebnisse zum Themenfeld Kunden/ Preise Bild 2: Ergebnisse zum Themenfeld Vertrieb/ Oferten/ Kalkulation Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 37 Strategie LOGISTIK sein, Marktschwankungen über Subunternehmer abzufedern. Dieser Strategie folgen auch 53,1 % der befragten Unternehmen (Bild 3), wobei dieser Wert bei kleineren Unternehmen etwas geringer ist (50,0 %). Weit mehr als 40 Prozent der Unternehmen erbringen jedoch mehr als 80 Prozent der Leistungen im Selbsteintritt, so dass sie Auftragsrückgänge kaum durch reduzierten Subunternehmereinsatz kompensieren können und die Gefahr teurer Überkapazitäten besteht. Die Umfrage zeigt auch, dass die meisten Unternehmer ihr Unternehmen eher operativ führen und kaum einer systematischen Strategieplanung folgen. Zwar geben 77 % der Unternehmen an, ihre wettbewerbsrelevanten Stärken und Fähigkeiten zu kennen und diese gezielt im Wettbewerb einzusetzen. Aber nur etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen (34,1 %) hat die Chancen und Risiken in den jeweils relevanten Märkten genau identiiziert und darauf aubauend Maßnahmen zur Ausnutzung der Chancen und zur Begegnung der Risiken entwickelt. Darüber hinaus hat nur knapp ein Drittel der Unternehmen (33,1 %) eine klare Vorstellung darüber, wie sich die relevanten Märkte entwickeln. Man kennt also die Kunden, nicht aber die Märkte. Auch verfügt nur etwas mehr als ein Drittel (37,2 %) der Unternehmen über einen klaren Unternehmensplan, in dem die Umsatz- und Ergebnisziele für das nächste Jahr festgelegt sind und auf dessen Basis ein regelmäßiger Soll- Ist-Vergleich möglich ist. In das Bild passt auch, dass nur ein kleiner Teil der Unternehmen (16,9 %) über eine klare Strategieplanung und ein Maßnahmenprogramm zur Erreichung der strategischen Ziele für die nächsten drei Jahre verfügt. Zur langfristigen Strategieplanung gehört auch eine Nachfolgeplanung. Insofern wurden die Unternehmen auch danach gefragt, ob für den Fall, dass in ihrem Unternehmen in den nächsten fünf Jahren aus Altersgründen eine Unternehmensnachfolge ansteht, diese klar geregelt ist. Dies wird nur von 41,7 % bejaht. Bei ca. zwei Drittel der kleinen Unternehmen und immerhin noch bei mehr als 40 Prozent der großen Unternehmen (> 5 Mio. EUR Umsatz) besteht hier Handlungsbedarf. Insgesamt verfügt die Mehrheit der befragten Transport- und Logistikunternehmen kaum über eine klare Strategieplanung, bei der aubauend auf den Chancen und Risiken des Marktes und den eigenen Stärken und Schwächen den strategischen Zielen mit einem Maßnahmenprogramm gefolgt wird. Vielmehr scheint nach wie vor das Umsatzdenken vorzuherrschen, bei dem „mitgenommen wird“, was der Markt bietet, und bei dem hofentlich am Jahresende (zufällig) ein positives Ergebnis resultiert. Dies ist um so erschreckender, da nach der Umfrage nur bei knapp 60 Prozent der Unternehmen (60,9 %) das Eigenkapital bzw. die Reserven ausreichen, um auch ein Krisenjahr zu überstehen. Fast 40 Prozent sind hier also mangels Reserven in erheblichem Maße krisengefährdet. Zusammenfassung und Fazit Zwischen Herbst 2014 und Frühjahr 2015 wurden ca. 196 Transport- und Logistikunternehmen nach ihrer Strategie und Ansätzen zur Ergebnisverbesserung befragt. Im Ergebnis zeigt sich, dass viele Unternehmen gut aufgestellt sind, bei einem wesentlichen Teil jedoch erheblicher Handlungsbedarf besteht. So sind viele Kunden von wenigen Großkunden abhängig, nur in einer Branche tätig und leicht auswechselbar. Nach wie vor fehlt es in vielen Unternehmen an einer aussagekräftigen Kostenrechnung, von einer systematischen Nachkalkulation ganz zu schweigen. Fast 40-Prozent verzichten auf eine Dieselpreis- Gleitklausel und machen somit den Unternehmenserfolg maßgeblich vom Dieselpreis abhängig. Darüber hinaus verfügt die Mehrheit der befragten Transport- und Logistikunternehmen kaum über eine klare Strategieplanung, bei der aubauend auf den Chancen und Risiken des Marktes und den eigenen Stärken und Schwächen den strategischen Zielen mit einem Maßnahmenprogramm gefolgt wird. Dies ist umso erstaunlicher, verfügen doch nur knapp 60 Prozent der Unternehmen über ausreichend Reserven, um ein Krisenjahr zu überstehen. ■ 1 Zur strategischen Positionierung von Transport- und Logistikunternehmen vgl. Wittenbrink, Paul (2014), Transportmanagement - Kostenoptimierung, Green Logistics und Herausforderungen an der Schnittstelle Rampe, 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Aulage, Wiesbaden 2014, S. 47f. 2 www.hwh-transport.de (Karlsruhe) und www.hwh-beratung.com (Luzern) 3 Zur Langfassung der Studie: Wittenbrink, Paul (2016).: Strategische Positionierung und Ansätze zur Ergebnisverbesserung bei klein- und mittelständischen Transport- und Logistikunternehmen, Gabler Essential, Veröfentlichung in Vorbereitung. 4 www.vvwl.de. An dieser Stelle sei insbesondere Herrn Leusmann und Herrn Heinz von der VVWL-Unternehmensberatung für die fachliche Unterstützung gedankt. 5 Die Umfrage lief in zwei Wellen. Die erste Welle erfolgte im Herbst 2014 gemeinsam mit dem Verband für Verkehrswirtschaft und Logistik NRW (VVWL), der seine Mitglieder zur Teilnahme an der internetbasierten Umfrage aufgerufen hat. Eine zweite Welle erfolgte im Frühjahr 2015, bei der die Fachzeitschrift Verkehrsrundschau auf die Umfrage hingewiesen hat. Zudem hat der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. seinen Mitgliedern die Teilnahme an der Umfrage empfohlen. Interessanterweise unterscheiden sich die Ergebnisse der beiden Umfragewellen kaum, sodass die Ergebnisse im Folgenden zusammengefasst werden. 6 Die Daten beziehen sich auf den Gesamtumsatz der Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwerpunkt im Wirtschaftszweig „49.4 Güterbeförderung im Straßenverkehr“ , vgl. Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. (2014), Verkehrswirtschaftliche Zahlen (WVZ) 2013/ 2014, Frankfurt, S. 14 Paul Wittenbrink, Prof. Dr. Professor für Transport- und Logistik an der Dualen Hochschule Baden- Württemberg, Lörrach; Gesellschafter der hwh Gesellschaft für Transport- und Unternehmensberatung mbH, Karlsruhe, und der hwh Beratungsgesellschaft, Luzern (CH) wittenbrink@hwh-transport.de Bild 3: Ergebnisse zum Themenfeld Strategie/ Unternehmensplanung Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 38 Energiespeicher in-der Wüste kühlen Energiespeicher, Kühlsysteme, Batteriekühlung, Katar, Nahverkehr In Katar fahren ab 2016 Straßenbahnen von Siemens, die sowohl Kondensatoren als auch Batterien nutzen-und unterwegs ohne Oberleitung auskommen. Für eine ausreichende Kühlung der Energiespeicher unter den extremen Bedingungen setzt Siemens auf Systeme von Technotrans aus dem münsterländischen Sassenberg. Der Autor: Christian Walczyk B isher gibt es in der sogenannten Katar Education City in Katars Hauptstadt Doha keinen Schienenverkehr. Die 19 Hybrid-Straßenbahnen vom Typ Siemens Avenio werden also ab dem kommenden Jahr für einen ungewohnten Anblick sorgen, zumal sie auf dem insgesamt 11,5 km langen Netz vollkommen ohne die üblichen Oberleitungen auskommen werden. Möglich macht dies ein Hybrid-Energie-Speichersystem, das mit „Supercaps“ genannten Doppelschichtkondensatoren und Li-Ion-Batterien für eine umweltfreundliche und eiziente Fahrt sorgt. Dank der Kombination von Kondensator und Batterie soll der Avenio zudem im Jahresschnitt 30 % weniger Energie als vergleichbare Modelle mit Oberleitung verbrauchen. Für Siemens ist der Auftrag aus Katar ein klassisches Turnkey-Projekt. Daher legte das Unternehmen im Entwicklungsprozess großen Wert auf eine problemlose Abstimmung der verschiedenen Partner. Beim Avenio für Katar setzt der Hersteller auf zwei verschiedene Batterie-Produzenten, mit denen Technotrans eng zusammen arbeitete, um die Kühlung optimal auf die jeweilige Batterie auslegen. Dabei mussten die besonderen Umfeldbedingungen in Katar mit teilweise über 50 °C Tagestemperatur bei hoher Luftfeuchtigkeit und Beeinträchtigungen durch Sand berücksichtigt werden. Batterie, Kondensatoren und Kühlung sind auf dem Dach der Straßenbahn verbaut. Die Kondensatoren sind immer dann gefordert, wenn der Avenio beschleunigt und daher viel Energie in kurzer Zeit benötigt. Umgekehrt laden sie sich bei jedem Bremsvorgang wieder auf. Die Batterie hingegen stellt ihre Energie vorrangig während der gleichmäßigen Fahrt zur Verfügung und versorgt die übrigen elektrischen Systeme an Bord. Geladen werden die Energiespeicher an den insgesamt 24 Stationen in der Katar Education City bis zu fünf Sekunden lang über einen Pantografen, der Kontakt zur Stromschiene herstellt (Bild 1). Bei all diesen Prozessen entsteht - zusätzlich zu den schon hohen Außentemperaturen in Katar - Wärme. Zusätzliche Energie gibt es an den Endpunkten der Strecke. Sollte an einer Haltestelle ein Gleichspannungswandler ausfallen und der Kondensator nicht ausreichend Energie erhalten, haben die Batterien genug Reserven, um auch große Distanzen bis zu den Endhaltestellen zu überbrücken. Besonders eizient und leistungsfähig funktionieren die Energiespeicher aber nur in einem bestimmten Temperaturbereich. Für einen reibungslosen Betrieb benötigen sie daher eine efektive Kühlung. Während Klimaanlagen im Bereich Mobility meist Kühlluft erzeugen, setzt Technotrans auf Wasserkühlung. Für die Kondensatoren und Bild 1: Siemens Avenio-Straßenbahnen für Katar sind für oberleitungsfreien Betrieb ausgelegt. Illustration: Siemens MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 39 ÖPNV MOBILITÄT Batterien sind die Systeme jeweils so ausgelegt, dass sie sich auch bei den höchsten Außentemperaturen in Katar auf nicht mehr als 20 °C erwärmen. Kühlsysteme von Technotrans arbeiten bei Temperaturen zwischen -25 und 60 °C problemlos und kommen auch in stationären Umrichterstationen zum Einsatz, dann allerdings mit- entsprechend hohen Kapazitäten bis 900-kW. Neben den hohen Temperaturen stellen auch äußere Faktoren wie beispielsweise der feine Wüstensand eine Herausforderung dar. Außerdem forderte Siemens eine redundante und möglichst leichte Kühllösung, um das Gewicht der Bahn gering zu halten. Technotrans unterbot das vorgegebene Maximalgewicht deutlich und qualiizierte alle Kühlungen über die obligaten Zertiikate hinaus für den Einsatzzweck. Heute können modular aufgebaute Standardlösungen für praktisch alle Anforderungen angeboten werden (Bild 2): Energiespeicher-Kühlungen von Technotrans sind in Straßenbahnen in Nord- und Südamerika verbaut oder kühlen Umrichterstationen Christian Walczyk Leiter Industrial System Solutions, technotrans AG, Sassenberg christian.walczyk@technotrans.de Bild 2: Technotrans-Kühlsysteme der zeta.k-Reihe haben neben der Wasserkühlung auch eine Freikühler-Funktion. Foto: Technotrans AG bei Bahn- und Bus-Projekten, unter anderem bei den Stadtwerken in Münster. Einen Prototypen der Hybrid-Straßenbahn hat Siemens über Monate im Prüf- und Validationscenter Wegberg-Wildenrath getestet, gebaut wird der Avenio noch bis Ende 2015 in Wien. Dann sind alle Bahnen fertiggestellt und ausgeliefert. Schon 2016 soll der Regelbetrieb in Katar starten. ■ Die englischsprachige Ausgabe von Ihr Ansprechpartner für Werbung: Tim Feindt • 040 23 714 -220 • tim.feindt@dvvmedia.com NEU! Messeverbreitung: • International Transport Forum Summit 2016: Green and Inclusive Transport, Leipzig18. - 20.5. 2016 • Metropolitan Solutions (Smart & Green Cities), Berlin, 31.5. - 02.6. 2016 • transport logistic China Internationale Fachmesse für Logistik, Telematik und Verkehr, Shanghai, 14. - 16.06. 2016 • 14. Europäischer Verkehrskongress, Wien, 15. - 17.06.2016 • CONCAREXPO 2016, Intern. Expo and Congress for connected Car and Future Mobility Solutions, Düsseldorf, 29. - 30.6. 2016 • 8. Internationaler Cities for Mobility Kongress, Stuttgart, 19.06. - 21.06. 2016 International Transportation 1/ 2016: Erscheinungstermin: 10. Mai 2016 Anzeigenschluss: 15. April 2016 International Transportation Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 40 MOBILITÄT Wissenschaft Akzeptanz von Verkehrsinformationstafeln in Berlin Verkehrsinformationen, Verkehrsinformationstafeln, Akzeptanz, Berlin, Stadtverkehr Im Rahmen einer Erhebung wurde die Akzeptanz dynamischer Verkehrsinformationstafeln durch motorisierte Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer in Berlin untersucht. Neben der Gestaltung der Tafeln wurde die Bedeutung der unterschiedlichen Informationen für die Befragten erhoben und analysiert, inwiefern diese ihr Verkehrsverhalten den dargestellten Informationen anpassen. Insgesamt kann eine hohe Relevanz der Tafeln für die Informationsbeschafung im Berliner Straßenverkehr bestätigt werden, wenngleich auch Verbesserungspotenzial identiiziert wurde. Die Autoren: Cornelia Rahn, Flemming Giesel D er städtische Verkehr ist in den letzten Jahren zunehmend komplexer geworden. Außerdem stehen viele Großstädte vor der Herausforderung, Verkehrssysteme eizienter, nachhaltiger und sicherer zu gestalten, um die negativen Folgen des Verkehrs wie Stau, Unfälle, Lärm und Emissionen abzuschwächen. Ein wichtiges Element für die Verkehrslenkung ist hierbei die zeitnahe Bereitstellung von Informationen zu erhöhtem Verkehrsaukommen, Staus und Umleitungen. Neben mobilen Informationssystemen - die individuell beispielsweise auf Smartphones genutzt werden - geben vielerorts elektronische Informationstafeln mit wechselnden Textinformationen auf Autobahnen und innerhalb von Städten Auskunft über aktuelle und absehbare Probleme im Straßenverkehr. Der Vorteil dieser sogenannten „dynamischen Verkehrsinformationstafeln“ ist zum einen die kollektive Nutzbarkeit, die es ermöglicht, allen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern zeitgleich und in identischer Qualität Informationen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ermöglicht dieses Informationssystem, die aktuelle Verkehrslage räumlich diferenziert wiederzugeben. In der Verkehrsforschung wurden Verkehrsinformationstafeln bislang nur vereinzelt thematisiert. Insbesondere Fragen zu Akzeptanz und Wirkungen von städtischen Verkehrsinformationstafeln wurden bislang kaum aufgegrifen. Bisherige Studien haben überwiegend Verkehrsinformationstafeln entlang von Autobahnen untersucht. Hierbei standen vor allem technische und wahrnehmungspsychologische Aspekte im Mittelpunkt [1, 2, 3]. Darüber hinaus wurden auch die Auswirkungen von elektronischen Anzeigetafeln auf die Verkehrssicherheit betrachtet [4]. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel des Beitrags, die Akzeptanz von städtischen dynamischen Verkehrsinformationstafeln am Beispiel von Berlin zu untersuchen. Hierbei wird neben gestalterischen Aspekten (z. B. Größe, Lesbarkeit) auch darauf eingegangen, welche Bedeutung die Verkehrsinformationstafeln im Berliner Straßenverkehr einnehmen. Darüber hinaus wird thematisiert, in welcher Weise die Verkehrsinformationstafeln das Verkehrsverhalten beeinlussen und damit ein wichtiges Instrument für die Verkehrslenkung darstellen. 1 In Berlin wurden im Jahr 2002 zunächst 22 dynamische Informationstafeln mit der Errichtung der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) in Betrieb genommen. Gegenwärtig sind insgesamt 31 Verkehrsinformationstafeln an radialen Hauptzufahrtsstraßen in Berlin in Betrieb (Stand: September 2015, Bild 1). Methoden und Beschreibung der Stichprobe In einem ersten Schritt wurde im Zeitraum von Dezember 2013 bis Februar 2014 eine Online-Befragung bei Auto- und Motorradfahrer(inne)n durchgeführt, die im Berliner Straßenverkehr unterwegs sind. Insgesamt nahmen 908 Personen, die über verschiedene Kanäle - wie beispielsweise einen Aufruf auf den Verkehrsinformationstafeln, Pressemitteilungen oder auch soziale Medien - rekrutiert wurden, an der Befragung teil. Wie in Bild 2 zu sehen ist, sind in der Stichprobe ältere Menschen (über 60-Jährige) nur geringfügig vertreten. 75 % der befragten Personen sind zwischen 20 und 49-Jahre alt und damit gegenüber der Berliner Gesamtbe- Bild 1: Beispiel einer Verkehrsinformationstafel in Berlin Quelle: VMZ Berlin Betreibergesellschaft-mbH Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 41 Wissenschaft MOBILITÄT völkerung (mit einem Anteil von 44 %) in dieser Altersgruppe stark überrepräsentiert. Außerdem ist mit 71 % ein sehr hoher männlicher Anteil in der Stichprobe zu verzeichnen (siehe Tabelle 1). Erwartungsgemäß ist der Anteil an PKW-Besitzern in dieser Stichprobe sehr hoch: Während in Berlin 59 % der Haushalte einen PKW besitzen, sind es in der Stichprobe 90 %, wobei ein Großteil (85 %) den eigenen PKW auch regelmäßig (an mindestens ein bis drei Tagen pro Woche) nutzt. In Berlin greifen hingegen nur 61 % regelmäßig auf einen PKW zurück. Zusammenfassend handelt es sich bei der Stichprobe um eine ausgewählte Bevölkerungsgruppe, die sich vorrangig aus jüngeren und PKW-ainen Männern zusammensetzt. In Ergänzung zur Online-Befragung wurden noch drei circa 30-minütige leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Mithilfe der Interviews konnten Meinungen, Motive und Einstellungen der Befragten detailliert erfasst und ausgewählte Themen der Online-Befragung weiter vertieft werden. Neben der Wahrnehmung und Bewertung der Verkehrsinformationstafeln wurde in den Interviews thematisiert, inwiefern das Verkehrsverhalten durch die unterschiedlichen Informationen beeinlusst wird. Die Rekrutierung der Interviewpartner/ innen erfolgte aus den Teilnehmenden der Online-Befragung. Bei den drei Personen handelt es sich entsprechend der Stichprobe um männliche Autofahrer, die regelmäßig im Berliner Straßenraum mit dem privaten PKW unterwegs sind. Ergebnisse Die Teilnehmenden der Befragung wurden zunächst nach ihrem grundsätzlichen Verkehrsinformationsbedarf und nach ihrer Mediennutzung befragt. Für die Befragten sind Verkehrsinformationen insgesamt von hoher Bedeutung - insbesondere Staumeldungen und Meldungen zu Straßensperrungen oder Baustellen stoßen auf großes Interesse. Ein Interviewpartner (Herr C.) sagte zur Bedeutung von Verkehrsinformationen während der Fahrt: „Die sind also existenziell kann man ja fast sagen, da wir ja in Berlin permanent mit Staus rechnen müssen und wenn hier so eine große Zufahrtsstraße wie Landsberger Allee oder die Bundesstraße 1, wenn da ein Unfall passiert, bricht der halbe Verkehr zusammen. Also muss ich diese Information sehr schnell und zeitig bekommen, dass ich ausweichen kann.“ In Bild 3 ist zu erkennen, dass vor allem das Internet, Radio und Navigationssysteme (mit Echtzeit-Verkehrsinformationen) positiv für die Bereitstellung von Verkehrsinformationen bewertet werden. Aber auch Verkehrsinformationstafeln erhalten von einem Großteil der Befragten gute Bewertungen und stellen demnach ein weiteres wichtiges Medium für Verkehrsinformationen in Berlin dar. Des Weiteren wurde die allgemeine Nutzung und Bewertung von Verkehrsinformationstafeln abgefragt. Grundsätzlich sind 95 % der Befragten die Verkehrsinformationstafeln in Berlin bekannt und werden von ihnen bezüglich verschiedener Eigenschaften (Verlässlichkeit, Verständlichkeit, Lesbarkeit und Größe) sowie im Gesamturteil äußerst positiv bewertet. Bild 4 zeigt, dass lediglich 19 % eine negative Haltung gegenüber den Verkehrsinformationstafeln haben und sogar 60 % diese zumindest mit „gut“ bewerten. Auf den Berliner Verkehrsinformationstafeln werden verschiedene Verkehrsinformationen vorgehalten, die jedoch für die Befragten von unterschiedlicher Relevanz sind (siehe Bild 5). Informationen zu Straßensperrungen und zum aktuellen Verkehr (z. B. Staumeldungen) sind für die meisten Befragten von hoher Bedeutung. Während auch noch Informationen zur Verkehrssicherheit als wichtig für die meisten Befragten eingeschätzt werden, sind aktuelle Fahrzeiten im ÖPNV auf den Verkehrsinformationstafeln eher von geringerer Relevanz. Um den negativen Folgen des Verkehrs insbesondere in Großstädten zu begegnen, ist es für die städtische Verkehrslenkung von Bedeutung, zu erfahren, ob und in welcher Weise die Informationen auf den Tafeln eine Verhaltensänderung bewirken. Aus der Online-Befragung wird deutlich, dass die Verkehrsinformationstafeln eine Änderung des Verkehrsverhaltens herbeiführen können und ein Großteil beispielsweise bei Staumeldungen eine andere Route wählt. Ein Teil der Befragten (5 %) steigt sogar bei angekündigten Straßensperrungen regelmäßig auf öfentliche Verkehrsmittel um und lässt den privaten PKW stehen. Auch ein Interviewpartner Stichprobe Berlin Durchschnittsalter 40 Jahre 43 Jahre* Anteil Männer 71 % 49 %* Pkw im Haushalt 90 % 59 %** Pkw-Nutzung (mind. an 1 bis 3 Tagen pro woche) 85 % 61 %** Tabelle 1: Merkmale der Befragten im Vergleich zur Berliner Bevölkerung. * Datenbasis: Einwohnerregisterstatistik (Stand: 31.12.2013) [6]. ** Datenbasis: Mobilität in Deutschland 2008 [7]. Bild 2: Altersstruktur der Befragten im Vergleich zur Berliner Bevölkerung. Datenbasis: Bevölkerungsstatistik für Berlin-Brandenburg (Stand: 31.12.2013) [5]. Bild 3: Bewertung ausgewählter Medien für die Bereitstellung von Verkehrsinformationen. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 42 MOBILITÄT Wissenschaft (Herr C.) berichtet davon, dass die Information auf einer Tafel bereits die Verkehrsmittelwahl beeinlusst hat: „Ja, natürlich (…), ja wer solche Sachen ignoriert, der wird dann eher bitterböse bezahlen. Ich bin ja zufrieden, wenn solche Hinweise für mich kommen (…). Falls ich so eine Info sehe, wird sofort überlegt, wie kann man anders fahren, und dann muss man gegebenenfalls das Auto auch mal stehen lassen.“ Für Herrn V. hingegen kommt es nicht in Frage, ein anderes Verkehrsmittel zu wählen: „Nein (…) ich bin dienstlich immer auf denselben Strecken unterwegs, da gibt es wenige Alternativen.“ Informationen zur Verkehrssicherheit führen laut Ergebnis der Befragung meistens zu einer Anpassung der Fahrweise, wobei insbesondere in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden kann, dass hier die soziale Erwünschtheit einen Einluss auf das Antwortverhalten hat. Meldungen zu Fahrtzeiten im Öfentlichen Nahverkehr werden - wie oben gezeigt - eher als unwichtig bewertet und bewirken kaum eine Verhaltensänderung. Anhand der Befragung und der durchgeführten Interviews wird insgesamt deutlich, dass ein großer Bedarf an der Ausweitung der Informationsinhalte besteht. Wünschenswert sind vor allem Informationen über den genauen Staubereich, alternative Routenvorschläge und die Darstellung aktueller Reisezeiten. Darüber hinaus bemängeln die Befragten teilweise die Aktualität der Informationen, die jedoch als zentral eingeschätzt wird. Hierzu meint Herr C.: „Wenn ich fahre, also so aktuell sind sie [die Informationen] nicht. Da könnte man also ruhig etwas noch dran ändern, aktueller machen. Ja, gerade solche Sachen wie eben Unfälle, Sperrungen (…) oder Polizeieinsatz da und da, oder Hauptbahnhof im Umkreis gesperrt.“ Ein weiteres Ergebnis der Erhebung ist, dass den Befragten die technische Weiterentwicklung (z. B. Verfügbarkeit auf Smartphones als App) der Tafeln wichtig ist. Herauszustellen ist außerdem, dass viele der Befragten sehr konkrete Straßenkreuzungen in Berlin benennen, an denen sie sich zusätzliche Verkehrsinformationstafeln wünschen. Fazit Insgesamt sind der Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz der Verkehrsinformationstafeln unter den Befragten sehr hoch. Sie nehmen neben anderen Medien einen präsenten Platz zur Informationsbeschafung im Berliner Straßenverkehr ein. Die Gestaltung der Informationen auf den Tafeln muss nach den Ergebnissen der Erhebung nicht verändert werden, da diese äußerst positiv bewertet wurde. Es wurde zudem deutlich, dass Akzeptanz und Wirkung der Tafeln entscheidend von der Art der vorgehaltenen Information abhängen. Trotz des identiizierten Verbesserungspotenzials kann zusammengefasst eine hohe Bedeutung der Verkehrsinformationstafeln für die Befragten und damit eine positive Beeinlussung des Verkehrslusses und der Verkehrssicherheit festgestellt werden. ■ 1 Die Ergebnisse basieren auf dem Forschungsprojekt „Investitions-Voruntersuchung zu Verkehrsinformationen im Straßenverkehr“ (06/ 2013 bis 08/ 2014). In diesem Rahmen hat das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin die Nutzung, Akzeptanz und Wirkung von Verkehrsinformationstafeln im Berliner Straßenverkehr untersucht. LITERATUR [1] BMVBW, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.) (2005a): Dynamische Verkehrsinformationstafeln. Bericht zum Forschungs- und Entwicklungsvorhaben FE 03.352/ 2002/ IGB. Bremerhaven [2] BMVBW, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.) (2005b): Dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen (dWiSta). Bericht zum Arbeitsprogrammprojekt 02.624 der Bundesanstalt für Straßenwesen. Bremerhaven [3] BASt, Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.) (2009): Voraussetzung für dynamische Wegweisung mit integrieren Stau- und Reiseinformationen. Bericht zum Forschungsprojekt 03.392/ 2005/ IGB [4] Steinbauer, J. & Brandstätter, C. (1995): Untersuchung der Ablenkung durch elektronische Anzeigetafeln. Endbericht. Wien [5] Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2015): Bevölkerungsstatistik. Online unter: https: / / www.statistik-berlin-brandenburg.de/ home.asp (letzter Zugrif am 30.09.2015) [6] Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2014): Statistischer Bericht. Online unter: https: / / www.statistik-berlin-brandenburg.de/ Publikationen/ Stat_Berichte/ 2014/ SB_ A01-05-00_2014h01_BE.pdf (letzter Zugrif am 30.09.2015) [7] infas, Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH & DLR, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (2010): Mobilität in Deutschland 2008. Basisdatensatz. Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Bonn. Online unter: http: / / clearingstelle-verkehr.de (letzter Zugrif am 30.09.2015) Cornelia Rahn, Dr. Gruppenleiterin „Mobilität und Raumstruktur“, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Institut für Verkehrsforschung, Abteilung Mobilität und Urbane Entwicklung, Berlin cornelia.rahn@dlr.de Flemming Giesel, Dipl.