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Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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2016
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2016 | Heft 4 November Planen, Bauen, Betreiben Infrastruktur POLITIK Wie der Fachkräftemangel Investitionen behindert INFRASTRUKTUR Mobilitätsmanagement braucht taugliche Strukturen LOGISTIK Containerschifffahrt und logistische Lücken MOBILITÄT Mobilitätsmonitor 3 - Stand der Dinge Extra: 200. Geburtstag Werner von Siemens TECHNOLOGIE Innovationen und Strategien für den Bahnverkehr www.internationalesverkehrswesen.de Heft 4 l November 2016 68. Jahrgang Hier klicken Sie richtig! IV online: Neuer Look - mehr Nutzen Die Webseite von Internationales Verkehrswesen hat ein neues Gesicht bekommen. Die aktuellen Webseiten unseres Magazins bringen eine frische Optik und eine Reihe neuer Funktionalitäten. Vor allem aber: Die Webseite ist im Responsive Design gestaltet - und damit auch auf Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets bestens lesbar. Schauen Sie doch einfach mal rein! Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl M.A., Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Marschnerstraße 87 | 81245 München +49 89 889518.71 | office@trialog.de Informiert mit einem Klick Das finden Sie auf www.internationalesverkehrswesen.de: • Aktuelle Meldungen rund um Mobilität, Transport und Verkehr • Termine und Veranstaltungen in der aktuellen Übersicht • Übersichten, Links und Ansprechpartner für Kunden und Leser • Autoren-Service mit Themen, Tipps und Formularen • Beitragsübersicht und Abonnenten-Zugang zum Heftarchiv © Clipdealer www.internationalesverkehrswesen.de Anzeige U2.indd 1 25.10.2016 10: 00: 42 Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 3 Kay W. Axhausen EDITORIAL Knappe Ressourcen nachfragegerecht bepreisen D erzeit strukturieren zahlreiche Städte den Straßenraum neu: Man baut Fahrspuren zurück, verbreitert Bürgersteige und legt Radwege neu an. Das ist im Sinne eines sinnvollen Mobilitätswandels durchaus positiv zu werten. Aber es verknappt auch den Parkraum am Straßenrand für Kurzparker, die in den Geschäften der Stadt einkaufen wollen. Diese Knappheit verursacht ungewollte Nebeneffekte für Autofahrer, Anlieger und die Gesellschaft als Ganzes: verschwendete Zeit der Suchenden, zusätzlicher Lärm, Gefährdung der Radfahrer und Fußgänger durch abgelenkte Autofahrer und hoher Energieverbrauch mit im Grunde unnötigen CO 2 -Emissionen, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen. Die scheinbar offensichtliche Lösung, mehr Parkplätze auszuweisen, ist in vielen Fällen unerwünscht, denn sie fördert wiederum den Autoverkehr. Was also kann eine Stadt tun, um diese örtlichen und zeitlichen Probleme zu reduzieren oder gar zu eliminieren? Sie kann - wie zum Beispiel die Stadt Zürich vor Kurzem - die Parkgebühren in einem relativ großen Gebiet vergleichsweise undifferenziert erhöhen. Bei dieser Art der Parkraumbewirtschaftung ist absehbar, dass die Gebühren auf manchen Straßenabschnitten zu hoch sind, in anderen zu niedrig. Es wird daher weiter Suchverkehr geben, wenn auch nicht mehr so viel, und manche Geschäfte werden unnötig benachteiligt. Man könnte hier von San Francisco lernen. Für das 2011 gestartete SFpark-Projekt wurde die Belegung der Parkplätze vieler innenstädtischer Straßenabschnitte gemessen. War die Belegung höher als die Zielvorgabe von 85 %, wurden die Gebühren alle drei Monate um 25-Cent/ Stunde erhöht, war sie niedriger, wurden sie entsprechend gesenkt. Die Folge: Jeder Straßenabschnitt hatte nach einer gewissen Zeit den Preis, den er brauchte, um die Parkplatzsuche am Straßenrand unnötig zu machen. In der Regel fand nun jeder Autofahrer gleich bei der Ankunft einen freien Parkplatz. Ohne langes Suchen. Es zeigte sich, dass die Preise oft schon in der nächsten Seitenstraße, oder gar nur um die Ecke deutlich niedriger waren. Die Besucher konnten also den Fußweg gegen den Preisunterschied abwägen und sich entsprechend entscheiden. Um bei dem Beispiel Zürich zu bleiben: In Simulationsstudien unseres Instituts für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) an der ETH Zürich zeigte sich, dass es in Teilen der Stadt sinnvoll sein könnte, überhaupt keine Gebühr zu erheben. Was also wäre zu tun? Die Stadt müsste die gesetzlichen Grundlagen schaffen, um eine solche dynamische Gebührenfestlegung zu ermöglichen. Sie müsste die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen: die notwendigen Sensoren kaufen, installieren und betreiben, um die Belegungen zu messen. Das ist teuer, aber heute lange nicht mehr so teuer wie für SFpark. Sie müsste dort Obergrenzen der Parkdauer festlegen, wo sie Dauerparker befürchtet. Sie müsste Behindertenparkplätze neu festlegen, die Wirkungen des Systems beobachten. Sie müsste auch eine Web-Seite oder App für die aktuellen Preise auflegen und mit dem allfälligen Unmut leben, dass sie die Preise erstmal alle drei Monate ändert. Doch es wäre ein Beweis dafür, dass die Stadt lernen, sich ihrem Rhythmus anpassen und (im Zeitalter der Digitalisierung) mithilfe moderner Technik ihre Ziele erreichen kann: bessere Luft, weniger Lärm, weniger Unfälle und weniger Zeitverschwendung. Der Einzelhandel wird gewinnen, wenn alte und neue Kunden ohne Suchzeiten zu ihm finden. Einzelhändler an Standorten mit sinkendem Parkentgelt gewinnen doppelt. Und Händler an teureren Standorten können sicher sein, dass ihre Kunden nicht auch noch durch die Parkplatzsuche gestresst sind. Und schließlich: Ein solches nachfragegerechtes System könnte unter dem Strich die Einnahmen der Stadt erhöhen. Die lassen sich sinnvoll für andere Mobilitäts- Maßnahmen verwenden - sagen wir: den Ausbau des ÖV, die Bereitstellung von Park-Ride-Plätzen am Stadtrand und die weitere Umstrukturierung der Innenstadt im Sinne des Mobilitätswandels. Die knappe Ressource Parkplatz in der Stadt so teuer, wie notwendig, aber nicht teurer als nötig machen - was spricht eigentlich dagegen? Ihr Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich Foto: privat Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 4 POLITIK 12 Engpassfaktor Planungsingenieure Wie der akute Fachkräftemangel notwendige Investitionen behindert Thomas Puls Oliver Koppel 15 Wie kritisch ist „Kritische Infrastruktur“? Standpunkt Heinz Schulte 16 Kostenwahrnehmung bei PKW-Reisen Empirische Analyse zur Schätzung der PKW-Kosten und der wahrgenommenen Kostenkomponenten bei Autofahrern im DACH-Gebiet Andreas Krämer 20 Chancen und Grenzen des Carsharing Lenkungswirkung realistisch einordnen! Andreas Kossak LOGISTIK 40 Industrietore: Der Einsatzzweck entscheidet Michael Rahe 42 Flüssig-Erdgas als Option LNG auch für die Containerschifffahrt attraktiv Dirk Ruppik 44 Serbiens logistische Lücke Eli Wortmann-Kolundžija INFRASTRUKTUR WISSENSCHAFT 24 Bahnhof und Bahnhofsfunktionen aus Nutzerperspektive Ergebnisse am Beispiel des Umbaus des Bahnhofs Ludwigsburg zum „Wohlfühlbahnhof“ Karsten Hager Wolfgang Rid Carolin Herdtle Felix Märker Diana Böhm 30 Mobilitätsmanagement für einen Hochschulcampus Entwicklung eines integrierten Mobilitätskonzepts für den Campus Weihenstephan in Freising Julia Kinigadner Gebhard Wulfhorst Montserrat Miramontes Chenyi Ji 34 Economical assessment of the High Speed Railway Proposed (Cairo - Luxor) HSR line as case study Mohamed Abdelnaby Mahmoud A. M. Ali Jürgen Siegmann Sie finden Internationales Verkehrswesen mit umfangreichem Archiv und aktuellen Terminen unter: www.internationalesverkehrswesen.de Foto: Städtebau-Institut der Universität Stuttgart Foto: TOTE Marine Foto: Nadinlisa/ Pixabay EXTRA 200. Geburtstag Werner von Siemens 61 Werner von Siemens - Erfinder, Unternehmer, Visionär 64 „Ingenieursdenken ist mehr denn je gefragt“ Interview mit dem CEO der Siemens-Division Mobility, Dr. Jochen Eickholt Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 5 INHALT November 2016 47 Echtzeitdaten im ÖPNV Welche Anforderungen haben Fahrgäste an Informationen - und was ist besser: Apps oder Haltestellen-Anzeigen? Kathrin Viergutz 50 Mobilitätsmonitor Nr. 3 - November 2016 Frank Hunsicker Benno Hilwerling Robert Schönduwe Lena Damrau Benno Bock Vipul Toprani Helga Jonuschat Sina Nordhoff Christian Scherf 54 CarSharing und Mobilitätsbudget statt Dienstwagen? Alina Steindl Wolfgang Inninger WISSENSCHAFT 57 Computergestützte Mobilitätsforschung Fragestellungen, Daten und Methoden Christina Pakusch Paul Bossauer Johanna Meurer Gunnar Stevens TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 11 Kurz + Kritisch 23 Bericht aus Brüssel 79 Forum Veranstaltungen Medien 81 Impressum | Gremien 82 Vorschau | Termine AUSGABE 1/ 2017 Digitalisierung nutzen - Mobilitäts-Wandel - IT und Kommunikation - Nutzerverhalten und Komfort - Business-Modelle - Luftverkehr erscheint am 24. Februar 2017 65 Update der Schiene: Innovationen im Bahnverkehr Partizipative Technikentwicklung im Projekt Galileo Online: GO! Helga Jonuschat René Zweigel Valentin Jahn Ulrike Walter 68 Fernüberwachung bahntechnischer Systeme André Brückmann 70 Zukunftsfähige Sicherheitstechnik für die Bahn Offene COTS-Steuerungen als flexible Lösungen im digitalen Schienenverkehr Sedat Sezgün 73 Nächste Station: Cloud Transport for London setzt auf Cloud-Infrastruktur Robert Belle 76 Qualitätssicherung über eigenen Bahnbau Ein neues Transportsystem erhöht die Flexibilität der Kölner Verkehrs-Betriebe Stephan Anemüller Foto: Sven Krautwald | fotolia.com Bildquelle: Transport for London MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 6 IM FOKUS Skandinavien setzt verstärkt auf Elektro-Antriebe im-Schiffbau D ie Reederei Fjord1 hat zwei neue batteriebetriebene Fähren mit Siemens- Technik bestellt. Die Schiffe werden auf der 2,4 km langen Route E39 zwischen Anda und Lote an der Westküste Norwegens verkehren und über eine Kapazität von 120 Autos, 12 Anhängern und 349 Passagieren verfügen. Der Betrieb soll im Januar 2018 aufgenommen werden. Die elektrische Antriebslösung BlueDrive PlusC umfasst Lithium- Ionen-Batterien als Energiespeicher, Strahlruder und Fernsteuerung der Propeller, ein Energiemanagementsystem sowie ein integriertes Alarm- und Überwachungssystem. Die Batterien der Schiffe werden nach jeder Überfahrt über einen Landanschluss geladen, der in das örtliche Versorgungsnetz integriert ist. Der Ladevorgang wird von den Fähren über W-LAN kontrolliert. Die Route E39 an der Westküste Norwegens ist die erste Fährverbindung, bei der die Straßenverwaltung des Landes den Einsatz von emissionsfreier Technologie vorschreibt. Für die Ausschreibung wurde festgelegt, dass eine der beiden Fähren emissionsfrei und die zweite Fähre emissionsarm betrieben werden muss. Fjord1 entschied sich schließlich für zwei batteriebetriebene Fähren, mit denen sich ein besseres Gesamtergebnis erzielen lässt, sowohl finanziell als auch unter dem Aspekt der Umweltfreundlichkeit. Skandinavien setzt als erste Region der Welt verstärkt auf batteriebetriebene und damit umweltschonende Technologien im Schiffbau. Bereits im Mai 2015 ging in Norwegen die weltweit erste elektrische Autofähre „Ampere“ in Betrieb. Ihre Lithium- Ionen-Batterien werden mit Strom aus Wasserkraft geladen. In Finnland wird der Einsatz der ersten batteriebetriebenen Autofähre im Sommer 2017 beginnen. Die umweltfreundliche Fähre wird auf der 1,6-km langen Strecke zwischen Nauvo und Parainen im Schärengebiet Turku eingesetzt. Die finnische Schifffahrtsgesellschaft FinFerries hat den Neubau bei der polnischen Werft CRIST S.A. bestellt. Zwei neue batteriebetriebene Fähren von Fjord1 sollen 2018 in Norwegen den Betrieb aufnehmen. Bild: MultiMaritime Mexico City: Mit der Seilbahn pünktlich unterwegs D ie erste urbane Seilbahn Mexikos ist fast fünf Kilometer lang: Die „Mexicable“ besteht aus zwei Kabinenbahnen und trägt einen wichtigen Teil zur Lösung von Verkehrsproblemen in Ecatepec de Morelos, einem bevölkerungsreichen Stadtteil von Mexico City, bei. Die Anlage wird täglich 17 Stunden im Einsatz sein und dabei 3000 Personen pro Stunde befördern. Sie ist direkt an das öffentliche Verkehrssystem angeschlossen. Für die Bewohner und Besucher von Ecatepec de Morelos bedeutet diese Verbindung eine erhebliche Erleichterung und Verbesserung der Lebensqualität. Die Seilbahn besteht aus zwei voneinander unabhängigen und durch eine Umsteigestation verbundenen Kabinenbahnen, die die Via Morelos mit San Andrés de la Cañada verbinden. Auf den Streckenabschnitten von 2,9 und 1,8 Kilometern gibt es insgesamt sieben Stationen für den Zu- und Ausstieg. Die von regionalen und internationalen Künstlern bemalten Stationen beleben das Stadtbild. Da im städtischen Gebiet kein Einsatz von Helikoptern möglich war, wurden für die Montage an manchen Stellen besondere, technische Hilfsmittel gewählt. So wurde etwa für die Montage des Seils eine Drohne eingesetzt. Foto: Leitner Ropeways Aktuelle Meldungen finden Sie im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 7 IM FOKUS Low-Cost-Carrier auf der Langstrecke im Aufwind D ie Low-Cost-Carrier expandieren - das zeigt der nun erschienene „Low Cost Monitor 2/ 2016“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der seit zehn Jahren jeweils im Frühling und Herbst veröffentlicht wird. Norwegian Air und Eurowings steuern zunehmend Ziele außerhalb Europas an, Ryanair mischt den deutschen Markt weiter auf und baut derweil die Marktführer-Positionen innerhalb Europas aus. Dabei verhalten sich die Ticketpreise unterschiedlich. Das Streben der Ryanair, auf größeren Flughäfen zu expandieren, scheint mit steigenden Entgelten seinen Preis zu haben. Dagegen sinken beispielsweise bei der vorwiegend von kleineren Flughäfen agierenden Wizzair die Verbraucherkosten. Überhaupt führt die hohe Dynamik im Low-Cost-Markt zusammen mit konstant günstigen Kerosinkosten zu teilweise deutlich fallenden Ticketpreisen. Die Durchschnittspreise, die im Low Cost Monitor je nach Carrier auf Grundlage verschiedener Vorausbuchungszeiträume von einem Tag bis zu drei Monaten ermittelt werden, lagen im Sommer 2015 noch zwischen 45 und 115 Euro brutto, in diesem Sommer zwischen rund 40 und 105 Euro brutto. Europaweit bauen Ryanair und Easyjet ihre Ma r k tf ü h re r s c h a ft weiter aus. Ryanair unterhält mittlerweile 2303 Verbindungen auf dem Kontinent und Easyjet folgt mit 1370 Strecken. Auch der Wettbewerb unter den Günstigfliegern in Europa nimmt weiter zu. Mittlerweile gibt es 1098 Strecken, auf denen zwei Anbieter unterwegs sind, und sogar mehr als 130 Verbindungen, auf denen mehr als zwei Anbieter fliegen. Um den Angebotsausbau bewältigen zu können, benötigen die Carrier entsprechend viele geeignete Flugzeuge. Dies ist in den meisten Fällen ein Fluggerät der Typenreihen Boeing 737 und Airbus A320. Foto: Köln-Bonn-Airport ÖBB mit Nachtreisezug-Angebot in Deutschland A b 11. Dezember 2016 übernehmen ÖBB Nightjets das Nachtzug-Geschäft mit wichtigen Verbindungen auch in Deutschland. Zu den neun bestehenden Nachtreisezügen kommen weitere sechs hinzu. Die DB bietet als Ergänzung zu den ÖBB Nightjets ab Dezember Nacht-ICs an. Damit haben Fahrgäste eine große Auswahl unter verschiedenen Nachtverbindungen zwischen Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien sowie innerhalb Deutschlands. Die sechs neuen ÖBB Nightjet-Linien verbinden täglich Hamburg und Düsseldorf mit München und Innsbruck, ebenso Hamburg und Berlin mit Zürich sowie München mit Venedig, Rom und Mailand. Ebenfalls neu: Auf der Strecke Hamburg - Innsbruck können täglich sowie zwischen Düsseldorf und Innsbruck dreimal pro Woche Autos und Motorräder mit den Nightjets befördert werden. Auf allen Strecken können Kunden aus unterschiedlichen Komfortstufen wählen. Angeboten werden 1-, 2- oder 3-Bett-Abteile im Schlafwagen, 4- oder 6-Bett-Abteile im Liegewagen sowie Sitzplätze im klassischen Reisezugwagen. Bis 2020 wollen die ÖBB mit dem erweiterten Nightjet-Angebot 1,8 Mio. zusätzliche Fahrgäste befördern und damit in den nächsten drei Jahren rund 5 Mio. Fahrgäste an Bord begrüßen. Derzeit sind jährlich rund 1 Mio. Fahrgäste in den ÖBB Nachtreisezügen unterwegs. Mit den erzielbaren Synergieeffekten wollen die ÖBB bereits im Einführungsjahr 2017 das EBIT verbessern. Die Kundenzufriedenheit soll durch die Modernisierung des Fuhrparks weiter gehoben werden. www.nightjet.com Erweiterungen im Nachtzug- Streckennetz ab Dezember 2016. Grafik: ÖBB Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 8 IM FOKUS Forschungsprojekt DELTA macht Elektromobilität sicherer D as Projekt „Datensicherheit und Datenintegrität in der Elektromobilität beim Laden und eichrechtskonformen Abrechnen“, kurz DELTA, soll Elektro-Autos auch sicherheitstechnisch auf die Überholspur bringen. Sowohl während der Fahrt als auch beim Ladevorgang tauschen Elektroautos Daten aus. Um eine korrekte Abrechnung und Verbraucherschutz sicher zu stellen, müssen Datensicherheit und Datenschutz immer gewährleistet sein. Die internationale Standardisierung hat mit der heute schon gültigen Norm ISO 15118 erfolgreich eine Basis für die Kommunikation zwischen dem E-Fahrzeug und der Ladeinfrastruktur geschaffen. An der Prozess- und Wertschöpfungskette von Ladevorgängen und Mehrwertdiensten sind jedoch weitere Akteure beteiligt: Drittanbieter, Energieversorger, Netzbetreiber, Flottenmanager oder auch Fahrzeughersteller mit Serviceleistungen wie zum Beispiel Kartendiensten. Hier ist die Kommunikation heute noch nicht standardisiert. Auch erfasst die Normung bisher weder die Absicherung des Fahrzeugs und der Ladeeinrichtung selbst noch die Absicherung der angebundenen Backend- und Abrechnungssysteme. Erklärte Ziele des Projektes DELTA sind deshalb durchgängiger Datenschutz sowie Datensicherheit bei Mess- und Abrechnungsprozessen für den Elektromobilitätsnutzer. Am Projektende sollen Handlungsempfehlungen für Produkthersteller, Infrastrukturbzw. Service-Anbieter (Schwerpunkt KMU) und Normungsgremien stehen. Gefördert wird das auf drei Jahre angelegte Projekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Weitere Informationen: www.delta-elektromobilitaet.de Kritische Infrastrukturen sicher schützen D as Systemhaus Securiton, spezialisiert auf elektronische Sicherheitslösungen, bringt mit den Detektionszäunen der SecuriFence Systemfamilie gleich zwei neue Lösungen für den Objekt- und Perimeterschutz auf den Markt. Detektionszäune markieren nicht nur Begrenzungen, sondern sind ruhestromüberwacht und melden bereits den Versuch, darüber zu klettern oder Maschen zu durchtrennen. Da diese Funktion zunächst nicht zu erkennen ist, können sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden, ohne Eindringlinge zu alarmieren. SecuriFence ST ist ein mit Ruhestrom detektierendes Stahlnetz, das für den Schutz kritischer Infrastrukturen etwa an Flughäfen entwickelt wurde, durch sein dezentes Design aber auch im repräsentativen Umfeld von Museen, Finanzhäusern oder exponierten Wohnlagen eingesetzt werden kann. Das rollbare und nahezu wartungsfreie Detektionsnetz wird in jeder Größe und Dimension in Deutschland produziert. Da die Abstände der Drahtseile frei wählbar sind, kann Securi- Fence ST für die Erstinstallation, die Sanierung von Bestandszäunen, als Durchsteigschutz bei Gebäudeöffnungen oder zur Reparatur beschädigter Zäune eingesetzt werden. Das Netz bleibt unbeeinflusst von Umwelteinflüssen und Pflanzenbewuchs und kann in der Vegetation verborgen werden. Für Bereiche mit höchster Gefährdungslage wurde der ruhestromüberwachte Detektionszaun SecuriFence AL entwickelt. Er widersteht er auch schweren Attacken und detektiert alle Versuche, ihn zu durchdringen oder zu überwinden. Ein Zentimeter dicke, ineinander verflochtene Aluminiumröhren bilden die massive Zaunmatte. Unsichtbar im Inneren verlaufen mittels Ruhestrom detektierende Drähte, die beim Durchtrennen, Aufhebeln oder Sabotieren Alarm auslösen. Der Hochsicherheitszaun aus reinem Aluminium ist nahezu wartungsfrei, vergleichsweise leicht, hitzebeständig und unabhängig von natürlichen Einflüssen wie Pflanzenbewuchs, Regen oder Nebel. So kann er diskret in Hecken verborgen und mit Pflanzen begrünt werden - ein klarer Vorteil auch für den Einsatz im repräsentativen Umfeld. Kombiniert mit intelligenter Videoüberwachung, kann SecuriFence AL für lückenlosen Perimeterschutz mit punktgenauer Detektionsmöglichkeit eingesetzt werden. www.securiton.de Aluminiumröhren und Alarmdrähte des Hochsicherheitszauns SecuriFence AL Ruhestromüberwachtes Detektionsnetz SecuriFenceST Bilder: Securiton Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 9 IM FOKUS Zuverlässiger Perimeterschutz Securiton GmbH Alarm- und Sicherheitssysteme Hauptsitz 77855 Achern www.securiton.de Ein Unternehmen der Securitas Gruppe Schweiz Ruhestromüberwachter Detektionszaun SecuriFence AL · Höchste Sicherheit und frei von Täuschungsalarmen · Detektion ohne Vorwarnung, da die verbaute Technik äußerlich nicht erkennbar ist · Schutz von hochgefährdeten Einrichtungen rund um die Uhr · Punktgenaue Detektion möglich Rail2X - die Schiene spricht mit der Straße I ntelligente Autos der Zukunft kommunizieren miteinander und mit der umgebenden Infrastruktur. Möglich macht dies die sogenannte Car2X-Technologie, die zu mehr Effizienz, Komfort und Sicherheit im Straßenverkehr beitragen kann. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) setzt diese Technologie nun mit Rail2X verkehrsträgerübergreifend für die Kommunikation zwischen Schiene und Straße ein. Mit der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) stehen den Braunschweiger Wissenschaftlern unter anderem eine Forschungskreuzung, eine Teststrecke auf dem Braunschweiger Innenstadtring und verschiedene Simulatoren zur Verfügung. Ziel der Forschung ist mehr Sicherheit am Bahnübergang: So könnte ein herannahender Zug künftig dem Bahnübergang die Information übermitteln, wann er diesen passiert. Der Autofahrer erhält zeitgleich von dem Bahnübergang eine Warnmeldung in seinem Head-Down-Display und kann dementsprechend frühzeitig reagieren. Ein anderes Szenario könnten Bedarfshalte bei regionalen Bahnen sein: Mittels Smartphone oder Knopf am Bahnsteig kann der Reisende dem herannahenden Zug mitteilen, dass er mitfahren möchte. Erhält der Zug keine Meldung, kann er den Bahnhof ohne Halt passieren. So können Zeit und Kosten gespart werden. Erste Tests waren erfolgreich. Damit der Zug jedoch auch außerhalb der Tests direkt mit dem Fahrzeug kommuniziert und die vielen möglichen Szenarien realisierbar werden, müssen die Car2X-Standards an die bestehenden Sicherheitssysteme der Bahn angepasst werden. http: / / www.dlr.de/ ts/ Rail2X kann mehr Sicherheit am Bahnübergang bringen. Bild: DLR DSLV veröffentlicht Positionspapier zu Lang-LKW D er Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) als Spitzenverband der Branche betrachtet den Lang-LKW in sämtlichen Typ-Varianten als ein zukunftsweisendes Fahrzeugkonzept mit ökonomischen und ökologischen Vorteilen. In einem Positionspapier fordert der Spitzenverband deshalb die generelle Zulassung aller bisher am Feldversuch teilnehmenden Typen des Lang-LKW auf einem flächendeckenden Streckennetz auf Basis einer unbefristeten Ausnahmeverordnung zum 1. Januar 2017. Für eine Zulassung im Regelbetrieb reicht die rechtliche Basis der bisher gültigen Ausnahmeverordnung nicht aus, da der verlängerte Sattelzug nicht der Definition des modularen Konzepts gemäß Artikel 4 Absatz 4 der EU-Richtlinie 96/ 53/ EG genügt. Die Möglichkeit für seinen Einsatz bietet hingegen Artikel 4 Absatz 5 der EU-Richtlinie. Die Mitgliedstaaten dürfen danach zulassen, dass Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen, die auf neuen Technologien oder Konzepten beruhen und die Anforderungen der Richtlinie nicht einhalten, während eines Versuchszeitraums in bestimmten örtlichen Verkehrsbereichen eingesetzt werden können. Der DSLV hält in seiner Empfehlung an der Gewichtslimitierung von 40 Tonnen fest. Zudem sollte der Lang-LKW auch in einem erweiterten Positivnetz, das die wichtigsten logistischen Knotenpunkte der verladenden Wirtschaft und die Umschlagzentren der Logistikdienstleister miteinander verbindet, nicht für die Belieferung innerstädtischer Standorte eingesetzt werden. www.dslv.org Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 10 IM FOKUS Auszeichnung für aCar-Projekt M it dem Projekt „aCar“ der Technischen Universität München (TUM) soll Elektromobilität auch für die ländliche Bevölkerung in armen Regionen mit schlechter Infrastruktur nutzbar werden. Das „aCar“ wurde von vier TUM-Lehrstühlen in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Deutschland und mehreren afrikanischen Ländern entwickelt. Der Freistaat Bayern hat das Konzept jetzt mit dem Bayerischen Staatspreis für Elektromobilität ausgezeichnet. Das „aCar“ wurde in Hinblick auf die Mobilitätsprobleme der ländlichen Bevölkerung in abgelegenen Gegenden mit schlechter Infrastruktur, insbesondere in afrikanischen Ländern südlich der Sahara entwickelt. Das Konzept wurde gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern in Nigeria, Ghana, Kenia und Tansania entwickelt. Erklärtes Ziel des interdisziplinären Forschungsteams ist es, ein Mobilitätskonzept anzubieten, das dazu beiträgt, die Landflucht in die Stadt zu vermeiden und ländliche Regionen selbstbestimmt zu stärken. Das „aCar“ ist geländegängig, kann mit Solarstrom geladen werden und ist vor allem modular aufgebaut. Mit unterschiedlichen Aufbauten kann es sowohl Personen als auch Lasten transportieren. Durch zusätzliche Module kann das Auto darüber hinaus unter anderem als Werkzeug für den Ackerbau und als Energiequelle für andere Geräte dienen. Aufgrund des modularen Aufbaus kann das Basis-Fahrzeug zu vergleichsweise niedrigen Preisen angeboten werden - je nach gewünschtem Einsatzgebiet können benötigte Funktionsmodule gekauft oder gemietet. www.acar.tum.de Flughafen Stuttgart setzt auf Elektro-Flotte I m Rahmen eines Scale-up! genannten Innovationsprojekts will die Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) in den nächsten drei Jahren eine umweltverträgliche Flugzeugabfertigung durch Elektromobilität vorbereiten. Künftig soll auf dem Vorfeld flächendeckend eine Elektro-Flotte eingesetzt werden. Im Fokus des aktuellen Feldversuchs stehen die Technologiereife und das Betriebsverhalten der Geräte. Außerdem wird untersucht, wie sich Vorfeldfahrzeuge mit Elektroantrieb von ihrer Produktion, über die Energieversorgung bis hin zur Entsorgung der Batterie auf Umwelt und Wirtschaftlichkeit auswirken. Zum Projektkonsortium gehören der Flughafenbetreiber, der Abfertigungsdienstleister Losch Airport Service GmbH als weiterer Anwender am Flughafenstandort und das Öko-Institut e.V., das den Praxiseinsatz wissenschaftlich begleitet. Koordinator des Forschungsvorhabens ist der Flughafen Stuttgart. Scale-up! soll der Branche als Beispiel dienen. Die Projektpartner wollen sämtliche Handlungsempfehlungen und Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, die so auf andere Flughäfen weltweit übertragen werden können. Ende Juni 2016 schloss der Landesflughafen, der zu einem der nachhaltigsten Flughäfen in Europa werden will, die dreijährige Erprobungsphase der elektrischen Vorfeldflotte „efleet“ als Teil des LivingLab BWe mobil ab. Passagier- und Gepäcktransport sollen 2017 vollständig auf Elektroantriebe umgestellt werden. Dafür werden die verbleibenden zehn der ursprünglich insgesamt 16 Diesel-Passagierbusse und sechs Hybridschlepper durch abgasfreie, batteriebetriebe Neufahrzeuge ersetzt. Elektrischer Push-back am Flughafen Stuttgart Bild: FSG Grafik: TUM Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 11 Finanzierungsrisiken und eine problematische Ministeraufforderung D er Bundesverkehrswegeplan 2030 ist mit seinem Gesamtvolumen von 270 Mrd. EUR weniger strittig verabschiedet worden als seine Vorgänger. Dazu hat sicherlich auch die allgemein akzeptierte Dominanz der Erhaltungsinvestitionen gegenüber Neu- und Ausbaumaßnahmen beigetragen wie auch eine hohe Berücksichtigung der notwendigen Investitionen für das Eisenbahnschienennetz. Generell scheint die mehrjährige kritische Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsdiskussion eine Beruhigung erfahren zu haben. Dennoch besteht kein Grund, die verbleibenden Risiken und noch ungelösten Finanzierungsprobleme auszublenden. So muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass der Bundesverkehrswegeplan nur ein verkehrspolitisches und planungsbedeutsames Absichtsprogramm darstellt, dessen Finanzierung und Umsetzung erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt ist. Ob die erforderlichen Haushaltsmittel des Bundes bis 2030 überhaupt verfügbar sind und wie viel Zeit und politische Entscheidungsfähigkeit notwendig sind, die Projekte in den Mehrjahres-Ausbauplänen zu verankern und dann auch die erforderlichen Planungskapazitäten und letztlich auch das Baurecht zu erlangen, ist vor allem Hoffnung. Dass diese Hoffnung kein hohes Niveau aufweist, zeigen die Erfahrungen mit den niedrigen Zielerreichungsgraden der bisherigen Bundesverkehrswegepläne. Hinsichtlich der Finanzierungssituation für die Verkehrsinfrastruktur beklagt die Versicherungswirtschaft, dass wegen politisch motivierter Kritik und bürokratischer Hemmnisse in Deutschland die vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten aus ihrem Bereich nicht genutzt werden. Es seien hohe Milliardenbeträge auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten verfügbar, mit Kreditlaufzeiten bis zu 30 Jahren. So müsse die deutsche Versicherungswirtschaft vor allem Investitionen im Ausland finanzieren. Ein anderes Investitionsrisiko hat sich aktuell aufgetan, allerdings verbrämt als Fortschritt der Umweltpolitik. So ist vorgesehen, in Umsetzung von EU-Vorgaben das Klagerecht der Umweltverbände wesentlich zu erweitern. Damit dürfte es nach allen vorliegenden Erfahrungen zu deutlichen Erschwernissen bei der Umsetzung von Verkehrsinfrastruktur-Investitionen kommen. Ungeklärt ist die ab 2020 wirksam werdende Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern für den ÖPNV in Deutschland hinsichtlich der dringend erforderlichen hohen Ersatzinvestitionen im stationären Anlagenbereich sowie auch der unabdingbaren Erweiterungsinvestitionen aufgrund der stark steigenden Benutzerfrequenzen. Denn 2019 laufen die sog. Entflechtungsmittel (früher: GVFG-Mittel) als gesicherte Grundlage (seit 1967! ) für ÖPNV-Strecken, Stationen und Werkstätten in den Kommunen aus. Insgesamt geht es um einen Betrag von jährlich 1,36 Mrd. EUR, für den ab 2020 keine Zweckbindung für Verkehrsinvestitionen mehr vorgesehen ist. Zusätzlich ist ungeklärt, wie eine Finanzierung der verfallenden ÖPNV-Infrastruktur konzipiert werden könnte, denn bereits nach GVFG-Richtlinien konnten sie nicht aus diesem Programm bedient werden. Die nach langem Ringen auf 8,2-Mrd. EUR p.a. angehobenen und mit 1,8 % dynamisierten Regionalisierungsmittel stehen hierfür nicht zur Verfügung. Für die DB AG hat der Beschluss des Eigentümers Bund, das Eigenkapital um 1,0 Mrd. EUR aufzustocken und die Dividendenforderung für vier Jahre um je 350 Mio. EUR zu reduzieren, eine finanzpolitische Entlastung gebracht. Allerdings war die Festlegung einer Pflichtdividende durch den Eigentümer vor Kenntnis der Ergebnislage bei Aktiengesellschaften eine völlig unübliche Vorgehensweise, insbesondere auch wegen der Folge, diese Dividende für 2015 über Kreditaufnahme zu finanzieren. Mit beträchtlichen Risiken ist auch die Preispolitik im Schienenpersonenfernverkehr der DB AG verbunden. Sie wird getrieben durch den intensiven Preiswettbewerb des Fernbusverkehrs und senkt den Durchschnittserlös im ICE- und IC-Verkehr nachhaltig. Unklar bleibt, wie aus diesem Yield-Verfall herauszukommen ist. In diesem Zusammenhang irritiert, dass der Bundesverkehrsminister den DB-Vorstand aufforderte, die 19-Euro-Tickets über den September 2016 zu verlängern. Zumindest war die Presseerklärung des BMVI hier eindeutig: „Bezüglich eines attraktiven Anbieters auf der Schiene hat Minister Dobrindt die Bahn aufgefordert, die 19-Euro-Tickets auch über den September hinaus zu verlängern.“ Rechtlich muss diese Eigentümeraufforderung an den AG-Vorstand als bedenklich und unangemessen beurteilt werden, denn generelle und Einzelfallweisungen sind unzulässig. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 12 Foto: Nadinlisa/ Pixabay Engpassfaktor Planungsingenieure Wie der akute Fachkräftemangel notwendige Investitionen behindert Verkehrsinfrastruktur, Investitionsstau, Planungsingenieure, Demografie, Fachkräftemangel, Straßenbauverwaltung Der Fachkräftemangel in den Verwaltungen ist dabei, zum größten Problem für die Verkehrsinfrastruktur zu werden. In der Vergangenheit haben die Straßenbaubehörden der Länder viel Personal abgebaut. Das betrifft auch die Ingenieure in den Planungsabteilungen. Beim Versuch, wieder zu rekrutieren, stoßen die Länder auf einen Arbeitsmarkt mit starkem Bewerbermangel. Die demografische Herausforderung verschärft die Probleme weiter, denn ein Viertel aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Planungsingenieure ist mindestens 55 Jahre alt und wird in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Autoren: Thomas Puls, Oliver Koppel M it dem Bericht der Pällmann- Kommission aus dem Jahr 2000 war die Unterfinanzierung der Bundesverkehrswege ein offenes Geheimnis [1]. Es dauerte dennoch gut 15 Jahre, bis die Finanzplanung eine Trendwende vollzog. Die Investitionen in die Bundesfernstraßen sollen nun von 5,1 Mrd. EUR im Jahr 2015 auf über 7- Mrd. EUR im Jahr 2018 steigen und auf diesem Niveau bis 2020 bleiben. Damit nähern sich die geplanten Investitionen dem an, was einst als Bedarf geschätzt wurde. Bereinigt man den Investitionshochlauf aber um die Preisentwicklung im Straßenbau, so stellt man fest, dass damit eher die realen Investitionsrückgänge der letzten zehn Jahre ausgeglichen werden dürften. Manche Länder können die knappen Mittel nicht mehr ausschöpfen. Umso mehr irritiert es dann, dass es vielen Ländern schon im Jahr 2015 nicht gelungen ist, die eigentlich viel zu knappen Mittel auch wirklich abzurufen. Vor allem die kleineren Flächenländer scheiterten hier, wie Bild 1 dokumentiert. Die frei werdenden Mittel konnten insbesondere von Bayern aufgenommen werden, sodass es zu keinen peinlichen Rückzahlungen an den Finanzminister kam. Es steht aber zu befürchten, dass mit dem geplanten Investitionshochlauf noch weitere Verwaltungen nicht mehr in der Lage sein werden, die ihnen zustehenden Mittel auch zu verbauen. Die Probleme gehen weit über die Unterfinanzierung hinaus. Dieser Vorgang zeigt aber dennoch, dass die Probleme in der staatlichen Straßenbauverwaltung über das bloße Problem der Unterfinanzierung hinausgehen. Besonders schwer dürften dabei zwei strukturelle Probleme wirken, die sich auch noch gegenseitig verschärfen: • Die ständig zunehmende Komplexität der Beschaffungsvorgänge in der Straßenbauverwaltung • Der massive Abbau von qualifiziertem Personal in diesen Behörden Auch wenn das inzwischen extrem komplexe Regelwerk und die deutlich ausgeweiteten Klagemöglichkeiten gegen Infrastrukturmaßnahmen einen erheblichen Hemmschuh für die Verkehrspolitik darstellen, wollen wir uns im Folgenden auf die Probleme fokussieren, die durch den Fachkräftemangel verursacht werden. Es ist zu konstatieren, dass viele Bundesländer in ihren Straßenbauverwaltungen im großen Umfang Personal eingespart haben. Lang laufende Abbaupläne gab es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und sogar in Bayern [3]. Wie in den meisten Bereichen des öffentlichen Dienstes wurde der Personalabbau dabei im Wesentlichen durch den Verzicht auf Neueinstellungen POLITIK Verkehrsinfrastruktur Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 13 Verkehrsinfrastruktur POLITIK durchgeführt. Das hat nicht nur die aktuelle Bearbeitungskapazität der Behörden gesenkt, sondern führt auch zu einer ungesunden Altersstruktur in den Ämtern. So ergab eine Sonderauswertung des Mikrozensus, dass unter den baunahen Ingenieuren im öffentlichen Dienst die Gruppe der unter 34-Jährigen kaum vertreten ist. Daher erreichen die baunahen Ingenieure im öffentlichen Dienst ein Medianalter von 49 Jahren, und vieles deutet darauf hin, dass hier eine drastische Pensionierungswelle ansteht. Diese Prozesse lassen sich exemplarisch auch am Beispiel des Landesbetriebes Straßen.NRW zeigen. Seit seiner Gründung im Jahr 2002 hat Straßen.NRW sein Personal von 7075 auf 5627 Mitarbeiter im Jahr 2014 reduziert, vor allem durch den Verzicht auf Neubesetzungen [4]. Auch die Zahl der Ingenieure sank bis 2013 um gut 10 %. Im Jahr 2013 musste NRW in der Folge über 40 Mio. EUR nicht genutzte Gelder für die Bundesfernstraßen an den Bund zurückgeben. Seither versucht das Land zu rekrutieren. Vor dem Hintergrund von geplantem Investitionshochlauf und drohender Pensionierungswelle sind auch die übrigen Straßenbauverwaltungen jetzt gezwungen, auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu werden, wenn sie verhindern wollen, dass der Fachkräftemangel die Sanierung der Infrastruktur noch stärker als bislang bereits ausbremst. Leider zeigt sich aber, dass der Arbeitsmarkt für die erforderlichen Spezialisten extrem eng ist. Um eine möglichst präzise Aussage über die Herausforderungen beim Recruiting zu machen, haben wir ausschließlich jene Ingenieurberufe analysiert, die in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen (wie Bauingenieur/ in - Verkehr oder Brückenbauingenieur/ in) tätig sind. Ähnliche Berufe - etwa in der Stadt- und Raumplanung, in der Bauplanung und -überwachung oder in der Überwachung und Steuerung des Verkehrsbetriebs - werden bewusst von der Betrachtung ausgeschlossen. Um einen besseren Lesefluss zu gewährleisten, werden Ingenieurberufe in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen im Folgenden verkürzt als Planungsingenieure bezeichnet. Auf Basis der aktuellen Klassifikation der Berufe [5] lassen sich Planungsingenieure dem Aggregat der baunahen Ingenieurberufe zuordnen [6]. Planungsingenieure: Viele offene Stellen, wenig Arbeitslose Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Juni 2016 insgesamt 76 Stellen für Planungsingenieure gemeldet. Dabei handelt es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Dem gegenüber standen 28 Arbeitslose, die eine Beschäftigung als Planungsingenieur suchten. Mit einem Wert von 271 des normierten Engpassindikators, das heißt einem Verhältnis von 271 offenen Stellen je 100 Arbeitslose, zeigt sich bei Planungsingenieuren aktuell ein gravierender Arbeitskräfteengpass (Tabelle 1). Der Engpass ist sogar viel gravierender als beispielsweise bei Informatikern (76) oder Elektrotechnikern (78). Zudem hat sich der Engpass bei den Planungsingenieuren im Vergleich zur Situation vor vier Jahren deutlich verschärft, da die Arbeitskräftenachfrage deutlich stieg (+81 %) während die Zahl der Arbeitslosen kräftig sank (-42 %). Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die gesamtwirtschaftliche Arbeitskräftenachfrage durch den Stellenpool der BA untererfasst wird, denn laut eigener Aussage wird „knapp jede zweite Stelle des ersten Arbeitsmarktes bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, bei Akademikerstellen etwa jede vierte bis fünfte“ ([7], S. 21). Die übrigen Stellen laufen über andere Rekrutierungskanäle wie Online-Stellenbörsen, Zeitungsannoncen oder Empfehlungen durch Mitarbeiter. Die tatsächliche Arbeitskräftenachfrage und mithin auch die in Tabelle 1 ausgewiesenen Engpassrelationen dürften entsprechend sogar noch höher ausfallen, spätestens ab einer Relation von 50 BA-gemeldeten offenen Stellen je 100 Arbeitslose liegt jedoch ein Engpass vor. Unabhängig davon, wie hoch die konkrete Untererfassung der Arbeitskräftenachfrage bei Planungsingenieuren ausfällt, stehen bereits auf Basis der BA-gemeldeten offenen Stellen aktuell nicht in Ansätzen ausreichend Arbeitslose zur Verfügung, um die offenen Stellen zu besetzen. Um das Ausmaß des Engpasses bei Planungsingenieuren einordnen zu können, sind in Tabelle 1 die Referenzwerte jener Aggregate von Akademikerberufen mit der aktuell niedrigsten beziehungsweise höchsten Engpassrelation angegeben. Bei geisteswissenschaftlichen Akademikerberufen kommen aktuell gerade einmal acht offene Stellen auf 100 Arbeitslose, was vielmehr auf einen Bewerberüberhang hindeutet. Maßgeblich als Konsequenz der Flüchtlingskrise weisen soziale Akademikerberufe wie Heimleiter oder Sozialarbeiter mit einer Relation von 121 offenen Stellen zu 100 Arbeitslosen den aktuell höchsten Engpass auf. Doch selbst deren Engpass beträgt nicht einmal die Hälfte im Vergleich zum Einzelberuf Planungsingenieur. Bei den baunahen Ingenieurberufen insgesamt, unter denen Planungsingenieure bei einem Anteil von 1,5 % an den offenen Stellen und einem Anteil von 0,4 % an den Arbeitslosen nur einen kleinen Teil repräsentieren, ist die Engpassrelation im Betrachtungszeitraum von 41 auf 71 offene Stellen je 100 Arbeitslose gestiegen, sodass -50% -40% -30% -20% -10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% BE HB HH BB MV SH SL SN ST TH BW BY HE NI NW RP Ø Bund Bild 1: Ausschöpfen des zugesagten Investitionsrahmens im Bundesstraßenetat 2015 Quelle: [2] Gerwens, 2016 Juni 2012 Juni 2016 Baunahe Ingenieurberufe insgesamt 41 71 darunter: Ingenieurberufe in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen 65 271 Soziale Akademikerberufe insgesamt 43 121 Geisteswissenschaftliche Akademikerberufe insgesamt 7 8 Tabelle 1: Der Bundesagentur für Arbeit gemeldete offene Stellen je 100 Arbeitslose Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln; eigene Berechnung auf Basis der Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit POLITIK Verkehrsinfrastruktur Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 14 sich inzwischen auch hier ein manifester Arbeitsmarktengpass entwickelt hat. Die maßgeblichen Ursachen hierfür liegen jedoch in dem zu beobachtenden Boom des privaten und öffentlichen Wohnungsbaus, während die Gründe für den hohen Arbeitsmarktbedarf an Planungsingenieuren vornehmlich in dem akuten Planungsstau bei Verkehrswegeprojekten sowie dem Nachholbedarf der Straßenbauämter infolge der zurückliegenden Versäumnisse in puncto bedarfsorientierter und demografiefester Stellenbesetzung liegen dürften. Hohe demografische Herausforderung durch ungünstige Altersstruktur In Deutschland gingen zuletzt (aktuellster verfügbarer Stand: 31. Dezember 2015) rund 1900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einer Tätigkeit als Planungsingenieur nach. Deren Durchschnittsalter lag bei 46 Jahren und zwei Monaten und damit mehr als vier Jahre über dem Referenzwert aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Tabelle 2 zeigt die detaillierte Altersstruktur der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Planungsingenieure und deren Veränderung während der letzten drei Jahre. Nicht enthalten sind Beamte oder Selbstständige. Eine Sonderauswertung des aktuellsten verfügbaren Mikrozensus, der amtlichen Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland, kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2013 insgesamt rund 3000 Erwerbstätige in einem Ingenieurberuf in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen tätig waren. Wenngleich diese Größenordnung plausibel erscheint, handelt es sich um eine hochgerechnete Angabe, deren statistische Zuverlässigkeit infolge geringer Zellbesetzung in der Stichprobe stark eingeschränkt ist. Die Beschäftigungsstatistik der BA repräsentiert hingegen eine Vollerhebung. Die Daten aus Tabelle 2 geben aus mehreren Gründen Anlass zu Besorgnis. Zum einen ist der Anteil der über 60-Jährigen im Vergleichszeitraum von 9,7 % auf 13,2 % gestiegen und liegt damit nahezu doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Zwar ist dies ein Beleg für die Retention älterer Beschäftigter, die deutlich länger und mithin auch in einer deutlich höheren Anzahl am Arbeitsmarkt aktiv sind als früher und folglich einen großen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. Als Kehrseite der Medaille entsteht hierdurch jedoch ein überaus hoher Ersatzbedarf, denn inzwischen sind 26,7 % und damit deutlich mehr als ein Viertel aller Planungsingenieure mindestens 55 Jahre alt und werden folglich in absehbarer Zeit aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Auf 100 Planungsingenieure im Alter von 60 bis 64 Jahren kommen aktuell nur noch 86 im Alter von 25 bis 29 Jahren, während es im Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 185 sind. Trotz der jüngsten Erfolge beim Beschäftigungsaufbau in den Alterssegmenten bis 30 Jahre zählen Planungsingenieure aktuell zu den wenigen Berufsgruppen, in denen deutlich mehr ältere Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als jüngere nachrücken. In der Dekade beginnend mit dem Jahr 2025, wenn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen werden, wird sich diese Herausforderung nochmals verschärfen - wie ein Vorwärtsschieben der 5-Jahres-Kohorten aus Tabelle 2 unschwer erkennen lässt. Unter dem Strich zeigen die Daten aus Tabelle 2 schließlich auch, dass bei Planungsingenieuren in den zurückliegenden drei Jahren trotz der hohen Arbeitskräftenachfrage kein nennenswerter Beschäftigungsaufbau erzielt werden konnte. Neben dem generellen Fachkräfteengpass bei baunahen Ingenieurqualifikationen, wie er den Daten aus Tabelle 1 zu entnehmen ist, erweist sich jedoch auch das Entlohnungsniveau im öffentlichen Dienst als hinderlich. Eine gemäß Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder zum Berufseinstieg erfolgende Einstufung in die Entgeltgruppe 11 geht in Nordrhein-Westfalen mit einem Bruttojahreseinkommen in Höhe von rund 38 000 EUR einher. In Zeiten des insbesondere in den letzten drei Jahren zu beobachtenden Baubooms und der global hohen Nachfrage nach baunahen Ingenieurberufen erweist sich dies als kaum konkurrenzfähig im Vergleich zu den Beschäftigungsalternativen in der freien Wirtschaft. Dem Fachkräftemangel mit strukturellen Änderungen begegnen In Anbetracht der Arbeitsmarktsituation erscheint es heute eher unwahrscheinlich, dass der Staat den Ingenieurmangel in den Straßenbauverwaltungen durch einfaches Recruiting beheben kann. Zudem muss die Frage gestellt werden, ob der aktuelle Engpass durch Neueinstellungen gelöst werden sollte. