Internationales Verkehrswesen
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2017 | Heft 1 Februar Strategien und Projekte zum Mobilitäts-Wandel Digitalisierung nutzen POLITIK Den digitalen Wandel der Mobilität in Deutschland vorantreiben INFRASTRUKTUR Die Wettbewerbsposition der Bahn im Fernverkehr LOGISTIK Digitalisierung in der Hafenwirtschaft MOBILITÄT Nutzen und Einsatz von Mobilitäts-Apps TECHNOLOGIE So verändern smarte Daten die Mobilität www.internationalesverkehrswesen.de Heft 1 l Februar 2017 69. Jahrgang Hier klicken Sie richtig! IV online: Neuer Look - mehr Nutzen Die Webseite von Internationales Verkehrswesen hat ein neues Gesicht bekommen. Die aktuellen Webseiten unseres Magazins bringen eine frische Optik und eine Reihe neuer Funktionalitäten. Vor allem aber: Die Webseite ist im Responsive Design gestaltet - und damit auch auf Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets bestens lesbar. Schauen Sie doch einfach mal rein! Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl M.A., Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Marschnerstraße 87 | 81245 München +49 89 889518.71 | office@trialog.de Informiert mit einem Klick Das finden Sie auf www.internationalesverkehrswesen.de: • Aktuelle Meldungen rund um Mobilität, Transport und Verkehr • Termine und Veranstaltungen in der aktuellen Übersicht • Übersichten, Links und Ansprechpartner für Kunden und Leser • Autoren-Service mit Themen, Tipps und Formularen • Beitragsübersicht und Abonnenten-Zugang zum Heftarchiv © Clipdealer www.internationalesverkehrswesen.de Anzeige U2.indd 1 25.10.2016 10: 00: 42 Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 3 Barbara Lenz EDITORIAL Digitalisierung nutzen D igitalisierung ist ein Begriff, der Konjunktur hat - auch im Verkehrsbereich. Allerdings bleibt der Begriff oft unscharf und bezeichnet vielfältige Sachverhalte, die aus verschiedenen Perspektiven Themen wie neuartige Dateninhalte, neue Möglichkeiten der Datenerfassung und Datenübertragung, aber auch die Verwertung und Nutzung der digitalen Daten in den Blick nehmen. Ein zentraler Gegenstand ist die formale Gestaltung neuartiger Datenkombinationen und die Erstellung neuer oder die Reorganisation vorhandener Prozesse durch Daten. So kann beispielsweise durch die Verknüpfung verkehrsmittel-übergreifender Daten in Echtzeit die Verkehrssteuerung auf eine deutlich verbesserte Grundlage gestellt werden und damit zu Kapazitätsgewinnen in Verkehrsnetzen beitragen. In der Logistik werden neue Möglichkeiten zur Beschleunigung und Erweiterung der Datenflüsse entlang von Supply Chains erschlossen und damit individuelle Kundenanforderungen noch besser bedient. Und im öffentlichen Verkehr wird auf Endgeräten angezeigt, wieviel Zeit noch bleibt bis zur Abfahrt des nächsten Busses. Der durch Digitalisierung erzielte Nutzen ist dabei offenkundig, so dass auf Digitalisierung basierende Anwendungen ein wesentlicher Bestandteil aktueller Strategien für einen effizienten, möglichst reibungslosen Mobilitätswandel sind - vielfach Hand in Hand gehend mit Automatisierungs- Lösungen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung digitaler Anwendungen und Dienste im Alltag ist in Ländern wie Deutschland durchaus gegeben: Hierzulande verfügen heute rund 50 Mio. Menschen über ein Smartphone und damit über mobiles Internet. Sie nutzen app-basierte Dienste, insbesondere Informationen über Verkehrsmittel und ihre Verfügbarkeit, ihre Ausstattungsmerkmale und Preise. Vor diesem Hintergrund werden innovative Dienste - wie beispielsweise moovel oder trainline - entwickelt, deren Neuartigkeit nicht zuletzt im Austausch und in der Integration von Daten über Verkehrsmittel- und Betreibergrenzen hinweg liegt. Zusätzlich entstehen neue plattformgestützte Mobilitätsdienstleistungen wie flexibles Car- oder Ridesharing. Den Menschen werden damit neuartige Entscheidungsgrundlagen und Zugänge zur Nutzung verschiedenartiger Verkehrsmittel zur Verfügung gestellt. Allerdings wird Digitalisierung selbst dort, wo sie sich an Endnutzer wendet, oft noch aus der Perspektive des technisch Machbaren angegangen. Digitalisierung ist jedoch kein Selbstzweck. Vielmehr ist es unerlässlich, die vielen kleinen und großen Innovationen auch von den Nutzerinnen und Nutzern her zu denken, die mit ihren Bedürfnissen und Erwartungen ebenso wie mit ihrem Nutzungsverhalten einen wesentlichen Einfluss darauf nehmen, wo digitale Anwendungen erfolgreich eingesetzt werden können. Dies ist gerade im Verkehrsbereich umso wichtiger, wo Technologien nicht nur „verwendet“ werden, sondern Einfluss auf das Verkehrsverhalten und damit auf das Verkehrssystem insgesamt nehmen. Die aktuelle Diskussion um Auswirkungen des automatisierten Fahrens machen das nur allzu deutlich: Entsteht dann mehr oder weniger Verkehr? Haben ÖNPV und Schiene dann womöglich ausgedient? Erstaunlich ist dabei: Trotz der wachsenden Bedeutung der Digitalisierung sowohl für die Information der Kunden als auch für die Bereitstellung neuer vielseitiger Mobilitätsoptionen sind unsere Kenntnisse zu den Wirkungen und Auswirkungen der Digitalisierung bislang eher gering. Dieses Heft bietet seinen Leserinnen und Lesern eine aktuelle Annäherung an den Gegenstand „Digitalisierung für Mobilität und Verkehr“, indem es beispielhaft Anwendungsbereiche der Digitalisierung aufzeigt, aber auch die Nutzung von Diensten und Auswirkungen thematisiert. Die Beiträge vermitteln einen Ausgangspunkt für weiterreichende Fragestellungen von Wissenschaft und Praxis in einem dynamischen Feld. Hierzu wünsche ich den Leserinnen und Leser eine spannende Lektüre, Ihre Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 4 35 Differenzierte Bedienung im-ÖPNV Wirtschaftlichkeitsanalyse von bedarfsorientierten Bedienkonzepten im städtischen Busverkehr Stefanie Bültemann Kathrin Viergutz Benedikt Scheier 38 Nutzung von Mobilitäts-Apps in-Deutschland Tim Hilgert Kerstin Westermann Martin Kagerbauer Peter Vortisch 42 Zahlen, was tatsächlich gefahren wird Deutschlands größter Feldversuch mit einem Relationstarif erfolgreich gestartet Knut Ringat POLITIK 10 Deutscher Mobilitätspreis - Ideen und Innovationen für die-Mobilität der Zukunft Wie Menschen und Organisationen in Deutschland den digitalen Wandel der Mobilität vorantreiben Claus Doll 14 Wenn Kriminelle das Steuer übernehmen wollen Die neuen Risiken der Transport- und Logistikindustrie Tim Ahrens 16 Privates Kapital für Chinas Flughäfen Chancen und Risiken für inund-ausländische Investoren Armin F. Schwolgin LOGISTIK 31 Messen ist Wissen - Digitalisierung in der Hafenwirtschaft Emile Hoogsteden 33 Indiens E-Commerce-Markt wächst rasant Dirk Ruppik INFRASTRUKTUR 22 Stuttgart 21 - Durchstehen oder-Umsteuern? Andreas Kossak 26 Wie Digitalisierung die Wettbewerbsposition der Bahn im Fernverkehr verändert Auswirkung der Digitalisierung auf die Verkehrsmittelwahl- Entscheidung Andreas Krämer Robert Bongaerts Beilagenhinweis Dieser Ausgabe liegt eine Information des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg bei. Wir bitten um Beachtung. INTERNATIONAL TRANSPORTATION 1/ 2017 Governance - Managing Public Transport - Park & Move - Infrastructure by PPP - Safety & Security - Automation Publication Date: 08 May 2017 Further information: internationales-verkehrswesen.de/ international-transportation-2017 MOBILITÄT Foto: Harke/ Wikimedia Commons SEITE 22 Foto: Matthew Laird Acred, Wikimedia SEITE 33 Foto: Armin F. Schwolgin SEITE 16 Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 5 INHALT Februar 2017 TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 09 Kurz + Kritisch 21 Bericht aus Brüssel 80 Forum Medien 81 Impressum | Gremien 82 Vorschau | Termine AUSGABE 2/ 2017 Transportströme steuern - Cargo und Air Cargo - Warentransport: Schiene, Straße und Luft im Wettbewerb - Automatisierte Transportlösungen - Parken, Lagern, Bewegen erscheint am 27. April 2017 69 Elektrische und konventionelle Antriebskonzepte Ein ökologischer und ökonomischer Vergleich Alexander Petters Christoph Rusetzki Sönke Reise 72 Smart Data for Mobility − Wie-Daten unsere Mobilität verändern Ingo Schwarzer 74 Digitale Prozesskette von der Planung bis zum Fahrer Moderne Tabletlösung verändert bei AAR bus+bahn den Arbeitsalltag des Fahrpersonals Christian Krüger Marc Schaffert 77 Die digitale Zukunft über den-Wolken Gespräch mit Andy Mason, Vice President Systems & Program Manager Aviation, Transportation und Defense bei Kontron 78 Bitte mehr Zuversicht! Standpunkt Detlef Frank WISSENSCHAFT 64 Verkehrsinfrastruktur und hochautomatisiertes Fahren Digitale Straßendaten als Vorwissen für hochautomatisierte Fahrzeuge Wolfgang Kühn 45 Sharing: Nische oder Massenmarkt? Ergebnisse der Studie „Share- Way“ zum Stand der Forschung und Praxis der geteilten Mobilität Lukas Foljanty Maike Gossen Paula Ruoff 48 App-Daten für die Radverkehrsplanung Eine explorative Datenanalyse von GPS-Daten im Radverkehr Sven Lißner Angela Francke Olena Chernyshova Thilo Becker 53 Optionen einer Dekarbonisierung des Verkehrssektors Ergebnisse des Projektes Renewbility III Wiebke Zimmer Ruth Blanck Rita Cyganski Martin Peter Frank Dünnebeil WISSENSCHAFT 56 Erreichbarkeitswirkungen autonomer Fahrzeuge Jonas Meyer Patrick M. Bösch Henrik Becker Kay W. Axhausen 60 Verkehrssystemforschung am DLR - Mobil in Deutschland 2040 Teil 1: Der methodische Szenario- Ansatz im Projekt Verkehrsentwicklung und Umwelt Stefan Seum Mirko Goletz Tobias Kuhnimhof Foto: pixabay.de SEITE 38 Foto: Niklaus Spoerri SEITE 74 Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 6 IM FOKUS Oberleitungs-LKW: Forschung und Feldversuch D ieselfahrzeuge stehen zunehmend in der Kritik. Das neu gestartete Projekt „Bewertung und Einführungsstrategien für oberleitungsgebundene schwere Nutzfahrzeuge (StratON)“ fokussiert daher auf die Frage, wie der Straßengüterfernverkehr umweltverträglicher betrieben werden kann. Es wird geleitet vom Öko-Institut, das hierfür mit dem Fraunhofer-Institut IAO, der Hochschule Heilbronn und Intraplan Consult zusammenarbeitet. Im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar Mobil“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit untersucht das Projektteam, wie der Straßengüterfernverkehr mit Hilfe von Oberleitungen entlang der Autobahn elektrisch betrieben werden kann. Dabei werden die Oberleitungs-LKW auch im Vergleich zu möglichen alternativen Antriebs- und Energieversorgungsoptionen wie etwa wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen bewertet. Zudem betrachten die Forschenden neben den Kosten auch die Treibhausgasemissionen, den Ressourcenbedarf und die Wechselwirkungen mit dem Energiesektor. Erste Analysen zeigen, dass Oberleitungs-Hybrid-LKW sowohl bei Energieeffizienz als auch bei den Gesamtkosten Vorteile gegenüber anderen alternativen AntriebssystemenbeischwerenNutzfahrzeugen aufweisen können. Neben den Gesamtkosten und den Emissionsminderungs-Potenzialen analysiert das Projektteam auch eine Ausbaustrategie für dieses Antriebssystem. Dabei wird untersucht, inwiefern LKW-Systeme mit Oberleitung bis 2050 technisch und rechtlich umgesetzt werden können. In der Zwischenzeit sollen die ersten Feldversuche mit Oberleitungs-LKW in Deutschland starten. Für Ende 2018 ist ein Testbetrieb auf einem sechsspurigen Abschnitt der Autobahn 1 bei Lübeck geplant. Eine weitere Versuchsstrecke ist in Hessen vorgesehen.. Das eHighway genannte System wird seit Jahren auf dem abgeschlossenen Siemens-Versuchsgelände Groß Dölln in der Uckermark erprobt. Im Juni 2016 begann in Schweden erstmals ein zweijähriger Testbetrieb auf öffentlichen Straßen, auf einem Autobahnabschnitt der E16 nördlich von Stockholm. Dafür wurden zwei Diesel- Hybrid-Fahrzeuge des Fahrzeugherstellers Scania mit dem von Siemens entwickelten aktiven Stromabnehmer ausgerüstet, der die Energie von der Oberleitung zum Elektromotor überträgt. Der Kontakt zum Fahrdraht kann bei Geschwindigkeiten bis 90 km/ h automatisch oder manuell aufgenommen und unterbrochen werden. Bei Ausweichmanövern oder Setzen des Blinkers bügelt der Stromabnehmer