-Geogr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Institut für Verkehrsforschung, Abteilung Personenverkehr flemming.giesel@dlr.de Bild 4: Bewertung der Verkehrsinformationstafeln in Berlin (n = 848). Bild 5: Bedeutung einzelner Informationen auf den Verkehrsinformationstafeln Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 43 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Vom Verkehrsmarktzum Mobilitätsmonitor Motive, Instrumente und Aubau In diesem Heft erscheint erstmals der InnoZ Mobilitätsmonitor (IMM). Das bietet den Anlass, zunächst die Hintergründe vorzustellen, die uns zu diesem Format bewogen haben und zu erläutern, welche Instrumente wir zur Datenerfassung verwenden. Dabei werden die Inhalte der grundlegenden Gliederungsstruktur kurz zusammengefasst, die in leicht abgewandelter Form in jeder Monitorausgabe wiederkehren sollen. Die Erstausgabe zum 2. Halbjahr 2015 - d.h. den eigentlichen Mobilitätsmonitor - finden Sie auf den Seiten 48 bis 62. Der Autor: Christian Scherf Die Mobilität in Deutschland und anderen Industriestaaten beindet sich im Wandel: Radfahren erlebt vor allem in den Städten eine Renaissance (Windhausen/ Andres 2015). Möglichkeiten zum Fahrzeugleihen und Mitfahren werden als neue Bereitstellungs- und Vermittlungsleistungen in immer stärkerem Maße marktrelevant. Durch die gestiegene Anzahl an kombinierbaren Mobilitätsoptionen steigt die Bedeutung von integrierten Angeboten, die keinem übergeordneten Verkehrsträger und auch keinem speziischen Verkehrsmittel nach der Dichotomie „individual-öfentlich“ mehr zuzuordnen sind. Zudem erlaubt die Elektromobilität in Verbindung mit einem dezentralen und auf erneuerbaren Energien beruhenden Energiesystem erstmals eine weitgehend CO 2 -freie Mobilität. Zugegeben, dies alles sind relativ kleine und unterschiedliche Facetten, die gemessen am ökonomischen und statistischen Gesamtvolumen des Verkehrsmarktes in Deutschland zunächst vernachlässigbar erscheinen mögen. Oft sind nur bestimmte Teilbereiche, etwa die innerstädtische Mobilität in den Metropolen, direkt betrofen. Seinen gemeinsamen Bezugspunkt indet der Wandel indes in der Tatsache, dass nicht mehr nur die Ortsveränderung an sich relevant ist, sondern in einem weiteren Sinne die Zugänglichkeit und Bereitstellung in den Fokus rückt. Damit ist eine deinitorische Unterscheidung adressiert, mit der unter Verkehr die tatsächliche Ortveränderungen (hier von Personen) gemeint ist, während unter Mobilität die antizipierte bzw. potentielle Ortsveränderungen verstanden wird (Ahrend et al. 2013). Die Deinition markiert nicht nur einen forscherischen Unterschied: Sie ist auch direkt praxis- und marktrelevant. Grund ist der steigende Anteil derjenigen Verkehrsdienstleistungen, die nicht der unmittelbaren Personenbeförderung von Punkt A nach Punkt B dienen, sondern den Nutzern die Mittel in die Hand geben, die Ortsbewegungen selbst bzw. miteinander zu organisieren. Diese Mittel können verschiedenster Art sein: Sie können von der Verfügbarmachung von Fahrplaninformation auf dem Smartphone über eine digitale Mitfahrvermittlung bis zur Bereitstellung einer Flotte von Leihautos und -rädern reichen. Entscheidend ist, dass diese Dienstleistungen zukünftig nicht mehr nur „Anhängsel“ der Personenbeförderung im engeren Sinne sind, sondern insgesamt trendbestimmend für den Personenverkehr werden. Die Wertschöpfungsanteile im Mobilitätsmarkt sind Ausdiferenzierungen und Interdependenzen unterworfen, die sich auf mehrere Dimensionen zugleich beziehen und sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: • abweichende Nutzungsweisen (monomodal, multimodal und intermodal) der Verkehrsmittel wie PKW, Bahn, Bus, Fahrrad etc. • verändernde Authentiizierungs- und Zugangsinstrumente (visuell, elektronisch separiert und digital integriert) auf Basis alternativer Medien wie Chipkarten oder Smartphone-Applikationen • unterschiedliche Eigentumsbzw. Besitzgrade (privat, teilöfentlich und öfentlich) hinsichtlich motorisiertem Individualverkehr, öfentlichem Personenverkehr und halböfentlicher bzw. in geteilter Nutzung beindlicher Verkehrsmittel (Car-, Bike- und Ridesharing) • verschiedene Energiegrundlagen (fossil und regenerativ) bezüglich der Antriebsformen, inklusive der Primärquellen innerhalb der Elektromobilität in all ihren Ausprägungen (vollelektrisch, teilelektrisch, auch auf Wasserstobasis) InnoZ MOBILITÄTSMONITOR FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 44 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Der Wandel von der isolierten Betrachtung nebeneinander stehender Verkehrsträger hin zu einem Markt der miteinander vernetzten Verkehrsmittel und Mobilitätsdienste verlangt nach neuen Instrumentarien und Interpretationen als Ergänzung der herkömmlichen Verkehrsstatistik. Dabei stehen nicht Innovationen allein, sondern die Verbindung von Altem und Neuem im Mittelpunkt. Für die Betrachtung des Wandels vom Verkehrshin zu einem umfassenderen Mobilitätsmarkt erachten wir beispielsweise auch den Fuß- und Radverkehr als relevant. So ist das Ausmaß des Fußverkehrs u.a. eine aufschlussreiche Größe bei zubringenden und weitführenden Wegen und das Radfahren erfreut sich stabiler Beliebtheit als erste Alternative nach dem MIV (ADFC/ SINUS 2014). Durch den, zumindest milieuspeziisch beobachteten, Wertewandel junger Menschen mit ambivalenter Haltung zum eigenen PKW (Schönduwe/ Bock/ Deibel 2012), gewinnt die Wahlfreiheit gegenüber optional verfügbaren Verkehrsmitteln an Attraktivität. Angebote der sogenannten Shared Mobility (s. Glossar) verzeichnen beträchtliche Wachstumsraten und auch für die kommenden Jahre rechnen Experten mit der Fortsetzung dieses Wachstums (Freese/ Schönberg 2014). Sie sollten daher stärkere Berücksichtigung im Rahmen eines geeigneten Vergleichsrasters inden, denn die Trennung zwischen den konventionellen Verkehrsträgern wird undeutlicher: Privater Individualverkehr kann auch mit öfentlich zugänglichen Fahrzeugen erfolgen (Carsharing). Auch freie Kapazitäten in Privat- PKW können dank digitaler Medien und Netzwerke schnell vermittelt werden (Ridesharing). Vermittelt werden Langstreckenfahrten von mehreren Tagen bis mehrere Wochen im Voraus, aber zunehmend auch das spontane Ridesharing auf Kurzstrecken. Anschlussmobilität wird somit besonders im urbanen Umfeld zunehmend als Nutzeranforderung vorausgesetzt (Canzler/ Knie 2015). Gleichzeitig besteht in der Analyse der intermodalen Wegeverläufe und Verkehrsmittelwahlen Nachholbedarf hinsichtlich neuer Erhebungsmethoden (Jonuschat/ Stephan/ Schelewsky 2015). Die sozialwissenschaftliche Mobilitäts- und Verkehrsforschung steht somit selbst vor einem Wandel (Knie 2015). Es reicht nicht mehr aus, sich bei der Verkehrsnachfrage nur auf die bekannten angebots- und nachfragebezogenen Umfeldgrößen wie Verkehrsinfrastruktur, Demographie, Einkommen und Nutzerkosten sowie durch sie beeinlusste Verkehrsträgeranteile (MIV, Schiene, ÖSPV, innerdeutscher Flug) zu konzentrieren. Neue digitale Anwendungen stellen eine relevante Umfeldgröße dar, mit einem wesentlichen Einluss auf das Mobilitätsverhalten und insbesondere auf die Kombination verschiedener Verkehrsmittel. Aktuelle Trendbeobachtungen, beispielsweise das Wachstum im Carsharing- Markt, lassen den Schluss zu, dass die erweiterten Fortbewegungs- und Produktformen der Mobilität nicht isoliert vom Gesamtmarkt betrachtet werden sollten. Andernfalls wäre die Vorhersagequalität hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen und ihrer Wechselwirkungen zumindest stark eingeschränkt. Hierfür spricht nicht zuletzt auch die um sich greifende Vernetzung zwischen etablierten und alternativen Verkehrsmitteln bzw. Mobilitätsdiensten. Auch die durch anbieterübergreifende Auskunfts- und Zugangssysteme erleichterte Kombinierbarkeit verschiedener Verkehrsmittel legt eine gesamthafte Betrachtung nahe. Diesen übergreifenden Trends möchten wir im Rahmen eines regelmäßig erscheinenden Monitors nachgehen. Dabei wird jeweils kurz die aktuelle Situation beschrieben und eine Einschätzung der kurzfristigen Entwicklung (laufendes Jahr) abgegeben. Es ist uns bewusst, dass die eingeschränkte Datenverfügbarkeit - etwa die Anzahl von Verkehrsmittelwechseln, die Nutzungsintensität entsprechender Smartphone-Applikationen oder die Fluktuation der Bike-, Car- und Ridesharing-Bewegungen - kaum Repräsentativität zulässt. Bevor überhaupt der Anspruch auf eine, wie weit auch immer gefasste, Verallgemeinerbarkeit erhoben werden kann, sollten unseres Erachtens frühzeitig jene Instrumente getestet werden, die zu einer zuverlässigen und langfristigen Datenerhebung über neue Nutzungsweisen und Angebotsformen notwendig sind (Leppler/ Schelewsky 2015). Das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) hat in den letzten Jahren gleich mehrere neue Erhebungs- und Analyseinstrumente entwickelt (vgl. Infoboxen 1-3). Nun erfolgt in einem nächsten Schritt der Aubau eines regelmäßigen Marktberichtes, in den Daten mit herkömmlichen sowie auch neuen Methoden einließen sollen. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Marktveränderungen trägt der Bericht ganz bewusst nicht mehr den Titel InnoZ Verkehrsmarktmonitor, unter dem unsere Reihe 2009 startete (InnoZ 2009), sondern kurz InnoZ Mobilitätsmonitor (IMM). Die Beschreibung der Veränderungen bleibt im Monitor mit den klassischen Maßstäben der Verkehrsmarktbeobachtung weiterhin verbunden: Die übergreifende Maßeinheit der Verkehrsleistung bildet das verbindende Element zwischen verschiedenen Betrachtungsebenen des Monitors. Personenkilometer gelten dabei als Hauptindikatoren für die Verkehrsleistung (s. Glossar). Dies ist eine anerkannte und verbreitete verkehrswirtschaftliche Kategorie, weshalb wir sie hier verwenden - wohlwissend, dass bereits seit den 1970er Jahren Umbenennungen und Alternativen diskutiert werden (Canzler 2015). Die Verkehrsleistung wird im Einzelfall durch weitere Messgrößen ergänzt, u.a. um die Optionsvielfalt für die Nutzer einzuschätzen. In Bild 1 ist der ‚rote Faden‘ einer jeden Ausgabe des Mobilitätsmonitors abstrakt dargestellt: Die farbigen Linien symbolisieren dabei die Verkehrsleistungsdaten zu unterschiedlichen Verkehrsträgern bzw. -mitteln. MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 45 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Abschnitt 1: Verkehrsträger — Modale Sicht Die Verkehrsträger Straße (ÖSPV und MIV), Luftverkehr (innerdeutsch) und Schiene (SPV) bilden mit ihrer jeweiligen Verkehrsleistung als klassischer Gesamtverkehrsmarkt die Ausgangsbasis, deren Entwicklung im Jahresvergleich, unterjährig sowie in der Prognose für das laufende Jahr betrachtet wird. Als relevante Einlussgrößen der Verkehrsnachfrage wird in knapper Form auf die bestimmenden ökonomischen (z.B. verfügbares Einkommen, PKW-Neuzulassungen und Ölpreis) und soziodemographischen Umfeldgrößen (z.B. Bevölkerungswachstum und Erwerbstätige) eingegangen. Somit können Vergleiche zwischen unseren Einschätzungen und anderen Verkehrsnachfrageprognosen gezogen werden. Im zweiten Schritt werden die Verkehrsleistungen des Fußgänger- und Fahrradverkehrs hinzugenommen - in Bild 1 als gepunktete Linien dargestellt. Fuß- und Radverkehr werden in der oiziellen Verkehrsstatistik, z.B. bei der Gleitenden Mittelfristprognose nicht als Teil des „relevanten Marktes“ betrachtet (BMVI 2015). Auch für den Fuß- und Radverkehr wird eine Einschätzung für das laufende Jahr vorgenommen. Abschnitt 2: Multi- und Intermodalität Multi- und intermodales Nutzerverhalten (s. Glossar) wird in Praxis, Wissenschaft und Politik zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. Ansätze zur Erhebung kombinierter Nutzungen und der Einbezug dieser Daten in die hergebrachte Statistik stehen aber noch am Anfang (bspw. Schönduwe/ Lanzendorf 2015). Fest steht, dass die allgemeine Betrachtung von Verkehrsträgern durch eine genauere Analyse von Verkehrsmitteln zu ergänzen ist. Daher werden in diesem Abschnitt die Relevanz (Häuigkeit, Anteile) und die Entwicklung von Nutzungskombinationen verschiedener Verkehrsmittel betrachtet, was in Bild 1 durch die netzwerkhafte Verlechtung der Linien angedeutet wird. Der Anteil der Intermodalität wird wieder als Verkehrsleistung (Pkm) angegeben. Das InnoZ hat mit der Applikation „modalyzer“ ein Erhebungsinstrument zur Messung realer Geodaten inklusive einer exakten Erfassung der Wegeverläufe und Zuordnung der dabei genutzten Verkehrsmittel entwickelt (s.- Infobox 1). Diese langfristig angelegte Paneluntersuchung erlaubt es schon heute, aber insbesondere zukünftig, das Mobilitätsverhalten anonymisiert und dennoch akteursgenau zu ermitteln und aggregiert auszuwerten. Privat Luft SPV ÖSPV MIV Fahrradverkehr (in Pkm) Abschnitt 1 Verkehrsträger: Modale Sicht Abschnitt 2 Multi- und Intermodalität Abschnitt 3 Shared Mobility Abschnitt 4 CO 2 -freie Mobilität/ Elektromobilität Abschnitt 5 Mobilitätsumfeld Digitalisierung Öfentlich Neue „DNA der Mobilität“ Fußgängerverkehr (in Pkm) „Relevanter Verkehrsmarkt“ (Anteil Verkehrsleistung in Pkm) Bild 1: Der ‚rote Faden‘ des Mobilitätsmonitors © InnoZ GmbH InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Aus dem Ablauf ergeben sich folgende Abschnitte: FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 46 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Abschnitt 4: CO 2 -freie Mobilität (insb. Elektromobilität) Zusätzlich zu den nutzungseizienten Mobilitätsanwendungen (Shared Mobility) enthält der Monitor auch Aussagen zur energetischen Nachhaltigkeit. Denn für alle Mobilitätsformen gilt, dass sie den Anforderungen des Ressourcen- und Klimaschutzes entsprechen müssen, um zukunftssicher zu sein. Eine solche nachhaltige Umgestaltung verspricht die Elektromobilität, die sich in unterschiedlichen Formen im Gesamtverkehr wiederindet: In ‚klassischer‘ Form des schienenbzw.leitungsgebundenen Verkehrs, aber in geringerem Maße auch im Individualverkehr auf der Straße. Da Elektromobilität nur mit Strom aus regenerativen Quellen wirklich CO 2 -frei ist, erfolgt auch eine kurze Situationsbeschreibung und Einschätzung zur Energiewende im Verkehr. Abschnitt 5: Mobilitätsumfeld Digitalisierung Eine vernetzte Nutzung bekannter wie auch neuer Mobilitätsdienstleistungen ist eng verbunden mit dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik. Neben Nutzerpräferenzen und den klassischen Faktoren der Verkehrsnachfrage aus Abschnitt 1 hängt dies von technologischen Entwicklungen und insbesondere von Digitalisierungsoptionen ab. Als mögliche Trägermedien Das Mobility Dashboard ermöglicht die Abfrage und Aufbereitung von räumlichen Mobilitätsdaten über den Internetbrowser. Die Abfrage basiert auf dem sogenannten Webscraping, d.h. der wiederholten Beobachtung der Angebotskarten von Betreiberwebseiten. Die dabei gewonnenen Daten enthalten u.a. Geokoordinaten, Zeitstempel, Tankstand und Fahrzeug-Kennung. Da die Daten in regelmäßigen Abständen erhoben werden, kann anhand der Fahrzeugidentiikation ein Datensatz mit Bewegungsdaten jedes einzelnen Fahrzeuges erzeugt und daraus Zugrifsraten errechnet werden. Derzeit wird das Dashboard zur Analyse von lexiblem Carsharing, d.h. von stationslos vollzogenen Entleihvorgängen, eingesetzt. Es ist aber grundsätzlich für alle Informationen über Mobilitätsangebote geeignet, die Quell-Ziel-Relationen und Aufkommensangaben beinhalten. Kurz erklärt: Mobility Dashboard Ansprechpartner: Benno Bock benno.bock@innoz.de Website: https: / / demo.INNOZ-DASHBOARD.de Ansprechpartner: Stephan Leppler stephan.leppler@innoz.de Website: www.MODALYZER.com Abschnitt 3: Shared Mobility Multi- und intermodale Mobilität beinhalten nicht mehr alleine die Verknüpfung von öfentlichen Verkehrsmitteln untereinander oder mit dem bekannten Individualverkehr (Auto, Rad). Von zunehmendem Interesse sind Angebotsformen der Shared Mobility, aktuell vor allem Auto- und Radsharing und darüber hinaus auch Ridesharing, d.h. die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten zwischen Privatpersonen (vgl. Glossar). Die Daten über die Verkehrsmittel - die Linien in Bild 1 - werden entlang eines idealtypischen Kontinuums von „privat“ bis „öfentlich“ aufgefächert und neu sortiert. Im Mittelfeld dieser gedachten Skala liegen nun neue Nutzungsformen, die weder dem einen noch dem anderen Ende exakt zuzuordnen sind. Relevante Größen zur Marktbeobachtung sind neben der Verkehrsleistung der Hochlauf von Fahrzeugen, Kunden und Umsätzen sowie die Entwicklung der Anzahl von Kommunen mit Shared Mobility-Angeboten. Die herkömmlichen Zählungen unterscheiden nach MIV/ ÖV, reichen daher nicht mehr aus, sondern es bedarf einer Erfassung der temporären und raumbezogenen Zugrifsraten auf verfügbare Leihfahrzeuge bzw. Mitfahrgelegenheiten. Für das lexible Carsharing, d.h. ohne ortsfeste Entleihstationen, erfolgt die Erfassung auf Grundlage primär erhobener Daten im sogenannten Mobility Dashboard (s. Infobox 2). Für Fahrradverleihsysteme und stationäres Carsharing erfolgt die Berechnung auf Grundlage von Sekundärdaten sowie Annahmen zu durchschnittlich zurückgelegten Entfernungen je Buchung bzw. pro Jahr und Fahrzeug. Durch Integration von Buchungsdaten des Bikesharing und stationärem Carsharing in das Mobility Dashboard lässt sich zukünftig aber auch die Ent- Kurz erklärt: modalyzer wicklung dieser beiden Teilmärkte der Shared Mobility auf Grundlage von aktuellen Primärdaten darstellen. MOBILITÄTSMONITOR InnoZ 1 2 Modalyzer ist ein vollautomatisches, smartphone-basiertes Erhebungsinstrument, das als Applikation für Android-Geräte oder iPhones frei verfügbar ist. Damit wird modalyzer zu einem persönlichen Mobilitätslogbuch, das Distanzen, Streckenverläufe, Fahrzeiten und den CO 2 -Ausstoß ermittelt sowie allgemeinverständlich visualisiert. Der Algorithmus von modalyzer kann derzeit neun verschiedene Verkehrsmittel vollautomatisch unterscheiden und zudem Bike- und Carsharing-Fahrten identiizieren. Weitere Angaben von Seiten der Nutzer sind dazu nicht erforderlich. Die erhobenen Daten können auf der Website von modalyzer an verschiedene Projekte „gespendet“ werden. Über diesen Crowdsourcing-Ansatz werden die Nutzer zum Sammeln und Spenden von Daten animiert, gleichzeitig tragen sie dazu bei, ein neues, detailliertes und tagesaktuelles Bild der Alltagsmobilität nachzuzeichnen. Durch die Integration von Fragebögen auf der Website können wichtige soziodemographische oder Einstellungsmerkmale der Nutzer erfasst werden. Auch in die App lassen sich Erhebungsinstrumente integrieren. Der Raumbezug von modalyzer liegt auf Deutschland und Europa. Abhängig von der Verfügbarkeit des entsprechenden Kartenmaterials lässt sich modalyzer aber auch über Europa hinaus sinnvoll in Projekten nutzen. Die Verschneidung mit weiteren Daten (bspw. Wetterdaten, Baustelleninformationen etc.) eröfnet vielfältige, weitergehende Anwendungsoptionen. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 47 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR eignen sich derzeit elektronische Chipkarten (Mobilitätskarten) sowie Smartphone-Applikationen und zukünftig integrierte Endgeräte in Accessoires und Alltagsgegenständen. Die Verbreitung und Funktionalität von öfentlich zugänglichen Karten und Apps werden daher im Monitor als relevante Rahmenbedingung abschließend betrachtet (s. Infobox 3 zum europäischen Projekt Guide2Wear). Zunächst wird hierbei Deutschland im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Eine permanente Marktbeobachtung für den deutschsprachigen sowie gesamteuropäischen Raum ist zukünftig vorgesehen. Guide2Wear: Das InnoZ prüfte im Januar 2015 die Funktionen europäischer ÖV-Routing-Apps, die derzeit im App Store bzw. bei Google Play erhältlich sind. Hierfür wurden zunächst 192 europäische Apps für den Nahverkehr mit mehr als 10 000 Downloads erfasst und grob in Bezug auf ihre Funktionen (Echtzeit-Informationen, Verkehrsmittel etc.) bewertet. Darunter befanden sich 94 „ÖV-Apps“, die eine Abfrage des öfentlichen Nah- und Fernverkehrs anboten. Ziel war es, einen Überblick darüber zu erhalten, welche Apps intermodale Verbindungen mit mehreren Verkehrsmitteln anzeigen. Über digitale Karten oder Handykamera zeigen Apps den Weg zum richtigen Bahngleis oder Bussteig, erinnern an den Ausstieg, ermöglichen den Kauf elektronischer Tickets oder zeigen Alternativrouten und Störungen an. Zudem kann das Smartphone noch Fahrräder entriegeln, Carsharing-Autos buchen und öfnen, den CO 2 -Fußabdruck der gesamten Strecke berechnen oder als Fahrrad- Navi eingesetzt werden. In Zukunft werden außerdem Smart Watches, Smart Glasses oder sensorenbestückte Bus- und Bahnstationen mit dem Smartphone kommunizieren und weitere innovative Dienste für multi- und intermodale Fahrten ermöglichen. Kurz erklärt: Projekt Guide2Wear Ansprechpartner: Helga Jonuschat helga.jonuschat@innoz.de Website: www.GUIDE2WEAR.eu Wir glauben, dass die bisherigen Resultate bereits aufschlussreiche Erkenntnisgewinne für die Umgestaltung und Ergänzung des verkehrsstatistischen Monitorings enthalten. Gleichwohl ist der Mobilitätsmonitor ausdrücklich als Einladung an alle Fachkundigen und Datenanalysten zu verstehen, uns auf dem Weg der Methodenvalidierung und Informationsaubereitung zu begleiten. Der Aubau einer zuverlässigen Datenbasis kann aus unserer Sicht nur eine gemeinschaftliche Arbeit sein, die auf bewährten Methoden aubaut und sich darüber hinaus neuen Formen der Datenbeschafung und -analysen bedient. christian.scherf@innoz.de Quellen ADFC/ SINUS (2014): Fahrrad-Monitor Deutschland 2013. Sinus Markt- und Sozialforschung, online unter: http: / / www.adfc.de/ iles/ 2/ 35/ Monitor_2013.pdf (letzter Aufruf 08.10.2015). Ahrend, Christine; Schwedes, Oliver; Daubitz, Stephan; Böhme, Uwe; Herget, Melanie (2013): Kleiner Begrifskanon der Mobilitätsforschung. IVP-Discussion Paper 2013 (1), Technische Universität Berlin, online unter: https: / / www.ivp.tu-berlin.de/ ileadmin/ fg93/ Dokumente/ Discussion_Paper/ DP1_Ahrend_et_al.pdf (letzter Aufruf 13.10.2015). BMVI (2015): Bundesverkehrswegeplan 2015. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, online unter: http: / / www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ G/ bundesverkehrswegeplan-2015.html (letzter Aufruf 08.10.2015). Canzler, Weert (2015): Zukunft der Mobilität - An der Dekarbonisierung kommt niemand vorbei, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. APuZ 31-32/ 2015, online unter: http: / / www.bpb.de/ apuz/ 209960/ zukunft-der-mobilitaet-an-der-dekarbonisierung-kommt-niemand-vorbei (letzter Aufruf 08.10.2015). Canzler, Weert; Knie, Andreas (2015): Die wirklich schöne neue Verkehrswelt, in: StadtLust. Die Quellen urbaner Lebensqualität. Oekom: München, S. 61-66, online unter: http: / / www.innoz. de/ sites/ default/ iles/ POE61_66_Canzler_Knie_20_8_15.pdf (letzter Zugrif 09.10.2015). Freese, Christian; Schönberg, A. Tobias (2014): Think Act - Shared Mobility. Roland Berger, online unter https: / / www.rolandberger.com/ media/ pdf/ Roland_Berger_TAB_Shared_Mobility_20140716.pdf (letzter Zugrif 09.10.2015). InnoZ (2009): Verkehrsmarkt-Monitor Deutschland 2009. Online unter: http: / / www.innoz.de/ sites/ default/ iles/ innoz_vm-monitor_I-2009.pdf (letzter Zugrif 09.10.2015). Jonuschat, Helga; Stephan, Korinna; Schelewsky, Marc (2015): Understanding multimodal and intermodal mobility, in: Attard, Maria; Shiftan, Yoram (Hrsg.): Sustainable Urban Transport (Transport and Sustainability, Volume 7), Emerald Group Publishing Limited, S. 149-176. Knie, Andreas (2015): Sozialwissenschaftliche Mobilitäts- und Verkehrsforschung: Ergebnisse und Probleme, in: Schwedes, Oliver; Canzler, Weert; Knie, Andreas (Hrsg.): Handbuch Verkehrspolitik, Wiesbaden: Springer, S. 1-16. Leppler, Stephan; Schelewsky, Marc (2015): Neue Forschungsinstrumente für die „Mobilität der Zukunft“ in: Deine Bahn. 3/ 2015, S. 42-45, online unter: http: / / www.innoz.de/ sites/ default/ iles/ deine-bahn_2015-03-042.pdf (letzter Aufruf 09.10.2015). Schönduwe, Robert; Bock, Benno; Deibel, Inga (2012): Alles wie immer, nur irgendwie anders? Trends und Thesen zu veränderten Mobilitätsmustern junger Menschen. InnoZ-Baustein Nr. 10, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, online unter: http: / / www.innoz.de/ sites/ default/ iles/ 10_innoz-baustein.pdf (letzter Aufruf 08.10.2015). Schönduwe, Robert; Lanzendorf, Martin (2015): Nutzung regionaler Mobilitätsdaten - Möglichkeiten zur Kombination und Harmonisierung der regionalen Mobilitätsdaten des Rhein- Main-Panels mit anderen Mobilitäts- und Strukturdaten. Arbeitspapiere zur Mobilitätsforschung Nr. 3, Frankfurt a.M., online unter: http: / / publikationen.ub.uni-frankfurt.de/ opus4/ frontdoor/ index/ index/ docId/ 35599 (letzter Aufruf 09.10.2015). Windhausen, Eva; Andres, Marc-Stefan (2015): Boom ums Bike, online unter: https: / / www. deutschland.de/ de/ topic/ leben/ mobilitaet-reise/ boom-ums-bike (letzter Aufruf 09.10.2015). InnoZ MOBILITÄTSMONITOR 3 FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 48 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Liebe Leserinnen und Leser, in Zukunft möchten wir an dieser Stelle regelmäßig das aktuelle Mobilitätsgeschehen in Deutschland beziffern und erläutern. Die Klimaschutzziele machen neben der Energieauch eine Verkehrswende hin zu einer postfossilen und ressourcenschonenden Mobilität notwendig. Beide Ziele sind daher nur gemeinsam erreichbar. Wir betrachten den Verkehr nicht nur aus der ‚klassischen‘ Perspektive der Verkehrsträger und seines demographischen und ökonomischen Umfeldes, sondern verknüpfen diese Sichtweise mit neuen Aspekten der inter- und multimodalen Nutzung sowie des Sharing- Bereichs, die gemessen in Verkehrsleistungszahlen (noch) im mikroskopischen Größenbereich liegen. Das Umfeld ist dabei zunehmend durch Digitalisierung, integrierte Angebote sowie die Verbindung zu alternativen Antriebsformen geprägt. Unsere tägliche Arbeit am Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) erfordert und erbringt gleichzeitig eine große Menge an Daten. Diese sollen mit der nun startenden Reihe des Mobilitätsmonitors in ihrer inhaltlichen Verbindung gesamthaft dargestellt werden. Mit Internationales Verkehrswesen haben wir ein attraktives Publikationsmedium gefunden. Der Monitor lebt darüber hinaus von der gegenseitigen Wissensvermittlung unter Marktakteuren und Fachleuten. Wir möchten die eigenen Erhebungen - wie auch zitierte Quellen - hiermit der interessierten Öfentlichkeit zugänglich machen, um eine Debatte über die Weiterentwicklung der isolierten Verkehrsmärkte hin zu einem integrierten Mobilitätsmarkt anzuregen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen und Diskussionen. Das gesamte InnoZ wünscht Ihnen eine informative und kurzweilige Lektüre. Prof. Dr. Andreas Knie Geschäftsführung InnoZ GmbH Dr. Jürgen Peters MOBILITÄTSMONITOR InnoZ InnoZ Mobilitätsmonitor Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 49 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Verkehrsträger - Modale Sicht Bild 2: Entwicklung des BIP und der verfügbaren Einkommen 2010 - 2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015 / Sachverständigenrat 2015) BIP real Erwerbstätige Verfügbares Einkommen real Arbeitslosenqoute Bild 3: Arbeitsmarkt 2010 - 2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015 / Sachverständigenrat 2015) Die Konjunktur in Deutschland, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), wuchs 2014 um 1,6% und war damit Wachstumstreiber in Europa, nachdem sie 2013 noch stagnierte. Verantwortlich für die positive Entwicklung sind primär die Exporte (+3,8%) und die Bruttoanlageninvestitionen (+3,3%). Ebenso mit 1,6% stiegen in 2014 die real verfügbaren Einkommen. Nach Jahren der Entkopplung der BIPvon der Einkommensentwicklung profitierte letztere 2014 von der positiven Arbeitsmarktlage und Lohnzuwächsen. Trotz der Finanzkrise in Griechenland wird für das Jahr 2015 in Deutschland ein Anstieg des BIPs und der verfügbaren Realeinkommen von 2,0% erwartet. 