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf an Planungs- und Bauaufsichtsleistungen nicht auf dem heutigen Niveau bleiben muss. So setzt der Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahr 2030 einen klaren Schwerpunkt auf Erhaltung. Gut 40 % der Mittel für Neu- und Ausbau sind für laufende oder fest disponierte Projekte vorgesehen, und die Projekte der Investitionsschleppe geben eine Vorstellung davon, was nach 2030 noch gebaut werden könnte. Das ist zwar ein langer Zeithorizont, betrifft aber mit hoher Wahrscheinlichkeit jene, die jetzt als Ingenieure in die Straßenbauverwaltungen eintreten. Es kann also passieren, dass ein konsequenter Abbau des heute eklatanten Ingenieurmangels zu Überkapazitäten führt, sobald die Rückstände abgearbeitet sind. All dies spricht dafür, dem strukturellen Ingenieurmangel auch mit strukturellen Änderungen zu begegnen. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, die Aufgaben von Planung und Bauaufsicht in einer privatrechtlich organisierten Bundesfernstraßengesellschaft zu bündeln, wie es sie in Österreich gibt. Diese wäre in der Lage, marktgerechte Vergütungen zu zahlen, und könnte Altersklasse 31. Dezember 2012 31. Dezember 2015 Anzahl % von Gesamt Anzahl % von Gesamt unter 25 Jahre 19 1,0 23 1,2 25 bis unter 30 Jahre 142 7,5 196 10,2 30 bis unter 35 Jahre 185 9,8 196 10,2 35 bis unter 40 Jahre 209 11,1 190 9,9 40 bis unter 45 Jahre 267 14,2 224 11,7 45 bis unter 50 Jahre 312 16,6 293 15,2 50 bis unter 55 Jahre 290 15,4 287 14,9 55 bis unter 60 Jahre 276 14,7 260 13,5 60 bis unter 65 Jahre 175 9,3 228 11,9 65 Jahre oder älter 8 0,4 25 1,3 Gesamt 1.883 100 1.922 100 Tabelle 2: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Ingenieurberufen in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen nach Altersklassen Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln; eigene Berechnung auf Basis der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 15 Verkehrsinfrastruktur POLITIK auch ihren Personalbestand flexibler managen als eine klassische Behörde. Wenn man den Systemwechsel vermeiden will, sollte man Maßnahmen ins Auge fassen, die dabei helfen, die personelle Durchlässigkeit von Bauverwaltung und Industrie zu verbessern. Wenn eine zeitweilige Tätigkeit in der staatlichen Bauverwaltung als Karrierebaustein positioniert werden kann, würden sich in der Fachkräftefrage unter Umständen vergleichbare Ergebnisse wie mit einem Systemwechsel erzielen lassen. Eine andere Option besteht darin, vermehrt Tätigkeiten der Verwaltungen in die Industrie zu vergeben. Ein Beispiel hierfür liefern PPP-Projekte, bei denen zumindest die Ausführungsplanung und die Bauaufsicht an die Konzessionsnehmer ausgelagert werden. Eine weitere Referenz bildet die DEGES, die ebenfalls Ingenieurleistungen für die Ämter übernimmt. Ihr Ausbau stellt ebenfalls eine Option dar. ■ LITERATUR [1] Pällmann, Wilhelm et al. (2000): Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung - Schlußbericht, http: / / www.vifg.de/ _downloads/ service/ infrastrukturfinanzierung-und-ppp/ 2000-09-05_Abschlussbericht-der-Paellmann-Kommission.pdf [08.08.2016] [2] Gerwens, Stefan (2016): Defizite im Status Quo und der Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft, http: / / www.wip.tu-berlin.de/ fileadmin/ fg280/ veranstaltungen/ bfs_tagung/ gerwens_defizite_ im_status_quo_und_chancen.pdf [08.08.2016] [3] Oberste Baubehörde im Bayrischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (2016): Jahresbericht der Staatsbauverwaltung 2015, http: / / www.bestellen.bayern.de/ application/ stmug_app000 017? SID=1581989697&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BILDxKEY: 03500204,B ILDxCLASS: Artikel,BILDxTYPE: PDF) [08.08.2016] [4] Straßen.NRW (2015): Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein- Westfalen, https: / / www.strassen.nrw.de/ files/ commons/ pdf/ pub_ bilanz-2014.pdf [08.08.2016] [5] Bundesagentur für Arbeit (2011): Klassifikation der Berufe 2010 - Band 2: Definitorischer und beschreibender Teil, Nürnberg [6] Demary, Vera / Koppel, Oliver (2013): Die Abgrenzung des mittel- und hochqualifizierten MINT-Segments, Klassifikation der Berufe 2010, Methodenbericht, Köln [7] Bundesagentur für Arbeit (2015): Fachkräfteengpässe in Deutschland: Analyse Juni 2015, Nürnberg Thomas Puls Senior Economist Verkehr und Umwelt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. puls@iwkoeln.de Oliver Koppel Senior Economist Bildung, Zuwanderung und Innovation, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. koppel@iwkoeln.de Wie kritisch ist „Kritische Infrastruktur“? W arum eine Brücke physisch zerstören, wenn man das elektronische System für den Verkehrsfluss lahmlegen kann? Warum einen Flughafen angreifen, wenn man sich in das Flugsicherungssystem einhacken kann? Warum einen Seehafen verminen, wenn man die Schleusentore manipulieren oder das Schiffsverkehrs-Leitsystem außer Gefecht setzen kann? All dies zeigt den dramatischen Paradigmenwechsel in der Sicherheitsbedrohung: Nicht länger steht die physische Zerstörung im Mittelpunkt, sondern die Verwundbarkeit ausgesprochen anfälliger elektronischer Datennetze im Hintergrund. Die Fachbegriffe sind „asymmetrische Bedrohung“ und „Cyber Angriffe“. Die Dimension der Herausforderung potenziert sich, wenn man sich vor Augen hält, wie verwundbar westliche Gesellschaften sind: Ohne Strom funktioniert keine Tankstellenpumpe, keine Supermarktkasse und kein Bargeldautomat. Ohne Wasserversorgung und Elektrizität trägt die Schutzschicht der bürgerlichen Wohlstandsgesellschaft nach kurzer Zeit arg dünn! Westliche Gesellschaften haben die Lagerhaltung auf die hohe See (Containerschiffe und vor allem Öl- und Gastanker) sowie auf die Autobahnen („Just-in-time“- Logistik) verlegt. Es gibt keinen „Stauraum“ mehr, wie die aktuelle Sorge um ein gefährdetes Weihnachtsgeschäft im Zusammenhang mit der Pleite einer (! ) koreanischen Reederei zeigt. Man muss „Kritische Infrastruktur“ sauber und unseres Erachtens minimalistisch definieren; es gilt die militärische Erkenntnis: Wer alles verteidigen will, verteidigt im Grund nichts! Nicht alle Raumaufteilungen sind tragende Wände. Die Sicherheit der globalen Transportketten ist abhängig von funktionierender Infrastruktur, und diese wiederum beruht auf politisch sicheren und gesellschaftlich stabilen Fundamenten (Rechtssicherheit, funktionierendes Staatswesen, Bildung, Infrastruktur der Verkehrs- und Kommunikationswege). Die höchste Form der Globalisierung - und damit auch ausgesprochen anfällig - ist „Just in time logistics“. Sie setzt ein hohes Maß an Zuverlässigkeit der Transportsicherheit voraus. Damit haben wir den Bogen zu unserer Frage zu Anfang geschlagen: See- und Flughäfen, Autobahn- und Eisenbahnknoten, Energie- und Stromversorger sowie wesentliche Daten- und Kommunikationsnetze bilden „Kritische Infrastruktur“, die es unter allen Umständen zu schützen und zu härten gilt. ■ Ein Weckruf von Heinz Schulte, Chefredakteur griephan Sicherheitsmedien POLITIK Mobilitätskosten Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 16 Kostenwahrnehmung bei-PKW-Reisen Empirische Analyse zur Schätzung der PKW-Kosten und der-wahrgenommenen Kostenkomponenten bei Autofahrern im DACH-Gebiet Entscheidungsmodelle, Fernreisen, PKW-Nutzung, Bahncard, Nutzungskosten Die dynamischen Veränderungen im Mobilitätsmarkt, z. B. verstärkte Schwankungen der Kraftstoffpreise, neue Anbieter wie Fernlinienbusse und ein verschärfter Preiswettbewerb können sich auch auf die wahrgenommenen Kosten einer Autoreise auswirken. Auf Basis der durchgeführten empirischen Untersuchung belaufen sich diese in Deutschland im Mittel auf ca. 20 Cent pro km, wobei eine sehr große Streuung festzustellen ist. Deutlich höhere Kostenschätzungen werden von den Schweizer Autofahrern abgegeben. Dies ist weniger durch die höheren Kosten in der Schweiz bedingt, als vielmehr durch eine stärkere Einbeziehung von fixen und quasi-fixen Kosten im Vergleich zu Deutschland und Österreich. Autor: Andreas Krämer D ie dominante Wettbewerbsstellung des PKW bei Fernreisen (mehr als 50 km einfache Strecke) wurde in den vergangenen Jahren aufgrund unterschiedlicher Veränderungen stark tangiert. Dazu zählen Schwankungen der Kraftstoffpreise, das veränderte Angebotsportfolio und eine veränderte Preiswahrnehmung: • Der starke Verfall der Weltmarktpreise für Rohöl seit Mitte 2015 hat dazu geführt, dass auch die Kraftstoffpreise in Deutschland signifikant (aber weniger stark) gesunken sind. Dies führte zum Beispiel dazu, dass im Januar 2016 der Preis für Diesel das Niveau von 0,90 EUR pro Liter erreichte. Mitte 2015 lagen die Preise noch ca. 0,30 EUR pro Liter höher. 1 Dies betrifft sowohl den intermodalen als auch den intramodalen Wettbewerb [1]. • Das Wettbewerbsgefüge der Verkehrsträger hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert [2]. In diesem Kontext sind nicht nur der „Siegeszug“ der Low-Cost-Carrier im Airline-Bereich oder der Konsolidierungsprozess bei Ridesharing zu sehen, sondern auch neue Mobilitätsanbieter wie Fernlinienbusse, die sich in wenigen Jahren etablieren konnten. 2 • Insbesondere durch letztere haben sich auch neue Referenzpreise für günstiges Reisen im Markt etabliert. Besonders preisaggressiv ist der Anbieter Megabus aufgetreten, welcher Ticketpreise ab 1- EUR pro Strecke kommuniziert hat (mittlerweile wurde der Anbieter durch Marktführer Flixbus übernommen). Empirische Ergebnisse belegen, dass die Nutzer von Fernlinienbussen preissensibler sind und beispielsweise günstige Bahnpreise besser bewerten als Reisende ohne Fernbuserfahrung [3]. Wie objektiv ist die Sicht der Verbraucher? Verbraucher orientieren sich allerdings nicht (nur) an objektiven Gegebenheiten. So zeigen Befragungsergebnisse, dass es kein stabiles Urteil über die Nutzungskosten des PKW gibt (vgl. [4, 5]). Zusätzlich besteht eine starke Tendenz zur Unterschätzung der Kosten gegenüber den nach betriebswirtschaftlichen Regeln geschätzten objektiven Kosten [6]. Bezüglich der Höhe der von den Autonutzern wahrgenommen Kosten der PKW-Reise liegen unterschiedliche Interpretationen vor. Häufig wird ein rationales Entscheidungsmodell herangezogen, nachdem bei kurzfristigen Entscheidungen nur die variablen Kosten der PKW- Nutzung herangezogen werden. Der Erfolg der BahnCard-Einführung in 1992 wurde beispielsweise damit begründet, dass die Käufer der BahnCard die Kartenkosten (wie die fixen Kosten des PKW-Besitzes) als „Sunk Costs“ betrachten und die 50 %-ige Rabattierung des Bahn-Normalpreises auf dem Niveau der variablen PKW-Kosten lag-[7]. 3 Vor dem Hintergrund der veränderten Marktgegebenheiten stellt sich die Frage, inwieweit sie Einfluss auf die Abschätzung der tatsächlichen PKW-Nutzungskosten haben. Bisherige Befunde aus der statistischen Analyse zeigen im internationalen Vergleich eine geringe Preissensibilität der mit dem Auto zurückgelegten Entfernungen. Dies soll in Deutschland deutlicher als in den USA der Fall sein. Nach Bühler und Kunert führt eine zehnprozentige Erhöhung der variablen Kosten zu einer Reduktion der täglichen Autodistanz von 1,6 % [8]. Auch andere Regressionsanalysen beziehen primär die variablen Kosten der Autonutzung in ihre Modelle ein, weil diese in besonderem Maße als entscheidungsabhängig angesehen werden. Fixe (z. B. Abschreibungen) oder quasi-fixe Kostenkomponenten (z. B. Kosten für Inspektion) spielen keine relevante Rolle. 4 Vor diesem Hintergrund stellen sich die folgenden Fragen: • Wie hoch liegen die von den PKW-Nutzern wahrgenommenen Kosten für die Reise mit dem Auto? Inwieweit ist erkennbar, dass diese sich bei veränderten Kraftstoffpreisen entsprechend verändern? • Welche Kostenkomponenten werden in die Schätzung der PKW-Kosten von den Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 17 Mobilitätskosten POLITIK Fahrzeugnutzern berücksichtigt? Wie hoch ist der Anteil von Autofahrern, der nur die variablen Kosten als relevant betrachtet? • Bestehen länderspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung der PKW-Kosten, d.h. einerseits in der Höhe der Kosten und anderseits in der Kostenstruktur? • Wie wirkt sich eine Erhöhung der wahrgenommenen PKW-Kosten auf die Verkehrsmittelwahl aus? Höhe der wahrgenommen Kosten der PKW-Reise Untersuchungsansatz MobilitätsTRENDS MobilitätsTRENDS 2016 ist eine Studie zur Ermittlung und Bewertung von Trends im Mobilitätsmarkt. Sie wird jährlich mehrmals in Kooperation von der exeo Strategic Consulting AG und der Rogator AG durchgeführt. Grundlage der Untersuchung ist eine repräsentative Befragung von ca. 4500 Personen ab 18 Jahren (deutschsprachige Bevölkerung DACH-Gebiet). Geschätzte Kosten durch die Autofahrer Innerhalb der Studie wurden Autofahrer bezüglich der Kosten einer PKW-Reise mit unterschiedlicher Reiseweite befragt. Dabei wurden randomisiert drei Gruppen gebildet, und zwar mit (a) 200 km Gesamtstrecke, (b)-600 km Gesamtstrecke und (3) 1000 km Gesamtstrecke. Die Ergebnisse sind in Bild 1 dargestellt: • Im Juli 2016 werden in Deutschland für die kurze PKW-Reise (200 km) Kosten von etwa 53 EUR (mittlere Strecke von 600 km: 110 EUR und längere Strecke bei 1000 km: 174 EUR) geschätzt. Umgerechnet auf den Kilometer ergeben sich Kosten, die von der kurzen Strecke (0,27- EUR/ km) über mittlere Strecken (0,18 EUR/ km) bis zur längeren Strecke (0,17 EUR/ km) degressiv abnehmen. Der Mittelwert von etwa 0,20 EUR/ km ist bereits ein Indikator dafür, dass nicht nur die Out-of-Pocket-Kosten der Autoreise ( je nach Verbrauch und Kraftstoff zwischen 0,07 und 0,11 EUR/ km) die Wahrnehmung der Autofahrer bestimmen, sondern auch weitere Kostenelemente. Allerdings liegt der Wert auch deutlich unterhalb des Vollkostenniveaus. Diese liegen nach Berechnungen des ADAC z. B. für einen VW Golf VII bei aktuell etwa 43 Eurocent pro km (ct/ km). 5 • Da die Fragestellung mit vergleichbaren repräsentativen Designs auch in früheren Wellen der MobilitätsTRENDS (Sep. 2015 und Jan. 2016) integriert war, können auch Veränderungen über die Zeit analysiert werden. So ergeben sich in der Erhebung im Jan. 2016 insgesamt erkennbar abgesenkte Kostenniveaus. Dies betrifft die mittleren und längeren Strecken. Kosten für kürzere Strecken sind über alle drei Erhebungswellen ansteigend. Eindeutige strukturelle Effekte des unterschiedlichen Kraftstoff-Preisniveaus auf die PKW-Kostenschätzungen sind nicht erkennbar. Wahrnehmung einzelner Kostenkomponenten Die fixen Kosten der PKW-Nutzung setzen sich zusammen aus dem Wertverlust, aus Steuern, die auf Anschaffung und Besitz erhoben werden, aus Versicherungsprämien und aus sonstigen Unterhaltskosten. 6 Zu diskutieren ist, inwieweit bestimmte Kostenkomponenten einen quasifixen Charakter haben können. Variable Kosten ergeben sich im Wesentlichen aus dem Kraftstoffpreis sowie den Steuern auf Kraftstoffe, aus Preisen und Steuern für Öle, gegebenenfalls aus Straßenutzungsgebühren wie Maut und verschleißabhängigen Wartungskosten [4]. Wahrgenommene Zusammensetzung der-PKW-Kosten In der Befragung wurden insgesamt fünf Kostenpositionen gestützt abgefragt. Die Positionen Spritkosten (Kraftstoffe) und sonstige variable Kosten (z. B. für Öl) können als Out-of-Pocket-Kosten bezeichnet werden. Knapp zwei Drittel der Autofahrer in Deutschland geben als Kostenbestandteil ihrer Schätzung nur diese variablen Kosten an. Mehr als ein Drittel bezieht weitere Kostenpositionen ein. Bild 2 stellt die Verteilung der genannten Kostenpositionen dar; 55 % der Befragten geben nur eine Position an, 8 % nennen alle fünf Kostenpositionen. 7 Die Struktur der Kosten ist wiederum von der Streckenlänge abhängig. Für die kürzere Reise werden im Mittel mit 2,3 Nennungen deutlich mehr Kostenpositionen angegeben als auf längeren Strecken. Der Anteil der Autofahrer, der die Abschreibungskosten bzw. die Kosten der Wiederbeschaffung in ihre Kalkulation einbezieht, liegt auf kürzeren Strecken von 200 km bei 25 % und geht bei längeren Strecken (1000 km) auf 6 % zurück. 8 1) Stellen Sie sich vor, Sie planen eine Reise mit dem Pkw. Wie hoch schätzen Sie die Kosten für eine Reise von 200 / 600 / 1000 km (einfache Strecke * 2)? 47,2 122,7 153,3 200 km 600 km 1000 km Geschätzte Pkw-Kosten nach Entfernung (Jan. 2016) 46,9 123,8 172,8 200 km 600 km 1000 km Geschätzte Pkw-Kosten nach Entfernung (Sep. 2015) Ø 24 Ct Kosten je km Ø 20 Ct Ø 15 Ct Ø 23 Ct Ø 21 Ct Ø 17 Ct 53,1 109,6 174,2 200 km 600 km 1000 km Geschätzte Pkw-Kosten nach Entfernung (Jul. 2016) 1) Ø 27 Ct Ø 18 Ct Ø 17 Ct Streckenlänge Streckenlänge Streckenlänge 1) Stellen Sie sich vor, Sie planen eine Reise mit dem Pkw. Wie hoch schätzen Sie die Kosten für eine Reise von 200 / 600 / 1000 km (einfache Strecke * 2)? Welche Kosten haben Sie bei Ihrer Schätzung berücksichtigt? Reise 200 km (100 km Hin/ Rück) Spritkosten Sonstige variable Kosten (z.B. Öl) Steuer / Versicherung Wartung (z.B. Ölwechsel / Reparaturen / Verschleiß) Abschreibung / Wiederbeschaffung Kostenbestandteile 1) Reise 600 km (300 km Hin/ Rück) Reise 1.000 km (500 km Hin/ Rück) 99% 37% 33% 31% 25% 98% 33% 12% 25% 11% 97% 28% 21% 23% 6% Out-of-Pocket- Kosten 55% 21% 11% 7% 8% 1 2 3 4 5 % der Befragten (Autonutzer) Anzahl Kostenkomponenten Ø 15 Ct/ km Ø 30 Ct/ km Ø 2,3 Ø 1,8 Ø 1,7 Bild 1: Deutschland - Wahrgenommene Kosten der PKW-Nutzung nach Reiseweite (in EUR) Bild 2: Deutschland - Berücksichtigung unterschiedlicher Kostenbestandteile nach Streckenlänge POLITIK Mobilitätskosten Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 18 Altersabhängige Kostenwahrnehmung Da für den Mobilitätsmarkt die Generation der Unter-30-Jährigen eine besondere Bedeutung hat - sie sind zum Beispiel für Automobilhersteller nicht nur die potentiellen Neuwagenkäufer von morgen, sondern verfügen über Einstellungs- und Verhaltensmuster, die weniger verfestigt sind als bei älteren Menschen [9] - soll kurz auf altersbedingte Wahrnehmungsunterschiede eingegangen werden. Erstens ist zu konstatieren, dass die mittlere Kostenschätzung im Alterssegment <30 Jahre sehr nahe am Mittelwert aller Befragten liegt. Auch die dargestellte Kostendegression ist in dieser Altersgruppe festzustellen. Unterschiede ergeben sich aber in der Struktur der wahrgenommen Kosten. Jüngere Autofahrer tendieren dazu, weniger Kostenkomponenten zu nennen. In Deutschland geben 62 % der unter 30-Jährigen nur eine von fünf vorgelegten Kostenkomponenten an, bei Senioren sind dies 50 %. Stärker als das Alter des Befragten wirkt allerdings das Alter des Fahrzeugs: Die mittleren geschätzten Kosten der PKW-Nutzung liegen bei etwa 17 Cent, wenn das Fahrzeug bis zu vier Jahre alt ist und steigen auf 24 Cent an, wenn das Fahrzeug neun und mehr Jahre alt ist. Länderspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung der PKW-Kosten Länderspezifische Unterschiede in der DACH-Region Relativ deutliche Unterschiede zwischen der Schweiz einerseits und Deutschland und Österreich anderseits ergeben sich für die Höhe der Kostenschätzung und die Struktur der genannten Kostenkomponenten für PKW-Reisen. Wie Bild 3 (rechter Teil) zeigt, liegt die Kostenschätzung in der Schweiz in CHF etwa doppelt so hoch wie in Deutschland und Österreich, die in Hinblick auf die Kostenfunktion relativ ähnlich sind. Die Unterschiede sind aber neben dem höheren Preisniveau in der Schweiz vor allem auch in der unterschiedlichen Wahrnehmung von Kostenelementen begründet. Wenn für Deutschland gilt, dass die Autofahrer zu knapp zwei Drittel nur variable Kosten in ihrer Schätzung zugrunde legen, ist dies in der Schweiz diametral: 31 % der Autofahrer kalkulieren nur mit variablen Kosten, 69 % beziehen zumindest bestimmte Fixkosten in die Kostenschätzung mit ein. Fast ein Viertel der Schweizer Autofahrer nennt alle fünf Kostenpositionen. Im Segment der Senioren sind dies sogar mehr als 40 %. Eine entsprechende Altersabhängigkeit ist auch in den Nachbarländern festzustellen, allerdings weniger prägnant ausgeprägt als in der Schweiz. Wahrgenommenes Kostenniveau und Verkehrsmittelentscheidungen Veränderte Kostenwahrnehmung mit Konsequenzen Wenn festzustellen ist, dass die Kostenschätzungen eine erhebliche Varianz aufweisen, auch weil die Autofahrer unterschiedliche Komponenten in die Schätzung der PKW- Kosten einbeziehen, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Höhe der PKW- Kosten pro km auf die Verkehrsmittelwahl hat. In Bild 4 sind dazu drei Klassen gebildet worden (Schätzung der PKW-Kosten von unter 15 ct/ km, von 15 bis unter 30- ct/ km und von 30 und mehr ct/ km). Bezüglich der Autonutzung zeigt sich folgende Abhängigkeit: Während Personen mit geschätzten PKW-Kosten von unter 15 ct/ km auf einen Modalanteil des Autos (letzte Fernreise) von fast 90 % kommen, liegt der korrespondierende Anteil bei hohen wahrgenommenen Kosten von 30 und mehr ct/ km bei 77 %. Dieselbe Wirkungsrichtung ergibt sich für die Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses des PKW. Mit steigenden Kosten gehen die entsprechenden Zustimmungswerte zurück (von 82 % auf 64 %). Vom wahrgenommenen Kostenniveau gehen nicht nur Einflüsse auf die Verkehrsmittelwahl bei Fernreisen (> 50 km einfache Strecke) aus. Auch bei Kurzreisen zeigen sich Abhängigkeiten: Insbesondere bei hohen wahrgenommenen Kosten pro km ergibt sich ein sprunghafter Anstieg der ÖP- NV-Nutzungsrate (von 29 % bei PKW-Kosten von unter 15 ct/ km auf 48 % bei PKW- Kosten von mehr als 30 ct/ km). Derselbe Zusammenhang zeigt sich auch bei der Betrachtung der disponiblen ÖPNV-Fahrten (ÖPNV für Reisen in Erwägung gezogen, aber letztendlich nicht genutzt [10]). Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass ein steigendes Kostenbewusstsein bei der Autonutzung die Affinität zum ÖPNV erhöht. Habitualisierung in der Verkehrsmittelwahl Werden Autoreisende in Deutschland gefragt, welches Verkehrsmittel sie als Alternative in Erwägung gezogen haben, antworten etwa 80 % der Befragten mit „nein, ich habe kein anderes Verkehrsmittel berücksichtigt“ (frühere Studien aus 2008 [11] kommen auf nahezu identische Werte; dies ist ein Indikator dafür, dass die Wahrnehmungseffekte relativ robust sind). In der Schweiz liegt der korrespondierende Wert etwa zehn Prozentpunkte niedriger. Dies unterstreicht insgesamt ein erhebliches 1) Stellen Sie sich vor, Sie planen eine Reise mit dem Pkw. Wie hoch schätzen Sie die Kosten für eine Reise von 200 / 600 / 1000 km (einfache Strecke * 2)? Welche Kosten haben Sie bei Ihrer Schätzung berücksichtigt? Deutschland Spritkosten Sonstige variable Kosten (z.B. Öl) Steuer / Versicherung Wartung (z.B. Ölwechsel / Reparaturen / Verschleiß) Abschreibung / Wiederbeschaffung Kostenbestandteile 1) Österreich Schweiz 98% 33% 22% 26% 13% 96% 30% 36% 40% 21% 94% 48% 52% 54% 43% Out-of-Pocket- Kosten 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 200 km 600 km 1.000 km Schweiz (CHF/ km) Österreich (EUR/ km) Deutschland (EUR/ km) Kosten pro km nach Land Entfernung 82% 74% 64% unter 15 Cent 15 bis unter 30 Cent 30+ Cent Zufriedenheit Preis-Leistungs- Verhältnis Pkw (% top-2, 6er-Skala) Kostenschätzung pro km (Pkw) 88% 82% 77% unter 15 Cent 15 bis unter 30 Cent 30+ Cent Gewähltes Verkehrsmittel bei der letzten Fernreise (>50 km): % Pkw Kostenschätzung pro km (Pkw) 29% 32% 48% unter 15 Cent 15 bis unter 30 Cent 30+ Cent Nutzer des ÖPNV (häufiger als „selten“ in %) Kostenschätzung pro km (Pkw) Bild 3: Berücksichtigung unterschiedlicher Kostenbestandteile und streckenabhängige Abschätzung der PKW-Nutzungskosten nach Land Bild 4: Verkehrsmittelwahlentscheidungen nach wahrgenommenen PKW-Kosten (Deutschland) Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 19 Mobilitätskosten POLITIK Maß an Habitualisierung - eine Verhaltensweise, die sich kurzbis mittelfristig nur geringfügig beeinflussen lässt. Durch Vereinfachungsheuristiken wird die relative Vorzüglichkeit von Verkehrsmittelalternativen von Zeit zu Zeit durch die Autofahrer überprüft. Demzufolge ergeben sich auch keine unmittelbar erkennbaren wahrgenommenen Kostensenkungen, die sich proportional zu den tatsächlichen Preissenkungen bei Kraftstoffen verhalten. Dies ist damit zu erklären, dass ca. 40 % der Autofahrer die Preise vor dem Tanken an unterschiedlichen Tankstellen gar nicht oder nur selten vergleichen. Geringe Kraftstoff-Preiselastizität auf die PKW-Fahrleistung Die im Rahmen von Zeitreihen- oder Querschnittsanalysen publizierten Abschätzungen, die überwiegend eine geringe Preiselastizität der Autofahrer in Hinblick auf Spritpreisveränderungen konstatieren, werden in der empirischen Untersuchung unterstützt. In Deutschland stimmen knapp 60 % der Befragten der Aussage zu, „Ich achte jetzt mehr auf den Spritpreis an Tankstellen“ (top-2, Ablehnung ca. 14 %). Die Zustimmung zum Statement „Ich fahre jetzt mehr mit meinem Fahrzeug“ beträgt dagegen nur 17 % (Ablehnung ca. 50 %). Andere Studien, die beispielsweise den Einfluss von Straßengebühren (PKW-Road Pricing) auf die PKW-Nutzung untersuchen, weisen ebenfalls auf relativ geringe Verhaltensänderungen hin. Diskussion und Ausblick Wie die empirische Untersuchung zeigt, stellen die Kosten der Autoreise zwar neben anderen Facetten wie Bequemlichkeit, Reisedauer etc. ein relevantes Entscheidungskriterium dar, das allerdings schwer greifbar ist. Die geschätzten Kosten einer Autoreise belaufen sich im Mittel auf ca. 20 Cent pro km, wobei eine sehr große Streuung festzustellen ist. Dabei ist zunächst festzustellen, dass in der Regel weder lediglich die Out-of- Pocket-Kosten noch die Vollkosten für die Kostenabschätzung herangezogen werden. Als reine Spritkosten sind ca. 6,5 ct/ km (Diesel) bis 9 ct/ km (Otto) zu veranschlagen [12]. Werden die geschätzten mittleren Kosten der Autonutzung mit früheren Erhebungen vergleichen (z. B. wurden für 2002 Werte von ca. 18 ct/ km berechnet; vgl. [5]), so ergeben sich auch längerfristig nur leichte Erhöhungen. Bei den Treibern für die Höhe der Kosten stellt die Reiseentfernung einen wichtigeren Faktor dar als beispielsweise das Geschlecht oder die Jahres-Kilometerleistung des PKW: Bei steigender Entfernung nehmen die absoluten Kosten erwartungsgemäß zu, die Kosten pro km jedoch ab. Die Vermutung, dass bei längeren Reisen bei den Autofahrern ein stärkeres Bewusstsein für feste oder quasi-feste Kosten erhöht wird, lässt sich nicht belegen. Die länderspezifische Analyse zeigt darüber hinaus, dass eine Nutzung von Literatur- oder Standardwerten bei der Verkehrsmodellierung schwierig ist. So verhalten sich insbesondere die Schweizer Autofahrer anders als ihre Nachbarn in Deutschland und Österreich, wenn es um die wahrgenommen PKW-Kosten geht. In der Schweiz sind diese höher, weil fixe oder quasifixe Kostenkomponenten deutlich stärker in die Kostenschätzung für PKW-Reisen aufgenommen werden. Vor diesem Hintergrund kann der hohe Modalanteil der Bahn nicht nur durch eine hohe Leistungsfähigkeit des Schweizer Bahnsystems erklärt werden, sondern zum Teil auch durch die hohen wahrgenommenen Kosten der Autonutzung. Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass auch die Preissensitivität im Markt keine fixe Größe darstellt. Selbst wenn Autofahrer eine begrenzte Kostentransparenz und ein begrenztes Preiswissen haben, spielt die (wahrgenommene) relative Preisposition des Wettbewerbs eine Rolle, seien es „Kampfpreise“ von Low-Cost-Airlines wie Ryanair [13] oder von Fernlinienbussen wie Megabus [14]. 9 ■ 1 Zu den zeitlichen Veränderungen der Kraftstoffpreise für Diesel und Benzin siehe http: / / www.verbrauchsrechner. de/ entwicklung-der-benzinpreise/ deutschland/ . 2 Für Euphorie in der Busbranche hat die Meldung des Statistischen Bundesamtes im April 2016 gesorgt, weil „sich der Boom im Linienfernverkehr mit Omnibussen - allerdings abgeschwächt - fortgesetzt hat: 2015 dürften mindestens 20 Millionen Fahrgäste befördert worden sein, rund ein Viertel mehr als im Vorjahr“. Hinter dieser Zahl verbergen sich die Beförderungsfälle, nicht jedoch die Anzahl der Fernlinienbus-Nutzer (Personensicht) in Deutschland. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Expertenschätzungen zur Marktentwicklung teilweise erheblich zu hoch angesetzt waren. 3 Allerdings sind bereits an dieser Interpretation Zweifel angebracht. Werden Bahnreisende um die Bewertung des gezahlten Preises gebeten, ergeben sich beispielsweise für Reisende mit BahnCard 50 schlechte Werte, obwohl diese Reisenden faktisch nur 50 % des Flexpreises (Normalpreises) bezahlt haben. Andere Kundengruppen mit effektiv gleich hohem Rabatt auf den Flexpreis kommen auf ein deutlich höheres Zufriedenheitsniveau bezogen auf die Ticketpreishöhe. 4 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Einbeziehung von Kosten, die über die reinen Kraftstoffkosten hinausgehen, auch methodisch problematisch sind, weil diese kaum operationalisierbar sind. 5 Abruf am 15.9.2016 unter https: / / www.adac.de/ infotestrat/ autodatenbank/ autokosten/ autokosten-rechner/ default. aspx. 6 Quasi-fixe Kosten (auch als sprungfixe, stufenfixe oder Sprungkosten bezeichnet) liegen dann vor, wenn sie innerhalb eines Intervalls der Ausprägungen einer Bezugsgröße (im allgemeinen der Beschäftigung) fix sind (fixe Kosten) und bei Ober-bzw. Unterschreitung der Intervallgrenzen sprunghaft ansteigen bzw. sinken. 7 Fehlende Werte zu 100 % sind bei der Position „Spritkosten“ durch die Nutzer von Fahrzeugen mit Elektro-Antrieb erklärbar, die sich nicht eindeutig zuordnen konnten. 8 In einer Parallelstudie (Pricing Lab 2016) wurde fast zeitgleich ein identisches Fragendesign allerdings in einem leicht veränderten Kontext (nur in Deutschland) verwendet. Die grundsätzlichen strukturellen Effekte, die im Rahmen von MobilitätsTRENDS identifiziert wurden, sind auch in dieser Studie erkennbar. Dies spricht für eine hohe Reliabilität der Ergebnisse. 9 Der Autor bedankt sich bei der Rogator AG, Nürnberg, für die Durchführung der Erhebung und das Datenmanagement der Studien. LITERATUR [1] Krämer, A. (2016): Zukunft Bahnpersonenverkehr: Wie wettbewerbsfähig ist das deutsche Bahnsystem unter veränderten Konkurrenzbedingungen? ZEVrail 140 (4), S. 138-145. [2] Krämer, A., Jung, M. (2014): Zwischen Preiswettbewerb und Preiskampf - Das Spannungsfeld zwischen Nachfrageboom und Preiserosion bei Reisen mit Fernlinienbussen. Internationales Verkehrswesen, 66 (4) 2014, S. 58-60. [3] Krämer, A. (2016): Using Experimental Survey Designs to Support Pricing Decisions. Business Management Horizons, 4 (1), June 2016. S. 22-38. [4] Molt, W. (1977): Preiswahrnehmung komplexer Güter am Beispiel der PKW-Nutzung. Zeitschrift für Verbraucherpolitik, 1 (4), S. 325- 338. [5] Wilger, G.: Mehrpersonen-Preisdifferenzierung. Diss., DUV, Wiesbaden 2004. [6] Schneider, H.: Preisbeurteilung im Verkehrsdienstleistungsbereich, in: Woratschek, H. (Hrsg.): Neue Aspekte des Dienstleistungsmarketing, Wiesbaden 2000, S. 101-130. [7] Firner, H. / Tacke, G. (1993): Bahncard: Kreative Preisstruktur. Absatzwirtschaft, 36 (5), S. 66-70. [8] Bühler, R., Kunert, U. (2008): Trends und Determinanten des Verkehrsverhaltens in den USA und in Deutschland. Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Projektnummer 70.0802/ 2006 Berlin. [9] Bratzel, S. (2014): Die junge Generation und das Automobil - Neue Kundenanforderungen an das Auto der Zukunft? In: Ebel, B., Hofer, M.B. (Hrsg.): Automotive Management, S. 93-108. [10] Krämer, A.: Nachfragepotenziale für den ÖPNV - Konzeptionelle Überlegungen und empirische Ergebnisse für die DACH-Region. DER NAHVERKEHR, Heft 10/ 2016, S. noch offen. [11] Bauer, F. (2008): Psychological Pricing - Entscheidungen verstehen, Verhalten steuern. Straßenverkehrstechnik 6.2008, S. 352-357. [12] Shell Deutschland/ Prognos AG: Shell PKW-Szenarien bis 2040. Hamburg 2014. [13] Krämer, A. (2016): Der Preis ist heiß - Welche Rolle spielen Preisendungen, Wettbewerbsinformationen und das Handelsunternehmen für das Preisurteil des Verbrauchers und die Preiswahrnehmung von Aktionsangeboten? MARKENARTIKEL, Heft 10/ 2016, S. 101-103. [14] Krämer, A., Jung, M., Burgartz, T. (2016): A Small Step from Price Competition to Price War - Understanding Causes, Effects and Possible Countermeasures. International Business Research; Vol. 9, No. 3, S. 1-13. Andreas Krämer, Prof. Dr. Professor an der Business and Information Technology School, Iserlohn; Vorstand der exeo Strategic Consulting AG, Bonn andreas.kraemer@exeo-consulting.com POLITIK Shared Mobility Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 20 Chancen und Grenzen des-Carsharing Lenkungswirkung realistisch einordnen! Nahverkehr, Stadtverkehr, autonomes Fahren, Parkraum Carsharing ist in jüngster Vergangenheit auch in der öffentlichen Berichterstattung zunehmend als wirkungsvolles Instrument der Reduzierung des PKW-Bestandes und damit auch des Parkraumbedarfs in-den Städten in den Focus gerückt. Dadurch sollen Flächen frei gemacht werden, die dann für umweltverträgliche Mobilitätsformen und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität in urbanen Räumen nutzbar-werden. Autor: Andreas Kossak B efeuert wurde die Auseinandersetzung um Carsharing als Instrument zur Reduzierung des PKW-Bestandes aktuell durch den Start der Anhörungen am 25. August diesen Jahres zu einem Gesetzesvorhaben, mit dem das Bundesverkehrsministerium Carsharing-Anbieter durch die Zulassung von reservierten Parkplätzen und die Befreiung von Parkgebühren unterstützen will [1]. Tatsächlich klingen die von den Anbietern und Verfechtern genannten Erfolge und Potentiale beeindruckend: • „Jedes Carsharing-Fahrzeug ersetzt mindestens drei Privatautos“, sagt der Geschäftsführer von „Drive-Now“. „In München sind es durch Carsharing mindestens 1500 Autos weniger geworden. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Damit wird Parkraum frei“ [2]. Tatsächlich ist der PKW-Bestand in München trotzdem allein im Jahr 2015 um rd. 12 300 PKW angewachsen [3]. Das bedeutet: Es ist nicht etwa Parkraum frei geworden, sondern der weiterhin starke Anstieg des Bestands ist lediglich geringfügig gemindert worden. • In Bremen „schafft ein Carsharing-Fahrzeug nach Kundenbefragungen zur Zeit durchschnittlich 15 private PKW ab. Durch noch mehr Kurzzeitmietautos will Verkehrsenator Joachim Lohse in der Hansestadt bis zum Jahr 2020 sechstausend private PKW von der Straße holen“ [1]. Allerdings sind sowohl PKW-Bestand, als auch Motorisierungsgrad in der Stadt Bremen in den vergangenen Jahren dennoch stetig angestiegen [4] (Bild 1). • Laut Bundesverband Carsharing sollen Untersuchungen in zwölf Großstädten ergeben haben, dass „ein Carsharing- Fahrzeug zwischen acht und 20 private PKW ersetzt …und so umgerechnet bis zu 99 Meter zugeparkte Straßenkante (freimacht) - viel Potential, um Städte lebenswerter zu gestalten“ [5]. PKW im Privatbesitz und ÖPNV schon bald Vergangenheit? „Zukunfts- und Mobilitätsforscher“ sowie Interessenvertreter propagieren die Überzeugung, dass der „PKW im Privat-Besitz“ schon bald Vergangenheit sein wird. Die Zukunft gehört danach dem Carsharing - zunächst auf der Basis konventioneller, schon in wenigen Jahren auf der Basis autonomer Autos; dadurch soll die Anzahl der PKW in den Städten auf 10 % (oder noch weniger) reduziert werden. Aus dem Lager der unabhängigen qualifizierten Fachleute wird die Vorstellung von einem maßgeblich den Foto: Pixabay POLITIK Shared Mobility Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 21 Shared Mobility POLITIK Stadtverkehr verändernden Carsharing überwiegend nicht geteilt [6]. Treiber und Hauptakteur des Carsharing sind Automobil-Hersteller. Sie benutzen es unter anderem zum Testen des Potentials telematischer Bord-Systeme und zur Präsentation ihrer Modelle [7]. Es widerspricht jeglicher Logik, dass sie sich durch Beteiligung an diesem Markt selbst das Wasser abgraben wollen. Nicht zuletzt aufgrund dessen ist ein „Hochrechnen“ der aktuellen Relationen von im Privatbesitz verbliebenen PKW zu Carsharing-Fahrzeugen aus den Befragungen von Carsharing-Teilnehmern nicht annähernd realistisch. Bei der überwiegenden Mehrheit der derzeitigen Teilnehmer handelt es sich um eine carsharing-affine Klientel. Zu den Unterstützern bzw. Treibern von Carsharing gehören in der Bundesrepublik die Deutsche Bahn und Nahverkehrsunternehmen in Großstädten. Der Hamburger Verkehrsverbund und die Hamburger Hochbahn AG gehören zu den Spitzenreitern. Im Rahmen ihres Projekts „Switchh“ werden in zunehmender Anzahl an Knotenpunkten des Stadtschnellbahnnetzes neben dem traditionellen Park+Ride und Bike+Ride auch Carsharing- und Bikesharing-Angebote installiert [8]. Allerdings äußerte der Vertreter der Hamburger Hochbahn AG im Rahmen der „Digitalkonferenz solutions.hamburg“ im September dieses Jahres bemerkenswerter Weise die Überzeugung, Carsharing sei „nur ein Übergangsmodell hin zum autonomen Fahren“; in diesem Zusammenhang müssten die ÖPNV-Unternehmen sich die Frage stellen, was zu tun sei, um künftig überhaupt noch relevant zu sein [9]. Carsharing und Autonomes Fahren Die Position des betreffenden HHA-Vertreters ist typisch für die derzeit weit verbreitete Unsicherheit in der deutschen Nahverkehrswirtschaft hinsichtlich der Konsequenzen aus der viel beschworenen Mobilitäts-Revolution durch die angeblich bereits kurzfristig zu erwartende Umstellung des Automobilverkehrs auf autonomes Fahren. Abgesehen davon ist die Formulierung, dass Carsharing lediglich ein „Übergangsmodell hin zum autonomen Fahren“ sein wird, vor allem insofern verwunderlich, als gerade das autonome Fahren von den Verfechtern als Haupttreiber einer Perspektive des mehr oder minder umfassenden Carsharing gesehen wird. Tatsächlich propagieren die Verfechter solcher Szenarien, dass schon in wenigen Jahren weder Fahrzeugbesitz noch Führerschein für die Nutzung der Autos notwendig sein wird, um jederzeit jeden Mobilitätswunsch überall sogar noch besser erfüllen zu können, als das heute der Fall ist. Öffentlicher Personennahverkehr kommt darin gar nicht mehr vor. Das steht allerdings im Widerspruch zu den Positionen praktisch aller qualifizierten unabhängigen (also nicht von Vermarktungsinteressen geleiteten) Fachleute und Fachinstitute - nicht zuletzt in den USA [6]. Danach wird autonomes Fahren in urbanen Räumen auf absehbare Zeit höchstens in Sonderzonen in Frage kommen. Der aktuelle Hype hinsichtlich des autonomen Fahrens von Autos auch in urbanen Räumen schon in naher Zukunft ist nicht vereinbar mit zahlreichen harten Fakten. Dazu gehören vor allem [7]: • die grundsätzlich nur partiell digital abzubildende Komplexität der Bedingungen der städtischen Verkehrswirklichkeit, • die Fehleranfälligkeit der involvierten Hochtechnologie, VERBINDUNGEN SCHAFFEN - MOBILITÄT SICHERN Verkehr Schiene Straße Flughafen Verkehrstechnik Bahntechnische Ausrüstung Ingenieurbauwerke Tunnel Hochbau Industriebauten Stadtraum und Flächen Wasser und Umwelt Ingenieurbüro Dipl.-Ing. H. Vössing GmbH 14 Standorte in Deutschland sowie Standorte in China, Katar, Österreich, Polen und Slowenien www.voessing.de INGENIEURBÜRO VÖSSING BERATUNG | PROJEKTMANAGEMENT | PLANUNG | BAUÜBERWACHUNG Unsere Kompetenz- und Geschäftsfelder: E ntwic klung des P kw-B es tandes -2,00 0,00 2,00 4,00 6,00 8,00 10,00 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 J ahr V eränderung gegenüber J ahres ende 2009 Hamburg Bremen Berlin Bild 1: Entwicklung des PKW-Bestandes in ausgewählten Großstädten seit 2009 in Prozent Quelle Statistische Ämter, Kraftfahrt- Bundesamt; eigene Darstellung POLITIK Shared Mobility Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 22 • faktisch unlösbare ethische Probleme, • höchst komplizierte juristische und regulatorische Fragen, • vielfältige Erfordernisse der Normierung, Standardisierung und Interoperabilität auf nationaler und internationaler Ebene, • hohe Anfälligkeit gegen Hacking und Cyberkriminalität. In Deutschland fabulieren „Zukunftsforscher“ gleichwohl nach wie vor darüber, dass der klassische ÖPNV in der durch autonome Autos geprägten Zukunft tatsächlich keine Rolle mehr spielen wird oder könnte. International führende Fachleute haben auch diese Frage längst gegenteilig beantwortet. Sie stand unter anderem auf der Tagesordnung der Jahrestagung 2014 des „Transportation Research Board“ (TRB) der „Nationalen Akademien der Wissenschaften“ der USA in Washington D.C.; das ist die mit Abstand größte internationale Konferenz von Verkehrswissenschaftlern. Dabei haben sogar die Enthusiasten den autonomen Autos maximal eine Ergänzung des klassischen ÖPNV im Sinne komplementärer Angebote in Korridoren sowie in Gebieten und/ oder zu Zeiten mit geringer Nachfrage eingeräumt - als moderne Variante des „Paratransit“, der so genannten „flexiblen Betriebsformen“ [7]. Shared Mobility und die Wandlung des ÖPNV Prinzipiell ist Carsharing eine von mehreren Formen der „Shared Mobility“. Deren Keimzelle und Hauptträger ist der öffentliche Personenverkehr. Carsharing kann tatsächlich eine durchaus bedeutsame Komponente der viel beschworenen Mobilitätsrevolution sein - sowohl in der „klassischen“ Spielart als auch in Form der sich gegenwärtig dynamisch ausweitenden Mitfahrdienste wie Uber und Lyft (Ridesoucing). Shared Mobility wird ihr Verkehrslenkungs- und Stadtgestaltungs-Potential aber nur dann voll entfalten können, wenn die Auseinandersetzung damit und die Implementierung in Form einer integrierten Optimierung erfolgt. Die umfangreichste und fundierteste Behandlung dieses Ansatzes wird derzeit im Rahmen des „Kooperativen Nahverkehrsforschungsprogramms“ des TRB erarbeitet [10]. Die betreffende Forschung erfolgt unter Beteiligung der Metropolen Austin, Boston, Chicago, Los Angeles, San Francisco, Seattle und Washington D.C. Die bisher vorliegenden Ergebnisse und die Schlussfolgerungen daraus wurden im März 2016 von der „American Public Transit Association“ (APTA) unter dem Titel „Shared Mobility and the Transformation of Public Transit“ veröffentlicht. Die APTA ist das US-amerikanische Pendant zum „Verband Deutscher Verkehrsunternehmen“ (VDV). Trotz struktureller und mobilitätsspezifischer Unterschiede sind die Ergebnisse der Forschungen in vieler Hinsicht sehr wohl auf Europäische/ Deutsche Metropolen übertragbar. Das ist nicht zuletzt in der nach wie vor stärkeren Affinität der US- Amerikaner zum Automobil begründet; das dortige Maß der Offenheit für Shared Modes ist somit ein interessantes Signal. Es betrifft aber auch den Tatbestand der beträchtlichen „Europäisierung“ des ÖPNV in US-Metropolen während der letzten Jahrzehnte. Dazu kommt die bereits lange Geschichte des „Paratransit“ in den USA. Paratransit ist eine substantielle Komponente der Shared Mobility, die vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der fortschreitenden Urbanisierung auch in deutschen Metropolen künftig noch erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Die Schlüssel-Zwischenergebnisse der Studie wurden in 4 Thesen zusammengefasst: These 1: Je mehr Menschen Shared Modes nutzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch den ÖPNV benutzen, weniger PKW besitzen und insgesamt weniger Geld für Mobilität ausgeben. „Supersharer“ - also Leute, die routinemäßig mehrere verschiedene Formen der Shared Modes nutzen, wie Bikesharing, Carsharing oder Ridesourcing - sparen das meiste Geld und besitzen durchschnittlich halb so viele PKW je Haushalt, wie diejenigen, die (außer dem eigenen PKW) nur den ÖPNV nutzen. These 2: Shared Modes ergänzen den ÖPNV und verbessern die städtische Mobilität. Ad-hoc Mitfahrgelegenheiten werden am häufigsten für Wege mit sozialen Zwecken genutzt, zu Zeiten, in denen der ÖPNV weniger häufig oder gar nicht verfügbar ist. Shared Modes ersetzen eher PKW-Fahrten als Fahrten mit dem ÖPNV. These 3: Shared Modes werden weiter signifikant zunehmen. ÖPNV- Unternehmen sollten deshalb alle Möglichkeiten prüfen, sich darin zu engagieren und auf diese Weise sicher zu stellen, dass die implizierten Nutzen umfassend und gerecht geteilt werden. ÖPNV-Unternehmen sollten durch Zusammenarbeit mit anderen Anbietern und im Rahmen von öffentlichprivaten Partnerschaften die urbane Mobilität für alle Nutzer verbessern, einschließlich einer besseren Integration der Angebote, der Informationen und der Zahlungsmethoden (e-Ticketing! ). These 4: Sowohl der öffentliche Sektor als auch die privaten Betreiber sind an einer Kooperation bei der Verbesserung der Paratransit- Dienste unter Nutzung neuer Ansätze und Technologien interessiert. Während eine Reihe regulatorischer und institutioneller Hürden Partnerschaften auf diesem Gebiet noch erschweren, können Technologien und Geschäftsmodelle der Shared Mobility-Industrie dazu beitragen, die Kosten zu senken, die Verfügbarkeit der Dienste und damit auch die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Schlussfolgerung Shared Mobility kann ein wirkungsvolles Instrument der künftigen Gestaltung der urbanen Mobilität und der urbanen Lebensräume sein. Der Komplex wird sein Potential allerdings nur dann voll zur Entfaltung bringen können, wenn er im Rahmen einer an klaren Zielen verankerten integrierten Stadt- und Verkehrsplanung sowie Komponenten-übergreifend (ÖPNV, Paratransit, Carsharing, Bikesharing, Carsourcing, Carpooling…) koordiniert gehandhabt wird. Das „Carsharing“ kann darin eine substantielle Rolle spielen - vorausgesetzt die Implementierung erfolgt unter realistischer Einordnung seiner Grenzen und nicht zuletzt auch der Perspektiven des autonomen Fahrens in Städten. ■ LITERATUR [1] Doll, N.: Verkehrsministerium greift Carsharing- Anbietern unter die Arme; Die Welt, 26.08.2016 [2] Wenzel, F.