automatisch ab. Auch auf nicht elektrifizierten Strecken fährt der eHighway-LKW elektrisch; dabei werden die Elektromotoren vom Dieselaggregat mit Energie versorgt. Abhängig von Anwendung und Kundenwunsch können serielle und parallele Hybrid-Konzepte mit Verbrennungsmotoren, Batterielösungen oder Brennstoffzellen realisiert werden. Foto: Siemens Transport- und Logistik-Mittelstand ist Vorreiter bei digitaler Transformation D ie aktuelle techconsult-Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand“ im Auftrag der Telekom untersucht, wie sich mittelständische Unternehmen verschiedener Branchen der Digitalisierung stellen und wie weit sie bereits gekommen sind. Dazu wurden über 1000 Unternehmen danach befragt, wie sie selbst ihre Digitalisierungs- Bemühungen in den Bereichen Kundenbeziehung, Produktivität und Geschäftsmodell bewerten. Die meisten Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt und suchen nach Lösungen, um Arbeitsschritte und komplette Unternehmensprozesse zu digitalisieren. Im Durchschnitt erachtet jedes dritte Unternehmen die Digitalisierung als sehr wichtig für das eigene Unternehmen. Mit steigender Unternehmensgröße wird dem Thema größere Wichtigkeit zugesprochen. Zusammen mit der Industrie zählt die Transport- und Logistikbranche zu den Vorreitern in Sachen digitaler Transformation. Fast drei Viertel der befragten Transport- und Logistikunternehmen halten die Digitalisierung für bedeutend. Internationale Absatzmärkte gewinnen zunehmend Bedeutung, und 77 % der befragten Unternehmen gaben an, dass der Wettbewerbsdruck in den letzten zwei Jahren gestiegen ist. Durch vergleichsweise hohe Mitarbeiterzahlen und hohen Organisations- und Koordinationsaufwand in der Branche versprechen sich die Befragten durch die Digitalisierung von Prozessen und Maßnahmen einen Wettbewerbsvorteil. So gehört die Transport- und Logistikbranche derzeit zu den Motoren der Digitalisierung. Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 7 IM FOKUS Schwierige Hubschrauberflüge besser simulieren E insätze auf See, im Gebirge oder in der Nähe hoher Gebäude sind für Hubschrauberpiloten extrem riskant: Luftwirbel, die hinter Bohrinseln, Schiffen, Felswänden und Häusern entstehen, können den Helikopter aus dem Gleichgewicht und zum Absturz bringen. Bisher können Flugsimulatoren die Realität bei Flügen in der Nähe von Großobjekten nur unzureichend wiedergeben, denn sie folgen einem starren Muster für Windverhältnisse und die Reaktionen des Hubschraubers. Damit sich Piloten auf diese schwierigen Situationen besser vorbereiten können, entwickeln Ingenieure der Technischen Universität München (TUM) ein neues Simulationsprogramm. Erstmals werden dabei Strömungsmechanik und Flugdynamik kombiniert und in Echtzeit ausgewertet. Denn gerade die unvorhergesehenen Luftströmungen sind tückisch: Ein fahrendes Schiff beispielsweise erzeugt Luftverwirbelungen und starke lokale Geschwindigkeitsschwankungen, in der Fachsprache „Schiffsnachlaufströmung“ genannt. Diese verändert sich ständig durch den Seegang und wechselnde Anströmverhältnisse. Dazu kommen von der Schiffsbrücke und anderen Aufbauten erzeugte Turbulenzen. Nähert sich ein Hubschrauber dem Schiff, so werden die verschiedenen Luftbewegungen auch noch überlagert von der Strömung, welche die Rotoren erzeugen. Ähnlich kompliziert sind die Verhältnisse in der Nähe eines Berghangs oder neben hohen Gebäuden. Diese zu beherrschen, erfordert viel Geschick und Übung. Das klassische „Trainingon-the-Job“ ist teuer, risikoreich und für die angehenden Piloten sehr anstrengend. Außerdem wird das Material stark belastet, weil die ersten Landungen meist recht hart sind. Das neue Programm sorgt auch in der Simulation dafür, dass der Pilot die lokalen Luftströmungen auf den Hubschrauber sofort „spürt“. So kann er ohne Stress ausprobieren, welche Auswirkungen seine Steuerbewegungen haben. Das Potenzial dieser Methode stieß international auf großes Interesse und wird unter anderem vom U.S. Office of Naval Research als Grundlagenforschung unterstützt. Deutsche Verkehrsflughäfen 2016 auf Wachstumspfad D er Flughafenverband ADV hat die Verkehrsbilanz mit detaillierten Jahreszahlen 2016 zur Verkehrsentwicklung an den deutschen Flughäfen veröffentlicht. Das Fazit: Flughäfen in Deutschland sind auf gutem Weg zu den erwarteten 300 Mio. Passagieren im Jahr 2030. Gleichzeitig belasten ordnungspolitische Einschränkungen das Wachstum. Die Jahresbilanz 2016 über alle deutschen Flughäfen verzeichnet über 223 Mio. ein- und aussteigende Passagiere, eine Steigerung von 3,4 % gegenüber dem Vorjahr. Die Luftfracht wuchs gleichzeitig um 3,4 %. Diese Steigerungsraten bei Passagieren und Cargo gehen mit einem Wachstum der Starts und Landungen einher. Das Plus lag bei 2,0 %. Wachstumsmotor an den deutschen Flughäfen war erneut der Europaverkehr mit einem Anstieg der Reisenden um 4,6 %. Die Wachstumsimpulse kamen von Airlines aus dem Ausland - vorwiegend aus dem Low-Cost-Segment. Mit 2,8 % Zuwachs gab es 2016 einen leichten Anstieg der Reisenden bei den innerdeutschen Verbindungen. Die Zahl der Langstreckenverbindungen an den deutschen Flughäfen war dagegen rückläufig: Der Interkontinentalverkehr ging an den Flughäfen 2016 um 0,2 % zurück. Sorgen bereitet, dass Deutschlands Flughäfen gegenüber europäischen Wettbewerbern Marktanteile verlieren. Das Passagierwachstum von 3,4 % (An- und Abflug) in Deutschland erweist sich als unzureichend im Vergleich mit dem europäischen Ausland. Zum fünften Mal hintereinander liegt das Wachstum der Reisenden unter dem europäischen Durchschnitt. Auch geht die Konnektivität in der Langstrecke verloren: Konkurrierende europäische Luftverkehrsstandorte legen im Interkontinentalverkehr teilweise deutlich zu - ein Alarmzeichen für den Wirtschaftsstandort. ADV-Analysen zeigen zudem, dass ausländische Airlines im Vergleich zu deutschen Airlines fast doppelt so viel neue Strecken in den Markt einbringen. Nicht nur die deutschen Flughäfen, auch die heimischen Fluglinien verlieren Marktanteile. Der Verband fordert daher richtungsweisende Entscheidungen von Politik und Genehmigungsbehörden, unter anderem um weiteren Kapazitätsengpässen und hohen finanziellen Belastungen entgegenzuwirken. www.adv.aero Simulation einer Landung auf dem Schiffsdeck. Foto: Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie/ TUM Foto: pixabay.de Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 8 IM FOKUS Verbundprojekt verbessert Kommunikation zwischen Mensch und Technik S elbstfahrende Autos sollen die Zukunft sein, und schon heute sind Fahrzeuge streckenweise mit Autopilot auf den Straßen unterwegs. Doch wenn in einer komplexen Verkehrssituation die Technik versagt, bleiben dem Menschen nur wenige Sekunden, um das Steuer zu übernehmen. Ein aktuelles Verbundprojekt widmet sich nun der „Kooperativen Fahrer-Fahrzeug- Interaktion“ (KoFFi). Das Ziel: die Kommunikation zwischen Mensch und Technik so zu optimieren, dass solche Übergabesituationen zwischen Fahrer und Fahrzeug von beiden Seiten besser bewältigt werden können. Im Fokus des dreijährigen Projekts steht die Entwicklung eines multimodalen Interaktionssystems, das die Kooperation zwischen Fahrer und Fahrzeug zuverlässig unterstützt. Projektpartner sind neben Wissenschaftlern der Universität Ulm auch Forscher der Hochschule Heilbronn (HHN), der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, des European Media Laboratory (EML) sowie Daimler und Projektkoordinator Bosch. Die Forscher setzen dabei auf ein multimodales Konzept zum Informationsaustausch zwischen Mensch und technischem System. Denn obwohl die Automatisierungssysteme immer leistungsfähiger werden, gibt es Verkehrssituationen, die sie an ihre Grenzen bringen. Über einen multimodalen Ansatz wollen die KoFFi-Forscher nun Displayanzeigen, Signaltöne, haptische Informationen und Sprache möglichst sinnvoll miteinander integrieren, um dem Fahrer eine möglichst schnelle und zuverlässige Orientierung zu ermöglichen. Damit Fahrer und Fahrzeug in Dialog treten können, braucht es letztendlich eine Kommunikationsstrategie, die grundlegende Zusammenhänge der Mensch-Maschine-Interaktion berücksichtigt. Im Projekt sollen aber auch ethische, rechtliche und soziale Implikationen Berücksichtigung finden, diesem Thema widmet sich ein gesondertes Teilprojekt. Weitere Teilprojekte bearbeiten Fragestellungen zur grafisch-haptischen Interaktion, zur sprachlichen Interaktion, zur Fahrer-Fahrzeug-Modellierung, zur Integration des Gesamtsystems sowie zur Demonstration und Validierung des Dialogsystems im Fahrsimulator sowie im realen Fahrzeug. www.unitylab.de/ project/ koffi-kooperativefahrer-fahrzeug-interaktion Aktuelle Meldungen finden Sie im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Globale Initiative für Wasserstoff als Energieträger I m schweizerischen Davos haben Mitte Januar 13 führende Unternehmen aus den Bereichen Energie, Verkehr und Industrie den Hydrogen Council ins Leben gerufen. Die Initiative soll die gemeinsame Vision und das langfristige Ziel verfolgen, mithilfe von Wasserstoff die Energiewende voranzutreiben. Als erste globale Initiative ihrer Art hat sich der Hydrogen Council vorgenommen, Wasserstoff als eine der zentralen Lösungen für die Energiewende zu etablieren. Wasserstoff ist ein vielseitiger Energieträger mit vielen Vorteilen. Er setzt bei seiner Nutzung kein Kohlendioxid (CO 2 ) frei und kann so eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer sauberen, CO 2 -armen Energiezukunft spielen. Der Hydrogen Council besteht derzeit aus 13 CEOs und Vorsitzenden verschiedener Industrie- und Energieunternehmen. Ihm gehören derzeit Air Liquide, Alstom, Anglo American, BMW Group, Daimler, EN- GIE, Honda, Hyundai, Kawasaki, Royal Dutch Shell, die Linde Gruppe, Total und Toyota an. Der Council wird von zwei Vorsitzenden aus unterschiedlichen Regionen und Branchen geleitet, derzeit vertreten durch Air Liquide und Toyota. Die Gruppe will dazu beitragen, das ehrgeizige Ziel aus dem Pariser Abkommen von 2015 zu erreichen, nämlich die Erderwärmung auf 2 °C zu begrenzen. Foto: Universität Ulm/ Heiko Grandel Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 9 Erfolge mit Fragezeichen A ls herausragend erfolgreich präsentiert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die ÖPNV-Bilanz 2016. Die Fahrgastzahlen stiegen im Vorjahresvergleich um 1,8 % auf 10,18 Mrd., die Ticketerlöse erbrachten 12,24 Mrd. EUR (+ 4 %). Und die Nachfragezuwächse werden in den nächsten Jahren weiter anhalten. Zunächst eine stolze Bilanz. Weniger erfolgreich und mit erheblichen Risiken stellen sich die bereits derzeit vorhandenen Kapazitätsengpässe im ÖPNV dar, insbesondere in den Metropolregionen. Vor allem die schienengebundenen Angebote sind trotz Ausnutzung aller Kapazitätsmöglichkeiten bei der Infrastruktur in den Spitzenzeiten zunehmend überlastet - mit den hieraus resultierenden Qualitätseinschränkungen. Die notwendigen Entlastungen durch investive Maßnahmen bei der Infrastruktur sind aufgrund finanzieller Engpässe und sehr langer Planungs- und Bauzeiten nur langfristig zu erwarten. Insofern konterkariert diese Situation die politisch und aus Umweltgründen als dringend erachtete Veränderung des Modal Split zugunsten des ÖPNV. Als erfolgreich wird die nach langen Auseinandersetzungen endlich gesicherte Fortführung des Bundes-GVFG für kommunale ÖPNV-Infrastrukturinvestitionen, insbesondere im Schienenbahnsegment, gewürdigt (Fördersumme rd. 333 Mio. EUR p.a.). Die Rahmenbedingungen sind allerdings weniger erfreulich. Der relativ niedrige Förderbetrag, der seit 1997 (! ) nicht verändert wurde, wird bis 2024 eingefroren. Versuche des Bundesverkehrsministeriums, eine Erhöhung auf 400 Mio. durchzusetzen, scheiterten am Widerstand der Finanzpolitiker. Hinzu kommt, dass - wie in der Vergangenheit - eine Verwendung dieser Mittel nur für Neu-/ Ausbau, nicht aber für Ersatzinvestitionen zulässig ist, obwohl dort der größte Bedarf existiert. Was die Summe von 333 Mio. EUR p.a. wirklich bedeutet lässt sich daraus ersehen, dass bei den bereits endgültig in