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 1,3% 1,6% 1,3% 2,0% Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 1,1% 0,9% 0,5% 0,5% 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 0,6% 1,6% 2,8% 2,0% 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 7,1% 6,7% 6,6% 6,5% 2010-13 Ø 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 Die Nachfrage im Personenverkehr ist auch weiterhin stark abhängig von konjunkturellen Faktoren wie etwa den verfügbaren Einkommen oder der Arbeitsmarktsituation. Die Darstellung des volks- und verkehrswirtschaftlich relevanten Umfeldes ist daher der eigentlichen Verkehrsmarktanalyse vorangestellt. Im Anschluss wird der Blick auf den klassischen Personenverkehrsmarkt gerichtet, sortiert nach den „klassischen“ motorisierten Verkehrsträgern. Weitergehend wird die Perspektive um die Verkehrsleistungen der nichtmotorisierten Fortbewegungsarten, Fahrrad und Fußverkehr erweitert. Konjunkturelles Personenverkehrsmarktumfeld Auch die Anzahl der Erwerbstätigen wuchs im Jahr 2014 weiterhin robust um 0,9% an. Die Arbeitslosenquote sank auf 6,7%. Dieser positive Trend hielt auch im ersten Halbjahr 2015 mit einem Plus von rund 0,5% bei den Erwerbstätigen an. Die Arbeitslosenquote lag in den ersten sechs Monaten 2015 mit 6,6% niedriger als im ersten Halbjahr 2014 (6,9%). Die gute Konjunktur beflügelt weiterhin den Arbeitsmarkt und fördert zudem die Zuwanderung von ausgebildeten Fachkräften. Die Einführung des Mindestlohns hat bisher nicht die befürchtete bremsende Wirkung. Im weiteren Jahresverlauf 2015 wird die Arbeitslosenquote im Trend weiter abnehmen und auch die Zahl der Erwerbstätigen wird voraussichtlich um 0,5% zunehmen. Die Bevölkerungszahl wird bis Jahresende aufgrund der starken Zuwanderung vsl. noch etwas stärker als bereits 2014 (+0,5%) anwachsen. © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH InnoZ MOBILITÄTSMONITOR FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 50 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Mobilitätskosten Bild 4: Entwicklung Kraftstofpreise 2010 - 2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015) Die Nutzerkosten im Personenverkehr haben sich in den letzten fünf Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Besonders aufallend ist, dass der Kraftfahrer-Preisindex als Maß für die Preisentwicklung im motorisierten Individualverkehr (MIV) nur unterdurchschnittlich wuchs und seit 2014 sogar sinkt. Hauptgrund für diese Entwicklung sind die niedrigen Kraftstofpreise, die maßgeblich vom Ölpreis abhängen. Der Preis der Öl-Sorte Brent lag 2014 noch bei durchschnittlich ca. 100 USD je Barrel, wobei schon im 4. Quartal der Preisverfall einsetzte. Im Januar 2015 wurde erstmals seit 2009 die 50-Dollar-Marke unterschritten. Zwar zog der Preis in der Folge wieder leicht an, der Barrel war im ersten Halbjahr mit 58 USD aber nur noch halb so viel wert wie im Vorjahreszeitraum. Im August wurde mit 47 USD je Barrel der tiefste Jahreswert erreicht. Der niedrige Ölpreis ist eine Folge des Booms neuer Fördermethoden (Fracking), aber auch eine Folge der schwachen Nachfrage aufgrund der Eintrübung der Weltwirtschaft. Kurzfristig kann von einem leichten Anstieg zum Jahresende ausgegangen werden. Der Rückgang des Kraftfahrer-Preisindexes von -0,8 % in 2014 und von -2,5 % kumuliert zum August 2015 ist nicht nur Ausdruck der extrem niedrigen Kraftstofpreise, sondern spiegelt auch den nur moderaten Anstieg bei den Kaufpreisen von Neuwagen von rund 1 % oder die sogar rückläuigen Preise für Mietwagen von -4,5 % im Jahr 2014 wider. 2,1% 2,5% 3,1% 6,4% 1,8% 0,9% 3,2% -2,5% 2,4% 3,1% 1,6% -0,8% -2,5% 0,9% 3,1% 0,0% 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. 2015 Aug. kum. Kraftfahrer-Preisindex SPV Verbundtarife Luftverkehr Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum Bild 5: Preisentwicklung Personenverkehr 2010 - 2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015) 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. 2015 Aug. kum. Benzin 4,0% 5,2% -4,0% -5,3% -8,9% -12,2% -8,2% -12,6% Diesel Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum Aufgrund des schwachen Euros ielen die Kraftstofpreise nicht äquivalent zum in US-Dollar notierten Ölpreis. Im ersten Halbjahr 2015 sanken die Benzinpreise um ca. 9 %, die Dieselpreise sogar um rund 12 %. Neben dem niedrigen Ölpreis lässt die im europäischen Maßstab fehlende konjunkturelle Nachfrage im Güterverkehr die Amplitude der Dieselpreise deutlich stärker nach unten ausschlagen. Dagegen stiegen die Preise im Schienenpersonenverkehr mit 2,4 % sowie bei den Verbundtarifen mit 3,1 % auch 2014 kontinuierlich an. Während die Verbundtarife auch im ersten Halbjahr 2015 weiter anzogen, ist der Preisanstieg im Schienenpersonenverkehr mit 0,9 % deutlich geringer ausgefallen, v.a. da die Deutsche Bahn auf Preissteigerungen im Fernverkehr zweiter Klasse verzichtet hatte. Der Luftverkehr proitiert derzeit ebenfalls von den relativ niedrigen Ölpreisen. Insgesamt kommt die aktuelle Preisentwicklung primär dem MIV zu Gute. © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Preisentwicklung Kraftstofe MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 51 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Bild 6: PKW-Bestand und Neuzulassungen 2010 - 2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015 In der oiziellen Statistik wird der PKW-Bestand zum 01.01. eines Jahres angegeben. Um die Einheitlichkeit mit anderen Daten herzustellen, wird im Mobilitätsmonitor angenommen, dass der PKW-Bestand zum 01.01. dem zum 31.12. des Vorjahres entspricht. So entspricht z.B. die im Mobilitätsmonitor ausgewiesene Bestandsveränderung zum 31.12.2014 dem der oiziellen Statistik zum 01.01.2015. 0,4% 2,9% 5,2% 5,5% 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. 2015 3.Q kum. Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 1,0% 1,3% k.a. 2,0% 2010-13 p.a. 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum PKW-Bestand Trotz der wachsenden Angebote gemeinschaftlich genutzter Fahrzeuge im Carbzw. Ridesharing und trotz zunehmender Nutzung des öfentlichen Verkehrs ist der PKW-Bestand kontinuierlich angestiegen - so auch 2014 mit 1,3% auf nun 44,4 Mio. PKW. Das Wachstum des PKW-Bestandes geht zum einen auf die rund 3 Mio. neuzugelassenen Autos in 2014 zurück (Anstieg von 2,9%). Diese Tendenz setzte sich im ersten Halbjahr 2015 mit einem Anstieg der Neuzulassungen um 5,2% verstärkt fort. Zum anderen trug das stetig wachsende Durchschnittsalter der PKW-Flotte von mittlerweile ca. neun Jahren zur Vergrößerung des Bestandes bei. Im Gegenzug sanken die durchschnittlichen jährlichen Fahrleistungen auf ca. 14 000 Kilometer. Aufgrund der niedrigen Kraftstofpreise, der stabilen Konjunktur sowie der nur moderat steigenden Kaufpreise ist auch 2015 mit einem nochmaligen Anstieg der Neuzulassungszahlen und infolgedessen mit einer Ausweitung des PKW-Bestandes bis Jahresende um etwa 2% zu rechnen. Die von den Autoherstellern geäußerten Absatzschwierigkeiten in Deutschland bzw. Europa spiegeln sich zwar im gebremsten Wachstum der Autoindustrie wider, deuten aber nicht auf ein grundsätzlich verändertes Mobilitätsverhalten hin. Das Wachstum des PKW-Bestandes wird hauptsächlich von den PKW mit Dieselmotor getrieben. So stieg die Zahl der Diesel-PKW seit 2010 um ca. 5 % p.a. an, ihr Anteil betrug zum 31.12.2014 31 %. Gleichzeitig sank die Anzahl der PKW mit Ottomotoren leicht, allerdings liegt deren Anteil derzeit noch bei 67 %. Die alternativen Antriebe haben demnach nur einen Anteil von 1,6 %, der aber seit dem Jahr 2010 ausgehend von niedrigen 1,25 % stetig wuchs. Während die Boomphase bei Flüssiggas- PKW (Wachstum 2014: +1,3 %) und Erdgas-PKW (Wachstum 2014: +3,0 %) ofenbar vorbei ist, entwickelt sich der Bestand von Hybridfahrzeugen (Wachstum 2014: +26 %) und Elektrofahrzeugen (Wachstum 2014: +56 %; s. Bild 7) dynamisch, wenn auch auf niedrigem absolutem Niveau. Benzin Diesel Flüssiggas Erdgas Elektro Hybrid 2014 2013 2010 Bild 7: PKW-Bestand nach Antriebsarten 2010-2014 (Quelle: Kraftfahrtbundesamt 2015) Wie eingangs erwähnt, haben die geschilderten Umfeldfaktoren großen Einluss auf den Verkehrsmarkt. Sie ließen u.a. in Berechnungsmodelle ein, mit deren Hilfe Vorausschätzungen und Prognosen erstellt werden. Der hier als „klassisch“ bezeichnete Verkehrsmarkt umfasst die motorisierten Verkehrsträger auf Straßen, Schienen sowie in der Luft. © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH InnoZ MOBILITÄTSMONITOR PKW in Tsd. 2010 2013 2014 B 30488 29956 29838 Diesel 11276 13215 13861 Flüssiggas 419 501 494 Erdgas 72 79 81 Elektro 2,3 12,1 18,9 Hybrid 37 86 108 FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 52 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Klassischer motorisierter Personenverkehrsmarkt - Ist-Entwicklung 2014 Bild 10: Schienenpersonenverkehr 2013-2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015) 3.Q 2013 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 -5 -3 -1 1 3 5 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) SPNV SPFV Bild 8: Motorisierter Individualverkehr 2013-2015 (Quelle: eigene Berechnung) 3.Q 2013 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 -2 -1 0 1 2 3 4 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) Der Markt wird vom motorisierten Individualverkehr (MIV) dominiert, der mit rund 84% Modal Split-Anteil die höchsten Verkehrsleistungen erbringt. Sinkende Kraftstofpreise, die wachsende Zahl von Erwerbstätigen sowie steigende verfügbare Einkommen kurbelten die Nachfrage im MIV an, der um ca. 1,4 % wuchs. Zusätzlich hatten die milden Witterungsverhältnisse im 1. Quartal 2014 im Vergleich zum Vorjahr zu einem deutlichen Nachfrageanstieg geführt. Generell ist nicht nur die konventionelle PKW-Nutzung von Belang, denn grundsätzlich kann, trotz des wachsenden Fernbusmarkts, auch von einer steigenden Inanspruchnahme organisierter Mitfahrten bzw. Fahrgemeinschaften ausgegangen werden (s. Bild 8), wie die starken Zuwächse an vermittelten Fahrten bei den entsprechenden Portalen belegen. Hinzu kommt die zunehmende Verbreitung von stationslosem Carsharing (sog. free loating) in mehreren Großstädten (s. 55f ). Mit der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes zum 1. Januar 2013 und der damit einhergehenden Liberalisierung des Fernbusverkehrs änderten sich die Verkehrsmarktbedingungen im öfentlichen Straßenpersonenverkehr (ÖSPV) nachdrücklich. Im Jahr 2014 beschleunigte sich die starke Aufwärtsentwicklung bei der Fernbusnachfrage und verhalf dem ÖSPV zu einem Wachstum der Verkehrsleistung von ca. 3,3 %. Nach ca. 8,2 Mio. Fahrgästen 2013 wählten 2014 schon ca. 16 Mio. Fahrgäste den Fernbus. Das entspricht bei einer durchschnittlichen Reiseweite von ca. 330 km etwa 5,4 Mrd.-Pkm. Insgesamt liegen für den Fernbusmarkt noch keine verlässlichen Zähldaten, sondern nur Schätzungen vor - auch von Seiten des Statistischen Bundesamtes, da Daten vieler neuer Anbieter wie MeinFernbus/ Flixbus oder Postbus in den unterjährigen Statistiken des Statistischen Bundesamtes noch nicht enthalten sind. Dagegen wird die Nachfrage im Nahverkehr mit Bussen vom schleichenden Bevölkerungsschwund in ländlichen Räumen gebremst, wo sein Hauptstandbein die Schülerbeförderung ist (s. Bild 9). Die städtischen schienengebundenen Straßenverkehre (Straßenbahn, Stadtbahn und U-Bahn) hingegen entwickelten sich stabil - v.a. aufgrund der zunehmenden Bevölkerung in vielen Großstädten und Agglomerationen. Aufgrund des deutlich härteren Wettbewerbs zwischen den Verkehrsträgern durch die Expansion der Fernbusanbieter sowie der Bahnstreiks stagnierte 2014 die Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr (SPV). Besonders der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) büßte aus den genannten Gründen Marktanteile ein. Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) indes wuchs 2014 aufgrund stetiger Angebotsverbesserungen wie z.B. der Inbetriebnahme der S-Bahn Mitteldeutschland. Die Einbrüche im 4. Quartal 2014 sind primär streikbedingt (s. Bild 10). © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Bild 9: Öfentlicher Straßenpersonenverkehr 2013-2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015) 3.Q 2013 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 -2 -1 0 1 2 Straßenbahn/ U-Bahn Bus-Nahverkehr Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) © InnoZ GmbH MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 53 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Bild 11: Innerdeutscher Luftverkehr 2013-2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015) Klassischer motorisierter Personenverkehrsmarkt - Ausblick 2015 Der innerdeutsche Luftverkehr wuchs in 2014 zum ersten Mal nach drei Jahren wieder, wenn auch nur leicht um 0,6%. In der jüngeren Vergangenheit wurden Angebot wie Nachfrage durch steigende Preise aufgrund hoher Kerosinkosten und z.B. der Luftverkehrsabgabe gebremst. Die Treibstokosten begannen bereits Ende 2014 deutlich zu fallen; eine noch deutlichere Nachfragesteigerung wurde jedoch durch Streiks verhindert (s.-Bild 11). 3.Q 2013 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 -5 -3 -1 1 3 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) Insgesamt wuchs die Verkehrsleistung der motorisierten Verkehrsträger - getrieben durch den Hauptakteur MIV - um 1,4 %. Auch für das Jahr 2015 wird mit einer Zunahme der Verkehrsleistung gerechnet. Die verkehrsbegünstigenden Umfelddaten (siehe oben) haben positive Efekte auf den Verkehrsmarkt. Im laufenden Jahr war die Entwicklung im MIV im 1. Quartal mit 2,9 % deutlich stärker als im 2.- Quartal mit 1,4 % (kumuliert 2,1 %). Insbesondere die weiterhin niedrigen Kraftstofpreise stützen den generell positiven Trend. Für das Gesamtjahr rechnen wir mit einem Plus von etwa 2 %. Die Wettbewerbsintensität wird besonders auf den Fernstrecken hoch bleiben. Nach der Fusion der Unternehmen Meinfernbus und Flixbus zum Jahresanfang 2015 ist mit einer weiteren Konsolidierung im Fernbusmarkt zu rechnen. Die ÖSPV-Nachfrage wird bis Jahresende um ca. 2,5 % weiter zunehmen, wobei das Plus vorwiegend vom Fernbusmarkt getragen wird (ca. +40 %). Die Verluste im SPNV im ersten Halbjahr 2015 sind primär streikbedingt. Dagegen konnte die Verkehrsleistung des SPFV im 1. Quartal von einem positiven Basisefekt proitieren, brach aber im 2. Quartal ebenfalls streikbedingt ein. Im Gesamtjahr 2015 wird die Schiene aufgrund der Wettbewerbssituation im Personenfernverkehr und der langen Streiks bestenfalls stagnieren. Nach dem schwachen Vorjahr wäre die Stagnation Folge des Basisefekts. In der Konsequenz nähern sich die Modal-Split-Anteile von Schienenpersonenverkehr (7,9 %) und ÖSPV (7,3 %) weiter an (s. Bild 12). Im innerdeutschen Luftverkehr haben zu Jahresbeginn Streiks die Entwicklung gebremst. Der innerdeutsche Flugverkehr wird 2015 dennoch aufgrund des relativ stabilen wirtschaftlichen Umfelds und der niedrigen Kerosinpreise um mindestens 1 % wachsen, sofern keine weiteren Streiks zu Einschränkungen führen. Für die Verkehrsleistung auf dem Gesamtmarkt des motorisierten Verkehrs ist entsprechend der aufgeführten Entwicklungen des relevanten Umfeldes sowie der sich abzeichnenden unterjährigen Trends ein Nachfrageplus von knapp 2 % zu erwarten. Die bis dahin geschilderte klassische Marktdarstellung des motorisierten Personenverkehrs muss aus unserer Sicht um den sog. nicht-motorisierten Individualverkehr (NMIV) - also den Fuß- und den Radverkehr - erweitert werden, da er zumindest beim Aukommen eine signiikante Größe darstellt und wichtiger Bestandteile intermodaler Wegeketten ist. Nicht zuletzt hat die Fahrradnutzung in den letzten Jahren deutlich zugenommen. 600 900 1200 902,4 78,1 10,7 83,9 34,6 32,4 917,7 78,1 9,9 89,0 34,4 36,0 930,5 80,7 9,9 88,9 34,2 36,7 949,1 82,7 10,0 88,9 34,0 37,5 1142 0,7% 1,4% 1,8% 1165 1180 1202 1075 1095 1110 1131 Personenkilometer in Mrd. 2010 2014 2013 Ausblick 2015 3,6% 2,0% 2,0% -0,2% -0,5% -0,5% 0,6% 1,4% 1,9% 2,0% -0,1% 0,0% 0,0% 3,3% 2,5% -2,6% 0,6% 1,0% 0,6% p.a p.a p.a 1,4% 2,0% Rad Motorisierte Verkehrsträger Personenverkehr insgesamt Fuß Schienenverkehr ÖSPV Luftverkehr MIV Bild 12: Personenverkehr nach Verkehrsmitteln, Verkehrsleistung 2010-2015 (Quelle: BMVI/ DIW (Verkehr in Zahlen), BMVI (Gleitende Mittelfristprognose), eigene Berechnungen) © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH 2010 2013 2014 2015 S PV 7,8% 8,1% 8,0% 7,9% ÖSPV 7,3% 7,1% 7,3% 7,3% Luft 1,0% 0,9% 0,9% 0,9% MIV 83,9% 83,8% 83,8% 83,9% Modal Split motorisierte Verkehrsträger InnoZ MOBILITÄTSMONITOR FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 54 INFRASTRUKTUR Wissenschaft 2010 2013 2014 2015 Rad 2 3 1 3 1 3 1 Fuß 3,0% 3,0% 2,9% 2,8% Schienenverkehr 7,3% 7,6% 7,5% 7,4% ÖSPV 6,8% 6,7% 6,8% 6,9% Luftverkehr 0,9% 0,8% 0,8% 0,8% MIV 79,0% 78,8% 78,8% 78,9% Gesamtpersonenverkehrsmarkt - Ist-Entwicklung und Ausblick 2015 Der Fahrradverkehr nahm auch 2014 um 2 % weiter zu. Gründe hierfür sind einerseits die zunehmende Zahl von Rädern mit elektrischer Tretunterstützung (Pedelecs), die aufgrund ihrer Reichweite und ihres Komforts neue Kundengruppen erschließen und andererseits die positiven Resultate regionaler und lokaler Radverkehrsförderungsmaßnahmen. Es ist anzunehmen, dass der Fußverkehr entsprechend des Trends weiter leicht abnimmt (0,5 %). Genaue Zähldaten stehen jeweils nicht zur Verfügung. Der Gesamtmarkt über alle motorisierten und nichtmotorisierten Verkehrsträger ist dementsprechend im Jahr 2014 um ca. 1,4 % gewachsen (s. Tabelle 1). Für 2015 wird mit einer Kontinuität der geschilderten Trends bei der nichtmotorisierten Mobilität gerechnet, sodass die Verkehrsleistung im Gesamtmarkt um rund 1,8% zulegen dürfte. Ansprechpartner: Frank Schwartzbach frank.schwartzbach@innoz.de Multi- und Intermodalität Die obige Umfeld- und Überblicksbetrachtung folgt weitgehend dem üblichen Muster: Verkehrsträger werden als separat nebeneinanderstehende Einzelgrößen betrachtet. Die reale Nutzung der konkreten Verkehrsmittel sieht jedoch mitunter anders aus: „Mobilitätsoptimierer“ wählen je nach Anlass, Wetter und Laune das jeweils passende Verkehrsmittel. Wege werden selbstbestimmt mit dem PKW oder Carsharing-Fahrzeug, aktiv mit dem Rad, schnell mit dem Regionalexpress oder routinisiert mit Bus und Bahn zurückgelegt. Multimodalität - also die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel im Verlauf z.B. einer Woche (s. Glossar) - ist nicht neu. Eine Auswertung des Deutschen Mobilitätspanels zeigt, dass der Anteil multimodaler Personen seit 20 Jahren relativ konstant bei 45 % liegt (Nobis, 2015). Das Interesse richtet sich nun verstärkt auf den Sonderfall der Multimodalität: Die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel auf einem Weg. Über dieses als intermodal bezeichnete Verkehrsverhalten ist bisher nur wenig bekannt. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass mit herkömmlichen Erhebungsmethoden die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel auf einem Weg nur ungenau erfasst werden kann. Insbesondere wenn viele Wege zurückgelegt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Befragten nicht alle genutzten Verkehrsmittel in den bereitgestellten Mobilitätstagebüchern erfassen. Im Ergebnis zeigt sich in repräsentativen Erhebungen wie dem Deutschen Mobilitätspanel, der MiD oder dem SrV nur ein sehr geringer Anteil intermodaler Wege (Schönduwe/ Lanzendorf 2015: 140f ). Es stellt sich also die Frage, welche Relevanz Intermodalität überhaupt besitzt. Neue digitale Erhebungsmethoden wie „modalyzer“ (s. Infobox 1) erlauben es nun, diese Frage zu beantworten. Mittels GPS-Tracking werden alle genutzten Verkehrsmittel automatisch erkannt und somit genaue Aussagen zur Intermodalität ermöglicht. In den Jahren 2014/ 15 zeichneten fast 2000 Personen in fünf Forschungsprojekten ihr Mobilitätsverhalten auf. Fast 60 000 Stunden war modalyzer dabei im Einsatz. Es wurden Mobilitätsmuster mit einer Gesamtlänge von fast einer Million Kilometer aufgezeichnet. Die Teilnehmer legten dabei einen Großteil der Verkehrsleistungen im Umweltverbund zurück (s. Bild 13). Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse haben also keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern zeigen vielmehr das Potential dieses neuen Erhebungsinstruments. Eine stetig steigende Anzahl von modalyzer-Nutzern wird es zukünftig erlauben, die Datenbasis zu erweitern und exaktere Aussagen zum Verkehrsverhalten zu ermöglichen. Auf diese Weise wird ein Panel aufgebaut, mit dem kontinuierlich Aussagen zum Verkehrsverhalten getrofen werden können. MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Tabelle 1: Modal Split Gesamtpersonenverkehrsmarkt, Verkehrsleistung 2010-2015 (Quelle: BMVI/ DIW (Verkehr in Zahlen), BMVI (Gleitende Mittelfristprognose), eigene Berechnungen) Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 55 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% monomodal 641.918 Pkm intermodal 245.191 Pkm 27,6% 72,4% Fuß R d S V ÖS M I V intermodale Wege Bild 13: Verteilung der mit modalyzer gemessenen Gesamtverkehrsleistung auf die Verkehrsmittel (Quelle: eigene Berechnungen) Bild 14: Anteile der monomodal generierten Verkehrsleistung nach Verkehrsmitteln und der intermodal generierten Verkehrsleistung insgesamt (Quelle: InnoZ, eigene Berechnungen) Ansprechpartner: Robert Schönduwe robert.schoenduwe@innoz.de 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Mit der genaueren Brille des GPS-Trackings betrachtet zeigt sich, dass auch Intermodalität von vielen Personen bereits heute praktiziert wird. Aggregiert über alle Forschungsprojekte haben knapp 65 % der Teilnehmer mindestens einen intermodalen Weg zurückgelegt. Die Verkehrsleistung auf intermodalen Wegen nimmt einen Anteil von knapp 28 % ein. Der Anteil ist damit ähnlich hoch, wie die jeweils monomodale Nutzung des MIV und nur etwas geringer als die ausschließlich mit dem ÖV generierte Verkehrsleistung (s. Bild 14). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Umstiege innerhalb der öfentlichen Verkehrsmittel, also z.B. zwischen Nahverkehrsbus und Straßenbahn, nicht berücksichtigt wurden. Auch der Fußverkehr ist nicht in diese Berechnung einbezogen. Betrachtet man allerdings nicht Verkehrsleistungen, sondern Wege, so ist der Anteil der intermodalen Wege bei eher bescheidenen 9 %. Dies bedeutet, dass Intermodalität bisher vor allem bei Fernverkehrswegen eine Rolle spielt. Im Bereich der Nahmobilität spielt Intermodalität hingegen (noch) keine große Rolle. Integrierbare Angebote der sog. Shared Mobility könnten dies jedoch ändern. © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Shared Mobility Die Intermodalität gewinnt u.a. auch deshalb an Bedeutung, weil neue Angebotsbausteine entstehen, die sich besonders für eine kombinierte Nutzung in Verbindung mit anderen Verkehrsmitteln eignen. Diese Bausteine lassen sich unter der Bezeichnung Shared Mobility zusammenfassen (s. Glossar). Sie haben gemeinsam, dass sie weder dem klassischen MIV noch dem konventionellen ÖV zuzuordnen sind: Sie liegen in einem „Graubereich“ entlang einer idealisierten Skala von „öfentlich“ bis „privat“. z 700 600 500 400 300 200 100 2 4 6 8 10 2010 2014 2013 2015 F z ! "#! $% %&'() F z ! "#! * ! & + ! , -"%.! * ! & + ! , -"%.! $% %&'() Bild 15: Anzahl der Fahrzeuge und Nutzer im stationären und flexiblen (stationsunabhängigen) Carsharing (Quelle: Bundesverband CarSharing (bcs), persönliche Anfrage; Anm.: seit 2012 unterscheidet die Statistik zwischen den Angebotsvarianten „stationäres Carsharing“ und „flexibles Carsharing“.) Fuß Rad SPV ÖSPV MIV InnoZ MOBILITÄTSMONITOR FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 56 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Das Carsharing in Deutschland konnte 2015 seinen Millionsten Kunden begrüßen. Das seit den späten 1980er-Jahren bestehende System mit festen Abhol- und Rückgabestationen (stationär) zeigt seit 1997 ein kontinuierliches Wachstum. Im Schnitt wuchsen die Kundenzahlen seither um 18 % und die Zahl der Fahrzeuge um 11 % pro Jahr. Das System ohne feste Abhol- und Rückgabestationen (lexibel) zeigte sich in den Jahren 2012 und 2013 mit Wachstumsraten über 200 % bei Kunden und über 100% bei Fahrzeugen sehr dynamisch. Die Zahlen für 2014 zeigen hier einen deutlichen Rückgang des Wachstums, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass keine weiteren Städte mit großen Fahrzeuglotten zum Angebot dazugekommen sind. Hier planen die großen Anbieter auch mittelfristig keine weiteren Stadtmärkte zu erschließen, wobei etablierte Anbieter des stationären Carsharings in Städten wie Mannheim, Hannover und Osnabrück zusätzlich zum Kerngeschäft mit kleinen lexiblen Flotten bis zu 50 Fahrzeugen experimentieren. Im Gegensatz dazu wächst die Zahl der Kommunen mit stationärem Carsharing kontinuierlich (Stand 2015: 490), was auch das kontinuierliche Wachstum der Kundenzahlen erklärt. Für die kommenden Jahre rechnen wir weiterhin mit einem jährlichen Wachstum des gesamten Carsharing-Marktes um 20%, wobei eine positive Entwicklung der Rahmenbedingungen, wie eine Privilegierung von Carsharing im öfentlichen Raum, diesen Wert deutlich nach oben korrigieren könnte. Für den Bikesharing-Markt gibt es derzeit keine kontinuierliche, bundesweite Datenerhebung. Zwei große Anbieter teilen sich den Markt auf. Laut einer Studie des ACE (Auto Club Europa) waren im Sommer 2014 rund 18 000 Fahrräder an 1800 Ausleihstationen in 69 Städten und Regionen Deutschlands verfügbar (ACE 2014). Diese Studie macht keine Aussagen zur quantitativen Entwicklung des Bikesharing. Jedoch weist sie darauf hin, dass das Wachstum in etablierten Märkten wie Berlin und Hamburg stattindet und in den vergangen Jahren eine Reihe von Modellregionen den Dienst wieder eingestellt hat. Shared Mobility macht laut unseren Berechnungen gerade einmal 0,05 % des gesamten Verkehrsmarktes aus, gemessen in Verkehrsleistung. Innerhalb des Teilmarktes Shared Mobility dominiert das stationäre Carsharing mit einem Anteil von 85 % an der Verkehrsleistung. Dieses Übergewicht resultiert zum einen aus dessen großer Verbreitung und großen Anzahl an Fahrzeugen (9048 in 2015), zum anderen aber auch aus der deutlich größeren durchschnittlich zurückgelegten Strecke pro Buchung bzw. pro Jahr. Ansprechpartner: Manuel Hendzlik manuel.hendzlik@innoz.de Bild 16: Entwicklung der Fahrzeug- und Nutzerzahlen im Carsharing (Quelle: bcs, persönliche Anfrage und eigene Berechnungen) © InnoZ GmbH felxibel stationär Fahrberechtigte Fahrzeuge 19% 223% 51% 3% 15% 1% 30% 9% 15% 19% 18% 9% 9% 18% 18% Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 2011-13 Ø 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 2010-13 Ø 2014 2015 2.Q kum. Ausblick 2015 103% MOBILITÄTSMONITOR InnoZ 1.181.000.000.000 Shared Mobility (gesamt) Carsharing (stationär) 520.344.000 Carsharing (flexibel) 70.981.940 Bikesharing 24.300.000 G e s a m t v e r k e h r s m a r k t Bild 17: Verkehrsleistung der Shared Mobility 2014 (Quelle: eigene Berechnung) © InnoZ GmbH Verkehrsleistung in Pkm Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 57 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR 0 10 20 30 40 50 2010 2014 2013 Erneuerbare Energien in Mrd. kWh Biodiesel Pflanzenöl Strom Biomethan Bioethanol 36,0 34,5 35,4 Bild 18: Verkehrsleistung Elektromobilität 2014 (Quelle: Eigene Berechnung, KBA 2015, Schott/ Püttner/ Nieder et al. 2013, ACE 2014, eigene Berechnung) CO 2 -freie Mobilität / Elektromobilität Wirklich nachhaltig ist die Nutzung von Verkehrsmitteln nur dann, wenn einerseits der Besitzgrad nutzungseizient und andererseits die Antriebsart energieeizient ist. Ersteres kann durch eine Integration von ÖV und Shared Mobility erreicht werden, letzteres verspricht die Elektromobilität als großer Hofnungsträger einer auf regenerativen Energien beruhenden Mobilität. Elektromobilität ist bereits heute gelebter Alltag. So beträgt der Anteil der unter Strom erbrachten Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr rund 90 %, allerdings bei einem Anteil der Schiene an der Gesamtverkehrsleistung von ca. 7,5 %. Im ÖSPV ist davon auszugehen, dass einerseits sämtliche Verkehrsleistungen mit Straßenbahnen und U-Bahnen elektrisch erfolgen, andererseits die elektrische Verkehrsleistung mit Bussen - bei 116 zugelassenen elektrischen Bussen - minimal ist. In den vergangenen Jahren gab es hier auch nur geringe Zuwachsraten. Die Verkehrsunternehmen sind wegen der hohen Anschafungskosten eher zögerlich bei der Beschafung von Elektrobussen. Es deutet sich jedoch eine Trendwende an, die durch eine größere Auswahl an Modellen und neue Finanzierungsmodelle unterstützt wird. Zudem werden neue technische Lösungen, wie induktiv geladene Busse in Berlin, erprobt, die die Anschafung für Verkehrsunternehmen attraktiver machen können. Bezogen auf den MIV sind laut dem deutschen Kraftfahrtbundesamt im Jahr 2014 gerade einmal knapp 19 000 elektrische PKW in Deutschland zugelassen, was gerade einmal 0,043 % des Gesamtbestandes ausmacht. Das Wachstum der neuzugelassenen Elektrofahrzeuge hat sich 2014 im Vergleich zu den Jahren davor verlangsamt. Zwischen 2010 und 2013 wuchs die Zahl der Neuzulassungen im Schnitt um ca. 83%. Im Jahr 2014 nur um 41%. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Elektroautos auch eine geringere jährliche Fahrleistung haben als Verbrenner, liegt der Anteil der unter Strom zurückgelegten Verkehrsleistung im Straßenverkehr bei lediglich 0,02%. Im Fahrradverkehr ist der Bestand von e-Bikes mit 2,1 Mio. und damit die Verkehrsleistung deutlich höher. © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Personenverkehr elektrisch 98.365.000.000 SPV 80.011.086.063 ÖSPV 16.860.700.000 MIV 336.163.950 1.181.000.000.000 G e s a m t v e r k e h r s m a r k t e-Bikes 1.064.300.000 InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Verkehrsleistung in Pkm Die Elektromobilität kann zu einem festen Angebotsbaustein im Mobilitätsmix werden, sofern sie den strenger werdenden Anforderungen an den Klima- und Ressourcenschutz zu entsprechen vermag. Dies kann jedoch nur auf der Grundlage erneuerbarer Energie erfolgen. Rund 83 % des gesamten Energieverbrauchs des Verkehrssektors entfallen auf den Straßenverkehr und gerade hier ist der Anteil von regenerativen Energien sehr gering. Während in den Sektoren Wärme und Strom seit Jahren bereits eine Steigerung des Anteils regenerativer Energien am Endenergieverbrauch erzielt und somit auch der CO 2 -Ausstoß gesenkt werden konnte, stagnieren diese Werte im Transport- und Verkehrssektor (s. Bild 19). 0 10 20 30 2010 2014 2013 Anteil erneuerbarer Energien in % Strom Wärme Verkehr Bild 19: Anteil der erneuerbaren Energien an den Verbrauchssektoren von 2010 bis 2014 (Quelle: BMWI / AGEE-Stat, Stand 2015) Bild 20: Entwicklung des Verbrauchs erneuerbarer Energieträger im Verkehrssektor (Quelle: BMWi 2015) FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 58 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Für die Zukunft ist nicht mit einem sprunghaften Anstieg erneuerbarer Energieträger im Verkehrssektor zu rechnen, sondern lediglich mit einer zunehmenden Verschiebung Richtung Biodiesel auf Grund des steigenden Dieselanteils am PKW-Bestand. Auch ist davon auszugehen, dass mit der langsam steigenden Anzahl von Elektrofahrzeugen und Plug-In-Hybriden auch ein langsam steigender Anteil am Stromverbrauch im Straßenverkehr einhergehen wird. Wasserstof spielt bis heute eine untergeordnete Rolle. 2014 gab es in Deutschland Bild 21: Verkehrsleistung nach Energieträgern 2014 (Quelle: BMWi 2015, AGEE 2014, eigene Berechnung) Konnte der Anteil zwischen den Jahren 1990 und 2014 im Wärmesektor von 2,1 % auf rund 10 % und im Stromsektor sogar von 4,7 % auf 27,8 % stetig gesteigert werden, so erreichte der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor bereits 2007 seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt, mit gerade einmal 7,8 %. Seitdem sank die Zahl auf 5,4 % im Jahr 2014 (s. Bild 20). Dies lässt sich insbesondere auf Gesetzesänderungen zur Versteuerung von Biokraftstofen, insb. Biodiesel, zurückführen. Wenn erneuerbare Energien auf der Straße eingesetzt werden, dann fast ausschließlich in Form von biogenen Kraftstoffen. Zwar konnte die Anzahl an Elektrofahrzeugen im Vergleich zum Jahr 2010 mehr als verzehnfacht werden, bei einem Elektroauto-Anteil von gerade einmal 0,043 % am PKW-Gesamtbestand (Stand 2014) ist die Verwendung von (regenerativem) Strom im Straßenverkehrssektor derzeit jedoch kaum gegeben. Schlüsselt man die Anteile der verschiedenen Energieträger am gesamten Endverbrauch erneuerbarer Energien auf, so wird deutlich, dass der Großteil der verbrauchten Energie von 35,4-Mrd. kWh aus Biodiesel gewonnen wird (ca. 23 Mrd. kWh), gefolgt von Bioethanol (ca. 8- Mrd. kWh) und Strom (ca. 4 Mrd. kWh). Biomethan und Planzenöl spielen derzeit kaum eine Rolle (s. Bild- 20). Dabei ist anzumerken, dass dem Diesel an der Tankstelle rund 7 % Biodiesel beigemischt werden müssen (B7) und mittlerweile Ottokraftstofe mit 10% Bioethanolanteil (E10) angeboten werden. Ansprechpartner: Christian Balint christian.balint@innoz.de Mobilitätsumfeld Digitalisierung Für alle Verkehrsmittel - konventionelle, im Sharing beindliche und alternativ angetriebene - hat sich das Umfeld in den letzten Jahren stark verändert. Ein Grund hierfür ist die Digitalisierung im Bereich elektronischer Informations- und Zugangsmedien. Dies bietet Optionen für verkehrsmittelübergreifende Angebotsintegrationen, um nutzerfreundliche und nachfragegerechte Kombinationen zu erreichen (Jahn 2014). Zur Einbeziehung dieses gewandelten Umfeldes werden im Folgenden Mobilitätskarten und Mobilitätsapps betrachtet, welche die Zustiegsbzw. Umsteigeprozesse erleichtern können. Mobilitätskarten verbinden den ÖV mit Angeboten der Shared Mobility sowie ggf. weiteren Dienstleistungen über multifunktionale, elektronische Chipkarten (reine e-Tickets für den ÖV werden hier nicht betrachtet). Unter den Karten beinden sich ambitionierte Ansätze, die besonders den klassischen ÖPNV-Markt zu verschiedenen Seiten öfnen könnten (u.a. integriertes Parkmanagement, Aubau Mobilitätsstationen, lokale Standort- und Gewerbeförderung). Die Marktentwicklung des Mobilitätskartenangebots zeigt allerdings, dass sich die Entwicklung quantitativ auf relativ geringem Niveau bewegt. Nachdem sie lange Zeit Einzelfälle waren, sind etwa seit dem Jahr 2010 in mehreren Schüben neue Karten auf dem Markt erschienen. Aktuell beinden jedoch weniger als 20 Karten im Markt (s. Bild 22). MOBILITÄTSMONITOR InnoZ 935,0 Gas Kerosin Biokraftsto e Strom fossil Strom erneuerbar Muskelkraft Benzin und Diesel 70,5 35,0 63,4 9,9 13,0 54,0 G e s a m t v e r k e h r s m a r k t Verkehrsleistung in Pkm 29-Wasserstof-Tankstellen, 34 weitere waren in Planung. Bis 2016 sollen insgesamt 50 Wasserstoftankstellen in Deutschland in Betrieb gehen (TÜV Süd 2015). 2014 waren 161 Brennstofzellenfahrzeuge und 16 Brennstofzellenbusse zugelassen. Die meisten davon im reinen Forschungsbetrieb (Deutscher Bundestag 2014). Im Bereich Schiene wird bereits heute ein deutlich größerer Teil der Strecken elektrisch betrieben zurückgelegt. Dies gilt insbesondere für den SPFV. Der Zugverkehr der Deutsche Bahn wird zu über 90 % elektrisch bewältigt, wovon rund 40 % auf regenerative Energiequellen entfallen. Bis zum Jahr 2050 will die DB sämtliche Züge mit Ökostrom und somit CO 2 -neutral betreiben (DB 2015). © InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 59 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Bild 22: Marktsituation und -zugänge von Mobilitätskarten im deutschsprachigen Raum nach Anzahl der Karten (Quelle: InnoZ, eigene Recherchen) 2010 2014 2013 2015 13 12 6 5 1 6 4 0 Einen Anlass für Neuerscheinungen bildete besonders das lexible Carsharing von Automobilunternehmen, welches ausschließlich in Großstädten anzutrefen ist und dort einen noch jungen Angebotsbaustein für Kartenangebote bietet - u.a. in Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. Aktuelle Neustarts sind aber nur zum Teil auf Impulse aus dem lexiblen Carsharing zurückzuführen. Weitere Treiber sind die Motive von Verwaltungen und Betrieben, durch integrative Chipkarten verschiedene öfentliche Leistungen regional zu bündeln (Stichwort: „Bürgerkarte“). Ziele sind die Neukundengewinnung für den ÖPNV, die Erschließung neuer Vertriebswege und insgesamt der Aubau eines innovativen Images. Zusätzlich wurden und werden aber Karten auch in kleineren Städten eingeführt, die den örtlichen ÖV mit langjährigen Carsharing-Anbietern (ohne Unternehmensbezug zum Automobilbau) verbinden - u.a. in Magdeburg, Ofenburg und im Rhein-Neckar-Raum. Dies verweist auf die vergleichsweise lange Zeit (mancherorts 25 Jahre), in denen der ÖV und das stationäre Carsharing bereits nebeneinander bestehen und in denen sich diverse örtliche Kooperationen herausbilden konnten. Bild 23 verdeutlicht die Häuigkeit, mit der unterschiedliche Angebotsbausteine über Mobilitätskarten potentiell miteinander kombinierbar sind (ungeachtet der tatsächlichen Inanspruchnahme durch die Nutzer). Die tarilichen und technischen Ausgestaltungen sind je nach Akteurskonstellation und örtlichen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich. Aufallend ist allerdings, dass vor allem ÖV-Abonnements und das stationäre Carsharing mittels Karten kombiniert werden. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob die Karten als speziisches Angebotspaket („Bundle“) verkauft werden oder im Zuge einer systemischen Umstellung von Papierauf e-Tickets eingeführt werden. Im ersten Fall sind die Verkaufszahlen zumeist verhalten, in der Regel liegen sie im dreibis vierstelligen Bereich. Im zweiten Fall kann die Zahl der ausgegebenen Karten bedeutend höher liegen, wenn z.B Abo-Bestandskunden des ÖPNV mit entsprechenden Karten ausgestattet werden. Dies lässt allerdings noch keine Rückschlüsse darauf zu, ob die mit den Karten grundsätzlich - mitunter sogar vergünstigt - nutzbaren Zusatzangebote (Shared Mobility, Parken, Radbox etc.) tatsächlich nachgefragt bzw. in Anspruch genommen werden. Die mit Mobilitätskarten verbundenen Nutzerkosten schwanken stark, was den Aussagewert von Durchschnittsangaben erheblich einschränkt. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass sie meist in Verbindung mit speziischen Abonnements und Tarifsystemen der ÖPNV-Betriebe, zum Teil aber auch für Einzelfahrten (nach dem Verfahren „check-in/ check-out“) angeboten werden. Auch die komplementären Angebotsbausteine entsprechen unterschiedlichen Kostenstrukturen (Erlass von Aufnahmegebühren, Freiminuten bzw. Prepaid-Guthaben oder eine Mischung hieraus). Bild 23: Kombination der Angebotsbausteine deutscher Mobilitätskarten (Quelle: InnoZ, eigene Recherchen) InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Neuzugänge im Vergleich zum Vorjahr Mobilitätskarten im Markt Räumlich relativ eng begrenzte Angebotsräume des ÖPNV, mangelnde Standardisierung und mäßige Absatzzahlen limitieren derzeit die Entwicklungspotentiale von Mobilitätskarten. Die relativ geringe Zahl an Karten zeigt, dass dieses Instrument alleine meist noch nicht ausreichend ist, um integrierten Produkten deutschlandweit zum Durchbruch zu verhelfen. Chipkarten sind als materiell separates Trägermedium im Wandel begriffen und veralten rasch. So ist derzeit davon auszugehen, dass elektronische Chipkarten zunehmend durch Smartphone-basierte Ansätze auf NFC-Basis ergänzt und schließlich ganz ersetzt werden. © InnoZ GmbH S ta t. Carshar in g M i et w age n Tax i Bikesh a r i ng ÖPN V ( Ab o ) F l e x. Car sh a r ing S P FV Ö PNV Ei nzel P K W P ar ke n P 2 P - Ca r sharin g R ad P arke n FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 60 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Bild 24: In Deutschland im Umlauf befindliche Mobilitätskarten, Stand Sept. 2015 (Quelle: Innoz, eigene Recherchen) Bild 25: Benchmarking von ÖV-Routing-Apps (Quelle: Projekt Guide2Wear, www.guide2wear.eu) Ansprechpartner: Christian Scherf christian.scherf@innoz.de Die meisten Apps für den deutschen ÖV, die bei GooglePlay bzw. im App Store erhältlich sind, können heute noch nicht viel mehr, als Routen im Nahverkehr berechnen und den Fußweg zur Zugangsstelle anzeigen. Von den 74 betrachteten Applikationen sind fast alle Apps zu intermodalem Routing fähig - allerdings nur in Bezug auf die verschiedenen öfentlichen Verkehrsmodi wie Straßenbahn, Regionalbahn oder Bus (s. Bild 25). Zusätzlich zur ÖV-Abfrage bieten nur elf Apps weitere Informationen zu Car- und Bikesharing an. Davon zeigen fünf Apps entweder Carsharing-Stationen oder lexible Carsharing-Fahrzeuge in der Kartenansicht an (Transit App, Ally, BVG, München Navigator, easy.GO). Weitere sechs Apps zeigen sowohl lexible Carsharing-Fahrzeuge im Straßenraum als auch Carsharing-Stationen an (Avv- Connect, DB Navigator, Mobility Map, HVV switchh, moovel und TripGo). In Bezug auf die Intermodalität ist Qixxit das ‚Best Practice‘-Beispiel unter allen betrachteten ÖV-Routing-Apps, da zusätzlich zu Bike- und Carsharing noch spontane und lokale Verbindungen über den Ridesharing-Anbieter linc angezeigt werden. Trip- Go und Qixxit sind zudem - vermutlich weltweit - die einzigen Apps, die auch intermodale Routen berechnen, bei denen Fahrten mit öfentlichen Verkehrsmitteln und Shared Mobility-Optionen auf einer Strecke miteinander kombiniert werden können. 15 9 9 4 15 Apps zeigen Carsharing- Stationen an 9 Apps Bikesharing- Stationen 9 Apps flexible Carsharing-Autos und 4 Apps verlinken zu Ridesharing- Diensten. Datenquelle: Benchmarking von 94 bei Google Play oder im App Store erhältlichen europäischen Routing-Apps - Projekt Guide2Wear MOBILITÄTSMONITOR InnoZ © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 61 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR Bild 26: Benchmarking von ÖV-Routing-Apps (Quelle: Projekt Guide2Wear, www.guide2wear.eu) Ansprechpartner: Helga Jonuschat helga.jonuschat@innoz.de 0 20 40 60 80 100 U-Bahn Fernverkehr Bahn Fußwege S-Bahn Tram Regionalzug Bus 0 20 40 60 80 100 Dauer des gesamten Trips Kosten der ÖV-Fahrt e-Ticketing Anzahl der Apps - Routing Verkehrsmittel Anzahl der Apps - Funktionen Abgesehen von der Kombination verschiedener Verkehrsmittel möchten inter- und multimodal Reisende zusätzlich gern wissen, wie lang die unterschiedlichen Streckenalternativen dauern und wie teuer diese jeweils sind. Während fast 80% der betrachteten Apps die Dauer einer Strecke berechneten, wurden bei weniger als der Hälfte der Apps (31) die Kosten angegeben. E-Ticketing, d.h. der Kauf des ÖV-Tickets, war bei 20 Apps möglich, davon bei einem Drittel als In-App-Funktion. Dennoch ist mit Blick auf die letzten Jahre durchaus erkennbar, dass in die ÖV-Apps zunehmend Zusatzinformationen zu Dauer und Kosten der Fahrt sowie zu Shared Mobility-Optionen integriert werden. Glossar - Abkürzungen und Definitionen BIP: Bruttoinlandsprodukt BMVI: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur DIW: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Intermodalität: Intermodal verhält sich ein Verkehrsteilnehmer, der auf einem Weg verschiedene Verkehrsmittel miteinander kombiniert, also z.B. per Fahrrad zum Bahnhof fährt, um dann mit dem öfentlichen Verkehr weiterzufahren. MIV: Motorisierter Individualverkehr Modal Split: Anteile der Verkehrsmittel an der Gesamtverkehrsnachfrage, entweder entsprechend Verkehrsleistung oder Verkehrsaufkommen Monomodalität: Monomodal verhält sich ein Verkehrsteilnehmer, der bezogen auf das Mobilitätsverhalten im Regelfall nur ein Verkehrsmittel (z.B. das Auto) nutzt, um alltägliche Wege zurückzulegen. Bezogen auf einen Weg wird von Monomodalität gesprochen, wenn nur ein Verkehrsmittel auf einem Weg genutzt wird. Kleinere „Vor- und Nachläufe“ (etwas der Fußweg zum Parkplatz) werden dabei nicht als Wechsel des Verkehrsmittels betrachtet. Multimodalität: Multimodal verhält sich ein Nutzer, der zu verschiedenen Anlässen bzw. Zeiten unterschiedliche Verkehrsmittel nutzt, beispielweise montags ein Auto, dienstags den öfentliche Verkehr und mittwochs eine Fahrrad. NFC: Near Field Communication, internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten per Funktechnik über kurze Strecken von wenigen Zentimetern NMIV: nicht-motorisierter Individualverkehr ÖPNV: Öfentlicher Personennahverkehr ÖSPV: Öfentlicher Straßenpersonenverkehr (Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Stadtbahn) ÖV / ÖPV: Öfentlicher Personenverkehr Ridesharing: Unter Ridesharing wird die Mitfahrvermittlung in privaten PKWs verstanden. Zwei Arten von Ridesharing sind zu unterscheiden: Die Vermittlung von Langstreckenfahrten mehrere Tage bis mehrere Wochen im Voraus sowie das spontane Ridesharing auf Kurzstrecken. Shared Mobility: Angebote zur gemeinschaftlichen Nutzung von Fahrzeugen im Individualverkehr, wie z.B. Autos (Carsharing), Fahrräder (Bikesharing) oder Motorroller (Scootersharing). Im Unterschied zum konventionellen Fahrzeugverleih können die Fahrzeuge auch für kurze Strecken im Kilometerbzw. Minutenbereichen entliehen werden. Die Ausleihe erfolgt an festen Stationen, meist mit ortsidentischer Rückgabe oder auch innerhalb eines großlächig mit anschließender freier Abstelloption innerhalb eines Bediengebiets (free loating). SPV: Schienenpersonenverkehr (nur Eisenbahn, inkl. S-Bahn) SPNV: Schienenpersonennahverkehr SPFV: Schienenpersonenfernverkehr SUV: Sport Utility Vehicle, PKW mit einem limousinenähnlichen Fahrkomfort sowie einer erhöhten Geländegängigkeit Verkehrsaufkommen: Im Personenverkehr wird das Verkehrsaufkommen als Zahl der beförderten Personen ausgewiesen. Das können zum einen Fahrgäste der Verkehrsträger oder zweckgebundene Ortsveränderungen von Personen sein. Verkehrsleistung: Im Personenverkehr wird die Verkehrsleistung in Personenkilometer ausgewiesen. Sie ist Produkt von Verkehrsaufkommen und der zurückgelegten Strecke. InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Was bieten die Routing-Apps? © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 62 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Monitor - „Spickzettel“ • Das konjunkturelle Umfeld sowie niedrige Kraftstof preise haben positive Efekte auf den Personenver kehr in 2015. • PKW-Neuzulassungszahlen steigen stark an und dehnen den PKW-Bestand aus. • ÖSPV wächst aufgrund der hohen Dynamik im Fern busmarkt. • Schienenverkehr verliert durch Streiks und den star ken intramodalen Wettbewerb Marktanteile. • Intermodalität ist bisher vor allem im Fernverkehr relevant. Entsprechend ist die Zahl intermodaler Wege - insbesondere bei ÖV-Kunden - relativ hoch. • Im Nahverkehr sind die Potentiale der Intermodalität noch vielfach ungenutzt. • Die Verkehrsleistung im Teilmarkt Shared Mobility macht nur einen Bruchteil der deutschen Gesamtver kehrsleistung aus. • Der Teilmarkt Shared Mobility wuchs in den letzten fünf Jahren sehr dynamisch, wobei sich die Geschwindigkeit verlangsamt hat. Bis 2020 wird er voraussichtlich um jährlich 20% wachsen. • Die Verkehrsleistung der e-Bikes liegt etwa dreimal höher als die Verkehrsleistung der e-PKWs. • Erneuerbare Energien kommen im MIV auch weiter hin fast nur in Form von Biokraftstofen vor. • Mobilitätskarten verbinden zumeist ÖPNV-Abos, Bikesharing und stationäres Carsharing. • Nur zwei Apps erlauben intermodales Routing mit dem ÖV und Shared Mobility-Optionen kombiniert auf einer Strecke. Quellen ACE (2014): Daten und Fakten - Fahrradverleihsysteme. Eine Studie des ACE Auto Club Europa. Online unter: https: / / www.ace-online.de/ ileadmin/ user_uploads/ Der_Club/ Dokumente/ Presse/ Dokumente/ Studie_Fahrradleihsysteme_2014.pdf (letzter Aufruf 09.10.2015). Agentur für erneuerbare Energien (2014): Energiewende im Verkehr, online unter: (http: / / www.unendlich-viel-energie.de/ media/ ile/ 320.71_Renews_Spezial_Energiewende_im_ Verkehr_online_apr14.pdf (letzter Aufruf 08.10.2015). BMVI / Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2015): Verkehr in Zahlen 2014/ 2015 , online unter: http: / / www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ K/ verkehr-in-zahlen.html (letzter Aufruf 08.10.2015). BMVI / Transport Consulting International Röhling (2015): Gleitende Mittelfristprognose für den Personen- und Güterverkehr. Kurzfristprognose Sommer 2015, online unter: https: / / www. bag.bund.de/ DE/ Navigation/ Verkehrsaufgaben/ Verkehrsprognose/ verkehrsprognose_ node.html (letzter Aufruf 08.10.2015). BMWi (2015): Erneuerbare Energien im Jahr 2014, online unter: http: / / www.erneuerbareenergien.de/ EE/ Redaktion/ DE/ Downloads/ entwicklung_der_erneuerbaren_energien_in_ deutschland_im_jahr_2014_hintergrundpapier.pdf? __blob=publicationFile&v=6 (letzter Aufruf 08.10.2015). BMWi / AGEE-Stat (2015): Zeitreihen zur Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Online unter: http: / / www.erneuerbare-energien.de/ EE/ Navigation/ DE/ Service/ Erneuerbare_Energien_in_Zahlen/ Zeitreihen/ zeitreihen.html (letzter Aufruf 13.10.2015). Deutsche Bahn (2015): Mehr Fahrgäste in den Zügen - 40 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Deutsche Bahn, online unter: http: / / www.deutschebahn.com/ de/ konzern/ im_ blickpunkt/ 9010944/ bpk_2015.html (letzter Zugrif 09.10.2015). Deutscher Bundestag (2014): Weniger CO 2 -Emissionen im Verkehrssektor. Pressemitteilung, online unter: https: / / www.bundestag.de/ presse/ hib/ 2014_09/ -/ 296924 (letzter Zugrif 12.10.2015). Jahn, Valentin (2014): Seamless Access versus Intermodale Angebote - Wege zu einem integrierten öfentlichen Individualverkehr, in: Nahverkehrs-Tage 2013 - Neue Konzepte für Stadt und Land. Schriftenreihe Verkehr Nr. 24, Universität Kassel, S. 53-71, online unter: http: / / www. innoz.de/ sites/ default/ iles/ Jahn_Valentin_Nahverkehrstage_2013.pdf (letzter Zugrif 09.10.2015). Kraftfahrtbundesamt (2015): Statistik zu Fahrzeugen , online unter: http: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ fahrzeuge_node.html (letzter Aufruf 08.10.2015). Mineralölwirtschaftsverband (2015): Rohölpreisentwicklung 2005-2015: online unter: http: / / www.mwv.de/ index.php/ daten/ statistikenpreise/ ? loc=5 (letzter Aufruf 09.10.2015). Nobis, Claudia (2014): Multimodale Vielfalt. Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Dissertation. Berlin. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2015): Aktualisierte Konjunkturprognose für das Jahr 2015, online unter: http: / / www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/ index.html (letzter- Aufruf 10.06.2015). Schönduwe, Robert; Lanzendorf, Martin (2015): Nutzung regionaler Mobilitätsdaten - Möglichkeiten zur Kombination und Harmonisierung der regionalen Mobilitätsdaten des Rhein- Main-Panels mit anderen Mobilitäts- und Strukturdaten. Arbeitspapiere zur Mobilitätsforschung Nr. 3, Frankfurt a.M. online unter: http: / / publikationen.ub.uni-frankfurt.de/ opus4/ frontdoor/ index/ index/ docId/ 35599 (letzter Aufruf 09.10.2015). Schott, Benjamin; Püttner, Andreas; Nieder, Thomas et al. (2013): Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland im internationalen Vergleich und Analysen zum Stromverbrauch. ZSW/ AGEE-Stat/ DFKI, online unter: http: / / www.zsw-bw.de/ uploads/ media/ Paper_Monitoring_ EMobilitaet_Final_akt.pdf (letzter Zugrif 13.10.2015). Statistisches Bundesamt (2015): Diverse Pressemitteilungen und Fachserien zum Personenverkehr, online unter: https: / / www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ Wirtschaftsbereiche/ TransportVerkehr/ Personenverkehr/ Personenverkehr.html (letzter Aufruf 08.10.2015). Statistisches Bundesamt (2015): Datenbank zu den Themen Verkehr und Transport, online unter: https: / / www-genesis.destatis.de/ genesis/ online (letzter Aufruf 09.10.2015). TÜV Süd (2015): Weltweit 17 neue Wasserstof Tankstellen im Jahr 2014. Pressemitteilung, online unter http: / / www.lbst.de/ news/ 2015/ 2015-03-26_LBST_Wasserstof-Tankstellen.pdf (letzter Aufruf 13.10.2015). MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 63 Sicherheit und vernetzte Mobilität Von Hacks, intelligenten Autos und schützenden Apps Digitalisierung, Automatisierung, Verkehrsstörungen, intelligentes Verkehrsmanagement, Verkehrssicherheit Auf der diesjährigen IAA hat sich eine ganze Halle - die New Mobility World - ausschließlich mit der Zukunft des Autos beschäftigt. Der Besucher konnte hier die digitalen Möglichkeiten in ihrer ganzen Vielfalt erleben. Eine zentrale Frage dabei war: Wie sicher wird das Fahrgefühl von Morgen sein? Die Autorin: Birgit Ahlborn D ie mobile Zukunft war auf der IAA 2015 greibar nah: Die Messebesucher konnten in der „New Mobility World“ live erleben, welche Innovationen künftig auf Deutschlands Straßen zu inden sind. Von elektrischen Fahrzeugen über Car-Sharing-Modelle bis hin zu smarten Fahrerassistenten reichte das Spektrum der Ausstellung. Dreh- und Angelpunkt der mobilen Zukunft ist dabei das Thema Digitalisierung. Durch neue Technologien und die zunehmende Vernetzung des Autos mit dem Internet und seiner Umgebung entstehen viele neue Möglichkeiten. Sie alle sollen das Autofahren sicherer, eizienter und komfortabler machen. Allerdings birgt die vernetzte Verkehrszukunft auch Risiken; das Thema Sicherheit muss integraler Teil der vernetzten Welt sein. Aufrüttelnder Selbstversuch Welcher Art diese Risiken sind, beschrieb in Frankfurt Andy Greenberg, Redakteur der Computerzeitschrift „Wired“, auf einer vom Chip-Hersteller NXP organisierten Podiumsdiskussion (Bild 1). Im Juli hatte Greenberg in der amerikanischen Ausgabe des Magazins einen aufsehenerregenden Beitrag 1 über die Möglichkeiten eines Hacker- Angrifs auf ein fahrendes Auto veröfentlicht. Befreundete Hacker verschaften sich Fernzugrif auf ein Auto, während Greenberg hinter dem Steuer saß. Dabei gelang es ihnen, Funktionen wie Bremsen, Zündung und Lenkrad während der Fahrt zu manipulieren. „Ich hatte wirklich Angst“, berichtete Greenberg. Glücklicherweise fand der Selbstversuch unter Laborbedingungen statt. Die beiden Security-Spezialisten Chris Valasek und Charlie Miller brauchten drei Jahre Vorbereitung, um den Hack zu organisieren. Auch wäre der Angrif so nicht durchführbar gewesen, wäre das Auto mit der derzeit verfügbaren, neuesten Security-Technik ausgestattet gewesen. Dennoch machte der Beitrag nochmals die Risiken der Auto-Vernetzung spürbar: durch einen gezielten Angrif nicht nur ein Fahrzeug, sondern eine ganze Flotte zu manipulieren. Foto: NXP Vernetzte Mobilität TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 64 TECHNOLOGIE Vernetzte Mobilität Auf der Messe diskutierten Experten, wie sich diesen Risiken vorbeugen lässt. Aus Perspektive der Entwicklung sind verschiedene Maßnahmen nötig. Zum Beispiel ist es wichtig, sicherheitsrelevante Systemelektronik vor externem Zugrif zu schützen. Die Computersysteme, die für Kommunikation, Unterhaltung und Komfort im Auto sorgen, dürfen nicht direkt mit den fahr- und sicherheitsrelevanten Systemen verbunden sein. Sonst droht die Gefahr, dass sich Hacker über die Drahtlos-Systeme einschleusen und von dort unmittelbar auf die Fahrfunktionen zugreifen können. Der Einsatz von Kryptotechnologie, Firewalls und der richtigen Fahrzeugnetzwerkarchitektur ist hier zwingend erforderlich, um optimale Funktions- und Datensicherheit zu gewährleisten. Lernen von anderen Industrien Auch Erfahrungen und Vorgehensweisen anderer Branchen helfen, die Sicherheit zu erhöhen. Für Banken etwa ist der Schutz gegen Hacker geschäftsentscheidend. Sie haben daher Sicherheitsfragen frühzeitig mit einbezogen, als sie zur Digitalisierung ihrer Prozesse übergingen. Von ihnen können Auto-OEMs einiges lernen. Ein wichtiger Bestandteil der Prozesse im Bankensektor sind so genannte Sicherheitselemente - kleine Krypto-Maschinen. Um eine neue Karte zu autorisieren, werden verschlüsselte Signale zu einem „Trust Center“ gesendet, um die Authentizität einer Karte zu prüfen. Das Trust Center beinhaltet eine geschützte Datenbank, die die Daten für die unterschiedlichen Karten managt - beispielsweise um zu veriizieren, dass eine PIN, die in den Geld-Automaten eingegeben wurde tatsächlich zu der jeweiligen Karte gehört. Eine vergleichbare Vorgehensweise lässt sich auch für den Datenaustausch zwischen Fahrzeugen und intelligenten Infrastruktur-Elementen verwenden. Besorgnis erregt bei einigen Branchenteilnehmern auch das Tempo, mit der die vernetzte Mobilität kommt. Zweifel regen sich, ob die Autos ebenso schnell gesichert werden können, wie sie vernetzt und digitalisiert werden. Dem kann das aus der Software-Entwicklung stammende Konzept Security-by-Design vorbeugen. Es bedeutet, dass die Sicherheit in einem Zug mit der Software entwickelt, getestet und umgesetzt wird. Erst wenn auch die Sicherheitskomponenten eines Systems wirksam sind, kann es in Betrieb gehen. Der Sicherheitsgedanke wird so in sämtliche Systemkomponenten und Entwicklungsphasen integriert. Schutzfunktionen werden also nicht erst reaktiv nachgerüstet - wenn es unter Umständen schon zu spät ist. Hacker willkommen Eine Lektion aus dem PC- und Internetzeitalter ist auch, dass Hacker viel kreative Energie an den Tag legen, um Schaden anzurichten. Status-Symbole wie Autos werden einen enormen Anreiz