-T.: Durch Carsharing wird Parkraum frei; Frankfurter Rundschau, 29.05.2016 [3] Landeshauptstadt München: Amt für Statistik [4] Stadt Bremen: Amt für Statistik [5] Bundesverband Carsharing: bcs-Studie Mehr Platz zum Leben - wie Carsharing Städte entlastet; Pressemitteilung vom 21.06.2016 [6] Kossak, A.: Werden autonome Autos die städtischen Bahnsysteme überflüssig machen? ETR 5/ 2016 [7] Hamilton, J.: In search of the unicorn; Thinking Highways, August 2016 [8] Hamburger Verkehrsverbund HVV: Pilotprojekt „switchh“ verbindet Carsharing und ÖPNV; Mitteilung, Hamburg 17.04.2016 [9] O.V.: “Carsharing ist nur ein Übergangsmodell“; die Welt 8.09.2016 [10] APTA (Hrsg.): Shared Mobility and the Transformation of Public Transit; Research Analysis, März 2016 Andreas Kossak, Dr.-Ing. Kossak Forschung & Beratung, Hamburg drkossak@aol.com Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 23 Z wei bedeutende Freihandelsabkommen liegen auf den Tischen der Politiker: die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA sowie das Handelsabkommen zwischen der Union und Kanada (Ceta). Über TTIP verhandeln beide Seiten noch, über Ceta sind sich nur die EU-Kommission und die kanadische Regierung einig. Die EU-Mitgliedstaaten konnten sich - so der Stand bei Redaktionsschluss Ende Oktober - nicht auf den ausgehandelten Vertrag verständigen. Auch im Europäischen Parlament und in den Volksvertretungen der EU-Mitgliedstaaten ist die Zustimmung nicht sicher. Das sind die Fakten. Und das hören wir jeden Tag: TTIP wird nichts mehr, tönt der deutsche Wirtschaftsminister. Unsinn, wir verhandeln intensiv und erfolgversprechend, halten EU-Kommission und US- Regierung dagegen. Der Wirtschaftsminister schadet den deutschen Außenhandelsinteressen, kritisieren deutsche Wirtschaftsverbände. Der Minister hat es endlich begriffen, freuen sich die Hundertausende Gegner des Abkommens zwischen Flensburg und Füssen. Ceta ist gut, sagt der Wirtschaftsminister. Wer bei TTIP skeptisch ist, kann Ceta nicht gut finden, sagen Fachleute, weil beide Abkommen in den zentralen Punkten identisch sind. Eine unsägliche Kakophonie. Dennoch hat selbst die ihr Gutes. Denn sie hat dafür gesorgt, dass der weltweit ungehinderte Handel, kurz: die Globalisierung, endlich kritischer gesehen wird - und das nicht nur in taktisch geprägten Politiker-Statements, sondern auch bei Wirtschaftswissenschaftlern. Galt der freie, weder durch Zölle noch durch nicht-tarifäre Hindernisse gezügelte Handel jahrzehntelang als Heilsbringer schlechthin, gestehen heute selbst seine Befürworter ein, dass die Globalisierung neben Gewinnern auch Verlierer hervorbringt. Wer sich einen kritischeren Blick auf den gesamten Globus bewahrt hatte als die ordo-liberale Wirtschaftswissenschaft auf der Nordhalbkugel, der wusste längst, dass die ökonomisch potenten Industrienationen Profiteure, die Staaten auf der Südhalbkugel mit ihren weniger starken Volkswirtschaften dagegen eher Opfer der Globalisierung sind. Spätestens mit dem Erstarken von rechtspopulistischen politischen Bewegungen in der EU und in den USA wird deutlicher, dass es Benachteiligte der Globalisierung auch in den Industrienationen gibt. Und die lassen sich - anders als bei der Kurvendiskussion im volkswirtschaftlichen Seminar - eben nicht rasch in andere Sektoren und andere Berufe verschieben, sondern belasten die Sozialkassen und werden politisch zum Risiko für die etablierten Parteien. Kurzum: Die Globalisierung hält nicht alles, was ihre Befürworter landauf landab vollmundig versprochen haben. Deshalb müssen ihr Zügel angelegt werden. Staaten auf der Südhalbkugel müssen ihre schwachen Volkswirtschaften schützen dürfen - so wie es die Länder des Nordens getan haben, als ihre Ökonomien noch fragil waren. Und überall muss viel mehr für die soziale Sicherheit getan werden, um die zu schützen, die durch die Globalisierung ihre Jobs und ihre Zukunftsperspektiven verlieren. Dem weltweiten Handel auf diese Weise seine unbegrenzten Freiräume zu nehmen, heißt nicht, ihn abzuschaffen. Es heißt, ihn zu reformieren. Und nur eine solche Reform wird ihn retten können. Beim Espresso verriet ein Beamter der EU- Kommission, er hätte aus erster Hand erfahren, dass ein Industrieverband intensiv an einer „Buy-European“-Kampagne arbeite. Ein solches Konzept ist auch eine Reaktion auf die „Buy-American“-Aufrufe, die im Wahlkampf in den USA erstmals auftauchten und dort eine Konstante im Wahlkampf des republikanischen Präsidentschaftskandidaten sind: „America first“. Mit anderen Worten: Schluss mit der Globalisierung. In Europa meldet die EU-Kommission, in den vergangenen acht-Jahren habe das Arsenal an handelbehindernden Instrumenten, die die wichtigsten Wirtschaftspartner der Union einsetzen, zugenommen. In Frankreich steht die Regierung unter enormem Druck von Rechtspopulisten, Importe aus dem Ausland einzuschränken. Es scheint nur noch eine Chance zu geben, nach Jahren des ungezügelten internationalen Freihandels einen Rückfall in die schlechten alten Zeiten des Protektionismus zu verhindern: Der Politik muss es gelingen, die Globalisierung so zu gestalten, dass alle - und nicht nur einige - von ihren Versprechen überzeugt sein können. Das kann durchaus bedeuten, die derzeit kritisch diskutierten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta erst mal vom Tisch zu nehmen, sie kritisch zu überprüfen und notfalls in ihrer derzeitigen Form zu verwerfen. Auch wenn das Vielen nicht gefällt. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Globalisierung neu gestalten Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 24 Bahnhof und Bahnhofsfunktionen aus Nutzerperspektive Ergebnisse am Beispiel des Umbaus des Bahnhofs Ludwigsburg zum „Wohlfühlbahnhof“ Nutzergruppen, Umsteigepunkte, Bahnhöfe, Bahnhofsfunktionen, Stadtplanung, Verkehrsplanung Aus wissenschaftlicher Literatur wurden generische Funktionen von Bahnhöfen ermittelt. Der Projektanalyserahmen stützte sich auf eine Arbeit von S. Zemp [siehe 10], der aus Anforderungen an Bahnhöfe Bahnhofsfunktionen ableitet. Für die Fallstudie Ludwigsburg lag der Fokus auf der Identifizierung von nutzergruppenspezifischen Merkmalen, nämlich Pendler und Senioren, die mit interdisziplinären Methoden analysiert wurden und in Planungs- und Handlungsvorschlägen zum Bahnhofumbau mündeten. Die Ergebnisse stammen aus den Projekten „LUI (Ludwigsburg Intermodal)“ und „einfach umsteigen. Altersgerechte Orientierungs- und Leitsysteme an Umsteigepunkten“. Autoren: Karsten Hager, Wolfgang Rid, Carolin Herdtle, Felix Märker, Diana Böhm A ls zentrale Mobilitätsorte, an denen unterschiedliche Verkehrsarten und -träger zusammentreffen, stehen Bahnhöfe vor dem Hintergrund sozialer und technologischer Entwicklungen vor vielfältigen Herausforderungen. Zum einen werden Mobilitätsbedürfnisse durch gesellschaftliche Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse in zunehmendem Maße komplexer [1]. Zum anderen stellen makrostrukturelle Faktoren, wie der Klimawandel, die wachsende Urbanisierung und der Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologie moderne Mobilitätssysteme vor große Herausforderungen [2]. Ausgangssituation und Untersuchungsraum Der Ludwigsburger Bahnhof zählt zu einem der größten Bahnhöfe in Baden-Württemberg. Er wird von ca. 50 000 Fahrgästen täglich genutzt, von denen ein Großteil Be- Foto: Städtebau-Institut Universität Stuttgart INFRASTRUKTUR Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 25 Wissenschaft INFRASTRUKTUR rufspendler ist. Aufgrund der wachsenden Zahl der Ein-, Aus- und Umsteiger sowie der notwendigen Integration neuer Mobilitätsangebote und technologischer Innovationen, soll der bestehende Bahnhof an zukünftige Anforderungen angepasst werden. Die Neugestaltung des Bahnhofs und des angrenzenden ZOB soll eine übersichtliche inter- und multimodale Verknüpfung der Verkehrsträger fördern, neue Mobilitätsangebote (z. B. Car- und Pedelec-Sharing) integrieren sowie Warte- und Aufenthaltsbereiche aufwerten, um den Ludwigsburger Bahnhof als „Mobilitätsdrehscheibe der Zukunft“ [3] weiterzuentwickeln. Seitens der Stadtverwaltung wurde daher das Projekt „Wohlfühlbahnhof“ initiiert. Dieser Begriff ist wie folgt definiert: „Der Bahnhof ist die zentrale Verkehrsdrehscheibe im Stadtgebiet der Stadt Ludwigsburg. Er ist modern, übersichtlich, sicher und sauber und verfügt somit über eine hohe Aufenthaltsqualität. Er ist städtebaulich gut in die Umgebung integriert“ [4]. Von 2013 bis 2016 wurden zwei Forschungsprojekte „LUI (Ludwigsburg Intermodal)“ und „Einfach umsteigen. Altersgerechte Orientierungs- und Leitsysteme an Umsteigepunkten“ durchgeführt, um die Anforderungen an den Bahnhof einer Mittelstadt sowie die Chancen der planerischen Umsetzung zu untersuchen. Insbesondere zur Umsetzung innovativer Mobilitätssysteme erscheint eine Zielgruppen-spezifische Analyse zielführend [5, 6, 7]. Ein Fokus der Untersuchung lag auf der Nutzergruppe der Berufspendler als größter Nutzergruppe des Bahnhofs, ein weiterer auf Senioren, um vor dem Hintergrund des demographischen Wandels eine lebenslange selbstständige Teilnahme am Leben in der Stadt zu fördern. Stand der Forschung Bahnhöfe sind komplexe Mikrobausteine einer Stadt, an denen auf engstem Raum verschiedenste Funktionen und Nutzergruppen aufeinandertreffen. Eine Verknüpfung verschiedener Transportmodi wird zumeist als primäre Funktion eines Bahnhofs hervorgehoben, sowohl in der Makro- [8], als auch in der Mikroebene [9]. Eine umfassende Analyse von (Personen-)Bahnhöfen wurde in der Schweiz in einem transdisziplinären Forschungsprojekt vorgenommen [10]. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurden fünf generische Bahnhofsfunktionen identifiziert, die es ermöglichen, die Anforderungen von Akteuren an Bahnhöfe zu analysieren und eine holistische Betrachtung von Bahnhöfen vorzunehmen. Die generischen Funktionen sind: (1) Siedlungsraum und Verkehrsnetz verknüpfen (2) Verkehrsmittelwechsel ermöglichen (3) Kommerzielle Nutzungen ermöglichen (4) Öffentlichen Raum bieten und (5) Identität des Umfeldes mitgestalten. Methoden der Funktionsanalyse des Ludwigsburger Bahnhofs: Partizipationsformate, Seminar, Pedelecwege-Analyse, Beschilderungsanalyse Zur Analyse der spezifischen Anforderungen von Pendlern wurden im Projekt LUI mehrere Planwerkstätten durchgeführt (03/ 2013, 02/ 2014, 01/ 2016). Die Planwerkstätten zeichneten sich durch ein heterogenes Teilnehmerfeld aus, das aus Anwohnern, Lokalpolitkern oder Arbeitgebern im Bahnhofsumfeld bestand. In der ersten Planwerkstatt [4] wurden allgemeine Themen wie ÖPNV, Stadtplanung, Elektromobilität und Barrierefreiheit diskutiert. In der zweiten Planwerkstatt [11] wurden vor allem die Inhalte des Projektes LUI diskutiert. Die dritte Planwerkstatt [3] basierte auf dem geplanten Umbau des ZOB, die Situation der einzelnen Verkehrsträger im Bahnhof der Zukunft sowie die Situation der Radabstellanlagen und Radwege. Durch das heterogene Teilnehmerfeld der Planwerkstätten wurde das Durchführen von Fokusgruppen (Pendler und Senioren) als zielführend angesehen. Zudem wurde ein Pendlerbeirat initiiert (09/ 2014, 06/ 2015), um die Berufspendler in den Fokus zu nehmen. Im ersten Pendlerbeirat (13 Teilnehmer) ging es um die Evaluierung der Funktionen eines Musterbahnhofs sowie dem akuten Handlungsbedarf vor Ort. Im zweiten Pendlerbeirat (zehn Teilnehmer) wurden konkrete bauliche Maßnahmen an Teilbereichen des Bahnhofs Ludwigsburg diskutiert. Zusätzlich wurde ein studentischer Entwurf am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart durchgeführt, welcher den Bahnhof als Teil eines multimodalen Mobilitätssystems funktional und ästhetisch in die Gesamtstadt integriert. Zur Untersuchung der Nutzergruppe der Seniorinnen und Senioren (bei der Teilnehmerauswahl definiert als Bürgerinnen und Bürger über 60 Jahren) wurde im Projekt „… einfach umsteigen“ ein Ideenworkshop durchgeführt (05/ 2016). Die Nutzergruppe der Senioren ist sehr heterogen, daher wurde bei der Auswahl der Workshop-Teilnehmer u.a. auf unterschiedliche körperliche Beeinträchtigungen sowie Erfahrungen mit der Nutzung des Bahnhofs geachtet, um ein breites Spektrum an Problemen identifizieren und Lösungsvorschläge erarbeiten zu können. Mit 14 Seniorinnen und Senioren fand im Rahmen des Workshops zunächst eine gemeinsame Ortserkundung und -analyse des Bahnhofareals statt. Dabei erhielten die Teilnehmer fiktive Alltagsaufgaben zu den Themenbereichen Warten, Orientieren und Bewegen am Bahnhof, die sie in Kleingruppen vor Ort lösen sollten. Anschließend wurden im ge- Bild 1: Fotodokumentation Pendlerstrecke am Beispiel Hartenecker Höhe - Bahnhof Quelle: Städtebau-Institut Universität Stuttgart Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 26 INFRASTRUKTUR Wissenschaft meinsamen Austausch an einem physischen Modell positive und negative Eindrücke gesammelt. In einer Ideenwerkstatt entwickelten die Senioren schließlich Einfälle, Visionen und Wünsche für den Ludwigsburger Bahnhof. Zudem wurden zwei weitere Analyseschritte durchgeführt: Darunter fällt zum einen eine Pedelecwege- Analyse, die sich mit der Anbindung des Ludwigsburger Bahnhofs mit Hilfe von Pedelecs beschäftigt und Handlungsempfehlungen zum Ausbzw. Umbau der Radinfrastruktur bei einer erhöhten Nutzungsfrequenz von Pedelecs auf den Radwegen Ludwigsburgs gibt. Da eine Analyse aller Radwege in Ludwigsburg nicht innerhalb des Projektes umgesetzt werden konnte, wurden Beispielstrecken anhand von Nutzungsszenarien ausgewählt (s. Bilder 1-4). Des Weiteren wurde durch eine Analyse aller vorhandenen Schilder und Hinweistafeln im Bahnhofsareal Möglichkeiten einer vereinfachten Wegeführung ausgelotet. Unter Beachtung der Notwendigkeit einer einheitlichen Beschilderung sowie einer nur eingeschränkt die STVO und DB-ergänzenden Beschilderung wurden vor allem Maßnahmen entwickelt, die durch gestalterische, bauliche oder topographische Elemente Menschen leiten. Untersuchungsergebnisse Siedlungsraum- und Verkehrsnetz verknüpfen (Pedelecwegeanalyse) Als Ausgangspunkt für Testfahrten auf Basis von nutzergruppenspezifischen Zielen (Naherholung, Einkaufen, Arbeitsweg) wurde das Neubaugebiet Hartenecker Höhe im Osten Ludwigsburgs gewählt (s. Bild 1: Beispielstrecke Hartenecker Höhe - Bahnhof ). Die Strecken wurden bei den Testfahrten nach folgenden Prüfkriterien analysiert: (a) Orientierung (b) Übersichtlichkeit (c) Belag der Fahrbahn (in Abhängigkeit von Witterung und Saison) (d) Breite der Wege. Bild 2 fasst die wichtigsten Unterschiede zwischen Fahrrädern und Pedelecs zusammen und bildet den durchschnittlichen Pedelecnutzer ab, d.h. Nutzer in der Alterskategorie 50+, ggf. körperliche Einschränkungen und Unerfahrenheit mit höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten auf Fahrrädern. Berufspendler benötigen vorwiegend übersichtliche, kreuzungsarme und wetterunabhängige Strecken, um Fahrtzeiten möglichst kurz zu halten. Die Einrichtung von Vorfahrtstraßen, zuverlässigem Winterdienst und entsprechender Ausleuchtung, aber auch Sofortmaßnahmen wie der Rückschnitt von Hecken (für ein aufgeräumtes Sichtfeld) tragen oft zur Verbesserung der Situation bei. Senioren akzeptieren durchschnittlich längere Fahrtzeiten, fahren häufiger in Gruppen und verstärkt zu Freizeit- und Einkaufszwecken (Absatz beruht auf: Pendlerbeirat Stadt LB, 2014). Aufgrund des hohen Eigengewichts der Pedelecs und der geringeren körperlicher Fitness von Senioren sind Hebesituationen, Schiebepassagen und Spurrillen zu vermeiden, ebenso sollten Bordsteine abgesenkt werden. Bild 3 zeigt eine Übersicht Bild 2: Unterschiede zwischen Pedelecs und Fahrrädern; durchschnittliches Nutzerprofil Quelle: Städtebau-Institut Universität Stuttgart Bild 3: Nutzerbewertung von Senioren und Pendlern Quelle: Städtebau- Institut Universität Stuttgart Bild 4: Anforderungen für Pendler mit Pedelecnutzung an die Radinfrastruktur am Beispiel der Hartenecker Höhe Quelle: Städtebau-Institut Universität Stuttgart Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 27 Wissenschaft INFRASTRUKTUR der zugrunde gelegten Gewichtung der einzelnen Kriterien pro Nutzergruppe, die von den Autoren erarbeitet wurde. Bild 4 zeigt zusammenfassend die notwendigen Anforderungen an eine Rad-Infrastruktur bei verstärktem Pedelecaufkommen. Verkehrsmittelwechsel ermöglichen (Beschilderungsanalyse, Partizipationsformate) Die Verwendung von Beschilderung als Lösung eines Orientierungsproblems sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen. Zudem wurde der Frage nachgegangen, an welcher Stelle Pendler oder Senioren gesonderte Informationen benötigen. Die Zielgruppe der Berufspendler zeigte im Gegensatz zur Gruppe der Senioren vornehmlich Interesse an Informationen zum Verkehrsmittel (z. B. aktuelle Abfahrtsinformationen) und weniger an Maßnahmen zu einer verbesserten Orientierung. Senioren wünschen sich darüber hinaus kurze Wege, nutzerfreundliche Informationstafeln sowie barrierefreie Leitsysteme. Bei der Informationstafel ist insbesondere auf die Auswahl kontrastreicher Farben zu achten, welche auch von Personen mit eingeschränkter Sehkraft lesbar sind. Zur Förderung der visuellen Orientierung wurde eine farbige Sortierung der Busse vorgeschlagen, z.B. durch eine spezielle Farbigkeit für Innenstadtbusse. Zudem haben akustische Orientierungshilfen eine wichtige Funktion beim Verkehrsmittelwechsel. Angesichts der ermittelten Wünsche der beiden Nutzergruppen konnten die sechs folgenden Maßnahmen zur Orientierung bei Verkehrsmittelwechsel erarbeitet werden: (a) Markierungen auf dem Boden (b) sichtbare Alternativen (c) zusammenfassen (d) gestaltend leiten (e) Orientierung durch Sichtbarkeit (f ) konzentrieren (s. Bild 5). Anhand der kategorisierten Bestandsaufnahme der Beschilderung (ÖPNV, Stadt, Fahrrad, STVO) könnten unter Anwendung der sechs Maßnahmen von 106 am Bahnhof aufgenommenen Schildern 69 Schilder ersetzt oder abmontiert und somit die Wegfindung am Bahnhof verbessert werden. Kommerzielle Nutzung ermöglichen (Partizipationsformate) Die Relevanz von kommerziellen Nutzungen an Bahnhöfen wurde von keinem Teilnehmerkreis in den Partizipationsformaten infrage gestellt, allerdings wurde weder von Pendlern noch von Senioren akuter Handlungsbedarf identifiziert. Bei einer Priorisierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Bahnhofsfunktionen im Rahmen der zweiten Planwerkstatt wurden „kommerzielle Nutzungen“ mit der geringsten Priorität bewertet. Stattdessen wurde das am Bahnhof Ludwigsburg relativ breite Warenangebot als eher störend empfunden (Bild 6). Im Zuge eines Workshops mit Ludwigsburger Senioren wurde deutlich, dass auch die Gruppe der Senioren die Vielzahl an Geschäften und deren Außenauslagen im Bahnhofsgebäude negativ bewertet, da die Auslagen die Bewegungsfreiheit im Gebäude einschränken. Öffentlichen Raum bieten (Partizipationsformate, Seminar) Drei der von der Stadt Ludwigsburg benannten Themengebiete mit dringendem Handlungsbedarf haben Bezug zum öffentlichen Raum [4]. Zudem wurde in den Pendlerbeiräten berichtet, dass der heutige Bahnhofsvorplatz nicht als öffentlicher Platz wahrgenommen wird. Zu Beginn des Projektes wurde häufig über mangelnde Sauberkeit sowie ein ungenügendes Sicherheitsempfinden am Bahnhof berichtet. Dies konnte allerdings in der Projektlaufzeit durch ein einheitliches Reinigungskonzept Bild 5: Maßnahmen zur Schilderreduktion zur Orientierung an Bahnhöfen Quelle: Städtebau- Institut Universität Stuttgart, eigene Darstellung Bild 6: Die Gruppe der Senioren bewertet die Vielzahl der Geschäfte und ihrer Außenauslagen im Bahnhofsgebäude negativ. Foto: Städtebau-Institut Universität Stuttgart Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 28 INFRASTRUKTUR Wissenschaft und eine größere Präsenz des Sicherheitspersonals verbessert werden, wie sich in den Fokusgruppen zeigte. Die Senioren definierten die Aufenthaltsqualität in öffentlichen Räumen überwiegend über einen hohen Anteil an Grünflächen. Außerdem wurde eine barrierearme Gestaltung durch ebene Straßenbeläge, abgesenkte Bordsteine, breite Gehwege und ausreichende ergonomische Sitzmöglichkeiten mit Witterungsschutz gefordert. Des Weiteren wurden zur Aufwertung des öffentlichen Raums in der Ideenwerkstatt Spielgeräte und Bewegungselemente diskutiert. Explizit angesprochen wurde außerdem die Thematik der Sicherheit, wie etwa ausreichende Beleuchtung des öffentlichen Raums. Der Input der Senioren wurde mithilfe eines Modells des Ludwigsburger Bahnhofareals gesammelt, in das die Senioren ihre Ideen, Anregungen und Wünsche mit Stecknadeln markieren konnten (s. Bild 7). Im Rahmen eines studentischen Entwurfsprojektes [12] wurde der Bahnhofsvorplatz neu gestaltet, um eine Aufwertung der Flächen vornehmen zu können (s. Bild 8). Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, durch temporäre Maßnahmen (z.B. Bodengestaltung, Abkleben von Werbung) eine Bewusstseinsänderung für den öffentlichen Raum herbeizuführen. Identität des Umfelds mitgestalten (Partizipationsformate, Seminar) Der Begriff der Identitätsgestaltung war für alle Befragten und Fokusgruppenteilnehmer schwer zu fassen. Für Pendler spielte diese Funktion nahezu keine Rolle, die Senioren fokussierten sich auf funktionale Aspekte des Bahnhofs. Die einzigen Anregungen zur Gestaltung des Umfeldes handelten von der Integration anderer am Bahnhof benötigter Gebäude (Parkhäuser), die z. B. über die Fassadengestaltung in das städtebauliche Umfeld integriert werden sollten. Festzuhalten ist, dass sich die Beteiligung von Nutzergruppen im Hinblick auf die Entwicklung und Gestaltung der ‚Identität‘ eines Bahnhofs im Vergleich zu den anderen Bahnhofsfunktionen als am schwierigsten herausstellte, das Format der Partizipation im Bereich der Gestaltung evtl. auch an seine Grenzen stößt. Die studentischen Entwürfe zielten insbesondere darauf ab, die Trennwirkungen der Gleise zu verringern sowie zusätzliche Sichtachsen zu schaffen (s. Bild 7). Fazit Das theoretische Konzept der generischen Bahnhofsfunktionen nach [10] eignete sich in der vorliegenden Untersuchung gut, um einerseits den Zustand des Bahnhofs, andererseits seine Entwicklungsmöglichkeiten zu beschreiben. Die Definitionen sowie die Interaktionen zwischen den Funktionen führen dazu, dass alle Bahnhöfe in ihrer Einzigartigkeit abgebildet werden können. Die Gewichtung der Funktionen variiert im Hinblick auf den Maßstab des Bahnhofs sowie prägenden Nutzergruppen. Maßnahmen zur Verbesserung einzelner Funktionen können Synergien zur Folge haben, aber auch Zielkonflikte auslösen (Fläche für den Verkehrsmittelwechsel vs. Fläche für öffentlichen Raum). Je nach spezifischen Umbauzielen der Bahnhöfe müssen wechselnde Zielgruppen in die Planung eingebunden werden. Dies ist insbesondere dann aufwändig, wenn es um die Anbindung von Bahnhöfen in ihr städtisches Umfeld Bild 7: Visualisierung des Bahnhofsareals Ludwigsburg am Modell mit Stecknadeln der Senioren für Anregungen, Kritik, etc. Quelle: Städtebau-Institut der Universität Stuttgart) Bild 8: Studentischer Entwurf zur Neugestaltung der öffentlichen Plätze am Ludwigsburger Bahnhof Quelle: Städtebau-Institut Universität Stuttgart, Studenten: Sibylle Schmitt, Leo Herrmann Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 29 Wissenschaft INFRASTRUKTUR [10] Zemp, S. (2011): Sustainable positioning of railway stations systemic analysis for knowledge integration. ETH Zürich, Dissertation No. 19578, 122 S. [11] Stadt Ludwigsburg (LB) (2014): Zeit für einen Wandel - Planwerkstatt „Wohlfühlbahnhof“. Ludwigsburg, 8 S. [12] Städtebau-Institut (2016): Abschlussabgaben des studentischen Entwurfs der Werkstatt: Mobilität zum Bahnhof Ludwigsburg. Carolin Herdtle, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Stadt-Mobilität-Energie, Städtebau-Institut, Universität Stuttgart carolin.herdtle@si.uni-stuttgart.de Felix Märker, Dipl.-Ing., M. Eng. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Stadt-Mobilität-Energie, Städtebau-Institut, Universität Stuttgart felix.maerker@si.uni-stuttgart.de Wolfgang Rid, Prof. Dr. Leiter der Forschungsgruppe Stadt-Mobilität- Energie, Städtebau-Institut, Universität Stuttgart, und Professor für Stadt-und Regionalökonomie, FH Erfurt wolfgang.rid@si.uni-stuttgart.de Diana Böhm, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am LAI Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und industrielle Landschaft, Prof. Udo Weilacher, TU München boehm@lai.ar.tum.de Karsten Hager, M. Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Stadt-Mobilität-Energie, Städtebau-Institut, Universität Stuttgart karsten.hager@si.uni-stuttgart.de HINTERGRUND Der Projektrahmen LUI (Ludwigsburg Intermodal): Das hier geschilderte Projekt ist Teil des Forschungsprojektes Ludwigsburg Intermodal (LUI), gefördert im Rahmen des Programmes Schaufenster Elektromobilität bzw. LivingLab BWe mobil (Laufzeit: 01.05.2013 - 30.06.2016). Das Projekt wird als Konsortialprojekt durchgeführt, Projektpartner sind die Stadt Ludwigsburg (Lead-Partner), die Universität Stuttgart (SI und IAT), sowie die Stadtwerke Ludwigsburg Kornwestheim (SWLB). Projektinhalt: Der Bahnhof Ludwigsburg soll im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen zu einer intermodalen Mobilitätsdrehscheibe mit hoher Aufenthaltsqualität ausgebaut werden. Besonders im Fokus liegt dabei der Ausbau der Elektromobilität, die zusammen mit einer baulichen Modernisierung des Bahnhofs das neue nachhaltige intermodale Mobilitätskonzept der Stadt Ludwigsburg prägen soll. „… einfach umsteigen. Altersgerechte Orientierungs- und Leitsysteme an Umsteigepunkten. Untersucht am Fallbeispiel des Bahnhofsvorplatzes in Ludwigsburg“: Förderprogramm „kleine Schritte, große Wirkung“ der Robert-Bosch Stiftung in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO). (Laufzeit: 09 / 2015 - 09 / 2016) Projektinhalt: Im Projekt „…einfach umsteigen“ wurde sich der Frage der altersspezifischen Mobilitätsproblematik am Beispiel der Umsteigeorte genähert. Gemeinsam mit ortsansässigen Seniorinnen und Senioren wurde am Fallbeispiel des Bahnhofs Ludwigsburg untersucht, welche Bewegungs- und Orientierungsabfolgen es an Umsteigeplätzen gibt und welche Faktoren bei älteren Mobilitätsnutzern zu Problemen mit der Nutzung des Bahnhofs führen. Dazu wurde im Mai 2016 ein Workshop mit Ludwigsburger Bürgerinnen und Bürgern der Generation 60+ durchgeführt. Um eine möglichst große Bandbreite an Meinungen zu untersuchen, nahmen sowohl Personen, die den Ludwigsburger Bahnhof bereits in ihrem Alltag als Umsteigepunkt nutzen, am Workshop teil, als auch solche, die (bislang) nur wenige Erfahrungen mit dem Bahnhofsraum gemacht hatten. Die Autoren danken den Mitarbeitern der städtischen Verwaltung Ludwigsburg für die konstruktive Zusammenarbeit sowie allen Umfrage-/ Workshop-Teilnehmern für ihr Interesse und ihren Input. geht. Empfehlenswert ist aus Sicht der Autoren, ein Controlling zur Messbarkeit der Fortschritte in den einzelnen Funktionen zu verwenden. Eine Analyse des Ist-Zustandes sowie des Handlungsbedarfs für den Bahnhof Ludwigsburg konnte durch die Fokussierung auf spezifische Nutzergruppen zielorientiert erstellt werden. Die vorgestellte Pedelecwege-Analyse sowie die Methoden zur Reduktion von Beschilderung sind prinzipiell auf andere Untersuchungsregionen übertragbar. Nutzerspezifische Formate, wie Fokusgruppen, haben sich im Laufe der Projekte als wertvoll erwiesen und sollten bei Bahnhofsanalysen immer zum Einsatz kommen. In den Diskussionsrunden war die Verwendung von Visualisierungen sehr hilfreich, um Planungsinhalte zu diskutieren (s. Bild 7): Die Teilnehmer konnten sich mit Hilfe der Visualisierungen besser orientieren und ihr Feedback besser strukturieren. ■ LITERATUR [1] Jarass, J. (2012): Wohnstandortpräferenzen und Mobilitätsverhalten: Verkehrsmittelwahl im Raum Köln. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden. [2] Deutscher Bundestag (2013): Zukunft der Mobilität - Entwicklung der Mobilitätsforschung des Bundes. Drucksache 17/ 12119. Berlin. [3] Stadt Ludwigsburg (LB) (2016): Vom Wohlfühlbahnhof zum Bahnhof der Zukunft - Planwerkstatt. Ludwigsburg, 8 S. [4] Stadt Ludwigsburg (LB) (2013): Zeit für einen Wandel - Planwerkstatt „Bahnhof mit Zug“. Ludwigsburg, 8 S. [5] Braun, A., Herdtle, C., Schmid, M., Märker, F., Rid, W. (2015): Toolbox für Elektromobilität in Mittelstädten. Online unter: http: / / www.emis-projekt.de/ brcms/ pdf/ EMiS_Toolbox_ Elektromobilitaet.pdf (Zugriff am 08.08.2016). [6] Hager, K., Märker, F., Rid, W., Zimmermann, S.: Verortung von Pedelec-Verleihstationen (PVS). In: Planerin 4/ 16, 38-40. [7] Rid, W.; Parzinger, G.; Müller, U.; Grausam, M. (2016): Elektromobilität im Carsharing - Status Quo, Potenziale und Erfolgsfaktoren. BMVI (Hrsg.). Berlin. [8] Juchelka, R. (2002): Bahnhof und Bahnhofsumfeld. Ein Standortkomplex im Wandel. [9] Arndt, K.; Becker, J. (2013): Beispielhafte Bahnhöfe im RMV. Was bei der Bahnhofsgestaltung zu beachten ist. In: Der Nahverkehr (5), 34-38. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 30 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Mobilitätsmanagement für einen Hochschulcampus Entwicklung eines integrierten Mobilitätskonzepts für den Campus Weihenstephan in Freising Mobilitätsmanagement, Erreichbarkeit, Mobilität von Studierenden und Beschäftigten, Beteiligungsverfahren Die Entwicklung von angepassten Mobilitätslösungen für Campus-Standorte ist - auch im Wettbewerb der Wissenschaftscluster - eine zunehmend wichtige Aufgabe. Aufgrund eines hohen Parkdrucks stand der Wissenschafts- und Forschungscampus Weihenstephan zwischen 2014 und 2016 im Fokus der Initiative „Mobilitätsmanagement Weihenstephan“. Ein zentrales Ziel war die Entwicklung eines integrierten Mobilitätskonzeptes für einen „grünen Campus“. Auf der Grundlage von umfangreichen Bestandsanalysen sind mit Beteiligung von Studierenden und Beschäftigten aktuelle Probleme identifiziert und Ansatzpunkte für erfolgversprechende Maßnahmen entwickelt worden. Durch das Mobilitätskonzept kann eine nachhaltige Mobilität am Campus gefördert werden. Autoren: Julia Kinigadner, Gebhard Wulfhorst, Montserrat Miramontes, Chenyi Ji H ochschulstandorte und andere als Campus organisierte (Wissenschafts-)Standorte befinden sich nicht zwingend in zentraler, hochwertig erschlossener Lage. Im Wettbewerb um attraktive Standorte und angesichts des Anspruches zukunftsweisender Mobilität werden innovative Lösungen für die spezifische Situation der jeweiligen Standorte gesucht. Dabei erscheint es besonders wichtig, den Prozess der Entwicklung mit den Akteuren vor Ort gemeinsam zu gestalten. Die Bedürfnisse, Erfahrungen und Ideen der Betroffenen sollten bestmöglich in die Konzeption einfließen. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Partner vor Ort zwingende Voraussetzung. Wie die Entwicklung und Einführung eines Mobilitätsmanagements gelingen kann, zeigt das Beispiel der Technischen Universität Darmstadt. Eine Befragung der Beschäftigten und Studierenden diente als Grundlage für die Entwicklung umsetzbarer Maßnahmen zur Beeinflussung des Modal Split [1]. Auch das integrierte Mobilitätskonzept für die RWTH Aachen sieht infrastrukturelle und organisatorische Maßnahmen vor, die auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen abgestimmt sind [2]. Internationale Mobilitätskonzepte beinhalten als Kerninstrument oftmals ein effektives Parkraummanagement. Für die University of California in Berkeley wurde eine Kombination aus Parkraumbewirtschaftung und begleitenden Maßnahmen empfohlen [3]. An der Middle East Technical University in Ankara müssen Parkberechtigungen käuflich erworben werden, wodurch die Zufahrt zum Campus eingeschränkt wird [4]. Die Limitierung von kostenfreien Parkmöglichkeiten trägt maßgeblich zur Verringerung der Nachfrage im motorisierten Individualverkehr bei. Im Folgenden wird der Entwicklungsprozess für ein integriertes Mobilitätskonzept anhand eines aktuellen Beispiels beschrieben. Der Wissenschafts- und Forschungscampus Weihenstephan befindet sich am Rande der rund 45.000 Einwohner zählenden Stadt Freising. Auf dem gesamten Campus arbeiten und studieren etwa 13.000 Angehörige verschiedener Einrichtungen. Die beiden größten Institutionen sind das Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München (TUM) und die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Zu den weiteren Einrichtungen zählen die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung und die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan. Aufgrund eines hohen Parkdrucks mit häufiger Überlastung der vorhandenen Stellplätze entstand im Sommer 2014 die Initiative „Mobilitätsmanagement Weihenstephan“. Ordnungswidrig auf Fuß- und Fahrwegen, Feuerwehrzufahrten oder Grünflächen abgestellte Pkw gefährden die Verkehrssicherheit und senken die Aufenthaltsqualität am Standort. Vor dem Hintergrund des Leitbilds „Grüner Campus“ ist eine hohe Autoabhängigkeit mit starker Präsenz von Pkw nicht wünschenswert. Ein institutionsübergreifendes Mobilitätskonzept soll langfristig nachhaltige Mobilität am Campus fördern. Im Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 31 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Rahmen der zweijährigen Initiative wurden Maßnahmen zur Einflussnahme auf das Mobilitätsverhalten entwickelt, um bestehenden und zukünftigen verkehrlichen Belastungen entgegen zu wirken. Die wesentlichen Ziele des Mobilitätskonzepts sind: • Aufrechterhalten bzw. Steigerung der Attraktivität des Standorts unter Wahrung des grünen Charakters • Verringerung des Pkw-Anteils sowohl bei Pendlerfahrten als auch bei Dienstfahrten und Reduzierung der Parkraumnachfrage • Verbesserung und Ausweitung der Mobilitätsangebote • Erhöhung der Erreichbarkeit des Standorts mit alternativen Verkehrsmitteln Strategische Handlungsfelder zur Entwicklung bedarfsgerechter Maßnahmen Im Hinblick auf die Projektziele wurden vier Wirkungsfelder definiert, die zur Evaluierung der Maßnahmen dienen: • Verkehrsvermeidung durch höhere Besetzungsgrade, Schaffung kurzer Wege und Optimierung von Wegeketten • Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl, um eine Verlagerung von Fahrten mit dem motorisierten Individualverkehr auf andere Verkehrsmittel zu erzielen • Effizienzsteigerung durch bessere Ausnutzung vorhandener räumlicher Kapazitäten bzw. bestehender Verkehrsangebote und Infrastrukturen • Verbesserung der Standortqualität für Beschäftigte, Studierende und Besucher Die Maßnahmen bauen auf folgenden Handlungsfeldern auf: 1) Standortentwicklung zur Verknüpfung von Studieren bzw. Arbeiten mit Wohnen und anderen Aktivitäten vor Ort 2) Qualität für die fußläufige Vernetzung vor Ort 3) Potenziale für den Radverkehr 4) Perspektiven für den Öffentlichen Verkehr 5) Problemlösungen für den Kfz-Verkehr 6) Organisation und Beratung Der richtige Mix von prioritären Maßnahmen aus den verschiedenen Handlungsfeldern kann zu einer entsprechenden Wirkungsbreite und Vernetzung zwischen den Belangen beitragen. Methodisches Vorgehen bei der Konzeptentwicklung Das Mobilitätskonzept ist auf die Zielgruppen am Campus und deren unterschiedliche Bedürfnisse ausgerichtet worden. Grundlegend für die Entwicklung bedarfsgerechter Lösungen sind die Erhebung der bestehenden Rahmenbedingungen sowie ein ständiger Feedbackprozess. Um abgestimmte Strategien und umsetzbare Maßnahmen entwickeln zu können, müssen die Beteiligten umfassend und institutionsübergreifend an der Konzeptentwicklung beteiligt werden. Die Akzeptanz der Betroffenen ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Umsetzung des Konzepts. Von Beginn an fanden daher umfangreiche Erhebungen und Beteiligungsformate statt (Bild 1). Im Rahmen eines Auftaktworkshops mit Vertretern der beteiligten Institutionen wurden Probleme identifiziert und erste Ansatzpunkte für das Mobilitätskonzept herausgearbeitet. Die Teilnehmer sammelten nach dem Konzept einer Zukunftswerkstatt kritische Punkte in Bezug auf die aktuelle Situation am Campus und entwickelten gemeinsame Ziele und Visionen. Während des Auftaktworkshops wurde ein projektbegleitender Arbeitskreis mit beratender und unterstützender Funktion gebildet. Der Arbeitskreis bestand aus Vertretern aller Institutionen am Campus sowie weiterer relevanter Akteure, wie der Stadt Freising und den örtlichen Verkehrsbetrieben. Die Präsentation von Zwischenergebnissen und Abstimmung weiterer Schritte fand während regelmäßiger Arbeitskreistreffen statt. Eine Online-Befragung diente als Kern der Bestandsaufnahme - dank der Mitwirkung der beteiligten Einrichtungen konnten sehr hohe Rücklaufquoten erzielt werden, bei den Beschäftigten von knapp 45 %, bei den Studierenden von 25 %. Dabei wurden Kenntnisse zum Mobilitätsverhalten der Beschäftigten und Studierenden gewonnen. Nicht nur die aktuelle Verkehrsmittelwahl, sondern auch die zugrunde liegenden Rahmenbedingungen und Motive waren von Interesse. Ergänzend wurden konkrete Gründe für die Nichtnutzung alternativer Verkehrsmittel und entsprechende Verbesserungsvorschläge abgefragt. Über 50 % der Beschäftigten nutzen den PKW für den Arbeitsweg, bei den Studierenden ist der Anteil deutlich geringer (Bild 2). Stattdessen nutzen Studierende aufgrund eines geringeren Motorisierungsgrades sowie der Verfügbarkeit eines Semestertickets häufiger Öffentliche Verkehrsmittel. Wegen Überfüllung der lokalen Busse, langer Wartezeiten oder unzureichender Informationen nutzen viele Pendler das Rad, um vom Bahnhof Freising zum Campus zu gelangen. Insgesamt ist der Fahrradanteil hoch, da der Wohnort zahlreicher Beschäftigter und Studierender im näheren Umkreis des Campus liegt. Durch Erreichbarkeitsanalysen und Erhebungen konnte das aktuelle Mobilitätsangebot im Hinblick auf verschiedene Verkehrsträger erfasst werden. Um ein Verständnis für die Hauptproblematik zu entwickeln, wurde an einem typischen Werktag im Wintersemester eine KFZ-Erhebung in Kombination mit einer Sensibilisierungskampagne durchgeführt. So wurden Kenntnisse Bild 1: Ablaufschema des Methodischen Vorgehens bei der Konzeptentwicklung Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 32 INFRASTRUKTUR Wissenschaft über die zeitliche und räumliche Auslastung der vorhandenen Stellflächen gewonnen und Verlagerungspotenziale identifiziert. Analog dazu wurden im Sommersemester die Auslastung und der Umschlag der Fahrradabstellanlagen auf dem Campus erhoben. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme dienten als Grundlage für die Entwicklung geeigneter infrastruktureller und organisatorischer Maßnahmen. Die Auswertung der KFZ-Erhebung zeigt einen raschen Abfall der Stellplatznachfrage ab dem frühen Nachmittag. Trotz lokaler Überlastungen sind die Stellplatzkapazitäten auf dem Campus zu keiner Zeit komplett ausgelastet. Bild 3 zeigt die Auslastung einzelner Parkzonen in der Spitzenstunde. Während zentrale Stellplatzanlagen überlastet sind, weisen entferntere Parkplätze freie Kapazitäten auf. Eine bessere räumliche und zeitliche Verteilung der Nachfrage ist der Ausweisung zusätzlicher Stellplätze vorzuziehen. Um die gewonnenen Erkenntnisse mithilfe der Betroffenen zu einem Konzept zu bündeln, war ein weiteres Beteiligungsformat erforderlich. Zu diesem Zweck wurden Beschäftigte und Studierende aller Institutionen zu einem campusweiten Workshop eingeladen. Zunächst wurden die Ergebnisse der Mobilitätserhebungen präsentiert, um den Teilnehmenden die Rahmenbedingungen zu vermitteln. Anhand der Bestandsaufnahme und einer ergänzenden Literaturanalyse wurde im Vorfeld eine Sammlung potenzieller Maßnahmen erarbeitet und den Teilnehmenden des Workshops vorgestellt. Die Vorschläge wurden im weiteren Verlauf des Workshops diskutiert und ergänzt. Im Rahmen eines World Cafés wurden Gedanken zu wirkungsvollen Maßnahmen und erforderlichen Schritten für die Umsetzung gebündelt. Dafür wurden kleinere Diskussionsgruppen bestehend aus ca. fünf Personen gebildet. Die diskutierten Ideen wurden auf Papiertischdecken festgehalten. Ein vorab bestimmter Gruppenleiter stellte die zentralen Inhalte im Plenum vor, um anderen Teilnehmenden Ergänzungen zu ermöglichen. Im Nachgang des Beteiligungsworkshops wurden die Maßnahmenvorschläge konkretisiert und zu Projektsteckbriefen weiterentwickelt. Die Steckbriefe enthalten eine Beschreibung der Maßnahme, deren Ziel sowie deren Wirkungsweise. Zur besseren Einschätzung der Umsetzbarkeit einzelner Maßnahmen wurden der zeitliche und finanzielle Aufwand abgeschätzt. Potenzielle Verantwortliche für die Umsetzung des Projekts wurden benannt. Die Projektsteckbriefe wurden im Arbeitskreis vorgestellt und erläutert. Mithilfe eines Punktesystems wurden die Maßnahmen durch die Mitglieder des Arbeitskreises bewertet. Die nach einer Plenumsdiskussion abschließend positiv beurteilten Maßnahmenvorschläge wurden im Anschluss an die Sitzung zu einem detaillierten Konzept ausgearbeitet. Die am ehesten zielführenden Maßnahmen sollen prioritär umgesetzt wurden, um personelle, finanzielle und zeitliche Kapazitäten bestmöglich zu nutzen. Anhand der erwarteten Effekte auf die eingangs vorgestellten Wirkungsfelder erfolgte eine Priorisierung der Maßnahmen in drei Kategorien. Projekte mit Priorität 1 versprechen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung der Mobilität am Campus den größten Erfolg. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird dringend empfohlen. Projekte mit Priorität 2 lassen eine geringere Wirkung erwarten, können andere Maßnahmen jedoch passend ergänzen. Projekte mit Priorität 3 sollen nur bei Bedarf umgesetzt werden, beispielsweise wenn andere Maßnahmen langfristig keine Wirkung zeigen oder wenn das Projekt explizit gewünscht wird. Abstimmung der Umsetzungsprojekte Das Mobilitätskonzept wurde in den Sitzungen der Hochschulleitungen der TUM und der HSWT vorgestellt und zustimmend zur Kenntnis genommen. Während der Diskussion wurden die Inhalte einzelner Maßnahmen weiter geschärft. Aufbauend auf der dreistufigen Priorisierung der Maßnahmen wurden zehn der ursprünglich 20 vorgeschlagenen Maßnahmen als Umsetzungsprojekte bestimmt (Bild 4). Die finalen Umsetzungsmaßnahmen wurden im Weihenstephaner Forum, einer Austauschplattform politischer Entscheidungsträger, präsentiert. Grundlegende Voraussetzungen für eine langfristig nachhaltige Entwicklung schaffen die Maßnahmen aus dem Bereich der Standortentwicklung durch campusnahe Wohnmöglichkeiten und Erhöhung der Aufenthaltsqualität. Bild 2: Modal Split der Beschäftigten und Studierenden für den Weg zum Campus Bild 3: Stellplatzauslastung in der Spitzenstunde zwischen 10: 00 und 11: 00 Uhr Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 33 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Die Förderung von alternativen Verkehrsmitteln bei gleichzeitiger Einschränkung der Pkw-Nutzung bewirkt einen Push-Pull-Effekt. Insbesondere soll die Attraktivität des lokalen Busnetzes gestärkt werden. Mit der Umsetzung der ersten Bausteine des Konzeptes wurde bereits begonnen. Die Fahrpläne der Busse wurden im Hinblick auf die Ankunfts- und Abfahrtzeiten der Züge am Bahnhof Freising optimiert. Verstärkerfahrten, auf die bisher nur in Aushängen hingewiesen wurde, erscheinen auch in der Online-Fahrplanauskunft. Darüber hinaus ist die Einrichtung einer zusätzlichen Bushaltestelle auf dem Weihenstephaner Berg geplant, wo der Parkdruck besonders groß ist. Zur Anbindung der neuen Haltestelle wird ein Shuttlebus-System zwischen dem Bahnhof Freising und dem Campus konzipiert, das die Verbindung weiter stärken wird. Die Bereitstellung von Informationen rund um die Mobilität am Campus ist unverzichtbar, um einen Bewusstseinswandel herbeizuführen. Bestehende und neue Angebote werden in Form eines Info- Flyers für Erstsemester und neue Beschäftigte vermarktet. Bereits zum Wintersemester 2016/ 2017 können dadurch Verhaltensänderungen bewirkt werden. Langfristig wird die Ausarbeitung eines Mobilitätspakets mit ausführlichen Informationen angestrebt. Der Schlüssel zum Erfolg des Konzepts liegt in der Benennung von Verantwortlichkeiten. Die hohe Anzahl der Institutionen und Akteure erfordert eine campusweite Kooperationsplattform, auf der die Verantwortlichkeiten für das Mobilitätsmanagement verabredet werden können. Hierfür soll ein Steuerungskreis mit Vertretern aller beteiligten Institutionen eingerichtet werden. Zusätzlich wird die Bildung von Projektteams zur Umsetzungsbegleitung einzelner Maßnahmen empfohlen. Die nötigen Voraussetzungen für die Umsetzung des Mobilitätskonzepts wurden während einer abschließenden Arbeitskreissitzung geschaffen. Für jedes der Umsetzungsprojekte wurde ein Projektteam gebildet, das unter Leitung eines Paten für die Realisierung der jeweiligen Maßnahme verantwortlich ist. Fazit Das gewählte Vorgehen mit umfassenden Bestandsanalysen und Beteiligungsformaten führte zu einem erfolgversprechenden Mobilitätskonzept für den Campus Weihenstephan. Die Campuseinrichtungen können für die Umsetzung und bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Konzepts auf den bestehenden Grundlagen aufbauen. Zusammenfassend sollen drei Schlussfolgerungen hervorgehoben werden: 1) Umfassende Bestandsaufnahmen sind eine wichtige Grundlage, um die Bedürfnisse der unterschiedlichen Zielgruppen berücksichtigen zu können. Nur wenn die Hintergründe von Mobilitätsentscheidungen erhoben und verstanden werden, kann das Mobilitätsmanagement darauf abgestimmt werden. 