die Förderung aufgenommenen Projekten ein Betrag von 1,5- Mrd. EUR festgestellt wurde. Die Überzeichnung des Bundesprogramms beträgt auch ohne Berücksichtigung der neuen S-Bahn- Stammstrecke München ein Vielfaches der Fördersumme. Wer nun gehofft hatte, dass die sog. Entflechtungsmittel aus dem früheren GVFG-Programm (Ende 2019 auslaufend) in Höhe von 1,3- Mrd. EUR investive Entlastungsmöglichkeiten brächten, muss ebenfalls eine gemischte Erfolgsbilanz konstatieren. Nach langen und heftigen Bund-Länder-Diskussionen konnte erreicht werden, dass der Bund ab 2020 den Ländern im Rahmen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen die Entflechtungsmittel zuweist als entsprechend erhöhter Anteil am Umsatzsteueraufkommen, allerdings ohne Zweckbindung. Dies bedeutet Abhängigkeit von den Verwendungsentscheidungen der jeweiligen Länderfinanzminister. Angesichts der Finanzlage der Länder enthält diese Regelung erhebliche Risiken für den ÖPNV, es sei denn, es kommt wie in Nordrhein-Westfalen zur Verabschiedung eines speziellen Verwendungsgesetzes dieser Mittel für ÖPNV-Investitionen. Als erfolgreich konnte die DB AG ihr Wirtschaftsergebnis 2016 mit einem operativen Wert von rd. 1,8 Mrd. EUR nach dem Verlust 2015 in Höhe von 1,3 Mrd. EUR verkünden. Letzterer war allerdings gekennzeichnet durch notwendige Sonderabschreibungen (1,63 Mrd.) auf überbewertete Sachanlagen und „good will“ bei DB Cargo. Dennoch musste die Schienengüterverkehrstochter 2016 einen operativen Verlust von 80 Mio. EUR auch als Folge eines Umsatzeinbruchs um knapp 4 % hinnehmen. Insofern war es mehr als überraschend, dass der Aufsichtsrat der DB AG am 30. Januar trotz der Vorgespräche im Personalausschuss des AR dem Vorstandsvorsitzenden die offensichtlich vorverhandelte Verlängerung seines Vertrages um drei Jahre verweigerte und auf zwei Jahren beharrte. Dieses Misstrauen führte zum sofortigen und nachvollziehbaren Rücktritt des DB-Chefs. Durch dieses Verhalten des AR wurde die DB AG in eine neue Krise gestürzt, die von den Akteuren hätte antizipiert werden können. So wird im schwierigen Wahljahr 2017 die politische Auseinandersetzung um den Einfluss der Politik auf die Unternehmensführung zunehmen, also das eintreten, was die DB AG gerade nicht braucht. Vieles lässt an eine berechnete Strategie oder/ und einen seiner Aufgabe nicht gewachsenen Aufsichtsrat denken. Misserfolg auf der ganzen Linie. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche POLITIK Innovationsförderung Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 10 Ideen und Innovationen für-die Mobilität der Zukunft Wie Menschen und Organisationen in Deutschland den digitalen Wandel der Mobilität vorantreiben Trends, Digitalisierung, Innovation, Mobilitätssysteme, Best Practice, Open Innovation Mit dem Deutschen Mobilitätspreis verfolgen die Initiative „Deutschland - Land der Ideen“ und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur das Ziel, die Bedeutung und das Potenzial digitaler Lösungen im Hinblick auf Mobilität aufzuzeigen. Mobilitätsexperten und am Thema interessierte Privatpersonen erhalten die Chance, ihre innovativen Projekte und Ideen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dr. Claus Doll, Leiter des Geschäftsfeldes Mobilität am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und Jurymitglied des Deutschen Mobilitätspreises, analysiert die Ergebnisse des Wettbewerbsjahres 2016 und leitet zentrale Trends ab. Claus Doll I nnovationen im Mobilitätssektor entstehen nicht im leeren Raum, sondern basieren auf vorangegangenen gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen. Diese sind die Grundlage für weitere Innovationen und prägen neue Mobilitätslösungen. Die Digitalisierung wirkt aktuell als wichtiger Innovationstreiber, der es ermöglicht, bestehende Mobilitätsdienste zu verbessern und gänzlich neue Lösungen zu entwickeln. Das folgende Vier- Stufen-Modell systematisiert die zentralen Triebfedern der Innovationsentwicklung im Mobilitätssektor und schafft ein Verständnis für die aktuellen Trends. Stufe 1: Technik bringt Austausch und Fortschritt Mobilitätssysteme verbinden Menschen und Firmen - zumindest sollten sie dies tun. Die großen Entwicklungen im Bereich der Fahrzeug- und Antriebstechnik wie Eisenbahn, Automobil und Flugzeug, haben zweifellos die Art, wie wir leben und arbeiten, grundlegend verändert. Städte sind bis zu heutigen Megacities gewachsen, Handelsbeziehungen intensivierten sich zu globalen Netzwerken und neue Industrien entstanden. Stufe 2: Menschen und Unternehmen organisieren Mobilität neu In den zurückliegenden 100 Jahren haben sich die Gewichte der Verkehrsträger und die Intensität deren Nutzung deutlich verschoben; die grundsätzlichen Elemente der Mobilität - Straße, Schiene, Schiff und Flugzeug - bekamen jedoch keinen nennenswerten Zuwachs. Entscheidendes hat sich jedoch auf der Metaebene der Mobilitätsorganisation getan. Traditionelle und sektorale Modelle der Verkehrsangebote werden zunehmend durch Servicedienstleister ergänzt oder ganz übernommen. Ein wichtiges Element ist die Sharing Economy, also das Teilen von Autos oder Fahrrädern zwischen Privatmenschen (Peer-to-Peer-Car- oder -Bikesharing) oder durch professionelle Sharing-Organisationen. Es hat sich gezeigt, dass der Sharing-Markt auch für die Automobilindustrie lukrativ, oder zumindest zu bedeutend ist, um diesen zu vernachlässigen. Die dahinterliegenden Geschäftsmodelle sind dabei vielschichtig und umfassen in der Regel andere Ziele als den reinen Gelderwerb. Stufe 3: Dinge, Dienste und Menschen sind vernetzt Die dritte Stufe der Mobilität ist die Vernetzung von Dienstleistungen, Anbietern und Nutzern. Treiber der zunehmenden Vernetzung ist zweifellos die Verfügbarkeit leistungsfähiger mobiler Endgeräte ab Mitte der 2000er Jahre. Multimodale Dienste sind mittlerweile Standard in vielen Navigationssystemen. Die echte Verknüpfung von Mobilitätsdiensten als Mehrwert für Menschen und Unternehmen bedarf jedoch der Einbindung von Tarifen, Abrechnungssystemen und physischen Elementen. Hier reicht die Digitalisierung und informationsseitige Vernetzung alleine nicht aus; eine Konzentration auf diese kann im Extremfall sogar zu Problemen während der Reise führen. Die Integration physischer Infrastrukturen sowie der Abrechnungs- und Buchungssysteme über mehrere Verkehrsangebote hinweg stellt jedoch aktuell noch eine technische, organisatorische, juristische und betriebswirtschaftliche Herausforderung für alle Beteiligten dar. Durch die Vernetzung von Nutzern untereinander lassen sich schließlich alte Mobilitätsformen wie Trampen oder Mitfahrzentralen auf einfache Weise wiederbeleben. Hierdurch wird einerseits die Effizienz und Nachhaltigkeit der Fahrzeugnutzung, zum Beispiel durch Ridesharing-Plattformen, erhöht, andererseits werden jedoch traditionelle Institutionen wie Bahn und ÖPNV mit allen ökonomischen und sozialen Folgewirkungen geschwächt. Gleichzeitig bieten sich Anbietern öffentlicher Verkehrslösungen auch Chancen: Durch geschickt vernetzte und organisierte Systeme von und für Menschen lassen sich etwa Mobilitätsangebote in Regionen aufrechterhalten, welche durch die traditionellen Anbieter nicht mehr ökonomisch sinnvoll bedient werden können. Stufe 4: Automatisierung revolutioniert Verkehr und Logistik Als vierte Mobilitätsstufe kann schließlich die derzeit breit diskutierte Automatisierung der Verkehrs- und Logistiksysteme bezeichnet werden. Fahrerlose Systeme Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 11 Innovationsförderung POLITIK müssen per se miteinander und mit ihrer Umwelt kommunizieren. Während autonom fahrende Systeme im ÖPNV und in der Luftfahrt bereits Standard sind und im Eisenbahnverkehr wohl kaum eine Veränderung mit sich bringen werden, könnten diese den Straßenverkehr revolutionieren. Autonome Taxis, Carsharing-Flotten und Lieferdienste haben das Potenzial, die Kosten der Individualmobilität deutlich zu senken. Auch dies kann zu einer verbesserten Anbindung entlegener Regionen beitragen. Darüber hinaus ließen sich durch autonome Systeme bezahlbare und flexible Mobilitätsdienste für mobilitätseingeschränkte Menschen vorstellen. Zudem tragen autonome Systeme bei einem genügend hohen Marktanteil mutmaßlich stark zu einer erhöhten Verkehrssicherheit bei. Voraussetzung für diese Szenarien ist jedoch, dass autonome Systeme sicher und zuverlässig arbeiten und gesellschaftlich akzeptiert sind. Der Mensch: entscheidend für eine intelligente Mobilität der Zukunft In all diesen Bereichen spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle. Der Einsatz mobiler Endgeräte, vernetzter Gegenstände und Einheiten im Sinne eines „Internet der Dinge“ und die Digitalisierung von Prozessen entsprechend des Konzepts der „Industrie 4.0“ sind aus Szenarien von Mobilität und Logistik nicht wegzudenken. Wie dargestellt kann man dieser Entwicklung viel Positives abgewinnen: Verkehrssicherheit, Inklusion von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Anbindung entlegener Regionen, bezahlbare Mobilität und mehr Effizienz und Nachhaltigkeit. Intelligente und nutzbringende Mobilitätskonzepte brauchen jedoch unbedingt auch den Faktor Mensch, um die angesprochenen Potenziale umzusetzen. Die Preisträger des Deutschen Mobilitätspreises 2016 decken das Spektrum aus Digitalisierung, intelligenten und regionalen Konzepten, Inklusion und Nachhaltigkeit in seiner vollen Bandbreite ab. Beispielsweise befassen sich fünf Best-Practice-Lösungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit einer intelligenten, multimodalen Mobilität mit speziellem Augenmerk auf mobilitätseingeschränkten Menschen und dem ländlichen Raum. Weitere prämierte Konzepte kommen aus den Gebieten Peer-to-Peer- Carsharing, automatisierte Belieferung und dem Management von Straßen-, Schienen- und Ladeinfrastrukturen. Die Preisträger zeigen mit ihren Innovationen, wie sich die Chancen der Digitalisierung kreativ und unternehmerisch nutzen lassen, um Mobilitätssysteme im Sinne von Gesellschaft und Wirtschaft zukunftsfähig zu gestalten. ■ Claus Doll, Dr. Leiter Geschäftsfeld Mobilität am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe claus.doll@isi.fraunhofer.de Zehn Best-Practice-Projekte für die Mobilität der Zukunft I n der Best-Practice-Phase des Deutschen Mobilitätspreises wurden zehn herausragend innovative Projekte von Organisationen aus ganz Deutschland gewürdigt. BrokenLifts - Plattform für Aufzugsstörungsinformationen Initiator: Sozialhelden e.V., Berlin Über die digitale Plattform BrokenLifts.org können sich Menschen in Echtzeit über defekte Aufzüge im Berliner Nahverkehr informieren. Das Projekt setzt dabei auf offene Daten, um die Reiseplanungssicherheit zu erhöhen. CleverShuttle - Von Tür zu Tür per grünem RideSharing Initiator: CleverShuttle - GHT Mobility GmbH, Berlin Das Berliner Start-up CleverShuttle bietet einen grünen und günstigen Tür-zu-Tür-Fahrdienst nach RideSharing-Prinzip. Ein intelligenter Algorithmus errechnet die besten Streckenkombinationen und fasst die Anfragen zu Fahrgemeinschaften zusammen. Cyface - Bequemer fahren Initiator: Technische Universität Dresden, Dresden Das Dresdner Start-up Cyface sammelt mit einer crowdbasierten Plattform Daten zur Straßenqualität und wertet diese aus, um Routen intelligenter zu planen. Außerdem liefern die Daten Behörden eine Grundlage dafür, die Straßenqualität zu verbessern. Dēmos - Demokratisches Mobilitätssystem Initiatoren: Slock.it UG, Mittweida und innogy SE, Essen Die Plattform Dēmos nutzt Blockchain- Technologie, um den Nutzern verschiedener Mobilitätsdienste Souveränität über ihre Daten zu geben und ihnen zu ermöglichen, selbst zum Anbieter zu werden. DHL Paketkopter - Transport auch in entlegene Gebiete Initiator: DHL Paket, Bonn Mit dem Paketkopter ermöglicht DHL die schnelle und einfache Paketzustellung in schwer erreichbaren Gebieten. Die Integration des sogenannten „unbemannten Luftfahrsystems“ in die DHL-Logistikkette ver- Deutscher Mobilitätspreis 2017 Am 13. März startet die Best-Practice-Phase des Deutschen Mobilitätspreises 