für sie bieten. Die aus der Computerwelt bekannte Generallösung des Bug-Fix funktioniert nicht mehr, wenn Leben auf dem Spiel stehen. Vorausschauende Ansätze sind daher gefragt, um zukünftige Gefahren abzuwenden. Greenbergs radikaler Vorschlag auf der IAA dazu: Die Hersteller sollten selbst eine ganze Armee Hacker in ihren eigenen Reihen haben, um für den Kampf um die Sicherheit gerüstet zu sein. Bei NXP beispielsweise arbeitet man bereits nach diesem Prinzip. Für das Unternehmen als Hersteller von Sicherheitstechnologien ist es extrem wichtig, dass die Krypto-Algorithmen nicht geknackt werden können. Um hier maximale Wachsamkeit zu erreichen, hat das Unternehmen Hacker ins Team geholt bzw. arbeitet eng mit Hackern zusammen. Häuig haben diese Menschen ein akademisches Interesse an dem Problem. Statt diesen Ehrgeiz kriminell zu befriedigen, wird er hier genutzt, um Sicherheitslücken aufzudecken und so die Sicherheit insgesamt zu erhöhen. Neben den entwicklungstechnischen Möglichkeiten für mehr Sicherheit, treten auch institutionelle zu Tage. Beispielsweise ist die Politik aufgerufen, international wirksame Regeln und Gesetze zu schafen, die das Thema adressieren. Auch die Idee eines Sicherheits-TÜVs kam auf der Messe zur Sprache. Bei diesem Gedanken steht ebenfalls die Bankenbranche Pate: Für Geldkarten gibt es zum Beispiel ein strukturiertes Risiko-Assessment. Dabei wird methodisch geprüft, wo Einfallstore für Hacker sein können. Die Assessments werden von unabhängigen Zertiizierungsinstituten durchgeführt. Das könnte in Zukunft der TÜV oder ein anderer Verband leisten, zumal dahinter auch ein attraktives Geschäftsmodell steckt. Mehr Vernetzung, mehr Sicherheit Die Hacker-Thematik ist aber nur die Schattenseite der Sicherheitsdiskussion rund um die mobile Zukunft. Die Vernetzung birgt viel Potenzial, um den Verkehr sicherer und eizienter zu machen. Die Schlüsseltechnologien heißen Fahrzeug-zu-Fahrzeug- (Vehicle to Vehicle/ V2V) und Fahrzeug-zu-Infrastruktur- (Vehicle to Infrastructure/ V2I) Kommunikation, zusammengefasst häuig unter dem Oberbegrif V2X oder auch Car2X / C2X. Gemeint ist damit, dass Autos mit anderen Autos oder der Verkehrsinfrastruktur über Distanzen von bis zu zwei Kilometern kommunizieren (großes Bild Seite- 63). Diese Kommunikation läuft über Onboard-Units im Fahrzeug und Roadside Units in Verkehrsinfrastruktur-Elementen wie intelligenten Ampeln (Bild 2) oder Wechselschildern. Der Standard ist IEEE802.11p - eine Drahtlos-Kommunikation, die mit dem WLAN aus der Consumer- Industrie verwandt ist, aber speziell auf die extremen Anforderungen im Straßenverkehr zugeschnitten ist. Mit Hilfe von V2X-Technologien können Fahrzeuge Warnmeldungen und Verkehrsinformationen von anderen PKW oder der Verkehrsinfrastruktur in der Umgebung empfangen. Für moderne Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems/ ADAS) ist das eine ideale Ergänzung. Denn mit diesen Informationen können sie den Fahrer über Gefahren informieren, bevor sie überhaupt in dessen Gesichtsfeld erscheinen. Schlecht einsehbare Kreuzungen, Bild 1: Podiumsdiskussion auf der IAA mit Lars Reger, CTO Automotive bei NXP (links), Wired- Redakteur Andy Greenberg (Mitte) und Doug Newcomb, President der C3 Group. Foto: NXP Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 65 Vernetzte Mobilität TECHNOLOGIE ungünstige Straßenverhältnisse, Straßenarbeiten, Einsatzfahrzeuge, liegen gebliebene oder langsam fahrende Fahrzeuge, Staus, Unfälle und Verkehrssignalanlagen - Risikofaktoren wie diese lassen sich so antizipieren. Siemens und NXP haben beispielsweise jüngst hierzu eine Kooperation angekündigt 2 . Dabei liefert NXP die RoadLINK Chipsets, die in Siemens-Roadside-Units für eine zuverlässige Kommunikation mit herannahenden Fahrzeugen sorgen. Digitale Schülerlotsen und Schutzranzen V2X kann auch helfen, die schwächsten Verkehrsteilnehmer zu schützen: Kinder verhalten sich im Straßenverkehr häufig unberechenbar. Selbst aufmerksamste Autofahrer können sich darauf nicht immer einstellen. Tragische Unfälle sind die Folge. Neue, auf der IAA vorgestellte Konzepte, sorgen hier für mehr Sicherheit: Die Schutzranzen-App beispielsweise macht Kinder für Autofahrer frühzeitig auf ihren Anzeigesystemen sichtbar, auch wenn sie hinter geparkten Autos oder einer Häuserecke sind. Die Positionen von Fahrer und Kind werden über das Smartphone oder einen GPS-Tracker bestimmt und verschlüsselt an die Schutzranzen-Server übertragen. Dieser berechnet den Abstand zwischen beiden und warnt den Fahrer. Auf der Messe ebenfalls zu sehen war, wie dieser Schutz für Kinder zukünftig noch erweitert werden kann. So demonstrierte NXP, wie intelligente Ampeln RFID-Signale von Kinderhelmen oder Schulranzen empfangen, sobald sich Kinder nähern. Die Ampel schaltet für Schülergruppen auf Grün und übermittelt gleichzeitig eine Warnung an nahende Fahrzeuge. Potenzielle Gefahren für Kinder in der Nähe des Fahrbahnrandes lassen sich so entschärfen. Die Automobilindustrie arbeitet derzeit weltweit daran, Schritt für Schritt Fahrzeuge und Verkehrselemente wie Ampeln, Verkehrsschilder und Baustellen mit Kommunikationstechnologie auszurüsten, damit diese drahtlos Informationen und Warnmeldungen austauschen können. Die IAA hat gezeigt, wie nah uns die mobile Zukunft bereits gerückt ist. Sie hat aber auch gezeigt, dass bei aller Rasanz der Entwicklungen die Sicherheit nicht außen vor bleibt, sondern Schritt hält. Das Bewusstsein für die Risiken wurden nicht zuletzt durch Beiträge wie derjenige Andy Greenbergs geschärft - und das ist gut so. Allerdings ist das Thema Sicherheit per se kein Schwachpunkt der mobilen Zukunft - im Gegenteil. Sie birgt selbst viele Möglichkeiten, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen. Davon zeugen die V2X-Technologien, die mittlerweile ebenfalls auf der Straße angekommen sind. Sicherheit ist damit ein zentrales Wertversprechen der digitalen Vernetzung im Verkehr. ■ 1 http: / / www.wired.com/ 2015/ 07/ hackers-remotely-killjeep-highway/ 2 http: / / tinyurl.com/ p435dsr Birgit Ahlborn Director Global Automotive Communications, NXP Semiconductors, Hamburg birgit.ahlborn@nxp.com Bild 2: Intelligente Ampel im Hamburger Hafen Foto: HPA Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 66 Technologie Vernetztes Fahren Architektur für die vernetzte Verkehrszukunft Der ITS-Systemverbund Converge Intelligente Verkehrssysteme, ITS, Systemverbund, hybride Kommunikation Zukunftsweisende Verkehrsmanagementansätze und Fahrzeugsicherheitsaspekte wachsen immer mehr zusammen. Noch fehlt eine gesamtheitliche Systemarchitektur zur flexiblen Interaktion zwischen unterschiedlichsten Dienstanbietern und Kommunikationsnetzbetreibern in einer dezentralen, skalierbaren Struktur. Das Ziel des Vorhabens Converge ist es, diese Lücke zu schließen. Converge entwickelt die Architektur kooperativer Systeme für die Mobilität von morgen. Die Autoren: Jonas Vogt, Horst Wieker, Manuel Fünfrocken S eit dem Jahr 2012 verschreibt sich das Forschungsprojekt Converge (http: / / www.converge-online.de) einem ambitionierten Ziel: der Entwicklung einer kooperativen Architektur für die Vehicle-to-X-Communication (V2X). Viele bisherige V2X-Konzepte brachten zwar wertvolle, aber letztlich doch proprietäre Ansätze hervor. Eine Summe von Einzellösungen ergibt jedoch noch lange kein System. Deshalb ist die Zeit reif für einen innovativen Denk- und Forschungsansatz, der Anbieter von ITS-Diensten, Zugangsnetzbetreiber, Fahrzeughersteller und schließlich die Fahrzeugführer in einer betreiberunabhängigen Architektur nach dem Vorbild des Internets zusammenführt. Breites nutzenspektrum von „Zeit-sparen“ bis „leben retten“ Die kooperative Architektur für die V2X- Kommunikation stellt heute weit mehr als nur eine Vision dar. Sie gewinnt an Kontur und eröfnet neue Dimensionen einer sicheren und eizienten Mobilität. Individualverkehr und Logistik, Verkehrsluss und Gefahrenwarnung - im Zuge einer intelligenten und standardisierten Vernetzung von Informationsquellen und Informationsempfängern soll der einzelne Verkehrsteilnehmer künftig am „Wissen aller über das aktuelle Verkehrsgeschehen“ partizipieren und dabei selbst zum Informationsverteiler avancieren. Der Wert dieses Wissens schwankt von Fall zu Fall. Mal erspart es unfall- oder staubedingte Zeitverluste, mal rettet es Leben. Das Hauptziel, welches im Converge-Projekt erreicht wurde, ist es, eine Infrastruktur zu schafen, so dass die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Das Ziel: Die schnellstmögliche Verfügbarkeit von Verkehrsinformationen Die bloße Erfassung einer Information bedeutet noch nicht, dass derjenige sie zu nutzen vermag, für den sie im Moment am wertvollsten wäre. Daten über den Verkehrsluss helfen dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges nur dann, wenn er sie zeitnah erhält - am besten automatisch. Gleiches gilt für Gefahrenwarnungen. Erst wenn die Information über ein Hindernis auf der Straße oder über einen Falschfahrer den unmittelbar bedrohten Verkehrsteilnehmer erreicht, erfüllt der Informationsluss seinen Zweck. Converge hat die Bedingungen dafür geschafen, dass die Zeitspanne zwischen Informationsermittlung und Informationsverwendung deutlich verringert wird. Im Idealfall erhält jeder Verkehrsteilnehmer die für ihn relevanten Informationen aus dem aktuellen Verkehrsgeschehen nahezu in Echtzeit. Dabei geht es nicht allein um die Unfallvermeidung. In einem optimalen Informationsluss ist viel mehr möglich: Staus oder angemeldete Baustellen umgehen, LKW-Parkplätze eizient nutzen, energiesparend fahren, um nur ein paar Beispiele anzufügen. Das Forschungskonsortium Converge hat dazu ein „Communication Network für Vehicles on the Road“ unter Berücksichtigung einer weltweiten Ausbreitung des Systems (Global Extension) entwickelt. Der Zusammenschluss unterschiedlicher öffentlicher und privatwirtschaftlicher Betreibersysteme ermöglicht die Bereitstellung hochaktueller und hochaulösender Mobilitätsdaten für künftige Fahrerinformations- und Fahrerassistenzsysteme. Hierzu war es erforderlich, dass sich die Anbieter von Informationsdiensten sowie Netzbetreiber, Verkehrsleitzentralen, Automobilhersteller und weitere Branchen und Institutionen auf praxistaugliche Methoden und Standards verständigen - und das nicht nur in technischer Hinsicht. Das rückte die zentrale Frage nach einer neuen Kommunikations-, Dienste- und Or- HINTERGRUND Das Projekt „Converge“ Das Projekt Converge startete am 01. August 2012 und endet am 31. Oktober 2015 und hatte zum Ziel, eine gesamtheitliche Systemarchitektur für kooperative Mobilitäts-Systeme zur flexiblen Interaktion zwischen unterschiedlichsten Dienstanbietern und Kommunikationsnetzbetreibern in einer dezentralen, skalierbaren Struktur zu entwickeln. Im Projekt Converge arbeiten die folgenden Partner zusammen: Adam Opel AG, BMW Forschung und Technik GmbH, Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bundesnetzagentur, Ericsson GmbH, Fraunhofer Institut AISEC, Fraunhofer Institut FOKUS, Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes - htw saar (Konsortialführer), PTV Planung Transport Verkehr AG, Robert Bosch GmbH, Straßenverkehrsamt der Stadt Frankfurt am Main, Vodafone GmbH, Volkswagen AG. Das mit 18 Mio. EUR ausgestattete Projekt wird von den Bundesministerien für Wirtschaft und Energie sowie für Bildung und Forschung gefördert. www.converge-online.de Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 67 Vernetztes Fahren Technologie ganisationsarchitektur auf die Tagesordnung - eine Architektur, welche die Infrastruktursysteme verschiedener Betreiber kombiniert und in einem hybriden Kommunikationssystem vernetzt. Schon heute stehen die meisten Informationen für eine hocheiziente Verkehrsführung zur Verfügung. Was bisher fehlte, waren eine kooperative und hybride Architektur für WLAN (gemäß IEEE 802.11p bzw. ETSI ITS-G5) und Mobilfunk sowie schlüssige Spielregeln für den Zugang zu dieser Architektur und den Umgang mit ihr. Der Weg: eine kooperative Architektur im Systemverbund Die am Forschungskonsortium Converge beteiligten Unternehmen und Institutionen (siehe Infobox) haben eine ofene, aber dennoch sichere Systemarchitektur entwickelt. Während frühere Forschungsansätze zur V2X-Kommunikation einzelne Betreiber beziehungsweise ein zentrales System erforderten, ist die Converge-Architektur nach dem Vorbild des Internets betreiberoffen aufgebaut. Ziel ist es, dass die Anbieter von Diensten, Infrastrukturbetreiber sowie die Hersteller und Nutzer von Fahrzeugen an dieser Systemarchitektur partizipieren können, ohne sie selbst mitgestalten zu müssen. Die wesentlichen Merkmale der betreiberlosen Systemarchitektur sind: • Modularer Aubau, Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit • Unabhängigkeit von der physikalischen Verbindung (z. B. Mobilfunk, Wii, Ethernet) • Verteilte Internetarchitektur, dadurch sehr hohe Verfügbarkeit, auch bei Ausfall einzelner Komponenten (no single points of failure) • Einfachheit aus Sicht der Dienstanbieter (Service Provider). Das Design der Converge-Architektur verbindet diese bewährten Prinzipien des Internets mit den Merkmalen moderner Kommunikationsnetze: hohe Sicherheit, internationale Anwendbarkeit und freie Auswahl der Servicedienstleistungen. converge-Architektur: lexibel, ofen, zukunftssicher Wesentliches Merkmal der Converge-Architektur ist die Ausrichtung nach den Akteuren. Die Akteure (Actors) in einem Converge-System teilen Informationen, Ressourcen und Kommunikationsdienste. Typische Akteure sind dabei in Bild 1 zu sehen: • Akteure zur Bereitstellung von Informationsdiensten, z. B. Fahrzeughersteller, Behörden oder Betreiber von Fahrzeug-/ Flotten-Diensten (Backend/ Backbone Level) sowie von Systemdiensten, die zu bestimmten Systemfunktionen wie Namens- oder Verzeichnisdiensten beitragen. • Akteure zur Bereitstellung von Kommunikationsdiensten, z. B. Betreiber von Mobilfunknetzen (Mobile Network Operators) oder von IRS-Netzen. Als IRS werden Kommunikationseinheiten am Straßenrand bezeichnet, die gemäß dem ETSI ITS G5 Standard (Network Level) funken. • Akteure, die Verkehrs- und Sicherheitsinformationen auf der Ebene der Mobilen Endgeräte austauschen (Mobility Level). Die Akteure tauschen Informationen aus, die zur Steigerung der Verkehrssicherheit und -eizienz beitragen, und stellen sie den Teilnehmern am Systemverbund (Clients) zur Verfügung. Clients in diesem Kontext können sowohl Fahrzeuge oder Mobiltelefone als auch angebundene Flotten- oder Straßen-Betreiber sein. Alle Akteure erklären sich bereit, die gemeinsam für das Converge-System deinierten Regeln einzuhalten (Code of Conduct). Die Converge-Sicherheitsprinzipien unterstützen die betriebliche Umsetzung des Code of Conduct. ofen für weitere Akteure, neue Dienste und länderübergreifenden Betrieb Converge-Akteure sind Organisationen, Behörden oder Dienstanbieter. Beispielsweise kann ein Mobilfunkbetreiber die Rolle eines Anbieters von Kommunikationsdiensten sowie eines Anbieters von Datendiensten annehmen. Das durch die Converge-Architektur vorgegebene Systemdesign ermöglicht eine länder- und behördenübergreifende Umsetzung sowie einen auf mehrere Akteure verteilten Betrieb. Ein weiterer Vorteil der verteilten Architektur ist, dass Akteure nachträglich dem System beitreten oder es ohne größeren Aufwand verlassen können, ohne dass das Gesamtsystem negativ beeinlusst wird. Diese Rollen und Akteure ermöglichen lexible Einführungs- und Geschäftsmodelle (Bild 2). Die Theorie beruht auf dem institutionellen Rollenmodell und hilft der Markeinführung des Systems, indem in einer angemessenen Reaktionszeit auf dynamische Veränderungen reagiert werden kann. Das ökonomische Rollenmodell schaft die Voraussetzung für funktionsfähige Lösungen zur Durchsetzung neuer Technologien unter marktwirtschaftlichen Bedingungen: • Verbesserung des Wissens- und Kenntnisstands der Systemnutzer und Dritter, Bild 1: Die Converge Systemarchitektur Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 68 TECHNOLOGIE Vernetztes Fahren systematisch entsprechend des technologischen Entwicklungsstands. • Ermöglichung des Austauschs von Erfahrungen. • Schafung von Transparenz zwischen unterschiedlichen Nutznießern (PKW- Fahrer als Systemanwender, PKW-Fahrer als Dritter, Automobilindustrie, Versicherungsindustrie, Staat und andere). • Reduktion der Zielkonlikte zwischen den einzelnen Gruppen. Der Vorteil gegenüber den klassischen Betreibermodellen ist, dass auch bei einem Marktversagen die Entwicklung von funktionsfähigen Marktangeboten möglich ist, die für alle Gruppen zu einem ökonomischen Vorteil führen. Fortschrittliche Architekturkomponenten und -konzepte In Converge wurden innovative Architekturkomponenten und -konzepte entwickelt. Einen als „Governance Layer“ bezeichneten organisatorischen, betrieblichen und regulatorischen Überbau, der Organisation und Betrieb des Systemverbundes auf gemeinsamen Regeln, Konventionen und Vereinbarungen aufsetzt, welche eine faire und leistungsstarke Kooperation sicherstellen und welche unumgänglich sind, um die Offenheit des V2X-Systemverbundes sicherzustellen. Ein Konzept zur Verwaltung von Diensten auf Basis von hierarchischen, verteilten Dienste-Verzeichnissen, welche alle Arten von Diensten berücksichtigen. Ein sogenanntes Bridge-Konzept, das eine speziische Verbreitung von Informationen in vorgegebenen Gebieten (GeoMessaging) nach Eigenschaften (z. B. Informationen für LKWs) oder nach Informationsklassen (z. B. Verkehrsinformationen) entsprechend der registrierten Wünsche des Empfängers ermöglicht. Es ist dabei keine Kenntnis über die verfügbaren Kommunikationsmedien im System erforderlich. Weiterhin ist dadurch eine eiziente Nutzung des zugrundeliegenden hybriden Kommunikationsnetzwerks (Nutzung von WLAN [gemäß IEEE 802.11p bzw. ETSI ITS-G5] und Mobilfunk) in unterschiedlichen Kombinationen gewährleistet. Datenautobahn mit integriertem Datenschutz Nach zahlreichen Angrifen auf die Privatsphäre von Bürgern hat der Datenschutz in Wissenschaft, Politik und in der öfentlichen Wahrnehmung eine wachsende Bedeutung gewonnen. Von Anfang an standen deshalb Datenschutz und Sicherheit im Fokus des Converge-Projekts, was zur Entwicklung einer sicheren Architektur für die relevanten Bereiche Netze, Applikationen und System geführt hat. Es rückt zwei Themen in den Vordergrund: Auf der einen Seite der Schutz von persönlichen Daten, insbesondere Positionsdaten; auf der anderen Seite die Gewährleistung, dass nur echte und unveränderte Informationen verteilt werden. Eine besondere Herausforderung für Converge war die integrierte und transparente Kommunikation über Mobilfunk und Netze gemäß dem ITS G5 Standard. Das Sicherheitskonzept weist unter anderem folgende Teilaspekte auf: integrierte Sicherheitsmechanismen, Kompatibilität mit etablierten internationalen Standards, rollenbasierte Zugrifskontrolle und Autorisierung im Systemverbund, Speziikation Bild 2: Ökonomisches Konzept von Converge Bild 3: Das Converge Security-Konzept Vernetztes Fahren TECHNOLOGIE von sicheren Kommunikationsprotokollen zum Schutz der Privatsphäre, Schutz privater Daten durch pseudonymisierte Zertiikate und optionale Verschlüsselung, Speziikation und Integration von Security-Subsystemen, sichere Speicherung von kryptograischen Geheimnissen (Schlüssel etc.), z. B. durch spezielle Hardware-Module, umfassende Validierung der Komponenten durch Szenarien-Simulation (Bild 3). Pseudonymisierte Dienstnutzung Converge bietet eine einfache, sichere und die Privatsphäre schützende Lösung für die Nutzung von Diensten an: Dienstanbieter erhalten digitale Zertiikate, die ihre Identität als Anbieter eines bestimmten Dienstes bestätigen. Somit ermöglicht die Converge Security, dass Konsumenten die Authentizität von Dienstanbietern überprüfen können. Zugleich stellt die Converge-Lösung Konsumenten spezielle pseudonymisierte digitale Zertiikate zur Verfügung. Konsumenten können sich mit diesen Zertiikaten bei ihren Diensten anmelden, ohne dabei ihre echte Identität preiszugeben, wodurch ihre Privatsphäre geschützt wird. Insgesamt erhalten somit sowohl Dienstanbieter als auch Konsumenten einfachen und sicheren Zugang zum Converge-Systemverbund, ohne dafür komplexe individuelle Lösungen erarbeiten zu müssen. Fazit Das Converge-Projekt entwickelt die Architektur kooperativer Systeme für die Mobilität der Zukunft und ebnet den Weg für zukünftige kooperative ITS-Anwendungen, basierend auf verteilter Funktionalität in Kombination mit standardisierten und ofenen Schnittstellen, Kommunikationsprotokollen und Sicherheitslösungen. Die Converge-Architektur ist ofen für zukünftige Innovationen und internationalen Einsatz: • Reduktion der Entwicklungskosten durch eine verteilte und lose gekoppelte Architektur • Verkürztes Time-to-Market durch erhöhte Flexibilität und deinierte Rollen entlang der Verwertungskette • Transparente und austauschbare Nutzung verschiedener Kommunikationstechnologien • Verbesserter Datenschutz durch verteilte Datenspeicherung - nur Daten, die für eine Transaktion erforderlich sind, werden zwischen den beteiligten Parteien ausgetauscht • Erhöhte Sicherheit durch ein durchgängiges Security-Konzept, welches alle Komponenten vom Service Provider über Kommunikationsnetzwerke bis hin zum mobilen Knoten im Sicherheitssystem integriert. • Entkopplung der technischen Realisierung von den Anforderungen der Dienstanbieter; das ermöglicht den organisations- und länderübergreifenden Einsatz • Erste Ansätze zur gesellschaftlichen Umsetzung (Governance Layer) So ermöglicht die Converge-Architektur kooperative ITS-Lösungen und einen freien Fluss von Echtzeitinformation in Europa. ■ Horst Wieker, Prof. Dr.-Ing. Forschungsgruppe Verkehrstelematik, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar), Saarbrücken wieker@htwsaar.de Manuel Fünfrocken, M.Sc. Forschungsgruppe Verkehrstelematik, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar), Saarbrücken manuel.fuenfrocken@htwsaar.de Jonas Vogt, M.Sc. Forschungsgruppe Verkehrstelematik, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar), Saarbrücken jonas.vogt@htwsaar.de Ein Tag. 192 Vorfälle. 192 richtige Entscheidungen. Wenn Sie für die Sicherheit und den Schutz eines öfentlichen städtischen Verkehrssystems mit Hunderte von Zügen verantwortlich sind, müssen Sie jeden Tag eine große Anzahl von Vorfällen erkennen, bewerten und behandeln. Aus diesem Grund haben wir sichergestellt, dass unsere Netzwerk-Videolösungen alles problemlos bewältigen können. So können Sie in jeder Situation die richtige Entscheidung trefen. Weitere Informationen inden Sie auf www.axis.com/ trains Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 70 Auf gutem Weg - aber längst nicht am Ziel Verkehrssicherheit, automatisiertes Fahren, Straßeninfrastruktur, Unfallforschung, Vision Zero Nach den Höchstständen zu Beginn der 1970er-Jahre gehen in Europa die Zahlen der bei Verkehrsunfällen Getöteten und Verletzten mehr oder weniger konstant nach unten. Zu verdanken ist diese positive Entwicklung vor allem dem Zusammenspiel technischer, organisatorischer und infrastruktureller Maßnahmen zur präventiven Unfallvermeidung und Unfallfolgenminderung. Zahlreiche Sicherheitstechnologien wurden über die Zeit konsequent weiterentwickelt und haben nun mit den Möglichkeiten der immer besseren Fahrerunterstützung eine neue Dimension in Sachen Verkehrssicherheit eröfnet. Die Autoren: Walter Niewöhner, Markus Egelhaaf D ie Zahlen sprechen für sich: Kamen 1991 auf den Straßen der heutigen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union insgesamt 75 426 Menschen ums Leben, waren es 2014 „nur“ noch 25 700 Verkehrstote. Das bedeutet immerhin einen Rückgang um 66 % und darf insbesondere auch in Anbetracht der im gleichen Zeitraum kräftig gestiegenen Fahrleistungen durchaus als Erfolg gewertet werden. Dessen ungeachtet ist jeder Verkehrstote einer zu viel. Und auch wenn die Entwicklung in Europa im Vergleich zu vielen anderen Regionen der Welt deutlich besser aussieht, bewertet die EU-Kommission Straßenverkehrsunfälle mitsamt ihren Folgen nach wie vor als großes gesellschaftliches Problem. Ein Fokus im laufenden Aktionsprogramm „On the move - for safer roads in Europe“ soll daher verstärkt auf Maßnahmen liegen, die dazu beitragen, Unfälle möglichst schon im Vorfeld zu vermeiden, heißt es in einem im Oktober 2014 veröfentlichten Arbeitspapier der EU-Kommission. Erklärtes Ziel ist bis zum Jahr 2020 die Halbierung der Zahl der Verkehrstoten gegenüber 2010 - also von 31 500 auf 15 750. Ob dieses Ziel tatsächlich zu erreichen ist, wird sich noch zeigen müssen. Annähern kann man sich ihm nach Ansicht der EU-Kommission aber auch dadurch, dass menschliches Fehlverhalten als die häuigste Unfallursache durch den Einsatz elektronischer Systeme kompensiert wird. Dazu geeignet seien insbesondere: • Elektronisches Fahrdynamikregelsystem EVSC (Electronic Vehicle Stability Control), • Geschwindigkeitswarner, • Notbremssystem AEBS (Advanced Emergency Braking System), • Spurhalteunterstützung (Lane Support = Lane Departure Warning + Lane Keeping), • Alkohol-Interlock, • Automatisches Notrufsystem (eCall) für Motorräder, schwere Nutzfahrzeuge und Busse, Foto: Andreas Rosar TECHNOLOGIE Verkehrssicherheit Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 71 Verkehrssicherheit TECHNOLOGIE • Gurtwarner (Seat Belt Reminder) für alle Fahrzeuginsassen und • Reifendruckkontrollsystem (Tyre Pressure Monitoring System). Große Bedeutung misst die EU auch dem Unfalldatenspeicher (Event Data Recorder) bei, um über die Vorgänge bei einem Unfall genauere Erkenntnisse zu erhalten. Pioniere der passiven Sicherheit Diese noch verhältnismäßig jungen Systeme stehen am Ende einer langen Reihe von Meilensteinen, die maßgeblich zur Verkehrssicherheit beigetragen haben. Eine geradezu revolutionäre Grundlage für alle nachfolgenden Sicherheitssysteme hat etwa der über mehrere Jahrzehnte für die damalige Daimler-Benz AG tätige Konstrukteur Béla Barényi geschafen: 1951 meldete der gebürtige Ungar sein Konzept einer „gestaltfesten Fahrgastzelle mit Knautschzonen vorne und hinten“ zum Patent an. Ohne eine solche Karosserie, die heute Standard ist, könnten alle anderen Systeme des Insassenschutzes bei schweren Unfällen nicht richtig wirksam werden. Auf Barényi geht auch die 1963 zum Patent angemeldete „Sicherheitslenkwelle für Fahrzeuge“ zurück. Die Neuerung: Derartige Anlagen dringen nur noch sehr wenig in die Fahrgastzelle ein und geben in Kombination mit einem Sicherheitslenkrad beim Anprall des Fahrers nach. Ein auch bei schweren Frontalkollisionen nicht unkontrolliert in den Innenraum eindringendes Lenkrad ist auch heute noch wichtig und die Voraussetzung dafür, dass der Fahrerairbag optimal schützen kann. Bereits 1959 schlug die Geburtsstunde eines weiteren bahnbrechenden Systems: Der schwedische Volvo-Ingenieur Nils Ivar Bolin meldete den Dreipunkt-Sicherheitsgurt zum Patent an. Gestaltfeste Fahrgastzelle mit Knautschzone und angelegter Sicherheitsgurt - heute mit Gurtstrafer und Gurtkraftbegrenzer - sind nach wie vor wesentliche Voraussetzungen für die passive Sicherheit von Fahrzeuginsassen. Dies gilt nicht nur für Frontalkollisionen, sondern auch bei Seitenkollisionen und Fahrzeugüberschlägen. Vorreiter elektronischer Sicherheitssysteme 1971 wurde von der Daimler-Benz AG ein praxistauglicher Fahrer-Airbag zum Patent angemeldet. Er unterstützt die Rückhaltewirkung des Sicherheitsgurts bei schweren Frontalkollisionen. Nach und nach kamen später der Beifahrer-Airbag, diverse Seiten- Airbags und der Knie-Airbag zum Einsatz. Heute gehören in der Regel sechs bis acht Airbags zur Standardausstattung eines PKW. Ab Oktober 1978 begann ebenfalls bei Daimler-Benz der Einbau des Antiblockiersystems ABS in Serienfahrzeuge. ABS ermöglicht eine Vollbremsung mit nahezu maximaler Verzögerung bei gleichzeitigem Erhalt von Lenkbarkeit und Richtungsstabilität des Fahrzeugs. Das System wurde bald um die Antriebsschlupfregelung ASR erweitert, um auch bei großer Beschleunig die Fahrstabilität zu gewährleisten. Im Jahr 1995 führten die Robert Bosch GmbH und Mercedes-Benz mit dem Elektronischen Stabilitätsprogramm ESP ein weiteres bremsbasiertes fahrdynamisches Assistenzsystem ein. Damit verfügt der Fahrer über eine zusätzliche aktive Unterstützung des Fahrzeugs in Situationen, die querdynamisch kritisch sind - zum Beispiel Über- oder Untersteuern. International üblich wurde die Bezeichnung Electronic Stability Control ESC. Welche Bedeutung das System hat, zeigt sich daran, dass ESP neutralen Untersuchungen zufolge nahezu jeden zweiten schweren oder tödlich verlaufenden Alleinunfall verhindern kann. Damit ist es nach dem Sicherheitsgurt und noch vor dem Airbag das zweitwichtigste Sicherheitssystem im Auto. Elektronische Fahrdynamikregelsysteme sind Plichtausstattung für nahezu alle PKW, Wohnmobile, LKW und Busse, die seit dem 1. November 2011 erstmals eine Typzulassung für Europa erhalten haben. Seit 1. November 2014 müssen alle Fahrzeuge, wenn sie neu in den Verkehr kommen, mit einem solchen System ausgestattet sein. Neue Herausforderungen bei Fahrerassistenz- und Kollisionsvermeidungssystemen In Sachen Technologie geht die Reise nun in Richtung des hoch oder voll automatisierten Fahrens. Die Erforschung von dessen Möglichkeiten begann bereits vor mehr als 25 Jahren. Zu den frühen Meilensteinen gehört das 1986 initiierte europäische EU- REKA-Forschungsprojekt PROMETHEUS (PROgraMme for European Traic with Highest Eiciency and Unprecendented Safety). Im Rahmen des Projekts fuhren die Roboterfahrzeuge VaMP und VITA-2 auf der Basis des damaligen Mercedes 500 SEL 1994 weitgehend autonom mehr als 1000 Kilometer im normalen Verkehr bei Geschwindigkeiten bis zu 130 km/ h auf mehrspurigen Autobahnen im Ballungsraum Paris. 