2) Akteure aller beteiligten Institutionen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Campus müssen bei der Konzeptentwicklung eingebunden werden. Als besonders wertvoll wurde empfunden, dass es gelungen ist, die relevanten Akteure im Prozess an einen Tisch zu holen. 3) Die Benennung von Verantwortlichkeiten und Durchführung einer Erfolgskontrolle ist zentral für die Einführung eines Mobilitätsmanagements. Besonders wichtig für die weitere Entwicklung scheint es, den Prozess der maßnahmenbezogenen Arbeit in den Projektteams fortzusetzen, im Steuerkreis zu koordinieren und gegenüber den Partnern im Weihenstephaner Forum regelmäßig zu berichten. ■ LITERATUR [1] Efinger, M. (2014): Mobilitätsmanagement an der TU Darmstadt. Wirtschaft in Bewegung - VRN | Mannheim | 11. März 2014. Abgerufen am 29. Juni 2016 von http: / / www.vrn.de/ mam/ vrn/ service/ dokumente/ tu_darmstadt_umsetzung_bmm.pdf [2] Vallée, D., Brandt, T., Hebel, C., Louen, C., & Witte, A. (2009): Masterplan Mobilität RWTH Aachen Phase 1 - Grundlagen. Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr RWTH Aachen. [3] Nelson\Nygaard Consulting Associates Inc. 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Leiter der Professur für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung der Technischen Universität München gebhard.wulfhorst@tum.de Bild 4: Die zehn Umsetzungsprojekte des Mobilitätskonzepts Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 34 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Economical assessment of the High Speed Railway Proposed (Cairo - Luxor) HSR line as case study High speed railway, fixed costs, semi-fixed costs, variable costs, direct benefits, indirect benefits, CBA, NPV Investing in High speed railways is a significant social decision. One of the major drawbacks is its high capital cost. However, the public decision makers should not only focus on the financial cost, but also the potential positive impacts on the society. A cost benefit analysis is a useful tool for economical assessment. This study aims to examine the investment and economic feasibility of a proposed “Cairo - Luxor HSR line”. It develops an assessment framework to identify the direct and indirect potential sources of benefits of the proposed line, and uses that framework to estimate these benefits over the project life time. Authors: Mohamed Abdelnaby, Mahmoud A. M. Ali, Jürgen Siegmann H igh speed railways (HSR) are the response to the transport market requirement for reduced travel times. However, there is no universally accepted top speed, beyond which system can be called as HSR system. It has been generally accepted that existing conventional railway technology, with improvements in the track and rolling stocks, can accommodate top speeds up to 200 km/ h. Beyond this speed, additional capital costs are needed to meet the requirements of more stringent design features and sophisticated system components. For HSR systems, top speed represents a compromise between the additional capital cost required to achieve this top speed and the higher operating cost and the resulted travel time savings. The International Union of Railways (UIC) identifies three categories of high-speed rail [1]: Category I - New tracks specially constructed for high speeds, allowing a maximum running speed of at least 250 km/ h (155 mph). Category II - Existing tracks specially upgraded for high speeds, allowing a maximum running speed of at least 200 km/ h (124 mph). Category III - Existing tracks specially upgraded for-high speeds, allowing a maximum running speed of-at least 200 km/ h (124 mph), but with some sections having a lower allowable speed (for example due to topographic constraints, or passage through urban areas). The UIC prefers to use “definitions” (plural) because they consider that there is no single standard definition of HSR, nor even standard usage of the terms (“high speed”, or “very high speed”). Traditionally, a speed of 200 km/ h was considered as the threshold for ‘High speed’ for several reasons; above this speed, the impacts of geometric defects are intensified, track adhesion is decreased, aerodynamic resistance is greatly increased, pressure fluctuations within tunnels cause passenger discomfort, and it becomes difficult for drivers to identify trackside signalling [1]. High speeds were pioneered by two railway networks-[2, 3]: • Japanese railways, with the 1964 operation of the “Shinkansen” high speed line between Tokyo and Osaka, with a top speed of 210 km/ h, increased in 1985 to 240 km/ h and later up to 300 km/ h, depending on the section of the line. • French railways, by operating the TGV high speed train between Paris and Lyons in 1981, with a top speed of 260 km/ h, increased to 270 km/ h in 1983 and to 300 km/ h in 1989. HSR operates today with a maximum speed of 320-km/ h, which may be increased up to 350 km/ h until 2020. However, the Beijing-Shanghai high speed line was designed for a maximum speed of 380 km/ h, but due to high operating costs maximum speed was reduced to 300 km/ h. Further increase of speed beyond 350- 380-km/ h, however, seems difficult to be realized [2]. According to UIC statistics, the total kilometres of HSR lines around the world in 2015 are 29,792 kilometres in operation (about 2 % of total railway lines all over the world), 5,835 kilometres under construction and 16,318 kilometres planned. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 35 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Requirements for establishing a High-Speed-Rail The high construction and operation costs for establishing a HSR system, either for construction a new line or upgrading an existing line, cannot be justified unless some factors are realized: Population concentrations The first factor of justification of an investment in HSR line would be the required population concentrations on both ends or along the line. For a HSR line to be economically justified, a minimum of ten million people at the one end and four million people at the other may be considered as a rough first criterion. Otherwise, HSR lines may become a non-profitable activity due to the low ridership [4]. Figure 1 shows the population concentrations along the proposed HSR line ‘Cairo-Luxor’ in Egypt. Travel distance The suggested distance to ensure the competitiveness of HSR is between 200 and 800 km. Below 200 km, HSR has no competitiveness over the conventional railway. Furthermore, in case of distances greater than 800 km, air travel is faster than HSR [5]. From the experiences in Japan and Europe, it was suggested that HSR could amount up to 80 - 90 % of the transport market between 200 and 500 km and 50 % between 500 and 800 km (Hall, 2009). And, the optimal journey time of HSR is between 2 and 4.5 hours [5]. For the proposed HSR ‘Cairo-Luxor’, the suggested route, 671 km, has major competitiveness over other transport modes (see figure 1). Technical characteristics The construction and operation of HSR system require specific technical characteristics for the used infrastructure and the rolling stocks to be provided: Infrastructure used for HSR operation has to be build and maintained to much more demanding specifications and closer tolerances than conventional railway. Continuous welded rails type UIC 60, concrete sleepers (monoblock or twin-block), and elastic fastenings have been used to improve ride quality, stability and safety of the track. For more safety, exclusive rights-of-way, fencing, computerized train control, automatic signalling system, and extremely good maintenance have to be provided. Some countries (such as: Germany and Japan) have used a slab track instead of ballasted track for HSR tracks. Power is supplied to HSR from wayside substations through overhead catenary wires and is collected through pantographs mounted on the locomotives or power vehicle roofs. The catenary tension must be maintained at a constant value to minimize pressure (uplift) and to maintain excellent current collection at high speeds. Rolling stocks for HSR system comprise light-weight, stream-lined and electrically powered locomotives handling passenger coaches or simply trains of self-propelled multiple-unit cars. The light weight minimizes the required horsepower and braking effort, wheel wear and track degradation. Traction motors are normally carbody mounted, rather than axle-hung, to reduce unsprung masses [2]. Assessment of the proposed HSR line (Cairo---Luxor) Project Description The route of the Egyptian National Railway (ENR) between Cairo and Luxor is a double-track rail line with a route length of 671 km. The rail line is located in the west of the Nile. Each major city has a central train station. The study of opportunities of HSR in Egypt identified the daily number of 32 passenger trains in each direction with an allowable speed up to 120 km/ h operating between Cairo and Luxor. The line has the highest passenger density (120,000 to 130,000 passengers/ day) of the entire ENR lines [6]. The track has the standard gauge (1,435 mm). The topography of this corridor is flat (gradients not exceed 5.0 ‰), and the rail line is relatively straight with no apparent problems due to gradients or curves. Nevertheless, the speed is limited. The existing ‘Cairo - Luxor’ rail corridor is close to its maximum capacity utilisation in a number of passenger, and the demand for more capacity will increase for this corridor, when adding the number of tourists yearly to the volume of passengers. Figure 2 shows the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR route. This study aims to examine the investment and economic feasibility of the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line. It develops an assessment framework to identify the direct and indirect potential sources of benefits of the proposed line, and uses that framework to estimate these benefits over the project life time. Furthermore, the journey time between Cairo and Luxor on the new HSR corridor would be reduced from more than 9 hours to some minutes more than 4 hours (40 %). AUF EINEN BLICK Kosten-Nutzen-Analyse für Hochgeschwindigkeitsstrecken in Schwellenländern In den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene (HGV) zu investieren, ist von erheblicher sozialer Bedeutung. Um die Zweckmäßigkeit des Neu- oder Ausbaus von HGV-Strecken (HSR) für Geschwindigkeiten von 200 km/ h und mehr in Ländern wie Ägypten zu beurteilen und eine effektive Bewertung vornehmen zu können, wurde die hier beschriebene Studie durchgeführt. Dafür wurden Kosten und Nutzen für Bau und Betrieb der HSR kalkuliert und eine grobe Kosten-Nutzen-Analyse vorgenommen. So wurde die Möglichkeit geschaffen, Bauprojekte in Schwellenländern wie Ägypten grob zu beurteilen. Das Verfahren wird am Beispiel einer 671 km langen Neubaustrecke von Kairo nach Luxor entlang des Nils dargestellt. Mit geschätzten 5,3-Mrd. EUR Baukosten (etwa 8 Mio. EUR/ km) wird ein wichtiger Beitrag geleistet, den Langstreckenverkehr umweltfreundlich auf die Schiene zu verlagern. Bauwürdig ist eine Maßnahme, wenn die gesellschaftlichen Nutzen die Bau- und Betriebskosten übersteigen. Bei diesen Projekt wurde ein positiver Kapitalwert von 215 Mio. EUR und eine sehr hohe interne Verzinsung von 28,2 % erreicht. Figure 1: Population concentrations along the proposed Cairo-Luxor HSR, 2015 Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 36 INFRASTRUKTUR Wissenschaft ENR data for the expected number of passengers for the ‘Cairo - Luxor’ proposed HSR line estimates that 48 million commuter trips per year are made on all railways from Cairo to Luxor in 2015, and expected to reach 49.5 million/ year by 2020 (the expected date to start line operation). Consequently, based on passenger volumes, on the ‘Cairo - Luxor’ railroad line, for the period 1983 to 1987, a regression calculation resulted in an estimation of future passenger traffic increasing by a growth factor of 1.30 by the year 2040 [6]. This growth factor has been used for the calculation of future passenger volumes between cities on the Upper Egypt railway network. On this basis, it will be calculated the expected costs and ticket price for the ‘Cairo - Luxor’ proposed HSR. Cost-Benefit Analysis (CBA) Cost-Benefit Analysis (CBA) is the most popular technique for carrying out economic assessment for transport investment projects. CBA has been widely used to support the decision making process in transportation by evaluating the potential social and economic impacts of each alternative [7]. CBA aims to evaluate a set of direct and indirect effects of a project, its financial and non-financial effects on a set of economic agents concerning with the investment [8]. Thus, over the last decade, the accuracy of this technique has been greatly improved with the new evaluation criteria such as the measurement of the willingness to pay by the potential passengers, the reduction of carbon emission and accident risks, etc. [9]. The CBA evaluation process is divided into four steps (see figure 3). The first is to estimate the total cost which is composed of the infrastructure costs, operating costs and external cost. All the future values are discounted into its present value and aggregated as the cumulative present value of total cost (TC). By applying the same principle, the cumulative of total benefit (TB), which consists of five main components, can be worked out as the second step. The third one is to obtain the project net present value (NPV) by subtracting TC from TB. In order to further support the approval of HSR investment, additional transport policies explicitly based on the concept of environmental sustainability are very supportive, politically and through financial contributions, of the further development of HSR network. The historical evidence suggests that in the development of HSR projects there has always been an important political dimension as the fourth step. Costs estimation Fixed (infrastructure) costs include the track as well as the earthworks, signaling, stations, catenary, etc. The infrastructure costs of a new HSR involve: planning and land costs, infrastructure building costs and superstructure costs [10]. From the actual construction costs of 45-HSR lines in service, or under construction, the average cost per km of a HSR line ranges from EUR 10 to 40-million, depending on the difficult terrain conditions and crossing of high density urban areas [18]. For the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line, the terrain is flat and the proposed route has rare crossing with high density urban areas, so the low value is considered for this study. Table 1 shows all parameters of the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line. The estimated construction period of the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line is five years [6], [19]. The total infrastructure cost initial outlay is EUR 5.322 billion. The planning and land costs reach up to 10 % (EUR 0.532 billion) and the infrastructure building costs and superstructure costs take up the rest 90 % (EUR 4.790 billion). The information about the construction costs has been collected from the informative studies of the corresponding projects. The annual maintenance costs for the infrastructure has been estimated at 13,000 EUR/ km, taking as reference the average value of the costs of informative studies of the corresponding projects [6], which are already operative. Table 2 shows the calculated annual costs for the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line. It can be noted, that the total infrastructure cost is fixed cost, that means, it increases linearly with the length of route. The residual value of the infrastructure will be considered at the end of the project life time (at time = 40 years). The residual value (once discounted in the beginning of the project) reduces the total infrastructure cost. Thus, to simplify calculation it will just assume that value equal 30 % of total construction cost for each scenario [11]. Figure 2: Proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR route Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 37 Wissenschaft INFRASTRUKTUR The semi-fixed costs are considered for the different types of rolling stock (Acquisition, Maintenance and Sales Tax costs) (locomotive and wagons) are as follows: cost per seat ranging between 30,000 to 65,000 EUR/ year, and the maintenance cost between 3,000 to 8,000 EUR/ year [6, 20], and taking into account that the route does not necessarily required to operate with high technology. In addition, the general sales tax on train is assumed to be 5%. From the passenger volume, the estimated number of trains between ‘Cairo - Luxor’ is 14 trains/ day (1026 seats/ train). Thus, the semi-fixed costs (the acquisition and maintenance costs) of train will be estimated as shown in table 2. The variable (Operating) costs include all costs required for: power, staff, maintenance of rolling stock and services, such as catering, video, etc. The unit cost rate for energy pricing in this analysis assumed to be EUR 0.075 kWh, implicitly assuming full cost pricing within the electrical generation sector. The average energy consumption for proposal new HSR in Egypt cruising at 200-250 km/ h is 13.10 kWh per kilometer, like the Germany ICE 3 [12]. So, the power costs of the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line would be 34.169 million EUR/ year. Sales and administration costs are dependent on the required number of staff and automated ticketing machines for a given level of expected traffic volume. Assuming that they represent is 10% of the passenger revenue in Egypt, it can be assumed the fares ticket about EUR 20 for the corridor between ‘Cairo - Luxor’ in Egypt. So, the sales and administration costs will be 79.200 million EUR/ year. Labor costs depend on the required number of staff workers for the train sets, including train servicing, driving, operations and safety [6], and the annual cost (wage) of the worker (in Egypt, EUR 4,104 in 2015 [13], and it increases about 10 % yearly, but it could be compensated by updating an appropriate ticket pricing). The number of technical crew members per train depends on its technical specifications and is usually set in transport regulations. For example, in France, train servicing and driving for the South-East TGV and the Atlantic TGV requires two train companions per trainset and one driver per train (which may include one or two trainsets). In other countries this configuration is different [18]. On contrary, there are no minimum standards on cabin attendants and auxiliary personnel, and their number depends on the level of service offered to passenger. For the proposed HSR line, it is considered 5 workers per train. So, the required number to operate the line will be about 280 employees. Thus, the estimated labor costs on board the train are 1.492 million EUR/ year. The cumulative present value of the total cost (TC) will be the sum of all aforementioned costs for the proposed HSR corridor ‘Cairo - Luxor’, including the construction and operation costs (see table 2). So, the total annual cost of the project are 760.907 million EUR/ year. Benefits estimation Tickets revenue (Direct) benefits can be estimated by assigning the ticket price and the forecasted annual number of passengers. Assigning the ticket price depends on some factors such as: volume of demand, load factor, annual capital total cost, fare class category, trip length, and time of day. Therefore, the average cost per trip for the proposed HSR line could be calculated by dividing the annual capital total cost by the initial annual demand in 2020 (expected begin of line operation), with assumed load factor of 80 %. So, the calculated average ticket price will be EUR 19.21 (0.03 EUR/ km). According to the studies of the newly proposed HSR lines in Egypt, it could be argued that the ticket price ranging between (0.03-0.12 EUR/ km) [6]. International experience from the existed HSR projects shows the average ticket price ranging between (0.11-0.27 EUR/ km) for 2nd class, and (0.21-0.79 EUR/ km) for 1st class in Europe, about 0.25 EUR/ km in Japan, and between (0.026-0.045 EUR/ km) in China [17]. It can be observed that, the ticket price in Egypt is lower than in other countries in Europe and USA, which due to several factors such as: • the lower operating cost for employees, where the wages in Egypt are cheaper than in European countries, Figure 3: The proposed framework for CBA Line Caro - Luxor Line length (km) 671 Average cost per kam (€) 10 million Project timeline 40 years Initial annual demand ion 2020 49.50 million passenger Growth factor, every 5 yeras 1.30 Train capacity (seat) 1026 Load factor 80 % Operating hours (daily) 18 hours Average commercial speed (km/ h) 200-250 km/ h Table 1: The main parameters of proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 38 INFRASTRUKTUR Wissenschaft • the construction and land costs are also lower than in some European countries, also • the higher traffic demand along the proposed HSR line in Egypt [6]. Thus, the estimated annual tickets revenue (Direct) benefits will be about 760.907 million EUR/ year (see table 2). Safety improvement, the claims that road traffic accidents cost Egypt in year 2008 estimated 16 billion EP (EUR 2 billion). Consequently, the cost of accidents (per 1,000 pass.km) estimated as; EUR 30.9 for cars, EUR 0.74 for rail, and EUR 0.37 for air. The cost of accidents in Egypt to be 0.00074 EUR/ Pkm [14]. Consequently, the HSR would generate yearly accidents saving be about 19.663 million EUR/ year. Pollution reduction, as the air pollution through emissions is currently an externality and not priced directly. However, it could be priced as the average cost (per 1,000 Pkm) about EUR 10.1 for cars, EUR 5.1 for rail, and EUR 0.2 for airplane [14]. Thus, to be conservative in valuing the air quality benefits of HSR, it can be assumed a cost of air pollution equals EUR0.0051 per Pkm. So, the total benefits from the air pollution reduction (emissions saving) by HSR system would be about 135.515 million EUR/ year. Travel time savings; the total user travel time includes access and egress time, waiting time and within vehicle time. The average value of travel time savings could be estimated as EUR 1.32 per passenger per hour with an assumption of the traffic composition of 50 % business trips, 30 % commuting trips and 20 % others [15]. Therefore, the average annual benefits of travel time savings could be derived as 52.272 million EUR/ year. Reliability improvement; HSR system can effectively reduce such kind of uncertainty and improve the reliability level in terms of avoiding congestion and delays. The value of reliability improvement is estimated as a ratio of the value of travel time savings benefits, which is about 13.7 % [16]. Thus, the annual benefit of reliability improvement is about 7.161 million EUR/ year. In addition to those benefits mentioned above, the proposed HSR system will bring other opportunities and benefits to society, that HSR line may be a source to generate and increase a new movement and release the congestion of population from the Nile Valley to the Western desert. HSR may help to reduce the major problem in Egypt, the quality of land use distribution. The cumulative present value of the total benefits (TB) equals to the sum of the direct benefits (Tickets revenue) and the indirect benefits (travel time savings, pollution reduction, reliability and safety improvements). The cumulative present value of the total benefits (TB) would be about 975.519 million EUR/ year. Net Present Value (NPV) The NPV of the proposed HSR line resulted from subtracting the cumulative present value of the total annual cost (TC) from the cumulative present value of the total annual benefits (TB). The result shows that the proposed HSR line has a positive NPV of 214.611 million EUR/ year, which demonstrates that the project provides net gain in benefits and thus is worth to be carried out, and achieves about 28.2% internal rate of return. Summary Investing in HSR is a significant social decision. One of the major drawbacks of HSR is its high capital cost. However, the public decision makers should not only focus on the financial cost, but also the potential positive impacts on the society. The assessment of the investment in HSR system should not be focused on the value of NPV only, but the comparison of the other relevant transport alternatives (i.e. the existing roadway and conventional railway) as well. A cost benefit analysis (CBA) is a useful tool for economical assessment of the proposed HSR project. Table 2 summarizes the CBA results (yearly costs and gains) of the proposed ‘Cairo - Luxor’ HSR line. HSR has the largest positive NPV among other passenger transportation modes, which demonstrates that the project provides net gain in benefits and thus is worth to be carried out. ■ REFERENCES [1] Pyrgidis, Christos N., “Railway Transportation Systems: Design, Construction and Operation”, ISBN 978-1-4822-6215-5, 2016. [2] Najafi F. T., Nassar F. E., “Comparison of High-Speed Rail and Maglev Systems”, ASCE, Journal of Transp. Eng., Vol. 122, No 4, 1996. [3] Brand M. M., Lucas M. M., “Operating and Maintenance Costs of the TGV High-Speed Rail System”, ASCE, Journal of Transp. Eng., Vol. 115, No 1, 1989. [4] G. de Rus and G. Nombela, “Is Investment in High-speed Rail Socially Profitable? ” Journal of Transport Economy and Policy, Vol. 41, No. 1, pp. 3-23, 2007. 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Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, Technische Universität Berlin (DE) jsiegmann@railways.tu-berlin.de Mohamed Abdelnaby, PhD researcher Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, Technische Universität Berlin (DE) mohamed.abdelnaby@mailbox.tu-berlin.de www.db-engineering-consulting.de DB Engineering & Consulting 4.000 Mitarbeiter aus 66 Nationen machen sich für Sie stark. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 40 LOGISTIK Industrietore Der Einsatzzweck entscheidet Funktionalität, Arbeitsstättenrichtlinie, Sicherheitseinrichtungen, Brandschutz, Wärmedämmung In Logistikbauten müssen verschiedene Gebäudeöffnungen in der Außenfassade und im Innenbereich funktionsgerecht mit Toren geschlossen werden. Die Auswahl an Torsystemen ist groß - auf dem Markt gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, aus denen Architekt, Betreiber und das Facility Management auswählen müssen. In der Planungsphase sollte daher die spätere Nutzung der Torsysteme schon exakt feststehen, um diese optimal auf die Anforderungen auslegen zu können. Autor: Michael Rahe D amit eine Industrietor-Lösung später optimal auf den Einsatzbereich abgestimmt ist, sollte zunächst genau geprüft werden, welchen Zweck das Tor wirklich erfüllen muss. Dabei müssen zum einen gesetzlich vorgegebene Anforderungen wie Brandschutz oder Wärmedämmung, zum anderen aus der späteren Gebäudenutzung resultierende Punkte wie Öffnungsfrequenzen oder Bedienkomfort berücksichtigt werden. Generell werden Industrietore sowohl im Außenals auch im Innenbereich eingesetzt. In Zeiten, in denen Heizenergie immer teurer wird und auch die Vorschriften der Energieeinsparverordnung (EnEV) verschärft werden, steigen die Anforderungen an eine gute Wärmedämmung. Insbesondere Tore in der Außenfassade müssen über eine gute Wärmedämmung verfügen, damit im geschlossenen Zustand keine wertvolle Wärme verloren geht. Definitiv kein Trend, sondern ein dauerhaft wichtiges Thema ist die Sicherheit bei Industrietoren. Alle Tore unterliegen der europäischen Produktnorm EN 13241-1. Diese regelt Sicherheits- und Leistungsanforderungen für kraft- und handbetätigte Tore in privaten, gewerblichen und öffentlichen Bereichen. Laut EN 13241-1 muss ein Tor beim Schließen automatisch stoppen, wenn sich Personen oder Gegenstände unter dem Tor befinden, und beim Auftreffen nur eine bestimmte Kraft freisetzen oder gar das Auftreffen vollends vermeiden, bevor es wieder nach oben fährt. Bei der Torauswahl sollte darauf geachtet werden, dass alle zu montierenden Tore eine entsprechende CE-Kennzeichnung tragen, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Vorgaben eingehalten werden. Bei der sicherheitstechnischen Ausstattung von Toren muss außerdem berücksichtigt werden, dass in Deutschland gewerblich genutzte kraftbetätigte Tore der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A 1.7 unterliegen. Das heißt, dass je nach Nutzung durch unterwiesenes oder nicht unterwiesenes Personal entsprechende Sicherheitseinrichtungen wie Schließkantensicherungen oder berührungslose Schutzsysteme vorhanden sein müssen. Da auch Bestandstore der ASR A 1.7 unterliegen, ist hier die Risikoanalyse vor Ort sehr wichtig: So kann die Sicherheit älterer Toranlagen überprüft und bei Bedarf nachgerüstet werden, um die erforderlichen Schutzniveaus für die Nutzer zu erreichen. Individuell für jedes Bauvorhaben spielen neben den gesetzlichen auch funktionale Vorgaben eine wichtige Rolle, die je nach Nutzung stark variieren können. Zum Beispiel verzeichnen Logistikunternehmen viele Öffnungszyklen, während kleinere Werkstätten das Tor nur selten für eine Durchfahrt ganz öffnen müssen und deswegen einen Personendurchgang durch eine integrierte Schlupftür ermöglichen wollen. Hersteller wie Hörmann bieten eine große Auswahl an verschiedenen Torlösungen, vom Industrie-Sectionaltor und Rolltor, bis hin zum Schnelllauftor oder Schiebetor. Industrie-Sectionaltore schwenken nicht aus Um Öffnungen in der Außenhülle eines Gebäudes abzuschließen, werden häufig Industrie-Sectionaltore eingesetzt (Bild 1). Generell öffnen Industrie-Sectionaltore senkrecht nach oben und schwenken nicht aus, sodass der Platz davor und dahinter frei bleibt. Je nach Hallenarchitektur und -höhe sind sie mit unterschiedlichen Beschlagvarianten erhältlich: In der Regel wird das Tor waagerecht unter die Decke geführt. Bei einer großen Raumhöhe sind aber auch senkrechte Torführungen umsetzbar, sodass der Platz unter der Decke beispielsweise für Versorgungsleitungen frei bleibt. Diese Beschlagvariante schont zudem das Tor. Bild 1: Industrie-Sectionaltore öffnen senkrecht nach oben. Alle Bilder: Hörmann Bild 2: Beim teilbaren Industrie-Sectionaltor Parcel Walk lässt sich der obere Teil des Tores separat öffnen. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 41 Industrietore LOGISTIK Hersteller wie Hörmann bieten für eine gute Wärmedämmung doppelwandige, thermisch getrennte Stahl-Lamellentore mit einer Bautiefe von 67 mm an. Die meiste Energie geht beim Öffnen der Tore verloren. Deshalb können Industrie-Sectionaltore mit einer Schlupftür ausgestattet werden, sodass Personen durchgehen können, ohne das Tor öffnen zu müssen. Für den Logistikbereich gibt es auch Industrie-Sectionaltore, die den Anforderungen von Verladestationen gerecht werden. Beim teilbaren Industrie-Sectionaltor Parcel Walk etwa können Nutzfahrzeuge unterschiedlicher Größen an einer Verladestation be- und entladen werden: Für große LKW wird nur der obere Teil des Tores geöffnet, während der Lamellensockel am Boden bleibt. Kleinere Transporter werden auf Hallenbodenniveau beladen, sodass das gesamte Tor geöffnet wird (Bild-2). Industrie-Rolltore - besonders platzsparend Für Gebäudeabschlüsse werden auch Industrie-Rolltore gewählt. In der Regel besteht der Behang aus Stahl- oder Aluminiumlamellen. Rolltore sind besonders platzsparend und eignen sich durch ihre kompakte Konstruktion für knappe Platzverhältnissen, da für die Montage nur ein sehr geringer Sturz benötigt wird: Das Tor rollt sich unter einer Behangverkleidung auf, der Deckenbereich bleibt frei (Bild 3). Auf dem Markt werden Rolltore mit einfacher Handbedienung angeboten, die sich unter anderem für den Einsatz selten betätigter Abschlüsse von Lagerhallen eignen, aber auch Tore mit optimal abgestimmten Antriebsbedienungen. Dazu gehören Rolltore, die wie das Rolltor DD S6 von Hörmann mit Frequenzumrichter-Antrieb ausgestattet sind und Öffnungsgeschwindigkeiten von bis zu 1,1 m/ s erreichen. Das verbessert die Betriebsabläufe und reduziert Wärmeverluste - eine wirtschaftliche Alternative zu Schnelllauftoren. Schnelllauftore Schnelllauftore zeichnen sich durch ihre hohen Öffnungs- und Schließgeschwindigkeiten aus. Sie werden sowohl außen als auch innen eingesetzt, unterscheiden sich dann aber in ihrer Behangart. Zum einen können Schnelllauftore über doppelwandig, ausgeschäumte Lamellen verfügen, die für eine hohe Wärmedämmung sorgen und damit vor allem für den Außenabschluss geeignet sind. Zum anderen sind Schnelllauftore mit besonders flexiblem Behang erhältlich, die oftmals im Innenbereich Gebäudeteile voneinander abtrennen, um beispielsweise Zugluft und dadurch krankheitsbedingte Ausfälle des Personals zu verringern. Aufgrund ihrer hohen Öffnungsgeschwindigkeit bleibt dennoch eine schnelle Durchfahrt, zum Beispiel mit Flurförderzeugen, möglich, sodass optimale Arbeitsabläufe erreicht werden (Bild 4). Mit diesen und anderen Sonderanfertigungen, etwa für den Kühllager- oder Lebensmittelbereich, ist die Auswahl an passenden Tortypen groß. Schiebetore - auch für den Brandschutz Müssen im Innenbereich große Hallenabschnitte voneinander getrennt werden - vor allem aus brandschutztechnischen Gründen - werden häufig Schiebetore eingesetzt (Bild 5). Sie sind mit Feuer- und Rauchschutz, aber auch als Mehrzwecktore erhältlich. Neben den sich zur Seite an oder in die Wand bewegenden ein- und zweiflügeligen Varianten können auch Teleskop-Ausführungen für Einbausituationen mit wenig Platz neben dem Tor eingesetzt werden. Feuerschutz-Schiebetore schließen im Brandfall automatisch und verhindern ein Übergreifen des Feuers auf andere Gebäudeteile. Im geöffneten Zustand liegen Schiebetore meistens vor der Wand, die Nischenausführung verschwinet beim Öffnen in der Wand. Damit ein Personendurchgang auch möglich ist, wenn das Tor geschlossen ist, können zusätzlich Schlupftüren ohne Schwelle in die Tore integriert werden. Fazit Das Angebot an Industrietoren auf dem Markt ist vielschichtig und komplex. Je nach Nutzung in den Logistikbauten stehen ganz unterschiedliche Torsysteme zur Auswahl, die dazu beitragen, einen reibungslosen und zügigen Transportablauf zu unterstützen. ■ Michael Rahe Produktmanager für Industrietore, Hörmann KG, Brockhagen info@hoermann.de Bild 3: Rolltore eignen sich besonders für knappe Platzverhältnisse. Bild 4: Die Auswahl an passenden Schnelllauf-Toren ist groß. Bild 5: Schiebetore öffnen meistens vor der Wand, Nischenausführungen verschwinden in der Wand. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 42 LOGISTIK Alternative Antriebe Flüssig-Erdgas als Option LNG auch für die Containerschifffahrt attraktiv Umweltpolitik, Klimawandel, Treibstoff, Emissionen, Schadstoffe, Bis spätestens 2025 werden strenge Schwefelgrenzwerte weltweit nicht nur in Schutzzonen gelten. Ab-2016 müssen Neubauten scharfe Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden einhalten, die sich mit-nachgerüsteter Filtertechnik nicht sinnvoll reduzieren lassen. Die umweltpolitischen Forderungen und-der relativ niedrige Preis machen deshalb Flüssig-Erdgas für die Schifffahrt attraktiv. Autor: Dirk Ruppik D ie Umweltauflagen für Schiffe werden zunehmend strenger. Werften und Reeder suchen deshalb nach Alternativen für herkömmliche Treibstoffe, die meist aus einer Mischung aus Schweröl (Bunker-C) und Dieselöl besteht. Bunker C fällt bei der Raffinierung von Erdöl als Abfallprodukt an. Der Nachteil des Schweröls ist, dass es sehr schadstoffreich verbrennt: Dazu gehören Schwefeldioxid (SO 2 ), Kohlendioxid (CO 2 ) und Stickstoffoxide (NO x ), die unter anderem als Ursache für sauren Regen, Rußpartikel in der Luft und bodennahes Ozon gelten. Zudem tragen NOx-Emissionen zur umweltschädlichen Eutrophierung (Nährstoffanreicherung) des Wassers bei, CO 2 gehört zu den Treibhausgasen und fördert den Klimawandel. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht heute davon aus, dass die feinen Rußpartikel eine krebserregende Wirkung haben. Um die Schadstoffemissionen in der Schifffahrt zu reduzieren, werden teilweise Abgasnachbehandlungs-Anlagen wie etwa Scrubber zur Entschwefelung der Abgase eingesetzt. Auch finden vermehrt schwefelreduzierte Treibstoffe wie „Low Sulphur Marine Gas Oil“ (LS-MGO) oder emissionsarme Treibstoffe wie Liquified Natural Gas (LNG, Flüssig-Erdgas) Verwendung. Seit dem 1. Januar 2015 ist jedes Schiff verpflichtet, in den sogenannten Emissionskontrollgebieten (Emission Control Areas) einen höherwertigen Brennstoff einzusetzen, dessen Schwefelgehalt nicht mehr als 0,1 % (derzeitiges Limit außerhalb: 1,0 %) betragen darf. Die Emissionskontrollgebiete liegen in Nordeuropa, in der Baltischen See, in den USA und Kanada. Die amerikanische Meeres- und Atmosphärenbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) veröffentlichte 2012 eine Studie, wonach die Umstellung von Schweröl auf schwefelarmen Schiffsdiesel und eine geringere Fahrtgeschwindigkeit (Slow Steaming) deutlich die Emissionen eines Schiffs (Messobjekt Margrethe Mærsk) reduzieren. Für Schiffsneubauten ab 2016 gelten nicht nur die Schwefel-Grenzwerte, sondern auch strengere Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden, die sich mit nachgerüsteter Filtertechnik nicht sinnvoll reduzieren lassen. Bis spätestens 2025 gelten strenge Schwefel-Grenzwerte nicht mehr nur in Schutzzonen, sondern weltweit, sodass ungefilterte Schweröl-Abgase Vergangenheit sein werden. Große Umweltvorteile von LNG als-Schiffstreibstoff LNG gilt allgemein als sehr sauberer Treibstoff. Bei seiner Verbrennung fallen im Vergleich zu Schweröl (HFO), Marine Gasoil (MGO) oder Marine Diesel Oil (MDO) die Schwefeldioxide und Rußpartikel komplett weg. Die Emission von Stickoxiden reduziert sich um bis zu 80 % und Kohlendioxid wird knapp 30 % weniger ausgestoßen. Allerdings ist entscheidend, dass das LNG nicht durch Fracking gewonnen wurde: Das beim Fracking entweichende Methan-Gas ist kurzfristig ein viel gefährlicheres Treibhausgas als CO 2 . Die umweltpolitischen Forderungen und Richtlinien und der relativ niedrige Preis machen LNG attraktiv. Steigende Fördermengen werden den Preis wohl noch senken. Nach mittelfristigen Prognosen liegt der LNG-Preis bei 50 % bis 90 % des Preises von HFO. Allerdings führen der momentan sehr niedrige Ölpreis und die schwierigen Zeiten in der Schifffahrt zu einer Verzögerung. Dazu Teo Siong Seng, geschäftsführender Direktor der Singapurer Reederei Pacific International Lines Pte Ltd (PIL): „Bevor der Ölpreis sank, war LNG als Treibstoff aufgrund der Umweltvorschriften und des niedrigen Preises sehr attraktiv. Je nach Sektor befinden sich Reedereien momentan in einer prekären Lage. Daher ist Flüssig- Erdgas im Augenblick nicht in den Köpfen der Schiffsbetreiber.“ Auch die politischen Unsicherheitsfaktoren in Russland und im Nahen Osten, die sich alle auf den Ölpreis auswirken, haben auf die Attraktivität von LNG einen entscheidenden Bild 1: Die MS Ostfriesland der AG Ems ist das erste LNG-Schiff unter deutscher Flagge. Bild: Dr. Karl-Heinz Hochhaus/ Wikipedia.de Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 43 Alternative Antriebe LOGISTIK Einfluss. Teo forderte die Schiffsmaschinenentwickler auf, neue kosteneffektive Dual- Fuel-Antriebe zu entwickeln. Zudem wünscht er sich von den Regierungen Anreize für die Nutzung von Erdgas als Schiffstreibstoff. „Es kann in der Forschung noch viel getan werden. Wahrscheinlich wird die Küstenschifffahrt zuerst LNG verwenden. Dafür werden viele Anreize seitens der Regierung benötigt”, sagte Teo. Als Antriebe kommen momentan reine LNG-Antriebe sowie Hybrid-Maschinen, die mit Schweröl und MGO als auch LNG betrieben werden können, in Frage. Bei der Einführung von LNG-Technik gibt es freilich einige Herausforderungen. Zum Beispiel liegt der Platzbedarf für die gesamte LNG-Technik (Tanks und Ausrüstung) beim Dreibis Vierfachen gegenüber der konventionellen Technik. Dadurch entsteht ein bedeutender Verlust an Frachtraum. LNG muss kryogen, bei Temperaturen von -164 °C, flüssig gelagert werden. Vorteile haben Membrantanks, die eine optimale Anpassung der Tanks an die Schiffsform erlauben und auch für kleinere Schiffe geeignet sind. Darüber hinaus ist ein vergleichsweise schnelles Abkühlen oder Aufwärmen möglich, ohne dass das Tankmaterial überbeansprucht wird. Die Membranfalze neigen bei älteren Schiffen zur Leckage, und aufgrund der dünnen Behälterwand ist ein geringerer maximaler Tankdruck möglich. Verglichen mit Standardschiffen treten auch höhere Investitionen unter anderem für Antrieb, Tank, Sicherheitsmaßnahmen, Kontrollraum, Isolation und Rohrleitungen auf. Zudem liegen die Betriebs- und Trainingskosten für die Crew höher. Im Bereich Containerschifffahrt wird LNG meist nur bei Neubauten eingesetzt, denn ein Umbau erscheint zu schwierig und kostenaufwändig. Dennoch gibt es langfristig keine Alternative zu LNG, da MGO und schwefelarmes Schweröl künftig in immer geringeren Mengen vorhanden und damit teurer sein werden. Herkömmliches Schweröl kann in Zukunft nur noch mit Scrubbern verwendet werden, die allerdings aktuell nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Die strengeren Grenzwerte für Stickoxide ab 2025 werden dann auch Scrubber obsolet machen. Erste Containerschiffe mit LNGund-Dual-Fuel-Antrieb Mit Stand März 2016 waren laut Schiffsklassifizierer DNV GL weltweit 77 LNG-betriebene Schiffe im Einsatz - die meisten davon Fähren (Bild 1), Versorgungsschiffe und LNG-Tanker. Unter den 85 Neubestellungen finden sich vier Containerschiffe von GNS Shipping (Bau 2016 und 2017), eines der Wessels Reederei (Umbauprojekt in 2016), zwei der amerikanischen Crowley Maritime Corp. (2017), vier der kroatischen Brodosplit (2017 und 2018) sowie zwei der finnischen Reederei Containerships (2018). Gemäß einer Erfassung der niederländischen Agentur Dynamar waren im März 2015 weltweit 49 Containerschiffe von 1380 TEU bis 21 500 TEU in den Bestellbüchern, die entweder LNG bereits verbrennen oder einfach modifiziert werden können, um LNG zu nutzen (LNG ready). In allen Fällen können sie sowohl LNG als auch IFO (Intermediate Fuel Oil) nutzen. Die Möglichkeit zur zweifachen Treibstoffnutzung (Dual Fuel) wird so lange notwendig sein, solange das Angebot von LNG entlang des jeweiligen Handelsweges nicht gesichert werden kann. Die ersten Schiffe wurden bereits ausgeliefert - darunter drei Containerschiffe mit 15 000 TEU. Der Rest wird bis August 2018 geliefert. Im April 2015 wurde zudem an die United Arab Shipping Company (UASC) die M.V. Barzan mit einer Kapazität von 18 800 TEU übergeben, die bei der koreanischen Werft Hyundai Samho Heavy Industries in Südkorea gebaut wurde. Sie gehört zu einer insgesamt 17 Containerschiffe umfassenden umweltfreundlichen Flotte (elf 15 000 TEUer und sechs 18 800 TEUer). Bis April 2016 wurden bereits die Barzan, Al Muraykh, Al Nefud, Al Zubara, Al Dahna and Tihama jeweils mit 18 800 TEU geliefert. Zudem wurden die Sajir, Al Murabba, Salahuddin, Linah, Al Nasriyah, Al Dhail and Al Mashrabmit mit jeweils 15 000 TEU ausgeliefert. Die amerikanische TOTE Maritime besitzt seit Januar 2016 zwei LNG-getriebene Containerschiffe der Marlin-Klasse mit 3100 TEU - die Perla Del Caribe und die Isla Bella (Bild 2). Die Containerschiffe wurden bei General Dynamics Nassco gebaut. Die finnische Reederei Containerships bestellte bereits zwei weitere Dual-Fuel-Containerschiffe mit 1400 TEU Kapazität, die 2017 ausgeliefert werden sollen. Sie werden an GNS Shipping/ Nordic Hamburg verchartert. Arkon Shipping wird als kaufmännische Geschäftsführung und Schiffsmakler fungieren. Beide Containerschiffe werden in China gebaut und Motoren von Wärtsilä besitzen. MOL und NYK entdecken LNG- Logistik als profitables Geschäftsfeld Die japanischen Reedereien MOL und NYK verlagern laut der britischen Transport Intelligence (TI) ihre Geschäftsstrategie vom unprofitablen Containerbzw Schüttgutsektor in den LNG-Tanker-Sektor. Das Bestreben der EU, sich unabhängiger von russischen Gasimporten zu machen, hat die Aufmerksamkeit für den LNG-Logistikbereich auch hierzulande geweckt. Währenddessen entwickeln sich Japan, Südkorea und China bereits zu großen LNG-Konsumenten. Laut dem Geschäftsführer von Mitsui OSK Line (MOL) Junichiro Ikeda bietet LNG eine „außergewöhnliche Geschäftsmöglichkeit“. Folgerichtig bauen beide Unternehmen ihre LNG-Tankerflotte aus, während die eigene Containerschiff-Flotte verkleinert wird. Der Anteil von LNG-Tankern an der Gesamtflotte von MOL soll sich in den nächsten sechs Jahren von 9 % auf 26 % vergrößern. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll sich die LNG-Flotte von Nippon Yusen Kabushiki Kaisha (NYK) um 33 % auf über 100 Schiffe vergrößern. Zudem wird in LNG-Logistik investiert. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 2: Isla Bella, eines der beiden LNG-Containerschiffe der TOTE Marine, beim Stapellauf Bild: TOTE Marine Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 44 LOGISTIK Entwicklungsstrategien Serbiens logistische Lücke Logistische Lücke, Connecting to Compete 2016, Serbien, Wasserwege, Entwicklungsstrategie, Trans-European Transport Network Die Güte der logistischen Leistungsfähigkeit hängt von mehreren Faktoren ab - der Infrastruktur, der Liefersicherheit, transportförderlichen Richtlinien und kundenorientierten Verfahrenspraktiken. Die logistische Leistungslücke zwischen einkommensstarken und -schwachen Ländern scheint sich hartnäckig zu halten. Schienen letztere 2014 noch aufzuholen, hat sich der Trend mittlerweile umgedreht und die Distanz vergrößert. Eine Analyse am Beispiel Serbiens. Autorin: Eli Wortmann-Kolundžija Z um zweiten Mal in Folge konnte sich Deutschland bei der internationalen Erhebung zur nationalen Logistikleistung, die alle zwei Jahre von der Weltbank durchgeführt wird, den ersten Platz sichern. Die Liste der 15 Top-Performer hat sich seit 2010 kaum verändert und führt vor allem Länder mit hohen Einkommen auf. Auf den hinteren Rängen befinden sich Länder, die wirtschaftlich oder politisch fragil sind, von Konflikten oder Naturkatastrophen behindert wurden oder ein niedriges Einkommen aufweisen. Die Distanz in der Leistungsfähigkeit schien sich im Ranking 2014 langsam zu schließen, nun jedoch weitet sich diese logistische Lücke wieder. Die Weltbank betont, dass eine effiziente, nahtlose und zuverlässige einheimische Logistik durch erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen unabhängig des nationalen Einkommensniveaus relevant für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit ist. Die Lieferkettenzuverlässigkeit und die Dienstleistungsqualität wurden von den 1051 befragten Logistikern in den 160 Ländern in Bezug auf Qualität, Zeit und Kosten als relevanteste Kriterien benannt. Auch wenn Lieferketten komplex und divers sind, hängt die Leistungsfähigkeit neben den individuellen Landes-Charakteristiken doch vor allem von der Ausprägung der sogenannten weichen und harten Infrastruktur, den Hürden durch Regulationen, dem Service und der Prozessabwicklung ab. Am Beispiel des „Single Customs Territory“ in der ostafrikanischen Gemeinschaft, die eine starke Reduktion der Zollabwicklung entlang der regionalen Korridore ermöglichte, wird ersichtlich, welchen starken Einfluss die Politik durch entsprechende handelsförderliche Richtlinienänderungen, die sich unmittelbar auf die Geschwindigkeit der Zollabwicklung und somit auf die Lieferketteneffizienz auswirken können, haben kann-[1]. Laut „Connecting to Compete 2016“ liegen die Schwachstellen in der serbischen Logistik vor allem bei der Nicht-Einhaltung von Lieferzeiten, ineffizienter Zoll- und Grenzabwicklung und der mangelnden Qualität der Handels- und Transportinfrastruktur. Serbien verschlechterte sich im Vergleich zu 2014 um 13 Plätze und liegt mit Platz 76 vor Kasachstan und hinter Algerien. Betrachtet man die infrastrukturelle Zugänglichkeit der einzelnen serbischen Regionen, wird deutlich, dass die Transportnetzwerke unterschiedlich stark ausgebaut sind. Ist der Norden größtenteils überdurchschnittlich gut ausgebaut, fehlen in den Grenzregionen und im Süden Serbiens oftmals handelsrelevante Zufahrtsmöglichkeiten, was sich u.a. auch in der wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen widerspiegelt (Bilder 1 und 2). Der nationale Güterverkehr wird größtenteils über Schienennetzwerke abgewickelt, was unter anderem daran liegt, dass Teile der nationalen Wasserflotte stark veraltet sind (Tabelle 1). Die inländische Wasserflotte verfügte 2010 über eine Transportkapazität von 435 000 t bei insgesamt 68 000 kW und 450 eingesetzten Schiffen. Daher scheint es nicht verwunderlich, dass die Wasserwege bislang vor allem vom ausländischen Güterverkehr genutzt werden (Tabelle 2). Hierbei werden insbesondere die Häfen von Pancevo, Smederevo und Novi Sad angefahren, die entweder einem ECE- Standard der Klasse VI oder VII entsprechen (siehe Bild 2). Auch wenn die jährlichen Transportvolumina und -kapazitäten in Belgrad, Pancevo, Smederevo und Prahovo am größten sind, haben lediglich Belgrad und Pancevo Containerterminals, deren Transportvolumina jedoch noch sehr gering sind. Dies liegt unter anderem an der hartnäckigen Schattenwirtschaft, an fehlenden Terminals für den multimodalen Transport und den hierfür notwendigen Spezialisierungen, an nicht zufriedenstellenden Hafenstrukturen, langen Ladezeiten und einem auf klassische Hafentechnologie gemünzten Umlade- Equipment sowie an der geringen Qualifikation und Anzahl der Hafenmitarbeiter. Daher ist es kein Wunder, dass die Auslastung der Häfen im Jahr 2000 noch bei 40 % des Umsatzes von 1989 lag. Schätzungsweise werden zusätzliche 220 Mio. EUR benötigt, um den intermodalen Transport zu entwickeln [4, 11, 12, 13]. Neben den 587 Kilometern, die auf der Donau befahrbar sind, erstrecken sich die Wasserwege auch auf 206 km entlang der Sava und auf 168 km entlang der Tisa (Theiß). Durch das Donau-Theiß-Donau Kanalsystem (DTD Hydrosystem), das ein Netzwerk aus Kanälen und Gräben bildet, Bild 1: Regionale Entwicklungsunterschiede in Serbien 2010 Quelle: [4] 12 Highly competitive and diverse investment incentives are designed to reduce costs of investment projects in Serbia. For standard-scale Greenfield and Brownfield projects in the manufacturing, export-related services sectors and tourism, non-refundable state funds are offered in the range between €2,000 and €10,000 per new job created within 3 years. For large-scale investments, a special financial package is available: If a project’s value exceeds €200 million, with the minimum of 1,000 new jobs created within 3 years, the state may cover up to 20% of the investment. Investments over €50 million that create a minimum of 300 new jobs within 3 years, can be subsidized in the amount of up to 20% of the project’s value. To date, 171 foreign and local companies have already been approved €119.9 million of nonrefundable funds for the projects worth €857.3 million providing for 27,783 new jobs to the Serbian economy. This incentive scheme has already benefited a large number of world-class companies, namely Michelin, Yura Corporation, Golden Lady, Gorenje, Henkel, Kronospan, Leoni, Pompea, and many more. €2,000- 10,000 State Grants for Every New Job Created “We have had exceptional cooperation with SIEPA, which granted our company €300,000 for employing 150 new workers.“ Mr. Marko Mrzel, General Manager, Gorenje Serbia Financial Incentives Danube Kraljevo Vranje Pirot Danube Drina Sava Sava Novi Sad Subotica Sombor Zrenjanin Šabac Sremska Mitrovica Valjevo Užice Prijepolje Peæ Prizren Priština Kosovska Mitrovica Senta Kikinda Beèej Vrbas Jagodina Paraæin Kragujevac Kruševac Niš Bor Baèka Palanka Novi Pazar Aleksinac Vršac Leskovac Belgrade Smederevo Ruma Mali Zvornik Zajeèar Zajeèar Zajeèar Zajeèar Loznica Special interest regions Standard regions Underdeveloped regions Regionen von besonderem Interesse Durchschnittlich entwickelte Regionen Unterentwickelte Regionen Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 45 Entwicklungsstrategien LOGISTIK können weitere 664 km befahren werden. Insgesamt stehen somit 1622 km navigierbare Wasserwege zur Verfügung. Hiervon sind 997 km von internationaler Relevanz. Jedoch begrenzen derzeit die geringe Instandhaltung, die mangelhafte Erfüllung der Kriterien der Donau-Kommission, die obsolete Flotte, die noch unzureichend entwickelten Transportinstitutionen und Verwaltungskapazitäten sowie ein Mangel an intelligenten Transportsysteme und digitaler Kartographie die Schifffahrt in Serbien. Außerdem müssten einige der Schleusenkammern überarbeitet, Winterhäfen und Navigationshilfen gerade für Kreuzfahrtschiffe zur Verfügung gestellt sowie Lösungen gefunden werden, die eine Schifffahrt bei geringer Wasserführung der Flüsse ermöglicht. Gefahr besteht zudem durch Blindgänger v.a. aus den letzten Kriegen, nicht gehobenen Wrackteilen und dem Fehlen eines Abfallsammlungssystems. Daher ist die Formulierung von Bestimmungsgrößen für die Befahrbarkeit auf mindestens 19 als kritisch identifizierten Teilabschnitten dringend notwendig (siehe Bild 4). Insbesondere zwischen Kilometer 1250 und Kilometer 1430 gibt auf der Donau auf 180 km Länge 18 kritische Passagen, unter anderem mit scharfen Abbiegungen und engen Kanälen. Die langen und engen Kanäle um Apatin, die scharfen Kurven um Vermelj und Staklar, mit einem Wenderadius von weniger als 750- m scheinen derzeit nur von erfahrenen Kapitänen befahrbar zu sein. Die Engpässe der Save liegen vor allem in der geringen Breiten- und Tiefendimension der Fahrwege, oftmals gepaart ist mit hohen Durchflussgeschwindigkeiten zwischen 0,7 und 2,1-m/ s [6]. Durch die Unruhen der jüngeren Geschichte hat Serbien zudem die Vorteile seiner geostrategisch guten Lage zum Teil verloren. Hierdurch wurden nicht nur die Zahl der Grenzübergänge und der Druck auf die Zollabwicklung erhöht; auch ist die Befahrbarkeit der handelsrelevanten Hauptkorridore noch nicht vollständig gegeben. Und was wohl am schwersten wiegt: Durch die Unruhen wurden alternative Transportrouten wie über Rumänien und Bulgarien gefunden, die auch weiterhin genutzt werden. Wenig verwunderlich ist es daher, dass Serbien die Missstände in der logistischen Abwicklung durch nationale Strategien wie der kürzlich beschlossenen „Waterborne Transport Development“-Strategie zügig zu beheben versucht [6]. Bis 2025 möchte das zuständige Verkehrsministerium den Transit-, Export- und Importverkehr auf den inländischen Wasserwegen um 35 % steigern. Insbesondere wird durch den Ausbau von administrativen Kapazitäten und eine stärkere Harmonisierung der derzeit noch nicht-komplementären Verkehrsstrategien mit den Nachbarstaaten versucht, den Grenzverkehr zügiger abzuwickeln und Vorschriften wie z. B. zur Einhaltung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (ADN-Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par voie de navigation intérieure) stärker umsetzen und verfolgen zu können. Neben der Schulung der Mitarbeiter und der Einführung von zuverlässigen Schifffahrsinformationsdiensten (RIS - River Information Service) sollen der stagnierende Schiffsbau sowie der Wassertourismus u.a. durch den Ausbau von Yachthäfen reanimiert werden. Ebenso werden die vollständige Kompatibilität des serbischen RIS zu den Ländern des Donaubeckens sowie die Implementierung internationaler und bilateraler Vereinbarungen zur technischen Kooperation und Harmonisierung von Standards und Abläufen bei der Verwaltung der Wasserwege angestrebt. Eine Berücksichtigung der Aktionspläne der Nachbarstaaten wie z. B. dem EU NAIADES II-Paket könnte bei gesteigerter Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Flotte und einer erhöhten Navigierbarkeit auf den serbischen Wasserwegen zu einer schnelleren Einbindung der serbischen Bild 2: Modellierte Wasserstraßennetzwerke in Serbien 2010 Quelle: [5] Jahr Total (2=3+4+5) Schienentransport Straßentransport Inländ. Wasserwege Schienentransport (6=3/ 2) Straßentransport (7=4/ 2) Inländ. Wasserwege (8=5/ 2) 1 2 3 4 5 6 7 8 2008 24,89 14,13 5,4 5,36 56,77 21,7 21,53 2009 18,05 10,42 5,7 1,93 57,73 31,58 10,69 2010 20,73 12,58 6,2 1,95 60,68 29,91 9,41 2011 19,87 12,62 5,1 2,15 63,51 25,67 10,82 2012 17,9 9,45 6 2,45 52,79 33,52 13,69 Nationaler Gütertransport (in Mio.t.) T abelle 1: Anteil des nationalen F r achtver kehr s am gesamten G üter ver kehr in Serbien (2008-2012) Verkehrsaufteilung (in %) Quelle: Nationales Statistisches Jahrbuch , 2013 Tabelle 1: Anteil des nationalen Frachtverkehrs am gesamten Güterverkehr in Serbien (2008-2012) Quellen: [6-10] unter nationaler Flagge unter ausländischer Flagge unter nationaler Flagge unter ausländisch er Flagge unter nationaler Flagge unter ausländischer Flagge unter nationaler Flagge unter ausländisch er Flagge 1 2 3 4 5 6 7 8=1+2+4+6 9=3+5+7 2008 4367 228 1096 702 3284 59 6291 5356 10671 2009 1145 392 1516 344 2456 39 5441 1920 9413 2010 1213 357 1803 382 3144 x 4964 1952 9911 2011 1573 180 1661 382 2595 12 3318 2147 7574 2012 1900 301 x 218 x 35 x 2454 x Total Transit Import Export T abelle 2: G üter ver kehr über inländische W asserwege von 2008 -2012 (in 1000t) Quelle: Nationales Statistisches Jahrbuch , 2013 Inlandstransport Jahr Tabelle 2: Güterverkehr über inländische Wasserwege von 2008-2012 (in 1000 t) Quellen: [6-10] Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 46 LOGISTIK Entwicklungsstrategien Wasserwege in das europäische intermodale Transportnetzwerk TEN-T (Trans-European Transport Network) führen (siehe Bild-4 [3, 6, 14, 15]. Trotz dieser skizzierten Limitierungen greift Serbien zurück auf ein bereits bestehendes, dichtes Netzwerk an Wasserstraßen, lokalen Fachkräften und geringen Transportkosten. Serbiens Chancen liegen unter anderem darin, den Rhein-Donau- Korridor stärker zu nutzen und die multimodalen Verkehrswege entlang z. B. der Donau, Sava und Tisa weiterzuentwickeln. Zudem kann die Integration in das Trans- Europäische Transportnetzwerk der EU (TEN-T) den Nachbarstaaten durch verkürzte Transitzeiten eine kostengünstige Alternative zu den bisherigen Transitrouten durch Bulgarien und Rumänien bieten. Verfolgt Serbien nun zielstrebig die anvisierten umfassenden Restrukturierungen und Erneuerungen der serbischen Wasserwege, könnte es innerhalb der nächsten Jahre die entstandene logistische Lücke weiter schließen. ■ LITERATUR [1] Weltbank (2016): Connecting to Compete - Trade Logistics in the Global Economy, https: / / wb-lpi-media.s3.amazonaws.com/ LPI_ Report_2016.pdf, (Stand: Sept. 2016) [2] Laketa, M., Zarić, M. & Vukotić, S. (2011): Corridors: Development of Opportunity of Serbia. In: Manic, A. (2012): Performance Assessment of Road Transport Network of the Republic of Serbia in a context of Information Scarcity, Dissertation an der Technischen Universität von Lissabon (Técnico Lisboa: https: / / fenix.tecnico.ulisboa.pt/ d ow n l o a d F i l e / 3 9 5 1 4 5 1 3 2 1 4 0 / T h e s i s _ M a n i c _f i n a l_ 3 . p d f # page=35&zoom=100,82,709 (Stand: Sep. 2016) [3] Manic, A. (2012): Performance Assessment of Road Transport Network of the Republic of Serbia in a context of Information Scarcity, Dissertation an der Technischen Universität von Lissabon (Técnico Lisboa: https: / / fenix.tecnico.ulisboa.pt/ downloadFile/ 395145132140/ Thesis_Manic_final_3.pdf#page=35&zoom=100,82,709 (Stand: Sep. 2016) [4] SIEPA - Serbia Investment and Export Promotion Agency (2010): Investor`s Profile Serbia; http: / / www.siepa.gov.rs/ files/ pdf2010/ Investors_Profile_Serbia.pdf (Stand: Sept. 2016) [5] EU - Europäische Union (2009): General Master Plan for Transport in Serbia-Final Report, Programme for the Balkan RegionAlbania, Bosnia & Herzegovina, Croatia, The Former Yugoslav Republic of Macedonia and Serbia-Montenegro; http: / / www.seetoint.org/ wpcontent/ uploads/ downloads/ 2014/ 01/ Serbia_General-Master- Plan-for-Transport-2009.pdf, (Stand: Sept. 2016) [6] MBTI - Ministerium für Bau, Transport und Infrastruktur der Republik Serbien/ Ministry of Construction, Transport and Infrastructure Republic of Serbia (2015a): Waterborne Transport Strategy in the Republic of Serbia 2015-2025, Danube Commission, Technical Working Group, 14.-17.April 2015, https: / / www.google.de/ url? sa=t&rct=j &q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwj0_ ZXI16zPAhUlBsAKHbyIA0EQFggfMAA&url=http%3A%2F%2Fwww.dan u b e c o m m i s s i o n . o r g % 2 F u p l o a d s % 2 F d o c % 2 F P r e s e n t a t i o n s % 2 F 2 0 1 5 % 2 F T W M G % 2 5 2 0 0 4 -2 0 1 5 % 2 F 0 6 % 2 5 2 0 - %2520Kunc%2520-%2520Strategy%2520Serbia%2520%2520Final% 2520Engl.ppt&usg=AFQjCNHhunho2vP-etJ5JAz7JansmcDTCg&bvm= bv.133700528,d.ZGg und http: / / www.danubecommission.org/ uploads/ doc/ STATISTIC/ Stat%202013-2014%20EN.pdf (Stand: Sept. 2016) [7] MBTI (2015b): Strategy of Railway, Road, Inland Waterway, Air and Intermodal Transport Development in the Republic of Serbia, 2008 - 2015, http: / / www.putevi-srbije.rs/ images/ pdf/ strategija/ Strategijatransport_eng.pdf und https: / / www.aul.gov.rs/ folder/ strategy.pdf (Stand: Sept. 2016) [8] MBTI (2015c): Strategy on Waterborne Transport Development of the Republic of Serbia, 2015-2025; https: / / www.aul.gov.rs/ folder/ strategy.pdf (Stand: Sept. 2016) [9] MBTI (2015d): Planned Projects; http: / / www.mgsi.gov.rs/ sites/ default/ files/ PROJECT%202015.pdf, (Stand: Sept. 2016) [10] Port Governance Agency: Container Terminal, https: / / www.aul.gov. rs/ folder/ presentation-container-terminal.pdf und https: / / www.aul.gov.rs/ en/ goals-in-2016 (Stand: Sept. 2016) [11] Weltbank (2011): Republic of Serbia - Country Economic Memorandum: The Road to Prosperity: Productivity and Exports; Report No. 65845-YF, Volume 1 and 2, http: / / siteresources.worldbank.org/ SER- BIAEXTN/ Resources/ 300903-1106760681824/ 625341-1323878646102/ Vol1Dec7forPrint.pdf ; und http: / / siteresources.worldbank.org/ SERBIAEXTN/ Resources/ 300903-1106760681824/ 625341-1323878646102/ CEM_VOL_2Dec13.pdf [12] Weltbank (2011): Serbia on the Road to EU Accession: Consequences for Agricultural Policy . In GOVERNMENT OF THE REPUBLIC OF SERBIA (2011): Needs of the Republic of Serbia for International Assistance in the Period 2011-2013, Februar 2011, S.64-91 [13] Kolundzija, E. (2014): Exportdeterminanten serbischen Obstes, Band 32, Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung der JLU Gießen, Peter-Lang Verlag [14] EU - Europäische Union (2016): Trans-European Transport Network, http: / / ec.europa.eu/ transport/ infrastructure/ tentec/ tentec-portal/ site/ maps_upload/ SchematicA0_EUcorridor_map.pdf und http: / / ec.europa.eu/ transport/ themes/ infrastructure/ ten-t-policy/ priority-projects/ doc/ pp_report_nov2012.pdf (Stand: Sept. 2016) [15] Platina 2 (2014): WP4.1: Information Package on the State-of-Play of IWT - Volume 1: First Preparatory Meeting of Core Network Corridor Studies, http: / / naiades.info/ repository/ public/ documents/ Downloads/ 31_PL2_WP4-1-2_InfoPack_I.pdf (Stand: Sept. 2016) Eli Wortmann-Kolundžija, Dr. Senior Researcher, Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn, Abteilung „Wirtschaftlicher und Technischer Wandel“ (ZEF b), Bonn wortmann@uni-bonn.de Bild 3: Kritische Fahrabschnitte entlang der Flüsse Sava und Donau Quelle: MBTI, 2015 REGULATION (EU) No 1316/ 2013 O.J. L348 - 20/ 12/ 2013 Tirana Podgorica Sarajevo Belgrade Ploce Pristina Skopje Bar Durres REGULATION (EU) No 1316/ 2013 O.J. L348 - 20/ 12/ 2013 Tirana Podgorica Sarajevo Belgrade Ploce Pristina Skopje Bar Durres Bild 5: Trans-Europäisches Transportnetzwerk der EU (TEN-T) Quelle: [14] Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 47 Informationssysteme MOBILITÄT Echtzeitdaten im ÖPNV Welche Anforderungen haben Fahrgäste an Informationen - und was ist besser: Apps oder Haltestellen-Anzeigen? Dynamische Fahrgastinformationen, Anforderungsanalyse, Fahrgäste, ÖPNV, App, Haltestellen In Ausgabe 3|2016 von Internationales Verkehrswesen beschreiben Alexander Rammert und Trutz von Olnhausen, welche Fahrgastinformationen von Fahrgästen im Regionalverkehr besonders gerne genutzt werden und welche Anforderungen an diese bestehen. 1 Ergänzend dazu werden hier die Ergebnisse einer Masterstudie beschrieben, die zum Ziel hatte, Nutzeranforderungen an dynamische Fahrgastinformationen (DFI) mit Echtzeitdaten im Nahverkehr zu identifizieren. Autorin: Kathrin Viergutz F ahrgäste haben das Bedürfnis, stets aktuelle und verlässliche Informationen über Abfahrten und Verbindungen zu erhalten. Besonders interessant sind dabei Echtzeitdaten, also Angaben, wann Bus und Bahn tatsächlich - und nicht laut Fahrplan - eintreffen. Dafür eignen sich Echtzeitangaben an Haltestellen oder in mobilen Anwendungen, die Auskunft über die aktuelle Betriebslage und die voraussichtliche Ist-Abfahrtszeit geben. Diese ermöglichen den Fahrgästen die verlässliche Abschätzung der tatsächlichen Reisezeit sowie die eventuelle Anpassung ihrer Fahrt zum Beispiel durch die Generierung einer Alternativroute bei Betriebsstörungen. Im Rahmen einer im Jahr 2015 durchgeführten Masterstudie an der Technischen Universität Berlin wurden die Nutzeranforderungen von Fahrgästen auf eben diese dynamischen Fahrgastinformationen (DFI) mit Echtzeitdaten untersucht. 2 Kernstück der Studie bildete eine Online-Befragung unter Fahrgästen des Nahverkehrs, mithilfe welcher der Frage nachgegangen wurde, welche Arten von DFI für diese besonders wertvoll sind. Klassifizierung von Fahrgastinformationen Echtzeiten in der Fahrgastinformation werden meist in Form von Restzeiten ausgegeben, also nicht in absoluten Uhrzeiten angezeigt, sondern stellen einen „Countdown“ bis zur Abfahrt dar. Im Gegensatz zur Angabe von Ist-Zeiten in Form von Restzeiten ist die Anzeige von Uhrzeiten meist Fahrplandaten vorbehalten. So kann bei Verspätungen, Betriebsstörungen oder fehlenden Standortsignalen der Fahrzeuge eine Kombination aus Echtzeit- und Fahrplandaten zuverlässig und unmissverständlich vermittelt werden. Die Sortierreihenfolge entspricht dabei meist der chronologischen Reihenfolge ab dem aktuellen Zeitpunkt. Weit verbreitet ist die Restzeitanzeige in ganzen Minuten, Restzeiten können jedoch auch sekundengenau ausgegeben oder in Form von Entfernungsangaben des Fahrzeugs zur betreffenden Haltestelle angegeben werden. Aus der Information über die Anzahl der noch zu bewältigenden Haltestellen bis zum Eintreffen eines Fahrzeugs kann der Fahrgast bei Vorhandensein ausreichender Erfahrungswerte die prognostizierte Dauer bis zum Eintreffen des Fahrzeugs ableiten (Bild 1). Neben den dargestellten bahnsteig- und gleisspezifischen Abfahrtstafeln können Abfahrtstafeln auch die Abfahrten mehrerer Gleise, beispielsweise an Knotenpunkten, enthalten. Solche Abfahrtstafeln, die sich nicht direkt am Bahnsteig, jedoch in dessen Nähe befinden, werden auch „Near-Stop-Displays“ genannt. Rahmenbedingungen der Fahrgastbefragung Die quantitative Fahrgastbefragung wurde zwischen dem 14.06.2015 und 25.07.2015 als Online-Befragung durchgeführt. Regionale Teilnahmevoraussetzungen existierten nicht, jedoch bestand eine weitere Aufgabe des Forschungsprojekts darin, eine Strategie für die Echtzeitdaten-Fahrgastinformation in der Rhein-Neckar-Region zu erarbeiten, weshalb rund 70 % der Befragten diese Region als ihren Wohnort angaben. Insgesamt wurden 462 Personen befragt. Rund 66 % der Befragten waren dabei männlichen Bild 1: Beispiele für Darstellungen der dynamischen Abfahrtszeit Alle Darstellungen: Autorin Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 48 MOBILITÄT Informationssysteme sowie rund 32 % weiblichen Geschlechts. Durch den Verbreitungsweg Internet ist die Altersstruktur der Teilnehmer gegenüber dem Bundesdurchschnitt verjüngt - rund 34 % der Teilnehmer waren zwischen 21 und 30 Jahre alt, lediglich 14 % gaben an, 51 Jahre oder älter zu sein. Trotz der vom Bundesdurchschnitt abweichenden Teilnehmerstruktur können die Ergebnisse der Studie aufgrund der großen Stichprobe bei der Analyse von Nutzeranforderungen behilflich sein. Mobilitätsverhalten und Informationsbeschaffung Die Ergebnisse der Fahrgastbefragung im Einzelnen: Nutzungshäufigkeit: Rund 78 % der Befragten gaben an, mindestens dreimal wöchentlich öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, rund 63 % sogar mindestens achtmal wöchentlich. Dabei steht eine Nutzung für eine Fahrt inklusive möglicher Umstiege. Wegezwecke: Bei der Frage nach den Wegezwecken, bei der Mehrfachnennungen möglich waren, gaben rund 79 % der Befragten an, öffentliche Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit, Schule oder Universität nutzen. Freizeitziele werden während der Tagesstunden von 64 %, abends und nachts von 61 % mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht. Informationsbeschaffung: Den Befragten wurde ein Szenario vorgestellt, bei welchem sie entscheiden sollten, auf welchem Wege sie sich Informationen zur Erreichung eines ihnen unbekannten Zieles in der Umgebung beschaffen würden. Dabei war die Nennung mehrerer Antworten möglich. Bild 2 zeigt, dass rund 76 % der Befragten eine App zur Informationsgewinnung zurate ziehen würden. Rund 48 % würden mithilfe eines stationären Computers oder mobilen Gerätes die Webseite eines Verkehrsunternehmens aufsuchen. Diese Ergebnisse decken sich in ihrer Tendenz mit den Ergebnissen von Rammert und von Olnhausen. Deren Studie ergab, dass tägliche Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel zur Gewinnung von Informationen zur Reiseplanung vorrangig (32 %, Mehrfachangaben möglich) mobile Anwendungen nutzen. Zudem nutzen rund 25 % dafür Webseiten. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass sich die Frage aus der Studie von Rammert und von Olnhausen auf allgemeine Reiseanbindungen bezieht, weshalb rund 21 % der Befragten angaben, Reisen vorrangig aufgrund eigener Erfahrungswerte zu planen. Die in der hier beschriebenen Studie gestellte Frage bezog sich hingegen auf die Gewinnung von Reiseinformationen zu bisher unbekannten Zielen. Informationsbeschaffung älterer Befragter: Betrachtet man die Informationsbeschaffung der Befragten, die 51 Jahre oder älter sind (48 Befragte), wird deutlich, dass sowohl Webseiten als auch Apps bei dieser Zielgruppe ebenfalls beliebte Instrumente zur Informationsgewinnung darstellen, wobei Webseiten noch stärker genutzt werden als Apps. Immer und überall informiert: Apps für öffentliche Verkehrsmittel Mobile Anwendungen: Bei mobilen Anwendungen (Apps) handelt es sich um Auskunftssysteme, die dem Fahrgast individuelle Auskünfte erteilen. Die gebotenen Informationen werden bei geringer zeitlicher Entfernung zum aktuellen Zeitpunkt als Countdown angegeben, teilweise mit Angabe der Fahrplantreue. Bei Abfragen, welche sich auf einen späteren Zeitpunkt beziehen, werden Fahrplandaten meist als Uhrzeiten dargestellt. Nutzer können zudem durch die Aktivierung der Umfeldsuche auch ortsbezogene Informationen erhalten. Für die Nutzung ist ein eigenes Anzeigegerät mit Internetverbindung, wie beispielsweise ein Smartphone oder Tablet, nötig. Nutzungshäufigkeit von Apps: Insgesamt gaben rund 73 % der Befragten an, mindestens einmal wöchentlich Apps zu nutzen, rund 58 % sogar mehrmals wöchentlich oder täglich (Bild 3). Lediglich 11 % der Befragten nutzen keine Apps für öffentliche Verkehrsmittel. Zu beachten ist dabei, dass die Befragung online durchgeführt wurde und somit eine Aufgeschlossenheit gegenüber moderner Technik und ein routinierter Umgang mit Software seitens der Befragten anzunehmen ist. Abfahrts- und Verbindungsauskünfte: Fahrplanauskünfte in Apps können auf zwei verschiedene Weisen erfolgen. Abfahrtsauskünfte geben Auskunft über die Abfahrten bestimmter Linien an bestimmten Haltestellen. Verbindungsauskünfte ermitteln Wege von einem Startzu einem Zielpunkt. In der Befragung gaben rund 26 % der Befragten an, hauptsächlich Verbindungsauskünfte in Apps zu nutzen. Rund 22 % nutzen vorrangig Abfahrtsauskünfte und rund 39 % gaben an, beide Auskunftsarten gleichermaßen in Apps nutzen. Beliebte Funktionen von Apps: In Bild 4 sind mögliche Funktionen von Apps für öffentliche Verkehrsmittel nach ihrer von den Befragten zugesprochenen Wichtigkeit bewertet. Die Zahlen im Diagramm zeigen die absolute Anzahl der Antworten. Insgesamt 410 Befragte (rund 89 %) halten eine Verbindungsauskunft, welche eine Route von einem Startzu einem Zielpunkt ermittelt, für sehr wichtig oder eher wichtig. Echtzeit- Angaben werden von 401 Befragten (rund 87 %), Live-Ticker mit aktuellen Informationen über Fahrplanabweichungen und Betriebsstörungen von 379 Befragten (rund 82 %), Abfahrtszeiten und Linien an bestimmten Haltestellen von 370 Befragten Bild 2: Möglichkeiten der Informationsbeschaffung: Alle Befragten Bild 3: Nutzungshäufigkeit von Apps Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 49 Informationssysteme MOBILITÄT (rund 80 %) als sehr wichtig oder eher wichtig empfunden. Weniger wichtig ist die Möglichkeit, das Unternehmen direkt zu kontaktieren, sowie der Kauf von Tickets in der App: Insgesamt bewerten 218 Befragte (rund 47 %) die Feedback-Möglichkeit als eher unwichtig oder überhaupt nicht wichtig. Die Möglichkeit, Fahrscheine in der App zu erwerben halten 188 Befragte (rund 41 %) für eher unwichtig oder überhaupt nicht wichtig. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den Befragten um Personen handelt, welche häufig öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Es ist davon auszugehen, dass viele der Befragten über Zeitkarten verfügen und deshalb der Erwerb von Fahrscheinen nicht zu deren unbedingt erforderlichen Funktionen einer App gehört. Apps machen die Nutzung des ÖPNV ein bisschen besser: Die Befragten wurden um ihre Selbsteinschätzung gebeten, ob die Nutzung von Apps bei ihnen zu einer häufigeren oder bevorzugten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel geführt hat. Rund 26 % dieser Befragten gaben an, dass die Nutzung von Apps positive Auswirkungen auf ihre Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel habe. Immer noch wichtig: Anzeigen an Haltestellen Anzeigen an Haltestellen: DFI-Anzeigen an Haltestellen sind ortsfeste Anlagen, die Auskunft über Abfahrten an den betreffenden Haltestellen geben. Sie werden auch „At-Stop-Displays“, „Pixel-Anzeiger“ oder „Fahrgastinformationssäulen“ genannt. Dabei handelt es sich um stationäre Systeme, die ein kollektives Publikum bedienen. Übermittelt werden vorrangig zeitbezogene Informationen zu den nächsten Abfahrten vom betreffenden Standort. Der Abruf von Informationen über Abfahrten zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht möglich. Diese Informationen werden über Geräte vermittelt, welche meist vom Verkehrsunternehmen bereitgestellt werden. Für die Nutzung der dargebotenen Information ist somit der Besitz eines eigenen Anzeigegerätes nicht nötig. Um die Information zu erhalten, muss der Nutzer selbst nicht aktiv werden, da die eigenständige Suche entfällt, sondern die ihm präsentierte Information lediglich konsumieren. Anzeigen sind beliebt: Die Befragten wurden nach ihrer Zustimmung zur Aussage, dass sie DFI-Anzeigen an Haltestellen für sinnvoll und nützlich halten, gebeten. Rund 97 % der Befragten stimmten dieser Aussage „voll und ganz“ oder „eher“ zu. Dabei schätzen die Befragten dabei vor allem die Anzeige von Linien und Zielen (rund 83 %, Mehrfachangaben möglich) sowie Echtzeiten (rund 82 %). Für drei von vier Befragten ist die Anzeige der Wartezeit als Restzeit wichtig. Fazit: Die Mischung macht’s Kombination mehrerer Informationssysteme: Die Befragung hat gezeigt, dass Fahrgäste zur idealen Fahrgastinformation mehrere DFI-Systeme je nach den situationsbedingten Anforderungen kombinieren. Dabei wünschen sie sich zuverlässige Informationen mit Echtzeiten, die übersichtlich aufbereitet, kostengünstig und schnell verfügbar sind. Abschließend zeigt Bild 5 die Antworten von Fahrgästen auf die Frage, auf welches DFI-System sie am wenigsten zu verzichten bereit wären. Für rund 42 % der 462 Befragten stellen Anzeigen an Haltestellen die wichtigste Fahrgastinformation dar. Rund 37 % möchten nicht auf Auskünfte per mobiler Anwendung verzichten. Informationssysteme werden vielfältiger: Alexander Rammert und Trutz von Olnhausen schreiben in ihrem Artikel, dass Informationssysteme vielfältiger werden. Diese These kann durch die beschriebene Studie belegt werden: Digitalisierung und die ständige Vernetzung führt zu einer hohen Informationsdichte im ÖPNV. Fahrgäste können sich auf vielfältige Weise über die aktuelle Betriebslage informieren. Dabei sind Informationen, die durch eigenen aktiven Abruf im Smartphone gewonnen werden können, genauso wichtig wie Informationen, die an Haltestellen bereitgestellt werden. Die Mischung macht’s! Interessant wäre die Betrachtung der Vorbehalte von Nicht-Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel. So könnte in einer weiteren Studie eine Anforderungsanalyse von Personen durchgeführt werden, die aufgrund unzureichender oder schwer zugänglicher Informationen die Nutzung des ÖPNV vermeiden. ■ 1 Rammert, Alexander, und Trutz von Olnhausen: Zukunft der Fahrgastinformation: Untersuchung der Nutzungsansprüche an Informationssysteme im Schienenpersonenverkehr. In: Internationales Verkehrswesen (68) 2016, Ausgabe 3, Seiten 58-61 2 Weitere Informationen sowie die vollständigen Ergebnisse der Studie im PDF-Format auf der Webseite www.fahrgast-information.de Kathrin Viergutz, M.Sc. Absolventin Fachbereich Planung und Betrieb im Verkehrswesen, Technische Universität Berlin viergutz@fahrgast-information.de Bild 4: Bevorzugt genutzte Funktionen von Apps Bild 5: Bewertung der favorisierten Fahrgastinformation Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 50 MOBILITÄT InnoZ Mobilitätsmonitor Mobilitätsmonitor Nr. 3 - November 2016 Konjunktur, Personenverkehr, Personenverkehrsmarkt, Energiemarkt, Multimodalität, Carsharing, Schnellladeinfrastruktur, Digitalisierung Das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) erstellt ein Monitoring mit Umfeld- und „klassischen“ Verkehrsmarktdaten sowie ergänzenden Mobilitätsdaten zum Personenverkehr in Deutschland. Dazu beziffern wir die Entwicklung von Shared-Mobility-Angeboten und erfassen die Themen Multimodalität, Elektromobilität sowie den Aspekt Digitalisierung. Die Besonderheit ist die Verbindung unterschiedlicher Aggregationsebenen aus eigenen und extern erhobenen Daten. Autoren: Frank Hunsicker, Benno Hilwerling, Robert Schönduwe, Lena Damrau, Benno Bock, Vipul Toprani, Helga-Jonuschat, Sina Nordhoff, Christian Scherf D iese Ausgabe von Internationales Verkehrswesen bringt eine Zusammenfassung der aktuellen Monitor-Ergebnisse. Weitere Daten und Grafiken sind im Netz unter www.innoz.de zu finden. Konjunkturelles Personenverkehrs- 1 und Energiemarktumfeld Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im 1.-Halbjahr 2016 um 1,7 % und war damit ein Wachstumstreiber in Europa. Hauptbasis ist die hohe Binnennachfrage. Die real verfügbaren Einkommen stiegen per 2. Quartal um 2,5 %, begünstigt durch eine sehr niedrige Inflationsrate, was sich positiv auf die Kaufkraft auswirkt. Für das Jahr 2016 wird insgesamt ein Anstieg des BIPs um 1,9 % erwartet. Die verfügbaren Realeinkommen werden mit ca. 2,5 % stark zulegen. Auch die Anzahl der Erwerbstätigen wuchs in den ersten sechs Monaten 2016 robust um weitere 1,2 %. Die Arbeitslosenquote sank auf 6,2 %. Im weiteren Jahresverlauf 2016 wird die Zahl der Erwerbstätigen voraussichtlich um über eine halbe Million Menschen und damit um 1,2 % zunehmen. Hierbei spielt die Arbeitsmigration aus der EU eine wichtige Rolle. Der Kraftfahrer-Preisindex als Maß für die Preisentwicklung im motorisierten Individualverkehr (MIV) sinkt seit 2014. Per August 2016 ging der KFZ-Index um 2,6 % zurück, u. a. aufgrund niedriger Kraftstoffpreise, die bis August weiter gesunken sind (bei Benzin um gut 10 %, bei Diesel um über 12 %). Neben dem niedrigen Ölpreis lässt die im europäischen Maßstab fehlende konjunkturelle Nachfrage im Güterverkehr die Amplitude der Dieselpreise stärker nach unten ausschlagen. Die Preise im öffentlichen Verkehr stiegen an, bspw. bei den Verbundtarifen um 2,6 % kumuliert zum August 2016. Offizielle Daten zum Schienenverkehr liegen noch nicht vor. Im Schienenfernverkehr ist aufgrund umfangreicher, günstiger Sparpreiskontingente mit starken Kundenanreizen zu rechnen. Der Luftverkehr (-0,2 % per August ggü. Vorjahr) profitiert von den niedrigen Ölpreisen. Insgesamt dürfte die Preisentwicklung primär dem MIV zugutekommen. Der PKW-Bestand stieg 2015 weiter an, zum 01.01.2016 mit 1,8 % auf nun 45,1-Mio. PKW. Die Neuzulassungen erhöhten sich per September 2016 um 6,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Entwicklung des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien im Verkehrssektor ist rückläufig (Bild 1). Von 35,4- Mrd. kWh im Jahr 2014 sank der Verbrauch aus Erneuerbaren auf 33,8 Mrd. kWh im Jahr 2015. Nur 2009 war die Bilanz in den letzten zehn Jahren noch schlechter. Den größten Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor macht mit über 60 % nach wie vor der Biodiesel aus, gefolgt von Bioethanol mit gut einem Viertel. Rund 11 % der Energien im Verkehrssektor entfallen auf Strom. Ansprechpartner: Personenverkehrsmarktumfeld: Frank Hunsicker, frank.hunsicker@innoz.de Energiemarktumfeld: Benno Hilwerling, benno.hilwerling@inno2grid.com Mehr online unter: https: / / www.innoz.de/ de/ mobilitaetsmonitor-verkehrstraegeroekonomischer-rahmen-und-modale-sicht © InnoZ GmbH 0 10 20 30 40 50 2010 2014 2015 2013 Erneuerbare Energien in Mrd. kWh Biodiesel Pflanzenöl Strom Biomethan Bioethanol 36,0 34,5 35,4 33,8 Bild 1: Entwicklung des Verbrauchs erneuerbarer Energieträger im Verkehrssektor 2010 u. 2013-2015 (Quelle: BMWi/ AGEE-Stat 2016) Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 51 InnoZ Mobilitätsmonitor MOBILITÄT Modale Sicht: „Klassischer“ motorisierter Personenverkehrsmarkt Wie in Bild 2 zu sehen, wird für 2016 mit einer weiteren Zunahme der Verkehrsleistung bei allen motorisierten Verkehrsträgern gerechnet (insg. 2,1 % ggü. 2015). Grundsätzlich wirken die gute Konjunktur, der Bevölkerungszuwachs und der expandierende Arbeitsmarkt stimulierend. Der MIV profitiert zusätzlich von den niedrigen Kraftstoffpreisen und legt voraussichtlich um 2 % zu. Auch dem innerdeutschen Luftverkehr kommen die günstigen Kerosinpreise zugute, ebenso wie ausbleibende Streiks und der Markteintritt neuer Wettbewerber. Eine Unsicherheit besteht durch die Übernahme vieler innerdeutscher Relationen von Air Berlin. Für 2016 rechnen wir mit einem Nachfrageplus von ca. 2,3 %. Die Verkehrsleistung des ÖSPV 2 wird um etwa 1,5 % zulegen. Auf den Fernbusstrecken wurde das Angebot 2016 schon nicht mehr so stark ausgeweitet; inzwischen wird der Markt von einem Anbieter dominiert. Im Liniennahverkehr machen sich trotz niedriger Kraftstoffpreise die guten sozioökonomischen Rahmendaten bemerkbar. Dies trifft auch für den Schienenpersonenverkehr zu, der zusätzlich von Angebotsausweitungen und statistischen Effekten aufgrund der Streiks im Vorjahr profitierte. Im Fernverkehr auf der Schiene machen sich zudem die stark vergünstigten Sparpreiskontingente bemerkbar. Für die Schiene rechnen wir mit einem Verkehrsleistungsplus von ca. 3 % im Gesamtjahr 2016. Wie in den Vorjahren ist mit einem leichten Rückgang beim Fußgängerverkehr sowie einem Zuwachs im Radverkehr zu rechnen, was sich aber auf die Gesamtverkehrsleistung nur geringfügig auswirkt. Auch die modalen Anteile der einzelnen Verkehrsträger bleiben im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant. Ansprechpartner: Frank Hunsicker, frank.hunsicker@innoz.de Multimodalität: Variation des Verkehrsverhaltens im Längsschnitt Jeder Smartphonebesitzer trägt ein Instrument zur Aufzeichnung seiner täglichen Mobilität bei sich. Die App „modalyzer“ macht diese Informationen für die Mobilitätsforschung nutzbar (s. Monitor Nr. 1, 2015). Per GPS-Tracking werden Informationen mit hoher räumlich-zeitlicher Genauigkeit aufgezeichnet. Bild 3 zeigt die Verkehrsmittelwahl von 236 modalyzer-Nutzern, die mindestens 21 Tage die App genutzt haben. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ. Im Vergleich zu repräsentativen Studien (z. B. Nobis 2015) fällt vor allem die geringe (monomodale) MIV-Nutzung auf. Im unteren Teil des Bildes ist der modal split (Verkehrsleistung) nach einem, sieben, 14 und 21 Tagen dargestellt. Es wird deutlich, dass eine Stichtagserhebung eine erstaunlich gute Schätzung des modal splits der Gesamtgruppe zulässt: Die Werte nach sieben, 14 und 21 Tagen unterscheiden sich nicht wesentlich vom modal split am ersten Erhebungstag. Der obere Teil von Bild 3 verdeutlicht, dass sich hinter der scheinbaren Beständigkeit des Verkehrsverhaltens im Verlauf von drei Erhebungswochen eine bemerkenswerte Variabilität verbirgt. Liegt der Anteil monomodaler Gruppen am ers- © InnoZ GmbH 700 800 1000 1200 1100 1.156,0 1.188,3 1.209,2 1.233,1 2011 2015 2014 2016 p.a p.a p.a Personenkilometer in Mrd. Fuß Rad SPV ÖSPV Luftverkehr (innerdeutsch) MIV 0,3% 2,0% 0,2% -0,5% 1,0% 1,8% 1,6% 0,2% 0,6% 1,4% -1,7% 1,4% 0,9% 1,8% 2,0% 1,0% 2,0% 2,0% -0,5% 2,1% 3,0% 1,5% 2,3% 2,0% 78,0 10,6 85,4 35,1 1086,4 34,5 912,4 79,3 9,9 89,5 35,4 80,4 10,1 89,7 36,1 81,6 10,4 92,4 36,8 1118,1 1138,5 1161,9 34,8 34,6 34,4 939,4 958,3 977,5 Bild 2: Personenverkehrsleistung nach Verkehrsmitteln 2011 u. 2014-2016 (Quelle: BMVI 2016, eig. Schätzungen) Modal split am ersten Tag Erhebungstage Anteil multi- und monomodaler Gruppen Modal split nach 7 Tagen Modal split nach 14 Tagen © InnoZ GmbH Modal split nach 21 Tagen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 20 40 60 80 100 46% 42% 12% 51% 39% 10% 55% 35% 10% 53% 36% 11% Rad MIV ÖV Rad, ÖV, MIV MIV und ÖV MIV und Fahrrad Fahrrad und ÖV MIV mono ÖV mono Fahrrad mono Fußweg mono n = 236 Personen Bild 3: Anteil multi-/ monomodaler Gruppen und modal split der Verkehrsleistung nach Erhebungstagen Quelle: InnoZ, Erhebung mit „modalyzer“ Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 52 MOBILITÄT InnoZ Mobilitätsmonitor ten Erhebungstag noch bei fast 80 %, so nimmt dieser mit der Zeit rapide ab und liegt nach der ersten Erhebungswoche bei ca. 15 %. Nach drei Wochen haben fast alle Teilnehmer mindestens einmal unterschiedliche Verkehrsmittel genutzt. Ansprechpartner: Dr. Robert Schönduwe, robert.schoenduwe@ innoz.de Mehr online unter: https: / / www.innoz.de/ de/ mobilitaetsmonitormulti-und-intermodalitaet Shared Mobility: Stationsbasiertes Carsharing nach Ortsgröße Das Carsharing in flexiblen Flotten (stationsunabhängig) zeigte in den vergangenen Jahren ein beträchtliches Wachstum (s. Monitor Nr. 2, 2016). Jedoch bestehen diese Angebote fast nur in Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern. Wie fällt hingegen die Entwicklung des „klassischen“, stationsbasierten Carsharings aus, wenn nach Ortsgröße differenziert wird? Bild 4 enthält die Anzahl der Fahrzeuge stationsbasierter Angebote aus 2010 und 2015. Der Vergleich zeigt, dass die Anzahl der Carsharing-Fahrzeuge in Orten unter 1 Mio. Einwohner seit 2010 deutlich zugenommen hat. Nur in der Kategorie 100 bis 200 Tausend Einwohner fällt die absolute Fahrzeugzahl auffällig gering aus. Zudem ist die unterschiedliche Abdeckung bemerkenswert: Während in Orten über 200 000 Einwohner jeder Ort über stationsbasiertes Carsharing verfügt, beträgt dieser Anteil in der Ortskategorie unter 100 000 Einwohner nur 4 %. Die absolute Fahrzeugzahl ist bei der kleinsten Ortskategorie in der Summe fast gleich groß wie in den Millionenstädten. Ansprechpartner: Benno Bock, benno.bock@innoz.de Mehr online unter: https: / / www.innoz.de/ de/ mobilitaetsmonitorshared-mobility Elektromobilität: Schnellladeinfrastruktur In Monitor Nr. 2 (2016) stellten wir das Verhältnis der öffentlich zugänglichen Ladepunkte pro 1 Mio. Einwohner nach Bundesländern dar. Vertiefend folgt nun die Darstellung der öffentlich zugänglichen Schnellladepunkte (49-60 kW, ohne Tesla- Supercharger). Die Kreise in Bild 5 haben jeweils einen 15-km-Radius um die Schnellladepunkte, die sich oft an Autobahnen befinden. Noch besitzt die absolute Anzahl öffentlich zugänglicher Schnellladepunkte aufgrund der geringen Gesamtzahl im Bundesländervergleich wenig Aussagekraft. Jedoch zeigen sich bereits deutliche Abweichungen im Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Anzahl der Ladepunkte bzw. Schnellladepunkte. Während z. B. das zentral gelegene Land Hessen in Bezug auf die Ladepunkte pro 1 Mio. Einwohner auf Platz- 1 aller Bundesländer liegt, rangiert es hinsichtlich der Schnellladepunkte pro 1 Mio. Einwohner auf Platz 9. Ansprechpartner: Vipul Toprani, vipul.toprani@innoz.de Mehr online unter: https: / / www.innoz.de/ de/ mobilitaetsmonitornachhaltige-mobilitaetelektromobilitaet Mobilitätsumfeld Digitalisierung: Routing-Apps und fahrerloser ÖSPV In Monitor Nr. 1 (2015) zeigten wir die Häufigkeit von Service-Kombinationen durch © InnoZ GmbH Anzahl der Carsharing-Autos (stationär) 0 1000 500 1500 2000 2500 0,5 - 1,0 Mio. Einw. > 1 Mio. Einw. 0,1 - 0,2 Mio Einw. < 0,1 Mio. Einw. 0,2 - 0,5 Mio. Einw. 2010 2015 100% 100% 100% 83% 4% 4x 10x 25x 40x 11022x Ø508 Ø203 Ø82 Ø27 Ø5 © InnoZ GmbH r=15km 49-60 kW Autobahn Bild 5: Standorte von Schnellladepunkten (49-60 kW) mit eingezeichnetem Radius von 15 km und Autobahnnetz Quelle: openchargemap.org, eigene Darstellung Bild 4: Anzahl stationsbasierter Carsharing-Fahrzeuge 2010 u. 2015 nach Ortsgröße (Einwohner) sowie Anzahl/ Anteil der Städte und durchschnittliche Fahrzeugzahl pro Stadt Quelle: bcs 2016; Bock et al. 2010 Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 53 InnoZ Mobilitätsmonitor MOBILITÄT Mobilitätskarten. Eine ähnliche Darstellung erstellten wir für die Kombinationen angezeigter Verkehrsmodi in Routing-Apps (Bild-6). Es handelt sich um die ebenfalls in der ersten Ausgabe vorgestellten, in Deutschland verfügbaren Smartphone- Apps aus dem Projekt „Guide2Wear“ (Recherchestand 2015). Oft eingebunden sind der ÖV (Fern- und Nahverkehr) sowie der Fußverkehr. Mäßig bzw. selten eingebunden sind hingegen Privat-Rad und Privat- PKW. Im Unterschied zum automatisierten Fahren auf der Straße sind fahrerlose Systeme auf der Schiene bereits erprobt und alltagstauglich. Bisher verkehren hierzulande jedoch erst wenige Bahnen dieser Art. Die frei verfügbaren Quellen lassen darauf schließen, dass die fahrerlosen U-Bahn- Linien in Nürnberg eine jährliche Verkehrsleistung von geschätzten 225 Mio. Personenkilometern in 2015 aufwiesen (Bild 7). Dies entspricht etwa 4 % der Verkehrsleistung deutscher U-Bahnen in 2015 (reine U-Bahnen bestehen außer in Nürnberg nur in Berlin, Hamburg und München). Hinzu kommen fahrerlose Kabinenbahnen. Unsere Schätzungen ergeben insgesamt eine jährliche Verkehrsleistung von bis zu 230- Mio. Pkm im fahrerlosen ÖSPV 2 in 2015. Dies entspricht einem Anteil von ca. 0,3 % an der Gesamtverkehrsleistung im ÖSPV bezogen auf 2015. Ansprechpartner: Routing-Apps: Dr. Helga Jonuschat, helga.jonuschat@ innoz.de Fahrerloser ÖSPV: Sina Nordhoff, sina.nordhoff@innoz.de; Christian Scherf, christian.scherf@innoz.de Mehr online unter: https: / / www.innoz.de/ de/ mobilitaetsmonitor-mobilitaetsumfelddigitalisierung ■ 1 Datenquellen: Gemeinschaftsdiagnose (2016), KBA (2016), StBA (2016), eig. Schätzungen 2 ÖSPV umfasst den öffentlichen Straßenpersonenverkehr (u. a. Bus, Stadtbahn, Straßenbahn u. U-Bahn). QUELLEN bcs - Bundesverband CarSharing (2016): CarSharing-Angebote in Ihrer Nähe, online unter: http: / / www.carsharing.de/ cs-standorte, (letzter Aufruf April 2016). BMVI - Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2016): Gleitende Mittelfristprognose für den Güter-und Personenverkehr, Kurzfristprognose Sommer 2016, online unter: http: / / www.bmvi. de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ VerkehrUndMobilitaet/ mittelfristprognose-sommer-2016.pdf? __blob=publicationFile (letzter Aufruf 11.10.2016). BMWi/ AGEE-Stat - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie / Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (2016): Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2015, Grafiken und Diagramme unter Verwendung aktueller Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat), Stand August 2016, online unter: https: / / www.erneuerbare-energien.de/ EE/ Redaktion/ D E/ D ownload s/ entwi c klung_der_erneuerbaren_ e n e r g i e n _ i n _ d e u t s c h l a n d _ i m _ j a h r _ 2 0 1 5 . p d f ? _ _ blob=publicationFile&v=12 (letzter Aufruf 06.10.2016). Bock, Benno; Hinkeldein Daniel; Hoffmann Christian; Schönduwe, Robert (2010): Stadtwerke als Katalysatoren für die Umsetzung integrierter Elektromobilitätsdienstleistungen - Strukturelle Voraussetzungen und Bewertung aus Sicht potenzieller Nutzer, Berlin: InnoZ. Gemeinschaftsdiagnose (2016): Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2016, online unter: https: / / www.cesifo-group.de/ de/ ifo- Home/ facts/ Forecasts/ G emeins chaftsdiagnose/ Archiv/ G D- 20160929.html (letzter Aufruf 11.10.2016). KBA - Kraftfahrtbundesamt (2016): Jahresbilanz des Fahrzeugbestandes am 1. Januar 2016, online unter: http: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ Bestand/ bestand_node.html (letzter Aufruf 11.10.2016). Monitor Nr. 1 (2015): in Internationales Verkehrswesen (67), Ausgabe 4/ 2015, S. 48-62. Monitor Nr. 2 (2016): in Internationales Verkehrswesen (68), Ausgabe 2/ 2016, S. 49-68. Nobis, Claudia (2015): Multimodale Vielfalt. Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, online unter: http: / / edoc.hu-berlin.de/ dissertationen/ nobisclaudia-2014-04-28/ PDF/ nobis.pdf (letzter Aufruf 11.10.2016). Stadt Dortmund (2014): Nahverkehrsplan Dortmund - Fortschreibung 2014, online unter: https: / / www.dortmund.de/ media/ p/ stadtplanungs_und_bauordnungsamt/ stadtplanung_bauordnung_ downloads/ NVP-DO-2014.pdf (letzter Aufruf 11.10.2016). StBA - Statistisches Bundesamt (2016): Datenbank zu den Themen Verkehr und Transport, online unter: https: / / www-genesis.destatis.de/ genesis/ online (letzter Aufruf 10.10.2016). VDV - Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (2016): Auskunft von Frau Ursula Dziambor per eMail vom 21.09.2016 und 04.10.2016 nach Zahlen der zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten VDV-Statistik 2015. VGN - Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (2016): Verbundbericht 2015, online unter: http: / / www.vgn.de/ media/ verbundbericht-2015. pdf (letzter Aufruf 20.09.2016). © InnoZ GmbH >30 >5 Anzahl der Kombinationen >2 1 n=74 (Anzahl der Apps) © InnoZ GmbH 80.400.000.000 PKM ÖS PV dt. 201 5 6.000.000.000 PKM U -B a h n dt. 2 0 1 5 ÖSPV fahrerlos 2015 ca. 230.000.000 PKM U-Bahn fahrerlos 2015 ca. 225.000.000 PKM Bild 7: Anteil der Verkehrsleistung des fahrerlosen ÖSPV 2015 Quelle: BMVI 2016, Stadt Dortmund 2014, VDV 2016, VGN 2016, eig. Schätzungen Bild 6: Kombinationen angezeigter Modi in Routing-Apps 2015 Quelle: Eigene Recherchen im Rahmen des Projekts „Guide2Wear“ Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 54 CarSharing und Mobilitätsbudget statt Dienstwagen? Flottenmarkt, Dienstwagen, CarSharing, Motivationsmodell Wie wird sich der Dienstwagen in Zukunft entwickeln? Bleibt er weiterhin ein großes Motivationsmodell für Mitarbeiter oder wird er zukünftig von CarSharing und Mobilitätsbudget abgelöst? Vielseitige Trends und Entwicklungen wirken auf den Flottenmarkt von heute und könnten den Dienstwagen als Motivationsmodell beeinflussen. Im Rahmen einer Studie des Fraunhofer IML wurden diese Trends beleuchtet und Rückschlüsse auf zukünftige Entwicklungen gezogen. Autoren: Alina Steindl, Wolfgang Inninger E s tut sich was - auch in Deutschlands Traditionsmarkt, der Automobilbranche. Jüngst haben Abgasskandale die Welt der Verbraucher und die internationalen Märkte erschüttert. Die Manipulationen führten zu Unsicherheit und Skepsis bei den Verbrauchern. Gleichzeitig wird dadurch aber auch ein Wandel unterstützt, der ohnehin schon begonnen hat. Digitalisierung und veränderte Nutzerwerte führten zur Entstehung und Verbreitung alternativer Mobilitätsangebote, wie CarSharing, RideSharing aber auch einer einfachen und nutzerfreundlichen intermodalen Mobilität durch Auskunfts- und Buchungsplattformen. Durch eine digitale Informationskette können Reisen vor dem Antritt, aber vor allem auch währenddessen besser mobil geplant werden. Somit kann der Reisende bei Verspätungen der Verkehrsmittel oder kurzfristigen Planänderungen flexibel reagieren. Neben der starken Digitalisierung des Angebots verändert sich auch der Reisende selbst. Junge Menschen und Stadtbewohner legen weniger Wert auf ein eigenes Auto und den Führerschein, wünschen sich vielmehr „einfach mobil“ zu sein. Ein stärkeres Umweltbewusstsein weckt den Wunsch nach sauberer, leiser Mobilität und Natur, auch in Deutschlands Großstädten. Das Bedürfnis nach Naherholung wird immer höher, was auch mit dem Trend zur Urbanisierung zusammenhängt. Denn trotz dem steigenden Zuzug in Deutschlands Städte wünschen sich die Bürger Natur und Ruhe vor der eigenen Haustüre. Das haben auch einige Städte und Gemeinden erkannt. So wird in einigen Pilotprojekten bereits an verkehrsfreien Wohnkonzepten und lokalen Mobilitätsangeboten gearbeitet. Ziel ist unter anderem die Umwandlung von Parkflächen in Grünflächen. Auch der Automobilmarkt verändert sich - wenn auch langsam. Automobilhersteller bieten mittlerweile neben umweltfreundlicheren Elektro- und Hybridautos auch alternative Mobilitätsdienstleistungen als Alternative zum eigenen PKW an. Dies rührt nicht zuletzt auch aus den Zielvorga- Bild: Sven Krautwald | fotolia.com MOBILITÄT Carsharing Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 55 Carsharing MOBILITÄT ben der EU zur Einhaltung bestimmter CO 2 -Obergrenzen. Auch neue Akteure wie Uber haben längst den Markt erobert. Neue Geschäftsmodelle boomen und machen ein Unternehmen ohne eigene Fahrzeuge zum größten Mobilitätsanbieter weltweit. 1 Wie sich die Mobilität und das Angebot darum in Zukunft weiter entwickelt, kann nur prognostiziert werden. Verkehrsforscher des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) beschäftigen sich in vielseitiger Hinsicht mit dieser Thematik und erforschen die Auswirkungen einer Verkehrswende auf unterschiedliche Branchen, Märkte und Nutzergruppen. Neben Städten und Kommunen untersuchen auch Automobilhersteller und Leasinggesellschaften gemeinsam mit dem Fraunhofer IML diesen Forschungsschwerpunkt. Für einen namhaften Vertreter von Fahrzeug-Leasingunternehmen, den Verband der markenunabhängigen Fuhrparkmanagementgesellschaften e. V. (VMF) wurde jüngst eine Zukunftsstudie abgeschlossen, in der es um die zukünftige Bedeutung und Entwicklung des Dienstwagens für den Mitarbeiter geht. Denn wenn sich die Einstellung des Nutzers verändert und alternative Antriebstechnologien und neue Mobilitätsangebote den Markt verändern - wie wirkt sich das auf den Dienstwagen in Zukunft aus? Ist der Dienstwagen in Zukunft immer noch ein beliebtes Motivationsmodell für Mitarbeiter - oder wird er von CarSharing und Co. verdrängt? Im Jahr 2015 wurden 3,21 Mio. Fahrzeuge in Deutschland neu zugelassen - darunter knapp 66 % auf gewerbliche Halter. 2 Insgesamt fahren ca. 9 % der Fachkräfte und 47 % der Führungskräfte einen Firmenwagen. 3 Ausgehend von dieser Situation untersuchte das Fraunhofer IML für den Verband markenunabhängiger Fuhrparkmanagementgesellschaften e. V. die zukünftige Entwicklung des Flottenmarkts bis 2020. Dabei spielen Kostensenkungsbestrebungen von Unternehmen, alternative Fahrzeuge, aber auch der Wertewandel beim Nutzer eine wichtige Rolle. Diese Trends und Einflüsse wurden in der Zukunftsstudie genauer untersucht. Kosten sparen In den Unternehmen wird das interne Fuhrparkmanagement immer wichtiger, denn hierbei lassen sich mit der richtigen Strategie das Firmenimage verbessern und die Fuhrparkkosten senken. Zu den größten Kostentreibern in Fuhrparks gehören die Leasing- und Betriebskosten sowie der Wertverlust neu gekaufter PKWs. In Zukunft wird die in Neuwagen verbaute Informations- und Kommunikationstechnik zu einem Anstieg des Kaufpreises führen, da Fahrerassistenzsysteme auf dem Weg zum autonomen Fahren zur Basisausstattung gehören werden. Um diesem steigenden Kostendruck entgegen zu wirken, haben sich große Unternehmen um verschiedene Maßnahmen bemüht, welche die Fuhrparkkosten auf Dauer senken sollen und gleichzeitig positive Umwelteinwirkungen haben. Ein Beispiel hierfür ist die Reduktion der Fahrzeugklassen aufgrund einer freiwilligen CO 2 -Obergrenze im firmeneigenen Fuhrpark, denn verbrauchs- und leistungsärmere Fahrzeuge verbrauchen weniger Kraftstoff und stoßen somit weniger Schadstoffe aus. Oft wird auch im Zuge einer Nachhaltigkeitsstrategie für den Fuhrpark ein betriebliches Mobilitätsmanagement durchgeführt. Hierbei werden Alternativen zum Dienstwagen, beispielsweise Fahrräder oder der Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr, angeboten und deren Verwendung belohnt bzw. vom Unternehmen subventioniert. Neben Kosteneinsparungen und einer Verbesserung des Firmenimages aufgrund umweltfreundlicher Maßnahmen kann so das Verkehrsaufkommen und der Parkplatzbedarf um den Unternehmensstandort verringert werden. Weitere Maßnahmen zur Senkung der Fuhrparkkosten sind eine bessere Bedarfsplanung durch Einführung eines Online-Reporting-Systems oder die Optimierung des Fahrverhaltens durch Fahrerassistenzsysteme und der Nutzung von Telematik unter Einbeziehung der Fahrer. Neben diesen Maßnahmen tritt in letzter Zeit auch verstärkt das sogenannte Mobilitätsbudget auf. Die Deutsche Bahn definiert das Mobilitätsbudget als „monatliches oder jährliches Budget, das ein Angestellter eigenverantwortlich für seinen gesamten Mobilitätsbedarf nutzen kann. Damit genießt er auf allen Reisen - einschließlich des Arbeitsweges - maximale Flexibilität. Die Nutzer/ Mitarbeiter können an Einsparungen beteiligt werden, um den Anreiz für die Nutzung zu erhöhen und umweltbewusstes Reisen zu belohnen“ 4 . Seit 2013 haben 3000 Führungskräfte mit Anspruch auf einen Dienstwagen die Wahl - entweder diesen Anspruch geltend zu machen oder stattdessen ein Mobilitätsbudget zu erhalten. Die Einführung des Mobilitätsbudgets war eine Reaktion auf die veränderten Mobilitätsbedürfnisse der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter können zwischen dem klassischen Dienstwagen und einer „Bahncard 100 First“ mit diversen Extraleistungen wie einer zusätzlichen „Bahncard 100 First“ für Freunde oder Familie wählen. Weitere Leistungen sind ein Extra-Budget für Mietwagen und Mietfahrrad der unternehmenseigenen Anbieter „Flinkster“ und „Call-a- Bike“. 5 Seit September 2016 hat die Deutsche Bahn ihr Mobilitätsangebot um ein Firmenrad erweitert. 145 000 Angestellte und Führungskräfte können jetzt bei rund 2500 Händlern ein Rad auswählen und dieses in Raten über das Bruttogehalt, d.h. mit Steuerersparnis, bezahlen. 6 Das Mobilitätsbudget ist demnach viel mehr als eine bloße Möglichkeit, Kosten zu reduzieren. Je nach Lebenssituation der Mitarbeiter stellt es in gewissen Fällen eine ernstzunehmende Alternative zum eigenen Dienstwagen dar. Präferenzen erkennen Mit dem Mobilitätsbudget können Unternehmen auf die veränderten Nutzerpräferenzen reagieren und den Mitarbeitern einen Weg zu alternativen Mobilitätsangeboten ebnen. Laut einer Studie der Deutschen Bahn können vor allem CarSharing, die Bahn und eine vernetzte Mobilität, d.h. intermodale Mobilitätsketten eine Konkurrenz zum Firmenwagen darstellen. 7 Die Verkehrsmittelwahl des Einzelnen ist hierbei jedoch wesentlich von der Raumstruktur und der Qualität des ÖPNV-Angebots, von der Lebenslage und dem Haushaltskontext, der PKW-Verfügbarkeit, dem Wertesystem in der Gesellschaft, der Altersstruktur sowie dem eigenen Budget und Kosten für die Mobilität abhängig. 8 Das heißt: Nicht für jeden Mitarbeiter sind Alternativen zum eigenen Dienstwagen attraktiv. Für einen Großstadtbewohner mit gutem Zugang zum ÖPNV und einer angespannten Parkplatzsituation am Wohn- und Arbeitsort können alternative Verkehrsmittel und Mobilitätsangebote durchaus eine Möglichkeit darstellen und eine einfachere Mobilität bedeuten. Dass die persönliche Einstellung zur Mobilität auch vom Alter abhängt, zeigt eine Studie von Ford aus dem Jahr 2015. Denn die Befragten im Alter von 18 bis 34 Jahren wünschen sich eine smarte, vernetzte und ökologisch nachhaltige Mobilität. 38 % wünschen sich eine flächendeckende Bereitstellung von CarSharing Fahrzeugen. 43 % wünschen sich Systeme für eine schnellere, reibungslose Mobilität mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln. 9 Immer mehr Arbeitnehmer hätten auch gern eine Möglichkeit einige Tage in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten (41 %). Der Home Office Trend macht eine beruflich bedingte Mobilität zu dem Zeitpunkt überflüssig. 10 Eines ist sicher: Die Unternehmen haben jetzt schon verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Arbeitnehmern mehr Freiraum und Alternativen für die beruflich bedingte Mobilität anbieten zu können. Mobilität muss heute multi- und intermodal sein, Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 56 MOBILITÄT Carsharing um den Anforderungen der Menschen gerecht zu werden. Das Smartphone kann und wird eine immer wichtigere Rolle beim Lösen von Mobilitätsproblemen spielen und die fortschreitende Vernetzung wird dazu beitragen, dass die Anzahl an PKW-Besitzern zurückgeht. Diese Thematiken haben den Automobil- und Flottenmarkt bereits verändert und werden dies auch in Zukunft tun. Alternative Antriebe einsetzen Das steigende Angebot von Fahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien, vor allem von reinen Elektro- und Hybridfahrzeugen zeigt weiteres Veränderungspotential für den deutschen Flottenmarkt auf. Allein durch die Klimaziele der Bundesrepublik Deutschland - mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen und Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber 1990 - wird sich einiges ändern. 11 Zudem regelt die EU-Verordnung zur Verminderung der CO 2 -Emissionen von Personenkraftwagen einen CO 2 - Ausstoß auf durchschnittlich 95 g CO 2 / km ab 2021. 12 In der Automobilindustrie sollen die CO 2 -Obergrenzen für die Neuwagenflotte durch schrittweise Elektrifizierung der Flotte eingehalten werden. Zwar läuft der Absatz von Elektroautos noch schleppend und das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen im Jahr 2020 wird nach heutigem Stand nicht erreicht, jedoch soll sich dies durch die Einführung der Kaufprämie ändern. Für Unternehmen können zukünftig reine Elektrofahrzeuge für bestimmte Bedarfe (z. B. regelmäßige Ortsfahrten und ausreichende Stillstandzeiten) bzw. Hybridfahrzeuge eine gute Alternative zu Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb darstellen. In Abhängigkeit einiger Kriterien, wie der Lage des Unternehmensstandorts, dem vorhandenen Verkehrsangebot und der Lebenssituation und Einstellung der Mitarbeiter können Angebote wie Corporate-Car- Sharing, Bahncard und Intermodalität in Zukunft eine Konkurrenz zum Firmenwagen darstellen. Gemäß der Forscher des Fraunhofer IML wird eine Kombination aus unterschiedlichen Angeboten zukünftig die Mobilität der Menschen bestimmen. Nutzerfreundlich und bedarfsorientiert ist die Kombination aus Individual- und öffentlichem Verkehr je nach Situation und Belieben der Nutzer. Dies kann durch eine (digitale) Vernetzung des Angebots möglich werden. Eine Plattform für intermodales Reisen bietet Daimler mit moovel an, ein Beispiel für ein alternatives Mobilitätsangebot eines Automobilherstellers. Der Nutzer kann durch diese App die verfügbaren Mobilitätsdienste miteinander vergleichen und die persönlich favorisierte Lösung direkt per Smartphone buchen und bezahlen. Durch Kooperationen zwischen Verkehrsbetrieben, Kommunen und privaten Anbietern (Car- und BikeSharing) wird dem Nutzer eine lückenlose Mobilität ermöglicht. 13 Aktuell jedoch und auch im Prognosezeitraum der Zukunftsstudie bis zum Jahr 2020 prognostizieren die Forscher des Fraunhofer IML, dass der Dienstwagen das wirkungsvollere Motivationsmodell sein wird. Denn ob auf dem Land oder in der Stadt: Der uneingeschränkte Besitz und die Nutzung eines Autos bedeuten Freiheit und Flexibilität. So bieten 33 % der Unternehmen ihren Berufseinsteigern/ Studienabsolventen als Motivationsmodell einen Firmenwagen an. 14 Der Dienstwagen wird jedoch anders aussehen. Alternative Antriebe können auch schon für die nächsten Jahre in der Unternehmensflotte relevant werden. Corporate-CarSharing und ein Mobilitätsbudget für unterschiedliche Verkehrsmittel werden in Zukunft immer beliebter und somit zum Motivationsmodell für die Generation „Nutzen statt Besitzen“. ■ 1 Vgl. Süddeutsche Zeitung (2016): Deutschlands Autobauer fürchten die digitalen Newcomer. 2 Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt (2016): Neuzulassungen - Jahresbilanz der Neuzulassungen 2015. 3 Vgl. Compensation Partner (2016): Firmenwagenmonitor 2016, S. 7f. 4 Deutsche Bahn (2015): Mobilität gemeinsam gestalten, S.-2. 5 Vgl. Firmenauto (2014): Mobilitätsbudget statt Dienstwagen. 6 Vgl. Deutsche Bahn (2016): Deutsche Bahn bietet Mitarbeitern Firmenrad an. 7 Vgl. Statista (2016): Welche Mobilitätsangebote können den Firmenwagen ersetzen? 8 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014): Forschungs-Informations-System. 9 Vgl. Ford (2015): Automotive Zeitgeist Studie 3.0, S. 35. 10 Vgl. Statista (2016): Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie dann lieber im Büro oder von zu Hause aus arbeiten? 11 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Klimaschutz in Zahlen, S. 17. 12 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Die EU-Verordnung zur Verminderung der CO 2 -Emissionen von Personenkraftwagen. 13 Vgl. moovel (2016): Was ist moovel. 14 Vgl. Staufenbiel (2015): JobTrends Deutschland 2015, S. 47. LITERATUR Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Klimaschutz in Zahlen - Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik, Referat Öffentlichkeitsarbeit, URL: http: / / www. bmub.bund.de/ fileadmin/ Daten_BMU/ Pools/ Broschueren/ klimaschutz_in_zahlen_bf.pdf (abgerufen am 12.09.2016). Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Die EU-Verordnung zur Verminderung der CO 2 -Emissionen von Personenkraftwagen, URL: http: / / www.bmub.bund.de/ fileadmin/ bmu-import/ files/ pdfs/ allgemein/ application/ pdf/ eu_verordnung_co2_emissionen_pkw.pdf (abgerufen am 12.09.2016). Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2014): Definitionen zur Multi- und Intermodalität, Forschungs-Informationssystem, URL: http: / / www.forschungsinformationssystem.de/ servlet/ is/ 354077/ (abgerufen am 12.09.2016). 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Statista (2016): Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie dann lieber im Büro oder von zu Hause aus arbeiten? , URL: http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 6126/ umfrage/ bevorzugung-von-buerooder-home-office/ (abgerufen am 05.09.2016). Süddeutsche Zeitung (2016): Busse C., Fromm T., Willmroth J.: Deutschlands Autobauer fürchten die digitalen Newcomer, URL: http: / / www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/ mobilitaetsdienstleisterdeutschlands-autohersteller-fuerchten-die-ikonen-der-jugend-1.3028499 (abgerufen am 30.06.2016). Staufenbiel (2015): JobTrends Deutschland 2015, URL: https: / / www.staufenbiel.de/ fileadmin/ fm-dam/ PDF/ Publikationen_SS15/ Job- Trends_2015_Freigabe.pdf (abgerufen am 12.09.2016). Alina Steindl Projektleitung Personenmobilität, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, Prien am Chiemsee alina.maria.steindl@prien.iml. fraunhofer.de Wolfgang Inninger, Dipl.-Ing. (FH) Leiter Projektzentrum Prien, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, Prien am Chiemsee wolfgang.inninger@prien.iml. fraunhofer.de Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 57 Wissenschaft MOBILITÄT Computergestützte Mobilitätsforschung Fragestellungen, Daten und Methoden Mobilitätserhebung, Computer-Assisted Mobility Research, Mobilitätsdaten, Alltagsmobilität Mobilitäts- und Nachhaltigkeitsforscher sehen sich bei der Erforschung des Mobilitätsverhaltens von Personen mit einer bunten Palette an Erhebungsmethoden konfrontiert. Erweitert wird diese Vielfalt in der letzten Zeit durch die Möglichkeit, dieses Verhalten direkt über die Smartphones der Probanden zu erfassen. Um die Auswahl geeigneter Methoden zu erleichtern, liefert die vorliegende Literaturstudie einen detaillierten Überblick zu Fragestellungen, Daten und Erhebungsmethoden, die im Bereich der Mobilitätsforschung zur Erfassung von Alltagsmobilität eingesetzt werden. Autoren: Christina Pakusch, Paul Bossauer, Johanna Meurer, Gunnar Stevens M oderne Gesellschaften sind mobile Gesellschaften, die sich durch ein hohes Verkehrs- und Transportaufkommen auszeichnen. Voraussetzung für die Konzeptionierung multimodaler, nachhaltiger Mobilitätsangebote ist, das Mobilitätsverhalten von Nutzern präzise zu erfassen und zu verstehen [1, 2]. Die starke Verbreitung von Smartphones und mobilen Anwendungssystemen liefert hier zunehmend einen wichtigen Beitrag, da insbesondere internetfähige Smartphones die Erfassung von individuellen Mobilitätsmetriken in Echtzeit ermöglichen. Ziel dieses Beitrags ist es, Praktikern und Wissenschaftlern einen Überblick über den aktuellen Stand der computergestützten Mobilitätsforschung bzw. des Computer Assisted Mobility Research (CAMoR) zu geben und somit die Auswahl bzw. Gestaltung geeigneter computergestützter Erhebungsinstrumente zu systematisieren und zu vereinfachen. Methodische Vorgehensweise Um die Vielfalt der angewendeten Methoden zu erfassen, wurde eine explorative Literaturanalyse durchgeführt. Gesucht wurde in den Datenbanken IEEE Explore, AISEL, ACM Digital Library, Science Direct, EBSCO unter Verwendung der Suchbegriffe Mobilitätsverhalten, Mobilität + Tracking, Räumliche Mobilität, Mobilität + Modal, Mobilität + Smartphone, Mobilität + GPS sowie englischer Pendants. Die Studien wurden gesichtet und vorselektiert, indem Titel und Abstracts gescannt wurden. Durch Anwendung des Forward-Backward-Citation-Verfahrens [3] wurden zusätzlich die Studien identifiziert, die in den inhaltlich relevanten Arbeiten zitiert wurden bzw. diese zitierten. Von den 331 gesichteten Publikationen wurden schließlich 45 als relevant bewertet, da sie primäre Daten zum Mobilitätsverhalten erhoben und analysiert haben (empirische Studien). Im Folgenden sollen die identifizierten Fragestellungen, Erhebungsmethoden, Datenkategorien und Auswertungsmethoden vorgestellt werden. Ergebnisse Fragestellungen Die zusammengetragenen Publikationen lassen sich den drei Oberkategorien Alltagsmobilität, Touristische Mobilität und Mobilität spezifischer Personengruppen un- Kategorie Fragestgellung Studie Methode Allgemeine Mobilität Wie ist die räumliche Mobilität in Deutschland strukturiert und welche Ausmaße nimmt sie an? [3] Befragung zu einem Stichtag Wie unterscheiden sich sädtische und ländliche Gebiete hinsichtlich ihrer Mobilität? [4] Tel. Befragung zu einem Stichtag Wie verändern sich die Verkehrsmittelwahl aufgrund von Eco-Feedback [5] GPS-Tracking Touristische Mobilität Welche Wege nehmen Besucher des Leipziger Zoos? [6] GPS-Tracking zur Laufwegeerkennung Welche Wege nehmen Besucher durch die Stadt? [7] Befragung mithilfe einer Stadtkarte Welchen Einfluss hat die Saison auf die Ortsnutzung von ausländischen Touristen in Estland? [8] GMS: Mobile Positioning über Mobilfunkt Mobilität spezifischer Gruppen Welchen Nutzen haben Tracking-Technologien auf die Mobilität kognitiv eingeschränkter Personen? [9] GPS-Tracking über 4 Wochen Welche Potenziale und Barrieren biete Ridesharing-Ansätze für ältere Menschen auf dem Land [10] Tagebücher, Interviews, Beobachtung Welche Verkehrsmittel wählen ältere und behinderte Menschen für Shopping-Trips in London? [11] Befragung Tabelle 1: Fragestellungen, Studien und Methoden in der Mobilitätsforschung Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 58 MOBILITÄT Wissenschaft terordnen (exemplarischer Auszug in Tabelle 1). Die Studien zur allgemeinen Mobilität erheben insbesondere Daten zu täglichen Wegstrecken, der Verkehrsmittelwahl, damit zusammenhängenden Einflussfaktoren sowie demografische Informationen. Die Tourismuswissenschaft möchte mit den Mobilitätserhebungen Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Wege Besucher an ihrem Urlaubsort nehmen, welche Sehenswürdigkeiten und Points of Interest (POI) sie besuchen, wie sie ihnen gefallen und wie lange sie dort jeweils verweilen. Die dritte Kategorie fasst die Publikationen zusammen, die das Mobilitätsverhalten besonderer Personengruppen untersuchen - wie z.B. Kinder, Behinderte oder ältere Menschen. Mobilitätsdaten In den untersuchten Studien wurden sowohl objektive als auch subjektive Daten erhoben (vgl. Bild 1). Objektive Daten zeichnen sich dabei dadurch aus, dass sie durch reines Beobachten durch außenstehende Personen oder Messinstrumente erhoben werden können. In den betrachteten Mobilitätsstudien sind dies z. B. die Verkehrsmittelwahl, zurückgelegte Strecken [4, 5, 13], etc. Daneben gehören in diese Kategorie auch sozio-demographische Fakten wie etwa Geschlecht und Alter [4, 13, 14]. Demgegenüber sind subjektive Daten solche, die sich auf individuelle Ansichten, Intentionen, Wahrnehmungen, Deutungszuschreibungen, mentale Modelle usw. beziehen. In den Studien werden subjektive Daten meist dazu erhoben, um die individuellen Motivationen zu verstehen [14, 15] bzw. wie Mobilitätsangebote von den Beforschten subjektiv wahrgenommen werden [14]. Orthogonal zu den beiden Dimensionen Subjektiv und Objektiv konnten wir durch die vergleichende Analyse auch verschiedene Datenkategorien identifizieren. Konstitutiv ist die Kategorie der mobilitätsbezogenen Daten. Diese umfassen sowohl objektive Daten (z.B. zurückgelegte Strecken) als auch subjektive (z.B. persönliche Erfahrungen oder Wahrnehmungen von Mobilitätsdiensten). Um diese Daten besser interpretieren zu können, wurden in fast allen Studien auch personenbezogene Daten erhoben - wiederum sowohl objektive (Angaben zur Person wie Alter, Geschlecht, etc.) als auch subjektive. Darüber hinaus werden in einigen Studien auch weitere ergänzende Daten erhoben, wie z.B. Wetterdaten [4], Informationen über Orte und Plätze z.B. mittels foursquare [16], oder über Landschaften und Gegenden z.B. mittels Reiseführer [17]. Erhebungsmethoden In den untersuchten Studien wurden sowohl qualitative, als auch quantitative Erhebungsmethoden eingesetzt. Häufig werden zudem beide Methoden trianguliert [18, 19, 23, 25]. Im Vergleich der in der Literatur eingesetzten Erhebungsmethoden zeigt sich außerdem, dass sie sich hinsichtlich des Grads der Einbeziehung des Beforschten in die Datenerhebung unterscheiden. Grob kann man zwischen aktiven und passiven Methoden unterscheiden [19]. Bei der aktiven Erhebung ist der Beforschte bei der Datenerhebung beteiligt, z.B. durch das Ausfüllen von Fragebögen oder das Führen von Mobilitätstagebüchern [11]. Bei den passiven Erhebungsmethoden werden Daten über den Beforschten durch außenstehende Personen (z. B. beobachtendes Tracking, [22]) oder technische Hilfsmittel erfasst (z. B. GPS-Tracker, [10]). Wie der Überblick in Bild 2 zeigt, werden passive Verfahren primär für die Erhebung objektiver Mobilitätsdaten verwendet. Zwar lassen sich diese Daten prinzipiell auch durch den Beforschten aktiv erheben (z.B. mittels Wegetagebüchern), doch beim retrospektiven Ausfüllen entstehen häufig Erinnerungsverzerrungen (recall bias) [23]. Deshalb sind passive, automatisierte Methoden meist valider, sofern das Erhebungsinstrument einwandfrei funktioniert. Demgegenüber werden aktive Erhebungsmethoden auch in Zukunft gebraucht, um subjektive Daten zu erfassen. Im Folgenden sollen auf Basis dieser Grobkategorie die verschiedenen Erhebungsmethoden genauer vorgestellt werden. Aktive Erhebungsmethoden In der Mobilitätsforschung sind Fragebogen und Interview (=Befragung) die gebräuchlichsten aktiven Erhebungsmethoden, da sie ein weites Spektrum an Daten abdecken und äußert flexibel in der Durchführung sind. Die Stärke von Befragungen liegt insbesondere darin, Wahrnehmungen, Meinung oder Bewertungen zu prinzipiell jedem Thema erfassen zu können. Daneben werden insbesondere in älteren Studien Wegetagebücher eingesetzt, um objektive und subjektive Mobilitätsdaten aktiv vom Beforschten erfassen zu lassen. Um persönliche Raumwahrnehmungen und -erfahrungen zu erheben, wird in verschiedenen Studien auch auf die Methode der Mental Maps [24] zurückgegriffen. Meist soll der Beforschte die zurückgelegten Wege und Orte in seinem „Sozialraum“ anhand von Erinnerungen grafisch darstellen. Neuerdings findet man zudem auch Ansätze des Volunteered Geographic Information [17], des Crowdsourcing [17, 25] bzw. des Participatory Sensing [26] als aktive Bild 1: Klassifikationsschema von Mobilitätsdaten Bild 2: Zuordnung von Mobilitätsdaten zu Erhebungsmethoden Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 59 Wissenschaft MOBILITÄT Erhebungsmethode. Hier stellt eine Masse freiwilliger Nutzer aktiv geographische Daten zur eigenen Mobilität oder zu Mobilitätsdienstleistungen (z. B. der Komfort bei ÖPNV) über das Internet bereit. Passive Erhebung Die vermutlich älteste Form des passiven Trackings ist das beobachtende Tracking, bei dem die Bewegung und das Verhalten des Beobachteten notiert wird [27, 28]. In neueren Studien findet man häufiger die Methode des gerätebasierten Trackings [10, 29]. Hier wird der Beforschte mit einem eigenen Gerät (meist GPS-Tracker) ausgestattet, das die Mobilitätsdaten erfasst. Daneben finden aufgrund der breiten Marktdurchdringung von Smartphones zunehmend auch App-basierte Erhebungsmethoden Anwendung. Im Gegensatz zu gerätebasierten Methoden bringen hier die Teilnehmer durch ihr Smartphone im Sinne des Bring-Your-Own-Device die notwendige Sensortechnik zur Aufzeichnung gleich mit und zeichnen Alltagsmobilität on the move auf. Bei den infrastrukturbasierten Erhebungsmethoden wird die Umgebung so instrumentiert, dass von Smartphones, Tablets, etc. ausgesendete Daten genutzt werden, um individuelle bzw. kollektive Mobilitätsprofile zu erstellen. In der Literatur werden hierzu u.a. WLAN, GSM und Bluetooth-Signale verwendet [1, 9]. Computer-Assisted Mobility Research Unter CAMoR verstehen wir die Nutzung des Computers bei der Planung, Erhebung, Analyse und Präsentation von Daten im Rahmen von Mobilitätsstudien. Hier bieten vor allem Smartphones als mobile Computer aufgrund ihrer weiten Verbreitung ein großes Potential; Mit ihnen ist es möglich, nicht nur die Bewegungen der Probanden passiv zu erfassen, sondern je nach Zielsetzung und Ausgestaltung der App sämtliche klassische Methoden wie z.B. Befragungen durch aktive Einbeziehung der Probanden zu triangulieren, die Daten automatisch zu analysieren und dem Probanden ggf. direkt als Feedback zurückzuspiegeln. Zusätzlich lassen sich durch das Smartphone auch weitere Daten im Hintergrund (wie z.B. welche Apps zur Mobilitätsplanung benutzt werden, soziale Kontakte des Nutzers, etc.) erfassen, sofern der Nutzer hierzu die Zugriffsrechte einräumt. App-basierte Methoden skalieren also gut, können theoretisch sowohl objektive als auch subjektive personenbezogene, mobilitätsbezogene und ergänzende Daten erheben, werfen aber je nach Ausgestaltung neue ethische, insbesondere datenschutzrechtliche Fragen auf [30]. Fazit Durch die neue Anwendungsklasse von Mobilitäts- und Navigationsdiensten wird es zunehmend wichtiger, die Alltagsmobilität von Nutzern genauer zu verstehen. Unsere Literaturstudie zeigt, dass in der Forschung eine Reihe von Daten, Erhebungs- und Analysemethoden verwendet werden, um alltägliches Mobilitätsverhalten zu erfassen und Alltagsmobilität besser zu verstehen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den objektiven Daten zum Mobilitätsverhalten, das um subjektive und personenbezogene Daten ergänzt wird. Bei der Erfassung des Mobilitätsverhaltens bieten Smartphones ein besonders großes Potential. Sämtliche Erhebungsmethoden lassen sich mit dem Smartphone umsetzen, wobei jedoch ethische, insbesondere datenschutzrechtliche Aspekte zu beachten sind. Der hier zusammengestellte Überblick über Fragestellungen, Daten, Erhebungs- und Analysemethoden kann Praktikern und Wissenschaftliche bei ihrem Vorhaben, das Mobilitätsverhalten von Personen zu verstehen, gezielt unterstützen. Folgende Fragen sollen dabei die Planung einer Mobilitätsanalyse strukturieren und mithilfe dieses Überblickes beantwortet werden: 1. Was ist meine spezifische Fragestellung? 2. Welche Daten muss ich zur Beantwortung der Frage erheben? 3. Welche Datenarten und -kategorien verbergen sich dahinter? 4. Welche der gängigen Erhebungsmethoden erfasst die benötigten Daten zuverlässig? Das Ziel des vorgestellten Überblicks besteht darin, Mobilitätsforscher bei der Beantwortung dieser Fragen zu unterstützen und ein Rahmenwerk bereitzustellen, um gezielter geeignete Datenkategorien und Erhebungsbzw. Analysemethoden auszuwählen. ■ LITERATURVERZEICHNIS [1] J. Froehlich, T. Dillahunt, P. Klasnja, J. Mankoff, S. Consolvo, B. Harrison, und J. A. Landay: „UbiGreen: investigating a mobile tool for tracking and supporting green transportation habits“, in Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 2009, S. 1043-1052. [2] C. Pakusch, P. Bossauer, M. Shakoor, und G. Stevens: „Using, Sharing, and Owning Smart Cars - A Future Scenario Analysis Taking General Socio-Technical Trends into Account“, in Proceedings of the 13th International Joint Conference on e-Business and Telecommunications (ICETE 2016), 2016, Bd. 2, S. 19-30. [3] J. Webster und R. T. Watson: „Analyzing the past to prepare for the future: Writing a literature review“, Manag. Inf. 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Momberg: „Nachhaltige Mobilität im Zuge städte-baulicher Restrukturierungen“, GEOFOCUS, Nr. Heft 4, 2011. [14] M. Müller: „Das NRW-Semesterticket: Akzeptanz, Nutzung und Wirkungen dargestellt am Fallbeispiel der Universität Bielefeld“, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, 2011. [15] L. Fazel: Akzeptanz von Elektromobilität: Entwicklung und Validierung eines Modells unter Berücksichtigung der Nutzungsform des Carsharing. Springer-Verlag, 2014. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 60 MOBILITÄT Wissenschaft [16] R. Krueger, D. Thom, und T. Ertl: „Visual Analysis of Movement Behavior Using Web Data for Context Enrichment“, in Visualization Symposium (PacificVis), 2014 IEEE Pacific, 2014, S. 193-200. [17] H.-J. L. Weber und M. Bauder: „Neue Methoden der Mobilitätsanalyse: Die Verbindung von GPS-Tracking mit quantitativen und qualitativen Methoden im Kontext des Tourismus“, Raumforsch. Raumordn., Bd. 71, Nr. 2, S. 99-113, 2013. [18] E. Murakami und D. P. Wagner: „Can using global positioning system (GPS) improve trip reporting? “, Transp. Res. Part C Emerg. Technol., Bd. 7, Nr. 2, S. 149-165, 1999. [19] C. Nobis: „Multimodale Vielfalt“, Humboldt-Universität zu Berlin, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II, 2015. [20] U. Kuckartz: Mixed Methods: Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Springer-Verlag, 2014. [21] A. Schneider: „Triangulation und Integration von qualitativer und quantitativer Forschung in der Sozialen Arbeit“, in Perspektiven sozialpädagogischer Forschung, Springer, 2014, S. 15-30. [22] M. Jahoda, P. F. Lazarsfeld, und H. Zeise: , Die Arbeitslosen von Marienthal, Bd. 2. Verlag für Demoskopie, 1960. [23] W. I. R. BIAS: „Recall bias: a proposal for assessment and control“, 1987. [24] E. C. Tolman: „Cognitive Maps in Rats and Men“, 1948. [25] M. Haklay, S. Basiouka, V. Antoniou, und A. Ather: „How many volunteers does it take to map an area well? “, Cartogr. J., Bd. 47, Nr. 4, S. 315-322, 2010. 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Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Sankt Augustin christina.pakusch@h-brs.de Gunnar Stevens, Prof. Dr. Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Sankt Augustin gunnar.stevens@h-brs.de in einem unbefristeten vertraglichen Dienstverhältnis ab 01.10.2017 zu besetzen. Die Professur wird, entsprechend der Frauenförderung an der Technischen Universität Wien, nur für Frauen ausgeschrieben. Mit dieser Professur werden exzellente Wissenschaftlerinnen angesprochen, die sich mit komplexen Systemen im Bauingenieurwesen entweder in Zusammenhang mit modernen Baustoffen oder mit zukünftigen Verkehrsinfrastruktur- und Mobilitätsansprüchen befassen. Je nach Qualifikationsprofil der Kandidatin wird die Professur dem Institut für Hochbau und Technologie oder dem Institut für Verkehrswissenschaften der Fakultät für Bauingenieurwesen der Technischen Universität Wien zugeordnet. Sie umfasst entsprechend dem Profil der Kandidatin die Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Baustoffwissenschaften oder der Verkehrs- und Mobilitätsforschung. In der Lehre vertritt die Professur alle Bereiche des jeweiligen Fachgebiets im Rahmen der Bachelor- und Masterstudiengänge im Bau- und Umweltingenieurwesen. Die Bereitschaft zur Einwerbung von Drittmitteln sowie zur Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen der Technischen Universität Wien in Forschung und Lehre wird vorausgesetzt. Es ist eine Einreihung in die Verwendungsgruppe A1 des Kollektivvertrages für Arbeitnehmer_innen der Universitäten (Mindestgehalt € 4.842,70/ Monat [14-mal]) vorgesehen. Die ausführliche Ausschreibung mit den Angaben zur Bewerbung finden Sie unter: http: / / www.bauwesen.tuwien.ac.at/ jobs/ jobangebote.html Bewerbungen sind an den Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen der Technischen Universität Wien, Prof. Ronald Blab, Karlsplatz 13/ 401-2, 1040 Wien zu richten. Die Bewerbung kann elektronisch an info.bauwesen@tuwien.ac.at gesendet werden. Bewerbungsschluss ist der 21.12.2016. An der Fakultät für Bauingenieurwesen ist die Stelle einer Universitätsprofessorin für „Complex Systems in Civil Engineering“ Stellenanzeige Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 61 Werner von Siemens EXTRA Werner von Siemens - Erfinder, Unternehmer, Visionär Er war ein verantwortungsvoller Unternehmer und weitsichtiger Erfinder, der die Entwicklung der Elektroindustrie und der Mobilität, wie wir sie heute kennen, entscheidend vorangebracht hat: Mit Erfindungen wie dem elektrischen Zeigertelegrafen, dem elektrischen Generator oder der weltweit ersten elektrischen Straßenbahn leistete Werner von Siemens einen maßgeblichen Beitrag zur technischen Entwicklung unserer Welt. Zusammen mit Johann Georg Halske gründete er die „Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske“, die bereits zu seinen Lebzeiten ein Unternehmen von Weltrang wurde. Zeitgemäß interpretiert wirken sein Unternehmergeist und seine soziale Verantwortung im heutigen Weltkonzern Siemens AG bis heute nach. In diesem Jahr wird sein 200. Geburtstag gefeiert. W erner von Siemens entstammt einem alten Goslarer Stadtgeschlecht (Bild 1), am 13. Dezember 1816 wird er als viertes Kind des Gutspächters Christian Ferdinand Siemens geboren [1]. Der junge Mann will einen praktisch-wissenschaftlichen Beruf ergreifen, doch die wirtschaftliche Situation der Eltern erlaubt kein akademisches Studium. Um sich dennoch Zugang zu einer naturwissenschaftlichtechnischen Ausbildung zu verschaffen, tritt er Ende 1834 in die preußische Armee ein und besucht ab November 1835 als Offiziersanwärter die Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin. Die bietet ihm eine Ausbildung auf Hochschulniveau - und eine solide Basis für seine künftigen Arbeiten. Schon während seiner Militärzeit forscht Siemens auf dem damals noch neuen Gebiet der Elektrotechnik. Im Jahr 1842 beispielsweise entwickelt er ein einfaches Verfahren, mit Hilfe von Gleichstrom aus Batterien einen Teelöffel aus Neusilber wahlweise mit Silber- oder Goldüberzug zu versehen. Für dieses Verfahren erhält er ein Patent und verkauft es an einen Juwelier. Beim Militär freilich interessiert man sich eher für schnelle und sichere Nachrichtenübertragung. Mitte des 19. Jahrhunderts bietet die Elektrizität die Chance, die Übertragung von Nachrichten grundlegend zu revolutionieren, und Werner von Siemens erkennt diese Möglichkeit: Ende 1846 entwickelt er einen Zeigertelegrafen mit Selbstunterbrechung, der zuverlässiger arbeitet als alle bisherigen Apparate dieser Art (Bild 2). Im Jahr darauf erfindet er ein Verfahren, um Drähte mit einer nahtlosen Umhüllung aus Guttapercha zu versehen - es ist bis heute Grundlage zur Herstellung isolierter Leitungen und elektrischer Kabel. Mit der Entwicklung des Zeigertelegrafen ist zugleich der Grundstein gelegt für die „Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske“, die er am 1. Oktober 1847 gemeinsam mit dem Feinmechaniker Johann Georg Halske in Berlin gründet (Bild 3). Zehn Handwerker fertigen hier an drei Werkbänken die ersten Zeigertelegrafen aus Weißblech, Kupferdraht, Holzkisten und anderen Materialien. Der 150 m 2 große Betrieb liegt in einem Hinterhaus in der Schöneberger Straße 19, unweit des Anhalter Bahnhofs im heutigen Bezirk Friedrichshain (Bild 4), und die beiden Unternehmensgründer ziehen gleich mit ein: „Ich wohne Parterre, die Werkstatt eine Treppe, Halske zwei Treppen hoch, in Summa für 300 Taler [jähr- Bild 1: Werner von Siemens um das Jahr 1885 Alle Bilder: Siemens AG/ Siemens Historical Institute Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 62 EXTRA Werner von Siemens lich]“, schreibt Werner von Siemens an seinen Bruder Wilhelm in London [1, 2]. Schnell entwickelt sich dieses Start-up, das bald Läutewerke für Eisenbahnen, Wassermesser, Drahtisolierungen mit Guttapercha sowie elektrische Telegrafen und Telegrafenanlagen herstellt, zu einem international operierenden Unternehmen. Den ersten staatlichen Großauftrag erhält Siemens & Halske schon 1848 mit dem Bau einer mehr als 500 Kilometer langen Telegrafenlinie zwischen Berlin und Frankfurt am Main. Für die russische Telegrafenverwaltung errichtet die Firma ab 1853 unter Leitung des jüngeren Bruders Carl von Siemens ein rund 10 000 Kilometer umfassendes Telegrafennetz von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und übernimmt auch den Service. Und in England gelingt Bruder Wilhelm, der sich später William Siemens nennt [3], mit der Herstellung telegrafischer Seekabel und später 1874/ 75 mit der Verlegung eines Überseekabels von Irland in die USA internationaler Erfolg. Neben seiner Unternehmertätigkeit ist Werner von Siemens auch in anderen wissenschaftlichen Fachgebieten aktiv. Er entwickelt beispielsweise 1857 die Ozonröhre, die elektrisch erzeugtes Ozon zur Reinigung von Trinkwasser verwendet. Und er formuliert das Gegenstromprinzip, eine beim Wärme- oder Stoffaustausch angewandte Methode, bei der zwei Stoffströme in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeigeführt werden - später großtechnisch genutzt durch den Kältetechnik-Pionier Carl von Linde. Grundlage für die Mobilität, wie wir sie heute kennen, ist jedoch die Entwicklung des ersten elektrischen Generators ohne Dauermagneten im Jahr 1866 (Bild 5). Der Dynamo verändert die Welt Das dynamoelektrische Prinzip ist zwar bereits vom Dänen Søren Hjorth und ebenfalls vom Ungarn Ányos Jedlik entdeckt worden. Siemens allerdings erkennt als Erster die Tragweite der Entdeckung - und glaubt an den Siegeszug der elektrischen Energie [4]. Seine Dynamomaschine, angetrieben durch Dampfmaschine oder Wasserrad, kann mechanische Energie auf wirtschaftliche Weise in elektrische Energie umwandeln. Diese Innovation ist nicht nur Voraussetzung für eine industrielle Stromerzeugung. Die Erzeugung und Übertragung elektrischer Energie in großem Umfang erlaubt den flexiblen Einsatz des Elektromotors, der gemeinsam mit dem Verbrennungsmotor bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Dampfmaschine ablöst und die zweite industrielle Revolution einleitet. Werner von Siemens will den Elektromotor auch als neue Antriebstechnik für die Beförderung von Personen und Waren nutzen. Auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879 präsentiert Siemens & Halske die erste elektrische Lokomotive der Welt mit Fremdstromversorgung über die Schienen (Bild 6). Mit einer Geschwindigkeit von sieben Stundenkilometern zieht eine kleine Lok drei offene Wagen mit je sechs Sitzplätzen über einen 300 Meter langen Rundkurs. Stolz berichtet Werner von Siemens an seinen Bruder Carl: „Unsere electrische Eisenbahn […] macht jetzt hier viel Spectakel. Sie geht in der That über Erwartung gut.