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Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Intelligente Lösungen für Transport und Verkehr Logistik optimieren POLITIK Wege zur Finanzierung des Nahverkehrs INFRASTRUKTUR Hinterlandverkehre auf der Schiene optimieren LOGISTIK Digital, sicher, effizient mit innovativen-Strategien MOBILITÄT Autonomes Fahren und mehr - InnoZ Mobilitätsmonitor Frühjahr 2016 TECHNOLOGIE Mehr Sicherheit durch neue Verfahren www.internationalesverkehrswesen.de Heft 2 l April 2016 68. Jahrgang Das Standardwerk für die Schienenlogistik Speziell für Transportunternehmen, Logistikdienstleister, Speditionen und Studierende Jetzt bestellen für nur EUR 59,- (inkl. MwSt., zzgl. Versand) Telefon: 040-23714-440, E-Mail: buch@dvvmedia.com oder in unserem Buchshop unter www.eurailpress.de/ sgv Praxiswissen für Ihren Erfolg • aktuelle Marktübersicht und Entwicklung des System Bahn • Ihr Einkaufsführer: umfassende Darstellung aller relevanter Marktteilnehmer • aktuelle Entwicklung bei den Transeuropäischen Netzen der EU Jetzt bestellen! 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In einer Situation, in der Europa ohnehin schon an Wettbewerbsfähigkeit verliert, hängt das endgültige Aufheben des Schengen-Abkommens und die Einführung von nationalen Grenzkontrollen innerhalb der Schengen-Zone - aufgrund der enormen Kosten, die damit für die europäische Wirtschaft und letztendlich für den europäischen Steuerzahler/ die europäische Steuerzahlerin verbunden sind - wie ein Damoklesschwert über uns. Die durch Grenzkontrollen und die Errichtung von Grenzeinrichtungen entstehenden Kosten stellen dabei das kleinste Problem dar. Es sind die drohenden enormen Steigerungen der Transport-, Logistik- und Supply Chain-Kosten, die Sorgen bereiten. Die Denkfabrik France Strategie hat Anfang Februar eine Studie vorgelegt, die davon ausgeht, dass durch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen jährlich 100 Mrd. EUR an zusätzlichen Kosten in den Schengen-Ländern anfallen. Eine im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführte Studie kommt zu ähnlich erschreckenden Ergebnissen. Unter Annahme des schlechtesten Szenarios könnten für Deutschland bis 2025 Einbußen in Höhe von bis zu 235 Mrd. EUR entstehen. Wenn sich Grenzkontrollen innerhalb des Schengen- Raums unter keinen Umständen vermeiden lassen, so sollten diese möglichst logistikverträglich durchgeführt werden. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer hat das Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien für den Fall der Einführung von Grenzkontrollen ein systematisches Grenzmanagement gefordert. Wie dies beispielhaft ausgestaltet werden könnte, zeigt das Management an der amerikanisch-kanadischen sowie an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Ein Problem bei der Einführung des Grenzmanagements ist fehlende freie Fläche an einigen Grenzübergängen. Der Brennerpass ist hierfür ein anschauliches Beispiel. Unternehmen müssen sich ein systematisches Bild der Gesamtlage verschaffen und bereits präventiv Pläne für eine Eskalation entwickeln. Außerdem müssen schon heute Grenzkontrollen bei Kalkulation und Risikobewertung berücksichtigt werden. Kurzfristig müssen Pufferlager oder längere sowie vor allem unsichere Transportzeiten eingeplant werden. Mittelfristig wird es zu einem Wechsel von Lieferanten kommen. Insgesamt zeigt die Flüchtlingskrise zwar auch, wie flexibel und leistungsfähig die europäische Transportwirtschaft und Logistik ist. Sinnvoller wäre es jedoch gewesen, dieses Wissen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einzusetzen statt für Abwehrkämpfe gegen --auch von der Wirkung her - zweifelhafte Grenzkontrollen. Ihr Sebastian Kummer Univ. Prof. Dr., Vorstand des Institutes für Transportwirtschaft und Logistik, WU Wien Foto: privat Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 4 POLITIK 10 Piraten in Südost-Asien Die Terrorgefahr für die Straße von Malakka nimmt zu Dirk Ruppik 12 Value Capture für Nahverkehrs- Projekte Eine aktuelle Veröffentlichung der APTA mit Beispielen aus der Praxis Andreas Kossak LOGISTIK 23 digitalisierung und Online- Pricing Empfehlungen für die Logistik der Zukunft Philipp Biermann Sven Wengler 26 Sichere und resiliente globale Transporte Gesundheits-Checkup für Supply Chains Rainer Müller Nils Meyer-Larsen Hans-Dietrich Haasis 30 Kombinierter Schienengüterverkehr in China Armin F. Schwolgin WISSENSCHAFT 34 Wege zum Kombinierten Verkehr Eine Analyse potenzieller Transportrelationen und Angebote von, nach und innerhalb Deutschlands Ralf Elbert Lowis Seikowsky Jan Philipp Müller Peter Poschmann 40 Herausforderung demographie - Wandel für Logistiker Effiziente logistische Versorgung zur Sicherstellung autonomen Handelns im Alter Susanne Koch INFRASTRUKTUR 16 Optimierung der Container- Hinterlandverkehre auf der Schiene aus Sicht der bremischen Häfen Iven Krämer Birgit Bierwirth 20 Supply Chain Management in Zeiten der digitalisierung Welche Vorteile bringt eine cloud-basierte Logistikplattform in der Praxis? Frauke Heistermann Christian Wendt Sie finden Internationales Verkehrswesen mit umfangreichem Archiv und aktuellen Terminen unter: www.internationalesverkehrswesen.de Foto: Christine Ziegler Foto: SCHAU.MEDIA/ pixelio.de Foto: ericnvntr/ wikipedia.de INTERNATIONAL TRANSPORTATION 1/ 2016 Green transport - digital mobility Smart transportation in smart-cities erscheint am 17. Mai 2016 Download unter: www.internationalesverkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 5 INHALT April 2016 43 Zahlen, was man nutzt RMV pilotiert innovativen Relationstarif Knut Ringat 46 Autonomes Fahren - Chancen,-Herausforderungen und Handlungsfelder für öffentliche Akteure Neue Akteure, veränderte Machtverhältnisse und ihre Auswirkungen auf die Verkehrsplanung Lukas Foljanty Thuy Chinh Duong TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 09 Kurz + Kritisch 15 Bericht aus Brüssel 78 Forum Veranstaltungen Lehre Meinung 81 Impressum | Gremien 82 Vorschau | Termine AuSgAbE 3/ 2016 Multimodal mobil Effizienz und Nachhaltigkeit zu Wasser, zu Lande und in der Luft erscheint am 02. September 2016 69 Multitalent Auto-Cockpit aus der Nutzerperspektive Josef Strenzke Isabella Geis Wolfgang H. Schulz 72 Seetransport von Öl als gefährlicher Ladung Carsten Hilgenfeld Chris Bünger Mario Meyer Bettina Kutschera 75 Bordstrom für Hochsee-Schiffe durch Brennstoffzellen Reformierung ermöglicht Einsatz von Diesel als Energieträger Keno Leites Ansgar Bauschulte Foto: next-future-mobility.com Foto: Oel-Waerme-Institut GmbH MOBILITÄT Innoz MObILITÄTSMONITOR 49 Einführung Andreas Knie Jürgen Peters 50 die neue dNA der Mobilität 51 Monitor - „Spickzettel“ 52 Verkehrsträger - Modale Sicht Manuel Hendzlik Frank Hunsicker 57 Multi- und Intermodalität Lena Damrau Robert Schönduwe 59 Shared Mobility Manuel Hendzlik Enrico Howe Josephine Steiner 61 Nachhaltige Mobilität/ Elektromobilität Frank Brehm 63 Mobilitätsumfeld digitalisierung Christian Scherf Sina Nordhoff Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 6 IM FOKUS Offene Ladeschnittstelle für Elektrobussysteme Z ahlreiche Nahverkehrsunternehmen in Europa bereiten sich auf den Einsatz von Elektrobussen vor. Die Europäischen Normungsorganisationen CEN (Europäisches Komitee für Normung) und CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) sowie die Internationale Organisation für Normung (ISO) und die Internationale Elektrotechnischen Kommission (IEC) arbeiten bereits an einer Standardisierung der technischen Einrichtungen. Allerdings werden die europäischen Normen voraussichtlich erst 2019, die internationalen Normen im Jahr darauf in Kraft treten. Weil jedoch in vielen Städten bereits Elektrobussysteme eingesetzt werden, haben die europäischen Bushersteller Irizar, Solaris, VDL und Volvo sowie die Ladesystem-Lieferanten ABB, Heliox und Siemens freiwillig vereinbart, die Interoperabilität von Elektrobussen herzustellen. Gängige, bevorzugte technische Schnittstellen werden für alle Marktbeteiligten geöffnet und für Elektrobusse mit sogenannter Zwischenladung - also die Schnellladung an Endhaltestellen - und für über Nacht aufgeladene Elektrobusse verwendet. Alle Beteiligten arbeiten aktiv an den europäischen Normungsaktivitäten mit. Ziel ist es, das Umsteigen auf elektrische Bussysteme in Städten zu erleichtern sowie Zuverlässigkeit und Kompatibilität aller Busmarken und Ladesystemlieferanten zu gewährleisten. Andere Bushersteller und Ladesystemlieferanten sind zur Zusammenarbeit eingeladen. Für das Zwischenladen verwendet das System die automatische Kontaktierung durch einen Stromabnehmer, drahtlose Kommunikation sowie Kontaktplatten und Infrastruktureinrichtungen, die das Fahrzeug automatisch mittels Stromabnehmer kontaktieren. Für das Laden von Elektrobussen über Nacht wird die Schnelllade- Norm für Fahrzeuge (CCS) als Basis für den Stecker und für die Kommunikation verwendet. red Automatisches Zwischenladen mit Stromabnehmer Foto: Siemens Fraunhofer IML stellt rollende Transportdrohne vor L ogistische Pilotprojekte erforschen derzeit die möglichen Anwendungsgebiete von Flug-Drohnen etwa für die Paketzustellung. Allerdings verfügen Flugroboter bei hohem Energiebedarf nur über geringe Transportkapazität - und sie dürfen aus Sicherheitsgründen nicht in Bereichen fliegen, in denen zeitgleich Menschen arbeiten. Nun hat das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML eine rollende Transportdrohne entwickelt, die beide Probleme lösen soll: Die ballförmige Drohne rollt, wenn sie kann, und fliegt nur, wenn sie muss. 3D-gedruckte umlaufende Streben umschließen Transportgut und Antrieb, das runde Gehäuse schützt gleichermaßen Mitarbeiter und Rotoren. „Ball-Drohnen“ sind rollend deutlich energieeffizienter als reine „Flug-Drohnen“ und können zudem gefahrlos zusammen mit Menschen im selben Bereich arbeiten. Die Transportdrohnen führen Aufgaben autonom aus und organisieren sich im Schwarm selbst. Zunächst dient die 1500 g leichte Drohne des Fraunhofer IML dem innerbetrieblichen Transport kleiner und leichter Güter bis 700- g: Sie wird mit den Zieldaten versorgt, findet autonom ihren Weg und rollt dabei meist über den Boden - energiesparend. Erst wenn Höhenunterschiede zu überbrücken, Hindernisse zu überwinden und hohe Regalebenen zu erreichen sind, wird der Ball zum Flieger. Bestimmte Abwärtsbewegungen kann die Drohne fliegend, aber auch schwerkraftgetrieben auf Schienen bewältigen, was zusätzlich Energie spart. Die Technologie ist skalierbar und insgesamt deutlich flexibler als bisherige Lösungen wie Rohrpost oder vergleichbare Fördertechnik. red Foto: Fraunhofer IML Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 7 IM FOKUS Telematikdaten von Zugmaschine und Auflieger kombinieren E ine Vielzahl von Telematikdaten, jedoch nur ein System und nur eine Darstellung im FleetBoard Cockpit des Disponenten in der Spedition: Das FleetBoard Trailer Management fasst die Telematikdaten von Zugmaschine und Auflieger zusammen und stellt sie dem Disponenten gemeinsam auf seinem Bildschirm im Fleet- Board Cockpit dar. Dazu hat FleetBoard zwei unterschiedliche Trailerdienste entwickelt, die im zweiten Quartal 2016 verfügbar sein sollen. Der Dienst Trailer ID wird für Mercedes-Benz-Nutzfahrzeuge der neuesten Generation angeboten und übermittelt die Position des Trailers und dessen Kopplungsstatus. Die Sattelzugmaschine erkennt, ob ein Trailer angeschlossen ist und identifiziert diesen anhand der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) über die elektronische Bremsanlage. Die Daten werden zusammen mit den Daten der Zugmaschine über den Bordrechner des LKW ins Unternehmen übermittelt. Damit ist der Standort des Trailers bekannt und gleichzeitig ersichtlich, ob der LKW den richtigen Trailer zieht. Der Dienst Trailer Data sendet eine Vielzahl weiterer Informationen zu Aufbau und Fahrgestell des Trailers. Dazu gehört zum Beispiel der exakte Trailertyp und seine Position, unabhängig vom Zugfahrzeug. Bei Kühlaufliegern überträgt Trailer Data unter anderem den Status der Türen, die Temperaturaufzeichnung des Trailers sowie Status, Betriebsart und Einschaltdauer des Kühlaggregats. Dazu kommen wesentliche Daten zum technischen Zustand des Fahrgestells. Hierzu zählen etwa Achslasten, Reifenluftdruck oder Zustand der Bremsbeläge. Sämtliche Daten können im Fleet- Board Cockpit abgerufen werden. red Mobilität Die Landeshauptstadt München sucht für das Kreisverwaltungsreferat zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/ n Leiter/ in der Hauptabteilung Straßenverkehr Die Stelleninhaberin bzw. der Stelleninhaber verantwortet die Leitung der Hauptabteilung III Straßenverkehr mit insgesamt 645 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fachrichtung Technik und Naturwissenschaft sowie Verwaltung und Finanzen. Die Hauptabteilung III Straßenverkehr des Kreisverwaltunsgreferates umfasst derzeit folgende Organisationseinheiten: Abteilung 1 Verkehrsmanagement Abteilung 2 Fahrzeugzulassungs- und Fahrerlaubnisbehörde Abteilung 3 Verkehrsüberwachung Weitere Details zu der ausgeschriebenen Stelle mit der Verfahrens-Nr. 16-227-075 finden Sie im Internet unter: www.muenchen.de/ stellen Deutschland braucht wettbewerbsfähige Schifffahrt E ine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young und des Fraunhofer CML mit dem Titel „Schifffahrtsstandort Hamburg - Stärken, Herausforderungen und Zukunftspotentiale“ liefert wertvolle Hinweise für die maritime Strategie der Bundesregierung, um die Zukunftsfähigkeit des maritimen Standortes Deutschland zu sichern. Das betont Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). Die Studie belege, dass die maritime Wirtschaft in Deutschland nur mit einer starken Schifffahrt eine Zukunft hat. Zum Vergleich der Hansestadt Hamburg mit anderen Standorten und den bestehenden Handlungsoptionen in der Studie sagte Nagel: „Wir müssen die maritime Ausbildung und das Know-how am Standort auf Weltniveau halten und weiter internationalisieren.“ Die Entwicklung und erfolgreiche Einführung von Innovationen in der Schifffahrt müsse besser unterstützt werden. Nur eine breite Förderung könne helfen, Schiffe mit dem sauberen Brennstoff Flüssiggas (LNG) in Fahrt zu bringen. Die Verwaltung müsse vereinfacht, die steuerlichen Rahmenbedingungen noch besser an- die veränderten Geschäftsmodelle in der Schifffahrt angepasst werden. VDR/ red Die Studie zum Download: http: / / www.cml.fraunhofer.de/ content/ dam/ cml/ de/ documents/ Studien/ gutachten-schifffahrtsstandort.pdf Trailer Data sendet zahlreiche Informationen zu Aufbau und Fahrgestell des Aufliegers. Quelle: Fleetboard Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 8 IM FOKUS Flugzeugturbinen werden in Zukunft sauberer D ie Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt hat gemeinsam mit SR Technics und dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) der Schweiz ein Verfahren für die Messung von Feinstaubpartikeln aus Flugzeugtriebwerken entwickelt. Die Arbeiten für den neuen weltweiten Standard wurden durch das BAZL in Partnerschaft mit der amerikanischen Luftfahrtbehörde geleitet. Die Messung ultrafeiner Staubpartikel aus Flugzeugtriebwerken ist technisch anspruchsvoll. Nun haben die Experten einen Prüfstand und ein Verfahren entwickelt, mit dem dieser Feinstaubausstoß standardisiert gemessen werden kann, und in internationalen Projekten Messsystem und Instrumentierung bis zur Einsatzreife erprobt. Das Messsystem liefert neben der Masse der Partikel auch die Anzahl der ausgestoßenen Partikel pro Liter Treibstoff. Dabei werden kleinste Partikel mit weniger als einem hunderttausendstel Millimeter Durchmesser erfasst. Die von BAZL, SR Technics und Empa maßgeblich entwickelte Messvorschrift wurde im Februar vom Umweltgremium der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO angenommen. Die definitive Verabschiedung durch den ICAO-Rat wird 2017 erwartet. Alle ab 1. Januar 2020 in Produktion befindlichen Triebwerkstypen für Passagierflugzeuge müssen nach der neuen Vorschrift zertifiziert werden. Empa/ red Verhalten von CFK-Bauteilen am Flugzeug Ü ber das Verhalten kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe (CFK) während eines Flugs ist bislang wenig bekannt. Sicher war nur, dass sie sich während eines Flugs anders verhalten als das übliche Aluminium. Fraunhofer-Forscher haben nun im Rahmen der Clean-Sky-Forschungsinitiative mit Hilfe eines auf Lichtwellenleitern basierenden Messaufbaus exakt nachgewiesen, wie stark sich CFK-Teile während des Fliegens verformen. Als Testflugzeug diente ein Mittelstreckenmodell für etwa 70 Passagiere. Für die Flüge wurde ein etwa fünf Meter langes CFK-Bauteil an der oberen Außenhaut des Rumpfes eingesetzt, das zu den am stärksten belasteten Bauteilen beim Flug zählt. Optische Messfasern detektierten mit Hilfe der Lichtwellenleiter-Technologie schon minimale Verformungen sehr exakt, was mit herkömmlichen metallischen Dehnungsmessstreifen nicht möglich ist. Die Werte waren so genau, dass man allein aufgrund der Dehnungssignale auf das Flugprofil hätte schließen können. Flugzeugbauer können mit diesen Daten Bauteile so designen, dass sie den im jeweiligen Flugzeugmodell auftretenden Belastungen exakt standhalten. Das gelingt bisher nur näherungsweise. Deshalb integrieren Flugzeugbauer CFK sicherheitshalber überdimensioniert in neue Modelle. Ziel des Projektes war es also, noch leichtere CFK- Bauteile zu ermöglichen und so zusätzlich Treibstoff zu sparen. Außerdem lässt sich das Messverfahren einsetzen, um Strukturen während des Flugs auf ihren Zustand hin zu überwachen: Änderungen im Verformungsverhalten könnten auf Schäden hindeuten - im Gegenzug könnte man intakte Bauteile ohne Sicherheitsrisiko deutlich länger im Einsatz belassen. red Faherloser Stapler versteht Sprache und Gesten G emeinsam mit der Jungheinrich AG und weiteren Partnern haben die Forscher des IPH - Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH einen fahrerlosen Schubmaststapler entwickelt, der menschliche Sprache versteht und Gesten deuten kann. In einer Fabrik der Zukunft müssen sich Lagerarbeiter nicht mehr selbst ans Steuer eines Gabelstaplers setzen, sondern können Arbeitsaufträge an „intelligente“, fahrerlose Transportfahrzeuge abgeben. Bei Arbeitsanweisungen wie „Lagere diese Palette in Regal 3“ versteht das Fahrzeug nicht nur die Worte, sondern auch die dazugehörigen Gesten und erkennt beispielsweise, auf welche Palette die Person zeigt. Zudem findet sich das Fahrzeug selbstständig in Fabriken und Lagerhallen zurecht. Mithilfe von 3D-Kameras erfasst es seine Umgebung und orientiert sich ähnlich wie ein Mensch, indem es sich markante Punkte im Raum merkt. Verändert sich die Umgebung, weil etwa ein Regal zur Seite gerückt wird, kann sich das Fahrzeug daran anpassen. Dadurch ist es in der Lage, sich frei zu bewegen. Im Gegensatz zu bisherigen fahrerlosen Transportsystemen benötigt der „intelligente“ Stapler keinerlei vorgegebene Wege, etwa in Form von Magnetsensoren oder Führungslinien auf dem Boden. Weil diese Investitionen entfallen, könnte sich die Technologie auch für kleine und mittlere Unternehmen lohnen. red Dem Testflugzeug wurde ein etwa fünf Meter langes CFK-Bauteil (rot) eingesetzt. Foto: Alenia Aermacchi Technologiestudie: Der fahrerlose Stapler versteht menschliche Sprache und Gesten. Foto: Jungheinrich AG Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 9 Verzögern und verweigern I n der Politik liegen als taktisches Verhalten das Verzögern und Verweigern von als dringlich erachteten Entscheidungen dicht beieinander. Zu beobachten ist dies aktuell in der Verkehrspolitik. In Brüssel kommt es bei der Ausgestaltung des 4. Eisenbahnpaketes seit Monaten nicht voran. Neben dem weitgehend konsensfähigen sog. technischen Teil bereitet der „politische“ Teil des Gesetzesvorhabens, also die Governance-Regeln bei vertikal integrierten Bahnen, nunmehr überraschend nach dem mühselig erzielten Kompromiss der Mitgliedsstaaten vom Oktober 2015 neue Schwierigkeiten. Der italienische EP-Abgeordnete David Maria Sassoli hat sich vorgenommen, das Paket der Finanzstrombeziehungen bei den integrierten Bahnen erneut zu öffnen mit dem Ziel, die finanzrechtliche Trennung von Transport- und Netzunternehmen doch noch durchzusetzen. Auch in der nationalen Verkehrspolitik sind Entscheidungsverzögerungen unübersehbar. So konnte 2015 nach langen kontroversen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern endlich eine Übereinkunft hinsichtlich der zukünftigen finanzpolitischen Absicherung der Regionalisierungsmittel für den ÖPNV erzielt werden. Das Ergebnis mit einer deutlichen Anhebung der Bundesmittel und der jährlichen Steigerungsrate kann sich sehen lassen. Umso erstaunlicher ist es, dass nunmehr länderinterner Streit das Inkraftsetzen der Vereinbarungen verzögert: Die Länder erzielen keine Einigung über die Zuweisungsaufteilung. Dies erinnert stark an thematisch gleiche Querelen, die zwei Revisionsvorschläge in der Vergangenheit scheitern ließen. Für die ÖPNV-Branche und die Kommunen ist dies eine belastende Verzögerung. Ebenfalls strittig zwischen Bund und Ländern ist die seit Jahren diskutierte und durch die Gutachten der Bodewig-Kommission empfohlene Neuordnung der Zuständigkeiten bei Planung, Bau, Instandhaltung und Unterhaltung der Bundesfernstraßen. Ziel ist, erkennbare Ineffizienzen und Qualitätsdefizite der bisherigen Auftragsverwaltung durch die Länder zu beseitigen. Doch die Positionen der Beteiligten liegen weit auseinander, was angesichts des Erfordernisses einer komplexen Grundgesetzänderung erhebliche Verzögerungen im notwendigen Entscheidungsprozess bedeutet. Während der Bund die alleinige Verantwortung für die Bundesautobahnen durch eine Bundesgesellschaft anstrebt, wollen die Länder für alle Bundesfernstraßen außer der Finanzierung und der Abwicklungskontrolle sämtliche Aufgaben in ihrer Verantwortung halten. Diese Forderung kann jedoch bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Effizienz- und Qualitätserfahrungen durch die bisherige Auftragsverwaltung in einzelnen Ländern nicht überzeugen. Strittig ist zusätzlich, ob bei der Finanzierung privates Kapital eingesetzt werden darf. Eine Lösung, bei der der Bund zwar die Finanzierung zu sichern hat, aber bei der Planung außen vor bleibt, ist weder vorstellbar noch wünschenswert. Hier pokern, wie bei den Regionalisierungsmitteln, die Länder zu hoch. Damit wird die notwendige Veränderung des status quo unnötig verzögert. Auf zwei weiteren aktuellen Entscheidungsfeldern nimmt die Bundesregierung eine starre Verweigerungshaltung ein. Zum einen bei der ordnungspolitischen Integration des Fernbuslinienverkehrs, der durch Ablehnung der Einbeziehung in das Mautsystem und durch die Investitionen zahlreicher Kommunen in Fernbusanlagen einseitig wettbewerblich gefördert wird. Zum anderen ist die in Deutschland erhobene Luftverkehrssteuer zu erwähnen. Sie belastet insbesondere die Wettbewerbsposition deutscher Luftverkehrsunternehmen auf der Langstrecke und fördert die exorbitante Expansion arabischer und türkischer Airlines mit ihren Drehkreuzausbauten. Damit werden die Geschäftsmodelle deutscher Anbieter wesentlich geschädigt. Aber die Revision dieser Spezialabgabe wird konstant verweigert. Ob dies die Einnahme von rund einer Milliarde Euro rechtfertigt, muss angesichts der sonstigen Ausgabenbereitschaft der Regierung bezweifelt werden. Zum Schluss bleibt noch der Hinweis auf den von der Infrastruktur-Initiative entwickelten Bröckelindex. Was humoristisch erscheint, ist leider bittere Realität: Unsere Infrastruktur zerbröckelt, weil über Jahrzehnte die notwendigen Sanierungsmaßnahmen verzögert wurden. Seit 2005 waren es 51,8 Mrd. Euro. Und während des Lesens dieses Beitrages bröckelt es im Wert von 52 916 Euro. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche „Eine Neuordnung der Zuständigkeiten, bei der-der Bund für die Finanzierung zu sorgen hat, aber bei der Planung außen vor bleibt, ist weder vorstellbar noch wünschenswert“. POLITIK Sicherheit Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 10 Piraten in Südost-Asien Die Terrorgefahr für die Straße von Malakka nimmt zu,-radikale islamische Gruppen bekennen sich zum „Islamischen Staat“ Kriminalität auf See, Islamischer Staat, Seeverkehr, Energieversorgung Südostasien hat den Spitzenplatz der terror- und pirateriegefährdeten Plätze auf der Welt wiedererlangt. Zudem ist die Region zu einem Schlüsselgebiet für Rekrutierungen durch ISIS geworden - viele radikale islamische Gruppen bekennen sich zum so genannten Islamischen Staat. Die Gefahr von Anschlägen vor Ort in Südostasien wächst. Neuralgische Punkte wie die Straße von Malakka könnten zum Ziel werden. Dies würde einen Super-Gau für die Energieversorgung durch Öl und für die Weltwirtschaft darstellen. Autor: Dirk Ruppik D ie Terrorgefahr für die südostasiatische Seeschifffahrt steigt. Laut International Maritime Bureau (IMB), einer spezialisierten Abteilung für Kriminalität auf See der Internationalen Handelskammer (International Chamber Of Commerce, ICC) mit Sitz in London, steht Südostasien auf dem Spitzenplatz der terror- und pirateriegefährdeten Regionen auf der Welt. Im dritten Quartalsbericht (bis 30. September) ereigneten sich 73 % (in Zahlen: 139) von insgesamt weltweit 190 Piraterievorfällen und bewaffneten Überfällen allein in Südostasien. Die meisten Überfälle zählte man in Indonesien (86). Danach folgen Vietnam (19), Malaysia (11), die Straße von Singapur (9), Philippinen (8), die Straße von Malakka (5) und Thailand (1). Außerhalb Südostasiens führen Nigeria (12) und Bangladesch (11). Bei 154 der 190 Überfälle kamen die Angreifer an Bord. Dies entspricht seit 2010 (128) der größten Anzahl (Bild 1). Bei den meisten Schiffen handelt es sich um Schüttgutschiffe (65) und Tanker für chemische Produkte (51) und Öl (15). 22 waren Containerschiffe unterschiedlicher Flaggen (Bild 2). Nach neuesten Medienberichten werden sich die marinen Kriegsflotten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN)-Mitgliedsstaaten zusammenschließen, um gemeinsam die Piraterie in der Malakkastraße zu bekämpfen (Bild 3). Die Wirksamkeit dieser Maßnahme muss allerdings noch bewiesen werden. In der Region Somalia und Golf von Aden haben sich aufgrund des Einsatzes der Marine und privaten bewaffneten Sicherheitspersonals kaum noch Überfälle ereignet. Trotzdem warnt das Piracy Reporting Centre des IMB, dass ein einziger erfolgreicher Überfall andere Piraten zu neuen Angriffen motivieren wird. Aufstrebende radikale Gruppen und ISIS/ daesch in Südostasien Der „Islamische Staat“ im Irak und in Syrien (ISIS), auch unter dem transkribierten arabischen Akronym Daesch bekannt, hat laut Bloomberg seine Rekrutierungen in Südostasien so ausgeweitet, dass bereits eine ganze militärische Einheit (Malay Archipelago Combat Unit) durch Terroristen aus Indonesien, Malaysia und Singapur gebildet wird. „Südostasien ist eine Schlüsselregion für Rekrutierungen durch ISIS. Es sind bereits 500 Indonesier und Dutzende Malaien zur ISIS übergetreten“, sagte der Premierminister von Singapur, Lee Hsien Loong, schon im Mai letzten Jahres. „Die Behörden Singapurs haben kürzlich zwei Studenten - 17 und 19 Jahre alt - inhaftiert. Der ältere plante, Mitglieder der Regierung zu töten, falls er den Nahen Osten nicht erreichen würde. Wir nehmen die Gefahr durch Terrorismus und insbesondere ISIS sehr ernst. Die Bedrohung ist nicht mehr nur im Nahen Osten vorhanden, sondern sie ist bereits hier angekommen.“ Laut Lee hat die malaysische Polizei einige Personen festgenomen, die in Syrien der Gruppe beitreten wollten, darunter sogar Mitglieder der Armee. Einige planten Anschläge in Malaysia. „Zudem haben verschiedene dschihadistische Vereinigungen dem Islamischen Staat ihre Treue ausgesprochen - darunter die indonesische Jemaah Islamiyah unter Abu Bakar Bashir.“ Der Islamische Staat will in Südostasien eine Provinz gründen. Gemäß Lee sind dies grandiose Luftschlösser. Doch warnte er: „Es ist durchaus möglich, dass der Terrorstaat in einigen kontrollierten Regionen von Südostasien Fuß fasst und von dort aus Anschläge in den Gastländern plant.“ Laut Lee wird der Kampf gegen den islamischen Extremismus mehrere Jahrzehnte dauern. „Ich bezweifle, dass sich diese Geißel innerhalb der nächsten 50 Jahre komplett aufgelöst hat.“ Terroranschläge in Südostasien sind nicht neu - erinnert sei an die Bali-Attentate in 2002, bei denen mehr als 200 Menschen starben. Schon kurz nach dem 11. September wollte die Terrorgruppe Jemaah Islamiyah Diplomatenbüros in Singapur in die Luft sprengen. „Es ist allerdings Bild 1: Bewaffnete Überfälle auf See im Jahr 2015 Quelle: icc-ccs.org Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 11 Sicherheit POLITIK neu, dass die Terrorgruppen nun die schwarze Flagge des IS tragen - was ein gewaltiges Problem darstellt.“ Lee fügte an: „IS wird sich weiter ausweiten und weltweit Terror ausüben, falls die Anti-IS-Koalition nicht intensiver mit den südostasiatischen und anderen Ländern zusammenarbeitet.“ Und die Ausbreitung von ISIS im südostasiatischen Raum und die zunehmende Loyalität regionaler Terrorgruppen zum IS wirft die Frage auf, ob künftig nicht größere Terrorziele ins Visier genommen werden könnten. Die bedeutende Straße von Malakka würde eines dieser neuralgischen Ziele darstellen. Erhöhte Bedrohung der Straße von Malakka und des Welthandels Die Straße von Malakka zwischen Malaysia, Indonesien und Singapur bleibt ein besonders sensitiver Punkt in der Region (Bild 4). Der engste Durchgang ist mit 1,7 Meilen (2,7-km) Breite der sogenannte Phillips Kanal vor Singapur. Der bedeutende Schifffahrtsweg hat eine immense weltweite wirtschaftliche Bedeutung. Ein Drittel des globalen Handelsvolumens und die Hälfte des weltweit benötigten Öls passieren den Kanal jedes Jahr. Einen terroristischen Anschlag könnte man als Supergau für die Weltwirtschaft bezeichnen. Laut der amerikanischen Energy Information Administration (EIA) ist die Straße von Malakka der kürzeste Seeweg zwischen den Ölerzeugern im Persischen Golf und den asiatischen Märkten insbesondere in China, Japan, Südkorea und dem Pazifischen Raum. Sie ist ebenso der zweitgrößte Engpass für Öl in der Welt nach der Straße von Hormus und der bedeutendste im asiatischen Raum. Täglich werden rund 15 Mio. Barrel (2,4 Mrd. Liter) Öl und Ölerzeugnisse durch diesen Engpass transportiert. Der Anteil des Rohöls beträgt rund 90 %. Würde die Straße von Malakka z. B. durch einen Terroranschlag blockiert, wäre fast die Hälfte der globalen Tankerflotte nötig, um das Öl durch den Indonesischen Archipel wie z. B. die Straße von Lombok (zwischen den Inseln Bali und Lombok) oder die Sundastraße zwischen Java und Sumatra umzulenken. Die Umleitung würde gemäß EIA große Mengen von Schiffskapazität binden, die Transportkosten und somit die Ölpreise erhöhen. Um die Malakkastraße zu umgehen, investiert China z. B. stark in den Bau des Hafen Dawei in Myanmar und in eine Pipeline für Erdgas und -öl vom Hafen bis nach Yunnan in Südchina. Die Ölpipeline soll noch 2016 eröffnet werden. ■ WEITERE INfORMATIONEN Michael Stehr: Piraterie und Terror auf See. Nicht-Staatliche Gewalt auf den Weltmeeren 1990 bis 2004. Köster, Berlin 2004. Münchner Rück: Piraterie - Bedrohung auf See. Eine Risikoanalyse. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, München 2006. Michael Schuman: How to Defeat Pirates: Success in the Strait. Time Magazine; http: / / content.time.com/ time/ world/ article/ 0,8599,1893032,00.html; abgerufen am 15.03.2016 Bundespolizei: Pirateriebericht 3. Quartal 2015; http: / / www.bundespolizei.de/ Web/ DE/ 01Sicher-auf-Reisen/ 03Mit-Schiff-Boot/ 02Piraterie-Praevention/ Informationen-der -Sicherheitsbehoerden/ pirateriebericht_file.html; abgerufen am 15.03.2016 Aktuelle Vorfälle: https: / / icc-ccs.org/ piracy-reporting-centre/ live -piracy-map dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 3: Anti-Piraterie-Übung in der Straße von Malakka Foto: aseri.cou Bild 4: Lage der Straße von Malakka im Hauptschifffahrtsnetz Quelle: Maximilian Dörrbecker/ CIA World Factbook Bild 2: Flaggen, deren Schiffe zwischen Januar und September 2015 mehr als neun Mal von Piraterie betroffen waren Quelle: icc-ccs.org Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 12 Value Capture für Nahverkehrs-Projekte Eine aktuelle Veröffentlichung der APTA mit Beispielen Nahverkehrsangebote, Stadtentwicklung, Finanzierungsmodelle, Nutznießer-Mitfinanzierung Die „American Public Transit Association“ (APTA) vöffentlichte im August vergangenen Jahres eine Dokumentation mit Beispielen dafür, wie sich die Wertsteigerungen von Immobilien (Value Capture) infolge der Verbesserung von Nahverkehrsangeboten zum Zweck der Mitfinanzierung der Nahverkehrs abschöpfen lassen. Ein Überblick. Autor: Andreas Kossak I m August 2016 hat die „American Public Transit Association“ (APTA), das US-amerikanische Pendant zum Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), eine Dokumentation von Beispielen für die Abschöpfung der Wertsteigerungen von Immobilien (Value Capture) infolge der Verbesserung von Nahverkehrsangeboten zum Zweck der Mitfinanzierung der Nahverkehrs veröffentlicht [1]. Einleitend wird dort auf den sich verstärkenden Trend zur Urbanisierung in den USA verwiesen. Der sei nicht zuletzt auf die Verbesserung der Nahverkehrsangebote bzw. die zunehmend praktizierte Nahverkehrsorientierte Stadtentwicklung (Transit Oriented Development - TOD) zurückzuführen. Zahlreiche Untersuchungen hätten bestätigt, dass die Nähe zu attraktiven Nahverkehrs-Angeboten den Wert von Immobilien beträchtlich steigern kann. Es sei deshalb logisch und vertretbar, einen Teil dieser Wertsteigerungen abzuschöpfen, um den Betrieb des Nahverkehrs und/ oder die Schaffung neuer Angebote mitzufinanzieren („Nutznießer-Mitfinanzierung“). Mit der Dokumentation praktizierter Beispiele soll die Anwendung des in Frage kommenden Instrumentariums beschleunigt werden. Folgende Instrumente werden explizit genannt: • Special Assessment Districts • Tax Increment Financing • Impact Fees • Joint Development Bild 1: Innenstadt von Pittsburgh, PA, mit dem Marktplatz Foto: Chris Light/ wikimedia.org POLITIK Nahverkehr in den USA Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 13 Nahverkehr in den USA POLITIK • Air Rights Sale • Split Rate Property Taxes die Instrumente Die Instrumente werden im Detail beschrieben wie folgt: Special Assessment Districts (SAD) können von lokalen Gebietskörperschaften im Bereich um die Nahverkehrsinfrastruktur eingerichtet werden. Innerhalb dieser Gebiete werden den Eigentümern spezielle Gebühren oder Steuererhöhungen auferlegt. Die Steuern können auf dem Grundstückswert, dem Umsatz, speziellen Gewerbesteuern oder anderen Wertmaßstäben basieren. Tax Increment Financing (TIF) wird ebenfalls auf der Ebene spezieller Distrikte praktiziert. Lokale Gebietskörperschaften schaffen solche Distrikte und erheben dann dort zusätzliche Steuern auf Eigentum. Die Steuer-Einnahmen für den allgemeinen Haushalt werden auf einem bestimmten Niveau gedeckelt; alle Einnahmen, die über den Deckelbetrag hinausgehen, werden dem TIF - Fond zugeführt. Impact-Fees (IF) sind Gebühren, die auf Eigentum im Bereich einer Maßnahme erhoben werden, mit der das Nahverkehrsangebot verbessert wird; das geschieht gewöhnlich in einer definierten „Value Capture Zone“. Die Einnahmen aus den Gebühren gehen an einen speziellen Fond, aus dem Mittel für Nahverkehrsprojekte in dem betreffenden Gebiet bereitgestellt werden. Diese Methode unterscheidet sich von anderen Wertabschöpfungsgebühren dadurch, dass die Mittel üblicher Weise im Voraus erhoben werden, anstatt auf künftigen Einnahmen zu basieren. Joint Development (JD) bezieht sich auf die Praxis, Grundstücke, die der Nahverkehrsgesellschaft gehören, in Partnerschaft mit Privatunternehmen zu entwickeln. Dadurch können zusätzliche Einnahmequellen für den Nahverkehr erschlossen werden. Air Rights Sale (ARS): Verkauf oder Vermietung von Rechten zur Nutzung von Flächen oberhalb oder unterhalb von Einrichtungen im Besitz der Nahverkehrsgesellschaften können Einnahmequellen eröffnen, die direkt den betreffenden Gesellschaften zufließen ähnlich, wie das bei „Joint Development“ der Fall ist, aber mit geringerem Aufwand der Beteiligung an den Vorhaben der Privaten. Split-rate property Taxes: die meisten Gebietskörperschaften wenden eine einzige Steuer auf den gesamten Wert eines Grundstücks an; das beinhaltet sowohl den Wert der Grundstücksfläche als auch den Wert der darauf befindlichen Nutzungen. Bei der Splittung werden separate Steuern auf den Wert des Landes und den Wert der Nutzungen erhoben; dabei wird das Land höher besteuert. Dadurch werden die Eigentümer zu hochwertigen Grundstücksentwicklungen angeregt. Das kann dazu beitragen, dass Gebiete mit verbesserter Nahverkehrsinfrastruktur schneller wachsen (und damit die Nahverkehrsnachfrage fördern). die dokumentierten Beispiele Einige dokumentierte Beispiele sollen diese Entwicklung unterstreichen und Anregungen geben. Pittsburgh, Pennsylvania (Split-rate property Tax) Bereits in den späten 1970er und in den 1980er Jahren hat die Stadt Pittsburgh die Steuern auf den Wert von Grundstücken (Land) im Stadtgebiet auf das 6-Fache der Steuern auf die Gebäudewerte festgelegt. Das hat die Entwicklung von Gewerbe- und Wohngebieten beträchtlich angeregt, selbst als die Stahlindustrie in Schwierigkeiten geriet. Im Gegensatz zu den meisten Regionen der USA in jener Zeit war die Entwicklung im Stadtgebiet von Pittsburgh aufgrund dessen erheblich intensiver als in den Vororten (Bild 1). Washington, D.C. Area - Silver Line (Special Assessment District) Das Metro-System von Washington ist das zweitgrößte in den USA. Die Silver Line ist eine Erweiterung um rd. 20 % Streckenlänge im Zuge des „Dallas-Korridors“. Sie wird geplant und gebaut von der „Metropolitan Washington Airports Authority“, also nicht von der Nahverkehrsgesellschaft der Metropolregion. Der Ausbau erfolgt in 2- Phasen. Phase 1 hat eine Streckenlänge von 11,6 Meilen mit 5 Stationen im Fairfax County; in Phase 2 sind es 11,5 Meilen mit 6-Stationen (einschließlich einer Station am Dallas Flughafen) in den Landkreisen Fairfax und Loundoun. In beiden Phasen des Projekts kommen Value-Capture Instrumente für die Mitfinanzierung zur Anwendung. Das Fairfax County hat in 2004 einen „special tax district“ für Gewerbe- und Industrie-Grundstücke im Bereich der Phase 1 definiert; die Sonder-Steuer beträgt 0,22 USD je 100 USD Vermögenswert. In 2009 wurde auch für Phase 2 ein „special tax district“ definiert; die dort gültige Sonder- Steuer startete bei 0,05 USD je 100 USD Vermögenswert und wurde bis zum Geschäftsjahr 2014 auf 0,20 USD je 100 USD Vermögenswert gesteigert. Das Loundoun County richtete ebenfalls einen „special tax district“ ein (unter der Bezeichnung „Metrorail Service District“), um den in seinem Gebiet gelegenen Abschnitt der Phase 2 mitzufinanzieren; die Sonder-Steuer beträgt dort 0,20 USD je 100 USD Vermögenswert. Denver, CO - Union Station Metropolitan District (TIF) Das Projekt beinhaltet ein multimodales Drehkreuz für Bus, Stadtbahn, Pendler- und Fernverkehrszüge. In 2004 haben die Wäh- Bild 2: Inkon 12-Trambahnzug der South Lake Union-Linie, Seattle Foto: ericnvntr/ wikipedia.de POLITIK Nahverkehr in den USA Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 14 ler einer Erhöhung der Umsatzsteuer um 0,4 % zur Finanzierung des Projektes zugestimmt. In 2008 hat der Stadtrat einen „Tax Increment Financing District“ geschaffen, der das Stationsgelände und seine engere Umgebung umfasst, um die Bundesdarlehen bedienen zu können. Seattle, WA - SLU streetcar (Special Assessment District) Die South Lake Union Streetcar ist eine 1,3 Meilen lange Stadtbahnstrecke, die die Innenstadt von Seattle mit dem South Lake Union Quartier verbindet (Bild 2). In 2005 wurde von den Wählern die Bildung eines „Local Improvement Districts“ (LID) akzeptiert. 98 % der Grundeigentümer in dem Gebiet haben zugestimmt, das Projekt auf diese Weise mit zu finanzieren. Über die Hälfte der Kosten des Projekts in Höhe von 25,7 Mio. EUR wurden auf diese Weise aufgebracht. Die LID-Gebühren basierten auf dem Vermögenswert, dem Grundstückstyp und der Lage bzw. Nähe zur Stadtbahnstrecke. Die Eigentümer hatten die Wahl, die Gebühr im Voraus zu entrichten oder über 18 Jahre mit einem Zinssatz von 4,4 % abzuzahlen. Das Projekt hatte den erwarteten positiven Effekt für das Quartier. Seit der- Entscheidung dafür in 2005 wurden bis- 2014 rd. 350 000 m 2 Bürofläche und 6100- Wohneinheiten innerhalb einer Zone von vier Blocks um die Stadtbahnstrecke realisiert. London, UK - Crossrail (TIF, Special Assessment) Beispiele finden sich auch außerhalb der USA, beispielsweise im Vereinigten Königreich. So berichtete ein Vertreter von Transport for London TfL bereits im Juni 2014 - im Rahmen einer unter anderem von der APTA organisierten Veranstaltung - von der innovativen Finanzierung des „Crossrail-Projekts“ in London: Mit dem Crossrail-Projekt sollen Einkaufsquartiere sowie Geschäftsviertel in ganz London und der Flughafen Heathrow miteinander verbunden werden (Bild 3). Von den dafür kalkulierten 14,5 Mrd. GBP sollen 5,2 Mrd. GBP (rd. 36 %) mit „unkonventionellen“ Instrumenten finanziert werden. Dazu zählen mehrere Value-Capture- Mechanismen. Von großen Gewerbebetrieben in London werden zusätzliche 2 % Gewerbesteuer erhoben; daraus werden Einnahmen in Höhe von rd. 4,1 Mrd. GBP für das Projekt erwartet. Ferner wurde eine kommunale Infrastruktur-Umlage für die Mitfinanzierung des Projektes eingeführt; dabei handelt es sich um eine spezielle Gebühr, die von Entwicklern bestimmter Vorhaben in London gezahlt werden muss, die in der Summe ca. 1 % des jeweiligen Projektwertes ausmacht. Dazu kommt unter anderem die Einrichtung von TIF-Strukturen entlang des Projekt-Corridors im Bereich der „Royal Docks Enterprise Zone“, die 2012 eingerichtet wurde, um die Entwicklung auf den alten Werft- und Dock-Geländen Londons zu fördern. Zusammenfassung des Berichts und Schlussfolgerungen Die APTA-Dokumentation schließt mit der Feststellung, dass der Komplex „Value Capture“ eine Reihe wirkungsvoller Finanzierungs-Werkzeuge umfasst, die seit Langem wachsende Popularität genießen. Da in den USA fußläufige „Nachbarschaften“ mit gutem Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Nahverkehrs-Angebot immer gefragter werden, befänden sich die Städte unter zunehmendem Druck, ihre Nahverkehrsdienste zu verbessern. Dadurch würde gleichzeitig Druck auf die vermehrte Anwendung von Value-Capture-Werkzeugen entstehen, um die Verbesserungen der Nahverkehrsangebote finanzieren zu können. Das Thema ist nicht neu. Schon 2008 wurde beispielsweise eine Studie mit dem Titel „Capturing the Value of Transit“ veröffentlicht, die im Auftrag des US-Verkehrsministeriums erstellt worden war [2]. Mit der aktuellen Dokumentation der APTA erfolgt quasi eine „offizielle“ Anerkennung/ Bestätigung der Bedeutsamkeit von Value Capture durch das US-amerikanische Verkehrsgewerbe. Der Verfasser dieses Beitrags hat in [3] einen Überblick über die Vielfalt der innovativen Finanzierungsoptionen gegeben, zu denen auch die Instrumente des Value Capture gehören. Vor dem Hintergrund der Probleme der Nahverkehrs- Finanzierung in Deutschland wird es als geboten angesehen, die Nutzung und Ausschöpfung der in den betreffenden Instrumenten enthaltenen Potentiale endlich auch hier in Angriff zu nehmen. ■ LITERATuR [1] American Public Transportation Association: Value Capture for Public Transportation Projects: Examples; Policy Development and Research; August 2015 [2] Center for Transit-Oriented Development“ (CTOD): Capturing the Value of Transit; Studie im Auftrag des US-Verkehrsministeriums; November 2008 [3] Kossak, A.: Unkonventionelle Optionen zur Finanzierung des ÖPNV; In: Der Nahverkehr, 7-8 / 2013 Andreas Kossak, Dr.