2017. Nachdem 2016 das Thema Teilhabe im Fokus stand, sind in diesem Jahr wegweisende Projekte zum Jahresthema Sicherheit gefragt. Organisationen aller Art mit Sitz in Deutschland können sich bis zum 23. April um die Auszeichnung bewerben. Informationen unter: www.deutscher-mobilitätspreis.de Andi Weiland | Sozialhelden e.V. CleverShuttle - GHT Mobility GmbH Dirk Ackner innogy SE DHL Paket GmbH POLITIK Innovationsförderung Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 12 bessert so die Infrastruktur und bietet einen gesellschaftlichen Mehrwert. easy.GO - Handy-App für Bus und Bahn im ÖPNV Initiator: TAF mobile GmbH, Jena easy.GO kombiniert Ticketing, ÖPNV, Auskunftsystem sowie weitere Mobilitätsangebote. Die Gratis-App nutzt frei verfügbare Daten des Personennahverkehrs und schafft so eine einzigartige Plattform. Hubject - eRoaming-Plattform für eine vernetzte Elektromobilität Initiator: Hubject GmbH, Berlin Eine Plattform ermöglicht anbieterübergreifendes Laden von Elektrofahrzeugen in ganz Europa. Dabei können die Ladestationen aller angeschlossenen Betreiber auch von Kunden dritter Anbieter im Markt gefunden und genutzt werden. KONUX - Smarte Bahninfrastruktur durch Sensordatenanalyse Initiator: KONUX GmbH, München Durch den Einsatz von Sensor- und Analyselösungen des Start-ups KONUX erhalten Bahnunternehmen in Echtzeit Einblick in den Zustand des Schienennetzes. Auf diese Weise lassen sich Ausfälle bereits im Voraus erkennen und beheben. Mobilfalt - Mobilität durch Vielfalt Initiator: Nordhessischer Nahverkehrsverbund, Kassel Eine intermodale Softwarelösung für den Verkehr auf dem Land integriert private Fahrten in den öffentlichen Verkehr und verschafft Bürgerinnen und Bürgern mehr Flexibilität bei Nutzung des ÖPNV. moovel - Die Mobilitäts-App Initiator: moovel Group GmbH, Stuttgart Die Mobilitäts-App „moovel“ kombiniert auf einer Plattform eine Vielzahl von Angeboten wie den Carsharing Anbieter car2go, Deutsche Bahn, mytaxi, Mietfahrräder und den öffentlichen Personennahverkehr. Durch die Möglichkeit zur Buchung und Bezahlung in der App erhalten Nutzer einfach und direkt Zugang zu Mobilität. Alle Preisträger des Deutschen Mobilitätspreises sind zu finden unter www.deutscher-mobilitätspreis.de/ preistraeger ■ Drei Zukunftsvisionen für eine intelligente Mobilität I n der Open-Innovation-Phase waren alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Online-Wettbewerbs eingeladen, Ideen zur Mobilität der Zukunft einzureichen. Die besten drei Einreichungen wurden mit dem Deutschen Mobilitätspreis prämiert. AMiCUS − A smart community driven supply service for rural areas Eine digitale Sharing-Lösung integriert private Fahrten in den Gütertransport und verbessert so die Versorgungssituation in ländlichen Regionen. Ideengeber: Florian Hoedt aus Höxter, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe im Forschungsschwerpunkt next Place (unter anderem innovative Mobilitätskonzepte) HokusPokus Kombibus - Bedarfsgerechter Logistikdienst für dünn besiedelte Regionen Mit vernetzten und flexibel konfigurierbaren Multifunktionsfahrzeugen entsteht ein intelligentes Logistik- und Dienstleistungssystem für ländliche Regionen. Ideengeberin: Sophie M. Lohring aus Brandenburg an der Havel, absolviert derzeit ein Masterstudium des Technologie- und Innovationsmanagements an der TH Brandenburg. Grüne Meilen - Gesellschaftliche Stärkung des Umweltverbundes Mit einem digitalen Prämiensystem sollen Menschen dazu motiviert werden, sich häufiger für die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel zu entscheiden. Ideengeber: David Pereira van Loock aus Nürnberg, studiert Urbane Mobilität an der Technischen Hochschule Nürnberg. ■ TAF mobile GmbH Hubject GmbH KONUX GmbH NVV moovel Group GmbH Wir machen es möglich. Mit unserer kommunalen Förderung für Klimaschutz durch Radverkehr. Mit vielen weiteren Förderprogrammen: www.klimaschutz.de/ moeglich Mit persönlicher Beratung vom Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz (SK: KK): (030) 390 01 - 170 POLITIK Sicherheit Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 14 Wenn Kriminelle das Steuer übernehmen wollen Die neuen Risiken der Transport- und Logistikindustrie Risiken, Cyberkriminalität, Digitalisierung, Industrie 4.0, Hackerangriffe, Datendiebstahl In der Euphorie um Industrie 4.0 und die hochtechnisierte Transport- und Logistikindustrie der Zukunft muss ein Hinweis auf die gleichzeitig entstehenden Risiken erlaubt sein. Wo professionelle Hacker und Datendiebe eine immer größere Gefahr darstellen, verlassen sich weite Teile der Branche auf den Status quo. Das muss sich ändern - und zwar schnell. Sonst wird die digitale Transformation ausgebremst. Tim Ahrens D as Nachrichtenmagazin Spiegel titelte „Hacker halfen Drogenschmugglern beim Containerklau“, und tatsächlich war der Fall so spektakulär wie raffiniert: Kriminelle heuerten Hacker an, die sich in die Systeme von zwei Logistikdienstleistern einklinkten. Bei scheinbar unverdächtigen Sendungen, etwa Bananen oder Holz, mogelten die Kriminellen jahrelang Heroin und Kokain aus Südamerika unter die Fracht. Die Hacker halfen, genau diese Container im Hafen Antwerpen wiederzufinden und zu stehlen. Ein solcher Coup wäre unmöglich ohne den heutigen verknüpften Material- und Datenfluss - und seine Schwachstellen. Wo Funkchips (RFID) selbstständig Daten senden, können nicht nur Hersteller und Transporteure herausfinden, wo sich ihre Ware gerade befindet. Nun gehört der geschilderte Fall aus 2013 in der schnelllebigen Welt der Digitalkriminalität wahrscheinlich schon zu den Klassikern. Er zeichnet die Richtung der Risiken aber eindeutig vor: Vernetzung bedeutet Angreifbarkeit. Neue Chancen, neue Risiken Nicht nur in Deutschland sind aus ehemals staatlichen Unternehmen weltweit tätige Transport- und Logistikdienstleister geworden. Hier macht die Digitalisierung vieles einfacher, schneller, präziser und effizienter. Was in dieser Euphorie oft vernachlässigt wird, ist aber die simple Formel, dass dort, wo neue Potenziale entstehen, parallel neue Risiken auftauchen. Risiken, die Wachstum, Fortschritt und sogar die sicher geglaubte Versorgung gefährden. Die Akteure sollten das schützen, worin sie erfolgreich sind. Eine dieser Gefahren heißt Wirtschaftsspionage: Vertrauliche Daten können ausgespäht werden. Nicht allein von Erpressern oder Drogenhändlern, wie im Fall Antwerpen geschehen. Immer öfter wird zum Beispiel aus Fernost versucht, das Geschäft der Konkurrenten zu sabotieren oder relevantes Wissen zu stehlen. Die Angreifer sind schon lange keine „Script Kiddies“ mehr. Sie sind oftmals staatlich beauftragt, gut organisiert und technisch hochgerüstet. Eine Studie von Ernst & Young (EY) zum Thema Datenklau beobachtet aber auch ein neues Szenario von Datendiebstahl, bei dem zunehmend Unternehmenszukäufe aus Fernost eine Rolle spielen 1 . Was schon vor der digitalen Transformation schwierig zu entdecken und aufzuklären war, droht mit dem Risikomanagement von gestern zu einer weit offenen Flanke zu werden. Sicherheit neu gedacht Das Dilemma: Das Gros der Entscheider weiß um die neue Kartografie der Risikolandkarten, doch die wenigsten tun etwas, um sich abzusichern. Vor allem das Thema Cyberkriminalität ist vielerorts ein Handlungs-, kein Erkenntnisproblem. Der Bundesverband der Informationswirtschaft Bitkom gibt an, dass schon heute die Kommunikationsinfrastruktur der Dienstleister zum häufigsten Angriffsziel gehört. Die Absicht: Telefonate abhören, Identitäten fälschen, illegitime Zahlungen anweisen, Kundendaten stehlen oder Unternehmen mit Sicherheitslücken erpressen. So kaperten im November 2016 unbekannte Hacker interne Computersysteme, einschließlich der E-Mails, des öffentlichen Nahverkehrsbetreibers von San Francisco und wollten sie nur gegen Lösegeld wieder freigeben. Die Attacke wirkte sich nicht auf den tatsächlichen Betrieb aus, allerdings wurden vorsorglich einige Ticketautomaten abgeschaltet; Verunsicherte Kunden standen an den Stationen. In diesem Fall kam es zu keinem großen Schaden, weil der Anbieter präpariert war. Das System lief laut USA Today zwei Tage später wieder normal. Jedoch können derartige Angriffe das Geschäft auch länger stilllegen. Wirklich strukturierte Maßnahmen gegen die neuen Risiken sind in Deutschland bisher kaum zu erkennen. Bisher waren sensibilisierte Mitarbeiter und der Reifegrad der IT-Sicherheit wirksame Schutzmechanismen - noch ist es in der Transport- und Logistikindustrie zu keinen bedeutsamen Fällen von Digitalkriminalität gekommen. Mit Blick auf die professionelle Landschaft der Angreifer mag das aber nur eine Frage der Zeit sein. Virtuelle Schwachstellen Noch hinkt die digitale Entwicklung in der Transport- und Logistikbranche den Möglichkeiten hinterher. Großes Potenzial haben beispielsweise die Bereiche Rail und Maritime, aber derzeit fehlt den meisten Akteuren die richtige Agenda. Dadurch werden die gleichzeitig aufkommenden Risiken nicht kleiner: Die Auswirkungen wären enorm, wenn Hacker im großen Stil in den Bahn- und Luftverkehr eingreifen oder auch Daten bei Fluggesellschaften stehlen. Was einerseits nützlich ist, kann andererseits angegriffen werden: GPS bestimmt die Position von Fahrzeugen, Haltestellen sind kameraüberwacht, ebenso die Logistiksowie Umschlagterminals mit ihren Zutrittskontrollsystemen. Konnten Einbrecher früher nur durch einige Türen oder Fenster ins Firmengebäude eindringen, bietet der digitale Fortschritt unendlich mehr Mög- Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 15 Sicherheit POLITIK lichkeiten für Kriminelle - jedes einzelne technische Gerät, das online ist, kann gehackt werden, sogar die Bordelektronik von Fahrzeugen oder Schiffen. Oder, um ganz simpel anzufangen: Mobiltelefone. Die Digitalisierung, verbunden mit rasant steigenden Datenmengen, macht herkömmliche IT-Sicherheits- und Compliance-Ansätze schrittweise obsolet. Allein schon deshalb, weil sich die Anzahl der Schnittstellen vervielfacht hat - denken wir an die Just-in- Time-Produktion der Automobilwirtschaft oder die Echtzeitkoordination von Cargotransporten zur See und in der Luft. Nun hat sich mit dem neuen IT-Sicherheitsgesetz - das derzeit für den Sektor Transport und Verkehr ausgearbeitet wird - auch der Staat des Themas angenommen. Gesetze sind gut, doch beim Blick in die Praxis offenbart sich ein besorgniserregend niedriges Verteidigungslevel. Selbst führende Unternehmen sind bestenfalls bedingt abwehrbereit. Gerade dort, wo die Personaldecke von IT-Abteilungen ohnehin dünn ist oder veraltete Technologie verwendet wird, identifizieren Hacker einfache Ziele. Die finanziellen sowie die Reputationsschäden können enorm sein: Angefangen bei verschwundenen Lieferungen, Sachschäden bis hin zum Verlust wertvoller Kunden- und Geschäftsdaten oder zu verlorenem Vertrauen bei den eigenen Kunden. Denken wir an die Millionen Menschen, die tagtäglich mit dem ÖPNV mobil sind. Schon heute geben sie sehr selbstverständlich persönliche Daten von sich preis - Ticketreservierungen, Reisedaten, Bankdaten. All diese sensiblen Informationen können in den falschen Händen Schaden anrichten. Effektives Notfallmanagement Die Verunsicherung in diesem Sektor ist groß. Das lässt sich unter anderem daran ablesen, dass es mittlerweile Versicherungen gibt, die Pakete für den virtuellen Angriffsfall anbieten. Doch wie sieht eine wirkungsvolle Maßnahme aus? Die schlechte Nachricht: Rundum-Sorglos-Pakete oder Komplettlösungen gegen Cybercrime gibt es nicht. Schlimmer noch: Jede Branche, jede Unternehmenskultur und jede IT-Infrastruktur verlangt nach einer individuellen Lösung. Die gute Nachricht: Lösungen liegen größtenteils schon in der Schublade. Zum Beispiel aus anderen Branchen, die sich quasi eine Epoche vorher mit Cyberkriminalität auseinanderzusetzen hatten - Banken oder Regierungen etwa. Und es tut sich viel. Der bemerkenswerte Paradigmenwechsel in der IT-Sicherheit geht weg von der Illusion, alles im Vorfeld verhindern zu können, hin zu schneller Erkennung und Reaktion. Was bedeutet das für die Praxis in der Transport- und Logistikindustrie? Ein erster Schritt ist immer die individuelle Erhebung der eigenen Risiken, ein sog. Risk Assessment. Bevor man sich an spezifische Lösungen und Compliance-Systeme wagen kann, lässt sich eine Reihe an Sofortmaßnahmen umsetzen. Aus der Beratungspraxis können das bspw. sein: • Hinterfragen, ob wirklich alles mit allem vernetzt werden muss - wo angreifbare Schnittstellen überhaupt notwendig sind • Schwachstellen wie die Fernwartung abschirmen • Daten von Transportketten nicht offenlegen, sondern gesondert schützen • Sicherheitschecks für Lieferwege einführen • Sensible Daten oder E-Mails verschlüsseln • Beobachten und verfolgen, welche Informationen im Netz veröffentlicht werden, - etwa Namen von Fahrern und Ansprechpartnern • Sichere Passwörter einsetzen, diese nicht offen liegen lassen und turnusmäßig ändern • Soft- und Hardware regelmäßig aktualisieren • Serverräume mit Codes verschließen • Zugangsdaten früherer Mitarbeiter löschen • Festplatten von Mobilgeräten verschlüsseln • Lösungen zum Thema „Bring your own device“ entwickeln und vermitteln • Notfallplan: klare Strategien für den Ernstfall festlegen, Fachleute sprechen hier von DFIR-Readiness Natürlich ergibt es Sinn, solche punktuellen Ansätze in ein bestehendes Compliance-System einzubinden. Angefangen bei einer soliden Risikoanalyse bis hin zu anlassbezogenen Hintergrundrecherchen, ITgestützten Integritätsscreenings und vollends integrierten Compliance- und Cyber- Security-Systemen. 