1995 wurde mit entsprechenden Fahrzeugen die Strecke von München nach Kopenhagen zurückgelegt. Bereits damals konnte der Beweis geliefert werden, dass automatisches Fahren auf Autobahnen mit den hier vorkommenden Manövern zum Abstandhalten, Spurwechseln und Überholen technisch möglich ist. Im Rahmen des Projekts spielte die Sicherheit eine ganz zentrale Rolle. Hintergrund: Der Mensch ist bekanntlich das unsicherste Element im Gesamtsystem, und er macht häuig Fehler, die - wenn sie nicht mehr korrigiert werden können - oftmals zu Unfällen führen. Wird der Mensch durch technische Assistenzsysteme zunehmend von seiner direkten Fahraufgabe entlastet oder sogar zeitweise entbunden, dann ist zu erwarten, dass auch die Anzahl der durch menschliches Fehlverhalten verursachten Unfälle sinkt. Eine große Herausforderung bei zukünftigen Fahrerassistenzsystemen besteht darin, neben der Situation für das eigene Fahrzeug auch andere Verkehrsteilnehmer sowie die gesamte Verkehrssituation zu erfassen und bei erkannten Konlikten eine geeignete Gegenmaßnahme einzuleiten. Bild 1: Immer weniger Getötete im Straßenverkehr: Nach einem kräftigen Anstieg zwischen 1953 und 1970 ging in den folgenden Jahrzehnten die Zahl der Verkehrsopfer in Deutschland unter anderem auch dank zahlreicher gesetzlicher Rahmenbedingungen konstant zurück. Grafik: Dekra. Datenquelle: Statistisches Bundesamt Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 72 Technologie Verkehrssicherheit Diese muss angemessen und verhältnismäßig sein und darf nicht neue, unter Umständen sogar noch größere Risiken heraubeschwören, als sie schon durch die ursprüngliche Konliktsituation gegeben waren. Letztendlich muss dies bei Bedarf auch noch nach einem Unfall festgestellt und von Richtern bewertet werden können. Technische Systeme müssen einwandfrei funktionieren Grundsätzlich muss die zuverlässige Funktion jedes sicherheitsrelevanten Systems über die gesamte Nutzungsdauer eines Fahrzeugs gewährleistet sein. Als ein wesentlicher Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit darf deshalb die periodische Fahrzeugüberwachung nicht vergessen werden. In Deutschland erfolgte die Einführung der Hauptuntersuchung (HU) bereits 1951. Das französische Pendant hierzu, die „Contrôle Technique“, wurde dagegen erst 1992 verplichtend für alle PKW, Nutzfahrzeuge und Busse eingeführt. Der Stellenwert gerade auch der elektronischen Systeme für die Sicherheit der Fahrzeuge ist mittlerweile auch von der EU-Kommission aufgegrifen und in die Rahmenvorgaben zur europaweiten Fahrzeugüberwachung aufgenommen worden. In Deutschland wurde inzwischen mit der lächendeckenden Einführung des so genannten HU-Adapters die Voraussetzung dafür geschafen, dass im Fahrzeug verbaute elektronische Sicherheitssysteme im Rahmen der Hauptuntersuchung auf Vorhandensein und Funktion überprüft werden können. Vorschriften, Kampagnen und-infrastruktur machen Straßen sicherer Selbstverständlich gibt es auch abseits der Fahrzeugtechnik eine Reihe von Meilensteinen, die zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beigetragen haben. So in Deutschland die Einführung des ersten allgemeinen Tempolimits zum 1. September 1957. Seitdem gilt „innerhalb geschlossener Ortschaften“ die Höchstgeschwindigkeit von 50- km/ h, falls sie nicht durch andere Verkehrszeichen anders geregelt ist. Inzwischen sind in Deutschland weitere allgemeine Tempolimits wie zum Beispiel 100 km/ h auf Landstraßen eingeführt worden. 1953 wurde die erste „Promillegrenze“ für Kraftfahrzeugführer in Deutschland eingeführt. Sie betrug damals noch 1,5 Promille und wurde erst strafwirksam, wenn Autofahrer einen Verkehrsunfall verursacht hatten. Aus heutiger Sicht war dieser erste Grenzwert - angesichts der enthemmenden und beeinträchtigenden Wirkungen, die der Genuss von Alkohol haben kann - unverantwortlich hoch. Die Grenze von 0,8 Promille wurde am 14. Juni 1973 vom Bundestag beschlossen. Später sind die Grenzwerte nach und nach noch weiter gesenkt worden. Heute können Fahrfehler schon bei 0,3 Promille rechtliche Konsequenzen haben. Für Fahranfänger gilt in der Probezeit am Steuer ein absolutes Alkoholverbot. Ob Sicherheitsgurt, Tempolimits oder Alkohol-Grenzwerte: Viele dieser Vorschriften werden seit Jahrzehnten von öfentlichkeitswirksamen Auklärungskampagnen begleitet - in Deutschland etwa seit Anfang der 1970er-Jahre unter anderem vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Aber auch in anderen europäischen Staaten führten die hohen Zahlen an Verkehrsunfallopfern zu kreativen Kampagnen. In Großbritannien jährte sich beispielsweise 2014 zum 50. Mal die Erstausstrahlung eines TV-Spots zum Sicherheitsgurt. Aktuelle Kampagnen thematisieren inzwischen nahezu jeden Problembereich des Straßenverkehrs und wenden sich auch an Risikogruppen wie junge Fahreranfänger, Senioren oder Motorradfahrer. In Sachen Infrastruktur trug unter anderem die Ausstattung der Straßen mit Rückhalteeinrichtungen dazu bei, das Abkommen von Fahrzeugen von der Fahrbahn zu verhindern und somit das Risiko schwerer Unfälle wie Fahrzeugüberschläge, Kollisionen mit Hindernissen - vor allem Bäumen - am Straßenrand oder fatale Gegenverkehrskollisionen auf Autobahnen oder autobahnähnlich ausgebauten Fernstraßen zu reduzieren. Was die Optimierung der Straßeninfrastruktur anbelangt, spielen außerdem Aspekte wie Zustand der Fahrbahndecke, Vorhersehbarkeit der Straßenführung, Seitenraumgestaltung, Fahrbahnmarkierungen, Gestaltung von Kreuzungs- und Einmündungsbereichen, Schafung von Ausweich- und Überholmöglichkeiten und speziell bei den Brücken der allgemeine Bauwerkszustand eine wichtige Rolle. HINTERGRUND 90 Jahre Dekra Seit 90 Jahren arbeitet Dekra für die Sicherheit: Aus dem 1925 in Berlin gegründeten Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs- Verein e.V. ist eine der weltweit führenden Expertenorganisationen geworden. Die Dekra SE ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Dekra e.V. und steuert das operative Geschäft des Konzerns. Rund 35 000 Mitarbeiter sind in mehr als 50 Ländern auf allen fünf Kontinenten im Einsatz. Mit qualiizierten und unabhängigen Expertendienstleistungen arbeiten sie für die Sicherheit im Verkehr, bei der Arbeit und zu Hause. Das Portfolio reicht von Fahrzeugprüfungen und Gutachten über Schadenregulierung, Industrie- und Bauprüfung, Sicherheitsberatung sowie die Prüfung und Zertiizierung von Produkten und Systemen bis zu Schulungsangeboten und Zeitarbeit. Die Vision bis zum 100. Geburtstag im Jahr 2025 lautet: Dekra wird der globale Partner für eine sichere Welt. Bild 2: Damals und heute - bei zwei ähnlichen Kollisionen zwischen PKW und LKW im Abstand einiger Fahrzeuggenerationen haben die Insassen im modernen Fahrzeug (rechts) sehr gute Überlebenschancen und ein vergleichsweise geringes Verletzungsrisiko. Fotos: Dekra Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 73 Verkehrssicherheit TECHNOLOGIE Unfallforschung: Erste wichtige Impulse kamen aus den USA Unabhängig von allen technischen und infrastrukturellen Weiterentwicklungen muss für Beurteilungen der Fahrzeug- und Verkehrssicherheit immer das reale Unfallgeschehen auf den Straßen maßgebend sein. Aus den Ergebnissen der Verkehrsunfallforschung lassen sich grundlegende Erkenntnisse für weitere Verbesserungen ableiten. Ihren Anfang nahm diese Forschung einst in den USA, wo Anfang der 1950er-Jahre der Physiker William Haddon mit ersten Untersuchungen am Unfallort begann. Er war es auch, der Ende der 1960er-Jahre eine Methode entwickelte, die letztlich bis heute einen wichtigen theoretischen Rahmen für systematische Überlegungen zum Thema Verkehrssicherheit darstellt. Die „Haddon Matrix“ basiert einerseits auf der zeitlichen Gliederung von Unfällen in drei Phasen - vor, während und nach dem Crash - und ordnet andererseits die Ursachen dem menschlichen Verhalten, dem Fahrzeug und der Verkehrsinfrastruktur zu. „Vision Zero“ - Science-Fiction oder eines Tages Realität? Abschließend noch einige Anmerkungen zu einem Begrif, der automatisch fällt, wenn es um die qualitative Beschreibung von Verkehrssicherheit geht: die „Vision Zero“. Diese Vision wurde erstmals 1997 in Schweden von Claes Tingvall vorgestellt. Ihre Ziele: keine durch Unfälle getöteten oder schwer verletzten Verkehrsteilnehmer. Dieses allein schon aus humanitären Gründen erstrebenswerte Ziel wird jedoch bis heute oftmals als nicht realisierbar angesehen. Ist dieses Ziel daher nur eine wissenschaftliche Fiktion? Zugegeben: Von der Vision, nach Unfällen in Städten und Ortschaften sowie auf Landstraßen und Autobahnen weder Verkehrstote noch Schwerverletzte beklagen zu müssen, ist man noch weit entfernt. Dessen ungeachtet sind besagte Ziele zumindest in urbanen Lebensräumen in Bezug auf die Anzahl der Getöteten teilweise schon Realität. Eine von Dekra durchgeführte Sonderanalyse von Unfallzahlen aus den letzten Jahren zeigt, dass es in über 600 europäischen Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern zumindest schon einmal ein Jahr gab, in dem keine Verkehrstoten zu beklagen waren. In den USA sind es mehr als 100 solche Städte, in Japan rund 50. Diese Zahlen machen Mut und unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen beziehungsweise Investitionen in die Verkehrssicherheit, damit die Vision immer mehr zur Realität auch für die Schwerverletzten wird. ■ LITERATUR CARE Database (2015): Road Safety Evolution in the EU 2014. Brüssel DEKRA (2015): Verkehrssicherheitsreport 2015 - Zukunft aus Erfahrung. Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas. Stuttgart Statistisches Bundesamt (2015): Verkehrsunfälle 2014. Wiesbaden Walter Niewöhner, Dipl.-Ing. Teamleiter Unfallforschung, DEKRA Automobil GmbH, Stuttgart walter.niewoehner@dekra.com Markus Egelhaaf, Dipl.-Ing. Projektmanager Unfallforschung, DEKRA Automobil GmbH, Stuttgart markus.egelhaaf@dekra.com Bild 3: Trotz der deutlich größeren Massen moderner Fahrzeuge (rechts) und der damit viel höheren Crash-Energie ist das Verletzungsrisiko deutlich geringer als im Crash der beiden älteren Fahrzeuge. Fotos: Dekra © Rainer Sturm, pixelio.de IHR KUR ZE R DR AHT ZUM ANZEIGEN -T E AM Silke Härtel Anzeigenleitung Tel.: +49 (40) 23714-227 silke.haertel@dvvmedia.com Tim Feindt Anzeigenverkauf Tel.: +49 (40) 23714-220 tim.feindt@dvvmedia.com Telefax Anzeigen-Team: +49 (40) 23714-236 Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 74 Verkehrsbehinderungen intelligent managen Intelligenter Leitkegel zur automatisierten Erfassung und ortsgenauen Informationsweitergabe von Verkehrsstörungen und deren Sicherung Automatisierung, Verkehrsstörungen, intelligentes Verkehrsmanagement, innovative Mobilitätsdienste Plötzlich auftretende Störungen im Straßen- und besonders im Kreuzungsumfeld können zu erheblichen Beeinträchtigungen des Verkehrsablaufes und wiederum selbst zu potenziell gefährlichen Unfallsituationen führen. Ein Intelligenter Leitkegel kann hier zukünftig Abhilfe schafen: Er dient zur Sicherung und Erfassung von Störstellen und liefert situationsgerechte, zeitnahe und ortsgenaue Informationen. Die reibungslose Informationsweitergabe unterstützt die eilige Behebung von Verkehrsstörungen und kann damit den gestörten Verkehr schneller wieder in Fluss bringen. Die Autoren: Jan Krause, René Schönrock V erkehrsbehinderungen, die den regulären Verkehrsluss beeinträchtigen, bergen immer ein hohes Unfallrisiko. Diese Beeinträchtigungen des Verkehrslusses mit störenden Auswirkungen können dabei vielfältige Ursachen haben. Während beispielsweise Straßenbaustellen und Sondertransporte geplante und damit langfristig vorhersehbare Hindernisse darstellen, führen auf der anderen Seite jedoch Unfälle, Behinderungen durch liegengebliebene Fahrzeuge und Gegenstände, Mäharbeiten, Havarien oder ungeplante Baustellen und auch Wanderbaustellen zu unvorhergesehenen Behinderungen und damit zu Störungen des Verkehrslusses. Damit sich aus dieser Behinderung keine Gefährdung für die anderen Verkehrsteilnehmer entwickelt, müssen eine umgehende und ausreichende Absicherung der betrefenden Störstelle sowie eine rasche Informationsweitergabe über die Störung an anderen Verkehrsteilnehmer erfolgen. Zur Sicherung von Unfallstellen sowie von Baustellen wurden bis 1952 in Deutschland rot-weiß gestrichene Fässer oder Tonnen verwendet. Jedoch stellten auch diese Absicherungen potentielle Unfallursachen dar, insbesondere durch das hohe Gewicht Fotos: ifak TECHNOLOGIE Verkehrssteuerung Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 75 Verkehrssteuerung TECHNOLOGIE der Absperrungsfässer. Mit der Erindung der Leitkegel aus Gummi in Hütchen- Form- als Absperrgerät und auch Verkehrszeichen wurden diese potentiellen Unfallursachen deutlich reduziert. Kurzfristig und schnell kann damit vor Einsatz- und Unfallstellen gewarnt und diese auch abgesichert werden. Durch die weißen Querstreifen auf orangen Grund wird der Warnefekt weiter verstärkt. Jedoch sind diese Warnungen vor Störungen im Verkehrsluss nur für diejenigen Verkehrsteilnehmer wahrnehmbar, die sich auch direkt vor Ort an der Unfall- oder Baustelle beinden. Aktuell können die Verkehrsstörungen nicht in Echtzeit und auch nicht direkt an andere Verkehrsteilnehmer weitergegeben werden. Hier wird der vom Magdeburger Institut ifak entwickelte Intelligente Leitkegel (IL) künftig Abhilfe schafen. Er gewährleistet die zeitnahe und ortsgenaue Erfassung und Weitergabe von Informationen über Störungen des Verkehrslusses. Die Einsatzmöglichkeiten des Leitkegels sind dabei vielseitig: Er ist ein Werkzeug für Polizei, Rettungs-, Bergungs- und Servicekräfte, in deren Arbeitsabläufe er eingebettet werden kann (Bild 1). Der IL verfügt über mehrere elektronische Module für Ortung und Kommunikation, mit denen unter anderem eine selbstständige, hochgenaue Verortung des Leitkegels erfolgt (Bild 2). Durch Methoden wie das Precision Point Positioning (PPP) und das Diferential GPS (DGPS) werden wesentlich höhere Genauigkeiten als mit normalem GPS erreicht, sodass eine spurfeine Verortung auf einer digitalen Karte erreicht werden kann. Weitere Features, wie z. B. die automatische Ermittlung der Länge einer Störung durch die digitale Vernetzung mehrerer IL werden durch cloudbasiertes Leitkegelmanagement ermöglicht. Die ermittelten Informationen zu Stör und Sperrstellen werden erhoben, aubereitet und über Mobil- und Sonderfunk an interne Zentralen sowie Plattformen weitergegeben. Eine Anbindung an die öfentliche Plattform Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM, www.mdm-portal. de) wurde ebenfalls schon durch das ifak realisiert. Somit können Verkehrsteilnehmer auch über hohe Distanzen in Echtzeit über vorhandene Störungen auf ihrer Strecke informiert werden, indem über Internet, Radio (TMC), DAB, Leitsystemen oder künftig auch direkte Fahrassistenzsysteme diese orts- und zeitkritischen Daten abgerufen werden. Der Leitkegel selbst wird damit Teil der digitalen MDM-Infrastruktur als Datenanbieter und unterstützt somit selbständig den eizienten Daten- und Informationsluss hin zu den Datennehmern. Aber auch im direkten Umfeld einer Stör- oder Sperrstelle proitieren die beteiligten Verkehrsteilnehmer von den Informationen des Leitkegels, indem sie durch Car2X-Nachrichten in Echtzeit benachrichtigt werden. Dabei werden die Informationen über Störstellen direkt per Funk an herannahende Fahrzeuge weitergeleitet und damit die Sicht des Verkehrsteilnehmers auf die vor ihm liegende Straßenstrecke deutlich „verlängert“. Durch das frühzeitige Erkennen von Störungen und die schnellen Reaktionen der Verkehrsteilnehmer können weitere Folgestörungen im Verkehrsluss verringert und damit die Sicherheit im Verkehr deutlich erhöht werden. Das heißt: Sowohl bei der Weitergabe der Informationen über die MDM-Plattform als auch über die direkte Funkverbindung zu anderen Fahrzeugen können die Verkehrsteilnehmer ihre Routen und Fahrweisen der aktuellen Verkehrssituation umgehend und gezielt anpassen - und gegebenenfalls Störungen oder Sperrungen weitläuig umfahren. ■ Jan Krause, Dr. Geschäftsfeldleiter Verkehr & Assistenz, ifak e. V. Magdeburg jan.krause@ifak.eu René Schönrock Verkehr & Assistenz, ifak e. V. Magdeburg rene.schoenrock@ifak.eu Bild 1: Überblick zum Konzept des Intelligenten Leitkegels (IL) Bild 2: Intelligenter Leitkegel mit Platinenfenster Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 76 Simulationsgestützte Risikoanalyse des-Luftverkehrs Integriertes Sicherheitsbewertungsmodell für An- und Ablugverfahren im Kontext der Einführung lugleistungsbasierter Navigation Risikoanalyse, Air Traic Management, agentenbasierte Simulation, Kollisionsrisikomodell Ein zukunftsgerechter Luftverkehr erfordert in Durchsatz und Sicherheit verbesserte Verfahren, insbesondere im hoch frequentierten Flughafennahbereich. Bestehende Regularien enthalten implizite Sicherheitsmargen entsprechend technischer und menschlicher Leistungsmerkmale. Eine hoch automatisierte Sicherheitsbewertung basierend auf wissenschaftlich gesicherten Modellen dieser Merkmale ist der Zweck des vorgestellten Modells, welches mittels agentenbasierter Luftraumsimulation menschliche und verfahrensbedingte und mittels probabilistischer Kollisionsrisikoberechnung technische Parameter abbildet. Die Autoren: Markus Vogel, Christoph Thiel, Hartmut Fricke D as jährliche Verkehrsaukommen im Luftverkehr steigert sich bereits über einen längeren Zeitraum hinweg stetig. Globale Krisen sorgen allenfalls für zeitweilige Stagnationen. Eine im heutigen erfreulich geringen Maße gleichbleibende Unfallrate (pro Flugbewegung) ist deshalb nicht zukunftsgerecht, da einer medialen Berichterstattung steigender Unfallzahlen (pro Jahr) das Potential innewohnt, die öfentliche Wahrnehmung der Luftverkehrssicherheit empindlich zu verschieben. Im Rahmen der Neugestaltung des Europäischen Luftverkehrsmanagements (Single European Sky, SES) TECHNOLOGIE Wissenschaft Foto: Pixabay Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 77 Wissenschaft TECHNOLOGIE wird deshalb eine Senkung der Unfallrate um den Faktor zehn gefordert, um ein bis zu dreifaches Wachstum der Verkehrszahlen bis 2020 und ein weiteres Wachstum darüber hinaus gewährleisten zu können. Aus dieser dualen, und überaus ambitionierten, Zielsetzung folgt das Bestreben, die teilweise bereits bis in die 1960er Jahre zurückliegenden Verfahrensregularien des Luftverkehrs zu überarbeiten, mit dem Ziel die inhärenten Sicherheitsreserven für heute verwendete Technologien zu bemessen und die so in den letzten Jahrzehnten erarbeiteten Margen entweder dem künftig erwartetem Verkehrswachstum und einem Mehr an Sicherheit zuzuteilen. Hierbei liegt der Flughafennahbereich im Fokus, da dieser aufgrund der naturgemäß hohen Verkehrsdichte und stets einzuhaltenden Mindestabstände (Radar- und Wirbelschleppenstafelung) einen Kapazitätsengpass darstellt, welcher sich auch in den entsprechenden Unfallrisiken abzeichnet [1]. Auch die wesentliche Neuerung von SES, ein hoch automatisierter Betrieb mittels in Rechenzentren verarbeiteten 4D-Trajektorien (Beschreibung der Flugwege mittels 3D-Raumkoordinaten plus Zeit), welcher für das Jahr 2025 avisiert wird, ändert wenig an der grundsätzlichen Anforderung, Luftfahrzeuge für Start und Landung in eine Sequenz mit sicheren Abständen einzureihen, sodass letztlich nur der Ausbau von Flughafeninfrastrukturen verbliebe. Die Radarseparation, seit langer Zeit unverändert festgeschrieben im ICAO Dokument Nr. 4444 (PANS-ATM) [2], erscheint unter Betrachtung des (retrospektiv ermittelten) historischen Kontexts jedoch weit weniger unumstößlich als gemeinhin angenommen [3]: “In summary, the current three and five mile radar separation standards were apparently established based on radar accuracy, display target size, and controller and pilot confidence and represent a consensus of the users at the time radar was introduced. There appears to be no specific analysis leading to these standards. Other factors, such as human reaction time, seem to be implicitly included in these standards.” Mit der technischen Möglichkeit von hoch präzisen, satellitengestützten Navigationsverfahren (P RNAV) ist es heute im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern relativ einfach und mit kürzester Vorlaufzeit möglich, Routen neu zu deinieren. Luftfahrzeuge, welche mit entsprechend zertiizierten Navigationssystemen ausgerüstet sind, garantieren hierbei die Einhaltung des Flugwegs entlang einer Serie von GPS-Wegpunkten mit einer gewissen Genauigkeit. Hierdurch können die Mindestabstände entsprechend RNP-1 Standard, d.h. zugesichert in 95 % der Flugzeit innerhalb einer nautischen Meile genau, bereits heute mit 4 NM (4 x 1 NM) geringfügig unter die nominell geforderte Radarseparation von 5 NM reduziert werden. Heutige GPS-Empfangstechnik übertrift den RNP-1 Standard bereits um Größenordnungen. Die Einführung von EGNOS wird die Genauigkeit nochmals erhöhen. Der bereits veröfentlichte RNP-0.3 Standard würde eine Reduzierung des Mindestabstands auf 1,2 NM (4 x 0,3- NM) im Zwischenanlug ermöglichen. Bei Fluggeschwindigkeiten von bis zu 250 Knoten wirft dies, wie auch im obigen Zitat angemerkt, die implizite Fragestellung nach menschlich vertretbaren Reaktionszeiten sowohl an Bord (Piloten) als auch am Boden (Flugsicherung) auf. Heutige Risikoanalyseverfahren erweisen sich diesbezüglich als langfristig und kostenaufwendig sowie, aufgrund des hohen Stellenwerts von Expertenwissen in der standardisierten Methodik, auch nur eingeschränkt objektiv, da individuell bedingt immer eine Restmenge unbekannter bzw. unvorstellbarer Gefahren verbleibt. Bei hoch innovativen Systemen ist die Extrapolation der Gefahren bestehender Systeme zudem stark erschwert. Beispielhaft für die enorme Herausforderung sei der Flughafenneubau in Bejing-Daxing genannt, welcher mit sieben zivilen und einer militärisch genutzten Start-/ Landebahnen auf engstem Raum in bisher unerreichte Dimensionen vordringt. Die Konzeption von An- und Ablugverfahren ist in diesem Bereich Neuland, und, verglichen zur evolutionären Ausgestaltung westlicher Großlughäfen, in Aufwand und Ergebnisqualität kaum abschätzbar. Integriertes Sicherheitsbewertungsmodell Sogenannte Schnellzeitsimulationen des Luftverkehrs erlauben, basierend auf Modellen, die Vorhersage des Verkehrsverlaufs und werden bereits weitläuig, auch zur Risikoanalyse, eingesetzt. Für die objektive Sicherheitsbewertung spielen nach wie vor Ereignisbäume der klassischen Experten-basierten Verfahren, das heißt Serien von mit Wahrscheinlichkeiten belegten Verzweigungen zu alternativen, und verschieden sicheren Resultaten, eine dominante Rolle. In der modernen Sicherheitstheorie zeichnet sich nun ein Paradigmenwechsel in der Betrachtung des menschlichen Fehlers, weg vom Fehlerereignis hin zu einer ließenden Bandbreite zwischen idealen und suboptimalen Handlungsresultaten [4], ab. Diese Betrachtungsweise trift auf technische Toleranzen im Normalbetrieb ebenfalls zu und ist mit Ereignisbäumen inhaltlich kompatibel, da sich kontinuierliche Wertänderungen unter Nutzung von empirischen Verteilungsfunktionen mit beliebiger Präzision als diskrete Entscheidungen abbilden lassen. Dies führt jedoch zu einer großen Vielzahl durch Experten kaum zu unterscheidender Systemzustände, deren Sicherheitsbewertung auch aus praktischen Gesichtspunkten zwingend zu automatisieren ist. Alternativ kann, wenn das Systemverhalten hinreichend genau mathematischen Modellen folgt, die folgend als mikroskopisch bezeichnete Ereignisrechnung gänzlich durch zusammenfassende und deshalb als makroskopisch bezeichnete Wahrscheinlichkeitsberechnungen (Verteilungs- und Übergangsfunktionen) abgelöst werden, wodurch sich eine wesentliche Komplexitätsreduktion ergibt. Das Forschungsprojekt Makro- und mikroskopisch kombinierte Risikoanalyseverfahren im Luftverkehr auf Basis technischer, verfahrensbedingter und menschlicher Leistungsmerkmale mit minimiertem Parameterraum der Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs der TU Dresden widmet sich dieser Aufgabe. Als mittlerweile tragfähig nachgewiesener Lösungsansatz wurde das Konzept eines integrierten Sicherheitsbewertungsmodells (iSBM, Bild 1) aufgestellt, welches eine agentenbasierte Luftraumsimulation zur modellgetriebenen Vorhersage von idealisierten Solllugpfaden (mikroskopische Betrachtung eines selbstorganisierenden, evolutionär fortschreitenden Verkehrsgeschehens, Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 78 TECHNOLOGIE Wissenschaft Schritt 2) mit der probabilistischen Kollisionsrisikorechnung (makroskopische Betrachtung von aus aktuell erreichbaren Navigationsgenauigkeiten determinierten Kollisionsrisiken, Schritt 3) koppelt. Neben der automatisierten Sicherheitsbewertung besteht der wesentliche Vorteil in der überschaubaren Komplexität der Luftraumsimulation, welche die oft eigenstabilisierend und damit fehlertolerant wirkende, stringente Regulierung des Lufttransportsystems in den Agenten vom Typ Luftfahrzeug, Pilot und Lotse abbildet. Emergenz als Grundeigenschaft agentenbasierter Systeme gestattet es, bekannte und unbekannte Versagensmodi ohne eine vorherige (durch Experten vorgenommene) explizite Modellierung aus der Interaktion der Agenten vorherzusagen. Instabile und unsichere Parameter hingegen sind Teil der empirisch parametrierten Kollisionsrisikorechnung, welche quantitative Sicherheitsaussagen im extrem seltenen Bereich des zur Bewertung (Schritt 4) herangezogenen akzeptablen Restrisikos bereits auf Basis weniger Instanzen generierten Sollverhaltens erstellen kann. Grundlage der Berechnung ist die räumliche Lage potentieller Konliktpartner und deren verfahrens- und technologiebedingt tatsächlich erreichbare Navigationsgenauigkeit (Actual Navigation Performance, ANP), welche auf Basis von Radardatenauswertungen kalibriert wurde. Die hieraus resultierende Bewegungsunschärfe um die Sollposition lässt sich mittels numerischer Integration in das Kollisionsrisiko überführen. Entsprechend diverser Untersuchungsfragen ausgewählte oder gestaltete Nachfrage- und Systementwicklungs-Szenarien bilden den Eingangsdatenstrom (Schritt-1). Agentenbasierte Modellierung des Luftverkehrs Die Arbeitsabfolge der Fluglotsen ist stringent reguliert und lässt sich deshalb mittels vertiefender Tätigkeitsanalysen und Experteninterviews gut in ein regelbasiertes Modellwerk übersetzen. Als wesentliches Instrument für die Sequenzbildung wurde die verkehrslastabhängige Wegverlängerung/ -verkürzung erkannt, welche durch ergänzende Höhenstafelung gegen Schätzfehler, z. B. bezüglich Reaktionszeiten der Piloten und Windeinluss, abgesichert ist. Die Zuweisung von Fluggeschwindigkeiten und besagte Höhenstafelung bilden nachrangige Steuerungsgrößen. Das Modell wurde mittels gezielter Radardaten-Analysen (Zeit-Weg-Vorhersagen entlang deinierter Flugrouten) quantitativ kalibriert und computergestützt validiert. Zeitbedarf und Fehlerraten der Piloten bei der Umsetzung von Lotsenanweisungen wurden mittels sog. Part Task Human-In-The-Loop (HITL) Experiment am A320 Simulator der Professur ermittelt [5]. Die Messungen umfassten Sollwertvorgaben an den Autopilot (an der sog. Flight Control Unit, FCU) sowie Änderungen des Flugplans (an der sog. Multi-Purpose Control and Diplay Unit, MCDU). Bild 2 zeigt exemplarisch die Versuchsdurchführung und die beiden Eingabegeräte (FCU rechts oben, in Bedienung beindlich, MCDU rechts unten). Es konnte gezeigt werden, dass die bisher nicht beziferten Zeiten für Anweisungsreaktion und Greifbewegung einerseits (device acquision time) und die Eingabehandlung andererseits (device interaction time) der Theorie folgen (Approximation mit Weibull-Verteilungsfunktionen, Greibewegungen entsprechend Fitts Ge- Bild 2: Experimentelle Bestimmung von Bedien- und Reaktionszeiten im A320 Flugsimulator der Professur 1 Verkehrsszenario Flugbewegungen; Zeiten und Wege aus der Realität 2 Agentenbasierte Simulation Verhaltensmodelle von Lotsen, Piloten und Luftfahrzeugen; erzeugt Verkehrsbewegungen 3 Kollisionsrisikomodell Hochpräzises statistisches Modell aktuell erreichbarer Navigationsgenauigkeiten 4 Risikobewertung Klassifizierung von Sicherheitsereignissen nach Schwere und Häufigkeit Risk severity Risk probability Extremely improbable Catastrophic A Major C Minor D Negligible E Hazardous B B Frequent 5 Occasional 4 Remote 3 Improbable 2 1 B B Ǟ « FF ENR 1.10-16 LUFTFAHRTHANDBUCH DEUTSCHLAND 6 SEP 2001 AIP GERMANY AMDT 11 DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Anlage / Attachment SPECIFIC IDENT OF ADDRESS(ES) AND/ OR ORIGINATOR BESONDERE ANSCHRIFT(EN) UND/ ODER AUFGEBER ADDRESS(ES) ANSCHRIFT(EN) PILOT-IN-COMMAND VERANTWORTLICHER LFZ.