-Ing. Kossak Forschung & Beratung, Hamburg drkossak@aol.com Bild 3: Linienführung der Crossrail-Linie durch London Grafik: Davis Arthur/ www.crossrail.co.uk Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 15 V or etwa neun Monaten machten die Spitzenleute der fünf größten europäischen Luftfahrtkonzerne Lobbying zur Chefsache: In Brüssel kündigten sie - unzufrieden mit den sechs auf EU-Ebene für ihre Belange arbeitenden Verbänden - die Gründung eines siebten an. Mittlerweile ist die neue Lobby gegründet und trägt den Namen: Airlines for Europe, neumodisch chic abgekürzt A4E. Wie Top-Manager so sind, trugen sie gleich ziemlich dick auf: Mehrfach sprachen sie von einem „historischen Tag“, obwohl sie nichts anderes als einen neuen Verband ankündigten. Freilich einen, der den Ruf nach einer „neuen Revolution in der Europäischen Luftfahrt“ erschallen lassen soll. Die Luftfahrtbosse merkten dann schnell, dass es leichter ist, einen Konzern zu führen, als einen Verband aus der Taufe zu heben. Denn das großspurig für den Herbst angekündigte Vorhaben zog sich in die Länge: Termine waren nicht einzuhalten, und die Gründer mussten die interessierte Öffentlichkeitmusste mehrfach vertrösten. Mitarbeiter (Policy officers) waren schon bestimmt, bevor überhaupt ein geschäftsführender Direktor in Sicht war. Auf dem Luftfahrtgipfel, den die aktuelle niederländische EU- Präsidentschaft Anfang des Jahres am Flughafen Amsterdam/ Schiphol organisiert hatte, trat A4E erstmalig in Erscheinung. Und sorgte aus zwei Gründen gleich für Verwunderung: Erstens sagten die Neuen mit Blick auf die drängendsten Luftfahrtthemen in Europa das gleiche wie der Verband der Europäischen Luftfahrtgesellschaften (AEA). Das ist eine der ältesten Lobbyorganisationen in Brüssel und genau die, der A4E den Garaus machen will. Zweitens sprachen die Chefs der Gründungskonzerne der neuen Organisation keineswegs mit einer Stimme. Im Wettbewerb mit den Airlines der Golfstaaten etwa, einem thematischen Dauerbrenner in der EU, vertritt Willie Walsh, der Vorstandschef der International Airlines Group mit BA, Iberia und Vueling, eine dezidiert andere Haltung als die Chefs von Lufthansa und Air France/ KLM. Walsh setzt auf Wettbewerb, letztere rufen laut nach der helfenden Hand der EU-Kommission. Solche Differenzen in der Sache sorgen dafür, dass in Brüssel längst nicht alle vom Sinn der neuen Lobby überzeugt sind. Sie werden in ihren Zweifeln noch bestärkt, weil dort traditionelle Gesellschaften und Low-Cost-Carrier organisiert sind. Das definiert weitere Themenfelder, auf denen A4E nicht mit einer Stimme sprechen kann, und die deshalb aus der Verbandspolitik ausgeklammert werden müssen. So unklar vielen der Sinn der neuen Luftfahrtlobby ist, so deutlich sind deren Konsequenzen absehbar: Die Zahl der Interessenvertretungen des Sektors wird abnehmen: A4E bedeutet das Ende von AEA und von Elfaa, dem Europäischen Verband der Niedrigpreis-Fluglinien. Auch auf die Zukunft von Iaca, der Lobby der Chartergesellschaften, gibt niemand in Brüssel einen Pfifferling. Vor allem AEA will aber nicht sang und klanglos untergehen und stemmt sich gegen das Aus, das der ein oder andere schon für den Frühsommer voraussagt. Kleinere europäische Gesellschaften, etwa die polnische LOT, fürchten um ihre Lobby-Heimat. Ihre wirtschaftlichen Interessen weichen von denen der Branchengrößen ab. Das gilt auch für Turkish Airlines: Die Gesellschaft von außerhalb der EU, die aber in der Union eine nicht unerhebliche Rolle spielt, wäre dann ebenfalls ohne Interessenvertretung in Brüssel. Deshalb versucht das Unternehmen, das zufälligerweise gerade den Vorsitz in der AEA innehat, den Verband als Sammelbecken für alle die zu gestalten, die nicht mit Lufthansa und Co in einer Lobby kämpfen wollen, weil sich die Interessen von Groß und Klein nicht unbedingt decken. Zumal die Großen (A4E) sich wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Interessen auf die wenigen Themen konzentrieren werden, die allen Mitgliedern auf der Seele liegen: Einheitlicher Luftraum in Europa, niedrigere Flughafengebühren, Reduzierung der Steuern. Und es steht zu befürchten, dass die Großen, die die Kleinen generös eingeladen haben, ihrem Verband beizutreten, weniger großzügig sein werden, wenn es darum geht, Lot und Co. Veto- und Mitspracherechte einzuräumen. A4E, der neue Verband, will nach der Neuordnung der Brüsseler Lobby-Landschaft zur einzigen schlagkräftigen Interessenvertretung für die Luftfahrtgesellschaften werden. Ihre Mitglieder wollen die Neugründung der bereits effizient arbeitenden Flughafen-Lobby entgegen setzen. Denn die, so klagen die Airline-Vertreter immer wieder, nimmt ihnen ständig die Butter vom Brot. Selbst wenn sich alles im Sinne von A4E entwickeln sollte - es wäre für die Konsolidierung der Lobby-Szene sinnvoller, wenn am Ende der Neuordnung eine einzige Interessenvertretung auf EU- Ebene für den gesamten Wirtschaftssektor Luftfahrt spräche: Für Airlines und Airports. Das aber war, als sie das Lobbying zur Chefsache machten, offensichtlich selbst den Bossen der fünf größten europäischen Luftfahrtkonzerne eine zu gewagte Vision. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Luft-Schlacht der Lobbyisten Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 16 Optimierung der Container- Hinterlandverkehre auf der-Schiene aus Sicht der bremischen Häfen Hafen, Hinterlandverkehr, Kombinierter Verkehr, Hafenentwicklung, Hafenwettbewerb, TEN Im europäischen Schienengüterverkehrsmarkt kommt dem Seehafenhinterlandverkehr von und zu den großen Seehäfen eine führende Rolle zu. Dies überrascht keineswegs, denn gerade auf diesen Achsen und Korridoren wird in der Zukunft von den meisten Marktbeteiligten die größte Marktdynamik erwartet, hier werden im europäischen und nationalen Maßstab die größten Aus- und Neubauinvestitionen getätigt und genau hier ist der Wettbewerb der Transportdienstleister besonders weit gediehen. Aus dem Blickwinkel des führenden Eisenbahnhafens Europas, Bremerhaven, werden in diesem Artikel Strategien zur Optimierung der Container-Hinterlandverkehre aufgezeigt. Autoren: Iven Krämer, Birgit Bierwirth S pätestens seit Veröffentlichung des „Weißbuch für einen wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssektor“ im Jahr 2011 wird die signifikante Verlagerung der Güterverkehre von der Straße auf die Schiene und auf Binnenwasserstraßen auf allen politischen Ebenen gefordert, um den CO 2 -Ausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren und einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten. Leider besteht bis heute eine hohe Diskrepanz zwischen diesem hohen Anspruch und der Wirklichkeit. Verspätete Planungen, unzureichende Finanzierung und mangelnde Akzeptanz der Öffentlichkeit bedrohen unsere leistungsfähigsten und umweltverträglichsten Verkehrsträger. Als klassische Eisenbahnhäfen verfolgen die bremischen Häfen diese Entwicklung mit zunehmender Sorge. Ohne eine mit hinreichender Finanzierung hinterlegte Infrastrukturplanung ist sowohl die Erreichung jedweder Klimaschutzziele als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen und der gesamten Volkswirtschaft gefährdet. Angesichts von Umsetzungszeiträumen großräumiger Infrastrukturvorhaben nicht unter 15 Jahren ist es inzwischen leider schon nicht mehr fünf vor zwölf. Verkehrsmengenentwicklung im-Hafenumschlag Die Entwicklung der bremischen Häfen folgt trotz der zwischenzeitlichen Einbußen während der Wirtschafts- und Finanzkrise und der aktuell schwierigen Situation auf den Weltmärkten einem klaren langfristigen Wachstumstrend. Seit Beginn des Jahrtausends ist die Gesamtumschlagmenge in Bremen und Bremerhaven von 44,8 Mio. t auf 73,5 Mio.t um insgesamt 66 % gestiegen (3,35 % p. a.). Laut aktueller Seeverkehrsprognose wird dieser Umschlag bis 2030 bei einem deutlich reduzierten Wachstumstempo auf rund 104 Mio.t ansteigen. Die wichtigs- INFRASTRUKTUR Hafenhinterlandverkehr Baumaßnahmen im Bereich Kaiserhafen Quelle: Senat Bremen Ref .31 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 17 Hafenhinterlandverkehr INFRASTRUKTUR ten Wachstumstreiber werden weiter im Container- und Automobilsektor gesehen, während der Massengutumschlag unterproportional wachsen wird (Bild 1). Angesichts dieser Erwartungen wird die Bedeutung Bremerhavens mit seinen beiden großen Marktsegmenten Container und Automobile insbesondere in Hinblick auf die Schienenhinterland-Verkehre weiter erheblich zunehmen. Modal Split-Entwicklungen im Hinterlandverkehr In Bremerhaven als klassischem Eisenbahnhafen mit einem hohen Anteil schienenaffiner Güter wird kontinuierlich an der Verbesserung des Systems Schiene gearbeitet. Der Erfolg dieser Anstrengungen zeichnet sich in der Entwicklung des Modal splits deutlich ab. So ist hier der Anteil der Schiene im Container-Hinterlandverkehr in den vergangenen zehn Jahren von 35,9 % auf einen europaweiten Spitzenwert von 46,4 % gestiegen. In Kombination mit dem zeitgleich stark gestiegenen Containerumschlag bedeutet dies, dass sich der Containerhinterlandverkehr auf der Schiene in absoluten Zahlen in nur einem Jahrzehnt von 0,53 Mio. TEU auf 1,078 Mio TEU mehr als verdoppelt hat. Die Anzahl der umgeschlagenen Automobile ist in Bremerhaven rasant von 1,6 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2010 auf 2,3 Mio. Fahrzeuge in 2015 gestiegen (+ 38 % insgesamt; 6,7 % p.a.). Durch Verlagerung der Produktion asiatischer Hersteller nach Südosteuropa und weltweit hoher Nachfrage nach deutschen Fahrzeugen hat sich im gleichen Zeitraum das Import/ Export-Verhältnis drastisch von 40/ 60 auf 20/ 80 geändert. Da Exportfahrzeuge in der Regel mit Ganzzügen von bis zu 750 m Länge aus den deutschen und europäischen Automobilwerken zu den Häfen transportiert werden und Importfahrzeuge zum überwiegenden Teil per LKW an die Händler im Hinterland verteilt werden, hat sich der Automobiltransport insgesamt deutlich zu Gunsten der Bahn entwickelt. 2015 wurde deshalb knapp 80 % aller im Hafen verschifften Automobile mit der Bahn von/ nach Bremerhaven transportiert. Diese Erfolge in Kombination mit der erwarteten Verdopplung des Containerumschlags und der Zielsetzung, den Schienenanteil im Container-Hinterlandverkehr bis 2030 weiter auf 55% zu steigern, stellen die bremischen Häfen für das kommende Jahrzehnt vor neue Herausforderungen. Entwicklung der Zugzahlen zwischen 2010 und 2015 Die bremische Hafeneisenbahn als eigenständiges Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen und Schnittstelle zwischen dem bundesweiten Netz der DB Netz AG und den Seeumschlag-Terminals konnte in den vergangenen fünf Jahren außergewöhnliche Zuwächse verzeichnen. 2015 fuhren rund 30 000 Güterzüge von/ nach Bremerhaven. Gegenüber 2010 bedeutet dies im Mittel aller Verkehre einen Zuwachs von rund 30 %. Eine detaillierte Betrachtung zeigt, dass ein Großteil des Zuwachses der vergangenen Jahre auf die Automobilverkehre entfällt, die jährlich um gut 10 % angestiegen sind. Die Anzahl der Containerzüge ist dagegen vergleichsweise moderat mit knapp 3 % pro Jahr gewachsen. Die durchschnittliche Zahl der Güterzüge/ Woche im Seehafen Bremerhaven hat sich in dieser Zeit von 443 auf 570 erhöht, in Spitzenwochen wurden 2015 ca. 640 Züge abgefahren. Damit wurden bereits 2015 Zugzahlen erreicht, die in der nach wie vor gültigen Verkehrsverflechtungsprognose des Bundes von 2007 erst für das Jahr 2025 erwartet worden waren. Die Erwartungen zur Zugzahlenentwicklung, die Bremen 2010 im Rahmen eines „Masterplans Hafeneisenbahn Bremerhaven“ mit 770 Zügen für das Jahr 2025 bezifferte, stellen angesichts dieser Entwicklung heute eine eher vorsichtige, aber weiterhin sehr realistische Einschätzung dar. Die im Kontext der neuen Seeverkehrsprognose abgeleiteten Zugzahlen im Rahmen des Dialogforums-Schiene-Nord lassen dagegen für 2030 erneut eine Unterschätzung des Kapazitätsbedarfs und verspätetes Handeln befürchten (Bild 2). Neben dem überproportional starken Anstieg der Zugzahlen von nach Bremerhaven ist zu beobachten, dass sich die Verteilung der Verkehre über das Kalenderjahr ebenso wie die Verteilung innerhalb der Woche immer weiter angleicht. Angesichts der Tatsache, dass signifikante Rückgänge inzwischen nur noch zum Jahreswechsel bzw. im Wochengang an den Samstagen und Sonntagen festzustellen sind, deutet manches darauf hin, dass das System Schiene im Hafenhinterlandverkehr kaum noch über freie Kapazitätsreserven verfügt. In der Konsequenz droht eine zunehmende Stör- 0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2020 2025 2030 Massengut Stückgut Bild 1: Umschlagentwicklung der bremischen Häfen ( in 1000 t) Bild 2: Ein- und Ausgangszüge von/ nach Bremerhaven 2010-2015 sowie Prognose Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 18 INFRASTRUKTUR Hafenhinterlandverkehr anfälligkeit der Bahnverkehre bei sinkender Qualität und reduzierter Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers (Bild 3). Unter Berücksichtigung der darüber hinaus künftig durch den Jade-Weser-Port generierten Hinterland-Züge ist eine Erweiterung der Kapazitäten im Knoten Bremen dringend geboten, um Schienenverkehre, wie sie bisher nur für den Knoten Hamburg in die Überlegungen einfließen, zuverlässig abfahren zu können (Bild 4). Bremen stellt sich der Herausforderung Die Freie Hansestadt Bremen hat in der Vergangenheit erhebliche Mittel in den Ausbau der seeseitigen Kapazitäten investiert. In mehreren Ausbaustufen (zuletzt Container-Terminal 4) ist zwischen den 1970er Jahren bis heute eine Hafenanlage mit einer Gesamt-Kajenlänge von fast fünf Kilometern gewachsen, die unter Berücksichtigung moderner Technologien Umschlagkapazitäten für bis zu 15 Mio. TEU bietet. Um die Wettbewerbsfähigkeit der bremischen Häfen auch für die kommenden Jahrzehnte weiterzuentwickeln, gewinnt deshalb die Seehafenhinterland-Anbindung immer mehr an Bedeutung. Und dies gilt mit Blick auf die Quellen und Zielorte der Waren in besonderem Maße für die Schiene. Mit einem eigenen „Masterplan Hafeneisenbahn Bremerhaven“ hat Bremen schon während der globalen Wirtschaftskrise im Jahr 2010 Maßnahmen definiert, um den- Schienen-Hinterlandverkehr von/ nach Bremerhaven gezielt weiterzuentwickeln und so einen Beitrag zum nationalen und europäischen Ziel der Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger zu leisten. Von den insgesamt 17 Maßnahmen aus den Bereichen „Infrastruktur“, „Betrieb / Technik“ sowie „Organisation / Verträge“ wurden in den vergangenen fünf Jahren mit Investitionen in Höhe von etwa 40 Mio. EUR bereits neun Maßnahmen im Bereich der Serviceeinrichtung „bremische Hafeneisenbahn“ vollständig umgesetzt, zwei Maßnahme befinden sich aktuell in Planung bzw. Umsetzung und für zwei weitere Maßnahmen wurde ein kontinuierlicher Optimierungsprozess implementiert. Als erste große Infrastrukturmaßnahme wurden bis Juni 2015 insgesamt 16 Gleise für den Automobilverkehr im Bahnhofsteil Kaiserhafen auf bis zu 750 m verlängert, neue Verbindungen geschaffen und drei zusätzliche Gleise vollständig elektrifiziert. Aktuell werden in einem zweiten Schritt erhebliche zusätzliche Gleiskapazitäten im Bereich Imsumer Deich neben einer bereits vorhandenen 8er Gleis-Vorstellgruppe geschaffen. Hierdurch stehen ab Herbst 2017 acht zusätzliche 750m lange, voll elektrifizierte Gleise für die Abfertigung von Container- und Automobilzügen zur Verfügung. Für den Ersatz des Ablaufrechners im Bahnhof Speckenbüttel, weitere Elektrifizierungen verbliebener Bereiche, zusätzliche Lok- Abstellplätze und nochmals erweiterte Gleise haben die Entwurfsplanungen begonnen. Zum Teil kann dabei auf das Seehafen-Hinterland-Sofortprogramms II zurückgegriffen werden. Nach Abschluss dieses Maßnahmenpaketes stehen auf der bremischen Hafeneisenbahn hinreichende zusätzliche Kapazitäten für den erwarteten Schienen-Hinterlandverkehr im kommenden Jahrzehnt zur Verfügung. Infrastrukturentwicklung im bremischen Hinterland - wird auch der Bund seiner Verantwortung gerecht? Für die über die bremische Hafeneisenbahn hinausgehende Hinterlandanbindung der bremischen Häfen liegt die Verantwortung für einen bedarfsgerechten Ausbau der Kapazitäten beim Bund. Hier zeichnet sich für den bisher gültigen Bundesverkehrswegeplans von 2003 ein trübes Bild. Während die Güterverkehrsmengen über See in Bremerhaven seit Inkrafttreten des BVWP 2003 um mehr als 70 % angestiegen waren und sich die Mengen im Containerhinterlandverkehr auf der Schiene seither mehr als verdoppelt hatten, war bzw. ist bisher leider keines der für Bremen relevanten BVWP-Projekte im Schienenhinterland realisiert worden. Zwar nimmt das Themenfeld des Seehafenhinterlandverkehrs in vielen nationalen Papieren wie dem Aktionsplan Güterverkehr- und Logistik oder dem Nationalen Hafenkonzept seit Jahren breiten Raum ein und genießt dort jeweils „höchste Priorität“, konkrete Ausbauprojekte für den massiv zunehmenden Schienengüterverkehr sind aber nach wie vor selten, in der Umsetzung zu langsam und im Ergebnis meist einen Schritt zu spät, um dem Anspruch einer vorausschauenden Planung gerecht zu werden. So wurden beispielsweise im Rahmen des ersten Seehafenhinterland-Sofortprogramms zwischen 2010 und Ende 2013 durch kleinere Maßnahmen im Bereich des Bremer Hauptbahnhofs und auf der Strecke Bremen-Bremerhaven Kapazitäten geschaffen, um die aus damaliger Sicht bis 2015 absehbaren Kapazitätsengpässe zu lindern. Tatsächlich sind die Verkehrsmengen auf Bild 4: Terminalbereich mit Autoverladung Quelle: Senat Bremen Ref. 31 Bild 3: Bremische Hafeneisenbahn, Ein- und Ausgangszüge im Bereich Bremerhaven 2015 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 19 Hafenhinterlandverkehr INFRASTRUKTUR dieser Strecke in gleicher Zeit auf das Niveau der Prognosen für 2025 gestiegen. Das bedeutet, dass die Hafenhinterland-Entwicklung der bremischen Häfen von den Verantwortlichen auf Seiten der Bahn und des Bundes sowie bei den entsprechenden Beratern in den vergangenen Jahren kontinuierlich und systematisch unterschätzt worden ist. Weitsichtige Projekte wie eine optimierte Anbindung Bremens in Richtung Süden und Osten, die seit den frühen 90er Jahren in den jeweiligen Bundesverkehrswegeplänen immer als besonders „vordringlich“ erkannt und eingestuft worden waren, lassen in ihrer Umsetzung seither auf sich warten. Erwartungen an den neuen-BVWP Angesichts der bisherigen Entwicklungen setzt Bremen große Erwartungen in den neuen Bundesverkehrswegeplan, da dieser mit Schwerpunktsetzungen im Bereich der internationalen Verkehre, und nichts anderes sind die Hafenhinterlandverkehre, der Engpassauflösungen und des Seehafen- Hinterlandverkehrs einer klaren Prioritätensetzung folgt. Nach über zwei Jahrzehnten des Planens, des Diskutierens, des Abwägens, des Umplanens, kurzum des Wartens auf eine leistungsfähige Anbindung nach Süden und Südosten ist 2015 mit der Durchführung des Dialogforums-Schiene-Nord wieder Bewegung in die längst überfällige Diskussion zur Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen gekommen. Über einen Zeitraum von sieben Monaten haben insgesamt 94 Teilnehmer eine Vorzugsvariante entwickelt, deren Ziel es war, zeitnah hinreichende Schienenkapazitäten für den wachsenden Seehafen-Hinterlandverkehr zu schaffen, ohne Mensch, Natur und Umwelt mehr als notwendig zu belasten. Die dabei entwickelte Vorzugsvariante „Alpha E“ (Bild 5) umfasst folgende Maßnahmen: • Zweigleisiger Ausbau Rotenburg-Verden • Dreigleisiger Ausbau Lüneburg-Uelzen • Elektrifizierung der Amerikalinie Langwedel-Uelzen • Blockverdichtungen, Überholgleise und Wendegleise auf den Strecken Langwedel Wunstorf, Celle Lehrte und Nienburg Minden. Obwohl im Dialogforum Schiene Nord die Schaffung von Streckenkapazitäten im Raum Hannover-Hamburg/ Bremen Gegenstand der Betrachtung war, wurde immer wieder auch auf die Bedeutung der großen Knoten Hamburg, Bremen und Hannover hingewiesen. Nur wenn diese Knoten für den zunehmenden Personen- und Güterverkehr auf der Schiene ertüchtigt werden, ist das zu erwartende Aufkommen zu bewältigen und eine Verlagerung von Verkehren von der Straße auf die Schiene möglich. Aus bremischer Sicht ist es dringend erforderlich, dass alle Alpha-E-Maßnahmen, die Knotenthematik und auch die Einbeziehung vorhandener, nicht-bundeseigener Infrastrukturen im Gesamtkonzept des neuen BVWP eingehen und bei den späteren Ausbaugesetzen Berücksichtigung finden, um den bestehenden Rückstand der Schiene im Verkehrsträgervergleich zu reduzieren. Die bereits erfolgte Aufnahme der Planungen zum zweigleisigen Ausbau der Strecke Rotenburg-Verden als bestehender Maßnahme des alten BVWP ist ein erster Schritt in diese richtige Richtung. Diesem sollten die ebenfalls bereits in früheren Verkehrswegeplänen enthaltene Amerikalinie und die technischen Optimierungen wie Blockverdichtungen oder ETCS-Umrüstungen ohne zeitlichen Verzug folgen. Fazit Die bremischen Häfen wurden in ihrer Hinterland-Entwicklung in den vergangenen Jahren kontinuierlich und systematisch unterschätzt. Dabei verzeichnen sie insbesondere im Bereich der bremischen Hafeneisenbahn am Standort Bremerhaven seit Jahren eine überaus dynamische Entwicklung und investieren aktuell rund 40 Mio. EUR in den Ausbau der Bremen-eigenen Gleisanlagen. Die Infrastrukturentwicklung im Hinterland hielt und hält dieser Dynamik von Europas im Modal Split führenden Eisenbahnhafen jedoch nicht Schritt. In der Konsequenz droht eine steigende Störanfälligkeit und eine sinkende Qualität des Systems Schiene insgesamt. Damit die gewünschte Verlagerung von der Straße auf die Schiene auch in Zukunft gelingt, ist entschlossenes Handeln dringend geboten. Mit dem Dialogforum-Schiene-Nord ist ein Infrastrukturkonzept für den Raum Bremen/ Hamburg/ Hannover entwickelt worden, dass von einer breiten Mehrheit getragen wird. Nun ist es die Aufgabe des Bundes, im Wettlauf mit den steigenden Hinterland- Mengen Boden gut zu machen und die seit- Jahrzehnten bekannten Infrastrukturengpässe aufzulösen. ■ Bild 5: Vorzugsvariante „Alpha E“ Iven Krämer, Dr. Referat 31 - Hafenwirtschaft und -infrastruktur, Schifffahrt, Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Freie Hansestadt Bremen iven.kraemer@wuh.bremen.de Birgit Bierwirth Referat 31 - Hafenwirtschaft und -infrastruktur, Schifffahrt, Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Freie Hansestadt Bremen birgit.bierwirth@wuh.bremen.de Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 20 Supply Chain Management in-Zeiten der Digitalisierung Welche Vorteile bringt eine cloud-basierte Logistikplattform in der Praxis? Komplexität, Collaboration, Spediteursintegration, Beschaffungsnetzwerk, Sendungsmanagement Lieferketten sind das tragende Gerüst der Logistik. Sie gewährleisten stabile Versorgungsprozesse, verknüpfen Beschaffungs- und Absatzmärkte, stellen Geschäftsbeziehungen über Kontinente hinweg sicher. Damit das reibungslos funktioniert, müssen eine Vielzahl von Dienstleistungspartnern über Unternehmens-, Sprach- und Systemgrenzen hinweg in die komplexen Abläufe der Logistik integriert werden. Cloud-Lösungen wie die Logistikplattform AX4 machen das heute per Mausklick möglich. Autoren: Frauke Heistermann, Christian Wendt B estand ein Auto Anfang der 60er Jahre noch aus weniger als 100- Bauteilen, werden bei Fahrzeugen der heutigen Generation rund 10 000 Einzelteile verbaut. Teile, die hunderte von Zulieferbetrieben und Spediteuren in aller Welt an die Produktionsstandorte eines Herstellers senden - zuverlässig, just-in-time. Das Beispiel lässt erkennen, worin die Herkulesaufgabe für Logistiker auf Verladerwie auf Dienstleisterseite besteht: alle beteiligten Akteure entlang der Lieferkette unter einen Hut zu bekommen und so zu orchestrieren, dass Versorgungsprozesse stimmig verlaufen. Dieses Zusammenspiel erfordert mehr als den bilateralen Daten- und Informationsaustausch per Telefon, Fax oder E-Mail, der sich in einem Netzwerk hunderter Nachrichtenempfänger nach dem Stille- Post-Prinzip verbreiten würde. Collaboration im Sinne einer engen, unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit verschiedener Partner muss dem Takt folgen, den der Kunde oder Lead Logistics Provider vorgibt. Daher machen heute Technologien die Musik, die Voraussetzungen für eine problemlose Integration und das perfekte Zusammenspiel aller „Orchestermitglieder“ gewährleisten. Keine Technologie schafft das besser als die Cloud. Sie bietet den Raum und die Instrumente, die eine erfolgreiche Collaboration zwischen Verladern und Logistikdienstleistern ermöglichen. Sie ist überall und immer für alle Netzwerkbeteiligten verfügbar. Eine cloud-basierte IT-Plattform wie AX4, die über diesen Weg weltweit mehr als 150 000 User integriert, bildet Prozesse unternehmensübergreifend ab, schafft Transparenz entlang der Lieferkette und ermöglicht durch diese Voraussetzungen die Collaboration zwischen den vielen verschiedenen Beteiligten. Die Komplexität im Management von Lieferketten reduziert sich auf diesem Wege deutlich. Im Zeitalter der digitalisierten Logistik wird die Cloud zum Enabler von Collaboration - und das über alle Branchen und Anwendungsfälle hinweg. Ob Warenverteilung Foto: ? ? ? INFRASTRUKTUR Cloud-Nutzung in der Pharmaindustrie oder Beschaffung von Produktionsmitteln im Maschinenbau oder in der Elektrotechnik: mit modernen cloud-basierten IT-Lösungen verlaufen Logistikprozesse automatisiert; sie regeln sich selbst, werden detailliert dokumentiert und lösen Alarm aus, wenn Prozesse oder avisierte Liefertermine aus dem Ruder laufen. Zu keiner Zeit gab es Lösungen, die Komplexität besser reduzieren können. Zu keiner Zeit gab es mehr Transparenz in weltumspannenden Netzwerken. Der Cloud sei Dank. Die nachfolgenden Beispiele zeigen, wie sich die Nutzung einer Cloud-Plattform wie AX4, in der Beschaffungs- und Distributions-Logistik bei Unternehmen aus Handel und Industrie sowie im Einsatz bei Logistikdienstleistern in der Praxis darstellt. Beispiel 1: Management eines Transportnetzwerkes in der Beschaffung Ein Industrie- oder Handelsunternehmen mit mehreren Standorten organisiert die Beschaffungstransporte für seine Produkte. Diese werden zur Weiterverarbeitung in der Produktion benötigt oder für die weitere Distribution zwischengelagert. Oft zahlt und beauftragt der Warenempfänger den Spediteur, während der Lieferant die Sendungen avisiert bzw. die Abholaufträge bestätigt. Es handelt sich um Stückgut und/ oder Teil- und Komplettladungen. Meist ist der Prozess der Abholbeauftragung intransparent. Je nach Standort des Warenempfängers, der eingesetzten Spediteure und Lieferanten gibt es unterschiedliche Abläufe, die teilweise historisch gewachsen sind. Werden die Abholsendungen bei dem einen Lieferanten per Fax, E-Mail, EDI oder telefonisch beauftragt, erfolgt die Abholung in einem anderen Fall automatisch über feste, regelmäßige Touren (Milkruns). Es gilt, einen zentralen und einheitlichen Weg zur Übermittlung von Abholavisen und -aufträgen von verschiedenen Lieferanten an verschiedene Spediteure zu schaffen und einen Weg zur Erzeugung der notwendigen Transportdokumente wie beispielsweise Labels und Frachtbriefe zu finden. Gleichzeitig soll größtmögliche Transparenz zu wichtigen Sendungsparametern wie Abholvolumen, Sendungsverlauf und voraussichtlichen Eintreffterminen geschaffen werden; wünschenswert ist zudem eine frühzeitige Eskalation, sollte es Abweichungen vom Regelprozess geben. Darüber hinaus sollen neue Lieferanten und Spediteure schnell und einfach in die Lieferkette integriert werden können. Die cloud-basierte IT-Lösung: Die Lieferanten erfassen Abholaufträge und -avise per Web-Account oder übermitteln diese per EDI Schnittstelle an ihre Spediteure. Während der Sendungserfassung können via AX4 wichtige Informationen hinzugefügt werden; so lassen sich durch den Zugriff auf Stammdaten automatisch weitere Informationen generieren, beispielsweise: • Berechnung des Zustelltermins auf Basis eines vorhandenen Abholtermins und hinterlegter Laufzeiten; Berechnung des Abholtermins auf Basis des vorhandenen Zustelltermins und hinterlegter Laufzeiten • Automatisches Routing der Sendung an den entsprechenden Spediteur auf Basis hinterlegter Routingtabellen und Services • Berechnung der Lademeter, des Volumens, des frachtpflichtigen Gewichtes • Optional kann auch der Spediteur die Möglichkeit erhalten, Abholaufträge anstelle eines Lieferanten per Web zu erfassen. Somit wird sichergestellt, dass 100 % der Daten zur Verfügung stehen. Die Spediteure erhalten die Informationen über abzuholende Sendungen per Schnittstelle und in ihrem AX4 Web-Account. Sie melden Trackingdaten von der Abholung bis zur Zustellung zurück. Aktiv weist das System auf Abweichungen hin, indem Soll- und Ist-Termine verglichen werden. Das Tracking umfasst das Monitoring des kompletten Transports, einschließlich Vorlauf, Hauptlauf, Nachlauf - auch über verschiedene Verkehrsträger wie Schiene und Straße hinweg. Über einen Control Tower kann der Warenempfänger alle Prozesse und Daten standortübergreifend einsehen. Standardreports geben zudem Aufschluss über die Performance der beauftragen Spediteure sowie zu Sendungsvolumina. Optional stehen weitere Instrumente in der Cloud bereit: So können die IT-Anwendungen jederzeit um sinnvolle Tools - beispielsweise zur Frachtabrechnung oder Zeitfenstersteuerung - erweitert werden. Beispiel 2: Integration von 150 Spediteuren für ein großes Industrieunternehmen im Bereich der distribution Ein großer Konzern besitzt fünf verschiedene Produktionswerke in Europa. Von dort aus erfolgt mit 150 Spediteuren die Distribution zu Kunden in aller Welt. Für unterschiedliche Produkte, Services und Relationen werden verschiedene Spediteure eingesetzt (z. B. für KEP, Stückgut, Ladung- und Teilladungsverkehre). Das Unternehmen 02-16 (gewerbliche Endverbraucher) Energiesparen inklusive: Sectionaltore SPU Thermo • 67-mm dicke Lamellen mit bester Wärmedämmung: U-Wert bis zu 0,33-W/ (m²·K) • thermisch getrennte Schlupftür mit extraflacher Edelstahl-Schwelle • günstige Antriebslösung mit dem WA 300 Sehen Sie den Kurzfilm zum WA-300 unter: www.hoermann.com/ videos * Industrie-Sectionaltor SPU-67 Thermo im Vergleich zum SPU-42 Industrietorantrieb WA-300 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 22 INFRASTRUKTUR Cloud-Nutzung nutzt an den Standorten ein ERP-System, allerdings mit verschiedenen Release-Ständen. Es gilt, mit allen Spediteuren einen standardisierten Kommunikationsprozess aufzubauen und bislang lokale 1: 1 Verbindungen über heterogene Kommunikationswege zu betreiben. Die cloud-basierte IT-Lösung: Aus dem ERP-System der verschiedenen Standorte werden vordisponierte Sendungsdaten an AX4 übermittelt (eine Schnittstelle je unterschiedlichem ERP-System). Über hinterlegte Routingvorgaben leitet AX4 die Sendungen an die verschiedenen Spediteure weiter. Dabei gibt es einige Besonderheiten: Der Datensatz des ERP-Systems umfasst Daten, die nicht in ein Speditionsprogramm eingelesen werden können, die aber dennoch wichtig sind und nicht einfach „abgeschnitten“ werden dürfen. Daher speichert AX4 diese Daten für die Spediteure jederzeit zugänglich in deren AX4 Web-Account. Automatisch weitergeleitet werden in Folge nur noch diejenigen Daten an das Speditionsprogramm, die dort auch verarbeitet werden können. Zudem kann nicht jedes Speditionsprogramm Sendungs-Updates verarbeiten. Die Lösung: AX4 speichert die Sendungsavisdaten im Web-Interface des Users; hier sind sie für den User per Login zugänglich. Nur die Sendungsdaten mit dem Kennzeichen „final“ werden dann in das Speditionsprogramm übermittelt. Die Spediteure erhalten ein Serviceangebot aus verschiedenen Anbindungsvarianten, aus denen sie flexibel die für sie passende Option wählen können, z.B. individuelle Schnittstelle, Standardschnittstelle, Web- Account, E-Mail Benachrichtigung bei neuer Sendung oder Download-Funktion für Sendungsdaten. Nachdem die Sendungsdaten an die Spediteure übermittelt wurden, senden diese Trackingdaten zurück. Auch dafür können sie aus verschiedenen Optionen die für sie passende auswählen. Um mit dem angeschlossenen ERP-System reibungslos zu kommunizieren, wandelt AX4 die verschiedenen Trackingvokabeln der Spediteure in ein einheitliches Trackingvokabular des Verladers um und sendet diese über eine definierte Schnittstelle zurück in das ERP-System. Beispiel 3: Sendungsmanagement für Logistikdienstleister Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen einem Logistikdienstleister und seinen Kunden erfordert die optimale Verknüpfung von Kommunikationsprozessen. Um dies zu ermöglichen, hat der Dienstleister diverse Lösungen im Einsatz, darunter häufig auch Individuallösungen, die speziellen Kundenanforderungen Rechnung tragen. Das Management der unternehmensübergreifenden Kommunikation für den Dienstleister und seine Kunden ist in diesem Fall mit sehr hohem Aufwand verbunden. Die cloud-basierte IT-Lösung: Eine cloud-basierte Logistikplattform bietet dem Logistikdienstleister den Vorteil einer zentralen Lösung, die er für verschiedene Anforderungen und Verladerkunden nutzen kann. Unzählige Individuallösungen werden durch einen Standard abgelöst, der das durchgehende Sendungsmanagement ermöglicht. Außerdem verfügt die Plattform über smarte, moderne Zusatzfunktionen, die bei Kunden zu einer hohen Benutzerzufriedenheit führen. Je nach Anforderung des Kunden können zentral verfügbare IT-Lösungen unterschiedliche Ausprägungen haben. Ihre Anwendungsvielfalt ist durch schnelle, einfache und flexible Konfigurationsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt. So lassen sich cloud-basierte IT-Plattformen für Distributions- und Beschaffungsprozesse nutzen, als Sendungserfassungsportal für Standardversender, für das Sendungsmanagement und Tracking großer Distributionskunden oder als Abholnetzwerk für Beschaffungskunden. Welche Möglichkeiten bietet eine cloudbasierte SCM-Lösung in der täglichen Praxis des Sendungsmanagements? Einige Features: • Sendungsdaten können systemunabhängig vom Kunden an den Logistikdienstleister übermittelt werden. Hierfür stehen flexible Kommunikationswege zur Verfügung, z. B. EDI, Sendungs-Upload oder eine webbasierte Erfassungsmaske • Die Erfassungsmaske ist multilingual und umfasst neben der klassischen Sendungserfassung weitere Bereiche wie z. B. Adressbuch, Vorlagenfunktionen, Gefahrguterfassung mit Prüfroutinen • Sendungsdaten können jederzeit bearbeitet und um wichtige Zusatzinformationen erweitert werden • Die Darstellung der Sendungsdaten erfolgt in Übersichten und Suchmasken, die den Anforderungen der Beteiligten individuell angepasst werden können • Generierung wichtiger Dokumente wie Ladelisten oder Barcodelabels • Austausch von Trackingdaten, verbunden mit proaktiven Benachrichtigungen bei bestimmten Ereignissen, auch mobil, via Tablet oder Smartphone • Kombinierbare Erweiterungen wie beispielsweise Frachtkalkulation, Zeitfenstersteuerung, Reports oder die Möglichkeit, Dokumente hochzuladen • Verwaltungs- und Konfigurationsfunktionen für den Logistikdienstleister, um eigenständig bestehende Lösungen zu ändern oder neue Lösungen aufzusetzen Fazit Cloud-basierte IT-Lösungen machen komplexe Logistikprozesse leichter beherrschbar. Sie ermöglichen die Integration aller Teilnehmer entlang der Supply Chain auf Knopfdruck. Prozesse werden automatisiert, die Datenverfügbarkeit steigt und die Informationsqualität wächst. Durch die zentrale Verfügbarkeit von transportrelevanten Informationen für alle Prozessbeteiligten lassen sich Entscheidungen besser treffen, teure Fehlentscheidungen vermeiden und Kosten für Recherchen und Informationsbeschaffung reduzieren. Dies führt in der Praxis zu folgenden Ergebnissen: • Geringere Transportkosten, da Synergien frühzeitig erkannt werden • Bestandsreduzierung, da aufgrund transparenter Prozesse weniger Sicherheitsbestände notwendig sind • Geringere Administrationskosten, da weniger Recherchen notwendig sind und Daten nicht mehr doppelt erfasst werden müssen • Reduzierung von Projektkosten und -risiko • weniger Redundanzen und Ineffizienzen • weniger Risiken entlang der Supply Chain • effizientere Planung von Ressourcen in Hubs und Transporten Die Logistikplattform AX4 erlaubt es Kunden zudem, mithilfe der Administrationsumgebung AX4 Open Lösungen eigenständig anzupassen. Das bietet Unternehmen ein hohes Maß an Agilität und Gestaltungsspielraum. So lassen sich innovative Ideen mit den verfügbaren Tools unabhängig vom Softwarehersteller realisieren. Darin liegt vermutlich für viele der größte Gewinn: Zukunftssicherheit. ■ Frauke Heistermann Mitglied der Geschäftsleitung, AXIT GmbH - A Siemens Company, Frankenthal frauke.heistermann@axit.de Christian Wendt Manager Produktmarketing, AXIT GmbH - A Siemens Company, Frankenthal christian.wendt@axit.de Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 23 Online-Handel LOGISTIK Digitalisierung und Online-Pricing Empfehlungen für die Logistik der Zukunft Digitalisierung, Logistik, Pricing, Online Die Logistikbranche ist gekennzeichnet von typischen Merkmalen des B2B-Geschäfts: Fragmentierte Kundenstruktur, hohe Fixkosten und komplexe Produktionsprozesse treffen auf überwiegend manuelle Vertriebsprozesse. Während in der Auftragsabwicklung die Digitalisierung langsam Einzug hält, folgt die Branche beim Pricing altbewährten Ansätzen. In vergleichbaren Branchen sind Digitalisierung und Online- Pricing hingegen erfolgreich. Der Angebotsprozess für Kunden wird beschleunigt, Logistikunternehmen erhalten die Möglichkeit, durch intelligentes, automatisiertes Pricing bessere Margen zu erzielen. Eine Studie von Simon-Kucher & Partners hat die Chancen des Online-Pricing für die Logistik untersucht. Autoren: Philipp Biermann, Sven Wengler D er Begriff Online-Pricing ist weit verbreitet. Die Bedeutung ist oftmals nicht ganz klar bzw. wird von unterschiedlichen Personen anders interpretiert. So unterliegen einige Logistikunternehmen dem Trugschluss, dass ihr Unternehmen bereits echtes Online-Pricing implementiert hat. In Realität nutzen diese Unternehmen jedoch oft nur EDI (Electronic data interchange), also einen standardisierten Buchungsprozess. Bild 1 zeigt die Unterschiede zwischen verschiedenen Versionen von internetbasiertem Pricing. Dabei ist EDI eine bei Logistikunternehmen weit verbreitete Plattform, die jedoch nicht dem Online-Pricing entspricht. Bei EDI werden die Preise bereits im Vorfeld kalkuliert und verhandelt, nicht online. Es handelt sich demnach lediglich um eine Buchungsplattfom ohne Bezug zum Pricing. Unter „echtem“ Online-Pricing versteht Simon-Kucher & Partners hingegen einen intelligenten, automatisierten Pricing-Ansatz, der eine Reihe von Kriterien erfüllt. Zum einen erfolgt das Pricing nicht manuell, sondern anhand eines klaren Algorithmus. Dies führt zum Beispiel dazu, dass identische Fragen auch zu einer identischen Preisofferte führen. Dieser Preis ist dabei zum einen bestimmt durch die aktuelle Auslastung (ähnlich dem Yield Management), darüber hinaus aber auch durch sogenannte Preistreiber. Preistreiber in der Logistik sind beispielsweise das Volumen oder die Fristigkeit der Anfrage, die Branche des Kunden oder der Wert der transportierten Ware. Im Idealfall spiegeln sie die Zahlungsbereitschaft des Kunden optimal wider. Insofern erhält beim Online-Pricing jeder Kunde genau den Preis angeboten, der die Auslastung optimiert und dabei die individuelle Zahlungsbereitschaft des Kunden berücksichtigt. Alles dies geschieht ohne persönliche Verhandlungen und in Echtzeit. Vorgehen Die Studie von Simon-Kucher & Partners wurde über mehr als ein Jahr durchgeführt, von September 2014 bis November 2015. Im- Rahmen dieser Studie wurden mehr als 60 persönliche Interviews mit verschiedenen Stakeholdern geführt: Logistikunternehmen unterschiedlicher Branchen (Land, Luft, See), Logistikkunden, Logistik-Online Plattformen, Experten aus verwandten Branchen und so weiter (Bild 2). Darüber hinaus wurden Fallbeispiele aus verwandten Branchen gesammelt, die bereits die Transformation von Offlinezu Online-Pricing vollzogen haben (oder damit gescheitert sind). Aus diesen Quellen wurden folgende Empfehlungen abgeleitet. die Transformation zu Online- Pricing ist für Logistikunternehmen unvermeidbar Viele Faktoren suggerieren, dass der Weg zum Online-Pricing auch für die Logistik kommen wird. Andere Branchen mit ähnlicher Struktur haben bereits den Schritt zum Online-Pricing vollzogen, obwohl dies vor ein paar Jahren ebenfalls schwer vorstellbar war. So werden inzwischen etwa Sanitärprodukte, Möbel und Auto-Ersatzteile zum Teil online bepreist. Und auch bei den B2B- Source: Simon-Kucher & Partners EDI Online-Auktion Online veröffentlichte Preise Online Yield Management Online-Pricing Preisermittlung n.a. wettbewerblich n.a. algorithmisch algorithmisch Preistreiber n.a. Hauptsächlich (marginale) Kosten n.a. Hauptsächlich auslastungsgetrieben Nach Auslastung und Zahlungsbereitschaft Preisverhandlung n.a. Online Keine/ offline Keine Keine Buchung Online Online/ offline Online/ offline Online Online Beispiel Verschiedene B2B-Branchen Tender im Global Forwarding Globales Express Geschäft Passage Fluggesellschaften Wenige Simon-Kucher Verständnis Bild 1: Unterschiedliche Stufen des Online-Pricing Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 24 LOGISTIK Online-Handel Dienstleistungen (z. B. Recruiting) haben Unternehmen vorgemacht, wie man Vorreiter und Nutznießer der Digitalisierung wird. Bei den untersuchten Beispielen aus anderen Branchen fällt vor allem auf, dass die Transformation zum Online-Pricing die Branche komplett umgekrempelt hat. Die sogenanten „First-Mover“ haben einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und schafften es in einigen Branchen, ihre Marktanteile und Gewinne extrem auszubauen. In einigen Fällen wurden sogar ehemals mächtige Player aus dem Markt verdrängt. Ein zu spätes Einsteigen auf den Online-Pricing- Zug ist demnach sehr kostspielig für Unternehmen und kann sogar existenzgefährdend werden. So geschehen beim Video/ DVD-Verleih, wo der ehemalige Marktführer bankrott gegangen ist. Weiterhin haben Expertengespräche ergeben, dass die meisten B2B-Branchen inzwischen aktiv an der Transformation zum Online-Pricing arbeiten, wenngleich mit unterschiedlichem Ehrgeiz. Auch in der Logistikbranche selbst stehen bereits viele Zeichen auf Online-Pricing. Interviews mit Experten führender globaler Logistikunternehmen kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Industrie (sowohl Luft-, See-, als auch Landverkehr) darauf vorbereitet. Erste Online-Angebote entstehen, sowohl initiiert durch die etablierten Player im Markt wie Kuehne+Nagel als auch durch neue Start-ups wie Freightos. Die Mehrheit der Experten geht davon aus, dass es bald ein erstes am Markt erfolgreiches Angebot geben wird und der Rest der Branche dann Schritt für Schritt folgen wird. Viele große Logistikunternehmen investieren bereits sehr stark in Plattformen und IT-Prozesse, die ihnen Online-Pricing zukünftig ermöglichen. Dieser Innovationstrend der Logistikunternehmen wird zum einen getrieben durch die eigene Vision, als „First-Mover“ vom Online-Pricing zu profitieren, zum anderen ist er bedingt durch das Aufkommen an neuen Online-Plattformen, die auf den internationalen Logistikmärkten als „Aggregatoren“ auftreten wollen. Diese Online-Plattformen versuchen das „booking.com“ der Logistikindustrie (bzw. einer jeweiligen Subindustrie) zu werden und damit einen großen Teil des Marktes online zu bündeln. Eine Plattform dieser Art soll die Angebote aller relevanten Logistikdienstleister für eine bestimmte Sendung vergleichen und dem Kunden den besten/ günstigsten Anbieter anzeigen. Dies stellt für Logistikunternehmen eine substanzielle Gefahr da, weil eine solche Plattform die Margen, analog zu den Hotels und Reiseanbietern, weiter schmälern würde und im Extremfall die Unternehmen als reine „Asset-Provider“ dastehen. Soweit ist es zwar noch nicht, jedoch gehen die Betreiber solcher Online-Plattformen für Logistik-Dienstleistungen davon aus, dass irgendwann irgendwer das richtige Rezept für eine solche Plattform findet. Ein weiterer Faktor, der auf die nötige Transformation zum Online-Pricing hindeutet, sind die Kunden. Obwohl viele Kunden immer noch den persönlichen Kontakt zum Logistiker ihres Vetrauens schätzen, gibt es ein immer stärker wachsendes Kundensegment, dem Angebotsgeschwindigkeit, Komfort und Transparenz noch wichtiger sind und das eine Online-Pricing-Plattform im Logistikbereich bereits heute in Betracht zieht. Online-Pricing schrittweise einführen Logistiker müssen wissen: Die Einführung von „echtem“ Online-Pricing mit intelligentem, automatisiertem Preisalgorithmus dauert mehrere Jahre. Eine halbgare Lösung verhindert nicht nur den Erfolg, sondern kann dem Unternehmen sehr teuer zu stehen kommen. Logistikanbieter, die versucht hatten, ihre Online-Pricing-Lösung aus dem B2C-Bereich 1 : 1 auf den Geschäftskunden-Bereich zu übertragen, sind aus verschiedentlich zunächst gescheitert, teils aus folgenden Gründen: zu wenige Datenpunkte zur Kalibrierung, keine Zahlungspflicht bei Buchung und somit keine verlässlichen Auslastungsdaten. Auch im B2C- Bereich haben beispielsweise Luftfahrtunternehmen und Hotelanbieter viele Jahre gebraucht, um Online-Pricing erfolgreich einzuführen. Selbst heute müssen immer noch viele Preispunkte (im Rahmen der Yield-Management-Programme) manuell angepasst werden. Ein schrittweiser Einführungsprozess des Online-Pricing mit anfänglich noch manuellem Feinjustieren verringert das Fehlerrisiko und erhöht somit die Akzeptanz und die Erfolgswahrscheinlichkeit. Darüber hinaus ist eine schrittweise Implementierung nach Kundengruppen, Regionen und Produkten (Spot-Raten) sinnvoll. So gibt man auch dem Vertrieb und auch den Kunden genügend Zeit, sich auf das neue System einzustellen, was zwingend für den Erfolg ist. Somit existieren in der Studie keine Beispiele für eine erfolgreiche „Big-Bang“- Einführung - im Gegenteil. Mittelbis langfristig Produktdefinition und Pricing schärfen Der größte Vorteil des Online-Pricing aus Sicht des Logistikunternehmens liegt weniger in der Geschwindigkeit oder Vereinfachung des Pricing-Prozesses als im Pricing selber. Die überwiegende Anzahl Logistikanbieter nutzt immer noch klassiches Cost-plus- Pricing oder orientiert sich an den Preisen der Hauptwettbewerber. Aus der Erfahrung von Simon-Kucher & Partners gibt es bisher nur sehr wenige Logistiker, die wirklich wertbasiertes Pricing umsetzen, die Zahlungsbereitschaft des Kunden integrieren und so den höchstmöglichen Gewinn realisieren. Dies ist natürlich auch ohne Online- Pricing möglich, es gibt jedoch dem Unternehmen noch viel mehr Möglichkeiten für Preisdifferenzierung und somit Gewinnmaximierung. Die Luftfahrtbranche hat es im Bereich Passage bereits vorgemacht, wo Yield-Management per Online-Plattform angewendet wird und Preise systematisch differenziert werden. Auch in einigen B2B- Bereichen wie bei der Silikonproduktion hat die richtige Kalibrierung von Online- Pricing zu steigenden Umsätzen und Gewinnen geführt. Zwar ist die Preisdifferenzierung per se in der Logistik nichts Neues - so schwanken im Ladungsverkehr der Source: Simon-Kucher & Partners Simon-Kucher Globale Umfrage Logistiker-Interviews Externe Experteninterviews Verlader-Interviews Simon-Kucher Projektdatenbank Sekundärforschung 50 Simon-Kucher Direktoren aus der ganzen Welt haben Erfahrungen aus ihrer Branche geteilt 21 Top Manager unterschiedlicher Logistikunternehmen Sieben Interviews mit Top-Management Experten relevanter Online-Pricing Firmen Fünf Interviews mit Logistikkunden/ Verladern Projektdatenbank mit >2000 Projekten innerhalb der letzten 3 Jahre Analyse relevanter Materialien zu Online-Pricing in verschiedenen Industrien Logistik-Online Player Interviews Drei qualitative Interviews mit CEOs von Online-Logistik Portalen Simon-Kucher Experteninterviews 25 Interviews mit Simon-Kucher Partnern/ Direktoren verschiedener Branchen Bild 2: Quellen der Simon-Kucher Studie Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 25 Online-Handel LOGISTIK Spediteure die Preise für LTL und FTL z.B. sehr stark je nach Auslastung und Saison. Eine Implementierung als Online-Pricing Version könnte diese Preisdifferenzierung jedoch noch weiter systematisieren und optimieren. Die größte Möglichkeit der Preisdifferenzierung haben Logistiker in der Angebotsdifferenzierung. Analog zur Luftfahrtbranche, wo es seit Jahrzehnten Economy-, Business- und First-Class-Tarife gibt, können Logistiker ebenfalls durch ein differenziertes Angebot ihre Kunden bestmöglich ansprechen. Auch dies gibt es bereits bei einigen Logistikern, etwa im Luftfrachtbereich oder im Express-Geschäft. Die meisten Speditionsunternehmen tun sich jedoch weiterhin mit standarsierten Produkten sehr schwer. Oft fehlt es an Mut, den Standard gegenüber dem Kunden auch durchzusetzen oder einem klaren Konzept. So ist es insbesondere wichtig, dass das Produktportfolio auch durch effektives „Fencing“ abgegrenzt ist, d. h. dass der Preisunterschied zwischen den Produktvarianten durch einen genauso großen Leistungsunterschied begründet wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass alle Kunden die billigste Produktvariante wählen und das Unternehmen so weniger verdienen könnte als vorher. So ist es einem europäischen Paketzusteller gegangen, bei dem nach Einführung der neuen „Eco-Produktvariante“ schlagartig der Gewinn eingebrochen ist. Die Kombination eines differenzierten Produktportfolios mit einem intelligenten Preisalgorithmus ist demnach die optimale Voraussetzung, um die Potenziale des Online-Pricing bestmöglich zu nutzen. Eine der Kernherausforderungen für Logistiker mit Kapazitätsengpässen ist jedoch die Einführung einer Zahlungspflicht bei Buchung bzw. einer alternativen Strafgebühr bei Nicht-Erscheinen der Sendung. Ansonsten hat das Unternehmen keine Möglichkeit, Preise auslastungsgetrieben zu setzen, da man nicht weiß, wieviele Container, Paletten oder Pakete tatsächlich geliefert werden. Solche „No-Show-Fees“ oder ähnliche Konditionen als Teil des Produktkonzepts sind zwar bislang in der Logistik nicht unfassend umgesetzt worden, sie sind aber Hygiene-Faktor für ein erfolgreiches Online-Pricing. Im Übrigen zeigen andere Branchen (Autovermieter, Airlines), dass Veränderungen traditioneller Preisstrukturen möglich sind. Preise nicht für alle zugänglich-machen Ein klarer Nachteil des Online-Pricing ist die erhöhte Preistransparenz. Es besteht die Gefahr, dass Kunden und Wettbewerber diese Transparenz ausnutzen. Dies ist vor allem in der Logistik ein wichtiger Aspekt, da es bis dato aufgrund der aktuellen Prozesse relativ schwer ist, den genauen Preis der Wettbewerber zu ermitteln - vor allem für Großkunden mit individualisierten Rabatten und Preislisten. Andere Branchen haben dieses Problem verdeutlicht: In der Stahlindustrie wurde bereits vor über zehn Jahren eine öffentliche online Stahlbörse eingeführt, welche aber nach kurzer Zeit, aufgrund mangelndem Erfolg und zu hoher Preistransparenz durch verschlüsselte Online-Plattformen ersetzt wurde. Das Risiko der Preistransparenz kann durch verschlüsselte Online-Plattformen mit Log-In reduziert werden. Ein Log-In ermöglicht zudem, die Kunden individuell anzusprechen. Weiterhin reduziert eine verschlüsselte Plattform auch das Risiko, dass zukünftige Online Player/ Vergleichportale („Aggregatoren“) an die Preisinformationen gelangen. Von daher wundert es nicht, dass sehr viele Unternehmen, die Online-Pricing bisher eingeführt haben, eine verschlüsselte Plattform gewählt haben, so wie es in der Energie- oder B2B-Großhandelsbranche Usus ist. Auf neue Online-Player vorbereitet-sein Das größte Risiko beim Thema Online-Pricing ist die Entstehung eines zukünftigen „Aggregators“, nach dem Vorbild booking. com. Natürlich kann eine verschlüsselte Online-Pricing-Plattform dieses Risiko reduzieren, jedoch kann es nicht komplett ausgeschlossen werden. Nicht nur in der Hotel- und Flugindustrie haben solche Portale extrem an Marktmacht gewonnen und die Margen der Unternehmen weiter reduziert. Auch in anderen Industrien - wie Energie, Versicherung oder Finanzdienstleistungen - sind solche Portale bereits etablierte Player im Markt. Das Geschäftsmodell basiert dabei auf hohen Kommissionsgebühren bei gleichzeitg geringer Kapitalbindung und Fixkosten. Es ist kaum möglich, im Nachhinein auf einen einmal erfolgreichen Aggregator zu reagieren. Es gibt keine relevanten Beispiele, wo dies erfolgreich gelungen ist. Auch die Flugplattform Orbitz, welche als Reaktion von fünf großen US-Fluggesellschaften gegründet wurde, hatte keinen nachhaltigen Erfolg. Von daher sollten die großen Logistikunternehmen auf das Eintreten eines solchen Online-Players gefasst sein und am besten bereits im Vorfeld eigene Maßnahmen einleiten, um der Entwicklung entgegenzuwirken. Sei es durch Gründung eines eigenen Portals oder durch die (kostspielige) Beteiligung an einer aufstrebenden Vergleichsplattform. Schlussfolgerung Die Digitalisierung und Online-Pricing wird auch an der Logistikbranche nicht vorbei gehen. Zu stark sind die Anzeichen, dass bereits in einiger Zeit die ersten Unternehmen auch am Markt akzeptierte Angebote etablieren. Ob dies in erster Linie zu mehr Wertschöpfung innerhalb der bestehenden Anbieter oder zum Erstarken neuer Player führt, ist hingegen heute noch ungewiss. Vielleicht sind am Ende auch nur die Konsumenten die Gewinner. Von daher sollten sich alle Logistiker bereits jetzt mit dem Thema beschäftigen, um mittelfristig nicht auf der Verliererseite zu stehen. Dabei gilt die Erfolgskriterien von intelligentem Pricing zu berücksichtigen - die online umso mehr gelten. ■ Philipp Biermann, Dr. Partner bei Simon-Kucher & Partners, Leiter des Bereichs Logistik, Köln philipp.biermann@simon-kucher.com Sven Wengler Director bei Simon-Kucher & Partners, Projektleiter im Bereich Logistik, Köln sven.wengler@simon-kucher.com Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 26 Sichere und resiliente globale Transporte Gesundheits-Checkup für Supply Chains Container Sicherheit, Resilienz, Risikomanagement, Non-intrusive Inpection Heutige globale Transportketten sollen widerstandsfähiger gegenüber Bedrohungen sein. Die Bandbreite der Risiken reicht von Verspätungen über Ladungsdiebstahl bis hin zu terroristischen Angriffen. Die Widerstandsfähigkeit eines Transportes, z.B. von pharmazeutischen Produkten, hat mit einer Erkältung eines Menschen mehr gemeinsam als man eigentlich denkt. Autoren: Rainer Müller, Nils Meyer-Larsen, Hans-Dietrich Haasis D ie Widerstandsfähigkeit, also die Resilienz von Transporten, ist in etwa vergleichbar mit dem Immunsystem des menschlichen Körpers. Der Körper soll zu jeder Zeit funktionieren, wird dabei jedoch von verschiedenen Risiken im alltäglichen Leben bedroht, wie z.B. viralen Krankheiten. Wenn sich nun eine Bedrohung manifestiert und der Körper tatsächlich von Viren heimgesucht wird, muss man sich auf ein gutes Immunsystem verlassen können. Um das Risiko für eine Erkrankung zu minimieren, kann man verschiedene Arten von Maßnahmen ergreifen. Zu den präventiven Maßnahmen zählt das Stärken des Immunsystems z. B. durch leichten Sport oder eine gesunde Ernährung, um somit die Wahrscheinlichkeit einer Störung zu senken. Zu dem Bereich der beobachtenden Maßnahmen zählen regelmäßige Gesundheitschecks. Eine weitere Gruppe von Maßnahmen stellen die reaktiven Maßnahmen dar, z.B. Medikamente, um die Konsequenzen der Krankheit einzuschränken und um schnellstmöglich den Normalzustand des Systems wiederherzustellen. Das Gesamtpaket an Maßnahmen schränkt somit die Bedrohung durch eine Erkrankung ein - im besten Fall stellt es die dauerhafte Verfügbarkeit des Menschen sicher. Globale Supply Chains werden von ähnlichen Infekten bedroht - verschiedene Risiken können den Transport erheblich stören und den gesamten Prozess im schlimmsten Fall zum Stillstand bringen. Neben den operativen Risiken, wie z. B. Ausfall eines Zulieferers, werden die Ketten auch durch sicherheitsrelevante Risiken bedroht. Hierzu gehören neben terroristischen Anschlägen auch kriminelle Handlungen wie Ladungsdiebstahl und Schmuggel: • Ein terroristischer Anschlag auf einen Transportknoten, z. B. auf eines der Seehafenterminals, könnte viele Supply Chains empfindlich treffen und für längere Zeit stark behindern. • Im Bereich Ladungsdiebstahl verzeichnet man laut [1] allein in Europa einen Schaden von 8,2 Mrd. EUR pro Jahr. Hierbei gilt es zu bedenken, dass bei ei- Foto: Pixabay LOGISTIK Transportsicherheit Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 27 Transportsicherheit LOGISTIK nem Diebstahl nicht nur die Waren entwendet werden, sondern dass ggf. der Wertschöpfungsprozess unterbrochen wird, weil wichtige Teile für die Produktion fehlen. • Die Transporte werden aber auch durch Schmuggel indirekt bedroht. Beginnt ein Transport in einem Land, das für Drogenschmuggel berüchtigt ist, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Zoll den Container inspiziert und es somit so Verzögerungen kommen kann. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) ist seit vielen Jahren im Rahmen von EU- und nationalen Projekten im Container Security-Bereich tätig, beispielsweise in den aufeinander aufbauenden Projekten INTEGRITY, CASSANDRA, CORE sowie C-BORD. Das Ziel dieser Projekte ist es, das Immunsystem der Supply Chain zu stärken und diese so sicher und resilient zu machen. Somit soll durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Transportkette bei Störungen im besten Fall weiter funktioniert oder wenigstens innerhalb kürzester Zeit wieder in den Normalbetrieb übergeht. Hierbei ist ein entsprechendes Supply Chain Risiko Management unabdingbar, um nach der Identifikation und Bewertung der Risiken entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hierbei folgt man klassischerweise den folgenden vier Prinzipien: Risikovermeidung, Risikoakzeptanz, Risikotransfer (z. B. Versicherungen) und Risikoverminderung durch beobachtende, präventive und reaktive Maßnahmen. INTEGRITY - Win-Win für Logistik und Security Security wird in der Logistik oftmals als Kostentreiber ohne Mehrwert angesehen. Das Projekt INTEGRITY [2] verfolgte den Ansatz, eine Win-Win-Situation sowohl aus Sicht der Logistik als auch der Security herzustellen, die einerseits die logistischen Prozesse unterstützt und gleichzeitig die Sicherheit in internationalen Transportketten erhöht. Dies wird durch die Optimierung der Transparenz der Transportketten erreicht, d. h. allen beteiligten Partnern werden zeitnah alle Informationen zur Verfügung gestellt, die sie zur optimalen Durchführung ihrer Aufgaben benötigen. Zusätzlich werden diese Daten für ein Risikomanagement verwendet und ermöglichen es, Risiken und Probleme im Transportablauf möglichst früh zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Um dies zu gewährleisten, wurde die sogenannte Data-Pipeline entwickelt und erprobt, deren Aufgabe es ist, alle relevanten Daten der jeweiligen Supply Chain, etwa aus dem Kaufvertrag, den Ladepapieren etc., zu aggregieren. Auch Informationen, die während des Transports auftreten wie z. B. Ergebnisse von Überprüfungen, Verspätungsmeldungen, besondere Ereignisse etc. fließen hier ein. Diese qualitativ hochwertigen Daten werden in der Pipeline bereits vor bzw. während des Transportablaufs gesammelt und können durch die Akteure der Supply Chain (z. B. Verlader, Spediteure, Reedereien etc.) abgerufen werden, sofern sie für den Zugriff berechtigt sind. Auch Behörden wie der Zoll und das Veterinäramt können Zugriff auf die Data-Pipeline erhalten und die Daten für ihre Risikoanalysen und Kontrollen nutzen. Im Vergleich zur heutigen Vorgehensweise, bei der Daten aus der Zollanmeldung für die Risikoanalyse verwendet werden, bedeutet dies einen deutlichen Vorteil, da diese Daten oft erst deutlich verzögert und nicht in der benötigten Qualität vorliegen. Die Data-Pipeline ist zentraler Bestandteil der Software-Plattform SICIS (Shared Intermodal Container Information System), die im Rahmen von INTEGRITY entwickelt wurde (Bild 1). SICIS führt Daten aus verschiedenen Quellen, u.a. Systemen der Containerterminals, Container Security Devices (CSDs) sowie Positionsmeldungen der Seeschiffe über deren AIS-Transponder, zusammen und konsolidiert sie, so dass ein umfassender Überblick über den jeweiligen Transportprozess entsteht. Während der umfangreichen Demonstrationsphase des INTEGRITY-Projektes wurden mehr als 5400 Container mit Hilfe von SICIS auf ihrem Weg von den chinesischen Containerhäfen Hongkong und Yantian nach Europa überwacht. So wurde eindrucksvoll gezeigt, dass mit Hilfe von Systemen wie SICIS verlässliche Daten in hoher Qualität zur Verfügung gestellt werden können. Als Folge ließ sich die Vorhersagbarkeit der Abläufe in der Supply Chain deutlich erhöhen, so dass sowohl die Sicherheit der Transportkette als auch die logistischen Prozesse deutlich optimiert werden konnten. CASSANdRA - Risikomanagement für Supply Chains Das Folgeprojekt CASSANDRA [3] griff den Ansatz der Data-Pipeline auf und erweiterte die Demonstration des Konzeptes auf insgesamt drei Korridore: Asien-EU, EU-USA und EU-Afrika. Das Projekt zielte auf die Erhöhung der Sicherheit durch eine höhere Transparenz der Transportkette. Für die Anwendung der Data-Pipeline wurden zunächst entsprechende Software- Komponenten entworfen und durch entsprechende Schnittstellen mit den Systemen der jeweiligen Supply Chain Partner verknüpft. Für die Demonstration der Systeme unter realen Bedingungen wurde hier der Living Lab Ansatz eingesetzt. Bei einem Living Lab handelt es sich um ein gelebtes Labor, wo Entwicklungen unter realen Bedingungen getestet werden können und die Entwicklung selbst sehr Nutzer-zentriert gestaltet wird. Die Supply Chain Partner konnten somit als Nutzer innerhalb der drei Living Labs den Entwicklungsprozess interaktiv steuern. Somit wurde die Implemen- Bild 1: Die Data-Pipeline gewährleistet zeitnah Zugriff auf qualitativ hochwertige Transportdaten Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 28 LOGISTIK Transportsicherheit tierung des Data-Pipeline Konzeptes im Rahmen von echten Transporten getestet und die Entwicklung der Software Komponenten durch die Nutzer gesteuert. Jedes der Living-Labs hatte neben den geographischen Besonderheiten spezielle Anforderungen, die durch die Nutzer definiert wurden. Im Living Lab Asien-EU wurde die Data-Pipeline maßgeblich dazu genutzt, um die Systeme des Konsolidierungscenters in China und eines Spediteurs in Europa zu verbinden. Hierdurch konnte die Transparenz der Transporte deutlich erhöht werden, denn der Spediteur hatte mehr Daten und in besserer Qualität zur Verfügung. Im Living Lab EU-USA mussten zunächst die gesonderten Vorschriften für die Transporte Richtung USA analysiert werden, die zur Erhöhung der Sicherheit eingeführt wurden. Letztlich konnte ein Problem auf der Deutschen Seite behoben werden, denn die eingeführte Analyse von Transportdaten wurde für Hafenbehörden eingesetzt, um bessere Daten für die Identifikation von falsch deklarierten Gefahrgutcontainern zu erhalten. CASSANDRA zielte darauf, die Datenverfügbarkeit zu erhöhen und möglichst zeitnah Daten innerhalb der Supply Chain erhalten zu können. Neben der zeitlichen Komponente besteht das Problem, dass die Daten durch verschiedene Akteure der Supply Chain immer weitergereicht und oftmals aggregiert werden. Durch das wiederholte Kopieren und Aggregieren nimmt die Datenqualität signifikant ab. Somit wurde in CASSANDRA der Ansatz verfolgt, grundsätzlich die Daten direkt von der Quelle zu verwenden. Die Umsetzung dieses Ansatzes stellt sich in globalen Supply Chains durch die Vielzahl an Akteuren als sehr schwierig dar, konnte aber durch die Verwendung des Data-Pipeline Konzeptes realisiert werden. Eine weitere Maßnahme zur Steigerung der Datenqualität war der automatische Abgleich von Daten aus verschiedenen Datenquellen. Z. B. kann eine Schiffabfahrtsmeldung sowohl von einem Terminal als auch von einem Reeder erfolgen; der Vergleich der Daten beider Quellen führt zu einer höheren Verlässlichkeit. In Asien werden oftmals sogenannte Tallymans eingesetzt, um z.B. neben der Beladungsmeldung durch das Terminal eine weitere Datenquelle als Vergleich nutzen zu können. Die durch die verschiedenen Maßnahmen resultierende verbesserte Datenqualität wird für Unternehmen oftmals für ein verbessertes Risikomanagement für operative Risiken eingesetzt. Die an dem Projekt beteiligten Zollbehörden wiederum konnten ebenfalls neben den Daten aus den gesetzlich vorgeschriebenen Zollanmeldungen auch auf die aktuelleren und qualitativ höherwertigeren Daten aus der Data-Pipeline zugreifen. Durch die Verwendung all dieser Daten für die Risikobewertung der Zollbehörden konnte die Sicherheit für die Transporte in den Living Labs erhöht werden. In CASSANDRA wurden darüber hinaus Empfehlungen bezüglich des Risikomanagements in Supply Chains entwickelt, um Unternehmen einen Leitfaden für strategisches, taktisches und operatives Risikomanagement anbieten zu können. Durch die Implementierung des Leitfadens können Risiken identifiziert, analysiert sowie entsprechende Gegenmaßnahmen eingeführt werden. Da die Maßnahmen sowohl auf operative als auch auf sicherheitsrelevante Risiken abzielen, folgt daraus, dass die Supply Chain weniger anfällig für entsprechende Attacken und somit sicherer und resilienter ist. Unternehmen, welche ein ausgefeiltes Risikomanagement implementiert haben, beweisen außerdem, dass sie sich ihrer Verantwortung ihrer Supply Chain hinsichtlich der Risiken bewusst sind. In CAS- SANDRA zeigte sich hier die Möglichkeit, dass die Zollbehörden wiederum diese verantwortlich agierenden Unternehmen bei der Risiko-Bewertung bevorzugen können, da diese Unternehmen das Risiko für die gesamte Kette durch ihr Risikomanagement senken. Hierdurch ergibt sich ein weiterer Vorteil für die Unternehmen, denn die Bevorzugung in der Risikoanalyse des Zolls kann die Wahrscheinlichkeit für eine Überprüfung senken und somit die Abfertigung beim Zoll beschleunigen. CORE - Resiliente Transportketten Das Projekt CORE - Consistently Optimized Resilient Secure Global Supply Chains [4] aus der letzten Ausschreibung des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU Kommission startete im Mai 2014 und hat eine Laufzeit von vier Jahren. CORE ist eines der bislang größten europäischen Forschungs- und Demonstrationsvorhaben. Rund 70 Partner verfolgen das Ziel zu zeigen, dass Innovationen zur Sicherheit und Transparenz in der Supply Chain, die in früheren Projekten wie CASSANDRA und INTEGRI- TY erforscht und entwickelt wurden, auch in der Praxis funktionieren und nachhaltig angewendet werden können. Core zielt darauf ab, globale Transportketten zu schützen und ihre Resilienz zu erhöhen, also die Verwundbarkeit gegenüber Bedrohungen zu minimieren unabhängig davon, ob es sich um Naturkatastrophen, terroristische Aktivitäten oder andere Störungen handelt, und damit einen effizienten Handel innerhalb der EU und mit anderen Ländern sicherzustellen. Das Projekt wird in starkem Maße von einer Reihe von EU Generaldirektoraten unterstützt, insbesondere DG ENTER- PRISE (Sicherheitspolitik), DG TAXUD (Zollrisikomanagement und Sicherheitspolitik), DG MOVE (e-freight Politik) und DG JRC (wissenschaftliche Unterstützung in der politischen Umsetzung). In grenzüberschreitenden Transaktionen mit Drittländern können immer noch eine Menge Verbesserungen erreicht werden. Zum Beispiel können unerwartete Verzögerungen beim Export und Import den Unterschied zwischen einer erfolgreichen Auftragsabwicklung und einem Desaster ausmachen. Innerhalb von CORE haben sich die Partner verpflichtet, gemeinsam die Maximierung der Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit sowie die Minimierung der Kosten im Rahmen globaler Handelsgeschäfte zu verfolgen, so dass Supply Chains transparent und belastbar werden und Sicherheit auf höchstem Niveau bieten. Um dieses anspruchsvolle Ziel zu erreichen, werden in dem Vorhaben verschiedene Demonstratoren für den Transport von Gütern mit unterschiedlichen Konformitätsanforderungen des Handels, mit unterschiedlichen Verkehrsträgern sowie aus unterschiedlichen geographischen Räumen fokussiert. In vielen Demonstratoren ist die Erfassung qualitativ hochwertiger Daten entlang der Transportkette und die Ermöglichung des Datenaustausches eine Herausforderung. Genau dies würde den Unternehmen entlang der Supply Chain eine bessere Kontrolle über ihre Risiken und eine Optimierung ihrer Prozesse erlauben. Auf der anderen Seite können kontrollierende Behörden wie der Zoll eine Verbesserung ihrer Risikoanalyse erwirken, so dass es Möglichkeiten für alternative Überwachungsmethoden gibt, was auch gleichzeitig die Notwendigkeit für physische Warenkontrollen reduziert. Mit Blick auf Co-Modality und Carbon Footprint Optimierung trägt CORE darüber hinaus auch zu einem nachhaltigeren Verkehr bei. Im Hinblick auf die globalen Transportketten, vor allem mit Beteiligung staatlicher Stellen, erfordern innovative Lösungen eine enge Zusammenarbeit. In CORE kooperieren Wirtschaftsvertreter, Grenzkontrollbehörden, Regierungen und Wissenschaftler bei der Suche nach praktischen Lösungen. Im Gegensatz zu vielen früheren Projekten wird sich CORE auf die Demonstration dieser praktische Lösungen zur Umsetzung innerhalb des geltenden Rechtsrahmens konzentrieren. So liefern die Ergebnisse auch Impulse für den Entwurf künftiger Rechtsprechung. Die entwickelten Konzepte werden in neun unterschiedlichen Demonstrationsszenarien in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Verladern und Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 29 Transportsicherheit LOGISTIK Operateuren unter realen Bedingungen getestet und validiert. Anschließend sollen sie in den Echtbetrieb übernommen werden. C-BORd - effektive Non-intrusive Inpection Im internationalen Containerverkehr besteht heutzutage die große Gefahr, dass Frachtcontainer für Schmuggel (z. B. Tabak), illegale Einwanderung, Drogenhandel, falsch angemeldeten Waren oder den Transport gefährlicher illegaler Substanzen, etwa Sprengstoffe, Kernmaterial, chemische und biologische Kampfstoffe und radioaktiv kontaminierte Materialien, missbraucht werden. Daher ist eine effektive und effiziente berührungslose Inspektion (Non-intrusive Inpection - NII) von Containerfracht von großer Wichtigkeit für Handel und Gesellschaft. Das C-BORD-Projekt (effective Container inspection at BORDer control points) [5], das von der EU-Kommission im Horizon 2020-Programm gefördert wird, hat zum Ziel, entsprechend umfassende und kosteneffiziente NII-Lösungen zu entwickeln, um mit deren Hilfe die EU-See- und Landgrenzen besser überwachen und schützen zu können. Das Projekt betrachtet dabei fünf einander ergänzende innovative Erkennungstechnologien: Verbesserte Röntgenverfahren, Target Neutron Interrogation, Photofission, Gasanalyse (Sniffing) und Passive Detection. Die resultierenden Prüfungsergebnisse werden integriert und Benutzerschnittstellen implementiert, um die Wirksamkeit und Effizienz der Systeme für die Endnutzer zu optimieren. So wird C- BORD die Wahrscheinlichkeit, illegale oder gefährliche Inhalte erfolgreich zu detektieren, deutlich erhöhen. Hierbei sollen die logistischen Prozesse nicht behindert werden. Letztlich soll die Notwendigkeit für kostspielige, zeitaufwändige und gefährliche manuelle Behälterprüfungen durch den Zoll herabgesetzt werden. Die integrierten Lösungen sollen in drei verschiedenen Szenarien erprobt werden, die jeweils auf die Bedürfnisse von großen Seehäfen, kleinen Häfen und landseitigen Grenzübergängen ausgerichtet sind. Am Ende schließt sich der Kreis - zurück zu dem Thema Resilienz des Menschen: Die hier vorgestellten Projekte stellen sicher, dass z. B. auch Transportketten im pharmazeutischen Bereich funktionieren und somit der erkrankte Mensch in der Apotheke sein Medikament erhält. ■ REfERENzEN [1] European Parliament Directorate General Internal Policies of the Union, Policy Department Structural and Cohesion Policies, IP/ B/ TRAN/ IC/ 2006_194, Transport and Tourism, Organised theft of commercial vehicles and their loads in the European Union, 2006, S.16 [2] www.integrity-supplychain.eu [3] www.cassandra-project.eu [4] www.coreproject.eu [5] www.cbord-h2020.eu Nils Meyer-Larsen, Dr. Projektleiter, Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremerhaven meyer-larsen@isl.org Hans-dietrich Haasis, Prof. Dr. Lehrstuhlinhaber, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen haasis@uni-bremen.de Rainer Müller Projektleiter, Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremerhaven rmueller@isl.org www.db-engineering-consulting.de DB Engineering & Consulting Ab sofort machen sich 4.000 Mitarbeiter aus 66 Nationen für Sie stark. Wir werden EINS: DB ProjektBau und DB International Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 30 LOGISTIK China Kombinierter Schienengüterverkehr in China Containerverkehr, Modal Split, Huckepack-Verkehr, Doppelstock-Container-Züge In der Literatur finden Container-Züge, die seit 2010 regelmäßig im Güterverkehr zwischen der Volksrepublik China und Europa eingesetzt werden, relativ große Aufmerksamkeit. Dagegen sind Publikationen über den innerchinesischen kombinierten Verkehr entweder veraltet oder eher fragmentarisch. Eine aktuelle Übersicht. Autor: Armin F. Schwolgin D ie aktuelleren Studien der Asian Development Bank und der World Bank behandeln das Thema Kombinierter Schienengüterverkehr in China zumeist aus einer Makrosicht [1]. Eine detaillierte Untersuchung gestaltet sich freilich schwierig, weil aussagefähige, aktuelle Statistiken, wie sie in Europa und den USA vorhanden sind, in der Volksrepublik China nicht existieren oder nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Zudem sind die Zahlen gelegentlich widersprüchlich. Trotz dieser Einschränkung ist eine intensivere, betriebs- und volkswirtschaftliche Betrachtung der aktuellen Situation des Kombinierten Verkehrs (KV) in China aus zwei Gründen angebracht. Zum einen ist das Aufkommen des Straßengüterverkehrs in den Häfen und Hafenstädten sowie von dort ins Landesinnere und umgekehrt so stark, dass dringend nach anderen Transportmodi gesucht werden muss. Zum anderen ist in den nächsten Jahren im Zuge der Politik des „Going West“ [2] mit einer weiteren Zunahme des Güterverkehrs zwischen der Küstenregion und den Provinzen in Zentralchina und z. T. auch darüber hinaus in den fernen Westen des Landes zu rechnen. Ein Lösungsansatz könnte die stärkere Forcierung des KV sein. In China hat der multimodale Containerverkehr in den letzten Jahren langsam an Beachtung gewonnen. Hinweise auf den Bahntransport von Sattelaufliegern, Wechselbehältern oder die Rollende Autobahn konnten jedoch nicht gefunden werden (Bild 1). Auf der Schiene wie auf der Straße wird das Stückgut in Waggons oder auf LKW weitgehend noch ohne die Nutzung standardisierter Ladungsträger (Paletten, Gitterboxen, Container, kranbare Wechselbrücken und Sattelauflieger) manuell verladen und umgeschlagen (Bild 2). Im Vergleich zu den USA oder Europa weist der KV in China daher noch viel Wachstumspotential auf. Auf einer Produktlebenszyklus-Kurve ist er im Übergangsbereich zwischen der Einführungs- und der Wachstumsphase anzusiedeln. Noch sind vor allem die Im- und Exporteure sowie die Frühanwender (early adopters) im Lande aktiv. Innerchinesisch gibt es aber immer noch große Marktwiderstände. Zu diesen zählen im Wesentlichen die polypolistische Struktur des Straßengüterverkehrs, die fehlende Marktorientierung und das staatsmonopolistische Verhalten von China Railway Corporation sowie die gerin- Bild 1: Containeranlieferung per LKW im Hafen von Tianjin Foto: Armin F. Schwolgin Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 30 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 31 China LOGISTIK ge Standardisierung in der Logistik generell. Vor allem im Hinterland und an den Endbahnhöfen fehlt es an geeigneten Umschlageinrichtungen. Bahn verliert im Modal Split Die offiziellen Zahlen über die Verkehrsleistung (tkm) in der Volksrepublik China zeigen, dass von 2010 bis 2013 der Anteil der Schiene um 2,1 Prozentpunkte zurückgegangen ist und die Straße 2,6 Punkte gewonnen hat (vgl. Tabelle 1). Obwohl die Binnenschifffahrt leicht an Bedeutung verloren hat, liegt sie mit 47,3 % weiter an erster Stelle. In diesem hohen Anteil spiegeln sich die günstigen geographischen Bedingungen, das Gewicht der Güter (Baumaterial, Kohle, mineralische Erzeugnisse), die Entfernung auf den großen Flüssen des Landes sowie das niedrige Kostenniveau wider. Der vergleichsweise geringe Schienenanteil hängt mit den (vor allem in der Vergangenheit) dominierenden Militärtransporten, der Beförderung von Massengütern (v. a. Kohle), der Ausrichtung auf den Personenverkehr und die fehlende Marktorientierung der chinesischen Eisenbahn zusammen. Die Zahlen des Modal Splits für 2014 und 2015 liegen noch nicht vor. Potenzial des Containers nicht genutzt Ausschlaggebend für die Entwicklung des kombinierten Verkehrs ist zunächst die Verbreitung von Containern im weitesten Sinne. Die ersten Container wurden 1955 von der China Railway eingesetzt. Dabei handelte es sich um Kleincontainer nationaler Bauart bis zu einem Gesamtgewicht von 3 t, die auf herkömmlichen Flachwagen transportiert wurden. Standardcontainer werden in China seit 1975 gebaut [3]. Die Zahl der in den Seehäfen umgeschlagenen Container stieg von 116,73 Mio. TEU im Jahre 2008 auf 181,78 Mio. TEU im Jahre 2014. Die Zahlen für die Binnenhäfen lauten 11,58 Mio. TEU und 20,66 Mio. TEU. Seit 2012 ist bei dem Containerumschlag in den Binnenhäfen aufgrund fehlender Impulse und der starken Stellung der LKW-Unternehmer eine deutliche Verlangsamung des Wachstums eingetreten (vgl. Bild 3). Wie sich die Abschwächung der Konjunktur („the new normal“) auf der einen Seite und die Verlagerung der Industrie in die Mitte und den Westen des Landes auswirken werden, ist noch unklar. Unabhängig von den Wachstumsraten in der Vergangenheit ist der Anteil containerisierter Ware (Binnencontainer, Wechselbehälter, ISO-Container) in allen Transportmodi noch sehr gering. Bei den Bahntransporten liegt er insgesamt erst bei zwei Prozent. Ein weiterer Schwachpunkt liegt im Seetransport, denn 2013 erfolgten 85 % des Vor- und Nachlaufs in und aus den Häfen per LKW. Der Transport per Seeschiff - Binnenschiff machte knapp 14 % aus. Auch in diesem Segment werden lediglich 2 % der Transporte mit der Bahn abgewickelt [4]. Das Stripping (und umgekehrt das Stuffing) der Container finden oft direkt im Hafen statt. Der Weitertransport der Waren ins Landesinnere erfolgt dann auf den zumeist offenen oder mit Planen abgedeckten LKW (Bild 4). Als Ursachen für den sehr niedrigen Anteil der Bahn am Containerverkehr werden die prioritäre Bedienung der Transportwünsche des Militärs, die Priorität des Personenverkehrs, der Kohletransporte und der Lebensmittelindustrie genannt. Auch sei die Bahn oft unzuverlässig und die Fuhrunternehmen unterbieten sich in ruinöser Konkurrenz. Zudem verfügen nur wenige Seehäfen über eine gute Schienenanbindung [5]. Blancas/ Ollivier/ Bullock führen aus, dass von den 135 durch die Regierung zugelassenen Häfen des Landes nur 10 intermodale Verkehre Schiff - Zug anbieten, für Ende 2015 nennt Shi 28 Häfen mit Schienenanschluss [6]. Der geringe Anteil der See- Schiene-Containerverkehre wird auf das Fehlen von Trunk Railway Lines, fehlende Schienenverbindungen zu den Häfen, das irrationale Preissystem der Bahn, fehlende Modus Schiene Straße Binnenwasserstraße Luft Pipeline Jahr 2010 19,5 30,6 48,2 0,1 1,5 2011 18,5 32,2 47,3 0,1 1,8 2012 16,8 34,3 47,0 0,1 1,8 2013 17,4 33,2 47,3 0,1 2,1 Tabelle 1: Modal Split in der Volksrepublik China (tkm in Prozent) Quelle: Year Book of China Transportation and Communication/ China Academy of Railway Science Bild 2: Manuelle Verladung von Sackware vom LKW auf die Schiene im Hafen von Tianjin Foto: A. F. Schwolgin Bild 3: Containerumschlag in chinesischen See- und Binnenhäfen (in Mio. TEU) Quelle: Statista Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 32 LOGISTIK China Informationsplattformen für Bahn und Häfen und operative Mängel auf den Terminals und im Transport zurückgeführt [7]. Entwicklung des Containerverkehrs auf der Schiene Anfangs wurden Container von der China Railway auf normalen Flachwagen transportiert. Dies begann Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Anfang der 80er Jahre setze China Railway Containerwagen des Typs NBJ 4A ein, der die im innerchinesischen Verkehr verwendeten Klein- und Mittelcontainer vom Typ 5 D und 10 D aufnehmen konnte. Für Großcontainer kamen später die Tragwagen X6A, X6B und X6C sowie X1K in Betrieb. Im Jahre 2004 wurden in China 6758 Containerzüge bewegt [8].Um das Transportvolumen zu steigern und die Transportkosten zu senken, kam am 18. April 2004 auf der Strecke zwischen Beijing und Shanghai der erste Doppelstock- Containerzug zum Einsatz. Der Zug bestand aus 38 Waggons mit einer Ladung von 160 TEU. Dieser fahrplanmäßige Zug bewältigte die Strecke in 38 Stunden [9]. Die Doppelstock-Containerzüge werden mit 25-kV auf Normalspur betrieben. Die Besonderheit besteht darin, dass wegen des Lichtraumprofils und der Höhe der Fahrdrähte keine Flachwagen, sondern Tiefbett-Tragwagen zum Einsatz kommen. Dies erlaubt den Transport von 8 Fuß hohen nationalen und 8 Fuß 6 Zoll hohen Standardcontainern übereinander. Nach dem Anheben der Oberleitung kann man zwei ISO-Container stapeln (Bild 5). Züge mit doppelstöckig beladenen 9 Fuß 6 Zoll hohen ISO-Containern sind unter dem Fahrdraht aber nicht möglich [10]. Im Jahre 2006 fuhren auf vier Strecken 454 Doppelstockzüge mit 39 437 TEU; 2007 waren es 680 Züge mit 53 161 TEU [11]. Über die aktuelle Verkehrsleistung der Doppelstock-Containerzüge gibt es nur spärliche Informationen. Auf der Homepage der für den Containerverkehr zuständigen CRIntermodal wird ausgeführt, dass im Jahre 2010 Strecken mit einer Länge von 8000 km für den Doppelstock-Transport geeignet waren, bis 2020 sollen 16 000 km mit Tragwagen für Doppelstock-Containern befahrbar sein [12]. In der Untersuchung der Asean Development Bank wird betont, dass die bestehenden Frachtterminals der Bahn weiter an die Bedürfnisse des Containerverkehrs anzupassen und neue Terminals zu errichten sind. Dabei ist darauf zu achten, dass diese multimodal gestaltet werden. Um die Akzeptanz bei den Verladern zu steigern, muss die Abdeckung des Landes mit Containerverkehren durch die China Railway verbessert werden; darüber hinaus sind eine Steigerung der Zugverbindungen, der Geschwindigkeit und der Zuverlässigkeit der Verkehre erforderlich. Letztlich sind das Monopol von China Railway für Containerverkehre auf der Schiene abzuschaffen und qualifizierte private Operateure schrittweise zuzulassen. Zudem ist das starre Preissystem durch ein marktorientiertes System abzulösen [13]. Bahn-Container-Terminals Zu Beginn dieses Jahrhunderts steckte der Bahntransport von Containern noch in den Anfängen. In Nordchina gab es damals nur zwei Containerbahnhöfe: Beijing Chaoyang Inland Port und Feng Tai Wulidan. Zwar hatte die Weltbank 1999 eine Initiative ergriffen, die 2003 zum Bau von acht Containerdepots führte. Diese erfüllten zunächst ihre Erwartungen an die Volumina nicht [14]. Dennoch verkündete das damalige Ministry of Railways 2003 aus verkehrspolitischen Gründen ein Programm zum Bau von 18 Containerhubs, was dann zur Gründung der China United Rail Container Co., Ltd. führte [15]. An dieser Gesellschaft sind neben der China Railway Container Transport Company Ltd. (34 %) die in Honkong börsennotierte NWS Holdings Ltd. (30 %) auch die Deutsche Bahn AG beteiligt. Als Zielsetzung der Gesellschaft gelten die Erhöhung des auf der Schiene transportierten Containervolumens, den Umschlag und die Lagerung von Containern, den Betrieb eines Netzwerkes von Ganzzügen sowie die Organisation des Vor- und Nachlaufes. „Ergänzend wird ein IT-System etabliert, das die den Transport begleitenden Bild 5: Doppelstock- Container-Tragwagen-X2H Quelle: China Academy of Railway Science Bild 4: Traditioneller Straßengüterverkehr in China Fotos: A. F. Schwolgin Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 33 China LOGISTIK Informationen verarbeitet und so einen optimalen Informationsfluss für alle Beteiligten sicherstellen wird.