4.0 denken, Standards setzen Die Signalwirkung, die in Sachen IT-Sicherheit und Compliance von Deutschlands drittgrößtem Wirtschaftsbereich ausgeht, ist kaum zu überschätzen. Was Logistiker und Transporteure jetzt richtig machen, wird sich auf andere Branchen auswirken und Maßstäbe setzen. Gelingt es ihnen nun, die Fragen der Industrie 4.0 erfolgreich zu beantworten, werden weitere nachziehen. Denken wir etwas in die Zukunft: Es ist nicht abwegig anzunehmen, dass Autobauer erst dann wirklich in autonom fahrende PKW investieren werden, wenn autonom fahrende LKW oder Züge gezeigt haben, dass die Innovationen sicher und praxistauglich sind. Das zu schaffen, geht allerdings weit über technische Fragen hinaus. Klar: Die neuen Möglichkeiten der Industrie 4.0 sind beeindruckend. Es wäre dennoch ein fataler Fehler, sich beim Aufbau wirkungsvoller Lösungen blindlings auf Technologie zu verlassen. Der menschliche Faktor ist entscheidend. Vor allem wenn es um Fehlverhalten und Kriminalität geht. Mitarbeiter dafür sensibilisieren Jede Firewall ist nur so gut wie der Mensch, der sie pflegt. Umsichtiges Handeln und „Awareness“ zählen nicht nur beim Vorstand, sondern auch beim Gabelstaplerfahrer und Lagerarbeiter. Wenn alle mitdenken, wenn Risiken bewusst und offenbar sind, können sich Mechanismen entwickeln, die genauso anpassungsfähig sind wie die Tricks der Kriminellen. Dann wird eine offene Tür schneller geschlossen als Unbekannte hindurchschlüpfen können. Klare Regelungen helfen: Wer darf im internen Netzwerk auf welche Daten zugreifen, und wer hat Zutritt zu sensiblen Bereichen im Haus? Praxisnahe Schulungen der Mitarbeiter oder Integritätsscreenings von Bewerbern - für das Fahren von Geldtransportern - sind schon gängige Praxis. Zentral ist auch, wie die Unternehmensleitung mit dem Thema Sicherheit umgeht, wie Transparenz, Integrität und Effizienz in der Unternehmenskultur verstanden, verknüpft und gelebt werden. Mitarbeiter, die sich trauen, mal nachzufragen, und die angstfrei auf Fehler hinweisen dürfen, sind der beste Schutz - selbst gegen die neuesten Formen von IT-Kriminalität oder Non-Compliance. Schutz von Wert und Werten Die Beispiele in den Medien beleuchten, welche ungewöhnlichen Wege Kriminelle wagen. Deshalb lieber ganzheitlich denken. Cybersicherheit betrifft mehr als nur die IT, ist weit mehr als ein Technikthema. Fingerspitzengefühl zählt. Denn schließlich ist die Frage nach „guter“ Governance keine Frage nach analogen oder digitalen Lösungen. Noch nicht einmal eine Frage von Technologie, sondern eine Frage nach menschlichem Verhalten. Auch daran müssen Sicherheits- und Compliance-Verantwortliche im Industrie 4.0-Zeitalter denken. ■ 1 Vgl. EY-Studie „Datenklau: neue Herausforderungen für deutsche Unternehmen“ Tim Ahrens Senior Manager Assurance Fraud Investigation & Dispute Services, Ernst & Young GmbH tim.ahrens@de.ey.com POLITIK China Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 16 Privates Kapital für Chinas Flughäfen Chancen und Risiken für in- und ausländische Investoren Flughäfen in China, Liberalisierung, Öffnung für privates Kapital Investitionen privater in- und ausländischer Kapitalgeber in chinesische Flughäfen waren in der Vergangenheit nur begrenzt möglich. Nach einer Guideline der Civil Aviation Administration of China vom 25.10.2016 haben in- und ausländische Privatunternehmen nunmehr die Möglichkeit, sich unbeschränkt im Flughafensektor der Volksrepublik China zu engagieren. Nach einem Rückblick auf die historische Entwicklung wird auf die neue Regelung eingegangen und eine erste Bewertung vorgenommen. Armin F. Schwolgin I n der Volksrepublik China liegt der Bau und Betrieb von Verkehrsflughäfen vor allem in den Händen der Civil Aviation Administration of China (CAAC) sowie denen der Provinzen und Städten. Seit Neuestem haben jedoch Privatunternehmen die Möglichkeit, sich ohne Restriktionen und Einzelfallgenehmigung im Bereich der Flughäfen zu betätigen. Die CAAC, die dem Ministry of Transport nachgeordnete Behörde für die Zivilluftfahrt, hat dies am 25.10. 2016 in der Guideline „Encouraging Capital Investment in the Construction and Operation of Civil Airports“ bekannt gegeben [1]. Um die Bedeutung und die mögliche Tragweite der Guideline der CAAC über die Öffnung des Flughafensektors für privates Kapital in der Volksrepublik China einordnen zu können, ist ein Rückblick auf den Luftfahrt- und Flughafensektor des Landes hilfreich. Historische Entwicklung Am 2. November 1949, bereits wenige Monate nach der Gründung der Volksrepublik China, wurde die Vorläuferorganisation der heutigen Civil Aviation Administration of China mit Sitz in Peking gegründet. (Bild 1) Sie erhielt die Zuständigkeit für die Administration und Regulierung des zivilen Luftverkehrs und war zugleich die einzige Betreiberin von Zivilflughäfen und Zivilflugzeugen. Bis 1980 unterstand die CAAC der Volksbefreiungsarmee (PLA) und hatte betrieblich zu Beginn auch die Funktion der Flugbereitschaft (Bild 2). Im Jahre 1980 wurde sie direkt dem Staatsrat zugeordnet und bekam den Rang eines Ministeriums [2]. Trotz ihrer Stellung agiert sie bis heute in wichtigen Fragen keineswegs autonom, sondern ist bei vielen Entscheidungen auf die National Development and Reform Commission (NCRC) angewiesen. Zu deren Aufgaben gehört neben der Ausarbeitung der Fünfjahrespläne die Bewertung und Genehmigung von großen Bauvorhaben, wie z. B. die von Flughäfen [3]. Nach der (weitgehenden) Abkopplung von der Armee war die „Temporary Provision of Airport Management“ vom Februar 1989 ein zweiter wichtiger Meilenstein, der zur Ausgründung der Fluggesellschaften aus der CAAC und vor allem zu der Lokalisierung bzw. Regionalisierung von Flughäfen führte [4]. Seit 2008 untersteht die CAAC dem neu gegründeten Ministry of Transport. Neben den Aufgaben einer Regulierungs- und Aufsichtsbehörde zählt bis heute der Bau und sichere Betrieb von Zivilflughäfen zu den Hauptfunktionen der CAAC [5]. Über die Capital Airport Holding Company Ltd. (CAH) ist die CAAC nicht nur Regulierungs- und Aufsichtsbehörde für den Flughafensektor, sondern selbst auch sehr aktiv im Airport Management tätig. Innerhalb der CAAC widmen sich das Department für Airports und das Finance Department speziell den flughafenspezifischen Aufgaben. Ersteres hat insbesondere die folgenden Zuständigkeiten: Oversee and manage the construction and safe operation of civil airports. Give approval to the site selection, overall planning, and engineering design for civil airports, and manage the licensing of airport use; manage en- Bild 1: Sitz der Civil Aviation Administration of China in Peking Foto: A. F. Schwolgin Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 17 China POLITIK vironmental protection, land use, and obstacle clearance protection for civil airports; oversee and manage civil aviation engineering and construction quality [6]. Das Finance Department ist neben den typischen Aufgaben aus den Bereichen Finanzierung und Controlling für die Unterstützung des Aufsichtsrats der CAH zuständig, wobei es insbesondere um Fragen der Compliance, der finanziellen Performance und Personalfragen geht [7]. Liberalisierung und Öffnung Im Zuge der Umgestaltung der gesamten chinesischen Wirtschaft wurde die Zivilluftfahrt ebenfalls von der staatlichen Planwirtschaft auf marktwirtschaftliche Strukturen und betriebswirtschaftliche Steuerung umgestellt. Dabei kam es zu einer schrittweisen Deregulierung und einer Organisationsprivatisierung vieler Behörden und staatlicher Institutionen. Der Flughafensektor ist trotz seiner (militär-) strategischen Bedeutung keine Ausnahme geblieben. Die im Westen dazu verfügbare Literatur ist jedoch noch begrenzt [8]. Nach der Gründung der Volksrepublik China wurde die CAAC zunächst zur alleinigen Eigentümerin und Betreiberin der Flughäfen. Im Zuge der Regionalisierung wurde diese Politik deutlich gelockert [9]. Heute gibt es drei Eigentümerstrukturen: Zur ersten Variante gehört die CAAC als Eigentümerin großer oder politisch wichtiger Flughäfen. Die zweite Konstruktion sind die im gemeinsamen Besitz von der CAAC und Gebietskörperschaften stehenden Flughäfen. Die dritte Gruppe sind die den Provinzen und Städten gehörenden Flughäfen (Bild 3). Die CAAC hält über die CAH fast 40 Flughäfen, darunter vor allem den Beijing Capital International Airport (BCIA) in der Hauptstadt. Auf die Flughäfen der CAH entfallen ca. 30 % des Passagieraufkommens [10]. Hierfür sind politische Gründe ausschlaggebend; dies gilt insbesondere für Peking und die sechs Flughäfen in der autonomen Region Tibet [11]. Eine gemischte Trägerschaft von CAAC und Stadt gibt es bei den beiden Flughäfen in Shanghai. Zu den regionalisierten Flughäfen im Besitz der Provinzen und Städte gehört z. B. die China West Airport Group, deren Eigentümer die Provinzen Shaanxi, Gansu, Ningxia und Qinghai sind. Am bekanntesten und wichtigsten ist der Flughafen Xi’an Xianyang International [12], der im Ranking nach der Zahl der Passagiere auf Platz neun liegt. Im Jahre 2004 wurde die Yunnan Airport Group gegründet, zu der zwölf Flughäfen gehören, darunter der Kunming Changshui International Airport. Dieser ist nach Peking, Shanghai und Guangzhou der siebtgrößte Hub in China [13]. Mit 16 Flughäfen ist die HNA Airport Group Company Ltd. ein weiterer wichtiger Flughafenkonzern. Die Flughafengruppe gehört zur Hainan-Holding, die wiederum dem Hainan Provincial State Assets Supervisory and Management Committee untersteht [14]. Wachsende Zahl von Flughäfen Die Zahl der Flughäfen in der Volksrepublik China ist von 1950 bis heute stark gestiegen, wobei es zwischen 1975 und 1987 und in den Jahren 1995 bis 2005 einen Stillstand gab [15]. Zum Jahresende 2004 existierten insgesamt 142 Flughäfen, davon 25 als 4E klassifiziert (u. a. ausgelegt für B747 und A340), 35 weitere als 4D und 53 als 4C. Eine Dekade später waren nach Angaben der CAAC insgesamt 210 Verkehrsflughäfen in Betrieb. Acht Flughäfen sind als 4F (geeignet für A380) und 30 weitere als 4E eingestuft [16]. Im Jahre 2014 wurden zwölf große Flughafenprojekte genehmigt oder begonnen. Herausragend davon sind der neue Flughafen in Peking und der Ausbau des Flughafens Chongqing Jianbei [17]. In Shanghai Pudong soll neben der im Bau befindlichen vierten Startbahn in eine fünfte und in neue Terminals investiert werden [18]. Ende 2015 hat sich die Gesamtzahl der zivilen Verkehrsflughäfen um acht auf 210 erhöht [19]. Nach einer neueren Quelle wird für 2020 eine Gesamtzahl von 272 erwartet [20]. Ministry of Transport (seit 2008) Civil Aviation Administration of China (CAAC) 1949 - 1980 der Volksbefreiungsarmee (Luftwaffe) unterstellt 1980: dem Staatsrat unterstellt (Ministeriumsrang) 1989: Abspaltung des Flugbetriebs (Gründung von sechs staatlichen Zivilfluggesellschaften) 2002: Gründung der Capital Airports Holding Company (Fusion mehrerer Vorläufergesellschaften) Flughafengesellschaft Capital Airports Holding Company (CAH) (Management Holding) Beijing Capital Airport Holding Company, Beijing Capital International Airport Company Ltd., Tianjin Binhai International Airport, China Airport Construction Corporation, Jinfei Economic Development Company Ltd. Civil Engineering Consulting Company of China Regulierungs- und Aufsichtsbehörde Bild 2: Staatliche Zuständigkeiten für den Luftfahrtsektor regionale Flughafengesellschaften Capital Airport Holding Company (CAH) Beijing Capital International Airport und mehr als 30 weitere Flughäfen u. a.: Tianjin, Jiangxi Airport Group, Hubei Airport Group, Chongqing Airport Group, Guizhou, Jilin Airport Group, Inner Mongolia, Heilongjiang, Tibet China West Airport Group (12) Yunnan Airport Group (12) HNA Airport Group (16) 210 Verkehrsflughäfen Klasse 4F: 8 - Klasse 4E: 30 - Klasse 4D: 40 - Klasse 4 C: 113 - Klasse 3 C: 10 - Klasse 1B: 1 CAAC & Region CAAC Civil Aviation Administration of China Shanghai Airport Group Shanghai Hongqiao International Airport Shanghai Pudong International Airport Bild 3: Träger ausgewählter chinesischer Zivilflughäfen POLITIK China Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 18 Private und ausländische Beteiligungen Weltweit wurden Verkehrsflughäfen bis etwa 1990 von der Öffentlichen Hand betrieben; sie galten in der Regel als Teil der Daseinsvorsorge [21]. Angesichts des politischen Systems in der Volksrepublik China ist es nicht verwunderlich, dass auch dort der Staat (Zentralregierung, Provinzen, Städte) Eigentümer und Betreiber von Flughäfen war und bis heute im Prinzip geblieben ist. Bis 1994 war es Ausländern nicht erlaubt, in der chinesischen Zivilluftfahrt zu investieren. Eine wesentliche Änderung ergab sich durch die „Notice on Policies Concerning Foreign Investment in Civil Aviation“. Die Grenze für Flughafenbeteiligungen wurde bei 49 % des Stammkapitals gezogen. Die „New Regulation for Foreign Investment in Civil Aviation Industry“ vom 01.08.2002 liberalisierte die Beteiligung an chinesischen Fluggesellschaften weiter, hielt an der maximalen Beteiligung an Flughäfen von 49 % jedoch fest. Der Auslandsanteil konnte danach maximal 60 % betragen, wenn kein ausländischer Investor allein mehr als 40 % hielt [22]. Im Jahre 2005 wurde die „Provision of Domestic Investment in the Civil Aviation Industry“ erlassen, nach der kleine Flughäfen mehrheitlich im Besitz chinesischer Privatanleger sein konnten und inländische Investoren Beteiligungen an Großflughäfen halten durften [23]. Ein Meilenstein der Öffnung des Flughafensektors war der Börsengang der Xiamen International Airport im Jahre 1996. Zwei Jahre später folgten Shanghai Hongqiao International Airport Co. Ltd. und Shezhen International Airport. Im Jahre 2000 öffnete sich der Beijing Capital International Airport (Capital Airports Holding) privatem Kapital, 2002 folgte Haikou Meilan International Airport (Hainan Airport Group) und 2003 der Guangzhou Baiyun Airport Co. Ltd. Die wesentlichen Börsengänge und die daraus resultierenden Investitionen privater Investoren zwischen 1996 und 2003 sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Bejing Capital International Airport Co. Ltd. hat 2010 zudem zwei Anleihen emittiert, die an der Börse von Shanghai gelistet sind. Eine wesentliche Direktbeteiligung außerhalb der Börse erfolgte 2007 mit 24,5 % durch die Fraport AG am Flughafen in Xian, einer Tochtergesellschaft der West China Airport Group [24]. Im Frachtbereich engagierte sich die Deutsche Lufthansa AG mit 29 % an der Shanghai Pudong International Airport Cargo Terminal und mit 50 % an dem International Cargo Centre Shenzhen. Die Deutsche Lufthansa AG ist über weitere Direktbeteiligungen in China engagiert [25]. Die Beteiligungen von Aéroports Paris am BCIA (2000) und Copenhagen Airports (2002) wurden 2007 wieder verkauft. Guideline der CAAC von 2016 Die CAAC hat am 25.10.2016 eine Guideline mit dem Titel „Encouraging Social Capital Investment in the Construction and Operation of Civil Airports“ veröffentlicht und diese den Regierungen der Provinzen, den Regionalbüros und Tochtergesellschaften der CAAC, den Fluggesellschaften, Flughäfen und Flughafendienstleistern zugestellt (Bild 5). Gleichzeitig wurde ein Bericht, der von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua gezeichnet ist, im Netz und in den Printmedien veröffentlicht [26]. Nach der bisher offiziell nur auf Chinesisch vorliegenden Guideline will die CAAC die Gründung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen fördern. Diese sollen verstärkt den Bau und Betrieb von Flughäfen übernehmen. Damit will die CAAC die Zahl der in rein staatlichem Besitz stehenden oder staatlich kontrollierten Flughäfen reduzieren sowie die „Servicequalität und Effizienz“ steigern. Private Investitionen an ausschließlich zivil genutzten Flughäfen bedürfen jetzt für Investitionen in Terminals, Logistik und Läger, Bodendienstleistungen und andere Dienstleistungen keinerlei gesonderten Einzelgenehmigungen mehr. Bild 4: Flughafen Shanghai Hongqiao International Foto: A. F. Schwolgin Flughafengesellschaft Börsengang Börse Staatsanteil 2003 Aktientyp Xiamen International Airport 1996 Shanghai 75 % A-Aktie Shenzhen International Airport 1998 Shenzhen 64 % A-Aktie Shanghai Hongqiao International Airport 1998 Shanghai 63 % A-Aktie H-Aktie Beijing Capital International Airport 2000 Hong Kong 65 % A-Aktie H-Aktie Haikou Meilan International Airport 2002 Hong Kong 52 % A-Aktie H-Aktie Guangzhou Baiyun International Airport 2003 Shanghai 60 % A-Aktie A-Aktien können nur von Investoren aus Mainland China erworben werden oder von Qualified Foreign Institutional Investors (QFII) bzw. von Renminbi Qualified Foreign Institutional Investors (RQFII). H-Aktien werden in Hong Kong gehandelt und können von Ausländern gekauft werden. Terminals ausländischer Investor Shanghai Pudong International Airport Cargo Terminal Deutsche Lufthansa AG 29 % International Cargo Centre Shenzhen Deutsche Lufthansa AG 50 % Xian Xianyang International Airport (nicht börsennotiert) Fraport AG 24,5% Tabelle 1: Beteiligungen privater Investoren an ausgewählten Flughäfen in China Quelle: Graham, a.a.O., S.18, Kong, a.a.O., S. 6-7 und eigene Recherche Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 19 China POLITIK Die Beteiligung privater Unternehmen am Bau und Betrieb von Flughäfen und der entsprechenden Nebenbetriebe (Ground Handler, Catering, etc.) soll durch Franchise-Verträge, den Transfer von Betriebslizenzen, die Einräumung von Aktionärsrechten oder die Aufgabenübertragung erreicht werden. Qualifizierte private chinesische und ausländische Investoren können nunmehr „intermediate services“ anbieten. Dazu gehören Beratungsleistungen sowie die Planung und Instandhaltung von Zivilflughäfen. Fragezeichen bleiben Nach der Veröffentlichung der Guideline über die Öffnung des Flughafensektors fand auf den chinesischen Internet-Plattformen eine durchaus lebhafte Diskussion statt. Dabei ging es vor allem um die Fragen des Kreises der Investoren und der zugelassenen Bereiche. Über die politische und rechtliche Verankerung der Guideline bestehen im Hinblick auf die tatsächliche Ausgestaltung sowie bezüglich der Wirtschaftlichkeit eventueller Engagements noch Unklarheiten. Entscheider sollten generell bedenken, dass eine offiziell verkündete Reform in China eine geringere Tragweite hat als in anderen Ländern [27]. Ob die Guideline mit dem 13. Fünfjahresplan kompatibel ist, kann nicht wirklich beurteilt werden. Der offizielle Text enthält zur weiteren Öffnung des Luftverkehrsmarktes keinen Hinweis. In Part VII, Section 4 wird lediglich der Ausbau verschiedener Flughäfen in den Metropolen und in den Regionen angesprochen. Bis 2020 sollen „wenigstens 50“ [28] neue Zivilflughäfen entstehen. Der Vorschlag des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Chinas vom 29.10.2015 ist demgegenüber präziser und weitergehend. Dort wird die Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur, einschließlich der Zivilluftfahrt, angesprochen. Konkret wird die Öffnung der „natürlichen Monopole“ für den Wettbewerb als Zielsetzung genannt, wobei auch die Zivilluftfahrt ausdrücklich Erwähnung findet [29]. Da die CAAC in der Guideline aber explizit Bezug auf zwei Opinions des Staatsrates nimmt (Opinions of Deepening Investment and Financing System Reform; Opinions of State Council on Encouraging and Guiding Healthy Development of Private Investment), kann zunächst davon ausgegangen werden, dass die verkündeten Änderungen quasi Gesetzeskraft haben. Andererseits ist zu bedenken, dass die Verlautbarung der CAAC im Hinblick auf die Beteiligung von ausländischen Investoren in sich nicht stimmig ist. Es wird zwar durchgängig von „Social Capital“ im Sinne von privatem Kapital gesprochen. Ausländische Unternehmen werden jedoch erst im letzten Satz des Abschnitts 1 der Guideline (vgl. Bild 5) gesondert erwähnt. Da dort Bau und Betrieb speziell angeführt werden, ist anzunehmen, aber keineswegs sicher, dass der Markt auch tatsächlich für ausländisches Kapital offen ist. Ob die gewählte Diktion ein redaktionelles Versehen oder politisch gewollt ist, muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen bleiben. Trotz der relativ weitgehenden Öffnung und Liberalisierung des Flughafensektors werden große Drehkreuze und Flughäfen an strategisch wichtigen Orten aber weiter in Staatsbesitz bleiben oder zumindest staatlich kontrolliert sein. Dies dürfte vor allem für die Flughäfen der Capital Airports Holding und jene in den politisch sensiblen autonomen Regionen wie Tibet oder Xinjiang Uygur im Westen gelten. Demgegenüber wird es für die Tier III- und Tier II- Flughäfen (weniger als 5 Mio. bzw. mehr als 5 Mio. Fluggäste) wohl keine Sperrminorität der öffentlichen Hände geben. Die neuerliche Initiative der CAAC ist schließlich kaum als freiwilliger Beitrag zur Liberalisierung der Zivilluftfahrt zu werten, sondern gehorcht eher der schieren Notwendigkeit, die sich aus dem sehr starken Wachstum des chinesischen Luftverkehrs ergeben hat. Der Markt ist in den Jahren 2006 bis 2015 im Passagierwie im Frachtbereich jährlich um gut 12 % gewachsen. Dies hat zu verschiedenen Engpässen im zivil nutzbaren Luftraum, bei der Flugsicherheit und nicht zuletzt bei der Flughafeninfrastruktur geführt. Für die Dauer des 13. Fünfjahresplans (2016-2020) und darüber hinaus wird von der CAAC ein Wachstum des Luftverkehrsmarktes von 10 % angenommen [30]. Daraus leitet sich ein entsprechender Bedarf in allen Bereichen ab. Boeing geht in dem Zeitraum der nächsten 20 Jahre von 6810 neuen Flugzeugen aus, Airbus von 5970 Flugzeugen [31]. Die Commercial Aircraft Corporation of China (COMAC) nennt sogar 8107 Maschinen, wobei in dieser Zahl vermutlich chinesische Maschinen und kleinere Propellerflugzeuge enthalten sind [32]. Unabhängig von den genauen Zahlen ist klar, dass es weitere und größere Flughäfen in Metropolen aber auch Regionalflughäfen geben muss. Der hieraus entstehende Bedarf kann nicht allein mit Mitteln der Öffentlichen Hand finanziert werden. Mit der Marktöffnung des Flughafensektors hofft die Regierung, den Bau von Zivilflughäfen zu beschleunigen und zugleich die finanziellen Belastungen der Öffentlichen Hand zu mindern. Die chinesische Verkehrspolitik ist (wie die anderer Länder) nicht nur rein verkehrlich bestimmt, sondern dient zugleich als Instrument anderer Politiken, z. B. für die Konjunktur- und Wachstumspolitik oder regionale Wirtschaftspolitik. Neben dem Bau von Straßen und Eisenbahnlinien spielen dabei die Flughäfen eine große Rolle. Es gibt aber auch Zweifel an „Airport Economics“ als regionale Wirtschaftspolitik. Tao Wang vom Carnegie-Tsinghua Centre for Global Policy in Peking vertritt die Ansicht, dass angesichts des Ausbaus der Hochgeschwindigkeitsstrecken der China Railway Fully Liberalize Civil Airport Construction and Operation 1. Any civil airport projects that are in line with the national civil transport airport layout planning, the state approved the special planning, regional planning, and transportation industry planning are open to social capital. 