“ [1] Die erste Elektrische kommt an Nur zwei Jahre später errichtet Siemens & Halske auf eigene Kosten im Berliner Vorort Groß-Lichterfelde die erste Straßenbahn der Welt. Die 2,5 km lange Strecke verbindet die Station Lichterfelde der Anhaltinischen Bahn, heute Bahnhof Lichterfelde Ost, mit der Kadettenanstalt in der Zehlendorfer Straße, heute Finckensteinallee. Sie fährt zunächst im Probebetrieb auf der zum Bau der Kadettenanstalt genutzten Eisenbahnstrecke, später dann im regulären Betrieb. Allein in den ersten drei Monaten befördert die Trambahn 12 000 Fahrgäste. Zu Beginn ist die „Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske“ ein reiner Handwerksbetrieb. Erst 1863 wird für die normierte Serienfertigung von Einzelteilen eine Dampfmaschine angeschafft. Fünf Jahre später setzt im Zuge der Modernisierung des Produktionsprozesses und der Einführung der Massenfertigung eine Phase der „sprunghaften Mechanisierung“ ein, die bis 1873 anhält: Der Handwerksbetrieb Siemens & Halske wird zur Fabrik. Schon in den 1880er Jahren kommt es zu Spezialisierung der Produktion. Entwicklung und Herstellung von Dynamomaschinen, Fertigung elektrischer Bogenlampen und Produktion aller sonstigen starkstromtechnischen Er- Bild 2: Nachbau des Zeigertelegrafen von 1847 Bild 3: In der neuen Konzernzentrale in München hat Siemens die historische Werkstatt des Firmengründers nachbauen lassen. Bild 4: Die erste Werkstatt von Siemens & Halske in der Schöneberger Straße 19 in Berlin. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 63 Werner von Siemens EXTRA zeugnisse werden im sogenannten Charlottenburger Werk konzentriert (Bild 8). Sozialpolitisch der Zeit voraus Werner von Siemens gilt nicht nur wegen seiner technischen Innovationen und gewagten Unternehmungen als fortschrittlicher Unternehmer, sondern auch wegen seiner zahlreichen sozialpolitischen Initiativen. Bereits 1866 vergibt Siemens & Halske erstmals eine sogenannte Inventurprämie, Vorläuferin der heutigen Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter. Zum 25-jährigen Firmenjubiläum 1872 etabliert Siemens eine betriebliche Altersversorgung - über ein Jahrzehnt vor Gründung der gesetzlich geregelten Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Am Gründungskapital dieser Pensions-, Witwen- und Waisenkasse beteiligt sich auch Johann Georg Halske, der dem Unternehmen damals schon nicht mehr angehört, mit 10 000 Mark. Eine weitere sozialpolitische Maßnahme ist 1873 die Einführung einer täglichen Arbeitszeit von neun Stunden. Das entspricht bei der damaligen Sechstagewoche einer Wochenarbeitszeit von 54 Stunden - überall sonst sind noch 72 Wochenstunden üblich. Freilich verfolgt Werner von Siemens nicht nur soziale, sondern auch personalpolitische Ziele. Angesichts eines akuten Mangels an qualifizierten Arbeitskräften und hoher Fluktuation will er eine Stammbelegschaft aufbauen und die Facharbeiter langfristig an sein expandierendes Unternehmen binden. Die freiwilligen Sozialleistungen sind demnach „nicht allein Humanismus, sondern wesentlich gesunder Egoismus“ ([5], S. 18). Werner von Siemens erkennt zudem früh die Verbindung von Wissenschaft und Technik. Eine großzügige Stiftung soll helfen, die erste staatliche Einrichtung zur Grundlagenforschung auf deutschem Boden einzurichten: 1887 wird die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Berlin gegründet. Sie ist unter dem Namen „Physikalisch-Technische Bundesanstalt“ bis heute eine der renommierten Institutionen innerhalb der deutschen Forschungslandschaft. In Anerkennung seiner Verdienste für Wissenschaft und Gesellschaft erhält der Elektropionier im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen und wird schließlich 1888 von Kaiser Friedrich III. in den erblichen Adelsstand erhoben. Als er 1892 stirbt, produziert das Unternehmen Siemens & Halske pro Jahr 1000 Dynamomaschinen und setzt fast 20 Millionen Mark um - und der Name Siemens ist zum Synonym für Elektrotechnik geworden. ■ AE/ red QUELLEN [1] Siemens AG (online): 200 Jahre Werner von Siemens - Informationen, Fotos und Dokumente zu Leben und Werk des Firmengründers. http: / / www.wvs200.com/ de [2] Siemens Historical Institute. https: / / www.siemens.com/ history/ de/ siemens_historical_institute/ [3] Die Gründergeneration (online): https: / / www.siemens.com/ history/ de/ persoenlichkeiten/ gruendergeneration.htm [4] Siemens, W.: Ueber die Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne Anwendung permanenter Magnete. In: Annalen der Physik. Band 206, Nr. 2, 1867, S. 332-335. DOI: 10.1002/ andp.18672060113 [5] Werner von Siemens: Lebenserinnerungen. Hg. von Wilfried Feldenkirchen, München 2008, ISBN 978-3-492-05269-6. Als PDF: https: / / www.siemens.com/ lebenserinnerungen/ lebenserinnerungen.html Bild 5: Nachbau der Dynamomaschine von 1866 Bild 6: Präsentation der weltweit ersten elektrischen Eisenbahn auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879 Bild 7: Erste elektrische Straßenbahn, 1881 Bild 8: Arbeiter 1890 im Charlottenburger Werk von Siemens & Halske Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 64 EXTRA Werner von Siemens „Ingenieursdenken ist mehr denn-je-gefragt“ Digitalisierung, Elektroautos, autonomes Fahren - die Innovationsspirale dreht sich im Bereich Mobilität schneller als je zuvor. Welche Relevanz haben in diesem Umfeld noch Jahrestage wie der 200. Geburtstag von Werner von Siemens? Fragen von Eberhard Buhl an den CEO Siemens Mobility, Dr. Jochen Eickholt. Herr Dr. Eickholt, am 13. Dezember 2016 würde Werner von Siemens 200-Jahre alt, das Unternehmen selbst kann im kommenden Jahr das 170. Jahr der Gründung feiern. Wie wichtig sind solche Termine heute noch für einen global tätigen Konzern wie Siemens? Das sind schon bedeutende Wegmarken. Werner von Siemens hat ja nicht nur unser Unternehmen geprägt, sondern die deutsche und auch die globale Industriegeschichte. Nur wenige Industriekonzerne haben eine so lange und erfolgreiche Tradition wie unser Unternehmen. Es geht aber vor allem auch um Werner von Siemens als Person: Er war ein Ingenieur und Erfinder im besten Sinn des Wortes, der für uns bis heute ein Vorbild ist. Weil seine Ideen die Welt von Grund auf veränderten? Seine Ideen und Erfindungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik veränderten damals die Welt und prägen sie bis heute. Der elektrische Zeigertelegraph zum Beispiel war ein revolutionäres, aber praxistaugliches Kommunikationsgerät, das bald darauf in der Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske in großer Zahl gefertigt wurde. Mit der Erfindung der Dynamomaschine konnte elektrische Energie überhaupt erst wirtschaftlich erzeugt und praktisch genutzt werden. Und die erste elektrische Lokomotive 1879, zwei Jahre später dann die erste elektrische Straßenbahn, sind gewissermaßen die Initialzündungen für Siemens Mobility von heute. Dann ist es also der berühmte Erfindergeist, der Werner von Siemens bis heute so bemerkenswert erscheinen lässt? Das auch, aber Werner von Siemens war zugleich ein engagierter, verantwortungsvoller und weitsichtiger Unternehmer. Er dachte von Anfang an in internationalen Kategorien. Mit Hilfe seiner Brüder William und Carl spannte Werner von Siemens ein Vertriebsnetz über ganz Europa, von Irland bis Russland und in den Nahen Osten. Er stellte hohe Ansprüche an sich selbst, hatte aber stets auch das Wohl Anderer im Blick. Zeitgemäß interpretiert, prägen sein Unternehmergeist und seine soziale Verantwortung bis heute die Kultur und die Werte des Unternehmens - unser Firmenslogan „Ingenuity for life“ weist genau in diese Richtung. Und dieses Ingenieursdenken ist Ihrer Meinung nach auch heute noch gefragt? Heute mehr denn je. Denn die Innovationszyklen werden zusehend kürzer, während die einst scharfen technologischen Grenzen etwa zwischen Straßen- und Schienenverkehr verschwimmen. Das hat gute Gründe. Die Herausforderungen an Nutzer, Betreiber und Hersteller von Fahrzeugen erweisen sich zunehmend als verkehrsträgerübergreifend - und so gleichen sich immer häufiger auch die Lösungsansätze. Können Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen? Nehmen wir als Ausgangspunkt den gesellschaftlichen und politischen Willen zu sauberer Mobilität. Wenn wir heute innovative Ladesysteme für Elektrobusse aus bewährter Straßenbahntechnik heraus entwickeln, dann zeigt sich, wie selbstverständlich diese einst konkurrierenden Systeme zusammenwachsen. Zusammen mit der Urbanisierung und dem demografischen Wandel gehört ja die steigende Nachfrage nach Mobilität zu den großen Herausforderungen der Zeit. Das sind starke Treiber für eine dynamische Entwicklung bei Digitalisierung und Automatisierung. Die gleicht in manchen Bereichen fast schon einer Revolution: Weil sich Infrastrukturen nicht unbegrenzt erweitern lassen, müssen wir Wege finden, sie effizienter zu nutzen - etwa mit intelligenten Assistenzsystemen oder autonomen Fahrzeugen. Die Digitalisierung ist der Katalysator dafür, dass wir auch in bereits existierenden Verkehrssystemen den Durchsatz erhöhen und flexibler gestalten können, dass wir die Verfügbarkeit von Zügen und Systemen auf über 99 Prozent verbessern können, und dass wir einen bisher nie gekannten Passagierkomfort anbieten können. Der aktuelle Trend zur Digitalisierung ist also unumkehrbar? Da bin ich ganz sicher: In den kommenden Jahren wird Digitalisierung die Mobilität, aber auch unser gesamtes Lebensumfeld stärker prägen, als viele von uns sich heute vorstellen können. ■ Dr. Jochen Eickholt ist CEO der Siemens-Division Mobility ZUR PERSON Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 65 Entwicklungsprozesse TECHNOLOGIE Update der Schiene: Innovationen im Bahnverkehr Partizipative Technikentwicklung im Projekt Galileo Online: GO! Autonomes Rangieren, User Centred Design, sozio-technischer Transfer, satellitenbasierte Navigation, partizipative Technikentwicklung. Automation im Bahnverkehr ist eine große Aufgabe für den Güterverkehr. Für eingeschränkte Einsatzfelder ist autonomes Fahren auf der Schiene schon heute technisch möglich, bedarf aber einer stetigen Weiterentwicklung. Ein gemeinsames Verständnis zwischen Entwicklern und den späteren Anwendern ist hier grundlegend, um brauchbare Innovationen zu erhalten. Im Projekt Galileo Online: GO! wurden daher Kreativ-Methoden und agiles Vorgehen neuartig kombiniert, um die späteren Anwender in die Entwicklung eines Satellitennavigationssystems für das autonome Rangieren mit einzubeziehen. Autoren: Helga Jonuschat, René Zweigel, Valentin Jahn, Ulrike Walter K aum ein anderer Trend weckt derzeit so viele Hoffnungen wie das automatisierte Fahren. Für den privaten Autoverkehr versprechen vollautomatisierte Fahrzeuge, dass sich der Fahrer entspannen und dem Pkw die Kontrolle überlassen kann. Auch Flughafen-Shuttles, U-Bahnen und Züge werden in einem vollautomatisierten Betrieb effizienter und zuverlässiger betrieben, z. B. die vollautomatisierte Pariser Metro-Linie 1 [1] oder die neue Vorzeige- ICE-Strecke von Erfurt nach Leipzig/ Halle. Jochen Eickholt, der Chef der Division Mobility bei Siemens, geht dementsprechend auch davon aus, dass es im Jahr 2050 nur noch teil- oder vollautomatisierte Fahrzeuge auf der Schiene geben wird [2]. Und auch Rüdiger Grube, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, verkündete, dass die Deutsche Bahn bis spätestens 2023 so weit sei, dass Teile des Streckennetzes vollautomatisiert betrieben werden können [3]. Die Schiene - ein schwerfälliges Innovationsfeld Ein vollautomatisierter Betrieb bedeutet zunächst, dass nur auf bestimmten, entsprechend ausgerüsteten und lokal abgegrenzten Strecken eine Fahrt im „Autopilot“ möglich ist. Der weitere Entwicklungsschritt vom vollautomatisierten zum fahrerlosen Fahren mit einer hundertprozentigen Zuverlässigkeit, die immer, überall und in allen Situationen gilt, ist dabei jedoch riesig. Die Deutsche Bahn hat dementsprechend während der großen Streikwelle im Jahr 2014 verkündet, dass Lokführer bis auf weiteres unerlässlich sind [4]. Vorbehalte seitens der Bahn liegen zum einen an den langwierigen Zulassungsverfahren, zum anderen aber auch an den hohen Kosten, die bei einer Nachrüstung der Infrastrukturen für einen fahrerlosen Schienenbetrieb anfallen [5]. Technisch ist der vollautomatisierte Betrieb auf der Schiene schon heute möglich, aber mit einer hohen nationalen und internationalen Systemkomplexität konfrontiert. Der neue europäische Standard ETCS (Level 2) soll hier dafür sorgen, dass die elektronische Überwachung und Steuerung des Zugnetzes auf europäischer Ebene vereinheitlicht wird. Grundsätzlich gelten die Hürden auf dem Weg zum vollautomatisierten Schienenverkehr sowohl für Personenals auch Güterzüge, da beide dieselbe Infrastruktur benutzen. Insgesamt wirft die Steuerung fahrerloser Züge auf Langstrecken ganz andere technische und organisatorische Fragen auf als die Vollautomatisierung für bestimmte Prozesse in abgeschlossenen Bereichen. Daher stellt sich zunächst einmal die Frage, welche Einsatzbereiche im Schienengüterverkehr besonders geeignet sind, um autonomes Fahren auf der Schiene zu erproben. Oder vielmehr umgekehrt: Welche innovativen Technologien können Bahnunternehmen tatsächlich gebrauchen, um von der Automatisierung der Schiene tatsächlich profitieren zu können? Wie erhält man brauchbare technische Innovationen? Deutsche Technologien haben weltweit den Ruf, besonders robust, zuverlässig und präzise zu sein. In den meisten Fällen arbeiten hochspezialisierte Teams zunächst intensiv an technologischen Innovationen und präsentieren erst nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten ihre Innovationen der Öffentlichkeit. Das Entwickeln im „stillen Kämmerlein“ kann allerdings dazu führen, dass die Technologie nicht den Ansprüchen und Wünschen der zukünftigen Anwender entspricht. Dieses Problem ist nicht unerheblich, denn tatsächlich landet ein wesentlicher Anteil der Prototypen aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten schlussendlich in der Schublade. So schwankt beispielsweise die Misserfolgsquote innovativer Produkte im Konsumgütersektor zwischen 35 % und 60 % [7]. Doch wie lassen sich solche technologischen Fehlentwicklungen vermeiden? Eine naheliegende Lösung ist es, die späteren Kunden oder Anwender in die technischen Entwicklungsprozesse einzubeziehen - und das möglichst frühzeitig. In den letzten Jahren haben sich in diesem Zusammenhang vor allem zwei Ansätze zunehmend verbreitet: das Design Thinking sowie das User Centred Design [8]. Während beim Design Thinking die interdisziplinäre Visions- und Ideenentwicklung im Vordergrund steht, bezieht sich User Centred Design vielmehr auf den konkreten Gestaltungsprozess, bei dem am Ende ein nutzergerechtes Produkt Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 66 TECHNOLOGIE Entwicklungsprozesse herauskommen soll. Für das User Centred Design gibt es sogar eine eigene DIN-Norm (ISO 9241-210: 2010). Beide Ansätze verfolgen das gemeinsame Ziel, Nutzungs- und Akzeptanzprobleme bei künftigen Anwendern bereits in einer frühen Designphase zu erkennen, so spätere Anpassungsschleifen zu vermeiden und die Markterfolgschancen zu erhöhen. Auch in der Softwareentwicklung gab es in den letzten Jahren ein Umdenken, denn zumindest für einige Aufgaben haben offene Prozesse mit wenig Regeln schneller zu besseren Produkten geführt als das bisher eher lineare Vorgehen. Die Grundsätze einer solchen agilen Prozessgestaltung haben im Jahr 2001 insgesamt 17 IT-Entwickler im „Manifest für agile Softwareentwicklung“ (http: / / agilemanifesto.org) festgehalten. Bei agilen Softwareentwicklungsprozessen kann es reichen, wenn das „Wunschprodukt“ des Kunden zu Beginn grob bestimmt und erst im Laufe der Arbeit weiter spezifiziert wird. Anders als bei Konsumprodukten kommt es bei Innovationen für den Schienenverkehr darauf an, dass die Technik sehr zuverlässig funktioniert und in bestehende soziotechnische Systeme eingebettet ist. Das heißt vor allem, dass noch vor der eigentlichen Entwicklungsarbeit geklärt werden muss, ob die systemische Integration grundsätzlich machbar ist. Da die Entwickler in der Regel nicht mit den einzelnen Abläufen im Bahnbereich vertraut sind, bedarf es eines laufenden „sozio-technischen Transfers“ zwischen Entwicklern und späteren Anwendern, um ein gemeinsames Verständnis über das System zu erhalten, in das die Innovation am Ende integriert werden soll. Zum Beispiel: Autonomes Rangieren mit einem integrierten Satellitennavigations-Empfänger Im Projekt Galileo Online: GO! (go-galileoonline.de) besteht die technische Innovation in einem hochgenauen Satellitenempfänger, der im Bereich des autonomen Rangierens zum Einsatz kommen wird. Im Projekt GO! wird dazu eine integrierte Lokalisierungslösung entwickelt, bei der ein spezieller Empfänger Galileo-Signale mit GPS-Signalen kombiniert und für die weitere Nutzung in Zugsicherungs-, Zugsteuerungs-, und Zugüberwachungssystemen aufbereitet. Außerdem enthält der GO! - Empfänger ein Kommunikationsmodul, mit dem Kartendaten abgerufen, Korrekturdaten für die Lokalisierung ermittelt und Daten mit einer zentralen Serviceeinheit ausgetauscht werden können. Galileo Online: GO! wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert und läuft von April 2015 bis März 2018. Das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH hat innerhalb des Projekts die Rolle, relevante Stakeholder aus der Bahnbranche in den Entwicklungsprozess zu integrieren, um den soziotechnischen Transfer zwischen den Entwicklern und den späteren Anwendern anzuregen. Damit sollen nicht nur brauchbare Einsatzfelder des GO! - Empfängers im Bereich des autonomen Rangierens bestimmt werden, sondern schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium ein gemeinsames Verständnis zu Anwendungsszenarien, Anforderungen und zentralen Randbedingungen für den Einsatz des Empfängers geschaffen werden. Hierfür wurden verschiedene Ansätze aus dem User Centred Design wie Co-Creation-Workshops und Kreativ-Methoden mit einem agilen Vorgehen kombiniert, was für ein so stark reguliertes und techniklastiges Anwendungsfeld wie dem autonomen Rangieren durchaus noch ein Novum ist. Das Ergebnis der Workshop-Reihe waren insgesamt 42 Use Cases, in denen der Einsatz des GO! -Empfängers tatsächlich die derzeitigen Prozesse beim Rangieren optimieren kann. Daraus wurden zusammen mit allen Stakeholdern zentrale Anwendungsszenarien ausgewählt, die nun für die weiteren technischen Entwicklungsarbeiten als Leitbild dienen. Lessons learnt Damit technologische Hardware- und Software-Innovationen so konzipiert werden, dass sie später auch wirklich gebraucht werden und nicht „in der Schublade“ landen, ist ein laufender Austausch zwischen Entwicklern und späteren Anwendern in einem sehr frühen Entwicklungsstadium sehr hilfreich. Agile Prozesse und Kreativ-Methoden sind für Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Business-to-Business-Bereich allerdings immer noch eher unüblich. Daher wurde die Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern im Projekt GO! parallel beobachtet und im Hinblick darauf evaluiert, ob sie das inter- und transdisziplinäre Verständnis erhöhen und den Entwicklungsprozess effizienter gestalten. Eine wichtige Erfahrung war hierbei grundsätzlich für alle Projektbeteiligten, dass die gemeinsame Arbeit an Use Cases dazu beitrug, sich nicht nur über sicherheitsrelevante Randbedingungen, sondern auch über Einsparpotenziale und Geschäftsmodelle rund um das autonome Rangieren klar zu werden. In den Feedback- Befragungen hoben die Projektbeteiligten außerdem die folgenden Aspekte als besonders hilfreich für die weiteren Entwicklungsarbeiten hervor: Kleingruppendiskussionen in lockerer Runde: Aus den verschiedenen Kreativ-Formaten, die in den Workshops erprobt wurden, haben die Beteiligten die Diskussionen in gemischten Gruppen aus etwa sechs bis acht Entwicklern und Anwendern als besonders bereichernd empfunden. Situationen, in denen man ruhig auch mal „aus dem Nähkästchen“ plaudern kann, können also das Verständnis zwischen Forschung und Praxis deutlich erhöhen. Bildliche Darstellung der sichtbaren und „unsichtbaren“ Prozesse: Die drei zentralen Anwendungsszenarien wurden in ei- 0 2 4 6 8 10 12 War das Blueprinting effizient, um die Prozesse rund um das automatisierte Rangieren darzustellen? War die Anforderungsanalyse entlang des Blueprints effizient, um den Testing- Prozess darzustellen? Hat das Blueprinting schnell zum Ziel geführt? Ja Nein Weiß nicht Bild 1: Bewertung der Blueprinting-Methode durch die Prozessbeteiligten (n = 15) Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 67 Entwicklungsprozesse TECHNOLOGIE nem Workshop über ein „Service-Blueprint“ dargestellt [9]. Hierbei werden die Abläufe skizziert, die vor und hinter der sogenannten „Linie der Sichtbarkeit“ stattfinden. Die eigens an das Projekt angepasste Methode hat einerseits dazu geführt, dass die Anwender verstanden haben, welche technischen Prozesse im Hintergrund zum Laufen gebracht werden müssen. Umgekehrt mussten sich die Entwickler klar machen, welche Teile ihrer technologischen Lösungen letztendlich der Öffentlichkeit oder potenziellen Auftraggebern gezeigt werden können. Das Bild der Abläufe in Form eines Blueprints veranschaulicht im wahrsten Sinne des Wortes den Konsens zwischen Anwendern und Entwicklern zum jeweiligen Use Case und kann damit als „Leitbild“ für die weiteren Entwicklungsprozesse genutzt werden. Dementsprechend wurde in der Feedback- Befragung zum Workshop die Methode von den Teilnehmern auch als effiziente Arbeitsmethode bewertet (s. Bild 1). Agile Prozessgestaltung: Für Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die wie das Projekt GO! in Förderprogramme eingebunden sind, ist eine agile Prozessgestaltung höchst innovativ und bei denen daher der Projektablauf schon im Antrag weitgehend festgelegt ist. Dass wie in GO! der Spielraum so weit wie möglich ausgenutzt wurde, um zunächst erst einmal gemeinsam mit den Stakeholdern aus der Praxis „loszulaufen“ und erst im Projektverlauf zu schauen, welche Grenzen bestehen, war für alle Beteiligten neu. Dieses agile Vorgehen hat sich insofern ausgezahlt, als das Projektteam sich schon zur Projekthalbzeit „auf einem sehr guten Weg“ fühlt - und das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit in Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Das Experiment, partizipative Methoden aus der Softwareentwicklung für ein „Update auf der Schiene“ zu nutzen, war im Projekt GO! aus Sicht aller Beteiligten insgesamt äußerst erfolgreich. Besonders für die Verkehrsbranche bedeutet der Einsatz von Kreativ-Methoden und agiler Projektplanung, dass die bisher noch meist linear geplanten Entwicklungsprozesse in einem frühen Stadium besser „eingenordet“ werden können. So können am Ende Fehlentwicklungen und -investitionen vermieden werden, wenn es darum geht, die Schiene für das digitale Zeitalter fit zu machen. ■ LITERATUR [1] Calais, C. (2012): RATP Automatiser la ligne 1 du métro, un défi logistiqueSupply Chain Magazine, März 2012, S. 30-32. [2] Hegmann, G. (2016): Experte empfiehlt mehr Automatisierung im Bahnverkehr, Welt vom 11.02.2016, https: / / www.welt.de/ wirtschaft/ article152120387/ Experte-empfiehlt-mehr-Automatisierung-im- Bahnverkehr.html. [3] ZEIT ONLINE (2016): Bahn plant autonome Züge, 09.06.2016, http: / / www.zeit.de/ mobilitaet/ 2016-06/ deutsche-bahn-autonomes-fahren-zug-lokfuehrer. [4] Fraune, B. (2014): Zug ohne Lokführer: Wie fahrerlose Bahnen die Metropolen erobern, Impulse, 02.10.14, https: / / www.impulse.de/ ittechnik/ zug-ohne-lokfuehrer-wie-fahrerlose-bahnen-die-metropolen-erobern-ausser-in-deutschland/ 2030924.html. [5] Doll, N. (2014): Bahn könnte fahrerlos fahren - aber sträubt sich, Welt vom 08.11.2014, https: / / www.welt.de/ wirtschaft/ article134120632/ Bahn-koennte-fahrerlos-fahren-aber-straeubt-sich.html. [6] Randelhoff, M. (2014): Automatisierter Bahnbetrieb und führerlose Züge: Eine Einführung (Technik, Vorteile, Hürden, Umsetzungszeitraum), Zukunft Mobilität vom 08.11.2014, http: / / www.zukunft-mobilitaet.net/ 90799/ schienenverkehr/ eisenbahn/ fuehrerlose-zuegetechnik-zulassung-vorteile-nachteile-streik/ . [7] Albers, S., Gassmann, O. (2005): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement: Strategie - Umsetzung - Controlling, Wiesbaden: Gabler Verlag. [8] Plattner, H., Meinel, C., Weinberg, U. (2009): Design-Thinking, Innovation lernen - Ideenwelten öffnen, München: Finanzbuch Verlag, 2009. [9] Allert, R., Fließ, S. (1998): Blueprinting eine Methode zur Analyse und Gestaltung von Prozessen; in: Kleinaltenkamp, M., Ehret, M. (Hrsg.): Prozessorientierung im Technischen Vertrieb, Berlin: Springer, S. 195-211. René Zweigel Institut für Regelungstechnik, RWTH Aachen r.zweigel@irt.rwth-aachen.de Valentin Jahn Valentin Jahn Consult UG, CAR2AD, Berlin valentin.jahn@car2ad.de Helga Jonuschat, Dr. Team Digital Solutions, InnoZ GmbH, Berlin helga.jonuschat@innoz.de Ulrike Walter Team Connected Mobility, InnoZ GmbH Berlin ulrike.walter@innoz.de Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 68 TECHNOLOGIE Betriebssicherheit Fernüberwachung bahntechnischer Systeme Ferndiagnose, Diagnosedaten, Wartungszyklus, Datensicherheit, Kryptographie, Industrie 4.0 Sicherer Betrieb immer größerer Fahrzeugflotten erfordert die genauere Betrachtung und die höhere Verfügbarkeit von Diagnosedaten. Themen wie Safety, Security und Wartbarkeit schränken mögliche Lösungen deutlich ein und erfordern die genaue Planung einzusetzender Technologien. Hier lohnt sich ein Blick in Richtung Industry 4.0 mit den dort existierenden Ansätzen. Autor: André Brückmann A ktuell in Betrieb befindliche Schienenfahrzeuge enthalten eine Vielzahl Softwarekomponenten von unterschiedlichen Herstellern, wie z. B. Telematik-, Fahrzeugsteuerung- oder Fahrgastinformationssysteme (Bild 1). Neuere Generationen von Softwarekomponenten unterstützen die entfernte Diagnose von Fehlern, während insbesondere Komponenten aus älteren Bestandsfahrzeugen das manuelle Auslesen von Diagnosedaten vor Ort nötig machen. Tritt ein Fehler auf, muss in diesen Fällen ein Techniker des Betreibers kostenintensiv an den Einsatzort des Fahrzeugs reisen, um speziell zur Fehleranalyse gespeicherte Daten abzuholen. Diese Diagnosedaten können in der Nachfolge ausgewertet werden, um mögliche Fehlerursachen zu finden. Auf diese Weise können Fehler zwar nach dem Auftreten analysiert, jedoch nicht durch eine systematische Untersuchung im laufenden Betrieb und rechtzeitige Wartungsaktionen vermieden werden. Zusätzliche Informationen zu Nutzung und System, die zukünftige Wartungsaufgaben und das Ableiten übergreifender Zusammenhänge vereinfachen, sind in diesem Modus der Fehlerbearbeitung schwierig zu sammeln. Die Verringerung der Ausfallzeiten von Schienenfahrzeugen wird durch ein Größenwachstum der Fahrzeugflotten und die Verbreitung neuer Betreibermodelle wie das Leasen von Schienenfahrzeugen mit Verfügbarkeitsgarantie für die Betreiber noch wichtiger. Daten aus verbauten Softwaresystemen per Fernüberwachung auslesen zu können ist eine der Vorbedingungen: Idealerweise sendet das Gerät regelmäßig Diagnosedaten an den Betreiber, der diese zum Zweck der Optimierung des Wartungszyklus nutzt. Ein angepasster Wartungszyklus des Schienenfahrzeuges beruht dann auf der Nachverfolgung und Prädiktion von Fehlern, die durch die aus der Software extrahierten Daten getrieben werden. Die Akkumulation gesammelter Daten erlaubt eine Analyse über den einzelnen Fehlerfall hinaus und kann - auch durch zusätzliche Informationen zum Systemverhalten - zu übergeordneten Erkenntnissen verhelfen, die das Setzen notwendiger Wartungszeitpunkte beeinflussen. Die ungekannte Verfügbarkeit und der Umfang solcher Daten stützen die Annahme, dass noch viele bisher unerreichbare Analyseziele denkbar sind, die das Geschäftsmodell des Betreibers unterstützen. Bahntechnische Systeme und Industry 4.0 Analogien dieses Ideals der Fernüberwachung sind in der aktuellen Bewegung der sogenannten Industry 4.0 [1] zu finden: Einzelne Systeme werden zunehmend miteinander vernetzt. Aus der Vernetzung können weitere Funktionalitäten - etwa die Individualisierung von Produkten oder die Unterstützung bei Wartungsaufgaben - durch die beteiligten Komponenten gemeinsam bereitgestellt werden. Die Übermittlung von Systeminformationen quasi in Echtzeit erlaubt eine flexiblere Ausgestaltung von Überwachungs- und Entscheidungsprozessen, die z.B. den Wartungszeitpunkt eines Systems bestimmen. Der regelmäßige Datenaustausch wird in diesem Umfeld ebenfalls genutzt, um die Inhalte (zentral) analysierbar zu machen. Big- Data-Ansätze werden auf den zusammengeführten Informationen ausgeführt, um mögliche Zusammenhänge in den ggf. unstrukturierten Daten zu erkennen. Diese möglichen Zusammenhänge müssen bewertet und abstrahiert werden, um Schlüsse für zukünftige Entscheidungen ziehen zu können. Abstraktere Erkenntnisse können auch durch „Deep Learning“ [2], der wiederholten Suche von Zusammenhängen basierend auf vorausgehenden Analysen konkreterer Zusammenhänge, gewonnen werden. Das erlangte Wissen um Einsatz und Systemverhalten kann zur Verbesserung der nächsten Generation von vernetzten Komponenten oder der Optimierung des Einsatzes der aktuellen Komponenten genutzt werden. Ein Beispiel für eine vernetzte Komponente, die auch im Bahnumfeld eingesetzt wird, ist ein Ortungssensor, der ohne Stromversorgung den Standpunkt eines Güterwagens über das Internet meldet [3]. Weitere Beispiele zu Systemen, die die Ideen von Bild 1: Moderne Schienenfahrzeuge enthalten zahlreiche Softwarekomponenten unterschiedlicher Hersteller. Grafik: init Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 69 Betriebssicherheit TECHNOLOGIE Industry 4.0 umsetzen, sind z.B. auf der „Landkarte zu Industry 4.0“ [4] zu finden. Insbesondere die höhere Bedeutung der Sicherheit charakterisiert bahntechnische Systeme: Weder darf das System Unbefugten Zugriff auf Daten gewähren, noch Daten verlieren, ungeplante Aktionen von außen zulassen oder schädliche Aktionen innerhalb des Gesamtsystems vornehmen. Als sicherheitskritisch eingestufte Systeme müssen besonders streng auf diese Punkte betrachtet werden und dürfen keinesfalls Sicherheitslücken entstehen lassen. Darüber hinaus besteht für Betreiber bahntechnischer Infrastruktur im Rahmen der Umsetzung des IT Sicherheitsgesetzes [5] die Verpflichtung, ihre IT nach dem aktuellen Stand der Technik abzusichern. Die Initiative des Bundesministeriums zu Industry 4.0 [1] legt entsprechendes Augenmerk auf das Thema Sicherheit. Leider wird insbesondere der Aspekt der Sicherheit in (auch als Teil von Industry 4.0 entwickelten) Industriesystemen häufig außer Acht gelassen, so dass gravierende Sicherheitsmängel entstehen konnten [6, 7]. Skepsis gegenüber der durch Industry 4.0 getriebenen Vernetzung über das Internet ist dementsprechend angebracht. Der vollständige Verzicht auf Fernüberwachungen, die das eigene Geschäftsmodell unterstützen können, wäre jedoch nicht verhältnismäßig. Denn durch die Beachtung von Sicherheitsregeln bei Umsetzung und Nutzung können vernetzte Systeme erstellt werden, die eine sichere Datenübermittlung ermöglichen. Sichere Datenübermittlung Sicherheit wird durch die Vermeidung von Bedienerfehlern begünstigt. Um die sichere Ausführung von Systemen gewährleisten zu können, ist es daher notwendig, für den Anwendungszweck geschultes Personal einzusetzen. Je komplexer die Konfiguration für die sichere Vernetzung von Komponenten ist, desto höher qualifiziert muss der hinzugezogene Techniker sein. Der Einsatz von einfachen Lösungen, die sichere Datenübertragung unterstützen, erfordert weniger Qualifikation in der Konfiguration von Netzwerken und der Einrichtung kryptologischer Mechanismen. Bewährte Mechanismen der Kryptologie können - kombiniert z.B. mit einfache handhabbaren Lösungen von In-tech - dazu dienen, Zugriff und Datenübertragung bei der Fernüberwachung abzusichern. Auf diese Weise kann auch ohne speziell ausgebildete Techniker ein sicheres Netzwerk aufgebaut werden, das sowohl die zentrale Speicherung von Daten als auch den Vor-Ort-Zugriff mit den digitalen Arbeitsgeräten eines Wartungsfachmanns ermöglicht. Neben der Verhinderung des Zugriffs auf die übermittelten Informationen ist die gesicherte Übertragung ein Anliegen der sicheren Datenübermittlung. Datenverlust kann zur Folge haben, dass ein Problem des Systems nicht erkannt wird, weil die Nachricht darüber verloren wurde. Insbesondere bei mobilen Einsätzen, etwa bei Schienenfahrzeugen, besteht nicht kontinuierlich eine Verbindung zum Internet (wie z. B. bei LTE-Verbindungen im Tunnel), über die Daten jederzeit übertragen werden könnten. Entsprechend müssen Lösungen eingesetzt werden, die die Wahl eines anderen Verbindungsweges oder eine verzögerte Übertragung mit Zwischenspeicherung der Daten zulassen. Sichere Schnittstellen zum Internet Endpunkte der Datenübermittlung sind Softwaresysteme, die mit dem Internet verbunden sind (Bild 2). Um nicht Unbefugte dazu einzuladen, über diese Endpunkte in die Netzwerke des Betreibers einzudringen, sind aktuelle Schutzvorkehrungen Pflicht. Sowohl die Betriebssysteme der Endpunkte als auch die Implementierungen der zur Übermittlung verwendeten Kryptographie- Algorithmen müssen durch Updates aktuell gehalten werden, da sonst Schwachstellen auftreten können [8]. Bei einer geplanten Betriebsdauer von 30 Jahren für Schienenfahrzeuge kann davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Update notwendig wird. Mechanismen für dieses Update müssen schon bei der Konzeption des Systems vorgesehen werden, damit es bei Bedarf durchgeführt werden kann. Bei sicherheitskritischen Systemen wird das Update zum Problemfall, da die Zertifizierung nur für die ursprüngliche Version erfolgt. Die Rückwirkungsfreiheit eines Sicherheits-Updates ist nicht einfach zu testen und zu beweisen, weshalb in diesem Fall womöglich eine Re-Zertifizierung notwendig wird. Die Verfolgung des Industry 4.0-Ziels der Vernetzung von Einzelgeräten mit erhöhtem Fokus auf Sicherheit verspricht also zusätzliche Einsatzmöglichkeiten in bahntechnischen Systemen. Die auf diese Weise gesammelten Daten erlauben gezielte Wartungszeitpunkte einzelner Fahrzeuge genauso wie das Ableiten übergeordneter Zusammenhänge. Spezielle Sicherheitsanforderungen bei der Vernetzung müssen jedoch beachtet werden. Einfach einsetzbare Lösungen, die rückwirkungsfreien Zugriff mit wechselnden Kanälen der Internetverbindungen bieten, sind inzwischen verfügbar und machen die online Überwachung von in Schienenfahrzeugen verbauten Systemen durch Wartungspersonal möglich. ■ QUELLEN [1] Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Bundesministerium für Bildung und Forschung, www.bmbf.de/ de/ zukunftsprojekt-industrie-4-0-848. html [2] Nicola Jones, „Wie Maschinen lernen lernen“, Spektrum der Wissenschaft - Die Woche, Ausgabe 03/ 2014, 14.01.2014, http: / / www. spektrum.de/ news/ maschinenlernen-deep-learning-macht-kuenstliche-intelligenz-praxistauglich-spektrum-de/ 1220451 [3] Ortungslösung Eureka, Eureka AG, www.eureka.de [4] Plattform Industrie 4.0, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, www.plattform-i40.de [5] Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz), 17.07.2015 [6] Marcel Rosenbach, „IT-Sicherheit: Smart, aber angreifbar“, Spiegel, Ausgabe 29/ 2016, 16.07.2016 [7] Die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2015, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 11/ 2015, https: / / www.bsi.bund. de/ DE/ Publikationen/ Lageberichte/ lageberichte_node.html [8 The Heartbleed Bug, 29.04.2014, heartbleed.com André Brückmann Abteilungsleiter Transport Systems, In-tech GmbH, München andre.brueckmann@in-tech.de Zentrale Einrichtung z.B. Schienenfahrzeug 1 Endpunkt Bahntechnisches System z.B. Schienenfahrzeug 2 Endpunkt Endpunkt Bahntechnisches System Speicher& Datenanalyse Bild 2: Aktuelle Schutzvorkehrungen müssen verhindern, dass Unbefugte über Endpunkte in die Netzwerke des Betreibers einzudringen. Grafik: init Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 70 TECHNOLOGIE Betriebssicherheit Zukunftsfähige Sicherheitstechnik für die Bahn Offene COTS-Steuerungen als flexible Lösungen im-digitalen-Schienenverkehr Sicherheitstechnologie, Sicherheitsstandards, Steuerungslösungen, DIgitalisierung, Commercial-off-the-Shelf, Betriebssystem Die Bahntechnik wird zunehmend digital. Immer mehr sicherheitsrelevante Steuerungsprozesse beruhen auf Cloud- oder Internet-basierten Lösungen. Auch im digitalen Zeitalter bilden Sicherheitssteuerungen die Basis für kritische Anwendungen wie Bahnübergänge, Schienenfahrzeuge oder Stellwerke. Immer wichtiger wird dabei das Zusammenspiel von Safety und Security. Auch in Zeiten von „Rail 4.0“ können COTS-Steuerungen flexibler und kostengünstiger im Vergleich zu proprietärer Sicherheitstechnik sein. Autor: Sedat Sezgün U rbanisierung und ein wachsendes Umweltbewusstsein führen weltweit zu einer erhöhten Nachfrage nach zuverlässigen, umweltfreundlichen Transportmitteln. Dies gilt insbesondere für Ballungszentren, wo eine stetig wachsende Zahl an Passagieren auf sichere, schnelle und komfortable Weise befördert werden muss. Die steigenden Passagierzahlen machen einen Ausbau der Netzkapazität unabdingbar. Der Schüssel zu der benötigten Produktivitäts- und Effizienzsteigerung liegt im Einsatz moderner Technologien. In Kombination mit dem erhöhten Kostendruck durch sinkende Infrastruktur-Budgets und den massiven Modernisierungsrückstand haben diese Umstände den Bedarf an flexiblen, kosteneffizienten Steuerungslösungen in der Bahnindustrie weltweit erhöht. So erlebt die Rail-Industrie derzeit einen Wandel von kostenintensiven, proprietären Sicherheitstechnologien hin zu offenen, zukunftssicheren Commercial-off-the-Shelf (COTS) Lösungen. Als COTS bezeichnet man seriengefertigte Steuerungen, die in großer Stückzahl als Standard-Komponenten verkauft und in verschiedenen Industriezweigen eingesetzt werden. Durch die Verwendung von Standard-Komponenten sind diese deutlich kostengünstiger als proprietäre Systeme und erfüllen gleichzeitig alle wichtigen Sicherheitsstandards der Bahnindustrie. Proprietäre Systeme vs. COTS - Die Vorgeschichte Vor 10 bis 15 Jahren waren die Vorbehalte gegenüber COTS noch groß. Doch unter dem steigenden Kostendruck überlegten erste Bahnunternehmen Anfang der 2000er Jahre, ob diese bewährte Sicherheitstechnologie nicht auch im Schienenverkehr einsetzbar wäre. Für Hima war es kein Problem, die aus der Prozessindustrie bewährten Steuerungen nach den Standards der Cenelec prüfen und zertifizieren zu lassen. Denn auch in der Prozessindustrie sind die Sicherheitsanforderungen extrem hoch und überschneiden sich mit denen in der Bahnindustrie. In der Bahnindustrie können zudem exakt dieselbe Hardware und dasselbe Betriebssystem verwendet werden. Lediglich Berechnungen und Dokumentation mussten angepasst und das Steuerungskonzept auf die Cenelec-Philosophie übertragen werden. So entstanden die Sicherheitssteuerungen HIMax (Bild 1) und HIMatrix mit Cenelec SIL4-Zulassung, offenen Schnittstellen und Betriebssystem auf Basis industrieüblicher Programmiersprachen gemäß DIN EN. Die Sicherheitssteuerungen sind schwing- und schockresistent und auch in erweiterten Temperaturbereichen verfüg- Bild 1: HIMax-Steuerungen bieten durch Redundanz maximale Verfügbarkeit im Schienenverkehr. Alle Bilder: Hima Paul Hildebrandt GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 71 Betriebssicherheit TECHNOLOGIE bar. Sie genügen den Anforderungen nach DIN EN 61373 Kategorie 1 Klasse B. Beide Systeme sind nach den Cenelec-Normen EN- 50126, 50128 und 50129 vom Tüv Süd für den Einsatz bis zur höchsten Sicherheitsstufe SIL 4 zertifiziert 1 . Auf dem Weg zum neuen Standard Inzwischen gehen Bahnexperten davon aus, dass beispielsweise in kleineren und mittleren Anlagen der Stellwerks- und Signaltechnik aufgrund des Preisvorteils mittelfristig nur noch COTS-Komponenten installiert werden. Aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und ihrer deutlich geringeren Investitions- und Lebenszykluskosten im Vergleich zu proprietärer Technik könnten sich COTS-Sicherheitssteuerungen zum Standard entwickeln. Zunehmend setzen wichtige Player der Bahnindustrie auf COTS-Lösungen. Das liegt vor allem an der höheren Flexibilität, beispielsweise bei der Wahl der Komponenten-Lieferanten. Ersatzteile sind weltweit verfügbar, auch wenn es schnell gehen muss, und sie lassen sich einfach installieren. Dank offenem Betriebssystem und offener Schnittstellen lassen sich COTS-Steuerungssysteme bedarfsgerecht aufbauen (siehe Bild 2) und weltweit flexibel einsetzen. Bahnbetrieb non-stop Die Technologie der in Brühl hergestellten COTS-Steuerungen hat sich bereits in anderen Industriezweigen bewährt - die sicherheitsgerichteten Systeme schützen weltweit kritische Anwendungen in Raffinerien, Pipelines oder Chemieanlagen. Hima investiert 70 % des Fertigungsaufwands in Tests, und die hohen werksinternen Standards stehen für eine Ausfallwahrscheinlichkeit nahe Null. Das ermöglicht zuverlässigen und unterbrechungsfreien Betrieb für sicherheitskritische bahntechnische Anwendungen wie elektronische Stellwerkstechnik, Bahnübergänge, sensorüberwachte Türöffnungssysteme, elektronisch gesteuerten Gleit- und Schleuderschutz, Sicherheitsfahrschalter, Fernsteuerung, sichere Zugbewegung und vieles mehr. Proprietäre Sicherheitstechnik für Stellwerke, Bahnübergänge und Signalanlagen ist aufgrund der Funktionsfülle häufig überdimensioniert. Gleichzeitig nimmt z. B. auf Basis des European Train Control System (ETCS) dort der Grad an Elektronik gerade in dezentralen Anwendungen stetig zu. Schlanke und im Vergleich zu herkömmlicher Technik deutlich kostengünstigere Lösungen lassen sich in der Stellwerks- und Signaltechnik mit COTS-Steuerungen realisieren (Bild 3). Die versehen dezentrale Stellwerke und Signalanlagen mit relativ geringem Aufwand mit „Intelligenz“ und verzichten gleichzeitig auf alle Funktionen, die auch über das zentrale Leitsystem geregelt werden können. DIgitalisierung: Offenheit ist gefragt Um den Schienenverkehr fit für die Zukunft zu machen und im Wettbewerb der Verkehrs- und Transportsysteme bestehen zu lassen, muss alte, ineffiziente Technik durch effizientere automatisierte Prozesse ersetzt werden. In diesem Zusammenhang gilt Digitalisierung als Oberbegriff für zahlreiche Aspekte wie autonome Systeme, Internet of Things, Augmented Reality oder Big Data. Automatisierte Steuerungssysteme spielen eine elementare Rolle in der Entwicklung hin zur Ära „Rail 4.0“. Entscheidende Voraussetzung für das digitale Bahn-Zeitalter ist die Vernetzung zahlreicher unterschiedlicher Systeme für den Datenaustausch. Hier spielen COTS- Sicherheitssteuerungen ihre Stärken aus, denn deren Betriebssystem, das auf weltweit verfügbaren Standard-Programmiersprachen basiert, bietet Schnittstellen zu allen wichtigen Kommunikationsprotokollen wie Ethernet TCP/ UDP, RS485, RS422, RS232 und CAN. Die Kommunikation erfolgt über das 1997 von Hima entwickelte Safeethernet-Protokoll und weitere Industrieprotokolle, der Anwender kann auch eigene Protokolle erstellen. Außerdem sind die Systeme modular: Remote-I/ O-Module erweitern die Steuerungen um zusätzliche Einund/ oder Ausgänge. Eine entscheidende Rolle in Sachen Digitalisierung und Vernetzung spielt auch das Konfigurations-, Programmier- und Diagnose-Tool SILworX (Bild 4), das industrieübliche Programmiersprachen gemäß DIN EN nutzt. SILworX läuft in einer Windows- Bild 2: Die Systeme lassen sich bedarfsgerecht zentral oder dezentral, redundant oder nicht redundant aufbauen. Bild 3: Schema einer Bahnübergang-Sicherung Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 72 TECHNOLOGIE Betriebssicherheit Umgebung, bleibt allerdings so unabhängig wie möglich von Windows-Funktionen. Dieses Konzept ermöglicht sicheren Betrieb ohne Störungen durch andere Programme oder Updates und bietet maximalen Schutz vor Bedienfehlern. Das Programmier-Tool verfügt über ein zweistufiges Nutzer-Management, über das sich die Zugriffsrechte individuell einstellen lassen. So werden sowohl die Anwendung als auch das Sicherheitssystem optimal geschützt. Beispielsweise ist bei einer Passwortänderung kein neuer Patch notwendig und die Anlage muss nicht neu zertifiziert werden. Cyber-Sicherheit: Zusammenspiel von Safety und Security Mit dem wachsenden Grad an Automatisierung und der zunehmenden Verlagerung von Funktionen in die Cloud steigt auch die Gefahr von Cyber-Attacken. Effektive Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit sind in diesem Zusammenhang die Einschränkung menschlicher Zugriffsmöglichkeiten und das Aufsetzen eigenständiger, in sich geschlossener Sicherheitssysteme. Auf den Hima-Steuerungen läuft ein Betriebssystem, das speziell für sicherheitsgerichtete Anwendungen inhouse entwickelt wurde, aber im Gegensatz zu proprietären Systemen auf industrieüblichen Programmiersprachen basiert und frei programmierbar ist. Dieses umfasst alle Funktionen einer Sicherheits-SPS 2 , verzichtet aber darüber hinaus auf weitere Funktionen. Typische Attacken auf IT-Systeme sind daher nicht erfolgreich. Die Betriebssysteme der COTS-Steuerungen HIMatrix und HIMax werden bereits in ihrer Entwicklung auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyber-Attacken getestet. Wer dagegen mit herkömmlichen, PC-basierten SPS-Systemen operiert, muss theoretisch ständig die Betriebssoftware dieser PCs aktualisieren, um sich effektiv vor Angriffen zu schützen. Durch eine Aktualisierung der Betriebssoftware setzen Betreiber allerdings jedes Mal den Sicherheitsnachweis bzw. die Zulassung aufs Spiel. Systemprozessor und Kommunikationsprozessor sind voneinander getrennt. Selbst im Falle einer Cyber-Attacke auf den Kommunikationsprozessor gewährleistet dies eine hohe Betriebssicherheit. Darüber hinaus ist der Betrieb verschiedener, physikalisch getrennter Netzwerke auf nur einem Kommunikationsprozessor oder einem Prozessormodul möglich. Und schließlich lassen sich ungenutzte Schnittstellen einzeln deaktivieren, was die Sicherheitssteuerungen auf die Kommunikationsfunktionen limitiert, die wirklich benötigt werden. In der Kombination all dieser Eigenschaften sollten also COTS-Sicherheitssteuerungen als flexible, kosteneffiziente Steuerungslösungen in der Bahnindustrie bald zum Standard werden. ■ 1 Hima erfüllt als einziger COTS-Lieferant im Bereich Schienenverkehr SIL4-Anforderungen nach Cenelec mit nur einer Steuerung. 