“ [16] Im Jahr 2015 waren von den 18 Bahn- Containerterminals 9 fertiggestellt und in Betrieb (Dalian, Qingdao, Zhenzhen, Xian, Chendu, Wuhan, Shanghai, Chongqing und Kunming). Im Bau befanden sich Urumqi im Westen, Harbin im Nordosten, Tianjin in der Bahai-Bucht sowie Lanzhou in der Mitte des Landes an der Eisenbahnstrecke von Zhengzhou über Xian nach Urumqi. Geplant sind vier weitere intermodale Containerterminals in Peking, südlich von Shanghai in Ningbo sowie in Guangzhou und Shenzhen im Süden des Landes (Bild 6). Aufgrund von Angebotsengpässen stagnierte von 2006 bis 2011 das per Bahn transportierte Container-Volumen bei etwa 4 Mio. TEU. Nachfrageseitig besteht allerdings ein genügend großer Raum für die weitere Entwicklung dieses Segmentes [17]. Die Doppelstock-Container-Züge benötigen aber in der Fläche auch eine entsprechende Infrastruktur. Deshalb sollen in der Nähe von Provinzhauptstädten und Häfen 40 Container-Stationen eingerichtet werden, die entsprechende Transportvolumina generieren sollen und vor allem die Umschlagtechnik für Doppelstock-Container- Verkehre vorhalten [18]. Huckepackverkehr Der Begriff des Huckepackverkehrs kommt aus dem englischen „Piggyback Transportation“ und bedeutete ursprünglich den Transport von Gütern, bei dem eine Ladeeinheit „auf dem Rücken“ einer anderen transportiert wird. In den USA wird der Begriff in erster Linie für den Transport von Aufliegern (Semi-Trailer) auf Flachwagen benutzt. Fachspezifisch wird von „Truck on Flat Car (TOFC) gesprochen. Der Transport von ziehenden Einheiten mit Anhängern oder Aufliegern fällt ebenfalls unter diesen Begriff. Hier wird von „rolling roads“ oder „rolling highways“ gesprochen. Damit wäre in unserem Sprachgebrauch von unbegleitetem und begleitetem Kombinierten Verkehr zu sprechen. Hinweise auf den Transport von Aufliegern oder beladenen LKW auf der Schiene in der Volksrepublik China konnten nicht gefunden werden. Eine im letzten Jahr publizierte Studie hat sich mit der Notwendigkeit und Möglichkeiten der Entwicklung von Huckepackverkehren befasst. Nach Ansicht der Autoren stehen der Einführung von Huckepackverkehren politische und regulative Hindernisse im Wege. Hinzu kommen die Fahrzeuge, die Transportorganisation, Umschlagseinrichtungen und entsprechendes Knowhow [19]. ■ LITERATuR uNd ANMERkuNgEN 1 Vgl. Asian Development Bank: Transport efficiency through logistics development. Policy study, Manila 2012; Blancas, Luis C.; Ollivier, Gerald; Bullock, Richard: Customer driven rail intermodal Logistics. Unlocking a new source of value for China, in: China Transport Topics No. 12, hrsg. von The World Bank, Washington D. C. 2015. 2 Vgl. dazu Rohland Berger Strategy Consultants: Die Go-West-Strategie der chinesischen Regierung. Chancen für die deutsche Wirtschaft? Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Hamburg 2009. 3 Vgl. Chen, Liping; Grascht, Rüdiger: Containerlogistik im Seehafenhinterland in China, in: Praxishandbuch Logistik, hrsg. von U.-H. Pradel; W. Süssenguth, J. Piontek, A. F. Schwolgin, Loseblattausgabe, Köln 2001, Ergänzungslieferung Dezember 2006, Tz. 2.5.2; , S. 1. 4 Vgl. Blancas/ Ollivier/ Bullock (2015), S. 2. In Hamburg entfallen zum Vergleich 43 % auf die Bahn und 11 % auf das Binnenschiff, o. V.: Daten und Fakten, in: Port of Hamburg Magazine Nr. 4/ 2015, S. 11. 5 Im Zuge der von den Deutschen zu Beginn des letzten Jahrhunderts in China entwickelten Eisenbahnverbindungen wurde auch der Hafen von Tsingtau mit einer Hafenbahn ausgestattet. Vgl. Petersen, Joachim: Die Eisenbahn in China. Das staatliche Eisenbahnunternehmern der Volksrepublik China in Wort und Bild, Stuttgart 1983, S- 25. 6 Vgl. Blancas/ Ollivier/ Bullock, S. 2 sowie Shi, Baolin: Status and trends of the Development of China’s intermodal logistics centers, Vortrag im Rahmen der 4. Deutsch-Chinesischen Konferenz „Grüne Logistik“ am 10.11.2015 in Berlin. 7 Vgl. Xiao, Huang; Ran, Xing: To promote the development of container rail-sea intermodal transport in China through optimization of railway transport organization, in: Applied Mechanics and Materials, Vol. 253 - 255/ 2013, S. 1227 - 1230, hier S. 1227. 8 Vgl. Chen/ Grascht, S. 12 und 14. 9 Vgl. o. V.: First double-deck container train to hit the road, in: China Daily vom 14.4.2004, http: / / www.chinadaily.com.cn/ english/ doc/ 2004-04/ 14/ content_323317.htm, abgerufen am 3.1.2016, Chen Grascht geben das Jahr 2003 für die Inbetriebnahme an. 10 Vgl. Das, Mamuni: Spotlight on double-stack container movement, in: The Hindu Businessline vom 15.10.2007, www.thehindubusinessline.com / todays-paper/ article16/ 20/ 6.ece? css=print, abgerufen am 29.12.2015. 11 Vgl. Frémont, Antoine: The transfer of freight from road to rail transport, in: Sustainable railway futures. Issues and challenges, hrsg. von B. P.Y. Loo und C. Comtois, Farnham 2015, S. 109 - 125, hier S. 117. Sowie UNESCAP, a.a. O., S. 20 - 21. 12 Vgl. CRIntermodal: Intermodal transportation in China has huge potential, In: www.crintermodal.com/ en/ about_us.asp, abgerufen am 9.109.2015. 13 Vgl. Asian Development Bank, S. 34 und 39f; ähnlich auch Cole, David et al.: Freight Mobility and Intermodal Connectivity in China, hrsg. von der FHWA, U.S. Department of Transportation, Washington D.C. 2008 sowie Schwolgin, Armin F.: Beginn der Bahnreform in China, in: Internationales Verkehrswesen Nr. 3/ 2013, S. 36 - 38. 14 Vgl. UNESCAP: Policy framework for the development of intermodal interfaces as part of an integrated transport network in Asia, New York 2009. 15 Vgl. Schwolgin, Armin F.: Schienengüterverkehr in der Volksrepublik China, Praxishandbuch Logistik, hrsg. von U.-H. Pradel; W. Süssenguth, J. Piontek, A. F. Schwolgin, Loseblattausgabe, Köln 2001, Ergänzungslieferung März 2008, Textziffer 2.5.3, S. 11f. 16 Bensel, Norbert: Multimodale Transport- und Logistikketten unter besonderer Berücksichtigung der Schiene, in: Das Beste der Logistik. Innovationen, Strategien, Umsetzungen, hrsg. von H. Baumgarten, Heidelberg 2008, S. 219 - 226, hier S. 225. 17 Vgl. Wallis, Keith: China’s port operators to increase rail links to inland cities, in: South China Morning Post vom 20.10.2012, in: http: / / www.scmp.com/ business/ china-business/ article/ 1065377/ chinasport-operators-increase-rail-links-inland-cities, abgerufen am 28.12.2015. 18 Auskunft der China Academy of Railway Science vom 22.12.2015. 19 Vgl. Mai, Yuanyuan; Liu, Jin; Sun Xiaonian: Key Problems of the development of piggyback transport in China. Proceedings of the fifth international conference on transportation engineering, September 26 - 27, 2015 in Dailan, hrsg von der American Society of Civil Engineers, S. 388 - 394. Armin F. Schwolgin, Prof. Dr. Studiengangsleiter, BWL-Spedition, Transport und Logistik, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Lörrach; Adjunct Professor Beijing Wuzi University schwolgin@dhbw-loerrach.de Bild 6: Netz der kombinierten Bahnterminals in China (Stand Ende 2015) Quelle: China Academy of Railway Science Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 34 LOGISTIK Wissenschaft Wege zum Kombinierten Verkehr Eine Analyse potenzieller Transportrelationen und Angebote von, nach und innerhalb Deutschlands Kombinierter Verkehr, Straßengüterverkehr, Verkehrsmittelwahl, Transportrelationen Der Einsatz von umweltfreundlichen Verkehrsträgern wie den Kombinierten Straßen-/ Schienengüterverkehr (KV) stellt Speditionen, die überwiegend Straßengüterverkehre (SV) durchführen, vor organisationale Herausforderungen. Die Aufnahme der neuen Dienstleistung „KV“ in das bestehende Produktionskonzept „SV“ erfordert als einen der ersten Schritte zur Verkehrsmittelverlagerung die Identifizierung potenzieller Transportrelationen und deren Vergleich mit bestehenden KV-Angeboten hinsichtlich Verbindungshäufigkeit und Transportzeit. Der Beitrag identifiziert in einem ersten Schritt potenzielle KV-Transportrelationen und vergleicht auf diesen die Verbindungshäufigkeit und Transportzeit bestehender KV-Angebote mit dem SV. Die Analyse von über 81 200 Relationen von, nach oder innerhalb Deutschlands zeigt, dass Relationen insbesondere zwischen Westdeutschland und Osteuropa, Seehafenhinterlandverkehre und alpenüberquerende Relationen ein hohes Verlagerungspotenzial aufweisen. Auf 12 der 25 Relationen mit den höchsten Transportaufkommen (in t) im europäischen Straßengüterfernverkehr besteht ein im Vergleich zum SV konkurrenzfähiges KV-Angebot. Autoren: Ralf Elbert, Lowis Seikowsky, Jan Philipp Müller, Peter Poschmann I m Gegensatz zum unimodalen SV wird beim KV der Hauptlauf des Transports auf der Schiene durchgeführt und nur der im Vergleich dazu kurze Vor- und Nachlauf von und zum Umschlagsterminal auf der Straße (UN/ ECE, 2001). Im Zuge des Forschungsprojekt „KoVoS“ (www.kovos.de) am Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt wurde in eigens durchgeführten Expertenworkshops deutlich, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, KV in das jeweilige Produktionskonzept aufzunehmen. Von Verladern beauftragte Speditionen zur Organisation und/ oder Durchführung der Transportdienstleistung gelten als Entscheidungsträger für die Verkehrsmittelwahl (Bergantino und Bolis, 2004). Im Vergleich zum unimodalen SV ist im KV die Kooperation zwischen unterschiedlichen Akteuren (Terminalbetreiber, KV-Operateur sowie ggf. Transportsubunternehmer für den Vor-/ Nachlauf ) sowie die Koordination einzelner Abschnitte der Transportkette (Vor-, Haupt-, Nachlauf sowie Umschlagvorgänge) notwendig, woraus eine im Vergleich zum SV erhöhte Organisationskomplexität für Spediteure erwachsen kann (Bontekoning et al., 2004) sowie sich notwendige Veränderungen organisationaler Routinen ergeben (Sydow et al., 2009). Darüber hinaus ist der deutsche Speditionsmarkt durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt - ca. 97 % der Speditionen in Deutschland haben weniger als 50 Mitarbeiter (Schmidt, 2007) -, die im Alltagsgeschäft oft nicht die nötigen Personalkapazitäten haben, um sich mit dem vermeintlich komplexen Produktionskonzept KV auseinanderzusetzen. In sieben Expertenworkshops mit Vertretern von Speditionen, Transportunternehmen, Terminalbetreibern, KV-Operateuren, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Verladern und Verbänden der Logistik- und Transportbranche im Zeitraum 2013 bis 2015 wurde deutlich, dass vielen Spediteuren einfache Handlungsempfehlungen zur Umsetzung von KV zum bestehenden Produktionskonzept fehlen. Spediteure, Transportunternehmer und Verlader bezeichneten die Identifizierung potenzieller Transportrelation als eines der wichtigsten Prüfkriterien zur Verkehrsmittelverlagerung vom SV auf den KV, bevor eine valide ökonomische Analyse durchgeführt werden kann. Weiterhin zeigte sich in den Expertenworkshops, dass für eine hohe Auslastung der Verkehrsträger auf einer Transportrelation diese zum einen ein hohes bidirektionales Transportaufkommen KV-affiner Güter aufweisen sollte. Zum anderen müssten auch geeignete KV-Angebote auf der Relation verfügbar sein, die hinsichtlich Verbindungshäufigkeit und Transportzeit im Vergleich zum SV konkurrenzfähig sind. Als einer der „ersten Schritte“ zur Verkehrsmittelverlagerung und der Aufnahme von KV im Produktionskonzept von Spedition werden im vorliegenden Beitrag potenzielle Transportrelationen von, nach sowie innerhalb Deutschlands analysiert. Zunächst erfolgt eine Identifikation von Transportrelationen mit einem hohen bidirektionalen Transportaufkommen im europäischen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 35 Wissenschaft LOGISTIK Straßengüterfernverkehr mittels statistischer Daten. Anschließend werden die identifizierten Relationen mit dem bestehenden Angebot von KV-Operateuren in Bezug auf Verbindungshäufigkeit und Transportzeit analysiert und mittels Interviews mit vier Experten kategorisiert. Dabei sind auch weitere Faktoren zur Analyse von KV-Angeboten, wie die Transportentfernung des Vor- und Nachlaufs, KV-geeignete Ladeeinheiten und Umschlagstechnologien, in die Betrachtung einbezogen. Untersuchungsmethodik und datengrundlage Die Untersuchungsmethodik wurde in sechs Schritte unterteilt: Räumliche Gliederung des Fallstudiengebiets Zur Identifizierung der Relationen mit den höchsten Transportaufkommen (in t) im europäischen SV wurde die „Road Freight Matrix“ aus der Datenbank ETIS plus (European Tranport Policy Information System) verwendet. Die ETIS plus Datenbank (www.etisplus.eu) ist eine länderübergreifende Verkehrsdatenbank, die das jährliche Transportaufkommen (in t) für das Jahr 2010 zwischen europäischen Verkehrsbezirken für den SV abbildet und gemäß der standardisierten EU-Güterklassifikation NST/ R (NST: Nomenclature uniforme des marchandises pour les statistiques de transport; R: revised) in 52 Güterkategorien aufschlüsselt. Die Einteilung der Verkehrsbezirke in der Datenbank orientiert sich dabei an der NUTS III-Klassifikation (NUTS: Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques) der EU. Ein NUTS III- Raum entspricht demnach einem Landkreis bzw. einer kreisfreien Stadt in Deutschland (Szimba et al., 2013). Für eine größere räumliche Gliederung des Fallstudiengebiets wurden durch die Zusammenzüge von NUTS III- Räumen NUTS II-Räume gebildet (Weidmann et al., 2012), welche Regierungsbezirken in Deutschland entsprechen. Insgesamt wurde das Transportaufkommen (in t) von insgesamt 44 Ländern, die geographisch in Europa liegen sowie die Türkei, im europäischen SV zwischen 442 NUTS II-Räumen, davon 39 NUTS II-Räume in Deutschland, im Jahr 2010 untersucht. Auswahl der Güterkategorien Um in der ETIS plus Datenbank relevante Güterkategorien zu berücksichtigen, die für einen Transport im KV geeignet sind, bewerteten jeweils eine Spedition, ein Terminalbetreiber, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und ein Verband der Logistik- und Transportbranche im 1. Quartal 2015 die Güterkategorien. Mittels vier strukturierter Interviews wurden die 52 Güterkategorien nach NST/ R in die Kategorien „eher KV-geeignet“ und „eher nicht KV-geeignet“ klassifiziert. Die Auswertung der Güterlisten ergab, dass grundsätzlich alle Güter im KV befördert werden können, die mit Hilfe standardisierter Ladeeinheiten transportierbar sind. Als eher ungeeignet erweisen sich Güter mit einer hohen Stoßempfindlichkeit (z. B. Glas oder Keramik) und großen Abmessungen (z. B. Fahrzeuge) sowie der Transport lebender Tiere. In die Analyse der Transportrelationen wurden daher 48 der 52 Gütergruppen mit einbezogen. Weiterhin wurde in den Diskussionen mit den Experten deutlich, dass trotz einer „eher KV-geeignet“ Klassifizierung nicht alle NST/ R-Gütergruppen gleichermaßen auf den KV verlagerbar sind. Diese Aussage deckt sich mit einer Analyse der KV-Affinität durch Ruesch et al. (2000), in welcher der maximal auf den KV verlagerbare Anteil für die einzelnen Gütergruppen bestimmt wurde. So sind nur etwa 80 % des Transportaufkommens (in t) von Maschinen und sonstigen Halb- und Fertigwaren und 25 % der Schüttgüter wie Steine, Erden und Baustoffe potenziell im KV transportierbar. Um diesen Umstand in der Analyse zu berücksichtigen, wurden alle 48 Gütergruppen gemäß ihrer prozentualen Verlagerbarkeit auf den KV nach Ruesch et al. (2000) gewichtet. Durch Kumulation des gewichteten Transportkommens (in t) wurde im Anschluss das verlagerbare Gesamttransportaufkommen für jede Transportrelation bestimmt. Räumliche Ausprägung Für einen wirtschaftlichen Einsatz von KV ist neben der physischen Eignung der Güter eine ausreichend hohe Transportentfernung relevant. In der Literatur werden als untere Entfernungsgrenze 300 km angesehen (Clausen und Eiband, 2010; Europäische Kommission, 2011). Empirische Daten deuten hingegen darauf hin, dass ein wirtschaftlicher Einsatz des KV erst ab wesentlich größeren Distanzen gegeben ist. So betrug im Jahr 2013 die mittlere Transportentfernung im KV 722 km und im Jahr 2014 sogar 780 km (UIRR, 2015). Um eine konservative Festlegung der Entfernungsgrenze zu gewährleisten und darüber hinaus Sonderfälle wie etwa alpenüberquerende Transporte auszuschließen, in denen der KV auch auf wesentlichen kürzeren Distanzen eingesetzt wird, werden daher nur Transportrelationen mit einer Transportentfernung von mindestens 720 km in die Analyse mit einbezogen. Unter Zugrundelegung eines Umrechnungsfaktors von 1,2 für das vergleichsweise dichte europäische Straßennetz (Vahrenkamp und Mattfeld, 2007), ergibt sich hierbei eine Luftlinienentfernung von ca. 600 km. Auswahl von Transportrelationen Anhand des gewichteten Gesamttransportaufkommens und unter Berücksichtigung der Mindestentfernung wurden im Anschluss die 25 Relationen von insgesamt über 81 200 untersuchten Relationen mit den höchsten Transportaufkommen (in t) im europäischen Straßengüterfernverkehr ermittelt. Hierbei wurden ausschließlich grenzüberschreitende Verkehre von und nach Deutschland sowie Transporte innerhalb Deutschlands berücksichtigt. Eine Beschränkung auf 25 Relationen erfolgt aus Gründen der starken Konzentration des Transportaufkommens auf wenigen Relationen. Paarigkeit der Güterströme Eine hohe Unpaarigkeit von Güterströmen kann im KV aufgrund der geringeren Flexibilität der Verkehre schwieriger ausgeglichen werden als im SV und ist daher eine wichtige Voraussetzung zur Analyse von Transportrelationen im KV (Bendul, 2012). Daher wurden im nächsten Schritt die Paarigkeit der Güterströme als Verhältnis des richtungsspezifischen Transportaufkommens für die betrachteten Transportrelationen ermittelt. Diese Kennzahl ist in der Auswertung der Relationen mit dargestellt (siehe Tabelle 1) um eine Orientierung hinsichtlich der Geeignetheit zur Bedienung im KV zu ge- Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 36 LOGISTIK Wissenschaft ben. Bei einer hohen Paarigkeit entsteht tendenziell eine hohe Auslastung der Ladeeinheiten sowohl im Hinals auch Rückverkehr. Analyse des KV-Angebots auf ausgewählten Transportrelationen Im letzten Schritt wurden die Relationen mit den höchsten Transportaufkommen (in t) im europäischen SV mit dem bestehenden KV-Angebot verglichen. Hierzu wurden für jede Relation zunächst die Umschlagsterminals im Quell- und Zielbezirk ermittelt (Elbert und Seikowsky, 2015), für die mindestens ein KV-Angebot auf der untersuchten Relation verfügbar ist. Anschließend wurde jede Relation auf bestehende Transportangebote verschiedener KV-Operateure untersucht und für jeden Wochentag die jeweils kürzeste Transportzeit des Hauptlaufs ermittelt. Es wurden die KV-Angebote von 58 KV-Operateuren (z. B. Hupac, TFG Transfracht, Kombiverkehr und TX Logistik) mit Relationen von, nach und innerhalb Deutschlands untersucht. Als Datengrundlage diente eine umfangreiche Übersicht von KV-Operateuren (Klotz, 2015). Um einen Vergleich zwischen KV und SV zu ermöglichen, wurden für jede Transportrelation zugleich die mittleren Fahrzeiten auf der Straße geschätzt. Als Maßstab diente hierzu die mittlere Straßenentfernung zwischen Quell- und Zielbezirk unter Annahme eines Ein-Fahrer-Betriebs bei täglich neun Stunden Lenk- und 15 Stunden Ruhezeit (Das Europäische Parlament und Rat der Europäischen Union, 2006). Schließlich wurden die Transportrelationen, Verbindungshäufigkeiten und Transportzeit in einem iterativen Prozess in Telefoninterviews mit den vier Experten von Punkt 2 „Auswahl der Güterkategorien“ validiert und die Ergebnisse des Vergleich des KV-Transportangebotes und SV für die 25 Relationen von, nach und innerhalb Deutschlands mit dem höchsten Transportaufkommen (in t) kategorisiert. Relationen von und nach deutschland mit dem höchsten Transportaufkommen Die Analyse des SV zeigt, dass das Transportaufkommen (in t) in Europa nicht auf allen Relationen gleichermaßen verteilt ist, sondern eine starke Konzentration auf wenigen Relationen aufweist. So stellen die 25 ausgewerteten Relationen nur 0,03 % aller Relationen von, nach bzw. innerhalb Deutschlands dar, auf sie entfallen jedoch bereits 5,2 % des jährlichen Transportaufkommens (in t) im europäischen SV. Dabei weisen die 25 aufkommensstärksten Relationen ein im Mittel ein ca. 40-mal höheres Transportaufkommen (in t) auf als das durchschnittliche Transportaufkommen auf allen Relationen auf. Darüber hinaus werden auf 14 % der 81 200 untersuchten Relationen 80 % des gesamten Transportaufkommens im SV (in t) transportiert. Neben einer Konzentration des Transportaufkommens auf bestimmten Relationen kann auch eine geografische Ungleichverteilung des SV festgestellt werden (siehe Bild 1). So entfällt etwa die Hälfte (48 %) des jährlichen Transportaufkommens (in t) der 25 analysierten Relationen auf Transporte zwischen Deutschland und Polen. Zwischen Deutschland und Österreich bzw. Deutschland und Italien werden hingegen nur jeweils 16 % des Transportkommens (in t) des SV transportiert. Die restlichen 20 % beziehen sich auf Transporte von Deutschland nach Frankreich, Tschechien, Spanien und die Niederlande. Wird die geografischen Verteilung des Transportaufkommens im SV betrachtet, lässt sich eine hohe Konzentration von Relationen zwischen Westdeutschland, insbesondere dem Regierungsbezirk Düsseldorf, und Polen feststellen. Die bidirektionale Relation zwischen Düsseldorf und Dolnoslaskie weist mit einem Anteil von 10 % hierbei das höchste Transportaufkommen (in t) im SV unter allen analysierten Relationen auf. Der Bezirk Düsseldorf bildet gleichzeitig die Quelle bzw. Senke mit dem höchsten Transportaufkommen (in t), ist in 15 der 25 Relationen als Knoten enthalten und umfasst 61 % des jährlichen Transportaufkommens (in t) des SV der analysierten Relationen. Neben Verbindungen von und nach Polen bestehen zudem Relationen mit einem hohen Transportportaufkommen (in t) im SV von Düsseldorf nach Spanien (Katalonien), nach Norditalien (Venetien und Lombardei), in das Bundesland Niederösterreich sowie die Region Mittelböhmen in Tschechien. Die Paarigkeit der Güterströme ist mit einem Verhältnis des Transportaufkommens von ca. 95 % insbesondere auf den Relationen „Niederschlesien - Köln“ und „Oberbayern - Nord-Pas-de-Calais“ gegeben (siehe Tabelle 1). Darüber hinaus verfügt die Mehrzahl der untersuchten Relationen zumindest über eine Paarigkeit von 80 % oder höher. Eine wesentlich geringere Paarigkeit lässt sich hingegen zwischen den Bezirken Düsseldorf und Katalonien, Südholland und Oberbayern sowie Düsseldorf und Masowien feststellen. Auf diesen Relationen könnte die Nutzung des KV durch geringere Auslastungen im Rückverkehr erschwert werden. Vergleich des Straßengüterverkehrs mit KV-Transportangeboten Die Verbindungshäufigkeit und die Transportzeit im Hauptlauf determiniert wesentlich die Konkurrenzfähigkeit des KV gegenüber dem SV (Janic, 2007). Beide Grö- Bild 1: Übersicht über die 25 Relationen im europäischen Straßengüterverkehr mit dem höchsten jährlichen Güteraufkommen von, nach und innerhalb Deutschlands 1: Nord-Pas-de Calais, 2: Südholland, 3: Weser-Ems, 4: Düsseldorf, 5: Köln, 6: -Arnsberg, 7: Westpommern, 8: Lebus, 9: Großpolen, 10: Niederschlesien, 11: Masowien, 12: Schlesien, 13: Mittelböhmen, 14: Niederösterreich, 15: Oberbayern, 16: -Lombardei, 17: Venetien, 18: Katalonien Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 37 Wissenschaft LOGISTIK ßen bestimmen die Gesamttransportdauer, da ab Eingang der Transportgüter beim Spediteur die Zeit bis zur nächsten Zugabfahrt als Wartezeit berücksichtigt werden muss. Die 25 Relationen mit den höchsten Transportaufkommen im europäischen SV können anhand dieser Kennzahlen in drei Kategorien klassifiziert werden (siehe Tabelle 1), wobei eine Bewertung der Gesamttransportdauer im Vergleich zum SV als Einteilungskriterium dient: Kategorie 1 - Kompetitives KV-Angebot Umfasst Relationen bei den untersuchten KV-Operateuren, auf denen hinsichtlich Verbindungshäufigkeit und Transportzeit ein zum SV vergleichbares KV-Angebot vorliegt. Die Relationen weisen innerhalb der Woche tägliche KV-Verbindungen auf und verfügen somit im KV über eine hohe Verbindungshäufigkeit. Darüber hinaus wird auf den Relationen an mindestens drei Tagen pro Woche eine KV-Verbindung angeboten, deren Transportzeit maximal 25 % höher ist als im SV. Weiterhin sollten im Quell- und Zielbezirk in der Regel mehrere KV-Terminals mit einer Verbindung zum Zielterminal zur Verfügung stehen. Kategorie 2 - Potenzielles KV-Angebot Umfasst Relationen, für die die untersuchten KV-Operateure zwar mehrmals wöchentlich Transporte anbieten, die Transportzeiten jedoch mehr als 25 % länger dauert als die des SV. Kategorie 3 - Eingeschränktes KV-Angebot Umfasst Relationen, für die bei der Datenerhebung keine direkten Verbindungen von den ausgewählten KV- Operateuren angeboten wurden. Da die vorliegende Analyse allerdings kein umfassendes KV-Angebot für die Relationen abdeckt und Transporte über angrenzende Bezirke nicht berücksichtigt, sind dennoch KV-Angebote möglich. In jedem Fall ist jedoch eine relationsspezifische Überprüfung des KV-Transportangebotes erforderlich. Die Analyse der KV-Angebote zeigt, dass auf 19 von den 25 untersuchten Relationen bereits ein regelmäßiges KV-Transportangebot existiert, welches an mindestens drei Tagen pro Woche eine Verbindung zum Zielbezirk ermöglicht. Häufig werden zudem KV-Verbindungen an Wochenenden angeboten. Der KV könnte an Wochenenden eine sinnvolle Alternative zum SV darstellen, welcher zum Teil durch Sonn- und Feiertagsfahrverbote eingeschränkt wird (§ 30 StVO). Ein eingeschränktes KV-Angebot nach den Kriterien von Kategorie 3 konnte insbesondere für die untersuchten Relationen von und nach Polen ermittelt werden. Startbezirk Zielbezirk Paarigkeit der Güterströme Transportzeit Straßengüterverkehr (in Std.) Transportzeit KV (in Std.) Wochentage mit KV-Angeboten KV-Terminals im Start-/ Zielbezirk Kategorie 1: Kompetitives KV-Angebot Düsseldorf (D) Niederösterreich (A) 69% 31 35 5 4 / 1 Niederösterreich (A) Düsseldorf (D) 31 37 5 1 / 4 Düsseldorf (D) Großpolen (PL) 89% 29 24 7 3 / 1 Düsseldorf (D) Venetien (I) 80% 31 33 7 4 / 1 Venetien (I) Düsseldorf (D) 31 34 6 1 / 4 Lombardei (I) Weser-Ems (D) 80% 33 33 5 3 / 1 Weser-Ems (D) Lombardei (I) 33 29 5 1 / 3 Düsseldorf (D) Katalonien (E) 43% 53 61 7 3 / 3 Südholland (NL) Oberbayern (D) 60% 29 39 5 3 / 1 Oberbayern (D) Südholland NL) 29 30 5 1 / 3 Großpolen (PL) Düsseldorf (D) 89% 29 27 4 1 / 3 Düsseldorf (D) Masowien (P) 61% 48 57 7 3 / 1 Kategorie 2: Potenzielles KV-Angebot Düsseldorf (D) Niederschlesien (P) 85% 28 65 5 1 / 1 Niederschlesien (PL) Düsseldorf (D) 28 87 3 1 / 1 Düsseldorf (D) Schlesien (PL) 80% 32 68 5 1 / 1 Schlesien (PL) Düsseldorf (D) 32 63 4 1 / 1 Köln (D) Niederösterreich (A) 81% 30 82 5 1 / 1 Niederösterreich (A) Köln (D) 30 80 3 1 / 1 Düsseldorf (D) Mittelböhmen (CZ) 74% 26 38 6 4 / 1 Kategorie 3: Eingeschränktes KV-Angeobt Niederschlesien (PL) Weser-Ems (D) 67% 27 Westpommern (PL) Düsseldorf (D) 76% 28 Arnsberg (D) Schlesien (PL) 78% 31 Lebus (PL) Düsseldorf (D) 80% 27 Niederschlesien (PL) Köln (D) 96% 29 Oberbayern (D) Nord - Pas-de-Calais (F) 95% 31 Tabelle 1: Vergleich der 25 Relationen von, nach und innerhalb Deutschlands mit dem höchsten Transportaufkommen im europäischen Straßengüterverkehrs mit ausgewählten KV- Transportangeboten Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 38 LOGISTIK Wissenschaft Im Gegensatz zu der Verbindungshäufigkeit weisen die untersuchten Relationen jedoch eine große Heterogenität in Bezug auf die Transportzeit auf. Obwohl ein Teil der Relationen über KV-Angebote verfügt, die im Vergleich zum SV eine nur geringfügig längere Transportzeit aufweisen, wird deutlich, dass die Transportzeiten im KV insgesamt höher ausfallen als im SV. So stellt der SV auf 21 der 25 untersuchten Relationen die schnellere Alternative als der KV dar. Für sieben von den 25-untersuchten Relationen werden zwar mehrmals wöchentlich Transporte angeboten, dennoch liegt die Transportzeit erheblich über denen des SV und können somit in Kategorie 2 „Potenzielles KV-Angebot“ klassifiziert werden. Hierunter fallen überwiegend Transporte von und nach Polen sowie Tschechien. KV kann auf diesen Relationen aber dennoch eine Alternative darstellen, sofern die Güter nicht zeitkritisch sind. Im Gegensatz dazu haben 12 der 25 untersuchten Relationen nur max. 25 % längere Transportzeit im KV als im SV sowie ein regelmäßiges Angebot an Verbindungen und erfüllen somit die Kriterien von Kategorie 1. Ein kompetitives KV-Angebot besteht insbesondere für alpenüberquerende Verbindungen und Seehafenhinterlandverkehre. Weitere Faktoren zur Analyse von KV-Angeboten Zur Beurteilung der potentiellen Eignung von Relationen für den KV sind neben dem Vergleich zum SV und der Analyse bestehender KV-Angebote weitere Faktoren für die Verkehrsmittelverlagerung in Erwägung zu ziehen. Ein wichtiges Beurteilungskriterium bildet hierbei die Transportentfernungen des Vor- und Nachlaufs, die 25 % bis 45 % der Gesamttransportkosten verursachen (Schweizer Bundesamt für Verkehr et al., 2006). Daher ist die Transportentfernungen zwischen Quelle/ Senke und KV-Terminals ein wichtiger Faktor für die Transortkosten im KV. Die Transportentfernung für den Vor- und Nachlauf beträgt für 84 % der KV-Transporte deutscher Speditionen max. 30 % der Gesamttransportentfernung (Bühler, 2005). Ausnahmeregelungen, wie eine auf 44 t erhöhte Gewichtsgrenze für Fahrzeuge, die im Vor- und Nachlauf zum nächstgelegenen geeigneten Terminal des KV eingesetzt werden (Teil 3 § 34 Absatz 6 Nummer 6 StVZO) oder angepasste Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen gelten in Deutschland für 200 km im Vor- und Nachlauf (§ 30 StVO). Neben der Transportentfernung von und zum Terminal sollte der Umschlagsprozess für die Eignung von Relationen im KV berücksichtigt werden, d.h. insbesondere die Kompatibilität standardisierter Ladeeinheiten (z. B. Container und Wechselbrücken) mit der Umschlagstechnologie (horizontal oder vertikal). Innovative Umschlagstechnologien für konventionelle Sattelauflieger, mit denen in Deutschland ca. 72 % der Gesamttransportleistung (in tkm) im SV transportiert werden (Kraftfahrt-Bundesamt, 2014), sind oft nur auf Pilotstrecken verfügbar (Graaf und Oswald, 2015). Weiterhin ist eine stabile und prognostizierbare Nachfrage nach Transportdienstleistungen auf einer potenziellen Relation von Vorteil, da im KV anders als im SV die benötigten Kapazitäten für den Hauptlauf auf der Schiene länger im Voraus gebucht werden sollte (Bendul, 2012). Fazit Die Analyse des KV-Angebots der 25 Relationen von, nach und innerhalb Deutschlands mit dem höchsten Transportaufkommen (in t) im europäischen Straßengüterfernverkehrs über 600 km Luftlinie zeigt, dass für knapp die Hälfte der untersuchten Relationen in Bezug auf Verbindungshäufigkeit und Transportzeit im Vergleich zum SV konkurrenzfähige Verbindungen für die Verkehrsmittelverlagerung auf den KV angeboten werden. Die Relationen mit zum SV vergleichbarer Transportzeit im KV und Verbindungshäufigkeit von Wochentagen mit KV Angeboten sind überwiegend alpenüberquerende Verbindungen und Seehafenhinterlandverkehre. Die Analyse des KV-Angebots der 25 Relationen zeigt weiter, dass Relationen insbesondere zwischen Westdeutschland und Osteuropa ein hohes Transportaufkommen, z.T. auch eine hohe Verbindungshäufigkeit von KV-Angeboten haben. Relationen mit im Vergleich zum SV längeren Transportzeiten können eine Alternative für nicht-zeitkritische Güter darstellen. Sollte eine Spedition für Transporte eine Verkehrsmittelverlagerung vom SV auf den KV in Erwägung ziehen, sind im nächsten Schritt insbesondere die Transportentfernung des Vor- und Nachlaufs auf der Straße zum KV-Terminal sowie die Kompatibilität der Ladeeinheiten zur Umschlagstechnologie zu beachten. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der KV auf Relationen im Güterfernverkehr mit einem hohen Transportaufkommen eine Alternative zum SV sein kann. Neben einer relationsspezifischen Überprüfung der Verbindungshäufigkeit und Transportzeit von der Quelle zur Senke ist eine ökonomische Analyse der Relation für Verkehrsmittelverlagerung vom SV auf KV notwendig. ■ LITERATuR Bendul, J. C. (2012): Performance-oriented Integration of Combined Transport into Supply Chain Concepts. Diss. St. Gallen 2012. Bergantino, A. S., Bolis, S. (2004): An analysis of maritime ro-ro freight transport service attributes through adaptive stated preference: an application to a sample of freight forwarders. European Transport 25-26(2003-2004), S. 33-51. Bontekoning, Y., Macharis, C., Trip, J. J. (2004): Is a new applied transportation research field emerging? A review of intermodal rail-truck freight transport literature. In: Transportation Research Part A: Policy and Practice 38(2004)1, S. 1-34. Bühler, G. (2006): Verkehrsmittelwahl im Güterverkehr. Eine Analyse ordnungs- und preispolitischer Maßnahmen. Physica, Heidelberg 2006. Clausen, U., Eiband, A. 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SEPTEMBER • BERLIN Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik Innovative Komponenten • Fahrzeuge • Systeme Kontakt Messe Berlin GmbH Messedamm 22 · 14055 Berlin T +49 30 3038 2376 F +49 30 3038 2190 innotrans@messe-berlin.de Int.Verkehrswesen_InnoTrans2016_102x297_de.indd 1 06.08.2015 07: 49: 13 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 40 Herausforderung Demographie - Wandel-für Logistiker Effiziente logistische Versorgung zur Sicherstellung autonomen Handelns im Alter Logistik, Demographischer Wandel, Logistikdienstleister, Pflegedienstleister Die Sicherung der Lebensqualität im Alter ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Die Heterogenität der Pflegeleistungen sowie die Vielzahl der involvierten Akteure ergibt ein komplexes Netzwerk. Dies reicht von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen über Erbringer von Pflegedienstleitungen bis zu Herstellern von Pflegehilfsmitteln, außerdem Krankenkassen und Sozialdienste sowie Transport- und Lieferdienste. Eine Verbesserung der Informationsflüsse zwischen den Netzwerkteilnehmern führt zur Entlastung der Pflegekräfte und zu neuen Tätigkeitsfeldern für Logistikdienstleister. Autorin: Susanne Koch D er Demographische Wandel gehört zweifelsfrei zu den wichtigsten Megatrends und hat weitreichende Folgen nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Während zahlreiche Untersuchungen zu den Ursachen und den damit verbundenen Herausforderungen für die Gesellschaft aus vielen Forschungsdisziplinen vorliegen [1, 2, 3], sind die Auswirkungen auf den Logistikbereich des Pflegesektors bislang nur unzureichend untersucht. Zahlreiche Studien weisen auf die Zunahme pflegebedürftiger Menschen hin [4, 5], allerdings liefern sehr wenige Untersuchungen Lösungsansätze dafür, wie die Bereitstellung der für die Pflege notwendigen Ver- Foto: Pixabay LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 41 Wissenschaft LOGISTIK brauchs- und Gebrauchsmittel vor dem Hintergrund des Demographischen Wandels sichergestellt werden kann. Untersuchungsgegenstand Die Sicherung der Lebenssituation von hilfe- und pflegebedürftigen Menschen bildet nach wie vor eine wichtige sozial- und gesundheitspolitische Aufgabenstellung. Derzeit sind rund 2,4 Mio. Menschen in Deutschland auf Pflege im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) angewiesen [6]. Laut Aussage des statistischen Bundesamtes soll die Anzahl pflegebedürftiger Menschen bis zum Jahr 2030 auf 3,4 Mio. ansteigen [7]. Neben betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, wie z. B. die Erhaltung der Produktivität von zunehmend älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Sicherstellung eines autonomen Handelns im hohen Alter oder die Umsetzung familienfreundlicher Unternehmenskonzepte im Hinblick auf die Pflege älterer Angehöriger, müssen auch die zunehmenden Anforderungen des personenbezogenen Dienstleistungssektors berücksichtigt werden. Hier ist insbesondere die Vernetzung in den Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereichen sicherzustellen. Vergegenwärtigt man sich die Heterogenität der Pflegeleistungen und individueller Hilfsdienste sowie die Vielzahl der in die Pflege involvierten Akteure, so erhält man ein komplexes Netzwerk, das von dem einzelnen Pflegebedürftigen und dessen Angehörigen über die einzelnen Erbringer von Pflegeleistungen bis zu den Herstellern von Pflegehilfsmitteln reicht. Ebenso dürfen hierbei administrative Institutionen wie Krankenkassen und Sozialdienste sowie Transport- und Lieferdienste nicht vernachlässigt werden. Die optimale Versorgung Pflegebedürftiger hängt damit in einem hohen Maße von einem permanenten Informationsaustausch zwischen den Netzwerkpartnern ab. In diesem Netzwerk spielen Logistikdienstleister eine immer größere Rolle bei der kostengünstigen und effizienten Bereitstellung der Pflegehilfsmittel. Methodik Mithilfe der Forschungspartner, der deutschen Gesellschaft des international tätigen Logistikunternehmens Kühne + Nagel und der „Allgemeine Pflegedienste und Wohnungsbetreuung Obertshausen gGmbH“ der Arbeiterwohlfahrt Obertshausen wurde das Logistik-Netzwerk auf einer ersten Abstraktionsebene dargestellt. Zu diesem Zweck wurden mit ausgewählten Vertreterinnen und Vertretern der Forschungspartner, sowie weiteren Akteuren des Logistik-Netzwerkes Experteninterviews durchgeführt und ausgewertet. Erste Ergebnisse Zunahme an Pflegehilfsmitteln und individuellen Pflegeleistungen Problembeschreibung: Die steigende Zahl von Pflegebedürftigen wird zu einer verstärkten Nachfrage nach Pflegehilfsmitteln und Pflegedienstleistungen führen. Zu den für die Pflege notwendigen Gebrauchsgütern gehören z. B. Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege, wie Pflegebetten, Bettgalgen, Aufrichthilfen, Seitengitter und Toilettenstühle, Pflegehilfsmittel zur Körperpflege wie Bettpfannen, Urinflaschen und Duschwagen, Pflegehilfsmittel zur selbständigen Lebensführung wie Hausnotrufsysteme, Rollstühle, Gehwagen und Gehgestelle sowie Pflegehilfsmittel zur Linderung von Beschwerden, wie Lagerungshilfen. Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel sind z. B. Inkontinenzmaterial und Schutzbekleidung, sowie Hände- und Flächendesinfektionsmittel [8]. Darüber hinaus werden Pflegedienstleistungen und Produkte immer individueller und wandeln sich im Laufe der Erkrankung und des Alters. Der Wunsch der meisten Pflegebedürftigen nach einer Pflege in der häuslichen Umgebung führt zu einer Zunahme von Sendungen verbunden mit einer Vielzahl kleinerer Ablieferstellen und damit zu einer zusätzliche Belastung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in den Städten. Diese Entwicklungen müssen von allen Beteiligten entlang der Supply Chain berücksichtigt werden und stehen in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Urbanisierung [9]. Da die Pflegehilfsmittel bezüglich ihrer logistischen Eigenschaften, wie Abmessungen und Gewichte, aber auch Erklärungsbedürftigkeit sehr heterogen sind, werden an den logistischen Prozess hohe Anforderungen hinsichtlich Flexibilität gestellt. Hinzu kommen, insbesondere bei der häuslichen Pflege, Herausforderungen wie genauer Zustelltermin, Abhängigkeit der Zustellung von der Verfügbarkeit des Pflegedienstes, kleine Einzelbedarfsmengen aufgrund der Lagerung in der häuslichen Umgebung der zu Pflegenden. Mögliche Lösungsansätze: Die Herausforderungen bezüglich der Gestaltung des Logistischen Netzwerkes und eines effizienten Materialflusses macht eine Überprüfung der bestehenden logistischen Infrastruktur in den Städten erforderlich. Wesentliche Aspekte dieser City Logistik sind Mobilität, Nachhaltigkeit und Lebensqualität [10]. Zur Sicherstellung der Versorgung Pflegebedürftiger mit Pflegemitteln, Gütern des täglichen Bedarfs und der pflegerischen Unterstützung ist eine Restrukturierung innerstädtischer Verkehrswege zwingend erforderlich. Nicht zu vernachlässigen ist hierbei die Bereitstellung von Parkflächen für Pflegedienste und Logistikdienstleister. Die Aspekte Nachhaltigkeit und Lebensqualität werden durch den zunehmenden Verkehr beeinflusst. Eine Möglichkeit zur Reduzierung der Schadstoffbelastung kann der Einsatz von Elektrofahrzeugen insbesondere für Pflegedienste sein. Einige Experten halten auch den Einsatz von E-Bikes für möglich, hier muss jedoch im Einzelfall ein Abwägen zwischen den Sicherheitsanforderungen für die Mitarbeiter insbesondere bei schlechtem Wetter und den Vorteilen einer schnellen Erreichbarkeit der Pflegebedürftigen stattfinden. Neben diesen langfristigen Maßnahmen können mittelfristig organisatorische Schritte zur Optimierung und Vereinfachung der Supply Chain führen. Dazu gehören u.a. die Konsolidierung von Sendungen zur Reduzierung von Einzeltransporten, eine Verbesserung der Rückwärtslogistik der Gebrauchsgüter zur Aufarbeitung, eine Reduzierung der Bestände im gesamten Logistischen System durch eine zentralisierte Lagerhaltung z.B. in speziellen Distributionszentren zusammen mit den Pflegediensten. Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 42 LOGISTIK Wissenschaft Kein durchgehender Informationsfluss zwischen den Beteiligten der Supply Chain Problembeschreibung: Ein effizienter Materialfluss in der Supply Chain kann nur dann gewährleistet werden, wenn die erforderlichen Informationen den jeweiligen Akteuren innerhalb des Netzwerks zur Verfügung stehen. Für den hier untersuchten Bereitstellungsprozess von Pflegeprodukten herrschte Einigkeit bei den befragten Experten, dass dies nicht über die gesamte Supply Chain sichergestellt werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass einzelne Teilprozesse sehr unterschiedlich verlaufen, so z. B. in Abhängigkeit des bereitzustellenden Pflegeproduktes für den Gebrauch oder Verbrauch, der jeweils beteiligten Krankenkasse, der rechtlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Bundeslandes oder der verschiedenen Pflegedienste. Hierdurch kommt es u. a. zu einem hohen bürokratischen Aufwand, zu Redundanzen bei der Abwicklung von Teilprozessen, Verzögerungen bei der Lieferung, hohen Materialbeständen innerhalb der Supply Chain und damit Beeinträchtigungen bei der Erbringung der Pflegeleistung. Mögliche Lösungsansätze: Der von den Experten als ineffizient charakterisierte Informationsfluss muss entlang der gesamten Supply Chain koordiniert und verbessert werden. Die informationstechnischen Möglichkeiten stehen zur Verfügung und müssen auf die besonderen Belange des Pflegemittelnetzwerkes angepasst werden. Ein zusätzlicher Ansatz ist die weitere Etablierung von sog. Pflegestützpunkten, die die Bedarfe und damit die Informationsflüsse koordinieren. Eine Optimierung besteht in der Entwicklung von Standardprozessen für bestimmte Gruppen von Pflegehilfsmitteln, so dass deren Abwicklung vereinfacht werden kann. Eingesparte Ressourcen in Form von Zeit und Geld könnten einer qualitativ verbesserten Pflege direkt zugutekommen. Darüber hinaus könnten die an der Bereitstellung von Pflegeprodukten beteiligten Prozessteilnehmer, wie z. B. Pflegemittelproduzenten und -händler aufgrund optimierter logistischer Prozessabläufe ihre Lagerhaltung und Warenanlieferung effizienter gestalten. Lieferdienste könnten ihre Touren besser planen, ihren CO 2 -Ausstoß verringern und eine kundenfreundlichere Warenanlieferung ermöglichen, so werden durch die Harmonisierung von Informationsflüssen u.a. Doppelfahrten vermieden. Zusammenfassung und weitere Forschungsaktivitäten Die Auswirkungen des Demographischen Wandels auf die Logistik sind bislang nur unzureichend untersucht. Im Rahmen dieses ersten Forschungsprojektes konnten die beiden Thesen „Zunahme und Individualisierung der Pflegehilfsmittel und Pflegeleistungen“ und „kein ausreichender Informationsfluss zwischen den Beteiligten“ herausgearbeitet werden. Auch konnten erste Lösungsansätze vorgestellt werden. Diese ersten Ergebnisse bilden die Basis für ein weiteres Forschungsprojekt. Das oben in einem ersten Überblick beschriebene komplexe Netzwerk steht im Fokus eines sich anschließenden Forschungsunterfangens. Es soll ganzheitlich mit sämtlichen in den Pflegeversorgungsprozess involvierten Akteuren analysiert und in Form einer netzplanorientierten Ablaufdarstellung visualisiert werden. Hierdurch sollen zunächst alle Personen und Institutionen aufgezeigt werden, die in die lange Kette der Pflegelogistik eingegliedert sind und jene maßgeblich beeinflussen. Es soll dargestellt werden, welcher Akteur zu welchem Zeitpunkt über welche Information verfügt und wie die einzelnen Akteure informationsbezogen miteinander in Kontakt stehen. Dies soll zunächst dazu dienen, den gesamten logistischen Informations- und Warenfluss beginnend beim Pflegemittelproduzenten bis hin zum Endkunden - der pflegebedürftigen Person- transparent zu gestalten. Eine Berücksichtigung moderner Informations- und Kommunikationsmittel (Clouds, mobile Endgeräte etc.) bei der Optimierung des bestehenden Netzwerkes findet statt. Ist diese Transparenz geschaffen, soll in einem weiteren Schritt eine umfassende Analyse der Kommunikations- und Informationsstruktur erfolgen. Das Ziel dieser Analyse liegt darin, Schwachstellen und Problemfelder innerhalb des Kommunikationsnetzwerkes zu eruieren und adäquate Optionen zur Verbesserung der Kommunikationsstruktur aufzuzeigen. Dies beinhaltet ebenso eine Untersuchung fehlender und unvollständiger respektive redundanter Informationswege. ■ LITERATuR [1] Bloom, D. E., Canning, D. (2004): Global demographic change (Dimensions and economic significance) [2] IHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag (2011): Demografischer Wandel und Gesundheitswirtschaft - Herausforderungen und Chancen [3] Linz, K., Stula, S. (2010): Demographic change in Europe - An overview; Institute for Social Work and Social Education (ISS) [4] Bräuninger, M. et.al: Gesundheitsentwicklung in Deutschland bis 2037 - Eine volkswirtschaftliche Kostensimulation, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) | 2007, S.9 [5] Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Demographischer Wandel in Deutschland (Auswirkungen auf Krankenhausbehandlungen und Pflegebedürftige im Bund und in den Ländern), Statistisches Bundesamt (Wiesbaden) [6] Statistisches Bundesamt (2015): Pressemitteilung Nr. 094, https: / / www.destatis.de/ DE/ PresseService/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2015/ 03/ PD15_094_224.html (12.03.2015) [7] Statista (2015): Entwicklung der Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland nach Geschlecht in den Jahren von 2005 bis 2030 (in Mio.), http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 157217/ umfrage/ prognose-zur-anzahl-der-pflegebeduerftigen-in-deutschlandbis-2030/ [8] Pflege-ABC: http: / / www.pflege-abc.info/ pflege-abc/ artikel/ pflegehilfsmittel.html (10.02.2016) [9] McKinsey (2012): Urban world; Cities and the rise of the consuming class [10] Deutsche Post AG (Hrsg.): delivering tomorrow, Zukunftstrend Nachhaltige Logistik, Bonn 2010 Susanne Koch, Prof. Dr. Studiendekanin, Frankfurt University of Applied Sciences Fachbereich 3: Wirtschaft und Recht, Frankfurt am Main sukoch@dek3.fh-frankfurt.de Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 43 Zahlen, was man nutzt RMV pilotiert innovativen Relationstarif Rhein-Main-Verkehrsverbund, Tarifangebot, Mobilitätsverhalten, Smartphone Als erster Verkehrsverbund Deutschlands testet der RMV ab April 2016 in einem großflächigen Pilotversuch über das gesamte RMV-Gebiet einen innovativen Relationstarif. 