2. Reducing the number of state-owned or state-controlled airports. There is no restriction on state-owned shares in transport airports, except that hub airports and strategically located airports should be state-owned or state-controlled. Further liberalize civil airport investment on airlines and air service companies including aviation fuel providers. 3. Fully liberalize the construction of general airports, and impose no restrictions on the sources of investment. Liberalize the general aviation airport investment restrictions. 4. Liberalize the entrance of civil aviation intermediary services. The state-owned enterprises, private enterprises, foreign-invested enterprises, mixed ownership enterprises and other investment and management entities can participate in civil airport consulting, design, construction, operation, maintenance and other services. Bild 5: Auszug aus der Guideline der CAAC zur Öffnung des chinesischen Flughafenmarktes (inoffizielle Übersetzung aus dem Chinesischen von June Zhang) POLITIK China Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 20 Corp. der Ausbau der Flughäfen nicht notwendig sei. Ähnlich äußert sich Dadao Lu von der Chinese Academy of Sciences [33]. Ausländische Investoren sollten sich vor einem Engagement in China neben den politisch-rechtlichen Gegebenheiten auch sehr genau über die wirtschaftliche Tragfähigkeit informieren. Im Jahre 2004 waren nur 43 Flughäfen profitabel, 75 % machten Verluste. Daran hat sich seither wohl wenig geändert [34]. Die CAAC nennt für 2015 dagegen bei Gesamtumsätzen von 80,11 Mrd. Yuan einen „profit“ von 10,68 Mrd. Yuan [35]. Legt man die Usancen der Berichterstattung der staatlichen China Railways zugrunde, könnte es sich bei dem „profit“ um ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) handeln. ■ LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Xinhua: China fully opens civilian airport sector for private capital to fly in, in: Shanghai Daily vom 1.November 2016, S. 11. 2 Ursprünglich hieß die Behörde “Civil Aviation Bureau of the Central Government People Revolutionary Military Commission“. 1954 erfolgte die Umbenennung in “General Administration of Civil Aviation in China“. Vgl. China Airport Construction Group Corporation: Group History, in: www.cacc.com.cn/ templates/ contentEn/ index.aspx? nodeid=57, abgerufen am 8.12.2016. Die Registerkarte “our history“ auf der Homepage der Luftfahrtbehörde CAAC ist nicht gefüllt, vgl. www.cacc. com.cn/ templates/ contentEN/ index.aspx? nodeid=57. 3 Vgl. NDRC: Main Functions of the NDRC, in: http./ / en.ndrc.gov.cn/ mfndrc, abgerufen am 18.12.2016. 4 Vgl. Yang, Xiuyun, Tok, Sow Keat, Su, Fang: The privatization and commercialization of China’s airports, in: Journal of Air Transport Management 14 (2008), S. 244. Eine Ausnahme ist der Beijing Nanyuan Airport in der Hauptstadt. Vgl. China United Airlines: Introduction, in: http: / / www.at0086.com/ CUA/ , abgerufen am 7.12.2016. Allerdings wird die Doppelnutzung nach der Eröffnung des zweiten großen Zivilflughafens im Pekinger Distrikt Daxing (46 km vom Tiananmen Platz, 67 km vom Beijing Capital International Airport) ein Ende haben, da die Airline dann ihr Hub dorthin verlegen wird. Bemerkenswert ist, dass die CAAC sich an dem Projekt finanziell direkt mit 18 Mrd. Yuan beteiligt. Formal ist die Capital Airports Holding Co. General Manager und Eigentümer des neuen Großflughafens, sie wird 6 Mrd. Yuan aufbringen. Die restlichen 56 Mrd. Yuan sollen durch privates Kapital und Bankkredite aufgebracht werden. Lei, Zhao: New Beijing airport to be operational in 5 years, in: China Daily vom 25.12.2014, in: http: / / www.chinadaily.com.cn/ china/ 2014-12/ 25/ content_19162376.htm, abgerufen am 5.12.2016. 5 Vgl. CAAC: Main functions of CAAC, in: www.caac.gov.cn/ en/ GYMH/ ZYZN, abgerufen am 2.12.2016. 6 CAAC: Main functions of CAAC, in: http: / / www.caac.gov.cn/ en/ GYMH/ ZYZN/ , abgerufen am 5.12.2016, Hervorhebung vom Verfasser. 7 CAAC: Department of Finance, in: http: / / www.caac.gov.cn/ en/ GYMH/ BMJS/ 201602/ t20160217_28419.html, abgerufen am 5.12.2016. 8 Vgl. hierzu Wang, Jiaoe; Bonilla, David; Banister, David: Air deregulation in China and its impact on airline competition 1994 - 2012, in: Journal of Transport Geography, January 2016, S. 12 - 23. Tiefer gehend, aber nicht mehr ganz aktuell sind: Zhang, Y.; Round D. K.: China’s airline deregulation since 1997 and the driving forces behind the 2002 airline consolidations, in: Journal of Air Transport Management 14 (2008) S. 130 - 142; Yang, Xiuyun, Tok, Sow Keat, Su, Fang: The privatization and commercialization of China’s airports, in: Journal of Air Transport Management 14 (2008), S. 243 - 251; Steer Davis Glean: Study on airport ownership and management on the ground handling market in selected non-EU countries. Final report June 2016, prepared for DG Move, European Commission, London 2016. 9 Vgl. Zhang, Jun; Cao, Xian-Bin; Du, Wen-Bo; Cai, Kai-Quan: Evolution of Chinese airport network, Physica A 389 (2010), S. 3922 - 3931, hier S. 3923. Sowie Wang/ Bonilla/ Banister [8], a.a.O. 10 Capital Airports Holding Company: CAH Introduction, in: https: / / web.archive.org/ web/ 20081018095013/ http: / / www.cah.com.cn/ en/ about.aspx, abgerufen am 13.12.2016. Die Zahlen stammen offensichtlich aus dem Jahre 2007, aktuellere Angaben waren nicht verfügbar. 11 Xinhuanet: World’s highest-altitude airport planed on Tibet, in: http: / / news.xinhuanet.com/ english/ 2010- 01/ 12/ content_1279, abgerufen am 9.12.2016. 12 China West Airport Group: Operating Airports, in: http: / / www.westaport.com/ en/ view.php? cat_id=1701 und China West Airport Group: About us, in: http: / / www.westaport.com/ en/ view.php? id=5106, beide abgerufen am 9.12.2016. 13 Vgl. Yunnan Airport Group: Organization, in: http: / / english.ynairport.com/ organization.jhtml, abgerufen am 28.11.2016 und dieselbe: Profile of Kunming Changshui International Airport, in: http: / / english.ynairport.com/ airport.jhtml, abgerufen am 28.11.2016. Das auf der Homepage angebenene Ranking auf Platz vier ist nicht nachzuvollziehen. Vgl. Steer Davis Glean [8], a.a.O., S. 51. 14 Vgl. HNA-Holding: Airport Management, in: http: / / www.hnagroup. com/ en/ business/ hna-holding/ airport-management/ airport-management.html. 15 Vgl. Zhang et al., S. 3923. 16 Vgl. CAAC: Airport Construction and Management, in: China Civil Aviation Annual Repoprt 2014, S. 68. 17 Vgl. Ebenda, S. 70-72. 18 Vgl. Cao, Cherry: Pudong airport on expansion trajectory, in: Shanghai Daily vom 1.11.2016, S. 11. 19 Vgl. CAAC: Statistical Bulletin of Civil Aviation Industry Development, a.a.O., S. 14 Airport und construction and Management, a.a.O., S. 14. 20 Vgl. Ankenbrand, Hendrik: Wenn es nieselt, fallen in China die Flüge aus, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.6.2016, S. 21. Divergierende Angaben finden sich bei ADB Airfield Solutions: The future of Aviation in China. How innovation is vital to support China’s aviation ambitions, o. O., o. J. (Zaventem (Belgien) 2015), S. 12, sowie bei Dave, Neil: Market insight: Chinese Airport Development, edt. by Frost & Sullivan, 2012. Die Studie von Brooks Events (The People’s Republic of China Airports. Capital Investments Programmes - 2014) konnte nicht ausgewertet werden. 21 Vgl. Graham, Anne: Managing airports. An international perspective, 4th edition, Abington 2013, S. 8 - 9. 22 Vgl. Zhang, Yahun; Round, David K.: China’s airline deregulation since 1997 and the driving forces behind the airline consolidations, in: Journal of Air Transport Management 14(2008), S. 130 - 142, hier S. 133 - 134. Kong, Yue: Comprehensive Review of Airport Business Models, ACI Asia Pacific Young Executive of the Year Award Submission, o. O., November 29, 2010, in: http: / / www.aci-asiapac.aero/ services/ main/ 14/ upload/ service/ 14/ self/ 55cc63b597535.pdf, abgerufen am 30.12.2016. 23 Vgl. Yang et al. S. 245f. 24 Vgl. Fraport AG: Xi’an Xianyang International Airport XIY, in: http: / / www.fraport.de/ content/ fraport/ de/ konzern/ fraport-weltweit/ flughaefen/ xi-an-xianyang-international-airport--xiy-.html, abgerufen am 30.12.2016. 25 Vgl. Deutsche Lufthansa AG: Lufthansa Group in China (Juni 2014), in: http: / / www.lufthansa.co m/ mediapool/ pdf/ 06/ media_1240375506.pdf, abgerufen am 14.12.20126. 26 Vgl. Xinhua, a.a.O. sowie CAAC: Encouraging Social Capital Investment in the Construction and Opration of Civil Airports, datiert vom 25.10.2016 ( 民航局关于鼓励社会资本投资建设运 营民用机场的意见 ),übersetzt von June Zhang. 27 Vgl. Ankenbrand, a.o.O. 28 Central Committee of the Communist Party of China: The 13th Five- Year Plan for Economic and Social Development of the People’s Republic of China. 2016 - 2020, Beijing 2016, Chapter 29, Box 10. 29 Vgl. CPC Central Committee: Suggestions of the CPC Central Committee on the Thirteenth Five-Year Plan for National Economic and Social Development. Adopted by the Fifth Plenary Session of the Eighteenth CPC Central Committee on October 29, 2015, Peking 2015, S. 12. 30 Li, Jun: Success in and challenges of China’s air transport safety. Speech at the 2nd Beijing International Forum an Civil Aviation Safety, in: http: / / www.cata.org.cn/ English/ ZHJL/ CBFCAS/ 201609/ P020160927446616194017.pdf 31 Airbus: China will need almost 6,000 new aircraft in the next 20 years, ress release 2 November 2016, in: www. abgerufen am 15.12.2016 sowie Boeing: Boeing forecasts demand in China for 6,810 airplanes, valued at $1 trillion, PR newswire, September 13, 2016, in: http: / / boeing.mediaroom.com / 2016-09-13-Boeing-Forcasts, abgerufen am 15.12.2016. 32 Vgl. Chen, Celia: Boeing, Airbus Showcase Technology, Manufacturing Commitments at Zhuhai Airshow, in: http: / / www.chinaaviationdaily.com/ news/ 57/ 57735.html, abgerufen am 18.12.2016. 33 Vgl. o. V.: Aerotropolian ambitions, in: The Economist vom 14.3.2015, S. 51-52; Reuters: China’s overbuilding produces white elephants - like empty airports, in: South China Morning Post vom 10.4.2015 34 Vgl. Yang et al., a.a.O., S. 250 sowie ADB Airfield Solutions, a.a.O., S.-17. 