-FÜHRER ELT FLIGHT PLAN FLUGPLAN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND FILING TIME AUFGABEZEIT ORIGINATOR AUFGEBER Ǟ ( FF « FPL « « « « « « « « ( Ǟ Ǟ « Ǟ Ǟ Ǟ Ǟ Ǟ Ǟ « « ( AIRCRAFT IDENTIFICATION LFZ.-KENNUNG 7 FLIGHT RULES FLUGREGLEN 8 TYPE OF FLIGHT ART DES FLUGES NUMBER ANZAHL 9 TYPE OF AIRCRAFT MUSTER D. LFZ DEPARTURE AERODROME STARTFLUGPLATZ 13 TIME ZEIT WAKE TURBULENCE CATEGORY WIRBELSCHLEPPENKATEGORIE EQUIPMENT AUSRÜSTUNG 10 SPEED GESCHWINDIGKEIT 15 LEVEL REISEFLUGHÖHE ROUTE ROUTE DESTINATION AERODROME ZIELFLUGPLATZ 16 TOTAL EET VORAUSS. GESAMTFLUGDAUER OTHER INFORMATION ANDERE ANGABEN 18 HR MIN ALTERNATE AERODROME AUSWEICHFLUGPLATZ 2 ND ALTERNATE AERODROME 2. AUSWEICHFLUGPLATZ SUPPLEMENTARY INFORMATION . ERGÄNZENDE ANGABEN 19 ENDURANCE HÖCHSTFLUGDAUER HR MIN PERS. ON BOARD PERS. AN BORD EMERGENCY RADIO NOTFUNKFREQUENZ VHF UHF VHF UHF FLUORES LIGHT J ACKETS SCHWIMMWESTEN J UNGLE MARITIME DESERT POLAR SURVIVAL EQUIPMENT RETTUNGSAUSRÜSTUNG DINGHIES/ SCHLAUCHBOOTE NUMBER ANZAHL CAPACITY TRAGFÄHIGKEIT Ǟ COLOUR FARBE AIRCRAFT COLOUR AND MARKINGS FARBE UND MARKIERUNG D. LFZ. REMARKS BEMERKUNGEN COVER FILED BY NAME DES FLUGPLANAUFGEBERS SIGNATURE AIS UNTERSCHRIFT FB REMARKS NOT FOR TRANSMISSION BEMERKUNGEN NICHT ZU ÜBERMITTELN Bitte Beratung Request Briefing 3+ Erreichbarkeit bis EOBT-Tel.: .............................................................................................................................................. Available until EOBT -FAX: .............................................................................................................................................. Zusätzliche Angaben sofern erforderlich / Additional remarks if applicable Ǟ Ǟ E P A C R S D N P D M J J L F U V U V E C Ǟ - 200 - 100 0 100 200 10 - 5 10 - 4 0,001 0,01 0,1 y p H y L Bild 1: Integriertes Sicherheitsbewertungsmodell Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 79 Wissenschaft TECHNOLOGIE setz). Ein parametrisches Modell, welches die Arbeitsbelastung im Experiment übertragbar auf verschiedene Flugphasen mit einbezieht, speziiziert nun eine wesentliche Eigenschaft der Piloten. Das Verhalten der Luftfahrzeuge ist rein technisch bestimmt und konnte durch Umsetzung von Verfahrens- und Zertiizierungsanforderungen bereits hinreichend präzise nachgebildet werden. Gegenwärtig werden Flugleistungsmodelle in die Simulation integriert, um die Vorhersagegenauigkeit im Steiglug weiter zu steigern und den Kraftstofverbrauch als sekundäre Zielfunktion bemessen zu können. Stochastische Modellierung von Navigationsleistungen Die tatsächlich erreichbare Navigationsgenauigkeit (ANP) ist abhängig von der Art des Navigationsverfahrens und der verwendeten Technologie und somit hochvolatil entlang der Phasen eines einzelnen Fluges. Während die Berechnung der Kollisionsrisiken durch numerische Integration der ANP-Funktionen lediglich mathematisches Handwerk und hinreichend leistungsfähige Rechentechnik erfordert, ist die hochpräzise Bestimmung der ANP wissenschaftlich herausfordernd und deshalb Kernelement der durchgeführten Forschung [6]. Hierzu wurden zunächst Flugverlaufsdaten der Flugsicherung (sog. FANOMOS Daten) mehrerer Monate an verschiedenen deutschen Verkehrslughäfen beschaft und soweit möglich, hinsichtlich der genutzten Navigationsverfahren disaggregiert. Angelehnt an die Methoden des ICAO Collision Risk Model (CRM) [7] folgt die ANP- Modellierung aus den FANOMOS Daten dabei zunächst standardisierten statistischen Verfahren zur Bestimmung von Streuungsparametern vertikal und lateral zum Solllugpfad. Da jedoch im Rahmen von Kollisionsrisikoanalysen stets die seltenen, weit vom Erwartungswert entfernten Ereignisse bestimmend sind, wurden für die Randbereiche der Verteilung speziische, endlastige Verteilungsfunktionen entwickelt, welche es gestatten überproportionale Randbereiche hochpräzise abzubilden (sog. Tail Modelling). Über weitere statistische Verfahren wurden somit beschreibende Verteilungsfunktio- Bild 3: Modellierung der ANP, Überführung von empirischen Streumustern um die Sollposition (links) in endlastige Verteilungsfunktionen (rechts) Bild 4: Exmplarisches Ergebnis aus Luftraumsimulation und Kollisionsrisikoberechnung Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 80 TECHNOLOGIE Wissenschaft nen entwickelt, die im Kern einer Normalverteilung folgen und in den Randbereichen ein deutlich abgeschwächtes exponentielles Sinkverhalten aufweisen (vgl. Bild 3) und damit der Realität entsprechend FANOMOS Daten besser gerecht werden. Im Ergebnis zeigte sich, dass heute typische Navigationsleistungen die Mindestanforderungen gemäß ICAO wie erwartet deutlich übertrefen [8], was den technologischen Fortschritt seit Festlegung der Regelwerke anschaulich aufzeigt. Ergebnisse und Modellanwendungen Bild 4 zeigt exemplarisch für ein sicherheitskonformes Szenario die Darstellung der Ergebnisse aus Verkehrssimulation (hier: Realdaten) und Kollisionsrisikoberechnung, welche einerseits im logarithmisch skalierten Diagramm unten über den Zeitverlauf und andererseits in Form von farblich markierten Risikopotentialzonen ersichtlich ist. Die Visualisierungssoftware ermöglicht hierbei ein lexibles Vor- und Zurückfahren der Zeit, um die Evolution von Risikoereignissen zu analysieren. Bereits demonstrierte Modellanwendungen umfassen die Planungsregeln für parallel unabhängig betreibbare Start-/ Landebahnen [9], die Bemessung des Sicherheitsefekts menschlicher Reaktionszeiten [10] und durch Verkehrslast induzierte Arbeitsbelastung [11], sowie künftig reduzierter Separationswerte [8, 9]. Durch die hierbei vorgenommene Bemessung der oft implizit in den Verfahren hinterlegten Sicherheitsreserven in gegenwärtigen und künftigen Verfahren werden die Bestrebungen einer Erneuerung des Luftverkehrs-Managements (ATM) auf den heutigen Stand der Technologieentwicklung sowie die Konzeption neuartiger, zukunftsgerechter Verfahren unterstützt. Als nächster großer Schritt soll das iSBM nach dem Monte-Carlo-Schema auf Hochleistungsrechentechnik evaluiert werden, um mittels Parametervariation bisher unbekannte Sensitivitäten aufzudecken und die Sicherheitsleistung von Verfahren im Möglichkeitsraum des Normalbetriebs mit Bezug auf Gefahren zuverlässig und mit Bezug auf den extrem kleinen Bereich des akzeptablen Restrisikos hinreichend genau bewerten zu können. ■ LITERATUR [1] Boeing Commercial Airplane Group: “Statistical summary of commercial jet airplane accident, worldwide operations 1959 - 2014, Seattle, 2015 [2] ICAO: Procedures for Navigation Services - Air Traic Management (PANS ATM), ICAO Doc. 4444, 15th Edition, Montreal, 2007 [3] Thompson, Steven D.: Terminal Area Separation Standards: Historical Development, Current Standards, and Processes for Change. Massachusetts Inst. of Tech. Leximgton Lincoln Lab, 1997 [4] E. Hollnagel: Safety-I and Safety-II: The Past and Future of Safety Management, Ashgate Publishing, Ltd., 2014 [5] M. Vogel, C. Thiel, T. Kunze, H. Fricke: Ermittlung von Bedienreaktionszeiten bei der Umsetzung von Flugsicherungsanweisungen, Dresdner Transferbrief, 2015 [6] C. Thiel, H. Fricke: “Collision Risk on Final Approach - A Radar Data Based Evaluation Method to Assess Safety”, ICRAT Budapest, Hungary, 2010 [7] ICAO: Manual on the Use of the Collision Risk Model (CRM) for ILS Operations, DOC 9274- AN/ 904, 1st Edition, Montreal, 1980 [8] C. Thiel, C. Seiss, M. Vogel, H. Fricke: “Safety Monitoring of New Implemented Approach Procedures by Means of Radar Data Analysis”, ICRAT Berkeley, USA 2012 [9] M. Vogel, C. Thiel und H. Fricke (2010): A Quantitative Safety Assessment Tool Based on Aircraft Actual Navigation Performance, International Conference on Research in Airport Transportation (ICRAT), Budapest [10] Vogel, M., C. Thiel und H. Fricke (2012): Assessing the Air Traic Control Safety Impact of Airline Pilot induced Latencies, International Conference on Application and Theory of Automation in Command and Control Systems (ATACCS), London [11] Vogel, M., K. Schelbert, H. Fricke und T. Kistan (2013): Analysis of Airspace Complexity Factors Capability to Predict Workload and Safety Levels in the TMA, USA/ Europe Air Traic Management Research and Development Seminar (ATM Seminar), Chicago Christoph Thiel, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Luftfahrt und Logistik, Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs, TU Dresden thiel@ifl.tu-dresden.de Hartmut Fricke, Prof. Dr.-Ing. habil. Dekan der Fakultät Verkehrswissenschaften der TU-Dresden, Leiter des Instituts für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden fricke@ifl.tu-dresden.de Markus Vogel, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Luftfahrt und Logistik, Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs, TU Dresden vogel@ifl.tu-dresden.de Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleitung Telefon (040) 23714-223 Telefax (089) 889518-75 eberhard.buhl@dvvmedia.com IHR KURZER DR AHT ZUR REDAKTION © freni/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 81 Wissenschaft TECHNOLOGIE Intelligente Ladesteuerung von Fahrzeugpools Eine technisch-wirtschaftliche Bewertung auf-Grundlage des aktuellen Strommarktes in Deutschland Ladesteuerung, Elektromobilität, Energiewirtschaft Die Energiewende und der Markthochlauf der Elektromobilität stellen die Elektrizitätsversorgung in Deutschland vor neue Herausforderungen. Durch eine Anpassung der Nachfrage von Elektrofahrzeugen an die aktuelle Situation im Stromnetz ermöglicht es die intelligente Ladesteuerung, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Untersuchung verschiedener Geschäftsmodelle zeigt, dass aktuelle Rahmenbedingungen einem rentablen Einsatz der Ladesteuerung jedoch entgegenstehen. Das politische Ziel, Flexibilität am zukünftigen Strommarkt stärker zu belohnen, könnte dies allerdings ändern. Die Autoren: Jakob Wohlers, Ulrich Schuster, Sven Gräbener, Dietmar Göhlich D ie Elektrizitätsversorgung in Deutschland beindet sich im Wandel. Die zentrale und bedarfsgerechte Erzeugung konventioneller Großkraftwerke wird zunehmend durch die dezentrale und wetterabhängige Einspeisung aus erneuerbaren Energien abgelöst. Als Folge daraus gewinnt die lexible Anpassung an die volatile Erzeugung erneuerbarer Energien für eine sichere und kostengünstige Versorgung immer mehr an Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellen steuernde Eingrife in die Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen eine Flexibilitätsoption der Elektrizitätsnachfrage dar. [1, 2] Bereits heute besteht ein Geschäftsmodell für die Ladesteuerung darin, Ladevorgänge auf die Produktion heimischer Photovoltaikanlagen abzustimmen. Die Ladung der Traktionsbatterie mit eigenerzeugter Elektrizität verringert den Strombezug aus dem Netz und hilft dem Eigentümer, Kosten einzusparen [3]. Darüber hinaus ermöglicht es ein angepasstes Ladeverhalten, Stromnetze, die durch den fortschreitenden Ausbau dezentraler Erzeugungsanlagen und durch den anstehenden Markthochlauf der Elektromobilität immer häuiger an ihre Belastungsgrenzen stoßen werden, zu entlasten [4]. Im Folgenden wird allerdings nur das technisch-wirtschaftliche Potential von Geschäftsmodellen betrachtet, die aus der notwendigen Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt hervorgehen. Vereinfacht dargestellt, lässt sich der Strommarkt in- zwei Bereiche unterteilen - den Stromhandel und den Bereich sogenannter Regelleistung. Die Aufgabe der Stromhandelsmärkte besteht in der Abwicklung des- Kaufs und Verkaufs von Strommengen. Die Notwendigkeit von Regelleistungsmärkten resultiert hingegen aus der Tatsache, dass elektrische Energie im Stromnetz nicht gespeichert werden kann. Das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch muss daher für die Systemstabilität durch die Bereitstellung von Regelleistung aufrechterhalten werden. Wie Tabelle- 1 zeigt, lassen sich beide Bereiche in weitere Teilmärkte untergliedern. Die Marktteilnahme der Ladesteuerung stellt dabei jeweils ein potentielles Geschäftsmodell dar. Stromhandel Regelenergiemarkt Terminmarkt Markt für Minutenreserve Day-Ahead-Markt Markt für Sekundärregelleistung Intradaymarkt Markt für Primärregelleistung Tabelle 1: Übersicht der Teilmärkte für mögliche Geschäftsmodelle Anforderungen der Strommärkte Die Leistung und Kapazität einzelner Fahrzeuge ist nicht ausreichend, um den Anforderungen der Teilmärkte und damit möglicher Geschäftsmodelle gerecht zu werden. Daher ist eine Aggregation von Einzelfahrzeugen zu einem Fahrzeugpool erforderlich. Koordiniert und gesteuert wird der Pool durch einen Aggregator, aus dessen Perspektive die Geschäftsmodelle bewertet werden. Grundlage für die Beurteilung sind die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen der Teilmärkte. Da-sich die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Ladesteuerung auf den Teilmärkten unterscheiden, muss PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 20.07.2015 Endfassung: 05.10.2015 Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 82 TECHNOLOGIE Wissenschaft getrennt beurteilt werden, ob sich unter heutigen Bedingungen Geschäftsmodelle ergeben. Aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen ist eine detaillierte Darstellung der Wirtschaftlichkeitsberechnung im Folgenden zu umfangreich. Generell zielen Geschäftsmodelle im Bereich des Stromhandels darauf ab, die zeitlichen Schwankungen des Strompreises an den Handelsmärkten für eine Minimierung der Strombezugskosten zu nutzen. Hierfür wird die Elektrizitätsnachfrage in Zeiten niedriger Preise so weit wie möglich erhöht. Im Gegenzug werden überschüssige Strommengen zu möglichst hohen Preisen verkauft. An den Terminmärkten werden Lieferverträge mit großem zeitlichen Vorlauf abgeschlossen, um sich langfristig gegen das Risiko von Preisänderungen abzusichern. Die Preise werden dabei nur in zwei Zeiträumen unterschieden. Dementsprechend kann die Nachfrage nur von teureren Peakin günstigere Of-Peak-Zeiten verschoben werden. Im Gegensatz dazu wird der Strompreis am Day-Ahead-Markt für einzelne Stunden bestimmt. Handelsgeschäfte sind bis zum Vortag der Lieferung möglich. Für eine optimale Ausnutzung zeitlicher Preisunterschiede am Day-Ahead-Markt sollte das Ladeverhalten daher täglich angepasst werden. Eine noch kurzfristigere Anpassung bis zu 15 min vor der physikalischen Lieferung macht die Teilnahme am Intradaymarkt möglich. Der Preis wird dabei für Viertelstundenblöcke vorgegeben. Die Teilnahme am Intradaymarkt setzt somit eine schnelle Anpassung des Ladeverhaltens an häuige und kurzfristige Preisänderungen voraus. Zusammenfassend minimiert die Teilnahme am langfristigen Handel die Häuigkeit von notwendigen Steuerungseingrifen und damit verbundenen Kommunikationskosten. Die Teilnahme am kurzfristigen Handel ermöglicht hingegen eine häuigere Verlagerung von Preisspitzen in Preistäler (Bild 1). [5, 6] Nach Abschluss aller Handelsgeschäfte übernehmen die Übertragungsnetzbetreiber die Verantwortung für den Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch. Ein Ungleichgewicht würde zu einer Abweichung von der Netzsollfrequenz von 50 Hz (Bild 2) und im Extremfall zum Zusammenbruch der Elektrizitätsversorgung führen. Als Systemdienstleistung wird von den Übertragungsnetzbetreibern daher Regelleistung ausgeschrieben. Im Falle einer Abweichung wird das System schrittweise durch den Einsatz von drei verschiedenen Arten von Regelleistung in den Sollzustand zurückgeführt. Am Markt für Primärregelleistung können Anlagen teilnehmen, die ihre Leistung innerhalb von 30 Sekunden vollständig an Leistungsänderungen im Netz anpassen können [7]. Fließend übergehend abgelöst wird die Primärregelleistung im Laufe von fünf Minuten durch die Sekundärregelleistung, die nach 15 Minuten ebenfalls ließend durch die Minutenreserve unterstützt wird (Bild 2). An den Märkten für Sekundärregelleistung und Minutenreserven können getrennte Angebote für positive und negative Regelleistungen abgegeben werden. Außerdem lässt sich die Bereitstellung von Regelleistung auf bestimmte Tageszeiten beschränken. Festgeschrieben sind diese und weitere Regelungen in den sogenannten Präqualiikationsanforderungen, die sich zwischen den Regelleistungsmärkten unterscheiden. In besonderem Maße entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Ladesteuerung sind die Anforderungen an die Leistung und Kapazität, die ein Fahrzeugpool bereithalten muss. Hierbei gilt, je höher die Anforderungen desto mehr Fahrzeuge werden benötigt und je mehr Fahrzeuge benötigt werden, desto niedriger der Anteil des einzelnen Fahrzeuges an der Regelleistungsvergütung. Die Erlöse für die Sekundärregelleistung und die Minutenreserve setzen sich aus drei Bestandteilen zusammen - einer festen Leistungsvergütung, einer Vergütung der erbrachten Arbeit und Einsparungen beziehungsweise Mehrausgaben für einen veränderten Strombezug. Am Markt für Primärregelleistung wird hingegen nur die Leistung vergütet. Außerdem wird angenommen, dass die Veränderung des Strombezugs langfristig aufgrund des symmetrischen Angebots von positiver und negativer Leistung keinen Einluss auf den Erlös hat. [8, 9] Aufgaben und Ausgestaltungsmöglichkeiten der intelligenten Ladesteuerung Sowohl die Leistung als auch die Kapazität, die dem Aggregator für die Ladesteuerung zur Verfügung stehen, sind vom Nutzerverhalten und damit von der Tageszeit abhängig. Die in Bild 3 dargestellte durchschnittliche maximale Ladeleistung [11] eines Poolfahrzeuges erreicht ihren Höhepunkt daher nachts, wenn die meisten Fahrzeuge geparkt und an das Stromnetz angeschlossen sind. Im Bezug auf den Stromhandel ist die maximale €/ MWh 50 0 08: 00 16: 00 24: 00 04: 00 12: 00 20: 00 Intradaymarkt Day-Ahead-Markt Terminmarkt Bild 1: Schematische Preisverläufe an den Stromhandelsmärkten (eigene Darstellung) Bild 2: Zusammenspiel der Regelungsarten (eigene Darstellung entsprechend [10]) Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 83 Wissenschaft TECHNOLOGIE Ladeleistung entscheidend dafür, wie viel Energie innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlagert werden kann. Im Bereich der Regelleistung kann mit der maximalen Ladeleistung bestimmt werden, wie viele Fahrzeuge für die Bereitstellung der erforderlichen Mindestleistung von beispielsweise einem Megawatt benötigt werden. Neben der Ladeleistung ist die gespeicherte Energie in der Traktionsbatterie für steuernde Eingrife entscheidend. Da der Primärzweck der Traktionsbatterie die Bereitstellung von Antriebsenergie ist [2], muss dem Aggregator bekannt sein, wie viel der Energie verlagert werden kann, ohne anstehende Fahrten zu verhindern. Die Mobilitätsbedürfnisse der Fahrzeugnutzer stellen somit eine bindende Nebenbedingung für die Ladesteuerung dar. Um die verfügbare Energie zu bestimmen, wurde mit Hilfe des VEnCo-Models [11] der durchschnittliche Beladungsspielraum (Bild 4) eines Fahrzeugs des Pools ermittelt. Der Beladungsspielraum ( ∆ SOC) ist die Diferenz zwischen dem maximal möglichen und dem minimal nötigen Ladezustand und gibt daher an, welche Kapazität für steuernde Eingrife zur Verfügung steht. Der maximal mögliche Ladezustand gibt den zeitlichen Verlauf des Ladezustandes an, der erreicht wird, wenn die Fahrzeugbatterie bei jeder Gelegenheit soweit wie möglich geladen wird. Die für anstehende Fahrten mindestens benötigte Energie bestimmt hingegen den minimal nötigen Ladezustand. Für Geschäftsmodelle an den Stromhandelsmärkten ist der Beladungspielraum entscheidend, da er die Verlagerung von Energiemengen begrenzt. Bei der Bereitstellung von Regelleistung ist die verfügbare Kapazität entscheidend für die Anzahl von Fahrzeugen, die benötigt werden, um die angebotene Leistung über einen vorgeschriebenen Angebotszeitraum bereitzuhalten. Wegen des zeitlichen Verlaufs des Beladungsspielraums variiert die Anzahl der Fahrzeuge, die für das Angebot von Sekundärregelleistung und Minutenreserve benötigt werden in Abhängigkeit von der Tageszeit. Die Folge sind unterschiedliche Erlöserwartungen je nach Angebotszeitraum. Während Nutzerbedürfnisse eine bindende Nebenbedingung darstellen, richtet sich die optimale Ausgestaltung der Ladesteuerung nach den Zielen der Geschäftsmodelle. So unterscheiden sich Steuerungsansätze, die die Verlagerung der Nachfrage in Zeiten niedriger Preise zum Ziel haben von solchen, die schnelle Reaktionen bei Regelleistungsbedarf ermöglichen. Freiheiten für die Ausgestaltung von Steuerungsansätzen bieten sich in vier Bereichen - bei der Energieübertragung zwischen Stromnetz und Elektrofahrzeug, der Steuerung des Pools, dem dafür benötigten Informationsbedarf und bei den Kommunikationsmöglichkeiten für die Informationsübertragung. Im Bereich der Steuerung stellt sich beispielsweise die Frage, ob steuernde Eingrife direkt durch den Aggregator durchgeführt werden oder die Übermittlung von Preissignalen ausreicht, um Fahrzeugnutzer selber zu Eingrifen zu motivieren und somit die Nachfrage indirekt zu steuern. Für die Energieübertragung muss hingegen untersucht werden, ob die Abweichung von einem im Voraus deinierten Ladeplan durch die Variation der Ladeleistung ausreicht oder ob zusätzliche Investitionen für die Möglichkeit Energie in das Stromnetz zurückspeisen zu können wirtschaftliche Vorteile bringen. Die Ausarbeitung von Steuerungsansätzen, d. h. die Kombination der am besten geeigneten Ausgestaltungsmöglichkeiten, wurde für jedes Geschäftsmodell individuell mit einer morphologischen Analyse durchgeführt. Dazu wurden sämtliche Teilfunktionen, wie die genannte Unterscheidung in eine direkte und indirekte Steuerung des Pools, in den Lösungsraum eines morphologischen Kastens überführt (Bild 5). Danach wurde systematisch durch die Berücksichtigung technischer Anforderungen (rote Flächen) und durch den Abgleich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (gelbe Flächen) der Lösungsraum (weiße Flächen) des morphologischen Kastens eingeschränkt. Das Ergebnis war eine Reduktion der Kombinationsmöglichkeiten innerhalb des Lösungsraums. Auf eine detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise wird an dieser Stelle zugunsten der Ergebnisdiskussion verzichtet. In diesem Zusammenhang stellt Bild 5 beispielhaft dar, wie für die Teilnahme am Primärregelleistungsmarkt ein Steuerungsansatz (blaue Linien) innerhalb des Lösungsraums aus den verbleibenden Ausgestaltungsmöglichkeiten kombiniert wird. Dabei ist die Auswahl von mindestens einer Ausprägung je Merkmal erforderlich. Steuerungsansätze bringen zum Ausdruck, über welche Eigenschaften die Ladesteuerung verfügen muss, um einerseits den technischen Anforderungen zu genügen und um andererseits den derzeit bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen. Die Wirtschaftlichkeit wird dabei durch einen Vergleich der Kosten und Nutzen alternativer Kombinationsmöglichkeiten bestimmt. Da die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen jedes Teilmarktes unterschiedlich sind, wurde die Ausarbeitung von Steuerungsansätzen für jedes Geschäftsmodell einzeln durchgeführt. Bild 3: Durchschnittliche maximale Ladeleistung eines Poolfahrzeugs (eigene Darstellung entsprechend [11]) 0 1 2 3 4 5 0: 00 3: 00 6: 00 9: 00 12: 00 15: 00 18: 00 21: 00 P max [kW] Uhrzeit 0 1 2 3 4 5 6 7 0: 00 3: 00 6: 00 9: 00 12: 00 15: 00 18: 00 21: 00 SOC Pool [kWh] Uhrzeit Bild 4: Beladungsspielraums eines Poolfahrzeugs Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 84 Technologie Wissenschaft Technisches und wirtschaftliches Potential der-intelligenten ladesteuerung im aktuellen deutschen Strommarkt Die Durchführung der beschriebenen Analyse zeigt, dass sich für alle sechs Geschäftsmodelle Steuerungsansätze erarbeiten lassen. Daher kann festgehalten werden, dass die intelligente Ladesteuerung rein technisch betrachtet das Potential hat, um in der Energiewirtschaft eingesetzt zu werden. Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsanalyse in Tabelle 2 zeigen hingegen, dass sich unter heutigen Bedingungen und den getrofenen Annahmen keine oder nur unwesentliche Gewinne erzielen lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die angegebenen Kosten keine Anreizzahlungen an die Fahrzeugnutzer enthalten, die notwendig sind, um diese zur Teilnahme zu motivieren. Bei der Bestimmung der Kosten, die für die erforderliche Kommunikation zwischen dem Aggregator und dem Pool anfallen, wurde von privaten Ladestationen ausgegangen, die 2020 rund 85 % der Ladeinfrastruktur ausmachen werden [12] und eine Abrechnung über vorhandene Stromzähler ermöglichen. Da unter heutigen Bedingungen keine intelligenten und kommunikationsfähigen Stromzähler vorhanden sind, muss für die Ladesteuerung annahmegemäß eine Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut werden. Daher ergeben sich in Abhängigkeit von den technischen Anforderungen ixe Kommunikationskosten von 18 - 150 EUR [13] pro Jahr und Fahrzeug. Kosten während des Betriebs spielen hingegen eine untergeordnete Rolle und fallen insbesondere bei drahtlosen Kommunikationstechnologien an. Zusätzlich zur Kommunikation entstehen Kosten für Personal und Wartung sowie für Investitionen in Server von rund 22 EUR [14]. Die Erlöserwartungen einer langfristig kostenoptimierten Beschafung am Terminmarkt sind relativ gering, da die Preise für Peak- und Of-Peak-Zeiten den Durchschnittspreis für den jeweiligen Zeitraum widerspiegeln. Auswirkungen eines schwankenden Angebots können sich daher innerhalb der Zeitblöcke ausgleichen. Die niedrigen Erlöse im Bereich der Minutenreserve und der Sekundärregelleistung sind vor allem auf geringe Anteile einzelner Fahrzeuge an der Regelleistungsbereitstellung und der damit einhergehenden Vergütung zurückzuführen. Prinzipiell ist es möglich, an unterschiedlichen Teilmärkten gleichzeitig teilzunehmen, so dass mehrere Geschäftsmodelle kombiniert werden können. Im wirtschaftlichen Optimalfall würden sich die Erlöse durch die Teilnahme an verschiedenen Teilmärkten aufsummieren, während die Fixkosten für die Kommunikation unverändert blieben. In der Realität ist allerdings zu erwarten, dass die Geschäftsmodelle teilweise widersprüchliche Optimierungsziele aufweisen. Eine abschließende Beurteilung des gesamten Erlöspotentials erfordert daher genaue Untersuchungen der Wechselwirkungen. Darüber hinaus haben Investitionen in die notwendige Kommunikationstechnologie einen entscheidenden Einluss auf die Gewinnerwartungen der Geschäftsmodelle. Werden in Zukunft Smart Meter eingesetzt oder setzen sich Ladeinfrastrukturkonzepte durch, die bereits eine Kommunikationsinfrastruktur beinhalten, entfallen diese Investitionskosten, da die vorhandene Infrastruktur genutzt werden kann. Zukünftige Entwicklungen haben dementsprechend einen erheblichen Einluss auf die Wirtschaftlichkeit der Ladesteuerung. Ausblick Durch den fortschreitenden Wandel der Elektrizitätsversorgung wird sich auch das Strommarktdesign ändern müssen. Aubauend auf das veröfentlichte Weißbuch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), soll daher im Frühjahr 2016 das Gesetzgebungsverfahren für einen „Strommarkt 2.0“ abgeschlossen werden. Ziel ist es, ein Stromsystem zu schaffen, in dem unter anderem lexible Verbraucher wie Elektrofahrzeuge verstärkt auf die volatile Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie reagieren. Dafür sollen unter anderem Markteintrittsbarrieren für Aggregatoren abgebaut und die Angebotszeiträume für die Bereitstellung der Regelleistung verkürzt werden. Eine Verkürzung der Zeiträume, über die Regelleistung bereitgehalten werden muss, reduziert die Anforderungen an die vorzuhaltende Kapazität. Da unter heutigen Bedingungen die Kapazitätsanforderungen ausschlaggebend für die notwendige Größe eines Bild 5: Morphologischer Kasten für Primärregelleistung. EV = Elektrofahrzeug; EVSE = Ladeeinheit/ -station geschäftsmodell erlös Kommunikationskosten Sonstige Poolkoordination gewinn/ Verlust Min. Max. Min. Max. Min. Max. Terminmarkt 19 18 22 -21 Day-Ahead-Markt 45 18 22 1 5 Intradaymarkt 72 18 22 28 32 Minutenreserve 1 15 150 -171 -157 Sekundärregelleistung 11 46 150 -161 -126 Primärregelleistung 111 22 67 Tabelle 2: Ergebnisübersicht, alle Angaben in EUR/ a/ EV. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 85 Wissenschaft TECHNOLOGIE Fahrzeugpools sind, würde sich der Anteil einzelner Fahrzeuge an der Vergütung und damit der Gewinn, den ein Aggregator pro Elektrofahrzeug erzielen kann, erhöhen. Unabhängig von Änderungen regulatorischer Rahmenbedingungen werden der fortschreitende Ausbau erneuerbarer Energien und der Abbau vorhandener Überkapazitäten zu stärkeren und häufigeren Preisschwankungen an den Stromhandelsmärkten führen. Voraussichtlich werden die Erlösmöglichkeiten für die Marktteilnahme an den kurzfristigen Day-Ahead- und Intradaymärkten daher zunehmen. Laut dem BMWi soll die Flexibilität von Elektrofahrzeugen in Zukunft an den Strommärkten nutzbar gemacht werden. Ob sich die intelligente Ladesteuerung gegenüber anderen Flexibilitätsoptionen durchsetzten kann, wird allerdings der Wettbewerb entscheiden [15]. Ansätze zur Integration von Elektrofahrzeugen verschiedener Fahrzeugtypen in intelligente Netze werden u.a. im BMBF-geförderten Forschungscampus Mobility2Grid auf dem Berliner EUREF-Areal untersucht und demonstriert [16]. ■ QUELLEN [1] Mattes, Katharina; Lerch, Christian; Schröter, Marcus; Pan, Kim-Anh: Anwendungsfelder mobiler Energiespeicher. Eine Bestandsaufnahme und Perspektiven für die Konzeption aussichtsreicher Geschäftsmodelle für Elektrofahrzeuge. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe, 2011 [2] Reinke, Justus: Bereitstellung öfentlicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Eine institutionenökonomische Analyse. Technische Universität Berlin, Berlin, 2014 [3] Kaschub, Thomas; Jochem, Patrick; Fichtner, Wolf: Steigerung des Elektrizitätseigenverbrauchs von Heim-Fotovoltaikanlagen durch Elektrofahrzeuge. Karlsruher Institut für Technologie (IKT), Karlsruhe, 2013 [4] Rolink, Johannes; Horenkamp, Willi; Rehtanz, Christian: Ladeinfrastruktur für die Netzintegration von Elektrofahrzeugen. at - Automatisierungstechnik, Berlin und Boston, 2012 [5] Graeber, Dietmar Richard: Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien. Springer Gabler, Wiesbaden, 2014 [6] Götz, Philipp; Henkel, Johannes; Lenck, Thorsten; Lenz, Konstantin; Energy Brainpool GmbH & Co. KG: Negative Strompreise: Ursache und Wirkung. Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen - und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz. Agora Energiewende, Berlin, 2014 [7] Deutsche Übertragungsnetzbetreiber: Eckpunkte und Freiheitsgrade bei Erbringung von Primärregelleistung Leitfaden für Anbieter von Primärregelleistung. 2014 [8] Consentec GmbH: Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt. Aachen, 2014 [9] Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (efzn): Studie Eignung von Speichertechnologien zum Erhalt der Systemsicherheit. Goslar, 2014 [10] Konstantin, Panos: Praxisbuch Energiewirtschaft. Energieumwandlung, -transport und -beschafung im liberalisierten Markt. Springer Vieweg, Berlin und Heidelberg, 2006 [11] De Tena Costales, Diego Luca: Large Scale Renewable Power Integration with Electric Vehicles. Long term analysis for Germany with a renwable based power supply. Universität Stuttgart, Stuttgart, 2014 [12] Nationale Plattform Elektromobilität (NPE): Fortschrittsbericht 2014. Bilanz der Marktvorbereitung. München, 2014 [13] Ernst & Young: Kosten-Nutzen-Analyse für einen lächendeckenden Einsatz intelligenter Zähler. Düsseldorf und München, 2013 [14] Wickert, Manuel; Herhard, Norman; Trost, Tobias; Prior, Johannes; Cacilo, Andrej; Hartwig, Matthias; Reinhardt, Alexander; Münzing, Heike: Wissenschaftliche Unterstützung bei der Erstellung von fahrzeugbezogenen Analysen zur Netzintegration von Elektrofahrzeugen unter Nutzung erneuerbarer Energien - Endbericht zum Vorhaben FKZ UM 11 96 107. Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES), Kassel und Bremerhaven, 2013 [15] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Ein Strommarkt für die Energiewende. Ergebnispapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Weißbuch). Berlin, 2015 [16] Kaiser, Franziska: Forschungscampus Mobility2Grid. Die Herausforderung: Energiewende und Verkehr zusammen denken! www.mobility2grid.de, Berlin, 2015 Ulrich Schuster, Dr. Senior Systems Architect, ubitricity Gesellschaft für-verteilte Energiesysteme mbH, Berlin ulrich. schuster@ubitricity.com Sven Gräbener Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet für-Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik, TU Berlin sven.graebener@tu-berlin.de Jakob Wohlers Absolvent, TU Berlin jakob.gc.wohlers@campus.tu-berlin.de Dietmar Göhlich, Prof. Dr. Leiter des Fachgebiets für Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik der TU Berlin dietmar.goehlich@tu-berlin.de Brief und Siegel für Wissenschafts-Beiträge Peer Review - sichtbares Qualitätsinstrument für Autoren und Leserschaft P eer-Review-Verfahren sind weltweit anerkannt als Instrument zur Qualitätssicherung: Sie dienen der konstruktivkritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, wissenschaftlichen Argumentationen und technischen Entwicklungen des Faches und sollen sicherstellen, dass die Wissenschaftsbeiträge unserer Zeitschrift hohen Standards genügen. Herausgeber und Redaktion laden daher Forscher und Entwickler im Verkehrswesen, Wissenschaftler, Ingenieure und Studierende sehr herzlich dazu ein, geeignete Manuskripte für die Rubrik Wissenschaft mit entsprechendem Vermerk bei der Redaktion einzureichen. Die Beiträge müssen „Originalbeiträge“ sein, die in dieser Form und Zusammenstellung erstmals publiziert werden sollen. Sie durchlaufen nach formaler redaktioneller Prüfung ein standardisiertes Begutachtungsverfahren. Eberhard Buhl KONTAKT Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleiter Internationales Verkehrswesen Tel.: (040) 23714-223 eberhard.buhl@dvvmedia.com FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 86 Modellierungsansätze für den Wirtschaftsverkehr Rückblick: Interdisciplinary Conference on Production, Logistics and Traic (ICPLT) am 21. und 22.07.2015 an der TU Dortmund T ransport und Mobilität werden aktuell durch vielfältige Trends, einschließlich neue Produktionstechnologien, Urbanisierung und E-Commerce, beeinlusst. Diese verändern die Nachfrage nach Wirtschaftsverkehr, insbesondere in Ballungsräumen, erheblich. Über 50 deutsche und internationale Vertreter aus Wissenschaft und Praxis aus den Bereichen Produktion, Logistik sowie Raum- und Verkehrsplanung trafen sich im Juli an der TU Dortmund, um neue Strategien und Lösungsansätze sowie innovative Technologien vorzustellen und miteinander zu diskutieren. Ziel dabei war, die Wechselwirkungen und Interessenskonlikte zwischen den Bereichen Produktion, Logistik und Verkehr besser verstehen zu können. Die Zielkonlikte verschiedener Interessensgruppen heizen die Diskussion über den Wirtschaftsverkehr rege an. Einerseits stellt der Wirtschaftsverkehr eine angemessene Güterversorgung und -verteilung sicher. Demzufolge ist er die Grundvoraussetzung für Wirtschaftsakteure und deren Geschäftsfähigkeit sowie für Kunden, die ihre Güter und Dienstleistungen erwarten. Andererseits hat der Wirtschaftsverkehr aber auch negative Efekte auf Umwelt und Gesellschaft, da er die Lebensqualität durch externe Efekte, wie z. B. Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Verkehrssicherheitsrisiko, einschneidend gefährdet. Die Interdisciplinary Conference on Production, Logistics and Traic (ICPLT) versteht den Wirtschaftsverkehr als relevantes Bindeglied für Produktion, Logistik und Gesellschaft. Sie ist ein gemeinsames Projekt der TU Darmstadt und der TU Dortmund und wurde vom Institut für Transportlogistik (ITL) unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Uwe Clausen und Jun.-Prof. Dr. Hanno Friedrich ausgerichtet. In insgesamt 11 Sessions (mit 37 Beiträgen) wurde über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen rund um den Wirtschaftsverkehr diskutiert. Darunter wurden Modellierungsansätze für den Wirtschaftsverkehr auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen präsentiert, die als Entscheidungsunterstützung für Politik und Logistik maßgeblich erscheinen und dienen sollen. Gerade die Wirtschaftsverkehrsnachfragemodellierung wird nach Ansicht von Prof. Clausen ein immer relevanteres Aufgabengebiet, um zukunftsträchtige, zielorientierte und eiziente Lösungen für die lokale und globale Güterverkehrsabwicklung in einem gemeinsamen Moderationsverfahren zwischen Privatwirtschaft und Öfentlicher Hand zu identiizieren. Neben den Modellierungsansätzen waren im Programm zusätzlich empirische Studien zu inden, die den Wirtschaftsverkehr und seine Auswirkungen auf die Ökologie, Ökonomie und die sozialen Komponenten anhand von fundierten Daten beschreiben und erklären. Zudem wurden Potentiale und Nutzergruppen für neue Antriebsformen und -technologien (u.a. E-Mobilität) für den Wirtschaftsverkehr präsentiert. Auch Messungsmethoden des Umwelteinlusses des Güterverkehrs entlang der Wertschöpfungskette wurden dargelegt. Ein weiterer Fokus lag auf der Analyse von Efekten der internationalen, nationalen und regionalen Wertschöpfungskette sowie der logistischen Netzwerke. Neben ICT-Lösungen für den Wirtschaftsverkehr wurden auch aktuelle Technologien für den Umschlag und das Routing präsentiert. Internationale Keynote-Speaker bereicherten das Tagungsprogramm mit ihren Vorträgen und Überlegungen, die das Publikum zur Diskussion anregten. Dabei wurden u.a. innovative, nachhaltige Lösungen für den KEP-Verkehr von einem der größten weltweiten Logistikdienstleister vorgestellt. Zur Tagung ist das Buch „Commercial Transport - Proceedings of the 2nd Interdisciplinary Conference on Production, Logistics and Traic 2015“ im Rahmen der Lecture Notes in Logistics des Springer Verlags erschienen. Die 29 Beiträge der Konferenz, die sich vorwiegend mit Trends und Herausforderungen für den Wirtschaftsverkehr als essentielles Bindeglied zwischen Produktion, Logistik und Gesellschaft auseinandersetzen, wurden in einem Double- Blind Reviewverfahren von einem ausgewählten internationalen, wissenschaftlichen Konsortium auf ihre Qualität überprüft, evaluiert und ausgewählt. Das Buch kann gebunden oder digital erworben werden. ■ Sebastian Bolsinger, Fakultät Maschinenbau/ Institut für Transportlogistik, Technische Universität Dortmund bolsinger@itl.tu-dortmund.de und Carina Thaller, thaller@itl.tu-dortmund.de BEST PAPER AWARD Den Preis für das „Best Paper“ erhielten Thomas Verlinden, Eddy Van de Voorde und Wouter Dewulf für ihre Arbeit „Ho.Re.Ca Logistics and Medieval Structured Cities: A market analysis and typology“. Die Jury, bestehend aus den Veranstaltern Prof. Dr.- Ing. Uwe Clausen, Jun.-Prof. Dr. rer. pol. Hanno Friedrich, Carina Thaller und Christiane Geiger, bewertete die eingereichten Aufsätze nach den Entscheidungskriterien Originalität, wissenschaftliche Attraktivität, praktische Relevanz und Anwendbarkeit sowie Innovationsgrad. Prof. Clausen, Leiter des Instituts für Transportlogistik (links), und Prof. Friedrich vom Institut für Verkehr der TU Darmstadt (rechts) überreichten die Urkunde dem Preisträger des Best Paper Award, Thomas Verlinden. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 87 Veranstaltungen FORUM Mobilität 4.0 für Unternehmen und Kommunen Rückblick: Priener Logistikgespräche am 30.9. und 1.10.2015 D ie Mobilität entwickelt sich weiter und die Digitalisierung macht`s möglich! Die moderne Informations- und Kommunikationstechnik sorgt für eine zunehmende Vernetzung der Verkehrsmittel. Daraus resultiert die Möglichkeit einer einfachen intermodalen Mobilität für den Nutzer. Darüber hinaus besteht das Verkehrsangebot schon länger nicht mehr nur aus PKW, Bus/ Bahn und Flugzeug. Neue Mobilitätsangebote, wie Sharing-, Mitfahrsysteme und Fernbusangebote haben längst im Markt Einzug erhalten. „Hip“ ist, wer gemeinsam mobil ist und wer „teilt statt besitzt“. Rückläuig ist das eigene Auto als Statussymbol. Smarte Services wie Echtzeit-Information auf dem Smartphone und die intermodale Navigation runden die Mobilität 4.0 ab. Zu diesem Thema veranstaltete das Projektzentrum Verkehr, Mobilität und Umwelt des Fraunhofer-Instituts für Materialluss und Logistik, IML am 30.9.2015 und 1.10.2015 die Priener Logistikgespräche im Schosshotel in Herrenchiemsee. Passend zum Titel der Veranstaltung „Mobilität 4.0 für Unternehmen und Kommunen“ referierten namhafte Wissenschaftler und Vertreter der Industrie über die Entwicklung im Bereich Personenmobilität und über neue Möglichkeiten und Innovationen für Unternehmen und Kommunen. Besonderer Fokus lag hierbei auf dem Betrieblichen und Kommunalen Mobilitätsmanagement. Ziel dessen ist eine eiziente, sichere und umweltverträgliche Abwicklung aller Mobilitätsbedürfnisse - sowohl in- Unternehmen als auch in Kommunen. Intermodaler, alternativer und innovativer Verkehr spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Das hauptsächlich genutzte Verkehrsmittel für Pendlerfahrten und Dienstfahrten ist nach wie vor der PKW. Daraus resultieren Staus im Berufsverkehr, Stress für die Pendler und Parkplatzsuchverkehr. Die Durchführung eines Mobilitätsmanagements kann für Unternehmen, Mitarbeiter und Kommunen Abhilfe verschafen. Eine Möglichkeit ist hierbei die Förderung des Radverkehrs. Referenten stellten sowohl die Anschafung eines „Dienstfahrrads“ über die 1 %-Methode als auch die Vorreiterrolle diverser fahrradfreundlicher Städte vor. Die dynamische Organisation von Mitfahrgelegenheiten für Mitarbeiter eines Unternehmens macht eine spontane Mitfahrt bei einem Kollegen möglich und bietet ebenfalls ein Instrument im Mobilitätsmanagement. Zur besseren Auslastung des unternehmenseigenen Fuhrparks wurde ein System zum Corporate CarSharing vorgestellt. Eine Buchungsplattform und eine eingebaute Hardware im Fahrzeug ermöglichen Planungssicherheit und einen einfachen Zugang. Ebenfalls wurde das Projekt „ImmerMobil“ - als intermodale Auskunfts- und Buchungsplattform für Unternehmen diskutiert. Mithilfe von Praxispartnern bringt das Fraunhofer IML diese Innovation aktuell im Landkreis Passau in die Umsetzung. Als weiteres Projekt, interessant für Landkreise stellt sich „E-Wald“ dar. In der Modellregion für Elektromobilität im Bayrischen Wald können registrierte Bürger auf eine Flotte aus 200 Elektroautos und 150 Ladesäulen zugreifen. Darüber hinaus wurden drei Best Practice Beispiele an erfolgreich eingeführten Mobilitätsmanagements vorgestellt. Neben der Stadt Dortmund, stellten ein kommunales Wohnungsbauunternehmen aus München und eine Firma aus der Textilbranche Maßnahmen und Wirkungen aus der Praxis vor. Alle waren sich einig, dass neben den hohen umweltrelevanten Einsparungen auch Kosteneinsparungen erzielt werden können. Wolfgang Inninger, Leiter des Projektzentrums Verkehr, Mobilität und Umwelt in Prien am Chiemsee und sein Team blicken zufrieden auf die Priener Logistikgespräche 2015 zurück. Prof. Dr. Ing. Uwe Clausen, Leiter des Fraunhofer IML lobt den intensiven Wissensaustausch zwischen Industrie und Wissenschaft und motiviert zur weiteren Zusammenarbeit: „Die Beiträge verdeutlichen die zahlreichen Möglichkeiten und Innovationen in diesem Bereich. Jetzt gilt es weiter zu machen und gemeinsam den Weg für die Mobilität der Zukunft - der Mobilität 4.0 - zu ebnen.“ ■ Alina Maria Steindl, M.Sc. Projektleiterin Projektzentrum Verkehr, Mobilität und Umwelt, Fraunhofer-Institut für Materialluss und Logistik, Prien am Chiemsee Vertreter aus Forschung und Industrie auf den Priener Logistikgesprächen. Von links: Prof. Dr. Ing. Uwe Clausen (Fraunhofer IML), Prof. Dr. Ing. Eckehard Fozzy Moritz (Innovationsmanufaktur GmbH), Karl Fischer (LKZ Prien GmbH), Wolfgang Inninger (Fraunhofer IML), Frank Hansen (BMW Group). Foto: PLG Das Controlling von ÖPNV-Unternehmen steht im Mittelpunkt dieses Buchs. Experten aus ÖPNV-Unternehmen, Wissenschaft und Beratungshäusern stellen Instrumente zur Unternehmenssteuerung praxisnah vor und informieren über aktuelle Entwicklungen. Damit liefert das Buch Anregungen, Ideen und Lösungsansätze für Controllingprobleme. Jetzt bestellen! Per Telefon: 040-23714-440 oder in unserem Buchshop unter www.dvz.de/ shop Controlling im ÖPNV Instrumente und Praxisbeispiele Unternehmenssteuerung und Controlling im ÖPNV, Christian Schneider (Hrsg.), 1. Auflage 2013, 224 Seiten, broschiert, EUR 49,inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Infos und Leseprobe unter www.dvz.de/ controepnv NEU Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 89 Erscheint im 67. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag DVV Media Group GmbH Postfach 10 16 09, D-20010 Hamburg Nordkanalstraße 36, D-20097 Hamburg Tel. +49 40 23714-01 Geschäftsführer Martin Weber Verlagsleiter Detlev K. Suchanek Tel. +49 40 23714 227 | detlev.suchanek@dvvmedia.com Redaktion Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 40 23714-223 | Fax: +49 40 23714-205 eberhard.buhl@dvvmedia.com Redaktionelle Mitarbeit Kerstin Zapp Anzeigen Gesamtanzeigenleitung Tilman Kummer Anzeigenleitung Silke Härtel (verantw.) +49 40 23714-227 | silke.härtel@dvvmedia.com Anzeigenverkauf Tim Feindt +49 40 23714-220 | tim.feindt@dvvmedia.com Anzeigentechnik Patrick Schröter +49 40 23714-127 | patrick.schroeter@dvvmedia.com Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 52 vom 01.01.2015. Vertrieb Leiter Marketing & Vertrieb Markus Kukuk +49 40 23714-291 | markus.kukuk@dvvmedia.com Unternehmenslizenzen Digital/ Print Oliver Brandt +49 8191 3055039 | oliver.brandt@dvvmedia.com Leser- und Abonnentenservice Tel. +49 40 23714-260 | Fax +49 40 23714-243 kundenservice@dvvmedia.com Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Laufzeit eines Abonnements beträgt mindestens ein Jahr. Abbestellungen sind nur schriftlich möglich zum Ende eines Bezugszeitraumes mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen. Bei Nichtbelieferung ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt bestehen keine Ansprüche gegen den Verlag. Zusätzliche digitale Abonnements Bezug auf Anfrage, gültig ist die Vertriebspreisliste vom 01.01.2015. Bezugsgebühren Abonnement Inland jährlich 172 EUR inkl. Porto zzgl. MwSt. | Ausland Print mit VAT-Nr. jährlich 192 EUR inkl. Porto, ohne VAT-Nr. inkl. Porto zzgl. MwSt. | Ausland Digital jährlich 172 EUR, ohne VAT-Nr. zzgl. MwSt. Das Print-Paket beinhaltet die jeweiligen Ausgaben gedruckt, digital und als E-Paper (E-Mail-Paket nur als E-Paper) sowie den Zugang zum Archiv. Einzelheft 45,- EUR Druck L.N. Schafrath GmbH & Co. KG, Geldern Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Security camera on the wall Foto: ClipDealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Eine Publikation der DVV Media Group ISSN 0020-9511 ImpREssum | GREmIEn Herausgeberkreis Herausgeberbeirat matthias Krämer Abteilungsleiter Mobilität und Logistik, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Jürgen peters Dr., Geschäftsführer Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin Christian piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Associate Partner, Oliver Wyman, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Erich staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Rhenus PartnerShip, Duisburg ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolf Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 90 Liebe Leserinnen und Leser, in der vorliegenden Ausgabe haben wir mit dem den InnoZ Mobilitätsmonitor erstmals einen umfangreichen Sonderteil an Bord, der Ihnen künftig in jeder zweiten Ausgabe Internationales Verkehrswesen einen aktuellen Überblick über Verkehr und Mobilität in Deutschland verschafen wird. Ganz neue Fragen stellen sich mit der zunehmenden Digitalisierung - Fragen etwa zur Funktionssicherheit automatisierter Verkehrssysteme und zur Sicherheit der dazu notwendigen Daten. Wie schon diese aktuelle Ausgabe, wird sich auch Internationales Verkehrswesen 1/ 2016 unter dem Themenschwerpunkt Vernetzte Verkehrswelt - IT-Lösungen für Terminals und Verkehr mit den Herausforderungen, Strategien und Lösungen dazu beschäftigen. Das Heft erscheint am 25. Februar 2016. Bereits seit 1. Oktober können Sie die englischsprachige Ausgabe International Transportation 2/ 2015 mit dem Titel Looking ahead - Advanced transportation solutions auf unserer Webseite inden und kostenlos downloaden. Sie bringt - neben einem sehr lesenswerten Statement von EU-Kommissarin Violeta Bulc - mehrere Beiträge zum hoch automatisierten Fahren auf der Straße und internationalen Verkehrsprojekten. Ich hofe, Sie lesen uns weiterhin mit Interesse, und freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 13.-15.01.2016 Essen (DE) InfraTech 2016: „Bausteine der Erneuerung“ In Kombination mit DEUBAUKOM, DCONex und acqua alta Veranstalter: Ahoy Rotterdam Kontakt: Anja Scholten, a.scholten@ahoy.nl www.infratech.de 18.-19.01.2016 Berlin / DE) Kraftstofe der Zukunft 13. Internationaler Fachkongress für Biokraftstofe Veranstalter: Bundesverband BioEnergie e.V., Bonn Tel.: +49 (228) 81002-22 info@bioenergie.de http: / / www.kraftstofe-der-zukunft.com/ 29.02.- 01.03.2016 Berlin (DE) 4. Railway Forum Info: IPM GmbH http: / / www.railwayforumberlin.de t.s@ipm-scm.com 01.-03.03.2016 Karlsruhe (DE) IT-Trans Internationale Konferenz und Fachmesse Veranstalter: UITP und Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH Info: http: / / www.it-trans.org Kontakt: jochen.georg@messe-karlsruhe.de 15.-17.03.16 Köln (DE) Passenger Terminal Conference & EXPO 2016 Internationale Ausstellung und Konferenz für Passagierterminal-Design, -Sicherheit, -Technologie und -Verwaltung Veranstalter: UKIP Media & Events Ltd. Info: www.passengerterminal-expo.com Kontakt: +44 1306 743744, a.obrien@ukintpress.com 05.-08.04.2016 Amsterdam (NL) Intertraic Amsterdam 2016 Fachmesse für Infrastruktur, Verkehrsmanagement, Sicherheit und Parken Veranstalter: Amsterdam RAI Info: www.intertraic.com Kontakt: +31-20-5491212, mail@rai.nl 12.-13.04.2016 Leipzig (DE) new mobility - Fachmesse und Kongress Produkte und Dienstleistungen zur künftigen Mobilität in vernetzten Infrastrukturen Veranstalter: Leipziger Messe GmbH Info: www.new-mobility-leipzig.de Kontakt: +49 341 678-8983, info@new-mobility-leipzig.de 20.-23.04.2016 Friedrichshafen (DE) Aero - Internationale Fachmesse für Allgemeine Luftfahrt Veranstalter: Messe Friedrichshafen Info: www.aero-expo.com Kontakt: +49 7541 708-404 25.-29.04.2014 Hannover (DE) Hannover Messe 2016 Industriemesse mit „Energy - Internationale Leitmesse für integrierte Energiesysteme und Mobilität“ Veranstalter: Deutsche Messe Info: www.hannovermesse.de Kontakt: +49 511 89-0 18.-20.5.2016 Leipzig (DE) International Transport Forum (ITF) - Summit 2016 »Green and Inclusive Transport« Veranstalter: OECD Info: www.internationaltransportforum.org Kontakt: paula.dunne@oecd.org 01.-04.06.2016 Berlin (DE) ILA 2016 - Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Veranstalter: Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) und Messe Berlin GmbH Info: www.ila-berlin.de Kontakt: ila@messe-berlin.de TERMINE + VERANSTALTUNGEN 13.01.2016 bis 04.06.2016 Weitere Veranstaltungen inden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de www.eurailpress.de, www.schifundhafen.de, www.dvz.de VORSCHAU | TERMINE Technische Daten: ISBN 978-3-87154-516-0 364 Seiten, Format 140 x 180 mm, Broschur Preis: EUR 62,50 mit CD-ROM inkl. MwSt., zzgl. Porto Kontakt: DVV Media Group GmbH | Telefon: +49/ 40/ 2 37 14 - 440 | Fax: +49/ 40/ 2 37 14 - 450 E-Mail: buch@dvvmedia.com Das Standardwerk zur Entwicklung von Verkehr und Verkehrswirtschaft Zuverlässige Übersicht zu allen Daten und Fakten der Mobilität Inkl. CD mit umfangreichen Daten zur direkten Weiterverarbeitung Herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jetzt aktuell! Der Verkehr in Tabellen, Zahlen und Übersichten Bestellen Sie Ihr Exemplar unter www.eurailpress.de/ viz1 NEU Ihr Fahrplan für Rechtsfragen im ÖPNV Gesetze und Kommentar zum ÖPNV-Recht plus online-Zugang zu gerichtlichen Leitentscheidungen Das Praxishandbuch „Recht des ÖPNV“ liefert Ihnen: ▪ Ausführliche Erläuterungen und Kommentierungen aller relevanten Vorschriften des ö entlichen Personenverkehrsrechts ▪ Anwendungsbeispiele aus der Praxis ▪ eine verlässliche Grundlage für die erfolgreiche Bearbeitung rechtlicher Fragestellungen im Personenverkehr Recht des ÖPNV, Praxishandbuch, Hubertus Baumeister (Hrsg.), 1. Auflage 2013, Band 1 Gesetze 660 Seiten, Band 2 Kommentar 854 Seiten, gebunden, EUR 189,- inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten Weitere Infos, Leseprobe und Bestellung: www.eurailpress.de/ oepnvrecht | Telefon: (040) 23714-440