20 000 Testnutzer des neuen Tarifmodells RMVsmart zahlen dann nicht mehr den Tarif einer gesamten Flächenzone, sondern für die tatsächlich genutzte Verbindung. Verkauft wird das neue Tarifangebot beginnend über das Smartphone. Autor: Knut Ringat I m vergangenen Sommer feierte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) seinen zwanzigsten Geburtstag mit jährlich steigenden Fahrgastzahlen und Einnahmen. Der Gründungsgedanke „Ein Fahrplan, ein Fahrschein, ein Fahrpreis“ aus dem RMV-Start ist bis heute der Wesenskern des Verbundes, führt der RMV doch täglich 2,5 Mio. Fahrgäste in einer 14 000 km 2 großen Region zusammen, wie sie vielfältiger kaum sein könnte. So verbindet das Streckennetz des RMV die internationale Finanz-, Mobilitäts- und Logistikmetropole Frankfurt am Main mit den Landeshauptstädten Wiesbaden und Mainz sowie mit den polyzentrischen Mittelstädten wie Marburg, Gießen, Fulda oder Darmstadt und auch mit ländlichen Gegenden wie Odenwald, Vogelsberg oder Rhön. Um den unterschiedlichen Verkehrsbeziehungen gerecht zu werden, entschieden sich die Gründungsmitglieder des RMV im Jahr 1995 - in der Abbildung des vorhandenen Mobilitätsverhaltens richtig und wie damals bundesweit üblich - für großflächige Tarifzonen, die sich an den Stadt- und Kreisgrenzen orientieren. Seitdem hat sich das Mobilitätsverhalten der Menschen deutlich verändert. Der RMV ist Symbol und Synonym für die zusammengewachsene und prosperierende Metropolregion FrankfurtRheinMain. So nutzen die Fahrgäste den ÖPNV für längere Strecken und vielfältigere Mobilitätsbedürfnisse. Das veränderte Wegeverhalten korrespondiert mit der sich immer enger verzahnenden Region über die Stadt- und Kreisgrenzen hinweg. So sind Verbindungen zwischen unmittelbar benachbarten Städten und Stationen wie Offenbach Kaiserlei - Frankfurt-Mühlberg, Nieder- und Ober-Eschbach oder Unterliederbach und Liederbach Sinnbild für die Kritik an einem nicht mehr zeitgemäßen Tarifmodell mit Tarifsprüngen bei kurzen „grenzüberschreitenden“ Fahrten. Die Tarifsprünge offenbaren heute - nach 20jähriger Fortschreibung - Schwachpunkte der Flächenzonentarife - eine Herausforderung, vor der bundesweit nicht nur der RMV steht. Die Flächenzonen erlauben einerseits lange Fahrten innerhalb der großen Tarifzonen. Andererseits schlägt jedes Überqueren einer Tarifgrenze mit einem preislichen Sprung Foto: RMV/ Helmut Vogler Einzelfahrt Entfernung Status quo RMVsmart delta Frankfurt Hauptwache - Offenbach Marktplatz ca. 8 km 4,65 € 3,33 € -1,32 € Frankfurt Hauptwache - Frankfurt Enkheim ca. 9 km 2,80 € 3,65 € 0,85 € Frankfurt Hbf - Bf. Gießen ca. 60 km 15,25 € 10,52 € -4,73 € Darmstadt Hbf - Wiesbaden Hbf ca. 40 km 8,25 € 6,38 € -1,87 € Bf. Marburg - Bf. Gießen ca. 30 km 4,65 € 5,07 € 0,42 € Tabelle 1: Preisbeispiele Pilottest RMVsmart im Vergleich zum bisherigen RMV-Einzelkartenpreis 2016 Tarifstruktur MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 44 MOBILITÄT Tarifstruktur zu Buche. So kostet beispielsweise eine Einzelfahrt innerhalb Frankfurts 2,80 EUR und innerhalb Offenbachs 2,35 EUR. Bei Überschreiten der Tarifgrenze von Frankfurt am Main nach Offenbach fallen 4,65 EUR an. Erstens die Erwartung von Öffentlichkeit und Politik hinsichtlich einer Auflösung dieser Tarifsprünge sowie zweitens das sehr erfolgreiche RMV-HandyTicket führten zur Entwicklung der Idee (u. a. des Autoren) zum RMVsmart. Einen Vergleich der Preisgestaltung zwischen derzeitigem Flächenzonentarif und RMVsmart zeigt anhand von Relationsbeispielen Tabelle 1. Schritt für Schritt zur Tarifstrukturreform Um den RMV-Tarif weiterzuentwickeln, erfolgt seit fünf Jahren eine stufenweise Tarifstrukturreform. Die Weiterentwicklung des Tarifs wurde seit 2010 zunächst mit zielgruppenspezifischen Angeboten für Schüler, Auszubildende, Studierende und Senioren überarbeitet (Bild 1). Ab 2012 wurden die Preisstufen für unterschiedlich große Städte mit so genannten Stadtpreisstufen leistungsgerechter ausgestaltet. Nun geht es an die komplexeste Aufgabe: die Weiterentwicklung des Tarifs für den verbundweiten Gelegenheitsverkehr mit Einzel- und Tageskarten. Gleichzeitig werden bei einem stufenweisen Vorgehen die Risiken für die Fahrgeldeinnahmen beherrschbar gehalten und dadurch das Verkehrsangebot gesichert (Bild 2). Die Herausforderung dabei liegt nicht nur darin, dass selbst geringe prozentuale Veränderungen bei den Fahrkartenverkäufen sich sofort in einer nicht zu unterschätzenden Größenordnung auf die Einnahmen des Verbundes auswirken. Auch muss die mit der Größe des RMV einhergehende Vielzahl an Relationen von allen Verkaufsgeräten abgebildet werden können. Die Vertriebslandschaft im RMV ist äußerst heterogen: Neben modernen Fahrkartenautomaten und personenbedienten Vertriebsstellen werden gerade im ländlichen Raum Fahrkarten oft über Busdrucker verkauft - das Dilemma der Neuausrüstung einer Fahrzeugflotte mit adäquater Busdruckertechnik soll hier nicht weiter vertieft werden. Längst nicht alle Verkaufsgeräte sind in der Lage, den geplanten Regionaltarif abzubilden. Daher wird begonnen, das entwickelte Tarifmodell über das Smartphone zu erproben. Hier erlaubt die vorhandene Technik mit einem leistungsfähigen Hintergrundsystem, auch komplexe Strukturen zu hinterlegen und gleichzeitig den Kunden eine sehr einfache Bedienung zu gewährleisten. Leistungsgerechtes Tarifangebot Der RMV hat, zunächst begrenzt auf Einzelfahrkarten für Erwachsene, prototypisch einen entfernungsabhängigen Relationstarif entwickelt, der auf zurückgelegten Tarifkilometern und gewählten Verkehrsmitteln basiert - ein echter Paradigmenwechsel gegenüber dem Flächenzonentarif. Analog einer Fahrt mit dem Taxi oder beim Carsharing zahlt beim RMVsmart jeder Fahrgast nur das, was er tatsächlich nutzt. Die an der konkreten Entfernung gemessene Leistungsgerechtigkeit steigt. Das Tarifangebot setzt sich dabei aus wenigen, übersichtlichen Bausteinen zusam- Bild 1: Auf dem Weg zum neuen RMV-Tarif Bild 2: Umsetzungsstufen der Tarifstrukturreform in Orten 50.000 < 0,35 Euro/ Fahrt M in Städten 50.000 - 200.000 0,47 Euro/ Fahrt L in F / WI / MZ 0,67 Euro/ Fahrt XL Kernnetz InnErOrtS ÜbErland 0,218 Euro/ tarif-km regionalnetz 0,109 Euro/ tarif-km mit F / WI / MZ 2,35 Euro/ Fahrt ohne F / WI / MZ 1,13 Euro/ Fahrt XL+ M+ L+ Grundpreis 1,69 Euro/ Fahrt Bild 3: Statt Zielnummernverzeichnis, Zonenkarte und Preismatrix erklären sich die Preissegmente des RMVsmart übersichtlich in wenigen Bausteinen. Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 45 Tarifstruktur MOBILITÄT men (Bild 3). Für alle Bausteine gilt ein fester Grundpreis von 1,69 EUR pro Fahrt. Für Regionalzüge, S-Bahnen und U-Bahnen zahlen die Fahrgäste einen klar entfernungsabhängigen Preis: Im engmaschigen und dicht getakteten Kernnetz im Großraum Frankfurt 0,218 EUR je Kilometer, im übrigen RMV-Gebiet (Regionalnetz) 0,109 EUR je Kilometer. Für jede Relation, die Fahrgäste mit diesen Verkehrsmitteln zurücklegen, errechnet sich ein individueller Fahrpreis. Für Fahrten mit Bus oder Straßenbahn gibt es übersichtliche Pauschalpreise - je nach Größe der durchfahrenen Orte bzw. Städte. Die Frankfurter Innenstadtstationen zwischen Alter Oper und Ostendstraße, Hauptbahnhof und Südbahnhof sind tariflich gleichgestellt. Damit kostet eine Fahrt in die Innenstadt über verschiedene Wege gleich viel. Eine Fahrt innerhalb des Stadtzentrums kostet ähnlich viel wie das heutige Kurzstrecken-Ticket. Neue Preise, konstante Ergiebigkeit Die Ticketpreise des RMVsmart wurden sehr sorgfältig kalibriert: Sie bemessen sich an den bestehenden Fahrgeldeinnahmen, so dass die Fahrpreise im Vergleich zum bisherigen RMV-Tarif im Gelegenheitsverkehr durchschnittlich gleich bleiben; ebenso der Ertrag (Bild 4). Für den Fahrgast allerdings dienen Bausteine und Tarifräume als Hintergrundinformation. Bei Fahrscheinkauf und Verbindungswahl berechnet die dazugehörige Smartphone-App den jeweiligen individuellen Preis. Dafür wurde die erfolgreiche RMV-App, die bereits rund 1,5 Mio. Menschen herunter geladen haben und für täglich ca. 500 000 Auskünfte nutzen, weiterentwickelt (Bild 5). Smartphones eröffnen neue technische und tarifliche Perspektiven. Sie sind für Kunden ein komfortables Zugangsmedium und für Unternehmen ein inzwischen bewährter Vertriebskanal. Heute haben schon 63 % der Deutschen ein Smartphone (Bundesbürger ab 14 Jahren) - und jeder Dritte würde künftig gern Fahrkarten mit dem Handy zahlen, ermittelte 2015 der Branchenverband der Digitalindustrie Bitkom. Prototyp auf dem Prüfstand Um das neue Tarifangebot intensiv auf Akzeptanz, Funktionalität und Ergiebigkeit zu testen, wird RMVsmart über drei Jahre mit einer beschränkten Nutzerzahl erprobt. Dabei werden Veränderungen in Bezug auf das Fahrtverhalten und die damit verbundene Einnahmesituation beobachtet. Der RMV tut dies in diesem Umfang als erster Verkehrsverbund in Deutschland. Um die erforderlichen Testnutzer zu gewinnen, beginnt im Frühjahr 2016 eine Rekrutierungskampagne, in der 20 000 Fahrgäste- aus allen Teilen des RMV-Gebietes gesucht werden. So werden statistisch belastbare Aussagen für die Kreise und Städte und das Mobilitätsverhalten der Kunden möglich. Der Pilotversuch zu RMVsmart erlaubt es erstmals, innovative neue Rabatt- und Anreizsysteme im Verbundverkehr konkret durchzuspielen und deren Wirkung zu testen. Zum Start erhält jeder Nutzer ab 20- EUR Umsatz pro Kalendermonat 10 % Rabatt auf weitere Umsätze im betreffenden Monat. Diese Umsatzschwelle wurde aus den Erfahrungen des bisherigen Handy- Tickets abgeleitet. Für Vielfahrer sind zusätzliche Anreize geplant. Hier sind kilometrische, für eine mögliche Entwicklung vom Gelegenheitstarif hin zum Dauernutzer, denkbar. Damit eröffnet sich eine vollkommen neue „Tarifwelt“; vorausgesetzt die Fahrgäste nehmen das Angebot an. In diesem Zeitraum sollen weitere Rabatte und Anreize im Zuge des Feldversuchs erprobt und deren Wirkung getestet werden. Bei solch einer grundlegenden Innovation bindet der RMV diejenigen ein, für die der Tarif gemacht ist: Die Fahrgäste. Der Feldversuch wird von einem Innovationsdialog begleitet, bei dem Testnutzer, Experten, Verbands- und Politikvertreter den Prototarif auf den Prüfstand stellen - in Befragungen, Onlinedebatten und Diskussionsveranstaltungen. Schließlich bestehen unterschiedlichste tarifliche, politische, verkehrliche, unternehmerische und nutzungsbezogene Anforderungen an ein solches Tarifprodukt, die es auszutarieren gilt. So wird RMVsmart gemeinschaftlich zur Marktreife gebracht - und die Entscheidung über eine mögliche Einführung über weitere Vertriebswege vorbereitet. Versuch und Dialog liefern richtungsweisende Erkenntnisse für die Weiterentwicklung von Verbundtarifen. ■ Knut Ringat, Prof. Sprecher der Geschäftsführung und-Geschäftsführer der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim/ Ts. k_ringat@rmv.de Bild 4: Arbeitspreise pro Kilometer im Vergleich Bild 5: Eine App berechnet den Fahrpreis entsprechend der eingegebenen Verbindung. Foto: RMV/ Jan Haas Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 46 MOBILITÄT Autonomes Fahren Autonomes Fahren - Chancen, Herausforderungen und Handlungsfelder für öffentliche Akteure ÖPNV, Daseinsvorsorge, Shared Mobility, Verkehrsplanung, Stadtentwicklung Das selbstfahrende Auto, in den von Technikeuphorie geprägten frühen Nachkriegsjahren als unmittelbar bevorstehende Entwicklung erwartet, benötigte fast 60 Jahre, um als funktionierendes Konzept mit realistischem Umsetzungshorizont wieder in Erscheinung zu treten. In Teil 1 dieses zweiteiligen Beitrags wurde das Veränderungspotenzial des vernetzten und autonomen Fahrens dargestellt, das weit über die individuelle Mobilität hinaus vielfältige Bereiche des alltäglichen Lebens betreffen wird. Teil 2 handelt von neuen Akteuren, veränderten Machtverhältnissen und ihren Auswirkungen auf die Verkehrsplanung der Zukunft. Autoren: Lukas Foljanty, Thuy Chinh Duong A ngestoßen von der öffentlichen Präsentation des Google Car im Frühjahr 2014 hat die Diskussion um die Zukunft der Mobilität mit autonomen Fahrzeugen stark an Fahrt gewonnen. Was bis vor kurzem wie eine retrofuturistische Science-Fiction-Utopie wirkte, wird mittlerweile von vielen Experten als eine Entwicklung eingeschätzt, die in absehbarer Zeit Realität werden wird. Mit dem fahrerlosen Automobil werden weitreichende Effekte in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens einhergehen. Die Erwartungen reichen dabei von uneingeschränkt positiven Visionen, in denen die bekannten Probleme des hohen Flächenverbrauchs des Straßenverkehrs, der fatalen Unfallstatistik oder der lückenhaften Daseinsvorsorge gelöst werden, bis zu Katastrophenszenarien, in denen die Steuerung von Mobilität der öffentlichen Hand völlig entgleitet und durch steigende Verkehrsbelastung und geschwächtem ÖPNV die Voraussetzungen für lebenswerte Städte schwinden. Einen Überblick über mögliche positive und negative Auswirkungen sowie die Ungewissheiten hinsichtlich Einführungszeitpunkten und Dauer der Übergangsphase gab Teil 1 dieses Beitrags [1]. Ob positive oder negative Effekte überwiegen werden, ist heute noch unentschieden, könnte aber maßgeblich davon abhängen, ob es der öffentlichen Hand gelingt, die derzeit stark marktgetriebene Entwicklung mit ihren Zielen in Einklang zu bringen. Da das autonome Fahren weit über die reine Mobilität hinaus Veränderungen in den kommunalen Politikfeldern bewirken könnte, erscheint eine frühzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Folgen und Handlungsoptionen umso wichtiger (Bild 1). Aufgrund der Machtasymmetrie zwischen öffentlichen Akteuren und den global agierenden Treibern dieser Entwicklung wie Google, Apple oder den Automobilherstellern könnte der Zeitraum vor der Markteinführung autonomer Fahrzeuge von entscheidender Bedeutung sein, um mit planerischen und legislativen Instrumenten einen Rahmen zu setzen, in dem das autonome Fahren seine positiven Effekte entfalten kann. Bild 1: Die Zukunft der Automobilindustrie Quelle: Eigene Darstellung nach Morgan Stanley (2015) Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 47 Autonomes Fahren MOBILITÄT die Entstehung einer neuen öffentlich verfügbaren Mobilität und die Konsequenzen für den ÖV Vollautomatisierte und fahrerlose Fahrzeuge werden eine Sogwirkung auf Elektromobilität und Shared Mobility entfalten, die das Mobilitätssystem und damit auch den öffentlichen Verkehr nachhaltig verändern wird. Gerade die Elektromobilität, die derzeit im Busverkehr nur mühsam und mithilfe erheblicher öffentlicher Subventionen Anwendung findet, könnte mit fahrerlosen Bussen massiv an Bedeutung gewinnen: Ohne Fahrpersonal bei einer hohen jährlichen Laufleistung wird die Energie zum größten Betriebskostenblock, so dass-die ökonomische Notwendigkeit effizienter Antriebstechnologien sprunghaft steigt [2]. Chancen für konventionelle ÖV-Angebote Der konventionelle öffentliche Verkehr könnte mit autonomen Fahrzeugen von Kostenreduzierungen profitieren. Es ist aber davon auszugehen, dass das Fahrpersonal nicht ganz entfällt, sondern andere Aufgaben z. B. im Service übernehmen wird und dabei teilweise auch in den autonom fahrenden Bussen präsent sein wird. Dies kann persönliche Fahrgastinformation, Sicherheitsmaßnahmen oder neue Added Value-Ansätze umfassen, die die ÖV-Nutzung für Fahrgäste attraktiver machen. Eine vergleichbare Entwicklung konnte in einigen Städten beobachtet werden, wo nach der Einführung von automatischen Bahnsteigsperren mehr Personal vor Ort war, als im offenen Zustand. Autonom fahrende, vernetzte Busse könnten die Systemeffizienz steigern, indem der Fahrzeugabstand konstant eingehalten, durch Vehicle-to-Infrastructure- Kommunikation an Kreuzungen priorisiert und durch gleichmäßigeres Fahrverhalten Energie eingespart wird. Chancen für neue ÖV-Angebote Das Veränderungspotenzial für den ÖV reicht allerdings weit über Kostensenkungen bestehender Angebote hinaus. Autonome On-Demand-Flotten könnten als öffentlich verfügbarer Verkehr ihren Platz im Mobilitätssystem einnehmen (Bild 2). Besonders in Schwachlastzeiten oder auf nachfrageschwachen Linien z. B. im Stadt- Umland-Verkehr ist eine Teilsubstitution des konventionellen ÖV durch autonome Carsharing-Flotten denkbar, die nicht per se eine Gefahr für den ÖV darstellt. Als sinnvolle Ergänzung könnten solche Mobilitätsdienste in Kombination mit dem ÖV eine attraktivere Mobilitätskette bilden für die, die nicht selbst fahren können oder wollen (z. B. Kinder und Jugendliche, mobilitätseingeschränkte Menschen). Im Stadt-Umland-Verkehr könnten sie anstelle des heutigen Park+Ride treten und so als Zubringer zu schienengebundenen Massentransportmitteln fungieren. Im ländlichen Raum könnten sich flexible, nachfragebasierte Mobilitätskonzepte entwickeln, die für Nutzer attraktiver sind als heutige öffentliche Verkehrsangebote nach Taktfahrplan mit großen zeitlichen Intervallen. So könnte öffentliche Mobilität auch dann gewährleistet werden, sollten sich die derzeitigen Trends in westlichen Gesellschaften (demographischer Wandel, Reurbanisierung) fortsetzen. Auch jenseits von On-Demand-Angeboten könnte der ÖV durch fahrerlose Fahrzeuge flexibilisiert werden, beispielsweise mit Hybridformen aus konventionellem ÖV und Ridesharing, bei denen fahrerlose Kleinbusse mit festem Start und Ziel innerhalb eines definierten Korridors auf Kundenwünsche eingehen. Trotz etwaiger Fahrzeitverlängerungen gegenüber einer fixierten Route würde die Fahrt direkt zum Ziel ohne Umstiege und ohne Zu- und Abwege zu kürzeren Reisezeiten bei höherem Komfort führen. Es gibt noch weiter reichende Visionen für den ÖV der Zukunft: Z. B. zielt das Konzept „Next - Future of Transportation“ [3] auf Synergien zwischen On-Demand-Mobilität, ÖV und Ride-Pooling, indem autonome Fahrzeugkapseln auf zentralen Achsen zu größeren Einheiten verbunden und zur Feinerschließung wieder getrennt werden. Im gekoppelten Zustand können Fahrgäste während der Fahrt zwischen den Kapseln „umsteigen“, so dass auch für die Feinerschließung ein Pooling stattfindet, das zu einer effizienten Auslastung beiträgt. Risiken für den ÖV Jedoch bergen autonome Fahrzeuge auch Risiken für den öffentlichen Verkehr. Wenn autonome On-Demand-Angebote marktgetrieben entstehen, könnten sie in Konkurrenz zu öffentlich finanzierten ÖV-Angeboten treten. Gewinnorientierte Betreiber könnten nur die wirtschaftlich attraktiven Relationen anbieten, während die öffentliche Hand zur Erfüllung der Daseinsvorsorge stark defizitäre ÖV-Angebote aufrechterhalten müsste. Eine solche „Rosinenpickerei“ ist besonders in Gebieten mit schwacher Nachfrage bzw. geringem ÖV-Angebot zu erwarten. Doch auch an Orten mit einem leistungsstarken ÖV-Angebot (z. B. S-Bahn, U-Bahn) könnte eine Konkurrenzierung auftreten: Bereits das heutige free-floating Carsharing kannibalisiert teilweise als Bequemlichkeitsmobilität Fahrtenanteile vom Umweltverbund [4]. Autonome Carsharing-Fahrzeuge könnten diesen Effekt verstärken. Eine Abwanderung der Nutzer aus den hochwertigen ÖV-Systemen wäre für die Städte problematisch und stünde einer ressourcenschonenden Mobilität entgegen. Besonders auf zentralen Achsen mit längeren Reiseweiten ist die Systemeffizienz eines hochkapazitativen ÖV-Angebotes, z. B. eines gut ausgelasteten S-Bahn-Zugs in Bild 2: Ab Frühjahr 2016 im Fahrgasteinsatz: autonome Shuttles in Sitten im Schweizer Kanton Wallis Quelle: PostAuto Schweiz AG Bild 3: Die autonomen Kapseln von „NEXT“ sollen sich nachfragegesteuert zu größeren Einheiten zusammenkuppeln können. Quelle: www.next-future-mobility.com Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 48 MOBILITÄT Autonomes Fahren dichtem Takt, durch überwiegend schwach besetzte, kleine autonome Kapseln nicht zu erreichen. Handlungsfelder für öffentliche Akteure auf kommunaler und regionaler Ebene Für Kommunen stellt die zukünftige Entwicklung des Verkehrs eine wichtige Herausforderung der kommenden Jahre dar. Das autonome Fahren eröffnet große Chancen das Ziel eines nachhaltigeren Verkehrssystems zu erreichen. Ob dies gelingt, wird maßgeblich von der Systemkonfiguration abhängen. Auf diese wird großen Einfluss haben, ob die Einführung und Verbreitung der autonomen Fahrzeuge marktgesteuert erfolgt, oder die öffentliche Hand den Prozess aktiv begleitet und mitgestaltet. In der Zeit vor Markteinführung autonomer Fahrzeuge und vor dem voraussichtlich jahrzehntelangen Übergangszeitraum zu einem Zielsystem mit ausschließlich autonomen Fahrzeugen werden die neuen „Spielregeln“ definiert werden. Statt dies der Industriepolitik oder globalen Konzernen zu überlassen, sollten auch durch die öffentliche Hand Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das Risiko von Rebound-Effekten minimieren. Eine zentrale Stellschraube könnte dabei der Anteil der Shared Mobility am Gesamtverkehr sein. Gelingt es in den kommenden Jahren den Bedeutungsverlust des PKW- Privatbesitzes aktiv zu beschleunigen, so ließe sich das Risiko erheblichen Mehrverkehrs durch autonome Privat-PKW, die nach der morgendlichen Ablieferung ihres Insassen im Büro den gesamten Weg zurück zur heimischen Garage fahren (und abends vice versa), deutlich reduzieren. Die bestehenden Push- und Pull-Maßnahmen, wie z. B. attraktive und günstige ÖPNV-Angebote, die informative, vertriebliche und tarifliche Integration von Sharing-Angeboten in den Umweltverbund und restriktive Maßnahmen gegenüber dem Individualverkehr (z. B. City-Maut; Erhöhung der Parkgebühren im öffentlichen Raum usw.) wären zu intensivieren. Auch stadt- und verkehrsplanerisch könnten bereits frühzeitig förderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, etwa durch den Bau attraktiver Verknüpfungspunkte zwischen Sharing und ÖV, den Abbau von Stellplatzflächen im öffentlichen Raum oder ihrer verstärkten Umwidmung in Carsharing-Stellplätze. Auch eventuelle unerwünschte Folgewirkungen müssen rechtzeitig in der Strategie der Kommune berücksichtigt werden, wie z. B. die mögliche Anreizwirkung für eine Re-Sub-Urbanisierung durch jederzeit verfügbare, günstige und bequeme autonome On-Demand-Angebote, sowie die mögliche Konkurrenzwirkung zu ÖV, Rad- und Fußverkehr. Mögliche Instrumente könnten Road-Pricing-Ansätze sein, die Regulierung des Carsharing-Marktes (z. B. über Konzessionsmodelle), oder indem die öffentliche Hand selbst zum Carsharing-Anbieter wird und dabei ihr Angebot im Umweltverbund integriert plant. Ein sehr hoher Anteil von Sharing am Gesamtverkehr könnte auch steuerrechtliche Handlungsnotwendigkeiten erzeugen, beispielsweise wenn globale Akteure sich als dominante Anbieter etablieren, die hinsichtlich Steuervermeidung bereits heute überaus kreative und für die öffentliche Hand problematische Lösungen verfolgen. Kommunen und Länder sollten zeitnah beginnen, sich mit den möglichen Folgen autonomer Fahrzeuge auseinanderzusetzen, insbesondere für den Zeithorizont der fünf bis zehn Jahre vor der Markteinführung autonomer Fahrzeuge. Es handelt sich damit also um einen Zeitraum, für den überwiegend bereits mittelbis langfristige Planwerke aufgestellt wurden, die aber fast ausnahmslos und auf allen Stufen der Planungskaskade das Thema autonomes Fahren noch nicht berücksichtigen. Dies ist angesichts der bis vor kurzem geringen Relevanz des Themas und Unklarheit über Entwicklungsschritte und -tempo nachvollziehbar, muss nun aber nachgezogen werden, um die Gestaltungsspielräume der öffentlichen Hand aktiv nutzen zu können. Neben Maßnahmen zur Veränderung des Mobilitätsverhaltens zugunsten des um Carsharing erweiterten Umweltverbunds umfasst dies auch die kritische Überprüfung geplanter Straßeninfrastrukturprojekte hinsichtlich ihrer Notwendigkeit sowie den Ausbau der Elektrolade- und Dateninfrastruktur. Letztere wird für die Vernetzung des Verkehrs von zentraler Bedeutung sein und beinhaltet neben dem Ausbau von Breitbandnetzen auch die Anpassung der technischen Straßenverkehrsinfrastruktur (insbesondere Lichtsignalanlagen). Angesichts des dafür erforderlichen erheblichen Investitionsbedarfs und zeitlichen Vorlaufs bedarf es einer frühzeitigen Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Finanzierungsmöglichkeiten, bei denen auch neue Betreibermodelle infrage kommen könnten. Fazit Das Engagement der IT-Giganten in der Entwicklung autonomer Fahrzeuge deutet darauf hin, dass diese in den nächsten Jahren Realität werden. Damit werden Entwicklungen angestoßen, die über reine Mobilitätsfragen hinaus wirken und das Potenzial haben, zentrale Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens fundamental zu verändern. Deswegen sollte sich die öffentliche Hand frühzeitig mit den möglichen Auswirkungen befassen und Instrumente entwickeln und implementieren, die es ihr ermöglichen die mit dieser Entwicklung sich eröffnenden Chancen zu realisieren und zugleich die Risiken abzuwehren. Wichtig hierfür wird sein, das Mobilitätsverhalten der Menschen schon vor der Markteinführung autonomer Fahrzeuge stärker zum um Carsharing erweiterten Umweltverbund hinzuführen. Denn die positiven Wirkungen fahrerloser Fahrzeuge werden sich voraussichtlich nur in einem überwiegend aus autonomen On-Demand- Flotten bestehenden Verkehrssystem realisieren. Strategien der öffentlichen Hand, die sich diesem Ziel verschreiben und ihre kommunalen Einflussmöglichkeiten sinnvoll nutzen, werden auch dann erfolgreich sein, sollte sich die Entwicklung autonomer Fahrzeuge stark verzögern oder gänzlich als Hype herausstellen. Dafür ist wichtig, dass die öffentliche Hand zeitnah einen öffentlichen Diskurs anstößt und moderiert, wie das Verkehrssystem der Zukunft aussehen sollte und welche Rolle Fahrroboter darin spielen. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Spielregeln von den Fahrzeug- und Softwareherstellern definiert werden und die Kommunen auf mögliche Negativfolgen nur reagieren und nicht proaktiv das nachhaltigere Verkehrssystem der Zukunft gestalten können. ■ QuELLEN [1] Foljanty, Lukas; Duong, Thuy Chinh (2016): Autonomes Fahren - Game Changer für die Zukunft der Mobilität. In: Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016, S. 62-65 [2] Greenblatt, Jeffery; Shaheen, Susan (2015): Automated Vehicles, On-Demand Mobility, and Environmental Impacts, in: Current Sustainable/ Renewable Energy Reports, September 2015, Vol. 2 (3), S. 74-81 [3] www.next-future-mobilty.com [4] Civity (2014): Free-Floating-Carsharing: Urbane Mobilität im Umbruch, Berlin. Lukas Foljanty, Dipl.-Ing. Berater und Experte für Fahrscheinvertrieb, Tarif und Digitalisierung, KCW GmbH, Berlin foljanty@kcw-online.de Thuy Chinh duong, Dipl.-Math. Beraterin und Expertin für nutzerorientierte Innovationsentwicklung, KCW GmbH, Berlin duong@kcw-online.de Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 49 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Prof. Dr. Andreas Knie Geschäftsführung InnoZ GmbH Dr. Jürgen Peters InnoZ Mobilitätsmonitor Liebe Leserinnen und Leser Das aktuelle Mobilitätsgeschehen beschreiben, zentrale Kennziffern aufführen und die Marktentwicklung erläutern - diesen Zielen dient der InnoZ Mobilitätsmonitor. Eine zentrale Motivation unserer Arbeit ist die Überzeugung von der Notwendigkeit des Wandels. Eines Wandels, der bedingt ist durch die getroffenen Entscheidungen im Klimaschutz und der über die Energiewende hinaus auch eine Verkehrswende einschließt. Dabei ist die Zielsetzung klar auf eine emissionsminimierte und ressourcenschonende Mobilität ausgerichtet. Themen wie inter- und multimodale Verkehrsmittelnutzungen sowie Entwicklungen im Fahrzeug-Sharing und in der Elektromobilität gewinnen an Aufmerksamkeit. Sie stehen daher neben „klassischen“ Verkehrsdaten im Fokus der folgenden Marktbeobachtungen. Im Zeitalter der Digitalisierung ist auch der Mobilitätssektor technologischen Einflüssen und Umwälzungen ausgesetzt, durch die ein verändertes Nutzerverhalten und neue Zugangsprozesse entstehen. Die damit einhergehenden Phänomene verdienen eine detaillierte Betrachtung und frühzeitige Bewertung. Um einen kompakten Überblick der vorherrschenden Entwicklungsverläufe und -umfänge gewinnen zu können, hat das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) vielfältige Daten in Bild und Text zusammengefasst. Das Fachmagazin Internationales Verkehrswesen bietet als attraktives Publikationsmedium den passenden Rahmen für die Veröffentlichung. Die Wissensvermittlung unter Marktakteuren und Fachleuten bietet einerseits eine Grundlage zum gegenseitigen Austausch, andererseits aber auch eine Inspirationsquelle zur Weiterentwicklung der Erhebungs- und Auswertungsverfahren. Wir freuen uns über Ihre Anmerkungen und möchten Sie ausdrücklich zur Kontaktaufnahme einladen. Das gesamte InnoZ wünscht Ihnen eine informative Lektüre. FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 50 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Privat Luft SPV ÖSPV MIV Fahrradverkehr (in Pkm) Abschnitt 1 Verkehrsträger: Modale Sicht Abschnitt 2 Multi- und Intermodalität Abschnitt 3 Shared Mobility Abschnitt 4 Nachhaltige Mobilität/ Elektromobilität Abschnitt 5 Mobilitätsumfeld Digitalisierung Öffentlich Fußgängerverkehr (in Pkm) „Relevanter Verkehrsmarkt“ (Anteil Verkehrsleistung in Pkm) Bild 1: Die neue DNA der Mobilität © InnoZ GmbH Übersicht: die neue dNA der Mobilität Der InnoZ Mobilitätsmonitor behandelt Themen, die in bisherigen Verkehrsmarktberichten kaum oder nicht zusammenhängend betrachtet wurden. Das Bild 1 zeigt zum leichteren Verständnis die schematische Abfolge der Betrachtung, deren Grundaufbau in jeder Monitorausgabe ähnlich ist. 1 Im Fokus stehen dabei der Vergleich von Marktvolumina und die Aufdeckung marktrelevanter Innovationen mit absehbarem Wachstumspotenzial. Die wiederkehrende Bezugsgröße bildet die Verkehrsleistung in Personenkilometern (siehe Glossar). Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben auf den Personenverkehr in Deutschland: Im ersten Abschnitt bildet die modale Sicht auf die Verkehrsträger Straße (ÖSPV und MIV), Luftverkehr (innerdeutsch) und Schiene (SPV) die Ausgangsbasis. Ökonomische und soziodemografische Umfeldfaktoren werden in ihrer Relevanz für die Verkehrsnachfrage rückblickend zusammengefasst und für das laufende Jahr eingeschätzt. Der Überblick zu den Verkehrsträgeranteilen enthält auch den nichtmotorisierten Verkehr (Fußgänger- und Fahrradverkehr), der bei uns ausdrücklich in den relevanten Markt einbezogen wird. Die Verkehrsträgeranteile sagen aber nur wenig darüber aus, inwieweit die konkreten Verkehrsmittel (z.B. Bus, PKW, Flugzeug und Bahn) kombiniert werden. Im zweiten Abschnitt wird die Betrachtung einzelner Verkehrsträger daher um die multibzw. intermodale Nutzung von Verkehrsmitteln ergänzt. Die vom InnoZ entwickelte Smartphone-Applikation „modalyzer“ erfasst per Geodatentracking die real vollzogene Verkehrsmittelnutzung und liefert somit ein deutlich direkteres und genaueres Abbild als bisherige Analyseverfahren. Dies macht sowohl die räumliche Vernetzung als auch die Inanspruchnahme im Zeitverlauf sichtbar, beansprucht aber keine Repräsentativität, da bisher erst geringe Fallzahlen von angemeldeten Testnutzern eingehen. Den Mobilitätsmarkt prägt neben der kombinierten Nutzung privater und öffentlicher Fahrzeuge auch die Nachfrage nach miteinander geteilten Verkehrsmitteln. Im dritten Abschnitt folgt daher die Betrachtung der sogenannten Shared Mobility in komplementären Angeboten als zentrale Bindeglieder zwischen privatem Individualverkehr und öffentlichem Kollektivverkehr. Im Mittelpunkt stehen somit die öffentlich zugänglichen, aber individuell nutzbaren Verkehrsmittel der Shared Mobility. Die vertiefte Betrachtung gilt diesmal dem Scootersharing, das als neues Segment in den Markt eintritt und zunehmend elektrisch erfolgt. Nachhaltige Erfolgschancen haben nur jene Angebote, die weitgehend ohne Emissionen auskommen und somit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im vierten Abschnitt betrachten wir weitergehend, in welchem Ausmaß und welcher Ausprägung nachhaltige Mobilität unter besonderer Berücksichtigung der Elektromobilität bereits umgesetzt werden kann. Anhand des aktuellen Ausbaustandes ihrer Versorgungsinfrastruktur werden die Verkehrsmittel mit der Energiegrundlage in Verbindung gebracht. Der Entwicklungsstand und Abdeckungsgrad der Infrastrukturen spielt vor allem für die Verbreitung der Elektromobilität eine entscheidende 1 Ausführlich in Internationales Verkehrswesen (67) 4/ 2015, S. 43ff. Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 51 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Rolle. Die Hinwendung zu weiteren, marktprägenden Umfeldvertiefungen bildet den Übergang zum fünften und letzten Abschnitt. Im fünften Abschnitt werden ausgewählte Facetten verändernder Bedingungen des Marktumfeldes der „Digitalisierung“ und ihre Wirkung auf die Verkehrsmittel beleuchtet. Der ÖPV wird von neuen digitalen Zugangsmedien in Form des „Mobile Ticketing“ geprägt, für das wir eine Übersicht verschiedener Systemanbieter erstellt haben. Im MIV lässt die Entwicklung automatisiert verkehrender Fahrzeuge neue Marktimpulse erwarten. Zwar ist das vollautomatisierte Fahren noch nicht in den Markt eingetreten, aber die zunehmende Verbreitung digitaler Assistenzsysteme erlaubt bereits erste Schlüsse hinsichtlich der weiteren Entwicklungsdynamik. Die Bedeutung der Verkehrsträger und -mittel im jeweiligen Markt wird anhand der Verkehrsleistung (Personenkilometer) ausgedrückt und ins Verhältnis gesetzt (siehe Tabelle 1). Nachdem im ersten Abschnitt die Verteilung im Gesamtverkehrsmarkt dargestellt wird, werden die Teilmärkte in absoluten Werten, als Anteil an den Verkehrsmitteln sowie die Veränderung zum Vorjahr in Prozent ausgedrückt. Dies erfolgt jeweils für die Shared Mobility (Abschnitt 3), die Elektromobilität (Abschnitt 4), das Mobile Ticketing mittels Check-in/ checkout und das automatisierte Fahren (Abschnitt 5). So entsteht ein neuer und zusammenhängender Blick auf die Mobilitätswelt. Makro- und mikroskopische Entwicklungen sollen gesamthaft betrachtet werden. 2 „Spickzettel“: der Monitor kompakt • MIV und Luftverkehr profitierten 2015 von den guten konjunkturellen Rahmenbedingungen und v.a. von niedrigen Kraftstoffpreisen infolge des Ölpreisverfalls. Ein Plus bei der Nachfrage ist auch 2016 zu erwarten. • Zwar ist auch der öffentliche Verkehr Nutznießer der Konjunktur, hat aber neben sinkenden Schülerzahlen mit Abwanderern zum MIV zu kämpfen. Der wettbewerbsintensive Fernverkehrssektor ist geprägt vom starken Nachfragezuwachs beim Fernlinienbus. • Carsharing verliert an Dynamik. Zwar ist die Zahl der Nutzer wieder zweistellig gewachsen (+21 %), aber Fahrzeugzahl (+5 %) und Verkehrsleistung (+3 %) zeigen eine Verlangsamung des Wachstums. • Verkehrsleistung des Bikesharing ist weiter auf Wachstumskurs (+16 %). Auch E-Räder verzeichnen weiter ein Wachstum (+18 %). • Elektrischer ÖV ist etwa stagnierend (SPV +0,45 %, ÖSPV + 0,05 %) auf hohem Niveau (98 % der elektrischen Verkehrsleistung) • Elektrischer MIV wächst deutlich (+131 %) auf niedrigem Niveau (unter 0,1 % des Gesamt-MIV). • Im Verhältnis e-Fahrzeuge/ öffentliche Ladepunkte ist das Land Ba.-Wü. Spitzenreiter in Dt. (ca. 21 % aller e-Fz. und 18,6 % aller öff. Ladepunkte). • Die Abdeckung der Mobile Ticketing-Systeme beträgt maximal 34 % der Einwohner bzw. 23 % der Fläche Deutschlands. Gut 0,01 % der ÖV-Verkehrsleistung erfolgte 2015 im CICO-System Touch and Travel. • Teilautomatisiertes Fahren ist in ca. 0,9 % der zugelassenen Fahrzeuge möglich. Ihr Anteil an der MIV-Verkehrsleistung lag 2015 bei 0,7 %. 2 Unser wiederkehrendes Symbol der Verkehrsleistung dient als „roter Faden“. 3 Die Verkehrsleistung lässt sich in der Regel nur für Check-In/ Check-Out-Systeme (CICO) angeben, da hierbei die Zu- und Ausstiegspunkte erfasst werden. Die Werte in der Tabelle beziehen sich auf Touch and Travel, dem einzigen CICO-System in Deutschland, welches das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn sowie zahlreiche Nahverkehrsgebiete abdeckt (siehe Abschnitt 5). 4 Davon 0,53 Mrd. Pkm stationäres Carsharing, 0,08 Mrd. Pkm flexibles Carsharing und 0,0004 Mrd. Pkm Scootersharing. 5 Davon 0,439 Mrd. Pkm (BEV), 0,336 Mrd. Pkm (PHEV) und 0,002 Mrd. Pkm (FCEV). PHEV und FCEV wurden im letzten Monitor nicht erfasst (vgl. Internationales Verkehrswesen (67) 4/ 2015, S. 57). 6 Der Zuwachs der rein batterieelektrischen Fahrzeuge (ohne FCEV und PHEV) beträgt 36 %. 7 Bei der Verkehrsleistung zur Teilautomatisierung handelt es sich um ein maximales Potential, da teilautomatisierte Systeme in der Regel zur Zusatzausstattung zählen und während der Fahrt ausgeschaltet werden können. Zudem werden teilautomatisierte Systeme im Allgemeinen nur auf Autobahnfahrten genutzt. Über die Ausschöpfung dieses Potentials kann auf dieser Datengrundlage keine Aussage getroffen werden. Gesamtmarkt Shared Mobility Elektromobilität Mobile Ticketing 3 Teilautomat. Fahren Absolut (in Mrd. Pkm) Veränderung zu 2014 (%) Absolut (in Mrd. Pkm) Anteil an Verkehrsmitteln (%) Veränderung zu 2014 (%) Absolut (in Mrd. Pkm) Anteil an Verkehrsmitteln (%) Veränderung zu 2014 (%) Absolut (in Mrd. Pkm) Anteil an Verkehrsmitteln (%) Veränderung zu 2014 (%) Absolut (in Mrd. Pkm) Anteil an Verkehrsmitteln (%) Veränderung zu 2014 (%) Rad 36,1 2,0 0,03 0,078 16,3 1,25 3,47 17,77 Fuß 34,6 -0,5 SPV 89,9 0,4 80,91 90,00 0,40 0,02 0,01 5 ÖSPV 80,3 1,3 0,64 4 0,063 2,6 16,87 21,00 0,05 MIV 958,3 2,0 0,78 5 0,08 130,9⁶ 7,317 0,76 72,5 Luft 10,1 1,4 Ges. 1209,3 1,8 0,64 0,052 3,1 99,81 8,25 0,88 0,02 0,002 13 7,31 0,60 264 Tabelle 1: Verkehrsleistungen nach Verkehrsmitteln in verschiedenen Mobilitätsmärkten 2015, in Mrd. Pkm (Quelle: Eigene Berechnung) © InnoZ GmbH Veränderungen in % im Vergleich von 2014 zu 2015 FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 52 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ 1. Verkehrsträger - Modale Sicht Die Nachfrage im Personenverkehr ist auch weiterhin stark abhängig von konjunkturellen Faktoren wie etwa den verfügbaren Einkommen oder der Arbeitsmarktsituation. Die Darstellung des volks- und verkehrswirtschaftlich relevanten Umfeldes ist daher der eigentlichen Verkehrsmarktanalyse vorangestellt. Im Anschluss wird der Blick auf den klassischen Personenverkehrsmarkt gerichtet, sortiert nach den „klassischen“ motorisierten Verkehrsträgern. Hiernach wird die Perspektive um die Verkehrsleistungen der nichtmotorisierten Fortbewegungsarten Fahrrad und Fußverkehr erweitert. überdurchschnittlich. Diese Entwicklung fußt u.a. auf einer sehr geringen Preissteigerungsrate von 0,3 %, was in erster Linie auf den Verfall bei den Energiepreisen zurückgeht. Für das Jahr 2016 wird ein BIP-Wachstum in ähnlicher Größenordnung erwartet - getragen von der vorteilhaften Lage am Arbeitsmarkt und vom weiterhin wachsenden privaten Verbrauch. Dämpfend dürfte sich das zu erwartende geringere Exportwachstum aufgrund der nachlassenden Nachfrage aus den Schwellenländern auswirken. Die Realeinkommen legen 2016 bei wieder steigender Inflationsrate vsl. weniger stark zu. Bild 2: Entwicklung des BIP und der verfügbaren Einkommen 2010 - 2016 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016a, Sachverständigenrat 15/ 16 2016) BIP (real) 8 Erwerbstätige Verfügbares Einkommen (real) Arbeitslosenqoute Bild 3: Arbeitsmarkt 2010 - 2016 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016a, Bundesagentur für Arbeit 2016a) 1,6% 1,6% 1,5% 1,5% Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 2010-13 p.a. 2014 2015 Ausblick 2016 Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 1,1% 0,9% 0,8% 0,7% 2010-13 p.a. 2014 2015 Ausblick 2016 Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 0,6% 1,6% 1,8% 1,6% 2010-13 p.a. 2014 2015 Ausblick 2016 7,1% 6,7% 6,4% 6,6% 2010-13 p.a. 2014 2015 Ausblick 2016 © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Konjunkturelles Personenverkehrsmarktumfeld Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland stieg im Jahr 2015 preis- und kalenderbereinigt um 1,5 % an und damit ähnlich stark an wie im Jahr davor. Maßgeblich für das konjunkturelle Wachstum war die gute Binnennachfrage angesichts der positiven Arbeitsmarktsituation und steigenden privaten Konsumausgaben. Mit 1,8 % stiegen die real verfügbaren Einkommen 2015 Die Zahl Erwerbstätiger in Deutschland stieg im Jahr 2015 um 0,8 % auf knapp 43 Mio. Menschen und damit auf einen neuen historischen Höchststand. Diese positive Entwicklung ist zum einen auf den anhaltenden konjunkturellen Aufschwung zurückzuführen und zum anderen auf die Ausweitung des Arbeitskräfteangebots infolge der Arbeitskräftefreizügigkeit innerhalb der EU sowie der Migration. Die Arbeitslosenquote sank weiter auf 6,4 %. Auch im Jahr 2016 wird sich die Beschäftigung in ähnlicher Größenordnung ausweiten. Allerdings wird die Arbeitslosenquote im laufenden Jahr wieder stärker steigen, was primär auf die hohe Zahl zuwandernder Flüchtlinge zurückgeht, deren erster Schritt der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt oftmals die Arbeitslosigkeitsmeldung ist. Die Bevölkerungszahl ist v.a. aufgrund des hohen Zuwanderungssaldos 2015 um 0,9 % auf 81,9 Mio. Menschen angestiegen (Statistisches Bundesamt 2016d), in 2016 wird sie vsl. um weitere 0,5 bis 1 % wachsen. 