2 SPS: Speicherprogrammierbare Steuerung Sedat Sezgün Head of Rail, Hima Paul Hildebrandt GmbH, Brühl s.sezguen@hima.com Bild 4: SILworX ist das Konfigurations-, Programmier- und Diagnose-Tool für COTS-Steuerungen von Hima. Internationales Verkehrswesen 1|2017 (24. Februar 2017) Digitalisierung nutzen Internationales Verkehrswesen 2|2017 (27. April 2017) Transportströme steuern International Transportation 1|2017 (08. Mai 2017) Governance Internationales Verkehrswesen 3|2017 (28. August 2017) Automatisierte Mobilität Internationales Verkehrswesen 4|2017 (02. November 2017) Sicherheit durch Digitalisierung Ausführliche Themenübersicht unter www.internationalesverkehrswesen.de/ autoren-service Unsere Themen 2017 Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 73 Nächste Station: Cloud Transport for London setzt auf Cloud-Infrastruktur Daten-Infrastruktur, Cloud, Echtzeitdaten, Dienstleistungen, Fahrgastinformation, Mobilität Transport for London ist der Mobilitätdienstleister der britischen Metropole. Die Organisation hat eine lange Tradition und gleichzeitig den Anspruch, mit der Zeit gehen. Das gilt besonders für den Kundenservice: Die Website von Transport for London ist zentrale Anlaufstelle für alle Reisenden in und um London. Mit dem Umzug in die AWS Cloud von Amazon Web Services ist TfL jetzt in der Lage, auf die starke Zunahme an mobilen Nutzern einzugehen und gleichzeitig Kunden sowie Drittanbietern Verkehrsdaten in-Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Dass dabei noch Kosten gespart werden, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Autor: Robert Belle O bwohl in seiner heutigen Form erst im Jahr 2000 gegründet, führen die Wurzeln von Transport for London (TfL) bis ins 19.-Jahrhundert zurück. Schon damals boten unterschiedliche Bus- und Bahngesellschaften Transportdienste an. Seit 2000 untersteht TfL direkt dem Londoner Bürgermeister und sorgt dafür, dass der öffentliche Nahverkehr in London reibungslos funktioniert. Bei rund 30 Mio. Fahrten täglich ist das kein leichtes Unterfangen. Die Website hat sich als zentrale Anlaufstelle für die Kunden etabliert. Dort finden sie unter anderem Informationen zu den unterschiedlichen Verkehrsmitteln, Hilfe für die Reiseplanung und aktuelle Nachrichten. Das Angebot erfährt regen Zuspruch: Pro Tag besuchen zwischen 600 000 und 700 000 Nutzer die Website, wobei mehr als 3 Mio. Seitenaufrufe gezählt werden. Das gilt allerdings nur für gewöhnliche Tage - fällt beispielsweise überraschend Schnee oder streiken die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, steigt die Zahl der Seitenzugriffe sprunghaft an. Bis zu 20-Mal mehr Zugriffe als üblich sind dann zu verzeichnen. Der Großteil dieses zusätzlichen Datenverkehrs fällt darüber hinaus sehr komprimiert an - beispielsweise innerhalb einer Stunde am frühen Morgen, meist zu Beginn der Rush-Hour. Für solche Fälle musste TfL bisher Überkapazitäten bereithalten, die ansonsten ungenutzt blieben. Aber nicht nur die Lastspitzen zu meistern, stellte das Team vor eine Herausforderung. Ebenso gilt es, sich auf das geänderte Verhalten der Nutzer einzustellen: Immer häufiger informieren sich Kunden nämlich von unterwegs, der Anteil mobiler Seitenzugriffe liegt inzwischen bei 54 %. Damit steigt auch die Bedeutung personalisierter, stand- Bildquelle: Transport for London Cloud-Lösungen TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 74 TECHNOLOGIE Cloud-Lösungen ortbasierter Informationen und News in Echtzeit. Kommt beispielsweise die Nachricht über eine fünfminütige Zugverspätung am aktuellen Standort erst nach fünf Minuten beim Nutzer an, ist sie wertlos. Insgesamt suchte TfL hier nach einem flexibleren System als dem bis dahin genutzten Content Delivery Network (CDN). Die Website war damit 2007 online gegangen - und in ihrer eher statischen, unflexiblen Art nun nicht mehr zeitgemäß. Neben der Weiterentwicklung des eigenen Online-Angebotes stand TfL vor einer weiteren Herausforderung. Rund um das eigene Angebot ist eine Community von Entwicklern und Serviceanbietern, die Apps und Dienstleistungen für Mobilität in London anbieten, herangewachsen. Dieser Entwickler-Community wollte TfL möglichst unkompliziert und reibungslos Echtzeitdaten zur Verfügung stellen, auf deren Basis sie die Angebote verbessern kann. Es ist TfL ein Anliegen, dass die Kunden in London ein möglichst umfassendes, vielfältiges Serviceangebot wahrnehmen können. Auch Forschungseinrichtungen sollten mit einem verbesserten Datenangebot unterstützt werden. Bislang konnte TfL Informationen aus seinem Datenbestand nur sehr punktuell und auf Anfrage weitergeben. Flexibilität und Skalierbarkeit - die-Cloud macht’s möglich Das Digital Team von TfL unter der Leitung des Head of Online, Phil Young, entschied sich schließlich für die AWS Cloud und ein Paket verschiedener AWS Produkte, um ihre ambitionierten Pläne in die Tat umzusetzen. Besonders die hohe Flexibilität und die Abrechnung auf Stundenbasis überzeugten TfL, aber auch die Auto-Scale-Option: Lastspitzen bei Schneefall oder Streik sind damit ohne weiteres abzufangen. Noch ist das Digital Team Vorreiter, wenn es um die Cloud-Nutzung bei TfL geht. Doch gerade diese hohe Flexibilität und Skalierbarkeit hat inzwischen das Interesse in weiteren Teilen der Organisation geweckt. Es gibt mehrere technische Abteilungen, von denen jede ihre eigene, angestammte Infrastruktur unterhält. Das liegt einerseits in der Entwicklung von TfL begründet, andererseits haben die verschiedenen Teams und Abteilungen auch unterschiedliche Aufgaben und damit individuelle Bedürfnisse an die IT. Hier kommen überwiegend noch herkömmliche On-Premises-Strukturen zum Einsatz. Insgesamt steht TfL mit seinem Umstieg in die Cloud also am Anfang - Young vergleicht den Prozess mit dem „Wenden eines Supertankers“. TfL arbeitet an manchen Stellen auch mit anderen Providern als AWS zusammen. Für Young und sein Team hat es daher hohe Priorität, dass sich die eingesetzten Cloud- Services möglichst reibungslos mit anderen Lösungen verzahnen lassen. Nur so kann TfL sicherstellen, dass einerseits die Kunden ein nahtloses Angebot ohne Brüche und Hindernisse bekommen, dass andererseits jede Abteilung mit der für sie optimalen Lösung arbeiten kann. Der Aufwand dafür ist hoch: Damit die AWS Cloud eingesetzt werden konnte, mussten einige Bereiche der Infrastruktur neu entwickelt und umgebaut werden. Bis heute hat der Cloud-Stack bei TfL neun Entwicklungsstufen durchlaufen, wobei in jede dieser Stufen Erkenntnisse und Verbesserungen aus der vorherigen eingeflossen sind. Auch Einblicke in das Nutzerverhalten der Kunden von TfL spielten dabei eine wichtige Rolle. Information für alle - TfL hebt seinen Datenschatz Strategisch mindestens ebenso wichtig wie die Website ist das zweite große Projekt, das TfL mit Hilfe von AWS realisiert: die Freigabe seiner Datenbestände. Aus dem gesamten Verkehrsnetz sammelt TfL seit langem unterschiedliche Daten. Dazu gehören Fahrpläne ebenso wie Preislisten, Verzeichnisse von Verkaufsstellen und Haltestellen, aber auch dynamische Informationen wie An- und Abfahrtzeiten oder Statusinformationen zu den verschiedenen Verkehrsmitteln. Diese Daten liegen in unterschiedlichen Formaten vor, beispielsweise als Excel- Tabellen, aber auch als XML-Files oder JSON-Feeds. Dementsprechend waren die Informationen bislang auch jeweils anders gespeichert. Verfügbar waren sie im Grunde nur auf Anfrage nach dem Freedom of Information Act, und selbst dann nur in begrenztem Umfang. Echtzeit-Feeds gab es so gut wie gar nicht. Das hat sich durch den Einsatz der AWS Cloud inzwischen geändert. Heute ist TfL in der Lage, über eine offene Programmierschnittstelle seinen gesamten Datenbestand, auch Echtzeitinformationen, interessierten Entwicklern unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Und die Nachfrage ist groß: Mehr als 8000 Entwickler greifen inzwischen auf die Daten zu. Rund 500 Smartphone-Apps sind bereits auf ihrer Basis entstanden, um Einwohnern und Besuchern Londons Services rund um Transport und Nahverkehr in der Stadt zu bieten. TfL verfolgt dabei das Motto: Je mehr Informationsquellen für die Kunden bereitstehen, desto besser wird der Service insgesamt - egal, wer die Informationen letztendlich lie- Bild 1: Einblicke in genaue Verkehrsdaten unterstützen künftige Smart-City-Konzepte. Bildquelle: TfL Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 75 Cloud-Lösungen TECHNOLOGIE fert. AWS bietet TfL damit einen Kanal, Daten web-basiert an externe Interessenten weiterzugeben. Dazu gehören neben den genannten App-Entwicklern auch interne Teams, die jetzt einfacher an benötigte Informationen kommen, sowie Forscher an Universitäten. Sie arbeiten auf Basis vor allem der historischen Verkehrsdaten, unter anderem über Fahrgastaufkommen und Verkehrsdichte, an neuen Verkehrskonzepten für das notorisch stark ausgelastete London. Längerfristig gesehen muss das nicht an den Stadtgrenzen Londons Halt machen. Einblicke in genaue Verkehrsdaten machen umfassende Lösungen für verschiedene Probleme möglich und unterstützen damit Smart-City- Konzepte. Eine der Hauptkomponenten der AWS- Infrastruktur, die TfL einsetzt, ist AWS EC2. Darauf laufen MongoDB Datenbanken, SQL-Server und Oracle-Instanzen, die TfL selbst verwaltet. Dazu kommen Amazon Simple Storage Service (S3), Amazon Route53, der Amazon Simple Queue Service (Amazon SQS), für einige Daten auch der Amazon Relational Database Service (Amazon RDS), der Amazon Simple Notification Service (Amazon SNS) sowie Amazon Glacier. Die Lösung wächst kontinuierlich: Wo zu Beginn der Zusammenarbeit mit AWS noch zwölf Node-Instanzen ausreichten, betreibt TfL heute bereits rund 50 Instanzen, um den steigenden Bedarf zu decken. Daneben hat TfL auch viel Aufwand in die Automation und in die Einführung von DevOps gesteckt. So entstand eine agile Infrastruktur, die dem insgesamt agilen strategischen Ansatz des Transportunternehmens entspricht. TfL unterhält 20 Entwicklungsumgebungen, außerdem noch zwei weitere für die Website und eine für den TfL Journey Planner, darüber hinaus drei Produktionsumgebungen. Für die Umgebungen sind zwei DevOps-Teams verantwortlich, außerdem sorgt ein externer Anbieter mit einem Managed Service auf AWS für Support rund um die Uhr. Die Cloud lohnt sich - auch finanziell Die bisherigen Ergebnisse können sich sehen lassen: Seit dem Projektstart im Oktober 2012 stieg der Anteil der TfL-Kunden, die über die Website auf Echtzeitinformationen zugreifen, von 51 % auf 70 %. Im selben Zeitraum nahm auch die Nutzung von Apps zu, die auf Daten von TfL basieren - 40 % der TfL-Kunden statt zuvor nur 27 % verwenden die Angebote der Serviceanbieter. Dieser Erfolg beruht nach Ansicht von TfL hauptsächlich auf der neuen Möglichkeit, die Services extrem schnell und agil weiterzuentwickeln und anzupassen. Die AWS-Plattform ist sogar noch flexibler als erwartet. Die Infrastruktur mit 20 Entwicklungsumgebungen, in denen zuvor nur vier in Betrieb waren, lässt Prototypen sehr schnell entstehen. Außerdem erlaubt die Produktionsumgebung paralleles Arbeiten. Dadurch konnte das Digital Team von TfL die Entwicklungszeit für neue Angebote deutlich verkürzen und dynamisch auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren. Ein Beispiel: Der Umzug der Journey Planner Engine auf eine völlig neue Cloud-Umgebung gelang in weniger als zwei Monaten - jetzt wird das Angebot von mehr als 5 Mio. Reisenden genutzt. Nicht im Fokus der Planung, aber dennoch ein willkommener Effekt des Umstiegs auf AWS waren Einsparungen bei den Kosten. Die Abrechnung nach Stunden und das automatische Skalieren der eingesetzten Ressourcen führten dazu, dass TfL nicht länger ungenutzte Ressourcen bereithalten musste, um Lastspitzen abzufangen. Hier lag das einzige, wenn auch lösbare Problem in der Finanzabteilung: Die Rechnungen für AWS fallen als Konsequenz jeden Monat unterschiedlich hoch aus und sind nicht ganz präzise vorherzusagen. Das muss die Organisation in den Finanzprozessen berücksichtigen und entsprechend flexibel agieren können. Die Entwicklung bei TfL geht weiter - schon sind weitere Datenpakete für das Angebot geplant. Dazu gehört beispielsweise die Veröffentlichung historischer Daten über das Fahrgastaufkommen an wichtigen U-Bahnstationen der Metropole. Damit lassen sich künftig möglicherweise Vorhersagen darüber treffen, wann und wo es besonders eng werden könnte. Außerdem will TfL die rund 25 Gigabyte Daten, die täglich aus den Signalsystemen gewonnen werden, noch besser nutzen und mehr davon an die Entwickler weitergeben. Dadurch lassen sich, so die Hoffnung, noch präzisere Aussagen über die Situation im Londoner Verkehrsnetz treffen. Auch Daten aus dem Ticketverkauf, komplett anonymisiert, sollen künftig dabei helfen, das Nutzerverhalten der TfL-Kunden besser einschätzen und vorhersagen zu können. Das Angebot lässt sich damit weiter personalisieren und mit standortbasierten Daten aufwerten. Was die digitale Zukunft für die Londoner in Sachen Transport und Verkehr noch bringt, bleibt abzuwarten. Mit dem Umzug in die Cloud jedenfalls ist TfL für alle Entwicklungen optimal gerüstet. ■ Robert Belle PR Manager Germany, Amazon Web Services Germany GmbH, München rbelle@amazon.com Bild 2: Heute nutzen 40 % der TfL-Kunden Smartphone-Apps. Bildquelle: TfL Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 76 TECHNOLOGIE Gleisbau Qualitätssicherung über eigenen Bahnbau Ein neues Transportsystem erhöht die Flexibilität der Kölner-Verkehrs-Betriebe ÖPNV, Stadtbahn, Schienennetz, Streckenunterhaltung, Instandhaltung Die Kölner Verkehrs-Betriebe haben ihre Gleisbauflotte um insgesamt acht Fahrzeuge zum Materialtransport für Neubau und Unterhaltung der Betriebsanlagen erweitert. Sie werden sowohl nach BO Strab, als auch nach EBO betrieben und sind für die Stadtbahnstrecken der KVB und der SWB Bonn sowie das Netz der HGK Köln ausgerüstet. Durch eine umfassende vorausschauende Streckenunterhaltung wird der Stadtbahn-Betrieb in einer hohen Qualität ermöglicht - Ad-hoc-Instandsetzungsaufgaben sind nur in sehr geringem Umfang notwendig. Autor: Stephan Anemüller D as neue Transportsystem der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) umfasst drei Gleiskraftwagen, von denen zwei mit einem Hebekran ausgestattet sind. Zudem gehören zwei Containertragwagen mit einer variablen Ladehöhe von 35 oder 90 Zentimeter, ein Transportanhänger mit einer Saug- Spülanlage für U-Bahnanlagen und einer Kabeltrommel-Transporteinheit sowie je ein Schienen- und ein Schottertransportanhänger zur Flotte. Mit dieser Investition kann die KVB die eigenen Ressourcen besser ausschöpfen und ihre Flexibilität im Bahnbau erhöhen. Ersetzt wird ein vorhandenes System aus dem Jahr 1972. Aufgabenstellung des Bahnbaus im-KVB-Netz Die KVB verzeichnet seit Jahren kontinuierlich steigende Fahrgastzahlen. In 2015 nutzten 276,2 Millionen Fahrgäste die Busse und Stadtbahnen des viertgrößten kommunalen ÖPNV-Unternehmens in Deutschland. Allein 209,5 Mio. Fahrgäste waren dabei auf den zwölf Stadtbahn-Linien unterwegs. Dabei sind die Kapazitäten des Schienennetzes ausgeschöpft. Insbesondere auf der Ost-West-Achse mit den Linien 1, 7 und 9, aber auch auf anderen Linien kommen in den Verkehrsspitzen kaum weitere Fahrgäste in die Fahrzeuge. Zudem passen durch die Trassenbelegung in der Kölner Innenstadt in vielen Abschnitten auch keine weiteren Bahnen auf die Gleise. Die Erbringung der Dienstleistung ÖPNV in höchstmöglicher Qualität ist zentrale Aufgabenstellung der KVB. Im Ergebnis dient der öffentliche Nahverkehr nicht nur den Anforderungen seiner Fahrgäste. Ein möglichst störungsarmer ÖPNV trägt auch dazu bei, die Millionenstadt Köln mit zahlreichen Ein- und Auspendlern mobil zu halten. In der verkehrspolitischen Strategie „Köln mobil 2025“, die die Stadt Köln in enger Zusammenarbeit mit der KVB, der IHK Köln und anderen Organisationen in 2014 erarbeitet hat, wurde die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV als eines von zehn grundlegenden Zielen definiert. Dabei kommt es immer wieder zu extern und intern verursachten Störungen, die den Betrieb des Verkehrs nach Fahrplan nicht durchgängig möglich machen. Insbesondere eine umfangreiche Ursachengruppe von durch Dritte verursachten (externen) Störungen fordert den Betrieb täglich heraus. An der Spitze stehen hierbei zum Beispiel Falschparker, auch PKW und LKW im Gleis [1]. Die Infrastruktur wird Gegenstand extern verursachter Störungen, wenn etwa ein LKW mit der Oberleitung der Stadtbahn kollidiert oder wenn Baumängel an Brücken zu Gewichtsbeschränkungen für die Stadtbahn führen. Aber auch im Bereich des eigenen Unternehmenshandelns bestehen Ursachen, die zu (internen) Störungen führen können. Wenn etwa der Gleisunterbau nachgelassen hat und die Stadtbahnen sich über Langsamfahrstellen bewegen müssen, kann der Fahrplan nicht mehr eingehalten werden. In der Folge funktionieren ggf. Umsteigebeziehungen nicht mehr. Oder wenn die Oberleitung der Stadtbahn mit Fahrdraht, Spann- und Halteseilen durchhängt, weil die notwendige Stabilität der Maste nicht mehr gegeben ist, können Stromabnehmer beschädigt werden und Stadtbahnen ausfallen. Der Zustand der Infrastruktur ist schließlich von entscheidender Bedeutung für die Qualität des ÖPNV. Deshalb ist es für die KVB von großer Bedeutung, gut mit extern und intern verursachten Störungen umgehen zu können - Vermeidung von Störungen und professionelle Entstörung sind hierbei die entsprechenden Schlagworte. Für die Vermeidung von Störungen ist die qualifizierte Unterhaltung der Infrastruktur eine entscheidende Aufgabenstellung des Bahnbaus. Das Stadtbahn-Netz der KVB umfasst eine Betriebsstreckenlänge von 198 km. Dabei besteht die Infrastruktur aus unterschiedlichen Abschnitten (siehe Tabelle 1), die eine unterschiedliche Zugänglichkeit und unterschiedliche Aufgaben bedeuten. Streckentyp Länge Anteil Straßenbündiger Bahnkörper 19 km 9,6 % Besonderer Bahnkörper 41 km 20,7 % Kreuzungsfreie Strecken (U-Bahn/ Hochbahn) 44 km 22,1 % Unabhängiger Bahnkörper 94 km 47,5 % Gesamt 198 km 99,9 % Tabelle 1: Anteile der Bahnkörper am Stadtbahnnetz der KVB (inkl. Infrastrukturen der Häfen und Güterverkehr Köln AG - HGK) Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 77 Gleisbau TECHNOLOGIE Zu den typischen Baumaßnahmen gehören Austausch des Schotters, Stopfen des Unterbaus, Erneuerung von Schienen, Schwellen, Weichen und Kleineisen, Schleifen und Schweißen von Schienen, Veränderung des Gleiskörpers, Austausch von Masten, Errichtung von Signalanlagen sowie Reinigungsarbeiten. Dabei hat die Instandhaltung und Erneuerung der Infrastruktur ein größeres Gewicht als der Ausbau des Netzes. In den vergangenen Jahren ist das Stadtbahn-Netz der KVB nur um wenige Kilometer gewachsen. Aufgrund des Verkehrsgeschehens in Köln und der nur begrenzt vorhandenen Umleitungsmöglichkeiten im Stadtbahn- Betrieb vermeidet die KVB die Trennung von Linien und die Einrichtung eines Ersatzbus-Verkehrs. Die Busse kommen nur mit höherem Zeitaufwand und häufig auch nur sehr schlecht durch den großstädtischen Verkehr. Die Kapazitätsunterschiede drücken den Komfort erheblich, Planung und kommunikative Begleitung sind aufwändig. Deshalb werden zahlreiche Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen während der nächtlichen Betriebspausen durchgeführt. Hierbei stehen, außerhalb der Wochenenden mit durchgehendem Stadtbahn- Verkehr, lediglich zwei bis drei Stunden in der Nacht zur Verfügung. Lediglich für größere Erneuerungsmaßnahmen werden die betroffenen Linien für wenige Tage oder Wochen getrennt. Die KVB arbeitet mit verschiedenen Bahnbauunternehmen zusammen, die aufgrund der Auftragsgröße meist über Ausschreibungen gefunden werden müssen. Die Abwicklung der Vergaben nach öffentlichem Vergaberecht erfordert einen nennenswerten Aufwand. Mit der Vergabe der Aufträge sind auch zeitliche Bindungen verbunden, die Einfluss auf die Flexibilität haben. Neues Transportsystem erfüllt komplexe Anforderungen Das neue, aus insgesamt acht Fahrzeugen bestehende Transportsystem der Robel Bahnbaumaschinen GmbH erfüllt in diesem Kontext die komplexen Anforderungen. Robel produziert seit mehr als 100 Jahren Maschinen für den Bahnbau. Das Unternehmen mit Sitz im bayrischen Freilassing beschäftigt derzeit rund 480 Mitarbeiter und liefert weltweit maßgeschneiderte Maschinen, Systeme und Dienstleistungen für den Bau und die Instandhaltung von Bahninfrastrukturanlagen. Neben handgeführten Maschinen und Geräten sind das auch multifunktionale Schienenfahrzeuge sowie mobile Instandhaltungs- und Lade-Systeme. Mit dem KVB-Projekt belegt das Unternehmen seine strategische Ausrichtung zur Mobilität im urbanen Raum. Durch die Einsatzfähigkeit in den Netzbereichen von KVB, Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) und Stadtwerken Bonn (SWB) - die Stadtbahn-Linien 7, 16 und 18 führen „über Land“ bis ins Umland bzw. bis nach Bonn auch über fremde Gleise - ist das Transportsystem sehr flexibel einsetzbar. Hierfür wurden die Fahrzeuge für den Einsatz auf Strecken nach Betriebsordnung EBO als auch BO Strab ausgerichtet. In enger Zusammenarbeit mit der KVB sind neue Konzepte wie die Kabinenausrichtung, Brems- und Kupplungssysteme entstanden. Letztlich müssen die Fahrzeuge nach den beiden BOs zugelassen werden. Insbesondere der Rückbau von Wendeschleifen im Stadtbahn-Netz macht es notwendig, Bauzuggarnituren einsetzen zu können, die an beiden Seiten mit einem Gleiskraftwagen bestückt sind. Betrieblich ist zudem die große Flexibilität gefordert, um in den knapp bemessenen nächtlichen Sperrpausen mit der maximalen Transportfähigkeit und Arbeitsleistung arbeiten zu können. Die neuen Fahrzeuge besitzen die Spurweite von 1435 mm und können auf Steigungen bis zu 60 ‰ eingesetzt werden. Sie dienen dem Materialtransport von Schotter, Sand, Schienen, Schwellen, Oberleitungsmasten, Kleineisen, Schutt, Fertigbetonteilen, Kabeltrommeln, Fahrtreppen, Schalt- Bild 1: Im engen großstädtischen Raum besteht eine Herausforderung darin, Baumaterialien ohne umfangreiche Lagerung an die richtigen Stellen zu bekommen. Bild: Stephan Anemüller/ KVB Bild 2: Schienenlangwagen 55.70/ 3 im Bau. Die multifunktionalen Anhänger eigenen sich für Transportaufgaben in den Bereichen Bahnbau, Fahrleitung und Signaltechnik. Bild: Robel Bahnbaumaschinen GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 78 TECHNOLOGIE Gleisbau schränken und Reinigungsgeräten. Die multifunktionalen Anhänger eigenen sich für Transportaufgaben in den Bereichen Bahnbau, Fahrleitung und Signaltechnik (Bild 2). Die Gleiskraftwagen und Kräne sind in den Baustellenbereichen per Funk steuerbar. Im Mittelpunkt der Flotte stehen die drei Gleiskraftwagen (ROBEL 54.17) mit einer Länge von jeweils 14,5 m und einem Gewicht von 35 t. Sie werden hydrostatisch mit einem Sechs-Zylinder-Dieselmotor von Deutz angetrieben. Die Leistung von 390- kW wird mittels hydrostatischer Kraftübertragung auf drei Achsen gebracht. Die Abgas-Emissionswerte entsprechen der RL97/ / 68 / EG Stufe IV final. Dieselmotoren mit der Klassifizierung Stage IV, somit der derzeit saubersten Technologie, machen einen Einsatz in den Tunnelabschnitten des Kölner Netzes möglich. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte um die Stickstoffbelastung der Innenstädte von großer Bedeutung. Die Bremsung erfolgt pneumatisch direkt und indirekt mit Federspeicher, Magnetschienenbremse, Gleit- und Schleuderschutz. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/ h bei Eigenfahrt und im geschleppten Zustand können die Gleiskraftwagen bis zu 2 t Nutzlast transportieren. Großer Wert wurde zudem auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz gelegt. Die Ausstattung der Kabinen und die Beleuchtung stehen hierbei im Mittelpunkt. Das Projekt wurde deshalb auch durch die Berufsgenossenschaft begleitet (Bild 3). Zwei der drei Gleiskraftwagen sind mit einem Ladekran ausgestattet, der mit Höhenbegrenzung und Gegengleissperre ausgestattet ist. Die maximale Ausladung beträgt 10,4 m. Mit den Gleiskraftwagen sind zudem Bergungsfahrten möglich, wenn etwa ein Stadtbahnwagen aufgrund technischen Defektes nicht mehr fahrfähig ist. Bisher wurden für solche Fahrten immer wieder andere Stadtbahnwagen als abschleppende Fahrzeuge aus dem Betrieb genommen und standen somit den Fahrgästen während dieser Zeit nicht zur Verfügung (Bild 4). Neben den drei Gleiskraftwagen gehören zur Flotte: • zwei Niederflurwagen 55.70/ 2 zum Transportieren von Schwellen, Baumaterialien aller Art, Kabeltrommeln, Fahrtreppen, Schaltschränken, Reinigungsgeräten und Baumaschinen im Niederflurbereich (Eigenmasse 20,3 t, Zuladung bis zu 16,8 t), • der Schienenlangwagen 55.70/ 3 für den Transport von Schienen bis zu einer Länge von 18 m (Eigenmasse 20,4 t, Zuladung bis zu 18,2 t), • die Schotterlore 55.70/ 4 zur Anlieferung und zum dosierten Einbringen von Schotter ins Gleisbett (Eigenmasse 21,6 t, Zuladung bis zu 17,0 t) und • der Transportwagen 55.70/ 5 für den Materialtransport jeglicher Art, ausgelegt auch für den Aufbau eines Hochdruck- Spül- und Vakuumsystems (Eigenmasse 19,8 t, Zuladung bis zu 18,2 t) Somit kann die KVB Instandhaltung und Erneuerung abseits akuter Störungen besser planen und flexibel auf die Anforderungen des Fahrgastbetriebs abstimmen. ■ LITERATUR [1] Stephan Anemüller: Handeln statt resignieren. In: Internationales Verkehrswesen (66) 2014, Heft 1, S. 80-82 Stephan Anemueller Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Köln stephan.anemueller@kvb-koeln.de Bild 4: Gleiskraftwagen mit Hebearm. Die Gleiskraftwagen bewegen „im Sandwich“ die Bauzüge, können aber auch selbst für den Materialtransport eingesetzt werden und Bergungsfahrten durchführen. Bild: Robel Bahnbaumaschinen GmbH Bild 3: In enger Zusammenarbeit mit der KVB sind neue Konzepte unter anderem für die Kabinenausrichtung entstanden. Bild: Stephan Anemüller/ KVB Veranstaltungen FORUM Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 79 LogiMAT 2017 Vorschau: 15. Internationale Fachmesse für Distribution, Material- und Informationsfluss, 14.-16.03.2017, Neue Messe Stuttgart A uf der LogiMAT, der größten jährlich stattfindenden Intralogistik-Messe in Europa, treffen vom 14. bis 16. März 2017 internationale Aussteller auf Entscheider aus Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen, die kompetente Partner suchen. Im Fokus stehen innovative Produkte, Lösungen und Systeme für die Beschaffungs-, Lager-, Produktions- und Distributionslogistik. Mehr Informationen: www.logimat-messe.de TradeWorld 2017 Ebenfalls auf der neuen Messe am Stuttgarter Flughafen findet im Rahmen der Logi- MAT die TradeWorld als Plattform für die Optimierung der Handels- und Vertriebsprozesse in E-Commerce und Omnichannel statt. Die TradeWorld liefert Produkte, Services und Lösungen für die Gestaltung, Steuerung und Digitalisierung von „Retail 4.0“. Neben der exklusiven Fachausstellung referieren an allen drei Messetagen hochkarätige Experten, Trendsetter und Visionäre über brisante Themen des B2B- und B2C- Handels. Mehr Informationen: www.tradeworld.de. CeBIT 2017 Vorschau: Internationale Messe und Konferenz für Digitales Business, 20.-24.03.2017, Hannover D as Motto „Digitale Zukunft schon heute erleben“ weist bereits darauf hin, dass die kommende CeBIT vor allem die Themen Digitalisierung und Automatisierung in den Fokus nimmt: Neben Aspekten der Cyber- Sicherheit nehmen das Internet der Dinge (IoT) sowie unbemannte Systeme und Lösungen breiten Raum im Ausstellungsbereich ein. Partnerland 2017 ist Japan. Der Ausstellungsbereich „d! conomy - Digitalisierung hautnah erleben“ zeigt, wie viele spannende Facetten die digitale Transformation hat, und thematisiert ebenso intelligente T-Shirts wie automatisierte Fabriken und selbstfahrende Autos. Ausgewählte Aussteller machen in ihren Showcases die digitale Zukunft greifbar. Ein breites Spektrum an Tagungen, Foren und Sonderveranstaltungen bietet außerdem die Möglichkeit, sich über die aktuellen Marktrends zu informieren, sich auszutauschen und neue Impulse sowie Innovationen mitzunehmen. Die Veranstaltungsübersicht der CeBIT 2017 steht hier als PDF Download zur Verfügung: www.messe.de transport logistic Vorschau: Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management, 09.-12.05.2017, München D ie transport logistic als weltweite Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT- und Supply Chain Management ist Geschäftsplattform und Impulsgeber für die globale Logistik- und Transportbranche. Ein umfangreiches Konferenzprogramm ergänzt die Veranstaltung. Die zweijährlich stattfindende transport logistic zählte 2015 auf mehr als 112 000 m 2 Ausstellungsfläche gut 55 000 Fachbesucher aus 124 Ländern und 2050 Aussteller aus 62 Nationen. Zu den Höhepunkten der transport logistic 2017 wird die brandneue metropolitan logistic zählen. Weil Metropolregionen und Großstädte neue, ganz besondere Herausforderungen an die internationale Logistik- und Transportbranche stellen, bietet die metropolitan logistic 2017 erstmals einen eigenständigen Ausstellungsbereich und ein spezifisches Forumsprogramm mit innovativen Lösungen und Angeboten zum Thema KEP-Dienstleistung. Die air cargo europe, weltweit größte Branchenveranstaltung für Luftfracht, findet bereits zum achten Mal als Teil der transport logistic statt. Mehr Informationen: www.transportlogistic.de Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 80 FORUM Medien Straßenbau und Straßenerhaltung Ein Handbuch für Studium und Praxis Carsten Karcher und Dirk Jansen Vormals bearbeitet von Prof. Dr.-Ing. Edeltraud Straube und Prof.-Dr.-Ing. Klaus Krass 10., neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage 2016 416 Seiten, kartoniert ISBN: 978-3-503-17016-6 EUR 38,- (D) Straßenbau und Straßenerhaltung ist ein Buch für Studium und Praxis: Wer ein anschauliches Einführungs- und Nachschlagewerk zu den wesentlichen Herausforderungen bei Bau und Erhaltung von Straßen sucht, wird hier fündig. Die 10. neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage dieses Standardwerks für Studierende und Praktiker in Ingenieurbüros, Straßenbauverwaltung und Bauunternehmen informiert ausführlich und leicht verständlich über Erdbau, Straßenoberbau, Dimensionierung und Erhaltung, die Baustoffe und Baustoffgemische sowie die wesentlichen Anforderungen und erforderlichen Prüfverfahren. Erstmals beschrieben sind Aspekte wie die theoretisch-rechnerische Dimensionierung von Asphalt- und Betonstraßen, Sonderbaustoffe wie etwa lärmreduzierende Asphalte und Asphalte für besondere Anwendungen und Performance-Prüfverfahren für Asphalt. Die neuen bzw. neu überarbeiteten Regelwerke RStO, RDO Asphalt und Beton, ZTV BEA und BEB, ZTV/ TL Asphalt, TL Bitumen, E LA D und AP Trag bereits berücksichtigt. Projektmanagement von-Verkehrsinfrastrukturprojekten (VDI-Buch) Konrad Spang (Herausgeber) 808 Seiten ISBN: 978-3662464571 EUR 99,99 (gebunden) EUR 79,99 (Kindle Edition) Dieses von Fachexperten geschriebene Werk umfasst alle wesentlichen Schritte und Elemente des Projektmanagements von Straßen- und Eisenbahnprojekten und füllt damit eine seit langem offene Literaturlücke für die Praxis. Behandelt werden alle Prozesse der Planung, der Erarbeitung des Baurechts mit der Einbeziehung des Umfelds, der Organisation der Finanzierung, der Bauvorbereitung und der Baudurchführung aus Sicht der Bauherren und ihrer Planer. Wesentliche Elemente sind beispielsweise Projektcontrolling, Risikomanagement, Termin- und Kostenplanung, Stakeholder-Management, Planrechtsverfahren, Ausschreibung und Vergabe. Verkehrsinfrastruktur hat eine zentrale Bedeutung für das Funktionieren einer Gesellschaft und für die Entwicklung der Wirtschaft. Kenntnisse über Planung und Realisierung von Verkehrswegen (Straßen und Schienenwege) werden im Hinblick auf die technischen und baubetrieblichen Aspekte an den Universitäten und Fachhochschulen vermittelt. Die berufstätigen Ingenieure haben dort ihr Fachwissen erworben. Mit diesem Werk liegt nun für die Praktiker ein Handbuch und ein Leitfaden für alle wesentlichen Prozesse in der Projektabwicklung (also von der Idee bis zur Inbetriebnahme) vor. Infrastrukturprojekte 2016 Bauen bei der Deutschen Bahn DB Netz AG (Herausgeber) 162 Seiten, Hardcover ISBN: 978-3-87154-560-3 EUR 38,- (D) Erneut liegt unter dem Titel „Infrastrukturprojekte“ eine Sammlung von Beiträgen zum Thema „Bauen bei der Deutschen Bahn“ vor. Herausgegeben von der DB Netz AG, stehen dieses Mal nicht einzelne Projekte, sondern Innovationen im Fokus. Zum Beispiel Building Information Modeling (BIM): Mit dieser Strategie werden Investitionen besser vorbereitet und umgesetzt. Erst digital, dann real bauen - das erleichtert auch den Dialog mit der Öffentlichkeit. Mit dem DB-Bürgerdialog hat die Bahn in den letzten Jahren Standards für die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Planung von großen Projekten gesetzt. Mit Sensorik und Software analysiert die DB Netz AG den Zustand der Anlagen, um präventive Instandhaltung besser planen zu können. Damit steigen Qualität und Verfügbarkeit im Netz. Und weil Bauen kein Selbstzweck ist, sondern ein Mittel, um den Kunden eine leistungsfähige Infrastruktur anzubieten, werden vorhandene Technologien optimiert. Und es werden neue Lösungen gefunden, die Bauen und Fahren besser miteinander ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Standardlösungen für kleine Brücken. Zudem widmet sich das Buch innovativen Lösungen für den Lärmschutz. Auch das ein Weg, mehr Akzeptanz für den Schienenverkehr zu erreichen. Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 81 Erscheint im 68. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag TRIALOG: PUBLISHERS Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Marschnerstr. 87, D-81245 München Tel. +49 89 889518.71 Fax +49 89 889518.75 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 89 889518.72 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 89 889518.73 eberhard.buhl@trialog.de | iv-redaktion@t-online.de Anzeigen Hellfried Zippan Tel. +49 89 889518.74 Fax +49 89 889518.75 hellfried.zippan@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 53 vom 01.01.2016. Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 889518.76 Fax +49 89 889518.75 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren Abonnement-Paket Inland: EUR 193,00 (zzgl. MWSt.) Abonnement-Paket Ausland: EUR 215,00 Einzelheft: EUR 50,00 (inkl. MWSt.) Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print und E-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Grafik und Druck GmbH, München Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Brückenschlag Foto: Pixabay Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. TRIALOG: PUBLISHERS Verlagsgesellschaft München ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Mobilität und Logistik, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Jürgen Peters Dr., Geschäftsführer Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Associate Partner, Oliver Wyman, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Martin Hauschild Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Verkehr und Umfeld; Leiter Verkehrstechnik & Verkehrsmanagement BMW Group, München Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 82 Liebe Leserinnen und Leser, mit dem Thema Infrastruktur haben wir in der vorliegenden Ausgabe gewissermaßen einen Dauerbrenner aufgegriffen. Seit geraumer Zeit ist ja offensichtlich, dass die verfügbaren Finanzmittel kaum ausreichen werden, die marode Verkehrsinfrastruktur in Deutschland wieder fit zu machen. Der akute Fachkräftemangel kann die Situation wahrlich nicht entschärfen. Freilich beherrschen aktuell ganz andere Schlagworte die Diskussion. Es sind Begriffe, mit denen sich auch die Autoren in Internationales Verkehrswesen beschäftigen: Digitalisierung, Automatisierung und Sicherheit werden unsere Hauptthemen des kommenden Jahres sein. Beiträge rund um die Digitalisierung prägen schon die Februar-Ausgabe von Internationales Verkehrswesen. Hier wollen wir den Blick vor allem auf den Nutzen und die Vorteile digitaler Technologie richten. Es geht um den wachsenden Einfluss von IT und Kommunikationstechnik in der Praxis. Und um Möglichkeiten, mit innovativen oder angepassten Business-Modellen das veränderte Nutzerverhalten und den gestiegenen Komfortanspruch zu bedienen. Seien Sie also gespannt: Internationales Verkehrswesen 1/ 2017 wird am 24. Februar 2017 erscheinen - und ich hoffe, Sie finden auch diese Ausgabe lesenswert. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 11.11.2016 Köln (DE) Schienengebundener Verkehr im Gebiet Rhein/ Ruhr 2016 Veranstalter: Bildungswerk VDV, Fachgruppe Gleisbau www.bw-vdv.de 16.-20.11.2016 Horb am Neckar (DE) 34. Horber Schienen-Tage Europa ohne Grenzen - Bahn ohne Grenzen? Veranstalter: Trägerverein HST e.V. Kontakt: Fax +49 89 64280267, horber@schienen-tage.de www.horber.schienen-tage.de 22.-24.11.2016 Köln (DE) PMRExpo 2016 Europäische Leitmesse für Professionellen Mobilfunk und Leitstellen Veranstalter: EW Medien und Kongresse GmbH Kontakt: Stefanie Scharfschwerdt, Tel: +49 69 710 46 87-179, stefanie.scharfschwerdt@ew-online.de www.ew-online.de 30.11.-01.12.2016 München (DE) Smart Cars & Urban Mobility Conference on connected cars in the era of intelligent infrastructure Veranstalter: VDI Wissensforum Kontakt: +49 211 6214-201, wissensforum@vdi.de www.vdi-wissensforum.de/ en/ event/ smart-cars-urban-mobility 03.-04.03.2017 Berlin (DE) Gleisbau 2017 Veranstalter: Bildungswerk VDV, Fachgruppe Gleisbau www.bw-vdv.de/ 14.-16.03.2017 Amsterdam (NL) Passenger Terminal Conference & EXPO 2017 Internationale Ausstellung und Konferenz für Passagierterminal-Design, -sicherheit, -technologie und -verwaltung Veranstalter: UKIP Media & Events Kontakt: +44 1306 743744, ptexpo@ukipme.com www.passengerterminal-expo.com 20.-24.03.2017 Hannover (DE) CeBIT 2017 Veranstalter: Deutsche Messe Kontakt: +49 511 89-0 www.cebit.de 04.-06.04.2017 Hamburg (DE) Aircraft Interiors Expo 2017 The destination for the global aircraft interiors industry Veranstalter: UKIP Media & Events Kontakt: +44 208 271-2174, aixhamburg.helpline@reedexpo.co.uk www.aircraftinteriorsexpo.com 05.-08.04.2017 Friedrichshafen (DE) Aero - Internationale Fachmesse für Allgemeine Luftfahrt Veranstalter: Messe Friedrichshafen Kontakt: +49 7541 708-404 www.aero-expo.com 24.-28.04.2017 Hannover (DE) Hannover Messe „Integrated Industry - Creating Value“ Veranstalter: Deutsche Messe Kontakt: +49 511 89-0 www.hannovermesse.de 03.-04.05.2017 Frankfurt (DE) CCExpo Critical Communications Expo 2017 Missionskritische Information und Kommunikation, professioneller Mobilfunk (PMR) und Leitstellen für Kritische Infrastrukturen Veranstalter: EMW Exhibition & Media Wehrstedt GmbH Kontakt: +49 34 743-62 092, info@ccexpo.de https: / / ccexpo.de 09.-12.05.2017 München (DE) Transport logistic | AirCargo Europe Veranstalter: Messe München GmbH Kontakt: +49 89 949-20720, info@messe-muenchen.de www.transportlogistic.de TERMINE + VERANSTALTUNGEN 11.11.2016 bis 12.05.2017 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de VORSCHAU | TERMINE TranCit StarterAbo TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE ZUR STADT IM WANDEL Sichern Sie sich jetzt das Transforming Cities StarterAbo! 4 Ausgaben lesen, nur 2 Ausgaben bezahlen - und 50 % sparen! * * Im ersten Bezugsjahr zum Preis von EUR 60,statt EUR 120,anschließend zum regulären Preis. Printabonnement zuzüglich Versand. Viermal jährlich berichtet Transforming Cities über den Wandel in urbanen Regionen und ihren Einzugsgebieten. Anerkannte Experten aus Wissenschaft und Praxis greifen in ihren Fachbeiträgen die Herausforderungen auf, denen sich Gestalter, Verwalter und Erhalter im urbanen Kontext zunehmend gegenüber sehen. Transforming Cities bereitet diese Themen auf - für Entscheider in Verwaltungen und Stadtwerken, Planungs- und Konstruktionsbüros, Unternehmen, Hochschulen und Institute. Wissen auch Sie mehr über Hintergründe, Entwicklungen und Perspektiven zur aktiven Gestaltung der Stadt von morgen: http: / / www.transforming-cities.de/ starterabo/ Aller Anfang ist leicht! Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Gesellschafter: Eberhard Buhl M.A., Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Marschnerstraße 87 | 81245 München +49 89 889518.71 | office@trialog.de Anzeige.indd 1 24.10.2016 15: 22: 16 2016 | Heft 4 November