8 Saison- und kalenderbereinigt nach Census X-12-ARIMA Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 53 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Mobilitätskosten Die Nutzerkosten im Personenverkehr haben sich in den letzten Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Durch die stark sinkenden Kraftstoffpreise ist der Kraftfahrer-Preisindex als Maß für die Preisentwicklung im MIV im vergangenen Jahr mit 2,6 % überdurchschnittlich gesunken. Hintergrund dieser Entwicklung ist der andauernde Verfall der Preise für fossile Brennstoffe. Der Preis der Öl-Sorte Brent lag 2014 noch bei durchschnittlich ca. 100 $ je Barrel. Im Januar 2015 wurde erstmals seit 2009 die 50-$-Marke unterschritten. Zwar zog der Preis kurzzeitig wieder an, im zweiten Halbjahr setzte sich die Abwärtsbewegung jedoch fort. Im Januar 2016 war der Barrel Öl gerade noch gut 30 $ wert. Bis zum Ende des laufenden Jahres ist wegen des strukturellen Überangebots am Markt nicht mit signifikanten Preissteigerungen über die 50-$-Marke pro Barrel zu rechnen. Logischerweise ist Autofahren auch zu Beginn des neuen Jahres günstiger geworden; der Kraftfahrerpreisindex fiel im Januar um weitere 0,8 %. Quasi auf Vorjahresniveau verblieben sind die Preise im Schienenpersonenverkehr, was auf die Entscheidung der unter Wettbewerbsdruck stehenden Deutschen Bahn AG zurückgeht, zum Fahrplanwechsel die Beförderungsentgelte nicht zu erhöhen. Dagegen stiegen die Verbundtarife im Januar 2016 mit 2,6 % weiter an und setzten den Preisauftrieb der letzten Jahre fort (2015: 3 %). Die Erhöhungen wurden meist mit gestiegenen Personal- und Betriebskosten begründet. Relativ gesehen hat sich auch die Wettbewerbssituation des Luftverkehrs verbessert. Er profitiert derzeit ebenfalls von den niedrigen Kraftstoffpreisen und gibt dies auch teilweise an seine Kunden weiter. Somit lagen 2015 erstmals seit 17 Jahren die Preise in einem Kalenderjahr unter dem Vorjahresniveau (-0,7 %). Hauptprofiteur der Preisentwicklung auf dem Verkehrsmarkt bleibt insgesamt der MIV. Bild 4: Ölpreis 2010 - 2016 (Quelle: Mineralölwirtschaftsverband 2016) © InnoZ GmbH 01/ 2014 04/ 2014 07/ 2014 10/ 2014 01/ 2015 04/ 2015 07/ 2015 10/ 2015 01/ 2016 106,77$ 50$ 47,76$ 56,56$ 30,70$ 108,12$ Aufgrund der Wechselkurssituation fielen die Kraftstoffpreise zwar nicht äquivalent zum in US-Dollar notierten Ölpreis, dennoch sanken die Benzinpreise 2015 um knapp 9 % und die Dieselpreise sogar um rund 13 %. Letzteres ist neben dem niedrigen Ölpreis auf die schwache Konjunktur in vielen europäischen Staaten und der damit einhergehend niedrigeren Transportnachfrage im Güterverkehr zurückzuführen. Im Januar fielen die Kraftstoffpreise weiter um 3,3 % (Benzin) bzw. 12,4 % (Diesel). Bild 5: Benzin- und Dieselpreis 2010 - 2016 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016c) © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH 2010-13 p.a. 2014 2015 Januar 2016 4,0% 5,2% -4,0% -5,3% -8,8% -13,1% -3,3% -12,4% Benzin Diesel Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 2010-13 2014 2015 Januar 2016 2,1% 2,5% -3,1% 6,4% 2,4% 3,1% 0,8% 3,0% 2,6% 1,6% -0,8% 2,6% -0,7% -0,8% -0,1% -1,2% Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum Kraftfahrer-Preisindex SPV Verbundtarife Luftverkehr Bild 6: Preisentwicklung Personenverkehr 2010 - 2016 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016c) FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 54 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Bild 7: PKW-Bestand und Neuzulassungen 2010 - 2016 (Quelle: KBA 2016a, 2016b) 9 Benzin Diesel Flüssiggas Erdgas Elektro Hybrid 2015 2014 2010 Bild 8: PKW-Bestand nach Antriebsarten 2010-2015 (Quelle: KBA 2016a) © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH PKW in Tsd. 2010 2014 2015 Benzin 30 488 29 838 29 837 Diesel 11 276 13 861 14 513 Flüssiggas 419 494 476 Erdgas 72 81 80 Elektro 2 19 26 Hybrid 37 108 130 PKW-Bestand Obwohl stetig mehr Fahrzeuge im Carbzw. Ridesharing gemeinschaftlich genutzt werden und trotz des Fahrradbooms in vielen deutschen Großstädten steigt der PKW-Bestand kontinuierlich an: Aktuelle Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes weisen zum 01.01.2016 einen Zuwachs von 1,5% auf nun 45,1 Mio. PKW aus. Im vergangenen Jahr wurden 5,6 % mehr PKW in Deutschland zugelassen (Januar 2016: 3,3 %); die Gesamtzahl neuzugelassener Autos betrug damit 3,21 Mio. (2014: 3,0 Mio.). Die hohe Zahl der Neuzulassungen und das weiter ansteigende Durchschnittsalter der zugelassenen PKW auf 9,2 Jahre (2014: 9,0 Jahre) erklären die Zunahme bei den PKW-Bestandszahlen. Auch für 2016 ist mit einem Anstieg der Neuzulassungszahlen und infolgedessen mit einer Ausweitung des PKW-Bestandes zu rechnen. Gründe hierfür sind die positive konjunkturelle Entwicklung und das niedrige Preisniveau bei Kraftstoffen. Bei den PKW-Segmenten zeigen sich im Jahresverlauf beträchtliche Steigerungsraten bei SUVs (Sport Utility Vehicles, +20 %) und Geländewagen (+10 %). Dennoch bleiben Kompakt- und Kleinwagen mit 26,4 % bzw. 19,7 % am häufigsten auf deutschen Straßen vertreten. Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 0,4% 2,9% 5,6% 3,3% 2010-13 p.a. 2014 2015 Januar 2016 Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum 1,0% 1,3% 1,5% 1,5% 2010-13 p.a. 2014 2015 Ausblick 2016 Das Wachstum des PKW-Bestandes wird hauptsächlich von den PKW mit Dieselmotor getrieben. So stieg die Zahl der Diesel-PKW im vergangen Jahr um 4,7 % an, ihr Anteil betrug zum 31.12.2015 32,2 %. Gleichzeitig blieb die Anzahl der PKW mit Ottomotoren konstant, allerdings sank damit ihr Anteil auf 66,2 %. Der Anteil alternativer Antriebe bleibt konstant bei 1,6 %, wobei sich hier gegenläufige Entwicklungen zeigen: Auf der einen Seite sank die Zahl der PKW mit Flüssiggas- und Erdgasantrieb deutlich um 3,7 % bzw. 1,4 %. Auf der anderen Seite ist das Wachstum bei Hybrid- (+21 %) und Elektrofahrzeugen (+34 %) weiter sehr dynamisch. Wie eingangs erwähnt, haben die geschilderten Umfeldfaktoren strukturell großen Einfluss auf die Entwicklung des Verkehrsmarktes. Sie fließen u. a. in Berechnungsmodelle ein, mit deren Hilfe Vorausschätzungen und Prognosen erstellt werden. Der hier als „klassisch“ bezeichnete Verkehrsmarkt umfasst die motorisierten Verkehrsträger auf Straßen, Schienen sowie in der Luft. Klassischer motorisierter Personenverkehrsmarkt - Entwicklung bis zum 3. Quartal 2015 Der Markt wird vom MIV dominiert, der mit 84,2 % Modal Split-Anteil die mit Abstand höchsten Verkehrsleistungen erbringt (siehe Tabelle 2). Sinkende Kraftstoffpreise, die wachsende Zahl von Erwerbstätigen sowie das steigende verfügbare Einkommen kurbelten die Nachfrage im MIV weiter an, der kumuliert zum September 2015 um ca. 2,5 % wuchs. Generell ist nicht nur die konventionelle PKW-Nutzung von Belang, denn grundsätzlich kann, trotz des wachsenden Fernbusmarkts, auch von einer steigenden Inanspruchnahme organisierter Mitfahrten bzw. Fahrgemeinschaften ausgegangen werden, wie die starken Zuwächse an vermittelten Fahrten bei den entsprechenden Portalen belegen. Hinzu kommt die verstärkte Nutzung des Carsharings v.a. in den Großstädten (siehe Abschnitt 3). PKW-Neuzulassung PKW-Bestand 9 In der offiziellen Statistik wird der PKW-Bestand zum 01.01. eines Jahres angegeben. Um die Einheitlichkeit mit anderen Daten herzustellen, wird im Mobilitätsmonitor angenommen, dass der PKW-Bestand zum 01.01. dem zum 31.12. des Vorjahres entspricht. So entspricht z.B. die im Mobilitätsmonitor ausgewiesene Bestandsveränderung zum 31.12.2015 dem der offiziellen Statistik zum 01.01.2016. Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 55 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Bild 11: Schienenpersonenverkehr, Veränderung der Verkehrsleistung 2013-2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016b) Bild 9: Motorisierter Individualverkehr, Veränderung der Verkehrsleistung 2013-2015 (Quelle: Eigene Berechnung) 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 3.Q 2015 -3 -1 1 3 5 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) MIV Bild 10: Liniennahverkehr im Öffentlichen Straßenpersonenverkehr, Veränderung der Verkehrsleistung 2013-2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016b) 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 3.Q 2015 -5 -1 -3 1 2 3 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) Schienenverkehr Fernverkehr Schienenverkehr Nahverkehr © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs zum 01.01.2013 kam merklich Bewegung in den Verkehrsmarkt. Seitdem dürfen auch innerdeutsch Fahrgäste mit Linienbussen im Fernverkehr über 50 km befördert werden. Für die seitdem sprunghaft gestiegene Nachfrage liegen derzeit nur Schätzungen vor, da die Daten vieler neuer Anbieter wie MeinFernbus/ Flixbus oder Postbus noch nicht in den offiziellen Statistiken des Statistischen Bundesamtes enthalten sind. Den Schätzungen des BDO zufolge wurden im Gesamtjahr 2015 knapp 20 Mio. Fahrgäste befördert, davon etwa ein Viertel auf grenzüberschreitenden Fahrten. Das Aufkommen stieg demnach gegenüber 2014 um über ein Drittel. Dagegen wird die Nachfrage im Nahverkehr mit Bussen vielerorts von den Auswirkungen des demografischen Wandels und dem Rückgang der Schülerzahlen gebremst. Viele ländliche Räume verlieren generell an Bevölkerung und damit an Nachfragepotenzial. Die Verkehrsleistung des Busnahverkehrs nahm in den ersten drei Quartalen 2015 um kum. 0,6 % ab. Die Verkehrsleistung der städtischen schienengebundenen Straßenverkehre (Straßenbahn, Stadtbahn und U-Bahn) sank nach den vergleichsweise starken Zuwächsen des Vorjahres bis September 2015 um kumuliert 0,7 %. Infolge der deutlich höheren Wettbewerbsintensität nach Eintritt der Fernbusunternehmen in den Markt und der wiederholten GDL-Streiks im Zugverkehr der DB AG ging die Verkehrsleistung des Fernverkehrs auf der Schiene 2014 um 2 % zurück. Der SPNV war von diesen Umständen weitaus weniger betroffen (u.a. erbringen private Bahnunternehmen inzwischen über ein Viertel der Zugkilometer), seine Verkehrsleistung stieg 2014 um 1,4 %. In den ersten drei Quartalen 2015 musste allerdings auch der Regionalverkehr auf der Schiene Einbußen hinnehmen, was primär auf die andauernd niedrigen Kraftstoffpreise zurückzuführen sein dürfte. Die Erholungstendenz beim Fernverkehr wurde im 2.- Quartal durch die beiden GDL-Streiks jäh unterbrochen; insgesamt erreichte die Verkehrsleistung per September 2015 jedoch fast wieder das Vorjahresniveau (-0,1 %). Im Jahr 2014 konnte der innerdeutsche Luftverkehr erstmals seit Jahren wieder annähernd das Vorjahresniveau bei der Verkehrsleistung erreichen (-0,1 %). Dieser positive Trend setzte sich in den ersten drei Quartalen 2015 fort: Per September stieg die Nachfrage um 1,5 %. Die Branche profitierte von gesunkenen Treibstoffkosten. Eine noch deutlichere Nachfragesteigerung wurde durch die Streiks bei der Lufthansa verhindert. Insgesamt wuchs die Verkehrsleistung der motorisierten Verkehrsträger im Jahr 2014 um 1,9 % und per September 2015 - jeweils getrieben durch den Hauptakteur MIV - um 2,3 %. Bild 12: Innerdeutscher Luftverkehr, Veränderung der Verkehrsleistung 2013-2015 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016b) 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 3.Q 2015 -3,5 -0,5 2,0 2,0 0,5 3,5 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) Luftverkehr innerdeutsch © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH 4.Q 2013 1.Q 2014 2.Q 2014 3.Q 2014 4.Q 2014 1.Q 2015 2.Q 2015 3.Q 2015 -1,5 -1,0 -0,5 0,5 1,0 1,5 Veränderungsraten zum Vorjahresquartal (in %) Busse Liniennahverkehr Straßenbahn/ U-Bahn © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 56 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Personenkilometer in Mrd. Fuß Rad SPV ÖSPV Luftverkehr (innerdeutsch) MIV 650 750 850 950 1050 1150 902,4 939,4 958,3 977,5 1142,2 1,0% 1,8% 1,8% 1188,3 1209,3 1231,4 2010 2015 2014 2016 1,0% p.a p.a p.a 2,0% 2,0% 78,1 10,7 83,9 32,4 79,3 9,9 89,5 35,4 80,3 10,1 89,9 36,1 81,2 10,3 91,2 36,8 1075,1 1118,2 1138,6 1160,2 2,2% 2,0% 2,0% 34,6 34,8 34,6 34,4 0,1% -0,5% -0,5% 1,0% 1,8% 1,9% 1,6% 0,4% 1,4% 0,4% 1,3% 1,1% -1,8% 1,4% 2,3% Bild 13: Personenverkehrsleistung nach Verkehrsmitteln 2010-2016 (Quelle: BMVI/ DIW (Verkehr in Zahlen), BMVI/ TCI 2016, eigene Berechnung) Tabelle 2: Modal Split motorisierte Verkehrsträger bez. auf Verkehrsleistung 10 (Quelle: BMVI/ DIW (Verkehr in Zahlen), BMVI/ TCI 2016, eigene Berechnung) 2010 2014 2015 2016 SPV 7,8 % 8,0 % 7,9 % 7,9 % ÖSPV 7,3 % 7,1 % 7,1 % 7,0 % Luft 1,0 % 0,9 % 0,9 % 0,9 % MIV 83,9 % 84,0 % 84,2 % 84,3 % Klassischer motorisierter Personenverkehrsmarkt - Schätzung Gesamtjahr 2015 und Ausblick 2016 Für das Gesamtjahr 2015 rechnen wir mit einer Zunahme der Verkehrsleistung im motorisierten Personenverkehr um ca. 1,8 %. Das konjunkturelle Umfeld mit sehr niedrigen Kraftstoffpreisen, die Zunahme an Erwerbstätigen und steigenden Realeinkommen wirkten dabei stimulierend (siehe oben). Der MIV hat seine Verkehrsleistung vsl. um etwa 2 % ausweiten können, der innerdeutsche Flugverkehr um 1,4 %. Der ÖSPV hat das Vorjahresergebnis trotz Verlusten im Nahbereich v.a. dank der starken Zuwächse beim Fernbuslinienverkehr leicht übertroffen. Auch der Gelegenheitsverkehr trug aufgrund von Sondereffekten (Transport von Flüchtlingen) zu dem Wachstum bei (BMVI/ TCI 2016). Der Schienenpersonenverkehr hat die Nachfrage des Vorjahres nur leicht übertroffen. Hauptgründe für das vergleichsweise schwache Wachstum waren die günstigen Kraftstoffpreise und der damit verbundene starke Aufschwung beim Hauptwettbewerber MIV, die wachsende Konkurrenz aus dem Fernbussektor und nicht zuletzt die umfangreichen Zugausfälle durch Streiks. Der Wettbewerb bleibt auch im laufenden Jahr insbesondere im Fernverkehr intensiv. Die Fernbusunternehmen werden weiter vom Markthochlauf profitieren und erschließen sich ihrerseits weitere Nischen, z. B. den touristischen Verkehr. Für das Jahr 2016 wird ein starker Anstieg beim Aufkommen um ca. 25 % auf gut 25 Mio. Passagiere erwartet (Deutscher Bundestag 2016). Für den gesamten ÖSPV erwarten wir - bezogen auf die Verkehrsleistung - ein Plus von gut 1 %. Dem Schienenpersonenverkehr kommt 2016 neben den positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vsl. ein positiver Basiseffekt zugute, gestützt von einer Ausweitung des Angebots im Fernverkehr (Eröffnung Leipzig - Erfurt, bundesweit neue Sprinter-Relationen) und unter der Prämisse, dass weitere Streiks ausbleiben. Die Modalsplit-Anteile des öffentlichen Verkehrssektors (Schiene plus ÖSPV) bleiben nahezu unverändert bei gut einem Siebtel des Gesamtmarktes. Beim innerdeutschen Luftverkehr ist für das Gesamtjahr ein fortgesetztes und verstärktes Nachfragewachstum zu erwarten, das v.a. auf die auf niedrigem Niveau verharrenden Kerosinkosten zurückgeht. Zudem ist nach dem Wiedereintritt von Ryanair in den nationalen Markt ein verstärkter Preiskampf auf einzelnen Relationen zu erwarten, der die Nachfrage zusätzlich beflügeln dürfte. Die Verkehrsleistung des MIV weitet sich auch in 2016 weiter aus. Der Zuwachs ist zum einen auf die weiter steigenden Realeinkommen, wachsende Erwerbstätigenzahlen sowie die günstig bleibenden Kraftstoffpreise und zum anderen auf die hohe Zahl neu zugelassener PKW zurückzuführen. Für den Gesamtmarkt des motorisierten Verkehrs ist im Jahr 2016 ein Nachfrageplus von knapp unter 2 % zu erwarten. Die bis dahin geschilderte „klassische“ Marktdarstellung des motorisierten Personenverkehrs muss aus unserer Sicht um den sog. nicht-motorisierten Individualverkehr (NMIV) - also den Fuß- und den Radverkehr - erweitert werden, da sie zumindest beim Aufkommen eine signifikante Größe darstellen und wichtige Bestandteile intermodaler Wegeketten sind (siehe Abschnitt 2). Nicht zuletzt hat die Fahrradnutzung in den letzten Jahren zugenommen. Im Jahr 2015 wurden nach Schätzungen des Zweirad-Industrie-Verbands e.V. (ZIV 2016) ca. 4,35 Mio. Fahrräder in Deutschland verkauft (+6,6 %). Bereits jedes achte davon ist ein e-Bike. Der Bestand an Fahrrädern lag 2015 laut ZIV bei ca. 72 Mio. Stück, darunter ca. 2,5 Mio. e-Bikes. Gesamtpersonenverkehrsmarkt - Schätzung Gesamtjahr 2015 und Ausblick 2016 Der Fahrradverkehr nahm geschätzt auch 2015 um ca. 2 % weiter zu. Gründe hierfür sind einerseits die zunehmende Zahl von Rädern mit elektrischer Tretunterstützung (Pedelecs), die aufgrund ihrer Reichweite und ihres Komforts neue Kundengruppen erschließen und andererseits die positiven Resultate regionaler und lokaler Radverkehrsförderungsmaßnahmen. Es ist anzunehmen, dass der Fußverkehr entsprechend des Trends weiter leicht abnimmt (-0,5 %). Aktuelle Zähldaten stehen jeweils nicht zur Verfügung, sondern vsl. erst 2018. In ähnlichen Größenordnungen dürfte sich die Entwick- 10 aufgrund von Rundungen in Summe nicht 100,0% © InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 57 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Wege über 10km 3km bis 10km unter 3km MIV mono ÖV mono Fahrrad mono Multimodal N=40 N=116 N=39 N=364 n =298 n = 3 0 1 n =28 5 n=13 6 8 n= 1 5 1 3 n =1 1 89 n= 650 n = 8 0 4 n=4 7 6 n =66 0 0 n = 8761 n= 8 1 78 Fußweg Fahrrad ÖPNV Fernbus Fernzug & Auto lung auch im Gesamtjahr 2016 bewegen. Der Gesamtmarkt über alle motorisierten und nichtmotorisierten Verkehrsträger ist dementsprechend im Jahr 2015 um ca. 1,8 % gewachsen (siehe Bild 13). In 2016 ist mit einem Plus von rund 1,8 % zu rechnen. 67,7 % auf monomodale Wege. Damit sank dieser Wert im letzten halben Jahr um ca. 5 %. 12 Ein allgemeiner Trend lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Die modalyzer- Nutzer sind nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, sondern gehören vielmehr einer multioptionalen, technikaffinen Zielgruppe an. Im Folgenden wird ein Teil der mit „modalyzer“ erhobenen Wege genauer betrachtet und die Verkehrsmittelnutzung auf mono- und multimodalen Wegen miteinander verglichen. Üblicherweise wird zur Untersuchung von Multimodalität eine Kalenderwoche betrachtet und die Verkehrsmittel ÖV, MIV sowie Fahrrad unterschieden. Für die folgenden Auswertungen wurden Trackingdaten von Personen genutzt, die mindestens neun Tage am Tracking teilnahmen. Die Zugehörigkeit zu einer monomodalen Gruppe (MIV mono, ÖV mono, Fahrrad mono) oder zur multimodalen Gruppe (Nutzung aller drei Verkehrsmittel im Wochenverlauf ) wurde jeweils anhand der Verkehrsmittelnutzung innerhalb der ersten sieben Tage des Trackings bestimmt. Es wurden die Daten von 1009 Personen genutzt, die insgesamt ca. 55 000 Wege zurücklegten. Die Stichprobenziehung erfolgte nicht randomisiert und ist entsprechend nicht repräsentativ. Zu beachten sind auch die abweichenden Nutzerzahlen je Gruppe (zwischen 39 monomodale Radnutzer und 364-Multimodale, die alle Verkehrsmittel nutzten). Ansprechpartner: Manuel Hendzlik manuel.hendzlik@innoz.de Frank Hunsicker frank.hunsicker@innoz.de 2. Multi- und Intermodalität Im ersten Abschnitt haben wir die Marktanteile der Verkehrsträger nebeneinanderstehend bzw. separat ausgewertet. Nachfolgend steht nun die kombinierte Nutzung im Fokus der Betrachtung. Im Fachdiskurs avancieren die Begriffe Multi- und Intermodalität zur Zauberformel im Bemühen um effizienteren und nachhaltigeren Verkehr. Verlässliche empirische Daten zur wechselweisen Verkehrsmittelnutzung im Zeit- und Streckenverlauf fehlen jedoch bisher. In den bekannten Untersuchungen zum Verkehr in Deutschland, wie MiD und SrV, werden Wege analysiert. Detaillierte Etappeninformationen fehlen in diesen repräsentativen Erhebungen. Damit fehlen auch Informationen zur Verknüpfung von Verkehrsmitteln auf einem Weg. Mittels GPS- Tracking per Smartphone können hingegen räumlich und zeitlich exakte Bewegungsdaten aufgezeichnet und zugeordnet werden. 11 Durch Geschwindigkeits- und Positionsdaten lassen sich zudem die genutzten Verkehrsmittel genau bestimmen. Das für die folgenden Auswertungen genutzte Trackingtool „modalyzer“ ermöglicht die Erhebung des täglichen Verkehrsverhaltens über lange Zeiträume. Zusätzlich werden in kurzen Befragungen zentrale Nutzermerkmale erhoben. Die Beschränkung auf Daten aus Stichtagserhebungen gehört damit der Vergangenheit an. Bei steigenden Nutzerzahlen entsteht so ein tagesaktuelles „Mobilitätsbarometer“, welches einen bisher nicht gekannten Einblick in Mobilitätsmuster bietet und zum Mitmachen einlädt. Die Applikation „modalyzer“ ist in den App-Stores für iOS und Android zur freien Nutzung verfügbar. Jeder Nutzer hat volle Kontrolle über seine Daten, kann seine individuellen „Datenspuren“ selbst herunterladen und für individuelle Anwendungen nutzen (weitere Informationen unter www.modalyzer.com). Multimodalität: Verkehrsmittelnutzung und Wegelängen Von der mit „modalyzer“ bis zum 01.03.2016 gemessenen Verkehrsleistung entfallen knapp 798 000 Pkm oder Bild 14: Verkehrsmittelwahl mono- und multimodaler Nutzergruppen nach Wegelängen 01.05.2015 - 01.03.2016 (Quelle: modalyzer) 11 Siehe auch Internationales Verkehrswesen (68) 1/ 2016, S. 50ff. 12 Siehe auch Internationales Verkehrswesen (67) 4/ 2015, S. 55 © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 58 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ In der Auswertung wurden für jede Gruppe die Wegelängen in drei Distanzkategorien untergliedert (unter 3-km, zwischen 3 und 10 km, über 10 km). Bild 14 zeigt die Ergebnisse für drei monomodale Gruppen sowie multimodale Nutzer, die im Verlauf einer Woche sowohl Auto als auch Fahrrad und ÖV genutzt haben. Bereits auf kurzen Wegen bis 3 km wird die Fixierung monomodaler Verkehrsmittelnutzer auf ein Verkehrsmittel deutlich. So legen die MIV-Monomodalen 16 % der Wege unter 3-km Länge mit dem Auto zurück. ÖV-Monomodale nutzen auf 18 % dieser Wege den ÖV. In beiden Gruppen werden knapp 76 % der kurzen Wege zu Fuß zurückgelegt. Monomodale Radnutzer greifen im Unterschied dazu eher auf das Fahrrad zurück und nutzen auf fast 40 % der kurzen Wege das Fahrrad. Der Anteil der Fußwege schrumpft dadurch auf 58 %. Auf immerhin 2 % (monomodale Radnutzer) bzw. 4 % (monomodale ÖV- Nutzer) der Wege unter 3 km Länge nutzen auch Rad- und ÖV-Captives den PKW. Bereits auf kurzen Distanzen optimieren Multimodale den Weg von A nach B. Dies zeigt sich durch einen relativ geringen Anteil der Fußwege von 62 %. Selbst auf kurzen Distanzen werden schnellere Verkehrsmittel bevorzugt, egal ob Fahrrad (22 %), ÖV (6,4 %) oder PKW (8,4 %). Auf Wegen mit Distanzen von 3 bis 10 km zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Monomodalen nutzen überwiegend die jeweils namensgebenden Verkehrsmittel: PKW- Monomodale auf 81% der Wege den PKW, ÖV-Monomodale auf 75 % der Wege öffentliche Verkehrsmittel und Rad-Monomodale auf 78 % der Wege das Rad. Multimodale optimieren auch hier und nutzen fast gleichverteilt das Fahrrad (30 %), den ÖV (34,9 %) oder den PKW (25 %). Welche Verkehrsmittel werden nun auf größeren Distanzen und im Fernverkehr genutzt? Monomodale PKW-Nutzer bleiben überwiegend im PKW und nutzen diesen auf 76 % der Wege über 10 km. Auf immerhin 20 % der Wege über 10 km nutzen sie öffentliche Verkehrsmittel. ÖV-Monomodale nutzen ebenfalls überwiegend den ÖV (75 %), auf 14 % der Wege ist hingegen der PKW die erste Wahl. Monomodale Radnutzer bleiben auch bei Wegen über 10 km auf das Fahrrad fixiert und nutzen dieses auf knapp 48 % der Wege. Die übrigen Wege verteilen sich zu 21 % auf den PKW und 30,7 % auf öffentliche Verkehrsmittel. Doch wie viele Wege liegen überhaupt in der höchsten Distanzkategorie? Monomodale Radnutzer sind insgesamt etwas nahräumlicher orientiert. Der Anteil der Wege mit Distanzen über 10 km ist bei monomodalen Radnutzern mit 25 % insgesamt etwas geringer als bei ÖV- (28 %) und PKW-Monomodalen (30 %). Die Multimodalen legen im Bereich über 10 km mit 35 % den größten Anteil der Wege zurück. Dabei sind sie weniger auf ein Verkehrsmittel fixiert. Intermodalität: Kombination von Verkehrsmitteln auf einem Weg Von der mit „modalyzer“ bis zum 01.03.2016 gemessenen Verkehrsleistung, entfallen gut 381 000 Pkm oder 32,3 % auf intermodale Wege. Im Folgenden wird ein Teil dieser Wege hinsichtlich der Verkehrsmittelkombinationen genauer betrachtet. Ein bedeutender Vorteil des Smartphone-Trackings gegenüber klassischen Erhebungsverfahren ist die exakte Erfassung aller genutzten >900 >500 Häufigkeit der Wege >200 >50 n=55.247 Bild 15: Anzahl von intermodalen Verkehrsmittelkombinationen, 01.05.2015 - 01.03.2016 (Quelle: modalyzer) © InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 59 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Verkehrsmittel. Unter Berücksichtigung von Umstiegen innerhalb des ÖV sind insgesamt 19,6 % (n = 10 886) der hier erfassten Wege intermodal. Die mit „modalyzer“ erfassten Verkehrsmittel werden auf sehr vielfältige Weise miteinander kombiniert. Insgesamt sind im betrachteten Datensatz 289 unterschiedliche Kombinationen vorhanden. Dabei traten jedoch 191 dieser Kombinationen weniger als zehn Mal im betrachteten Zeitraum auf. Bild-15 zeigt, wie häufig Verkehrsmittel jeweils paarweise miteinander kombiniert wurden. Bei Kombinationen verschiedener Verkehrsmittel auf einem Weg wurden diese Wege entsprechend mehrfach gezählt. In der Analyse der mit „modalyzer“ erhobenen, intermodalen Wege, zeigt sich besonders die zentrale Stellung des öffentlichen Verkehrs. Am häufigsten sind Umstiege innerhalb des ÖV: Zwischen Bus und U-Bahn (n- =- 875 Wege; 1,6 %) sowie Bus und S-Bahn (n = 665- Wege; 1,2 %) sowie S-Bahn und U-Bahn (n = 549 Wege; 1,0 %). Abgesehen von diesen Umstiegen innerhalb eines Verkehrsträgers wird in der intermodalen Sicht vor allem die Bedeutung der Verknüpfung von Fahrrad und ÖV deutlich. Die kombinierten Verkehrsmittel sind hier nicht näher nach Einsatzformen unterschieden. So kann ein PKW nicht nur als Privatfahrzeug, sondern z. B. als Carsharing-Fahrzeug zum Einsatz kommen. Ähnliches gilt für das Fahrrad, das im Rahmen von Bikesharing einer größeren Nutzergruppe zur Verfügung gestellt werden kann. Die Nutzung derartiger, komplementärer Angebote kann Lücken in der vernetzen Mobilität schließen. Der Shared Mobility-Markt war im zurückliegenden Jahr 2015 sowohl durch Wachstumsals auch durch Konsolidierungseffekte geprägt. Das Wachstum der Nutzerzahlen ist weiter kontinuierlich stark, wobei es sowohl bei stationären (+13 %) als auch bei flexiblen Angeboten (+26 %) etwas an Dynamik verloren hat (zusammen +21 %). Das Wachstum der Fahrzeugzahlen zeigt erste Anzeichen für eine Konsolidierung (zusammen +5 %). Zwar wuchs der Fuhrpark der flexiblen Angebote mit 9 % stärker als im Jahr 2014, die Zahl der Fahrzeuge im stationären Carsharing stagnierte hingegen nahezu, bei einem Wachstum von etwas mehr als 1 % (ein Plus von ca. 100 Fahrzeugen). Gründe für diese Stagnation sind zum einen der Rückzug von zwei Anbietern aus dem Markt in 2016 und die damit verbundene Verkleinerung des Fuhrparks in 2015. Zum anderen könnte auch das verstärkte Engagement einiger stationär gestarteter Carsharing-Unternehmen in die flexiblen Systeme dazu geführt haben, dass Investitionsentscheidungen zu Lasten der Fahrzeuge an festen Verleihstationen getroffen wurden. Nicht zu vernachlässigen ist hierbei auch der seit Jahren beklagte Mangel an geeigneten und rechtssicheren Standorten für Verleihstationen im öffentlichen Straßenraum. Ansprechpartner: Lena Damrau lena.damrau@innoz.de Robert Schönduwe robert.schoenduwe@innoz.de Neben der insgesamt positiven Gesamtentwicklung kam es im Geschäftsfeld Carsharing auch zu Marktaustritten. Im Mai 2015 stellte der Carsharing-Anbieter Spotcar sein Geschäft ein. 14 Zu diesem Zeitpunkt war Spotcar der vierte Anbieter eines flexiblen Carsharings in Berlin. Das Alleinstellungsmerkmal bildete das Preismodell, das ausschließlich auf einer kilometerbasierten Abrechnung erfolgte. Ein weiterer Berliner Carsharing- Anbieter namens CiteeCar, der dem Low-Cost-Carsharing zugeordnet wurde, stellte nach etwa drei Jahren Marktaktivität im Dezember 2015 einen Insolvenzantrag und hat sein Geschäft im Januar 2016 eingestellt. 15 Des Weiteren weicht zum 01.04.2016 das Carsharing- Angebot von Volkswagen, Quicar, aus dem Straßenbild von Hannover. Es wurde jedoch ein sofortiger Ersatz angekündigt: Hannover soll ab dem zweiten Quartal 2016 der 22. Standort des Carsharing-Anbieters Greenwheels werden. 3. Shared Mobility Neben der kombinierten Verkehrsmittelnutzung, die im zweiten Abschnitt betrachtet wurde, entwickeln sich komplementäre Angebote der Shared Mobility zu Marktelementen mit zunehmender Dynamik. Als Shared Mobility wird im Folgenden die Gemeinschaftsnutzung von Autos (Carsharing), Fahrrädern (Bikesharing) und Motorrollern (Scootersharing) betrachtet. 13 Shared Mobility bleibt ein dynamisches Geschäftsfeld Die Verkehrsleistung im Markt der Shared Mobiliy ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 3 % gewachsen (von rund 616 Mio. Pkm auf ca. 635 Mio. Pkm; siehe Bild 16). Sie macht damit weiterhin nur ca. 0,05 % des Gesamtverkehrsmarktes aus (ca. 1209 Mrd. Pkm). Der Grund für das relativ geringe Wachstum ist die große Bedeutung des stationären Carsharings innerhalb des Marktes, welches im Jahresvergleich nur geringfügig gewachsen ist (siehe Bild 17). 13 Beim Carsharing ist die Besonderheit zu beachten, dass sich Anbieter mit stationären Verleihstationen und solche mit flexiblen, stationsunabhängigen Systemen den Markt teilen. Letztere stehen überwiegend Automobilunternehmen nahe. Seit wenigen Jahren gibt es aber auch Carsharing-Anbieter, die beide Systeme anwenden. Eine Kooperation zweier Systemanbieter wurde im Juni 2015 durch die Kooperation zwischen Flinkster (Deutsche Bahn) und car2go (Daimler) erreicht. Damit ist es für den Kunden möglich, sowohl das stationsgebundene Carsharing (Flinkster) als auch das flexible Carsharing (Daimler) gleichermaßen über einen Zugang zu nutzen. 14 Carsharing-News 2015 15 CiteeBlog 2015 1.209.300.000.000 Shared Mobility (gesamt) 634.769.372 Carsharing (stationär) 526.125.600 Carsharing (flexibel) 79.974.772 Bikesharing 28.269.000 Scootersharing 400.000 G e s a m t v e r k e h r s m a r k t Bild 16: Verkehrsleistung der Shared Mobility 2015 (Quelle: bcs 2016, eigene Berechnung) Verkehrsleistung in Pkm © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 60 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ 200 400 600 800 1000 2 4 6 8 10 Anzahl Nutzer (in Tsd.) Anzahl Fahrzeuge (in Tsd.) 2010 2014 2013 2015 Ausblick 2016 Fahrzeuge stationär Fahrzeuge flexibel Nutzer flexibel Nutzer stationär Für das laufende Jahr 2016 sehen wir wieder leicht erhöhte Wachstumszahlen bei Nutzern und Fahrzeugen, insbesondere bei den stationären Systemen. Hierbei sind wir von dem Anbieterbestand im ersten Quartal 2016 ausgegangen. Weitere Marktaustritte sowie auch -eintritte können jedoch deutliche Auswirkungen auf die Fahrzeug- und Nutzerzahlen haben, wie das Beispiel CiteeCar zeigt: So gingen wir in der letzten Ausgabe des Mobilitätsmonitors von einem Zuwachs bei stationären Fahrzeugen von 18 % aus, von denen u. a. aufgrund der Marktaustritte nur 1 % realisiert wurde. Statt der angenommenen 18 % Nutzerzuwachs sind 13 % eingetroffen. Bei den Zahlen zum flexiblen Carsharing waren unsere Einschätzungen (9 % Fahrzeug- und 30 % Nutzerzuwachs) hingegen weitgehend zutreffend. 16 Der Bikesharing-Markt hat sich im Jahr 2015 positiv entwickelt. Besonders hervorzuheben sind hierbei der Start von Nextbike in Kooperation mit lokalen Verkehrsverbünden in der Region Rhein-Neckar (650 Räder) sowie in den Städten Köln (950 Räder) und München (1200- Räder). Ausgehend von 18 000 Rädern im Jahr 2015 (ACE 2014), dürften den Kunden damit in 2015 deutschlandweit bereits mehr als 20 000 Räder zur Verfügung stehen, da anders als im Carsharing keine signifikanten Betriebseinstellungen stattfanden. Damit finden sich in den Großstädten München und Köln nun jeweils Systeme der beiden großen Anbieter CallaBike und Nextbike mit vergleichbaren Flottengrößen. detailbetrachtung: Scootersharing breitet sich in deutschland aus Auch abseits des Bike- und Carsharings unterliegt der Markt der Shared Mobility einem ständigen Wandel und ist auch durch Markteinstiege geprägt. Ein Beispiel für einen Neueinstieg bietet das Scootersharing, das wir in dieser Ausgabe erstmals in der Berechnung der Verkehrsleistung berücksichtigt haben. Seit 2014 breitet sich die Idee des gemeinschaftlich geteilten Motorrollers auch in Deutschland aus. Mit den Unternehmen eMio (Berlin), scoo.me (München, Köln, Frankfurt a. M.) und Jaano (Hamburg) bietet der junge Markt nun bereits in fünf deutschen Großstädten Angebote (siehe Bild 19). Der Fokus liegt dabei im Unterschied zu internationalen Scootersharing-Start-Ups auf den sogenannten flexiblen, d.h. stationsunabhängigen Systemen. Alle Anbieter prüfen neben den klassischen Sharing-Angeboten in den Geschäftsgebieten auch weitere Nutzungskonzepte, so z. B. Business-to-business-Lösungen, tourismusorientierte Angebote und Flottenlösungen für Unternehmen. Das InnoZ schätzt die Kundenzahl des Scootersharings in Deutschland auf aktuell rund 12 000 (Stand Januar 2016). Im Vergleich zu den über 1 000 000 Kunden im Carsharing ist dies noch ein verschwindend geringer Anteil am Gesamtmarkt der Shared Mobility. Die drei Anbieter sind jedoch erst seit letztem Jahr im Markt und gewinnen stetig Kunden. Im letzten Jahr betrug die Verkehrsleistung der drei deutschen Anbieter nach Schätzungen des InnoZ rund 400 000 Pkm (siehe Bild 16). 18 Die deutschen Carsharing- Fahrzeuge im flexiblen System legten also 2015 ca. 200- Mal mehr Personenkilometer zurück als die Roller im Scootersharing. Die Zeichen der Branche stehen aber auf Expansion. Für den Sharing-Kunden sind die Vorteile insbesondere im Vergleich zum Carsharing deutlich: Niedrigere Kosten (ca. 1/ 3), geringere Stauanfälligkeit und schnellere Parkplatzsuche. Scootersharing-Anbieter profitieren von geringeren Investitionskosten im Vergleich zum Carsharing. Die Stadt profitiert vom geringen Platzbedarf der Fahrzeuge und e-Scootersharing, d.h. mit Elektrorollern, kann eine Antwort auf strengere Standards in Umweltzonen in Innenstädten sein 19 . Die deutschen Städte mit Scootersharing-Angeboten gewähren den Anbietern bisher die gleichen liberalen 19% 19% 13% 15% 15% 17% 1% 10% Fahrberechtigte Fahrzeuge Ausblick 2016 2015 2014 2010-13 Ø 223% 51% 26% 15% 103% 2% 9% 10% felxibel stationär Veränderungsrate ggü. Vorjahreszeitraum Bild 17: Entwicklung des Carsharing in Deutschland nach Nutzern und Fahrzeugen in stationären und flexiblen Systemen (Quelle: Bundesverband Carsharing (bcs)) 17 Bild 18: Prozentuale Veränderungen der Fahrzeug- und Nutzerzahlen im deutschen Carsharing in stationären und in flexiblen Systemen (Quelle: bcs und eigene Berechnung) 16 Vgl. Internationales Verkehrswesen (67) 4/ 2015, S. 56 19 Völklein 2015 17 In der Statistik des bcs werden die Carsharing-Daten zum 01.01. eines Jahres angegeben. Um die Einheitlichkeit mit anderen Daten herzustellen, wird im Mobilitätsmonitor angenommen, dass die Carsharing-Daten zum 01.01. dem Stand zum 31.12. des Vorjahres entsprechen. 18 Bei einem angenommenen durchschnittlichen Besetzungsgrad von 1,25 Personen pro Scooter. © InnoZ GmbH © InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 61 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Ansprechpartner: Manuel Hendzlik manuel.hendzlik@innoz.de Enrico Howe enrico.howe@innoz.de Josephine Steiner josephine.steiner@innoz.de Berlin 150 Roller Elektro Hamburg 50 Roller Benziner Köln 15 Roller Benziner Frankfurt 15 Roller Benziner München 35 Roller v.a. Benziner 4. Nachhaltige Mobilität / Elektromobilität Mobilitätsangebote werden in zunehmendem Maße daran gemessen, inwieweit sie einen Anteil zum Klimaschutz leisten. Die Betrachtung der Nutzungs- und Angebotsweisen (monomodal, multi-/ intermodal und im Sharing) wird daher um eine Analyse der Energiegrundlage und der benötigten Infrastruktur erweitert. Denn nur wenn die Energie aus regenerativen Quellen beziehbar ist und ein flächendeckendes Versorgungsnetz bereitgestellt werden kann, ist der langfristigen Markterfolg gesichert. Die Basis der Betrachtung bildet hierbei die Elektromobilität, die - je nach Stromherkunft - geringe Emissionswerte verspricht. Die Verkehrsleistung der elektrischen Verkehrsmittel für das Jahr 2015 setzt sich folgendermaßen zusammen: Der Markt der Elektrofahrräder (größtenteils Pedelecs) entwickelt sich weiter sehr dynamisch mit einem Zuwachs von fast 18 % im Vergleich zu 2014, auch wenn die Verkehrsleistung nur knapp 3,5 % des Radverkehrs ausmacht. Der elektrische SPV kam in 2015 auf einen Wert von knapp 81 Mrd. und der ÖSPV auf fast 17 Mrd. Pkm. Dies ist in beiden Fällen nur ein leichter Anstieg zum Vorjahr von unter 1 % im jeweiligen Verkehrsmittelsegment. Er lässt sich u.a. auf die Elektrifizierung bzw. den Ausbau des Bahnnetzes zurückführen. Der elektrische MIV macht zusammen weniger als 0,1 % des gesamten MIV-Marktes aus (siehe Tabelle 1). Beim MIV haben wir im Unterschied zum letzten Monitor neben den rein batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) nun auch die Plug-In-Hybride (PHEV) sowie Brennstoffzellenautos (FCEV) berücksichtigt. Die Verkehrsleistung des elektrischen MIV setzt sich zu rund 57 % aus rein batterieelektrischen Fahrzeugen und zu ca. 43 % aus Plug-In-Hybriden zusammen. Die Verkehrsleistung rein elektrischer Batteriefahrzeuge ist im Verhältnis zum Vorjahr um rund 36 % angestiegen. Brennstoffzellenfahrzeuge auf der Basis von Wasserstoff haben aktuell noch einen verschwindend geringen Anteil von unter 1 % am gesamten elektrischen MIV (siehe Bild 20). Übereinstimmend mit Expertenmeinungen schätzen wir die in Deutschland zugelassenen Brennstoffzellenautos (PKW) auf aktuell rund 100 Fahrzeuge. Wie in der letzten Ausgabe dargestellt, ist der Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehrssektor mit rund 5 % noch sehr gering. Gleichzeitig trägt der Sektor nicht nur mit rund 18 % in erheblichem Umfang zum gesamten CO 2 -Ausstoß in Deutschland bei, sondern ist der einzige Sektor, dessen Ausstoß in den vergangenen Jahren nicht gesenkt werden konnte. 21 Der Aufbau entsprechender Infrastrukturen ist eine entscheidende Voraussetzung für eine Mobilität auf Basis regenerativer Quellen. Das sogenannte „Henne-Ei-Problem“ der Elektromobilität - keine Fahrzeugnachfrage ohne Infrastrukturaufbau und umgekehrt - beginnt sich fahrzeugseitig leicht abzuschwächen: Eine wachsende Zahl elektrischer Fahrzeugmodelle ist im Markt erhältlich, auch wenn diese 2015 Bild 19: Standort und Flottengröße von Anbietern des Scootersharings in Deutschland (Quelle: Eigene Recherche) Parkrechte wie privaten Motorrollern. Nachteile im Vergleich zum Carsharing sind u. a. die eingeschränkte Transportkapazität für Waren und mitfahrende Personen sowie geringere Nutzungszahlen bei Nässe und Kälte. 20 2016 wird für die Branche in Deutschland ein großer Meilenstein. Der Markt könnte laut unseren Schätzungen um das bis zu Fünffache anwachsen. 20 Howe 2014 21 Umweltbundesamt 2015 © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 62 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ mit rund 12 363 E-Fahrzeugen (BEV) immer noch nur ca. 0,4 % aller Neuzulassungen in Deutschland ausmachten. 22 Die etwaige Einführung staatlicher Kaufanreize lässt jedoch eine baldige Marktbelebung erwarten. Daher gilt es, einen Blick auf den Ausbau - und Entwicklungsstand für die öffentliche Ladeinfrastruktur zu werfen. 23 Nach einer Erhebung des BdEW (2015) bestehen in Deutschland rund 5600 öffentlich zugängliche, elektrische Ladepunkte (Stand: 30.06.2015). In der nachfolgenden Darstellung wurde die Anzahl an öffentlichen Ladepunkten in Bezug zum Bestand an elektrischen PKW je Bundesland gesetzt (Stand: 01.01.2015). Aus dieser Darstellung lässt sich anhand der Kriterien E-Fahrzeuge und öffentliche Ladepunkte näherungsweise der Verbreitungsgrad der (batteriebetriebenen) Elektromobilität ablesen. 24 dem Bundesdurchschnitt liegt. Hier lassen sich zwei Gruppen zusammenfassen: Während Brandenburg, das Saarland und Schleswig-Holstein über vergleichsweise viele E-Fahrzeuge verfügen, hinkt der Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur scheinbar hinterher. Genau umgekehrt verhält es sich mit Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Hier gibt es vergleichsweise viele Ladepunkte, aber wenige E-Fahrzeuge. 25 Tatsache ist, dass sich der Zuwachs an E-Fahrzeugen mittlerweile schneller vollzieht als der Zubau von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur (normales Laden bis 11 kW). 26 Nach Ablauf der ersten Förderprogramme finden weitere Investitionen nur noch in geringem Umfang statt, da bislang noch die ökonomische Perspektive fehlt (Auslastung, Geschäftsmodelle). Etwas anders stellt sich die Situation bei der Schnellladeinfrastruktur (DC-Laden) dar. Von derzeit rund 100 Schnellladesäulen 27 soll Bild 20: Verkehrsleistung Elektromobilität 2015 (Quelle: KBA 2016a, Schott/ Püttner/ Nieder et al. 2013, ACE 2014, eigene Berechnung) Personenverkehr elektrisch 99.808.000.000 MIV elektrisch 776.117.813 SPV 80.910.000.000 ÖSPV 16.870.000.000 1.209.300.000.000 G e s a m t v e r k e h r s m a r k t PHEV 335.860.313 FCEV 1.500.000 e-Bikes 1.250.000.000 BEV 438.757.500 Die Ergebnisse zeigen eine Momentaufnahme des Bestandes an öffentlicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Über Veränderungen der jeweiligen Werte im Zeitverlauf lassen sich zukünftig Aussagen zur Entwicklung der Elektromobilität auf Länderebene (vgl. Bild 21) treffen. Betrachtet man nur die Anzahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte, dann ist das Bundesland Hessen mit 103 Ladepunkten pro 1 Mio. Einwohner Spitzenreiter beim Ausbau der Infrastruktur. Einen vergleichsweise guten Ausbaustand weisen auch die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen sowie die Freistaaten Bayern und Sachsen auf. Bezieht man in die Betrachtung den Fahrzeugbestand mit ein, so fällt ein Trio im oberen rechten Quadranten auf, das auf einen überdurchschnittlich hohen E-Fahrzeugbestand bei gleichzeitig überdurchschnittlich vielen öffentlich zugängliche Ladepunkte hinweist. Es handelt sich hierbei um die beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie das Flächenland Baden-Württemberg. Interessant ist darüber hinaus auch der Quadrant unten links, in dem sowohl die Anzahl an E-Fahrzeugen als auch an Ladepunkten unter 22 KBA 2016b 23 Nachfolgend wird nur die Infrastruktur für den MIV (PKW ohne elektrische Zweiräder) betrachtet. 24 Ob die öffentliche Ladeinfrastruktur im Einzelfall ausreichend ist, um die vorhandenen E-Fahrzeuge zu versorgen, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten, denn ein Großteil der Ladevorgänge findet am Wohnort oder am Arbeitsplatz, d.h. eher auf privatem bzw. gewerblichem Boden statt. Ladeinfrastruktur im privaten Bereich lässt sich statistisch nur schwer erfassen. 25 Bei der Betrachtung ist daran zu erinnern, dass die Werte gemessen an der Einwohnerzahl im Promillebereich liegen und damit alle Vergleiche auf relativ niedrigem Gesamtniveau stattfinden. laut NPE bis zum Jahr 2017 ein Ausbau auf 1400 und bis 2020 auf 5700 Ladepunkte erfolgen. Nachdem in den vergangenen Jahren in diversen Forschungs- und Pilotprojekten die technische Machbarkeit von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen erprobt wurde, zeigen sich auch hier erste Fortschritte. Bis zum Jahresende 2016 sollen unter der Koordination der NOW insgesamt 50 Wasserstofftankstellen in den Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart und sowie entlang der verbindenden Autobahnen aufgebaut werden. 28 Parallel dazu wurde durch ein Industriekonsortium aus sechs Unternehmen die H2 MO- BILITY Deutschland GmbH & Co.KG als künftige Betreibergesellschaft gegründet. Erklärtes Ziel ist der Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur für die Wasserstoffmobilität. In einer ersten Phase soll bis zum Jahr 2018 durch 100 und bis 2023 durch bis zu 400 Wasserstofftankstellen eine flächendeckendere Versorgung sichergestellt sein. 29 Verkehrsleistung in Pkm © InnoZ GmbH 26 Im Jahre 2015 wurden in Deutschland rund 12.400 Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Allerdings ist bei diesem Wert Vorsicht geboten, wie das Beispiel des vermeintlich beliebtesten Elektrofahrzeugs in Deutschland zeigt (Sorge/ Eckl-Dorna 2015). 27 Bemerkenswerterweise zählen hierzu nur die CCSbzw. Combo 2- Ladesäulen. Ladesäulen mit ChadEmo-Standard, die immerhin für einen nicht unbeträchtlichen Teil der asiatischen und französischen E-Fahrzeuge von Bedeutung sind, finden in dem Bericht keine Erwähnung. 28 NOW 2016 29 H2 Mobility 2016 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 63 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Bild 21: Öffentliche Ladepunkte im Verhältnis zu Elektrofahrzeugen nach Bundesländern (Quelle: BdeW 2015, KBA 2016a, eigene Berechnung) 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 20 40 60 80 100 120 ö entlich zugängliche Ladepunkte/ 1 Mio. Einwohner E-Fahrzeuge/ 1 Mio. Einwohner Bremen Hamburg Berlin Bayern Niedersachsen Hessen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Saarland Brandenburg Thüringen Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Deutschland Baden-Württemberg Bundesdurchschnitt 5. Mobilitätsumfeld Digitalisierung Der Infrastrukturbedarf für nachhaltige Mobilität macht deutlich, dass die Marktentwicklungen nicht losgelöst von Umfeldbedingungen zu interpretieren sind. Ein zentrales Umfeld ist die zunehmende Digitalisierung des Verkehrs. Dies betrifft einerseits die Zugänge zu öffentlichen Mobilitätsdienstleistungen und andererseits die Bordelektronik der Fahrzeuge selbst. Ersteres wird nachfolgend am Beispiel des Mobile Ticketings im öffentlichen Nahverkehr und Letzteres anhand des (teil-) automatisierten Fahrens im PKW-Verkehr zusammengefasst. Mobile Ticketing In der Mobilitätsbranche werden die mediale Präsenz und digitalen Zugänge zu Verkehrsmitteln aller Art, sog. „Slots“ (Canzler/ Knie 2016), zu zentralen Nutzerschnittstellen. Im ÖV bieten sich mehrere Medien an: Mobiles Ticketing über Smartphone-Apps bietet gegenüber Chipkarten 30 den Vorzug, Zugänge zu mannigfachen Anwendungen herzustellen und für viele Nachfrager eingeübte Alltagsroutinen anzusprechen. Auf der Software- Seite steht inzwischen eine Reihe von Systemen zur Ver- Ansprechpartner: Frank Brehm frank.brehm@innoz.de fügung, die sich vereinfacht ausgedrückt zwei Bereichen zuordnen lassen: Zum einen ticketbasierte Systeme, bei denen die Fahrkarteninformationen in elektronischer Form auf das Smartphone geladen werden und auslesbar sind (üblicherweise als QR-Code). Zum anderen bestehen zugangsbasierte Systeme nach dem Prinzip Checkin/ Check-out (kurz CICO). Die Abrechnung erfolgt hierbei meist im Nachgang fahrtgenau und z. T. nach dem Best-Preis-Prinzip. Bild 22 bietet eine Übersicht unterschiedlicher Ticketing-Systeme und ihrer jeweiligen Großanwender im deutschen Nahverkehrsmarkt 2015. Es handelt sich in der Regel um Verkehrsunternehmen und -verbünde. Allein nach der Anzahl der Großanwender geurteilt, stechen die Systeme „Handyticket Deutschland“ sowie „Touch and Travel“ mit jeweils über 20 Referenzen klar heraus. Dabei repräsentiert ersteres den ticket- und letzteres den zugangsbasierten Ansatz. Daneben existieren weitere - zumeist ticketbasierte Systeme - die ebenfalls ein Dutzend oder zumindest mehrere Großanwender auf sich vereinen können. 31 Bild 25 zeigt die Verbreitung der Systeme in den deutschen Nahverkehrsräumen sowie die flächen- und einwohnerbezogene Abdeckung in 30 Vgl. Internationales Verkehrswesen (67) 4/ 2015, S. 58ff. 31 Die Darstellung ist eine Momentaufnahme aus dem Jahr 2015, bei der die Veränderung des Kunden- und Partnerstamms zu berücksichtigen ist. So sind mehrere Unternehmen in das Mobile Ticketing eingestiegen, blieben aber nicht beim selben Anbieter. © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 64 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Prozent. 32 Dabei haben wir jeweils die Teilflächen des Angebotsraums der Unternehmen bzw. Verbünde sowie die dort lebenden Einwohner addiert. 33 Bislang deckt kein System deutlich mehr als ein Drittel der Einwohner Deutschlands ab. Nur das „Handy-Ticket Deutschland“ übersteigt diesen Wert mit 34 % leicht, was aber aktuell rückläufig ist. Die Flächenabdeckung der betrachteten Systeme liegt bei unter einem Viertel des deutschen Bundesgebietes. Insgesamt ist somit festzustellen, dass das Mobile Ticketing im ÖPNV noch deutlich fragmentiert und lückenhaft ist. Spreizung angezeigt werden und die Angebotsdauer unberücksichtigt bleibt (siehe Bild 23). Die Übersicht der untersuchten Systeme zeigt ein deutliches Übergewicht des Systems „TICKeos“ (zwischen ca. 2,5 und 5,5 Mio. Installationen). Es folgt das System vom Cubic Transport Systems, für das Google etwa zwischen 600 000 und 1,6-Mio. Installationen angibt. Die anderen Systeme liegen im Mittel alle deutlich unter 500 000 Installationen. 35 Insgesamt sind aber auch die im Mittel ca. 4 Mio. Installationen von „TICKeos“ überschaubar, wenn dies z. B. ins Verhältnis mit dem DB Navigator gesetzt wird, 32 Nicht alle Einwohner nutzen die jeweiligen Nahverkehrs-Apps, können aber prinzipiell hiervon profitieren und werden insofern als potentielle Nutzer betrachtet - zuzüglich Geschäftsreisende, Touristen etc., die hier mangels Daten unberücksichtigt bleiben. 33 Dabei ist zu beachten, dass es überschneidende Räume und Anwender mit parallelen Systemen gibt. So gibt es mehrere Organisationen, die sowohl Anwender von Touch and Travel als auch von Handyticket Deutschland sind. 34 Das DB HandyTicket im Fernverkehr wird hierbei nicht berücksichtigt, da die durchgehende Nahverkehrsebene eine bessere Vergleichbarkeit erlaubt. 35 Dies könnte u.a. daran liegen, dass es sich bei den Angaben um sogenannte total installs handelt, d.h. alle jemals vollzogenen Installationen der App, die deutlich höher als die Zahl der gegenwärtig installierten Apps sein dürfte. Zudem werden für Nutzer mit mehreren Geräten ggf. mehrere Installationen gezählt. Dies kann in der Summe dazu führen, dass Systeme, die in zahlreichen unterschiedlichen Einzelapps integriert sind (wie „TICKeos“), höhere totale Installationsraten erreichen, als Systeme, bei denen mehrere Großanwender auf die gleiche App verweisen. AVV MVV MDV swb KVV RMV VRN DING FMV HNV HTV KVSH KVV Naldo OAM RMV RNN RVL TGO VBB VGC VGF VPE VRN VVS WTV agilis/ INVG SVG AVV BS HVV MVV NVV RVF SSB Swa VAG VBB VGN VVS Handyticket Deutschland Touch and Travel* TICKeos *hier nur Nahverkehr Ticketing in separater App Cubic easy.go DB Handy- Ticket* AVV Bodo DING DVB KVB moBiel Rheinbahn RVF RVL VBB VGM VHB VMS VMT VPE VRR VRS VSB VVV WTV TGO ZVON 22 21 12 Bild 22: Großanwender verschiedener mobiler Ticketing-Systeme im ÖPNV 2015; Mehrfachnennung möglich (Quelle: Eigene Recherche) © InnoZ GmbH Nachdem die beiden Vorreiter, „Handyticket Deutschland“ und „Touch and Travel“, bis 2014 zahlreiche Großanwender für ihre Systeme gewinnen konnten, war die Entwicklung im letzten Jahr von einer Stagnation („Touch and Travel“) bzw. von einem Rückgang („Handyticket Deutschland“) der Großkundenzahl gekennzeichnet (siehe Bild 24). Mehrere Unternehmen und Verbünde gaben eigene Apps mit Ticketing-Funktion in Auftrag und lösten sich damit vor allem von „Handyticket Deutschland“. Dies kam anderen Systemanbietern wie zum EOS Uptrade zugute, der das System TICKeos - jetzt eos.ticketingSuite - vertreibt und zusammen mit weiteren Dienstleistern mehrere Nahverkehrsapps realisierte. Zudem bestehen weitere inländische („easyGO“) und auch internationale Systemanbieter („Cubic Transport Systems“), die Apps für mehrere Nahverkehrsanbieter mitentwickelt haben. Auch die Deutsche Bahn ist im Mobile Ticketing des ÖPNV unterwegs: Einerseits durch den Einsatz von „Touch and Travel“, andererseits durch regionale Ableger des verbreiteten DB Navigator, die bisher in München und Augsburg bestehen. 34 Die Anzahl der Einwohner in den Angebotsräumen des Mobile Ticketing erlaubt kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche Nutzung. Die Installationsraten, die im Google Play Store (nicht jedoch im App Store von Apple) angezeigt werden, ermöglichen zumindest ein allgemeines Nachfragebild, wenngleich nur Intervalle mit großer Bild 23: Downloadvolumina nach System-Anbieter; kein einheitlicher Bezugszeitraum (Quelle: Total installs nach Google Play Store; ohne andere App-Stores) 1 2 3 4 5 6 Handyticket Deutschland TICKeos Touch and Travel Cubic easyGO DB HandyTicket (nur ÖPNV) Downloads in Mio. © InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 65 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR mit dem Handytickets im Fernverkehr verfügbar sind und dessen Installationen im Mittel bei über 30 Mio. bezogen auf nur eine App liegen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass viele Apps bereits nach kurzer Zeit wieder deinstalliert werden und viele Apps mit Ticketing-Funktion bereits seit Jahren im Play Store sind, ist die geringe Verbreitung daher ernüchternd. Dies bestätigen auch die Personenkilometer, die bei zugangsbasierten Systemen nach dem CICO-Prinzip relativ genau erfassbar sind. Für das diesem Prinzip folgende System „Touch and Travel“ kann daher die Verkehrsleistung angegeben werden, die Bild 26 zeigt. In den letzten beiden Jahren wurden demnach jeweils um die 20- Mio. Pkm über „Touch and Travel“ im öffentlichen Nah- und Fernverkehr zurückgelegt. Dies ist durchaus beachtlich, der Wert relativiert sich jedoch verglichen mit der Gesamtverkehrsleistung des ÖV in Deutschland. Nur etwas über 0,01 % der gesamten ÖV-Verkehrsleistung wurde demnach über das System „Touch and Travel“ abgewickelt. Handyticket Deutschland Anteil Fläche Dt.: 23% Anteil Einwohner Dt.: 34% Anteil Fläche Dt.: 19% Anteil Einwohner Dt.: 17% Anteil Fläche Dt.: 13% Anteil Einwohner Dt.: 23% Anteil Fläche Dt.: 7% Anteil Einwohner Dt.: 11% Anteil Fläche Dt.: 4% Anteil Einwohner Dt.: 4% Anteil Fläche Dt.: 2% Anteil Einwohner Dt.: 4% Touch and Travel (im ÖPNV) TICKeos Cubic easy.GO DB HandyTicket (im ÖPNV) Bild 25: Verteilung der Angebotsräume unterschiedlicher Systeme im Mobilticketing 2015 (Quelle: Eigene Berechnung und Recherche) © InnoZ GmbH Bild 24: Markthochlauf versch. Mobile Ticketing-Systeme nach Anzahl der Großkunden/ Partner pro Jahr (Quelle: Eigene Berechnung und Recherche) 0 5 10 15 20 25 2010- 2013 2014 2015 Handyticket dt. Touch&Travel (nur ÖPNV) TICKeos Cubic easy.GO DB HandyTicket (nur ÖPNV) © InnoZ GmbH FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 66 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Automatisiertes Fahren Während sich die Digitalisierung im ÖV-Markt vor allem in geänderten Zugangsschnittstellen ausdrückt, wird der MIV-Markt durch die technische Möglichkeit des automatisierten Fahrens geprägt. Für eine Definition des automatisierten Fahrens wird häufig die Automatisierungsklassifikation des amerikanischen Standardisierungsinstituts SAE (Society of Automotive Engineers) herangezogen, die in ihrem Standard J3016 zwischen sechs Automatisierungsebenen unterscheidet: Dem manuellen, assistierten, teilautomatisierten, bedingt automatisierten, hochautomatisierten und dem vollautomatisierten Fahren als höchste Automatisierungsebene. 36 Derzeit führt die Automobilindustrie zum ersten Mal einen Systemverbund aus automatisierter Längs- und Querführung als teilautomatisiertes System in ihre Serienfahrzeuge ein, der oft als „Stauassistent“ bezeichnet wird. 37 Bei diesem teilautomatisierten System bleibt der Fahrer weiterhin als Rückfallebene und Systemüberwacher „im Loop“, um im Bedarfsfall die Fahrkontrolle wieder übernehmen zu können, wie es die Wiener Straßenverkehrskonvention von 1968 vorsieht. Der Stauassistent vereint somit den Abstandsregeltempomaten als automatisierte Längsführung und den Spurhalteassistenten als automatisierte Querführung und ist derzeit auf nur wenige Fahrzeugmodelle aus dem Mittel- und Oberklassesegment beschränkt. 38 36 SAE International 2014 37 Beiker 2015, S. 200 38 Bedingt- und hochautomatisierte Fahrfunktionen werden derzeit noch in Pilotprojekten wie dem Projekt „DriveMe“ von Volvo oder im Rahmen des Digitalen Testfeldes auf der Autobahn A9 erprobt. Die Marktreife wird für 2020 erwartet. 39 Es ist zu berücksichtigen, dass nicht immer deutlich ist, um welche Automatisierungsebene es sich letztendlich handelt. Es lässt sich nicht ausschließen, dass es sich bei Systemen, die als teilautomatisiert klassifiziert werden, doch um Systeme handelt, die eher dem assistierten Fahren zugeordnet werden können. Beim assistieren Fahren wird entweder die Längs- oder Querführung des Fahrzeuges automatisiert; die jeweils andere Funktion wird vom Fahrer übernommen, der das System dauerhaft überwachen muss. Zudem ist zu beachten, dass teilautomatisierte Systeme meist nicht zur Serien-, sondern zur Zusatzausstattung der PKW-Modelle zählen. Die hier gemachten Angaben sind daher in mehrfacher Hinsicht als maximales Potential zu verstehen, über dessen Ausschöpfung keine Aussage getroffen wird. Zum einen liegen uns keine genauen Daten darüber vor, in wie vielen Fällen die Zusatzausstattung von den Käufern gewählt wurde. Zum anderen bestehen keine Angaben darüber, auf welchen Strecken teilautomatisierte Systeme während der Fahrt in Anspruch genommen werden, da diese auch ausgeschaltet werden können. Ansprechpartner: Christian Scherf christian.scherf@innoz.de Sina Nordhoff sina.nordhoff@innoz.de Bild 27: Vergleich der Verkehrsleistung von (teilautomatisierten) PKW mit der Verkehrsleistung 2015 (Quelle: Eigene Berechnung und Recherche) Verkehrsleistung MIV (ohne Pkw teilautomatisiert) Verkehrsleistung Pkw teilautomatisiert 7.306.649.581 950.993.350.419 © InnoZ GmbH Bild 26: Mit Touch and Travel zurückgelegte Verkehrsleistung nach Jahr und kumuliert; 2013 nur Juni-Dez. (Quelle: Persönliche Anfrage bei Touch and Travel) 2013 (Juni-Dez.) 2014 2015 kumuliert 8,5 Mio. 19 Mio. 21,5 Mio. 49 Mio. Verkehrsleistung in Pkm © InnoZ GmbH Zur Beantwortung der Frage, inwieweit wir heute schon automatisiert auf deutschen Straßen unterwegs sind, schauen wir uns den Verbreitungsgrad der teilautomatisierten Systeme in neuzugelassenen PKW-Fahrzeugen in Deutschland an, wobei wir Teilautomatisierung als Stauassistenten oder Traffic Jam Assist/ ant verstehen. Die ersten teilautomatisierten Systeme wurden bereits zum Jahresende 2013 eingeführt. 39 Insgesamt wurden seit November 2013 rund 433 000 teilautomatisierte Fahrzeuge mit dem Stauassistenten in Deutschland zugelassen, welches einem Anteil von knapp 5,3 % aller neuzugelassenen Fahrzeuge in diesem Zeitraum gleichkommt. Der Anteil von teilautomatisierten Fahrzeugen am gesamten Fahrzeugbestand von ca. 45,29 Millionen zugelassenen Fahrzeugen in Deutschland (Stand 01.01.2016) liegt bei lediglich 0,9 %. Bezogen auf den MIV von ca. 958,3 Mrd. Pkm in 2015 liegt die potentielle Verkehrsleistung dieser teilautomatisierten Fahrzeuge mit gut 7,3 Mrd. Pkm bei rund 0,7 %. (siehe Bild 27). Gemessen in Verkehrsleistung macht die Teilautomatisierung 0,6 % des Gesamtverkehrsmarktes aus. Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 67 Veranstaltungen FORUM Wissenschaft INFRASTRUKTUR InnoZ MOBILITÄTSMONITOR Glossar - Abkürzungen und definitionen BdO: Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer BEV: Battery Electric Vehicle, dt. batterieelektrisches Fahrzeug (Fahrzeug, das ausschließlich mit einem Elektromotor ausgestattet ist und seinen Fahrstrom ausschließlich über eine Batterie bezieht, die extern im Stromnetz geladen wird; VDI/ VDE 2016) BIP: Bruttoinlandsprodukt BMVI: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur CCS: Combined Charging System; kombiniertes Ladesystem (Ladestandard für Elektrofahrzeuge, mit dem sowohl Gleichals auch Wechselstromladeverfahren realisierbar sind). In Europa wurde das CCS mit einer Fahrzeugkupplung umgesetzt, die um zwei zusätzliche Steckerpole auf Gleichstrombasis ergänzt wurde (auch „Combo 2“ genannt). CHAdeMO: Akronym, abgeleitet von CHArge de MOve oder „Charge for moving“ (auf Gleichspannung basierender Ladestandard für Elektroautos, der besonders in Japan verbreitet ist. CICO: Check-In/ Check-Out, Erfassung von e-Tickets/ Mobiltelefonen durch Lesegeräte an Ein- und Ausstiegspunkten des ÖV (in Fahrzeugen oder an Haltestellen). Combo 2: Siehe CCS. dIW: deutsches Institut für Wirtschaftsforschung FCEV: Fuel Cell Electric Vehicle, dt. Brennstoffzellenfahrzeug (Elektrofahrzeug, das seinen Strom über eine Brennstoffzelle als Energiewandler erhält; Weißenborn 2015) Intermodalität: Intermodal verhält sich ein Verkehrsteilnehmer, der auf einem Weg verschiedene Verkehrsmittel miteinander kombiniert, also z. B. per Fahrrad zum Bahnhof fährt, um dann mit dem öffentlichen Verkehr weiterzufahren. LNG: Flüssigerdgas (englisch = liquified natural gas). Bezeichnet Erdgas, welches durch Kühlung auf -161 bis -164-Grad Celsius gebracht wird und der Bezeichnung entsprechend verflüssigt vorliegt. Mid: Mobilität in deutschland. Im Auftrag des BMVI durchgeführte bundesweite Befragung der Haushalte zu ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten. Nach Befragungen in den Jahren 2002 und 2008 soll nun 2016 eine weitere Analyse vorgenommen werden. MIV: Motorisierter Individualverkehr Modal Split: Anteile der Verkehrsmittel an der Gesamtverkehrsnachfrage, entweder entsprechend Verkehrsleistung oder Verkehrsaufkommen Monomodalität: Monomodal verhält sich ein Verkehrsteilnehmer, der bezogen auf das Mobilitätsverhalten im Regelfall nur ein Verkehrsmittel (z. B. das Auto) nutzt, um alltägliche Wege zurückzulegen. Bezogen auf einen Weg wird von Monomodalität gesprochen, wenn nur ein Verkehrsmittel auf einem Weg genutzt wird. Kleinere „Vor- und Nachläufe“ (etwa der Fußweg zum Parkplatz), werden dabei nicht als Wechsel des Verkehrsmittels betrachtet. Multimodalität: Multimodal verhält sich ein Nutzer, der zu verschiedenen Anlässen bzw. Zeiten unterschiedliche Verkehrsmittel nutzt, beispielweise montags ein Auto, dienstags den öffentlichen Verkehr und mittwochs ein Fahrrad. NOW: Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. NPE: Nationale Plattform Elektromobilität NMIV: Nicht-motorisierter Individualverkehr ÖPNV: Öffentlicher Personennahverkehr ÖSPV: Öffentlicher Straßenpersonenverkehr (Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Stadtbahn) ÖV / ÖPV: Öffentlicher Personenverkehr PHEV: Plug-In-Hybrid-Electric-Vehicle, teilelektrisches Hybridfahrzeug, dessen Akkumulator zusätzlich über das Stromnetz extern geladen werden kann (VDI/ VDE 2016) Ridesharing: Unter Ridesharing wird die Mitfahrvermittlung in privaten PKW verstanden. Zwei Arten von Ridesharing sind zu unterscheiden: Die Vermittlung von Langstreckenfahrten mehrere Tage bis mehrere Wochen im Voraus sowie das spontane Ridesharing auf Kurzstrecken. Shared Mobility: Angebote zur gemeinschaftlichen Nutzung von Fahrzeugen im Individualverkehr, wie z. B. Autos (Carsharing), Fahrräder (Bikesharing) oder Motorroller (Scootersharing). Im Unterschied zum konventionellen Fahrzeugverleih können die Fahrzeuge auch für kurze Strecken im Kilometerbzw. Minutenbereich entliehen werden. Die Ausleihe erfolgt an festen Stationen, meist mit ortsidentischer Rückgabe oder auch innerhalb eines großflächigen Bediengebiets mit anschließender freier Abstelloption. SPV: Schienenpersonenverkehr (nur Eisenbahn, inkl. S-Bahn) SPNV: Schienenpersonennahverkehr SPFV: Schienenpersonenfernverkehr SrV: System repräsentativer Verkehrsbefragungen. Im regelmäßigen Abstand von ungefähr fünf Jahren wird das, durch den Lehrstuhl für Verkehrs- und Infrastrukturplanung der TU Dresden organisierte, SrV seit 1972 durchgeführt. Es handelt sich um eine Verkehrserhebung im Stadtverkehr. SUV: Sport Utility Vehicle, PKW mit einem limousinenähnlichen Fahrkomfort sowie einer erhöhten Geländegängigkeit. Verkehrsaufkommen: Im Personenverkehr wird das Verkehrsaufkommen als Zahl der beförderten Personen ausgewiesen. Das können zum einen Fahrgäste der Verkehrsträger oder zweckgebundene Ortsveränderungen von Personen sein. Verkehrsleistung: Im Personenverkehr wird die Verkehrsleistung in Personenkilometern ausgewiesen. Sie ist das Produkt von Verkehrsaufkommen und der zurückgelegten Strecke. FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 68 INFRASTRUKTUR Wissenschaft MOBILITÄTSMONITOR InnoZ Quellen ACE (2014): Daten und Fakten - Fahrradverleihsysteme. Eine Studie des ACE Auto Club Europa. Online unter: https: / / www.ace-online.de/ fileadmin/ user_uploads/ Der_Club/ Dokumente/ Presse/ Dokumente/ Studie_Fahrradleihsysteme_2014.pdf (letzter Aufruf 09.10.2015). 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Implikationen für die Gestaltung insbesondere hinsichtlich der zunehmenden Automatisierung können abgeleitet werden. Autoren: Josef Strenzke, Isabella Geis, Wolfgang H. Schulz D as Automobil unterliegt derzeit einem radikalen Wandel. Die Digitalisierung hält immer stärker auch in den Fahrzeugen Einzug. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Manche Systeme wollen über eine höhere Fahrsicherheit und eine optimierte Routenwahl sowohl die gesamtwirtschaftliche Verkehrssicherheit als auch die Verkehrseffizienz erhöhen. Wieder andere dienen dazu, den Fahrer während der Fahrt zu unterhalten - am besten ohne die Konzentration der Fahrer zu beeinflussen und damit einen negativen Trade-Off zur Verkehrssicherheit zu erzeugen. Diese Entwicklungen führen allerdings dazu, dass sich das Bild eines Fahrzeugs von innen wandelt, ebenso wie die Bedienung. Die Entwicklung eines nutzerzentrierten Human-Machine-Interfaces (HMI) erhält daher eine völlig neue Relevanz. Auf der einen Seite ist es wichtig, die neuen Funktionen in das Fahrzeug zu integrieren, beispielsweise um den Verkehrsfluss zu verbessern, oder die Sicherheit für den Fahrer und alle Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Gleichzeitig muss die Anordnung und Bedienung aller Systeme intuitiv sein und darf die Konzentration des Fahrers nicht zu weit von der Straße und seiner Fahraufgabe lenken. Das Cockpit eines Autos steht damit in einem Spannungsfeld aus vielfältigen Funktionen, die einander bedingen, aber manchmal auch gegeneinander wirken. Es soll ein Multitalent sein: Navigator, Entertainer, Sicherheitsratgeber, Bord-Computer. Es ist mit allen Geräten des Fahrers vernetzt, kann Nachrichten vom Smartphone vorlesen und gleichzeitig den Fahrer sicher durch den Straßenverkehr navigieren, während Musik aus den Lautsprechern tönt. Die Fahrer sind von der aktuellen Entwicklung zu immer mehr Ausstattung und technischen Raffinessen in modernen Autos interessiert und fasziniert. Sie neigen dazu, ihren Fokus weniger dem Verkehr zu widmen und richten ihre Aufmerksamkeit stattdessen ganz auf die Kommandozentrale mit ihren zahlreichen Displays und Schaltern. So stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Vielzahl an Systemen und deren Darstellung auf das Sicherheitsempfinden hat. Autofahrer sollten sich dank der zahlreichen unterstützenden Systeme im Umgang mit ihrem Fahrzeug sicherer fühlen. Die Nervosität im Straßenverkehr sollte sinken. Doch passiert das wirklich? Die Ergebnisse einer aktuell durchgeführten Studie [1] sollen hierauf Antworten geben. Sie zeigen die Notwendigkeit für ein Umdenken hinsichtlich der Gestaltung der Fahrzeug-Cockpits, um den Fahrer nicht abzulenken und zu überfordern. Die Studie untersuchte zunächst, welche Kriterien das Sicherheitsempfinden in einem Auto beeinflussen. Im Ergebnis haben laut den Teilnehmern der Fokusgruppen 19 Kriterien einen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl der Fahrer. Die technische Ausstattung des Fahrzeugs erwies sich als wichtigstes Kriterium, um sich in einem Fahrzeug sicher zu fühlen. Auffallend war hierbei, dass die Wahrnehmung von Sicherheit sich mit dem Ausstattungsniveau erheblich verändert. Während bei niedrigen Ausstattungsniveaus weitere Features bei den Probanden als Gewinn an Sicherheit empfunden werden, ändert sich diese Einschätzung nach dem Erreichen eines Ausstattungsoptimums (AO). Ist das Fahrzeug mit einer großen Zahl an zusätzlichen Systemen ausgestattet, zeigt sich, dass das Sicherheitsgefühl der Fahrer in ihrem Fahrzeug sinkt (Bild 1). Nach der Ermittlung der Einflusskriterien begann die Recherche nach einem theoretischen Fundament für die Studie. Betrachtet man das Interieur eines Fahrzeugs, steht die intuitive Benutzbarkeit der Schalter und Systeme im Fokus. Aus dieser Überlegung heraus schienen drei wissenschaftliche Konstrukte sinnvoll, die mithilfe eines Fragebogens geprüft wurden und nachfolgend beschrieben werden. Fred D. Davis entwickelte im Jahr 1989 Konstrukte zur Überprüfung der Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit von damals neuartigen Computersystemen [2]. Die Skalen lassen sich an die beschriebene Thematik adaptieren. Zudem sollte die grundsätzliche Bereitschaft, neue Technologien zur Erlangung bestimmter Ziele anzunehmen (vgl. [3]), getestet werden. Um zu prüfen, ob unterschiedliche Ausstattungsniveaus auch unterschiedliche Ef- Bild 1: Wirkung des Ausstattungsniveaus auf das Sicherheitsempfinden Quelle: Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 70 TECHNOLOGIE Fahrzeugdesign fekte auslösen, wurde ausgehend von der Überlegung, wo der Fahrer neben der Straße am häufigsten hinsieht, der Tacho ausgewählt, da sich dieser normalerweise in der ständigen Sichtachse befindet. So wurden drei verschiedene Tachotypen aus den Ergebnissen der Fokusgruppen der Vorstudie hergeleitet, die in unterschiedlichen Abstufungen den Ausstattungsgrad eines Fahrzeugs widerspiegeln. Der erste Tachotyp stellte die Basis dar: Es handelte sich um eine stark vereinfachte, analoge Version, die nur das Nötigste abbildet und auf Warnlampen oder zusätzliche Symbole gänzlich verzichtet. Auf dem zweiten Tachotyp sind neben zahlreichen Warnleuchten auch Verkehrszeichen-Abbildungen oder die Himmelsrichtung ablesbar, was auf ein höheres Ausstattungsniveau schließen lässt. Der dritte Tachotyp bestand im Vergleich aus einer volldigitalen Darstellung der Instrumente. Das Vorhandensein von Assistenzsystemen wurde durch die Vielzahl von Angaben auf dem Display repräsentiert, und durch die volldigitale Darstellung wurde auch klar, dass es sich um eine sehr moderne Ausstattung des Fahrzeugs handelte. Auf dieser Grundlage wurden Hypothesen entwickelt, um zu prüfen, ob mit steigendem Ausstattungsniveau die von den Teilnehmern empfundene Nützlichkeit sinkt und ob die Benutzerfreundlichkeit der Abbildungen unterschiedlich eingeschätzt wird. Das Konstrukt der Technologiebereitschaft sollte die Hypothese überprüfen, ob diese einen Einfluss auf die oben genannten Wahrnehmungen hat. Die Annahme war, dass Personen mit geringerer Technologiebereitschaft technisch höher ausgestattete Fahrzeuge als komplexer empfinden und somit schneller überfordert sind als Personen mit hoher Technologiebereitschaft. Die Ergebnisse dieser Hypothesenüberprüfung geben Anlass, die aktuelle Entwicklung der Innenraumgestaltung - die sich nicht nur um den Tacho an sich dreht, sondern natürlich alle Komponenten des Interieurs umfasst - neu zu denken und hinsichtlich ihrer Zweckdienlichkeit zur Erhöhung der Sicherheit zu hinterfragen. Komplexe Cockpit-Designs überfordern laut den Ergebnissen der Studie den Fahrer tatsächlich, denn sie werden weniger benutzerfreundlich und weniger nützlich empfunden als einfache Designs (Bild 2). Resultate Für die Untersuchung wurde mit den Mittelwerten der jeweiligen Konstrukte gearbeitet, die die Testteilnehmer auf Grundlage einer der Tachoabbildungen abgegeben haben. So konnten die unterschiedlichen Ausstattungsniveaus miteinander verglichen werden. Die Mittelwerte für die Überprüfung der empfundenen Benutzerfreundlichkeit liegen für den Basis-Tachotyp 1 bei M = 3,67 (für die Untersuchung wurde mit einer 5-Punkte-Likert-Skala gearbeitet), für den Tachotyp 2 bei M = 3,83 und für den komplexen Tachotyp 3 bei M = 3,07. Die Mittelwerte für das Konstrukt der empfundenen Nützlichkeit zeigen eine ähnliche Verteilung: Tachotyp 1 M = 2,97, Tachotyp 2 M = 3,21 und Tachotyp 3 M = 2,44 (Bild 3). Die Tatsache, dass der zweite Tachotyp stets am höchsten bewertet wurde, konnte auf eine überdurchschnittliche Verteilung von bestimmten Testteilnehmern in dieser Gruppe zurückgeführt werden: Sie besaßen ein Fahrzeug mit ähnlichem Tacho wie dem, von dem die verwendete Abbildung abgeleitet war. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse hier aufgrund der Vertrautheit mit der Abbildung beeinflusst wurden. Ebenso konnten Geschlechterunterschiede festgestellt werden, wonach Teilnehmerinnen eine signifikant niedrigere Technologiebereitschaft angaben: So lag der ermittelte Wert für das Konstrukt bei Frauen bei M = 3,05 - bei Männern hingegen bei M = 3,30. Ebenso konnte gezeigt werden, dass Frauen den Unterschied zwischen den Tachotypen im Kontext der Benutzerfreundlichkeit besonders stark wahrnehmen. Demnach empfinden Männer die technisch komplexeren Tachotypen 2 mit M = 4,06 und Tachotyp 3 mit M = 3,32 als signifikant benutzerfreundlicher als Frauen mit M = 3,62 für Tachotyp 2 und M = 2,86 für Tachotyp 3. Der Effekt tritt jedoch nicht beim Tacho-Basismodell (Typ 1) auf. Diesen empfinden die weiblichen Teilnehmer wiederum mit M = 3,72 benutzerfreundlicher, als die Männer mit M = 3,63 (Bild 4). Insgesamt umfasst der Datensatz 153 Frauen (49,7 %) und 155 Männer (50,3 %). Das Durchschnittsalter liegt bei M = 35 Jahren (SD = 13 837, Min = 18, Max = 82). Zudem weist die Stichprobe ein hohes Bildungsniveau auf. So haben 276 Personen mindestens die allgemeine Hochschulreife oder mittlerweile einen Hochschulabschluss. Das entspricht 89,6 % aller Teilnehmer. Bild 2: Überforderung im Kontext des Ausstattungsniveaus Quelle: [1] Bild 3: Benutzerfreundlichkeit und empfundene Nützlichkeit der Tachotypen Quelle: Eigene Darstellung Bild 4: Geschlechtsspezifische Bewertung der Tachotypen Quelle: Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 71 Fahrzeugdesign TECHNOLOGIE Schlussfolgerungen Die Ergebnisse der Studie haben einen großen Einfluss nicht nur für die Automobilindustrie selbst, sondern zum Beispiel auch für Automobilzulieferer und digitale Unternehmen sowie den Gesetzgeber. Eine Hauptzielsetzung, welche für alle Bereiche gilt, ist die Reduktion der Komplexität im Interieur, schließlich zeigt die aktuelle technische Entwicklung weiter stark in Richtung Digitalisierung und Vernetzung. Auch muss man diese Thematik weiterdenken, weil die künftige fahrzeugtechnische Entwicklung sowohl durch den allgemeinen Digitalisierungstrend als auch durch den mobilitätsspezifischen Trend vom kooperativvernetzten Fahren bis möglicherweise hin zum autonomen Fahren angetrieben wird. Betrachtet man die Automobilindustrie, fällt zunächst auf, dass für eine größere Entlastung des Fahrers allgemein die bereits vorhandenen Systeme wie die Sprachsteuerung optimiert werden müssen, denn diese ist an sich als Bedienkonzept eine große Entlastung für den Fahrer, da er weder den Blick von der Straße abwenden muss, noch auf verschiedene Knöpfe drücken muss. Die Entlastung gelingt jedoch nur, wenn dieses System auch problemlos funktioniert und man den Sprachbefehl nicht immer wiederholen muss, bis das System den Befehl erfasst. Das gilt auch für die Gestensteuerung. Betrachtet man das Interieur, so ist dieses zunehmend von Displays und digitalen Anzeigen geprägt. Diese sollten in ihrer Darstellungsweise grundsätzlich flexibel sein, weil unterschiedliche Fahrer sich entsprechend ihrer Gewohnheiten und spezifischen Anforderung dann individuelle Darstellungsarten ihrer Displays einrichten können, wie aktuelle Konzepte zeigen in denen dies bereits möglich ist. Die Individualisierung des Displays hat weiterhin den Vorteil, dass gerade Fahrergruppen, die sich in der Befragung relativ schnell überfordert fühlten, hier die Möglichkeit haben, das Display so zu reduzieren, dass die Anzeige bis auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum reduziert werden kann. Wenn digitale Cockpiteinheiten individuell konfigurierbar sind, kann optisch unterstützend mit Farbschemata gearbeitet werden, um verschiedene Fahrmodi intuitiv unterscheiden zu können, wie es einige Hersteller bereits in Ansätzen verfolgen. Diese Möglichkeit könnte man jedoch noch einen Schritt weiterdenken. So lässt sich die Entwicklung eines 2-Wege-Displays als Zentraldisplay ergänzen, welches aus der Sichtachse des Fahrers nur die für ihn und die Fahrt relevanten Informationen anzeigt, nicht aber z.B. Entertainmentbestandteile wie Video- oder Musikeinstellungen. Sind diese nur aus der Sichtachse des Beifahrers zu erkennen, lässt sich auch hier die Überforderung für den Fahrer verringern, ohne die unmittelbaren Entertainmentfunktionen für den Beifahrer einzuschränken. Der Fahrer kommt somit mittelbar in den Genuss aller Funktionen, ohne dass die Fahrsicherheit beeinträchtigt wird. Unabhängig von der Hardware ist auch die verstärkte Entwicklung von automatisierten Assistenzsystemen zweckmäßig, die ohne sichtbare Bedienelemente auskommt und einfach im Hintergrund agiert - wie zum Beispiel beim Bremsassistenten ABS. Dieses System lässt sich manuell weder einnoch ausschalten, sondern ist einfach an Bord und funktioniert, ohne dass der Fahrer davon etwas mitbekommt, es sei denn das System muss seine Aufgabe erfüllen. Dies lässt sich auch für Systeme wie Spurhalteassistenten, Anfahrassistenten, Abstandsassistenten etc. umsetzen. Zeitgleich sollte der Fahrer nach sicherheitsrelevanten Bedienelementen, wie zum Beispiel die Warnblinkanlage, in einer potentiellen Gefahrensituation nicht lange suchen müssen. Die Entwicklung immer leistungsfähigerer sogenannter Human-Machine-Interactions (HMI) ist ein wichtiger Wettbewerbsparameter in der Automobilindustrie geworden. Diese leisten immer mehr und können diverse Informationen bündeln und dem Fahrer zur Verfügung stellen, nur geschieht dies meist auf Kosten der Sicherheit. Ziel wäre es hierbei, dass dieses System bereits eine Filterung der Informationen vornimmt und für den Fahrer nur die Informationen anzeigt oder weitergibt, die in der jeweiligen Fahrsituation wirklich relevant sind. Fährt man beispielsweise mit 180-km/ h auf der Autobahn, sollte die Darstellung für den Fahrer so reduziert wie möglich sein, da bei diesem Tempo ausschließlich die aktuell gefahrene Geschwindigkeit und gegebenenfalls die derzeit erlaubte Höchstgeschwindigkeit wirklich relevant ist. Neue Player „digitale Unternehmen“ Auch „digital geprägte“ Unternehmen spielen heute in der Forschung und Entwicklung neuer Fahrzeuge eine immer wichtigere Rolle. Durch stärkere wettbewerbskonforme Kooperationen der Hersteller mit diesen digitalen Unternehmen ließe sich auch hier auf die Expertise der anderen aufbauen und somit eine für den Nutzer optimierte Bedienungs- und Darstellungsform finden. Würden digitale Unternehmen die Interfacegestaltung der Fahrzeuge übernehmen oder intensiv mitentwickeln, könnte auf einen wesentlich größeren Erfahrungsschatz hinsichtlich der Interfacegestaltung von technischen Systemen zurückgegriffen werden. Eine weitere Überlegung wäre, mehr und mehr Funktionen, die derzeit vor allem Smartphones anbieten, wie das Versenden von Textnachrichten und der Zugang zu diversen Internetdiensten, von Beginn an in das Fahrzeugsystem zu integrieren. Diese Systeme ließen sich dann wiederum mithilfe der zuvor erwähnten Sprachsteuerung problemlos bedienen, sodass ein Griff zum Telefon nicht mehr notwendig wäre. Ein zusätzlicher Sicherheitsaspekt könnte zudem die Einführung eines „Auto-Modus“ sein (ähnlich wie beim „Flug-Modus“), der automatisch aktiviert wird, sobald der Fahrer sich ins Auto setzt. Der „Auto-Modus“ würde zum Beispiel das Display des Smartphones deaktivieren, um dem Fahrer nicht die Möglichkeit zu geben, sich zusätzlich ablenken zu lassen. Die Studie hat gezeigt, dass sich solche Cockpit-Erlebniswelten durchaus negativ auf das Sicherheitsempfinden auswirken können. Die Folge wären fatale Unfälle, die die Systeme eigentlich vermeiden sollten. Die kommenden Entwicklungen werden zeigen, ob es der Automobilindustrie gelingen wird, durch immer weiter steigende Technisierung der Fahrzeuge die Komplexität für den Fahrer dennoch durch die soeben beschriebenen Maßnahmen zu reduzieren, damit daraus keine Überforderung entsteht. ■ LITERATuR [1] Strenzke, J. 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Schulz, Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls für Mobilität, Handel und Logistik, Zeppelin Universität, Friedrichshafen wolfgang.schulz@zu.de Josef Strenzke, B.A., Mitarbeiter Zeppelin Universität, Friedrichshafen j.strenzke@zeppelin-university.net Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 72 TECHNOLOGIE Monitoring Seetransport von Öl als gefährlicher Ladung Tankschiffe, Schifffahrtswege, Transportrisiko, Schadensbegrenzung Die Liste bedeutender Ölunfälle beim Schiffstransport zeigt, dass die Beförderung von Öl und dessen Produkte ein hohes Risiko bedeutet. Deswegen soll die Eingruppierung dieser gefährlichen Ladung und die internationale Reglementierung des Handlings dieser Güter betrachtet werden. Die Entwicklung der Tankschiffflotte, die Aufteilung der aktuellen Schiffe in Betrieb nach Flaggenstaat und die Darstellung der Tankertrajektorien runden das aktuelle Gesamtbild ab. Autoren: Carsten Hilgenfeld, Chris Bünger, Mario Meyer, Bettina Kutschera I m Seetransport gelten Öl bzw. Ölprodukte als gefährliche Ladungsgüter, da gerade bei Unfällen die Auswirkungen meist verheerend sind. Als Sinnbild für das Transportrisiko gilt bis heute der Unfall der „Exxon Valdez“, die am 1989 vor Alaska auf Grund lief und leck schlug. Das Schiff hatte ein Nettoladefähigkeit von 213 855 DWT (Deadweight Tonnage), wovon bei dem Unfall 37 000 t Rohöl ausgetretenen sind. Die Folgen gelten als die wohl größte durch die Schifffahrt erzeugte Umweltkatastrophe, da dadurch über 2000 km Küstenlinie verschmutzt wurden. Ein weiterer schwerwiegender Unfall, der sich direkt in der Verschärfung von Vorschriften für Tankschiffe niederschlug, ist der Untergang der fast voll abgeladenen „MV Erika“ (37 283 DWT) im Jahr 1999. Infolge schlechten Wetters traten Risse in der Hülle auf, die zum Zerbrechen des Schiffes und zum Auslaufen von rund 17 000 t Öl vor der bretonischen Küste führte. Gefährliche Ladung In Anbetracht dieser beiden Unfälle, die bei weiten nicht adäquat die Liste der gravierenden Ölunfälle wiedergibt, stellt sich die Frage, wofür Rohöl genau verwendet wird. Die Aussage „Öl ist der Schmierstoff, der die Welt am Laufen hält“ bezieht sich direkt auf die Produktion von Schmierstoffen aus Rohöl. Natürlich werden daraus auch die Kraftstoffe und Heizöle raffiniert. Rohöl ist weiterhin ein wichtiger Grundstoff für die chemische Industrie, wird in Farben, Kunststoffen und Arzneien verwendet - so besteht eine Kopfschmerztablette zu 30 % aus Rohöl (Benzol) - und ist ebenso in vielen Kosmetikprodukten zu finden. Der Transport dieser Ladung beinhaltet aber immer ein Risiko, das gerade nach dem Unfall der „Exxon Valdez“ zu einer breiten öffentlichen Diskussion führte. Gefahren treten dabei für das Schiff, die Umwelt oder die Besatzung auf. Das Risiko ist definiert als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schadensausmaß. Durch Minimierung dieser beiden Größen kann das Transportrisiko verringert werden. Das Schadensausmaß kann durch Begrenzung der transportierten Ölladung reduziert werden, wodurch der Bau von sogenannten Supertankern kritisch zu sehen ist. Das größte jemals gebaute Schiff mit einer Länge von 414 m und 553 000 DWT war der 1976 gebaute Tanker „Pierre Guillaumat“. Wird die Schiffslänge der Ende 2015 in Betrieb befindlichen Tankschiffe analysiert (Bild 1), so zeigt sich, dass die sehr langen Tankschiffe in der Minderheit sind. Das arithmetische Mittel der Tankschiffe über 100 m beläuft sich auf 186,6 m. Insgesamt waren im Betrachtungszeitraum (15.- 28.12.2015) 5127 Tankschiffe mit einer Länge von mehr als 100 m in Betrieb. Deren Länge (bzw. Breite und Tiefgang) orientiert sich an den Grenzen der wichtigsten Kanäle bzw. an Einsatzgebieten wie Aframax, Baltimax, Panamax (bis 305m) oder Suezmax. Weitere Maßnahmen zur Schadensausmaßbegrenzung sind technische Ausrüstungen zur Vermeidung der Ölausbreitung, wie Ölsperren und das Bereithalten von Nothäfen, die ebenfalls mit spezieller Ausrüstung Öl eindämmen können. Die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Vorfälle hängt maßgeblich von der Ausbildung der Besatzung und den Instandhaltungsmaßnahmen durch den Schiffseigner ab. Beim Unglück der „MV Erika“ wurde beispielsweise ermittelt, dass der italienische Eigentümer von mangelhaft ausgeführten Reparaturarbeiten wusste. Auch führt die Ausrüstung der Schiffe mit elektronischen Seekarten, sogenanntem ECDIS (Elektronic Chart Display and Information Systems), und mit AIS (Automatic Identification System) maßgeblich zu einem sichereren Betrieb der Schiffe [1]. In diesen Systemen werden sowohl das eigene Schiff wie auch andere Schiffe mit exakter Position zu einem umfassenden Lagebild zusammengeführt. Durch die Einführung von Doppelhüllenbauweisen für Tankschiffe wird ebenfalls die Unfallwahrscheinlichkeit reduziert. Direkt nach dem „Exxon Valdez“-Unfall forderten die USA 1990 im Oil Pollution Act, dass neue Tankschiffe, die in US-Gewässern betrieben werden, über eine Doppelhülle verfügen müssen. In Anlehnung an diese Regelung wurde 1992 durch die IMO (International Maritime Organisation) in der International Convention for the Prevention of Pollution from Ships (Marine Pollution - MARPOL) festgelegt, dass weltweit alle Tankschiffe größer als 5000 DWT, die nach Juli 1996 abgeliefert werden, mit einer Doppelhülle ausgestattet sein müssen. Die IMO gibt als Sonderorganisation der Vereinten Nationen international gültige Vorschriften für ihre 171 Mitgliedsstaaten heraus. Der „MV Erika“-Unfall verschärfte 2001 diese Vorschriften, sodass ab 2015 ausschließlich Doppelhüllen-Tanker betrieben werden dürfen. Dies führt dazu, dass die weltweite Tankerflotte mit einem durchschnittlichen Baujahr von 2007 verhältnismäßig jung ist (alle Schiffslängen, aus 5658 Tankern für Öl und Ölprodukte mit bekanntem Baujahr). Bild 2 zeigt das Alter der Ende 2015 in Betrieb befindlichen Tankschiffe. Handling der gefährlichen Ölladung Die Sicherheit des Schiffes, der Umwelt und der Besatzung ist durch die IMO in der SO- LAS (International Convention for the Safety of Life at Sea) festgeschrieben, deren Umsetzung für den Transport gefährlicher La- Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 73 Monitoring TECHNOLOGIE dung im IMDG Code (International Maritime Code for Dangerous Goods) spezifiziert ist. Der IMDG Code beschreibt in 9 Klassen die Gefahrgutkennzeichnung für gefährliche Ladung, wobei Rohöl bzw. Ölprodukte unter die Klasse 3 „entzündbare flüssige Stoffe“ fallen. In Deutschland ist der IMDG Code in der „Gefahrgutverordnung See“ (GGVSee) eingebettet. Diese nationale Vorschrift ist von allen Seeschiffen unter deutscher Flagge und von allen Seeschiffen unabhängig ihrer Flagge, soweit sie sich in deutschem Hoheitsbereich aufhalten, umzusetzen. In der GGVSee werden die Zulassungsvoraussetzungen für Seeschiffe für den Transport gefährlicher Ladung formuliert, Ausrüstungs- und Ausbildungsanforderungen genannt, Kennzeichnungspflichten und Beförderungsregularien spezifiziert und Verpackungssowie Versandvorschriften dargelegt. Die Gefahrgutklasse eines Schiffes leitet sich hierbei stets aus der transportierten Ladung ab und nicht aus den immer vorhandenen Kraft- und Betriebsstoffen, da sonst jedes Schiff einer Gefahrgutklasse zuzuordnen wäre. Ein Schiff kann auch Transportgüter mehrerer Gefahrgutklassen an Bord haben, wobei dann die Stau- und Trennvorschriften des IMDG Codes zu beachten sind. Für den Transport an Bord wird nach der Verpackungsart in offenen oder geschlossenen Containern und als Stauort an Deck oder unter Deck, sowie wetterfester und offener Laderaum unterschieden. In Abhängigkeit der Gefahrgutklasse gibt der IMDG Code an, ob und wie eine Trennung zu erfolgen hat (z. B. Anzahl der dazwischen liegenden Schotts). Für die hier betrachteten Tankschiffe treten kaum mehrere Gefahrgutklassen pro Schiff auf, da diese meist nur einen Ladungstyp transportieren. Transport über den Seeweg Der Langstreckentransport der Gefahrgüter Rohöl und Ölprodukte wird etwa zu 60 % per Schiff und zu 40 % über Pipelines durchgeführt. Für Kurzstreckentransporte im Inlands- und Kontinentalverkehr werden auch Bahn und LKW genutzt, die aber hier nicht weiter betrachtet werden. In 2014 wurden pro Tag durchschnittlich 88,6 Mio. t Rohöl gefördert. Die jährlich über den Seeweg transportierten 2,9 Mrd. t Rohöl und Ölprodukte stellen über 25 % des Weltwarentransports und somit die größte Einzelgruppe dar. In Bild 3 ist die weltweite Gesamttransportmenge aller Waren im Vergleich zum Öltransport gezeigt. Darin sind als Ölprodukte nach UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) LNG, LPG, Rohbenzin, Gasöl, Leichtöl, Schweröl und Kerosin zusammengefasst [2]. Die zu transportierende Ölmenge steht in direkter Äquivalenz zur Entwicklung der Ladefähigkeit der Welttankerflotte. In 2014 stand insgesamt eine Transportkapazität von 482 Mio. DWT in Tankschiffen zur Verfügung. Der Verlauf der Tanker-DWT in Bild 4 folgt der steigenden Öltransportmenge in Bild 3. Aufgrund des Anstiegs der Transportmenge in 2005 zeigt der Auftragseingang für Tankerneubauten in Bild 4 hier ebenfalls einen Peak [2]. Diese Tankerflotte wird international unter einer sehr durchmischten Verteilung von 105 Flaggenstaaten betrieben. Unter den 6297 Tankschiffen, die Ende 2015 in Betrieb waren und deren Flagge bekannt war (alle Längen), fahren die größten Gruppen der Schiffe unter der Flagge der Marshall Islands (684), Panama (622), Liberia (567) und Singapur (519). Transportrouten von Rohöl und Ölprodukten Die Transportrouten werden bestimmt von den Ölexporteuren und Importeuren. Im Jahr 2014 sind die größten Ölproduzenten in absteigender Reihenfolge [3]: Saudi Arabien, Russland, USA, China und Kanada. Dem stehen die größten Verbraucher ge- Bild 1: Längen der Ende 2015 in Betrieb befindlichen Tanker über 100 m Bild 2: Baujahre der Ende 2015 in Betrieb befindlichen Tanker ab 1975 Bild 3: Weltweite See-Transportmenge aller Waren sowie von Öl und-Ölprodukten Bild 4: Welttankerflotte und Auftragseingänge für Tankerneubauten in-DWT Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 74 TECHNOLOGIE Monitoring genüber: USA, China, Japan, Indien und Russland. Werden die Netto-Im- und Exporte betrachtet, so sind die Netto-Ölexporteure Saudi-Arabien, Russland, Vereinigte Arabische Emirate und Norwegen und die Netto-Ölimporteure China, Japan, Deutschland und Indien. Die Länder mit den größten Ölreserven in 2014 sind in absteigender Reihenfolge: Saudi-Arabien, Kanada, Venezuela, Iran und Irak [4]. Diese Reserven werden zukünftig als Transportquellen die Seerouten beeinflussen. Insbesondere die anstehende Öffnung des Iranischen Öl- und Gasmarktes durch die Aufhebung der seit 2006 bestehenden Sanktionen wird den Ölexport über Tankschiffe in dieser Region zunehmen lassen, da der Iran mit ca. 137 Mrd. Barrel die viertgrößten Ölreserven besitzt. Für den Zeitraum vom 15.12.2015 bis 28.12.2015 sind in Bild 5 die aktuellen Schiffstrajektorien dargestellt. Darin sind die Routen zwischen den Ex- und Importländern zu sehen. Fazit Das Wachstum der Schwellenländer wie zum Beispiel Brasilien, die Volksrepublik China, Indien, Thailand oder die Türkei wird den Bedarf nach mehr Öl stärker anwachsen lassen, als die Öleinsparungen der entwickelten Länder. So ist davon auszugehen, dass langfristig der Ölverbrauch wie auch der Preis weiter bzw. wieder ansteigen wird. Allerdings ist dies durch das bestehende Überangebot aufgrund neu erschlossener Ölquellen und der Abkühlung der Weltkonjunktur zurzeit nicht spürbar. Die Langstreckentransporte werden auch zukünftig über die Tankschiffflotte realisiert werden. Diesem Transportweg liegt jedoch ein relativ hohes Risiko zugrunde. Aufgrund des teilweise erheblichen öffentlichen, politischen aber auch ökonomischen Interesses soll diese reduziert werden. Vor allem getrieben durch Unglücke werden hier kontinuierlich internationale und nationale Vorschriften angepasst, um das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit zu minimieren. ■ QuELLEN [1] Tanker jetty safety, Management of the ship/ shore interface, London 2007, Witherbys, ISBN 9-781856-093279 [2] Data Center der United Nations Conference on Trade and Development, Switzerland: Maritime transport (1970-2014). http: / / unctadstat.unctad.org/ EN/ [3] BP: 64th edition of the BP Statistical Review of World Energy (Juni 2015). bp.com/ statisticalreview [4] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Energiestudie 2015 - Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen (19), Hannover, 08.12.2015. Mario Meyer Screen Designer (Frontend Design/ Entwicklung), Jakota Cruise Systems GmbH/ FleetMon, Rostock meyer@fleetmon.com Bettina Kutschera, Dipl.-Ing. (FH), M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bereich Seefahrt der Hochschule Wismar bettina.kutschera@hs-wismar.de Chris Bünger, Dipl.-Phys. Analytiker (Back-End), Jakota Cruise Systems GmbH/ FleetMon, Rostock buenger@fleetmon.com Carsten Hilgenfeld, Dipl.-Ing. (FH), M.Sc. Leiter Forschung und Entwicklung, Jakota Cruise Systems GmbH/ FleetMon, Rostock hilgenfeld@fleetmon.com datenquellen und unternehmen Die Auswertungen der Bilder 1, 2 und 5 basieren auf den von den Schiffen alle 2-10 Sekunden ausgesendeten AIS Signalen. Ein Schiff wurde dabei als Tankschiff in Betrieb deklariert, wenn es im Zeitraum vom 15.12.2015 bis 28.12.2015 ein AIS Signal „In Fahrt“ sendete, sich nach ITU (International Telecommunication Union) als Tankschiff zu erkennen gab und durch die FleetMon Datenbanken als Tanker für Roh-Öl und Ölprodukte verifiziert wurde. Weiterhin wurde eine minimale Länge von 100 m festgelegt, da es sich sonst aus Erfahrung nicht um Tankschiffe auf internationaler Fahrt handelt, sondern eher um Versorgungsschiffe wie Bargen oder Kurzstrecken-Feeder bzw. Traditionsschiffe. Das Unternehmen Jakota Cruise Systems/ FleetMon speichert und verarbeitet als einer der Weltmarktführer diese AIS-Daten. Dazu werden tausende eigene und kooperative Landstationen betrieben, die täglich über 250 Mio. terrestrische AIS Datensätze liefern. Dieses umfassende Lagebild wird durch etliche AIS-Satelliten und Wetterdaten wie Wind, Wellen und Strömung komplementiert. Die Daten werden seit 2007 in einer permanent erweiterten und modernisierten Serverstruktur abgelegt und stehen für eigene Produkte, aber auch für Forschungspartner, zur Verfügung. Bild 5: Öltanker-Trajektorien für den Zeitraum vom 15.12.2015 bis 28.12.2015 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 75 Marine Energieversorgung TECHNOLOGIE Bordstrom für Hochsee- Schiffe durch Brennstoffzellen Reformierung ermöglicht Einsatz von Diesel als Energieträger Brennstoffzellen, Reformierung, Dieselkraftstoff, Stromversorgung, Schiffe Der Energiebedarf von Megajachten, Container- und Kreuzfahrtschiffen kann den Verbrauch einer Kleinstadt erreichen. Der damit verbundene Schadstoffausstoß bedeutet vor allem in Häfen und Küstenbereichen eine hohe Belastung für Mensch und Umwelt. Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) entwickeln Industrie- und Forschungspartner ein umweltschonendes, hochseetaugliches Stromaggregat auf der Basis von SOFC-Brennstoffzellen, das den sogenannten „Hotelbetrieb“ an Bord gewährleisten kann. Als Energieträger kommt hierfür Dieselkraftstoff zum Einsatz, der durch Reformierung in ein SOFC-adäquates Brenngas überführt wird. Autoren: Keno Leites, Ansgar Bauschulte A uch in der Schifffahrt ist die Reduzierung von Schadstoffemissionen ein wichtiges Thema. Schiffe werden auf hoher See in der Regel mit Schweröl als Kraftstoff betrieben, bei dessen Verbrennung besonders viele Schadstoffe entstehen. In vielen Küstenbereichen und geschlossenen Seeregionen, wie zum Beispiel an der Nord- und Ostsee, bestehen daher bereits reduzierte Emissionsgrenzwerte der International Maritime Organisation (IMO), und weitere kommen jährlich hinzu. In Häfen in Skandinavien werden schon Gebühren für Stickoxidemissionen erhoben. Auch die CO 2 -Emissionen werden künftig reglementiert. Um mit Schiffsdiesel betriebene Generatoren zur Stromversorgung an Bord langfristig durch umweltschonendere Brennstoffzellenanlagen zu ersetzen, wird von einem Konsortium um die ThyssenKrupp Marine Systems GmbH zusammen mit der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) das Demonstrationsprojekt SchIBZ - SchiffsIntegration BrennstoffZelle durchgeführt. Es ist ein Teilprojekt des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP), das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützt wird. In SchIBZ entwickeln, fertigen und erproben fünf Unternehmen und Institutionen in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein hochseetaugliches Stromaggregat auf der Basis von Festoxidbrennstoffzellen (Solid Oxide Fuel Cell, SOFC), die von der sunfire GmbH, Dresden, zugeliefert werden. Das Aggregat soll geeignet sein, den sogenannten Hotelbetrieb an Bord allein, oder gegebenenfalls im Verbund mit konventionellen Dieselaggregaten, zu gewährleisten. Dabei ist sowohl das Aggregat in sich modular veränderbar als auch die Anzahl der Aggregate pro Schiff, so dass eine Skalierung der elektrischen Leistung bis in den Megawatt-Bereich möglich wird. Technisch machbar ist auch die Integration mehrerer Bild 1: Die wesentlichen technischen Komponenten des im Projekt „SchIBZ“ in Entwicklung befindlichen Brennstoffzellensystems zur Bordstromversorgung Grafik: ThyssenKrupp Marine Systems GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 76 TECHNOLOGIE Marine Energieversorgung Brennstoffzellenaggregate an unterschiedlichen Stellen an Bord, um eine hohe Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten. Eine weiteres Anwendungsfeld sind stationäre, dezentrale Blockheizkraftwerke. Hier können aus containerisierten Aggregaten transportable Systeme auch im Megawatt- Bereich erstellt werden. Brennstoffzelle erzeugt Bordstrom Die Arbeit an dem BZ-Gesamtsystem umfasst alle Aspekte - vom Entwurf und der Auslegung des Systemdesigns über die Reformierung bis hin zur Brennstoffzelle und der Abgasnachbehandlung (Bild 1). Dazu zählt auch die Entwicklung und Auslegung von Balance-of-Plant-Komponenten wie die Medienversorgung, die Wärmetauschereinheiten und die Raumbelüftungskonzepte. Ergänzend kommt ein Energiepuffer hinzu, der die Dynamikunterschiede zwischen Verbrauchernetz und Brennstoffzelle ausgleicht. Hierzu wird eine Batterielösung mit Lithium-Ionen-Zellen erarbeitet, die nach den Gegebenheiten des Verbrauchernetzes ausgelegt wird. Weitere Arbeitsfelder sind die Entwicklung der Systemsteuerung und Betriebsstrategie sowie der Aufbau des Demonstrators. Die Arbeitsschritte werden durch numerische Simulationen und experimentelle Untersuchungen gestützt. Die Besonderheit des Systems liegt darin, PKW-üblichen Dieselkraftstoff mit einem Schwefelgehalt von 15 ppm als Energieträger für den Betrieb der Hochtemperatur-BZ zu verwenden. Das Nachbrennersystem arbeitet bei Temperaturen um 750 °C, bei denen noch keine thermische Stickstoffoxidbildung (NO x ) auftritt, so dass das Aggregat trotz der Verwendung von Diesel kaum NO x emittiert. Die Emission von Schwefeloxiden (SO x ) wird durch den geringen Schwefelanteil im Kraftstoff sowie spezielle Filtereigenschaften im Prozess komplett unterbunden. Auch der CO 2 -Ausstoß wird durch den hohen erwarteten elektrischen Wirkungsgrad von 50 % um 25 % gegenüber einem modernen, üblicherweise eingesetzten Dieselaggregat reduziert. Nicht eingerechnet sind weitere CO 2 -Reduzierungen durch die Nutzung der Abwärme der BZ-Anlage in den Schiffssystemen. Um alle Teilprozesse, die im Vorfeld einzeln erprobt wurden, im Systemzusammenhang zu prüfen, wird ein Demonstrator mit einer Nettoleistung von zunächst 50 kW elektrisch an Land aufgebaut und getestet. Dieser wird als containerisierte Anlage ausgeführt, die auf Schiffen oder in permanenten stationären Anwendungen verwendet werden kann. Parallel wird ein Konzept zur Skalierung der Systemleistung auf bis zu 500 kWel erarbeitet. Durch die Verknüpfung der Brennstoffzellen in Modulen werden Leistungen ab 50 kW in 25- oder 50-kW-Schritten möglich sein. In containerisierten Anlagen werden bis 200 kW in 20’’bzw. über 400 kW in 40’’Containern möglich sein. Die Entscheidung zugunsten von Diesel erfolgte, weil dieser in gewohnter Weise gehandhabt werden kann und die Verteilung im Schiff zu den einzelnen Verbrauchern durch bereits bestehende Infrastruktur und technische Systeme an Bord sehr einfach ist. Zudem benötigt Diesel im Vergleich zu Gasen nur ein Drittel bis ein Viertel des Bunkerplatzes. Wasserstoff wird bisher nicht als Energieträger auf Schiffen eingesetzt, da die Speicherung technisch sehr anspruchsvoll ist. Gleichzeitig ist das System offen für den teilweisen oder vollständigen Einsatz von alternativen Brenn- und Kraftstoffen, so dass Diesel auch durch BtL- Kraftstoffe wie Biodiesel (FAME) oder hydriertes Pflanzenöl (HVO) sowie GtL- Kraftstoffe ersetzt werden könnte. Auch Erdgas (NG oder in verflüssigter Form LNG) kann eine Option für den Betrieb des Systems sein. Aus diesel wird Wasserstoff Die Reformierung von Kohlenwasserstoffen kann mit verschiedenen Verfahren durchgeführt werden, deren Auswahl und Auslegung sich an den Anforderungen des jeweils eingesetzten Brennstoffzellentyps an das zu erzeugende Synthesegas orientieren. Für die in SchIBZ eingesetzten SOFC-Brennstoffzellen, die sowohl Wasserstoff als auch Kohlenmonoxid und Methan im Reformat zur Stromerzeugung nutzen können, wurde die Dampfreformierung gewählt. Der Projektpartner OWI Oel-Waerme-Institut in Aachen entwickelt für die Demonstrationsanlage einen für dieses Verfahren geeigneten Reaktor mit einer Leistung von bis zu 100 kW thermisch (Bild 2). Für die Reformierung wird der flüssige Kraftstoff in einen gasförmigen Zustand überführt und zwar in einem der eigentlichen Synthesegasbildung vorgelagerten Prozess. Gleichzeitig wird er mit Wasserdampf homogen vermischt. Der eigentliche Vorgang der Reformierung verläuft anschließend an einer katalytisch aktiven Oberfläche im Reaktor. Der erforderliche Wasserdampf wird mittels des Brennstoffzellenabgases und eines Restgasbrenners bereitgestellt, so dass Wirkungsgradverluste reduziert werden. Die Nachverbrennung des Brennstoffzellenabgases erfolgt katalytisch, so dass weder Stickoxidnoch nennenswerte Kohlenmonoxid-Emissionen entstehen. Zur Integration der Systemkomponenten wird ein geeignetes Verschaltungskonzept der einzelnen Module (Reformer, Verdampfer, Gemischbildner, etc.) zur System- und Wärmeintegration entwickelt, das in späteren Schiffsbauprojekten im Einzelfall angepasst werden kann. Generell hat die Auswahl des Reformierungsverfahrens auch einen erheblichen Einfluss auf den erreichbaren elektrischen Wirkungsgrad eines BZ-Systems. So wird Bild 2: Dampfreformer für die Wandlung von Diesel in Wasserstoff Im OWI-Labor Foto: Oel-Waerme-Institut GmbH STECkbRIEf SchIbz - SchiffsIntegration brennstoffzelle Projektstart Juli 2009 Projektpartner • Thyssen Krupp Marine Systems GmbH, Hamburg • OWI Oel-Waerme-Institut GmbH, Herzogenrath • DNV GL SE, Oslo/ Hamburg • Rörd Braren Bereederungs-GmbH & Co. KG, Kollmar • Leibnitz-Universität, Institut für Thermodynamik, Hannover Auftraggeber: Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) unterstützt durch: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) die nächsten Projektschritte • Aufbau Demonstrator Anfang 2016 • Landtest bis Mitte 2016 • Seetest bis Ende 2016 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 77 Marine Energieversorgung TECHNOLOGIE zum Beispiel bei der katalytisch partiellen Oxidation (CPOx) ein Teil des Kraftstoffes durch die notwendige Zugabe von Luft vollständig oxidiert und steht daher der Brennstoffzelle nicht mehr zur Verfügung, während bei der für SchIBZ gewählten Dampfreformierung der Kraftstoff vollständig zu Wasserstoff umgesetzt werden kann und der Energiegehalt des Reformats sogar ansteigt. Das Reformierungsverfahren kann auch auf andere Kohlenwasserstoffverbindungen angewandt werden. So ist die Adaptierung des Verfahrens an Erdgas für Anwendungen mit Gasversorgung sowohl an Land als auch auf Schiffen vorgesehen. Laborversuche verlaufen erfolgreich Bereits 2013 wurde der Reformer in einem Langzeitversuch am OWI erfolgreich getestet. Dieser erzeugte über rund 3200 Stunden aus Dieselkraftstoff und Wasserdampf ein Brenngas mit den Bestandteilen Wasserstoff (ca. 40 %), Methan (ca. 15 %), Kohlenmonoxid (ca. 5 %) und Kohlendioxid (ca. 40 %; trockene Konzentrationen). Bei den Messungen konnten außer Methan keine anderen Kohlenwasserstoffe nachgewiesen werden. Somit ist das erzeugte Brenngas optimal nutzbar für den Betrieb der SOFC- Brennstoffzelle. Weitere durchgeführte Labortests ergaben wichtige Daten zur Bestimmung der günstigsten Betriebsparameter und Betriebsweisen des Reformers. Von sunfire wurde nach den Anforderungen von ThyssenKrupp Marine Systems ein SOFC-Modul entwickelt, das die Basiseinheit für die Stromaggregate bilden wird (Bild 3). Vier dieser Module sollen für den Demonstrator im SchIBZ-Projekt verwendet werden. Das Modul hat Abmessungen, die eine gute Raumnutzung innerhalb von Schiffen ermöglichen und daraus resultierend eine Nettoleistung von 25 kW. In der nächsten Generation sollen 40 kW erzielt werden. Das erste Modul hat bis Ende Juni 2014 einen 1000-h-Test absolviert, in dem die erwarteten Leistungsdaten bestätigt wurden und die Degradation sehr gute Werte zeigte. Die Fertigung der weiteren Module wurde daraufhin aufgenommen. Um die Schiffstauglichkeit der Brennstoffzellen nachzuweisen, wurden zwei weitere Tests nach den Regeln der Klassifikationsgesellschaften durchgeführt. Dies war zum einen ein Test unter 22,5° Neigung, wie es auf offener See vorkommt, und zum anderen ein Test mit einem definierten Schwingungsspektrum, welches die Belastungen durch Maschinenvibrationen und Seegang nachbildet. In beiden Versuchen wurden bei den SOFC unter Betriebsbedingungen keine Ausfallerscheinungen festgestellt, jedoch Nachbesserungsbedarf bei der Isolierung, die den Belastungen zum Teil nicht standhielt. In 2014 wurde am OWI eine Pilotanlage als Vorentwicklungsstufe kleinerer Leistung (8 kW elektrisch) aufgebaut, die aus den Hauptkomponenten Vormischsystem und Reformer (bis zu 20 kW thermisch) und der Brennstoffzelle besteht. In einem bis Ende 2014 erfolgreich durchgeführten Dauerlauftest über 1000 Stunden wurden Erfahrungen für den systemnahen Betrieb mit einer solchen Anlage gesammelt. Sowohl die Brennstoffzelle als auch der Reformer zeigten im gekoppelten Betrieb über die Gesamtlaufzeit keine nennenswerte Degradation. Aktuell befindet sich die Demonstratoranlage im Aufbau. Der Demonstrator wird Anfang 2016 mechanisch fertiggestellt und bis Mitte 2016 an Land getestet. Anschließend wird er auf dem Frachtschiff MS Forester (Bild 4) für zirka ein halbes Jahr einen Teil der Bordstromversorgung übernehmen. ■ Keno Leites, Dipl.-Ing. Projektleiter für alternative Energiekonzepte, Forschung und Entwicklung, ThyssenKrupp Marine Systems GmbH, Hamburg keno.leites@thyssenkrupp.com Ansgar Bauschulte, Dipl.-Phys. Leiter Reformierung, OWI Oel-Waerme-Institut GmbH, Herzogenrath a.bauschulte@owi-aachen.de Bild 3: Seriennahes 25 kW-SOFC-Modul von Sunfire für die Verwendung im Demonstrator und folgenden Anwendungen Foto: sunfire GmbH Bild 4: Die MS Forester ist für den Praxistest des Brennstoffzellensystems im Demonstrationsprojekt SchIBZ vorgesehen Foto: Reederei Rörd Braaren FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 78 Mobilität in der nachhaltigen Stadt Vorschau: 8. Internationaler Cities for Mobility Kongress, Stuttgart, 19.-21.06.2016 D ie Landeshauptstadt Stuttgart veranstaltet vom 19. bis 21. Juni 2016 den 8.- Internationalen Cities-for-Mobility-Kongress unter dem Titel „Mobilität in der nachhaltigen Stadt: Was müssen wir jetzt tun? “. Er richtet sich an kommunale Entscheidungsträger und Fachleute aus den Bereichen Mobilität, Verkehr und Stadtplanung, aber auch an Unternehmen, Wissenschaftler und Praktiker aus der Zivilgesellschaft. Ein besonderes Merkmal ist der interdisziplinäre Ansatz, denn der Kongress befasst sich nicht nur mit technischen Fragen, sondern auch mit der Verknüpfung von urbaner Mobilität und Stadtplanung sowie mit der spannenden Frage, wie Kommunen gemeinsam mit weiteren Akteuren der Stadtgesellschaft eine neue Kultur nachhaltiger Mobilität aufbauen können. Die bisherigen Anstrengungen der Städte haben gezeigt, dass Veränderungsprozesse in Bezug auf Infrastruktur und Verhalten langwierig und teuer sind. Bürgerschaft, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und viele andere Akteure aus der Zivilgesellschaft haben damit begonnen, diese Veränderungen selbst in die Hand zu nehmen und gestalten den städtischen Raum und die Mobilität nach ihren Bedürfnissen um. Die Rolle der Stadt ist es, diesen Initiativen offen zu begegnen, Ideen in geeigneter Weise aufzugreifen und zu unterstützen und dies in die Gesamtstrategie zu integrieren. Die nachhaltig mobile Stadt kann nur aus dem Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Gruppen entstehen. Ein Merkmal der Veranstaltung ist der praxisnahe Bezug. Die Teilnehmer präsentieren konkrete Mobilitätslösungen und neue Ideen und vernetzen sich untereinander. Das Programm wird durch Workshops, Trainings und eine Posterausstellung ergänzt. In einem attraktiven Rahmenprogramm wird es zudem praktische Beispiele und Mobilität zum Anfassen geben. ■ kONTAkT uNd INfORMATION Annsprechpartner Landeshauptstadt Stuttgart Referat S/ OB | Abteilung Mobilität Patrick Daude Marktplatz 1 70173 Stuttgart Tel.: 0711 216 60760 patrick.daude@stuttgart.de Informationen, Anmeldung, Programm www.cities-for-mobility.net Strategie, Praxis und Forschung im Verkehr Vorschau: 44. Europäische Transportkonferenz (ETC) der Association for European Transport (AET), Barcelona, 05.-07.10.2016 V erkehrspraktiker und -wissenschaftler aus ganz Europa, die sich Herausforderungen wie Wirtschaftswachstum, gesellschaftlichen und demografischen Wandel und mehr Nachhaltigkeit in zunehmendem Maße stellen, finden auf der Europäischen Transportkonferenz (European Transport Conference, ETC) ein Forum für Präsentationen und Diskussionen über solide und bezahlbare Lösungen. Die Konferenz bringt detaillierte Präsentationen zum Thema Strategie, bewährte Praxis und Forschungsergebnisse über das breite Verkehrsspektrum hinweg. Das Konferenzprogramm mit verschiedenen Arbeitssitzungen deckt Themenbereiche von internationalem Stellenwert, landesweite und kommunale Strategien wie auch die Realisierung von Projekten auf Kommunalebene ab. Die auf der Konferenz sind einerseits eine Herausforderung hinsichtlich von Grundsatzvereinbarungen auf höchster Ebene, stellen andererseits aber auch gute Chancen für eine Grundausbildung und -schulung dar. Für Zusatzinformationen zu den diesjährigen Themenkreisen und zur Anmeldung zur Konferenz wenden Sie sich bitte an: ■ kONTAkT uNd INfORMATION Ansprechpartner Sabrina Winter Contract Manager ETC / Event Manager TfTP Tel.: +44 (0) 1564 793552 sabrina@aetransport.org www.aetransport.org Informationen, Anmeldung, Programm www.etcproceedings.org Foto: Semle/ Stadt Stuttgart Lehre FORUM Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 79 Transfer deutscher Logistikkompetenz nach Kasachstan Voraussetzung für die weitere Entwicklung Kasachstans zu einem euro-asiatischen Logistik-Hub sind neben dem geplanten massiven Ausbau der logistischen Infrastruktur der Auf- und Ausbau der Logistikkompetenz der Unternehmen im Land. Deutschland unterstützt diese Entwicklung auf mehreren Wegen. I n Kasachstan, dem bedeutendsten Wirtschaftsstandort in Zentralasien, mangelt es an Spezialisten mit Fach- und Fremdsprachenkenntnissen, die die weitere Entwicklung des Landes bei der Erreichung seiner anspruchsvollen Ziele unterstützen. Spürbare Entwicklungsdefizite bestehen auf dem Gebiet der Logistik. Das ist vor dem- Hintergrund der aktuellen Abschwächung der wirtschaftlichen Entwicklung des-in starkem Maße von Rohstoffexporten abhängigen Landes einerseits und den geostrategischen Wirtschaftsentwicklungszielen Kasachstans andererseits mit besonderen Herausforderungen verbunden. [1,-S.-14] Die Republik Kasachstan ist nach dem Abschluss der fast zwanzigjährigen Beitrittsverhandlungen Ende November 2015 als 162. Staat Mitglied der WTO geworden. [2, S. 8) Der Beitritt bringt Handelserleichterungen. Der kasachische Importzoll soll innerhalb von fünf Jahren auf durchschnittlich 6,1 % sinken. Hindernisse für ausländische Dienstleister wie Banken und Versicherungen werden abgebaut und Produzenten werden weniger Auflagen zur Wertschöpfung im Inland erfüllen müssen. Mit dem zu erwartenden wachsenden Warenaustausch Kasachstans, insbesondere mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (Russland, Kasachstan, Weißrussland), China und Europa, steigt zwangsläufig die Bedeutung der Logistikindustrie. Eine ebenso wichtige geostrategische Rolle für Kasachstans Logistikbranche spielt die Entwicklung der „Neuen Seidenstraße“. In den kommenden Jahren soll mit Milliardeninvestitionen in dem Projekt „Neue Seidenstraße“ der eurasische Raum neu vernetzt werden. Die Länder Zentralasiens und insbesondere Kasachstan sind bei der von Chinas Präsident Xi Jinping im Jahr 2013 als neue Seidenstraße verkündeten „One Belt One Road-Initiative“ (OBOR) enorm wichtig. Nach Vorstellung der beteiligten Länder soll die neue Seidenstraße mehr als eine Transportroute sein. Sie soll Asien und Europa näher zusammenbringen und entlang ihrer Routen für wirtschaftliche Entwicklung und Handel sorgen. Eine wichtige Hilfestellung wird dabei die im Juni 2015 gegründete Asiatische Infrastrukturinvestmentbank leisten. Neben den meisten asiatischen Staaten gehören auch Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien zu den Gründungsmitgliedern. Zwischen China und Kasachstan hat sich eine enge Partnerschaft entwickelt. Beide Länder bauen ihre wirtschaftlichen Beziehungen weiter mit hohem Tempo aus. Logistik hat dabei einen hohen Stellenwert. Anfang September 2015 unterzeichneten Kasachstan und China 25 Wirtschaftsverträge im Wert von 23 Mrd. USD. Zentralasien und insbesondere Kasachstan haben als strategische Schnittstelle zwischen Europa, Russland, China und Südostasien auch für die deutsche Wirtschaft große Bedeutung. Bei der Verwirklichung der wirtschaftspolitischen Zielstellung Kasachstans, die Abhängigkeit vom Erdölexport zu verringern und die verarbeitende Industrie aufzubauen bzw. zu modernisieren, können deutsche Unternehmen mit ihrer Ausrüster- und Lösungskompetenz besondere Unterstützung geben. Das trifft vor allem auf den sehr logistikrelevanten deutschen Maschinen- und Anlagenbau zu. Das im Jahr 2012 zwischen Deutschland und Kasachstan geschlossene Abkommen über Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich hat dafür viele Möglichkeiten eröffnet. Vor diesem Hintergrund haben die Aktivitäten von deutscher Seite, beim Auf- und Ausbau der Logistikkompetenz in Kasachstan mitzuwirken, einen besonderen Stellenwert. An der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty wird seit 2014 in Zusammenarbeit mit der deutschen Otto-von- Guericke-Universität (OVGU) in Magdeburg das „LogCentre“ aufgebaut. Das vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Communication and Transfer Centre Logistics zur strategischen Zusammenführung von Forschung, Lehre und Praxis“ hat das Ziel, die Forschung, Ausbildung, Weiterbildung und Praxis auf dem Gebiet der Logistik in Kasachstan zu vernetzen.[1, S. 16] Ein besonderer Schwerpunkt ist die Durchführung von Beratungsdienstleistungen in der Logistik für Unternehmen und Organisationen vor Ort. Eine von der DKU durchgeführte Analyse der Bedürfnisse kasachischer Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat ergeben, dass eine Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften in der Logistik insbesondere in den Bereichen Warehouse Management und Distributionslogistik gefragt ist. Um diese Nachfrage zu bedienen, hat die OVGU am LogCentre der DKU bereits Train-the-Trainer Seminare zur Modellierung und Simulation in Produktion und Logistik, zum Supply Chain Risk Management und zu Planspielen für Produktionslogistik sowie Supply Chain Management für die als Multiplikatoren agierenden Projektpartner aus Kasachstan durchgeführt. Dafür ist das LogCentre mit den modernen Instrumentarien der Logistikplanung und -organisation ausgestattet. Anwendungsbereit stehen Simulationssysteme für die Modellierung und Simulation in Produktion und Logistik, Logistikplanspiele für Produktionslogistik und Supply Chain Management sowie SAP-Lernmodule für Logistikanwendungen zur Verfügung. Ein RFID-Materialflusslabor ist im Aufbau. Seit Anfang des Jahres 2015 konnte das Projekt „LogCentre“ neue Entwicklungs- und Anwendungspartner gewinnen. Dazu gehören zwei weitere bedeutende Universitäten in Kasachstan sowie namhafte Logistikunternehmen wie DAMU Logistics und TransAl. Große Unterstützung erhält das LogCente außerdem von der logistischen Dachorganisation KAZLOGISTICS und der Gesellschaft nationaler Spediteure in Kasachstan. Darüber hinaus besitzt das LogCentre inzwischen Ausstrahlung bis nach Kirgisistan. Während des Projektes sind die Kirgisische Nationale Technische Universität und das Unternehmen Global Technology Solutions als Partner dem LogCentre-Konsortium beigetreten. Das deutsche Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg leistet bei dem Projekt als assoziierter Partner mit seiner langjährigen Er- Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 80 FORUM Lehre | Meinung fahrung und dem breiten Know-how der Angewandten Forschung auf dem Gebiet der Produktionslogistik einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen und fachlichen Unterstützung. Die Deutsch-Kasachische Universität ist darüber hinaus die einzige der mit Bundesmitteln vom Auswärtigen Amt über den Deutschen Akademischen Austauschdienst im Ausland geförderten so genannten „binationalen Universitäten“, die in ihren Bachelor-Studiengängen Doppelabschlüsse mit Erfolg anbietet. Insbesondere im BA-Studium Verkehrslogistik haben Studierende an der DKU diese besondere Möglichkeit, einen Teil der Ausbildung an einer ausgewiesenen Hochschule in Deutschland zu absolvieren, genutzt. Insgesamt gibt es 28 Doppelabschlüsse im Studiengang Verkehrslogistik im Zeitraum von 2010 bis 2015. Der Studiengang Verkehrslogistik ist mit ca. 150- Studierenden von insgesamt rund 600- Studierenden der DKU am stärksten frequentiert. Sowohl die logistische Ausbildung an der DKU selbst mit Unterstützung deutscher Gastdozenten als auch das zweisemestrige Studium an der Technischen Hochschule Wildau in Deutschland sind entsprechend den deutschen Standards sehr stark projekt- und praxisbezogen ausgerichtet. Das ist insofern wichtig, als die mangelhafte Qualität gerade der praktischen Ausbildung an kasachischen Bildungseinrichtungen generell ein Kritikpunkt ausländischer Investoren und einheimischer Unternehmen ist. Erfolgreich haben deutsche Logistikunternehmen durch Bereitstellung von Praktikumsplätzen und die Betreuung von Abschlussarbeiten an ihren deutschen Standorten und den Niederlassungen in Kasachstan qualifiziert ausgebildete Logistiker für ihr Unternehmen in Deutschland und in Kasachstan rekrutiert. „Wir wollen auf der Grundlage des in den vergangenen Jahren erworbenen Alleinstellungsmerkmals der binationalen Logistikausbildung unsere Zusammenarbeit weiter ausbauen“, ist das erklärte gemeinsame Ziel der Rektorin der DKU, Prof. Dr. Olga Moskovchenko und des Präsidenten der TH Wildau, Prof. Dr. László Ungvári. Damit stehen sie mit ihrem logistischen Wirkungsfeld in vollständiger Kongruenz zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strategie der Republik Kasachstan, ihre Rolle als ein Brückenpfeiler in den euro-asiatischen Beziehungen weiter auszubauen. ■ Dr. Günter Teßmann guenter.tessmann@t-online.de http: / / de.dku.kz LITERATuR: [1] Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.): ost-ausschuss informationen Nr. 8 + 9/ 2015, OWC-Verlag für Außenwirtschaft GmbH, Münster [2] Ost-West Contact, Das Wirtschaftsmagzin für Ost-West-Kooperation, Special Kasachstan, Oktober 2015, OWC-Verlag für Außenwirtschaft GmbH, Münster Die Studierenden des Studienganges Verkehrslogistik an der Deutsch-Kasachischen Universität im Wintersemester 2015 Foto: Günter Teßmann Im Elfenbeinturm? Leserzuschrift zum Beitrag „Multimodal Divide“, Internationales Verkehrswesen (68), 1/ 2016, S. 66 D er Beitrag zeigt, wie in der Soziologie aus einer statischen Momentaufnahme Schlüsse für die (sich dynamisch entwickelnde) Zukunft gezogen werden. Sehr zweifelhaft ist die Vermutung, dass gerade die sozial schwachen Menschen (urban poor) mit Smartphones deutlich schlechter ausgestattet sind als der Rest der Bevölkerung. Man muss nur einmal in einem Job-Center beobachten, welche Smartphones arbeitslose (also sozial eher schwache) Menschen vor sich auf den Tisch legen. Und selbst wenn es eine gewisse Abhängigkeit gäbe, gilt doch folgende Beobachtung: Die Zahl der Mobilfunkanschlüsse in Deutschland (heute ca. 115 Mio.) hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, die der Smartphone-Nutzer (heute mehr als 46 Mio.) seit 2009 versiebenfacht. Für die zur digitalen Verkehrsteilnahme notwendigen Funktionen reichen schon Smartphones aus, die für unter 100 EUR zu haben sind. Das Gleiche gilt für die Tarife. Auch die Behauptung, dass Menschen ohne Smartphone am multimodalen Verkehrsgeschehen praktisch nicht teilnehmen können, stimmt nur zum Teil. Alle digitalen Anzeigen an Bahnhöfen, Bushaltestellen etc. mit Informationen zu Abfahrtzeiten und Anschlussverbindungen nehmen laufend zu und sind von jedermann nutzbar. Als Ingenieur, der sich über die Produkteigenschaften täglich mit den realen Menschen und ihren Bedürfnissen auseinandersetzen muss, kann man nur den Kopf schütteln und sich fragen: Auf welcher Galaxie oder in welchem Elfenbeinturm ist diese Soziologie zu verorten? ■ Dipl.-Ing. Detlef Frank, München per E-Mail Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 81 Erscheint im 68. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag TRIALOG: PUBLISHERS Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Marschnerstr. 87, D-81245 München Tel. +49 89 889518.71 Fax +49 89 889518.75 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 89 889518.72 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 89 889518.73 eberhard.buhl@trialog.de | iv-redaktion@t-online.de Anzeigen Hellfried Zippan Tel. +49 89 889518.74 Fax +49 89 889518.75 hellfried.zippan@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 53 vom 01.01.2016. Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 889518.76 Fax +49 89 889518.75 vertrieb@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren Abonnement-Paket Inland: EUR 193,00 (zzgl. MWSt.) Abonnement-Paket Ausland: EUR 215,00 Einzelheft: EUR 50,00 (inkl. MWSt.) Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print und E-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld druck L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Containerschiff auf dem Nord-Ostsee-Kanal Foto: ClipDealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. TRIALOG: PUBLISHERS Verlagsgesellschaft München ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Mobilität und Logistik, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg August Ortmeyer Dr., Leiter der Abteilung Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik im Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Jürgen Peters Dr., Geschäftsführer Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Associate Partner, Oliver Wyman, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Wolfgang Hönemann Dr., Geschäftsführer Rhenus PartnerShip, Duisburg Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 82 Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Jahr gibt es eine ungewohnt lange Pause zwischen der vorliegenden Ausgabe und Heft 3/ 2016, das im September zur Innotrans erscheinen wird. Doch schon im Mai kommt die nächste englischsprachige, international als ePaper verbreitete Ausgabe. Unter dem Schwerpunktthema Green transport - digital mobility wird sich International Transportation vor allem mit „Smart transportation in smart cities“ beschäftigen, bringt aber auch Beiträge etwa zur kognitiven Koordination von Flugzeugen, Datenschutz bei kooperativen Assistenzsystemen oder Auswirkungen von Umweltstrategien. Die Ausgabe erscheint am 17. Mai und steht dann auf der Webseite zum Download bereit. Auch Internationales Verkehrswesen 3/ 2016 wird aktuelle Herausforderungen und Wandlungen der Mobilität thematisieren. Mit dem Schwerpunkt Multimodal mobil wird diese Ausgabe den Fokus auf Effizienz und Nachhaltigkeit zu Wasser, zu Lande und in der Luft richten. Mit Blick auf die Innotrans in Berlin sind Beiträge zu Schieneninfrastruktur, Netzausbau und Nahverkehr vorgesehen. Internationales Verkehrswesen 3/ 2016 erscheint am 2. September 2016 - und ich hoffe, Sie lesen uns weiterhin mit Interesse. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 20.04- 23.04.2016 Friedrichshafen (DE) Aero - Internationale fachmesse für Allgemeine Luftfahrt Veranstalter: Messe Friedrichshafen Info: www.aero-expo.com Kontakt: +49 7541 708-404 25.-29.04.2014 Hannover (DE) Hannover Messe 2016 Industriemesse mit „Energy - Internationale Leitmesse für integrierte Energiesysteme und Mobilität“ Veranstalter: Deutsche Messe Info: www.hannovermesse.de Kontakt: +49 511 89-0 18.-20.05.2016 Leipzig (DE) International Transport forum (ITf) - Summit 2016 „Green and Inclusive Transport“ Veranstalter: OECD Info: www.internationaltransportforum.org Kontakt: paula.dunne@oecd.org 31.05.- 02.06.2016 Berlin (DE) Metropolitan Solutions Konferenzmesse für Smart und Green Cities Veranstalter: Deutsche Messe, Hannover Kontakt: +49 511 89-0 info@messe.de Info: www.metropolitansolutions.de 01.-03.06.2016 Koblenz (DE) 11. deutscher Nahverkehrstag Info: Valentum Kommunikation Kontakt: nahverkehrstag2016@valentum.de www.deutschernahverkehrstag.de 01.-04.06.2016 Berlin (DE) ILA 2016 - Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Veranstalter: Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) und Messe Berlin GmbH Info: www.ila-berlin.de Kontakt: ila@messe-berlin.de 15.-17.06.2016 Wien (AT) Mobilität 4.0 - Quo Vadis Europa? 14. Europäischer Verkehrskongress und Jubiläum 90 Jahre ÖVG Veranstalter: Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft ÖVG Kontakt: office@oevg.at www.oevg.at/ veranstaltungen/ events/ 2016/ 90-jahre-oevg/ 19.-21.06.2016 Stuttgart (DE) Cities for Mobility 8. internationaler Kongress Veranstalter: Stadt Stuttgart Kontakt: Wolfgang Forderer, Tel. +49 711 216-60753 wolfgang.forderer@stuttgart.de www.cities-for-mobility.net 29.-30.06.2016 Düsseldorf (DE) CONCAREXPO 2016 International Expo & Congress for Connected Cars & Mobility Solutions Veranstalter: VDI Wissensforum GmbH, Düsseldorf Kontakt: +49 211 6214-201 wissensforum@vdi.de Info: www.concarexpo.com 20.-23.09.2016 Berlin (DE) InnoTrans 2016 Internationale Leitmesse für Schienenverkehrstechnik Veranstalter: Messe Berlin GmbH Kontakt: innotrans@messe-berlin.de www.innotrans.de 13.-15.10.2016 Frankfurt am Main (DE) dMg-Jahrestagung 2016 „Wie behauptet die Bahn im digitalen Zeitalter ihre Stellung im Markt? “ Veranstalter: Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft (DMG) - Forum für Innovative Bahnsysteme Kontakt: Rolf Schraut, Tel.: +49 21 61 894943 rolf.schraut@t-online.de www.dmg-berlin.info TERMINE + VERANSTALTuNgEN 20.04.2016 bis 15.10.2016 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de VORSCHAU | TERMINE Fachmedien für die ganze Bahn-Branche Print · Digital · Online WISSEN, WAS BAHNEN BEWEGT www.eurailpress.de Eurailpress_Image_Rail_210x297.indd 1 01.02.2016 15: 08: 39 JETZT BESTELLEN! 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