35 Vgl. CAAC: China Civil Aviation Annual Report 2015, S. 16. Armin F. Schwolgin, Prof. Dr. Studiengangsleiter BWL-Spedition, Transport und Logistik, Duale Hochschule Baden-Württemberg , Lörrach; Adjunct Professor Beijing Wuzi University, Distinguished Professor Yanching Institute of Techology schwolgin@dhbw-loerrach.de Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 21 D ie derzeitige EU-Kommission ist angetreten, die Flut der Gesetzesvorschläge einzudämmen. Weniger soll mehr sein, und Brüssel müsse sich ja nicht um alles kümmern. So weit, so gut. Eine Folge der neuen Strategie: Neuerdings schnürt die Behörde große Gesetzespakete oder -initiativen. Sie können so umfangreich sein, dass Details in den präsentierten Vorschlägen schon mal untergehen. Dieses Schicksal widerfuhr etwa der „EU- Strategie für C-ITS“. Untertitel: „Ein Meilenstein hin zu kooperativem, verbundenen und automatischen Fahren“. An dieser „Strategie“ hatten die Experten der Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG Move) lange gearbeitet. Die Kommissions-Spitze entschied Ende des vergangenen Jahres, den „Meilenstein“ im Rahmen ihres umfassenden Energiekonzepts vorzustellen. Als dieses „Winterpaket“ am 30. November 2016 präsentiert wurde, fanden die energiepolitischen Aspekte breite Aufmerksamkeit. Kaum jemand beachtete die darin enthaltene „EU-Strategie für C-ITS“, die indirekt auch mit Energiesparen zu tun hat, bei der es zunächst aber um die Digitalisierung des Verkehrs geht. Stellen Sie sich vor, ein LKW wird über die Farbe der Ampel so rechtzeitig informiert, dass der Fahrer mit angepasster Geschwindigkeit immer „grüne Welle“ hat. Er kann so Stop-and-Go vermeiden, die durch ständiges Bremsen erhöhte Feinstaubbelastung der Umwelt reduzieren und Treibstoff sparen. Notwendig dafür wäre nur, dass Fahrzeug und Ampel kommunizieren. Oder: Ein Stau endet genau hinter einer Kurve. Das letzte Auto könnte ihm folgende Fahrzeuge warnen - wenn es in der Lage wäre, sich mit ihnen zu verbinden. Diese Beispiele beschreiben zwei von 13 digitalen Diensten, die - wenn nicht heute schon - zumindest kurzfristig realisierbar sind. Ermöglicht werden sie durch C-ITS: Cooperative Intelligent Transport Systems oder verbundene intelligente Verkehrssysteme. Ihnen wird nachgesagt, dass sie in den nächsten 20 Jahren die Mobilität stärker verändern, als es die vergangenen 100 Jahre getan haben. C-ITS könnten in Europa aber nur einen Bruchteil ihres Segens entfalten, wenn die Mitgliedstaaten der EU jeweils eigene technische und legale Voraussetzungen dafür schüfen. Deshalb wollen die Experten von DG Move mit einigen unionsweiten Vorschriften für Rechtssicherheit sorgen und der Industrie einen Rahmen für die C-ITS-Anwendungen spannen. Sie legen Wert auf die Feststellung, dass ihre Vorstellungen nicht allein auf Automatisierung zielen. Sie sind überzeugt, dass Automatisierung erst dann vollständig effizient ist, wenn Konnektivität sie ergänzt: wenn also verschiedene automatisierte Transportelemente miteinander verbunden sind. Nicht ein perfektioniertes einzelnes Verkehrsmittel zählt, sondern die Effizienz im gesamten Transportsystem. Brüssel sieht die präsentierten Vorstellungen trotz des Namens nicht als Strategie- oder Visionspapier, sondern als Konzept, das bis 2019 konkrete Voraussetzungen für spezifische Anwendungen möglich macht. Es sind drei Probleme, bei denen die Kommission Gesetze vorschlägt, um EU-weite Einheitlichkeit zu garantieren. Erstens Sicherheit: Die Konnektivität muss überall gegeben sein - unabhängig von Land und Fahrzeugmodell. Ein belgischer PKW muss in Italien mit einem griechischen LKW „kommunizieren“ können. Und die digitalen Systeme in den Fahrzeugen müssen sicher sein vor Manipulationen. Zweitens Datenschutz: Der muss in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein und sicherstellen, dass Fahrer über Infos, die sie mit ihrem Auto liefern, selbst bestimmen können. Drittens Interoperabilität: Den Botschaften, die von der Verkehrsinfrastruktur an die Fahrzeuge gesendet werden, müssen überall die gleichen Definitionen zugrunde liegen. „Straßenarbeiten und Stau“ etwa muss überall in gleicher Weise verstanden werden. Alle Fahrzeuge müssen zwischen dem Schwarzen Meer und dem Atlantik in der Lage sein, mit allen anderen Autos, mit den lokalen Infrastrukturen und allen nationalen Verkehrslenkungs-Systemen zu kommunizieren. Die bislang existierenden EU-Vorschriften richten sich allein auf die Kommunikation der Fahrzeuge mit der Infrastruktur. Über die drei zentralen Gesetzesinitiativen hinaus schlägt die EU-Kommission vor, eine Reihe von Regeln durch „Delegierte Rechtsakte“ aufzustellen. Dabei können das Europäische Parlament und die zuständigen Minister der Mitgliedstaaten die Festlegung bestimmter - etwa sehr technischer - Detailfragen der Kommission überlassen. Eine wichtige Voraussetzung für die EU-Strategie war die vor zwei Jahren gegründete C-ITS-Plattform, die alle Akteure - Hersteller, Mitgliedstaaten, Telekom-Konzerne, Versicherungen - an einen Tisch brachte. Die Plattform steht hinter dem Ziel, bis 2019 verbundene intelligente Verkehrssysteme im Markt zu haben. Einige Autohersteller haben angekündigt, ihre Modelle schon vorher entsprechend auszurüsten. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN EU-Winterpaket - die Zukunft der Transportsysteme Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 22 Stuttgart 21 - Durchstehen oder Umsteuern? Kopfbahnhof, Durchgangsbahnhof, Großprojekt, Schlichtung, Bürgerbefragung Das Bahn-Projekt mit der Bezeichnung „Stuttgart 21“ gilt seit Langem als das umstrittenste Verkehrsinfrastrukturprojekt in Deutschland. Die Begleitumstände sind unter vielen Aspekten ein „Paradebeispiel“ für fundamentale Mängel bei der Handhabung von Großprojekten in Deutschland und weltweit. Eine Chronologie bis heute. Andreas Kossak G egenstand ist die Umwandlung des historischen Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof in Tieflage. Als Ausgangspunkt für die breit angelegte Auseinandersetzung mit dem Thema Anfang der 1990er Jahre gelten nicht bahnbetriebliche, sondern städtebauliche Gesichtspunkte und Zielsetzungen. Die in der Regel durch umfangreiche Gleisanlagen im Vorfeld der Kopfbahnhöfe belegten Flächen in meist guter Lage sollten für Stadtentwicklungen verfügbar gemacht werden. In Betracht gezogen wurden nach unterschiedlichen Angaben zunächst 17 bis 25 Standorte [1]. Dazu gehörten Frankfurt am Main, München und Stuttgart. Ausgangspunkt und Entwicklung Die Realisierung der Projekte sollte Anfang des 21. Jahrhunderts erfolgen; aufgrund dessen wurden sie mit dem Kürzel „21“ gekennzeichnet. Nach bereits konkreten Planungen, Bewertungen und intensiven Diskussionen wurden allerdings alle mit Stuttgart 21 vergleichbaren Vorhaben ad acta gelegt [2]. Dass Stuttgart 21 als einziges 21er-Projekt übrig blieb, ist umso bemerkenswerter, als dort die Gemengelage von topographischen, geologischen, hydrologischen, ökologischen, verkehrlichen und städtebaulichen Rahmenbedingungen vergleichsweise am komplexesten und am schwierigsten zu beherrschen ist. Bei der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung zwischen Bahn, Bund, Land und Stadt im November 1995 zu Zeiten des Bahn-Vorstandsvorsitzenden Heinz Dürr, wurden die Kosten mit rd. 5 Mrd. DEM angenommen (rd. 2,5 Mrd. EUR). Der Nachfolger von Heinz Dürr, Johannes Ludewig, stellte das Projekt zurück. Dessen Nachfolger, Hartmut Mehdorn, veranlasste die Weiterverfolgung [3]. Kurz vor Baubeginn (Bild- 1), Anfang 2010, teilte der damals am- Foto: Harke/ Wikimedia Commons INFRASTRUKTUR Standpunkt Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 23 Standpunkt INFRASTRUKTUR tierende Vorstandsvorsitzende der Bahn, Rüdiger Grube, mit, dass die Kosten nun mit 4,1 Mrd. EUR zugrunde gelegt werden [4]. Proteste, Mediation und Volksbefragung In Reaktion auf massive Bürgerproteste wurde Ende desselben Jahres ein Mediations-Verfahren durchgeführt. Als Schlichter wurde der CDU-Politiker Heiner Geißler gewonnen. Bahn und Land beharrten dabei uneingeschränkt auf ihren Positionen. Im Widerspruch zu den Prinzipien einer Schlichtung [5] machte der Mediator einen Kompromissvorschlag zu Gunsten eines Kombibahnhofs (teils oberirdischer Kopfbahnhof, teils Durchgangstiefbahnhof - Vorbild Zürich Hbf.) [6]; der wurde jedoch von Bahn und Land abgelehnt. Die Proteste gegen das Projekt dauerten in Stuttgart unvermindert an. Daraufhin wurde eine Volksbefragung beschlossen zu der Frage, ob sich das Land weiter an dem Projekt finanziell beteiligen und damit die Fortführung sicherstellen solle. Sie fand am 27. November 2011 statt. Dabei haben sich 58,9 % der Abstimmenden gegen einen Ausstieg des Landes ausgesprochen [7]. Damit fühlte sich die neue grün-rote Landesregierung verpflichtet, die Weiterführung in der von der Bahn verfolgten Konfiguration zu unterstützen, obschon die nun stärkste Partei, die Grünen, dem weiterhin ablehnend gegenüber stand. Dazu Ministerpräsident Winfried Kretzschmann: „Inhaltlich ist das Ergebnis für mich eine harte Entscheidung, und ich hätte mir natürlich einen anderen Ausgang der Abstimmung gewünscht. Aber selbstverständlich akzeptieren wir das Votum … ohne Wenn und Aber. Denn in der Demokratie ist die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger das Maß aller Dinge.“ [7] Bemerkenswerterweise wurde dabei nicht in Frage gestellt, ob sich die hochkomplexe Thematik überhaupt für eine Bürgerbefragung eignet [8] (zumal für eine landesweite), auch wenn im Rahmen der medialen Kommunikation der Schlichtung vergleichsweise viele Informationen öffentlich vermittelt worden waren. Die politische Informationspolitik der Vorgängerregierung sowie die lokale und regionale Pressekommunikation vor der Befragung konzentrierten sich allerdings weniger auf eine sachliche Kommunikation der maßgeblichen Details des Projektes, als auf dessen Bewerbung, verbunden mit dem Duktus, die Gegner seien innovationsfeindlich. Insofern ist das Ergebnis von der Sache her eher als höchst fragwürdig zu bewerten, anstatt als Erfolg der Demokratie, wie es von den Befürwortern gefeiert wurde [7]. Streitpunkt Bahnsteigsneigung Maßgebliche Aspekte einer Bahnhofsgestaltung sind Kundensicherheit (Übersichtlichkeit, Zugänglichkeit und Kapazität der Fluchtwege, Minimierung der Verrauchung im Brandfall etc.) und Kundenfreundlichkeit (Länge der Wege, Überwindung von Höhendifferenzen, Übersichtlichkeit etc.). In beiden Komplexen ist der Kopfbahnhof dem Tiefbahnhof in der Regel eindeutig überlegen. Ein spezieller Schwachpunkt von Stuttgart 21 ist die Bahnsteigneigung: Mit 15,143 ‰ übersteigt sie die für moderne Fernbahnhöfe regelgerechte maximale Längsneigung von 2,5 ‰ um mehr als das 6-fache [9]. Dabei geht es vor allem um die Vermeidung der Gefahr der unkontrollierten Bewegung der Züge während des Fahrgastein- und -ausstiegs. Nicht nur für gestandene Eisenbahner ist nicht nachzuvollziehen, dass das Eisenbahnbundesamt diese Konfiguration genehmigt hat. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund des Umstandes, dass genau solche kritischen Vorgänge auch in jüngster Zeit wiederholt vom Köln Hbf. gemeldet wurden; Das ist der einzige deutsche Großbahnhof, bei dem die Fernbahnsteige das Regelmaß deutlich übersteigen. Aufgrund der speziellen Rahmenbedingungen (vorhandene Rheinbrücken etc.) wurde dort eine seinerzeit unter anderen bahntechnischen Voraussetzungen noch akzeptable Neigung von 5,16 ‰ zugelassen - das ist ein Drittel der Neigung bei S 21. Mit örtlicher wissenschaftlicher Unterstützung wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auf die Bahnsteigs-Längsneigung des S-Bahnhofs Stuttgart-Feuersee von sogar 20 ‰ verwiesen [10]. Die bahntechnischen Bedingungen des S-Bahnbetriebs sind in der betreffenden Hinsicht jedoch nicht mit denen des Fernbahnbetriebs vergleichbar. Stattdessen wäre beispielsweise eher die Orientierung am Längenprofil der „Durchmesserlinie Zürich“ im Bereich des dortigen Hauptbahnhofs geboten gewesen [11]. Der Vorgang ist umso bemerkenswerter, als die Lösung bei Stuttgart 21 nicht ortsbedingt „zwingend“ ist. Selbst die Umwelt- und Verkehrsministerin in der Regierung Mappus, Tanja Gönner, die maßgeblich an der Mediation beteiligt war, hat in einem Zeitungs-Interview eingeräumt, dass man das ändern könne: „Das würde allerdings ziemlich viel Geld in Anspruch nehmen“ [12]. Neue Kostensteigerungen und-Risiken Seither setzten sich die Kontroversen um das Projekt unvermindert fort. Im März 2013 genehmigte der Aufsichtsrat der Bahn eine Kostensteigerung auf nunmehr 6,5-Mrd. EUR - verbunden mit der Aufforderung, Teile der Mehrkosten gegenüber der bisherigen Annahme von inzwischen 4,5 Mrd. EUR bei den Projektpartnern einzuwerben. Aus der betreffenden Aufsichtsratssitzung wird als Zitat des Vorstandsvorsitzenden Grube überliefert: „Wenn wir damals gewusst hätten, was wir heute wissen, hätten wir das Projekt nicht begonnen.“ [13] Bezug nehmend auf die weiteren Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen forderten Grüne und Linke im Bundestag kurz vor Weihnachten 2014 eine neue „Kosten-Nutzen-Berechnung“ [14]. Zwar handelt es sich bei Stuttgart 21 weit überwiegend um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn. Da sich die DB im Besitz des Bundes befindet und in erheblichem Umfang vom Steuerzahler alimentiert wird, sollte jedoch prinzipiell der gleiche Maß- Bild 1: Das denkmalgeschützte Hauptgebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs vor dem Teilabriss für S 21 Foto: Dagmar Hollmann/ Wikimedia Commons Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 24 INFRASTRUKTUR Standpunkt stab hinsichtlich des Nutzen-Kosten-Verhältnisses solcher Vorhaben gelten, wie für die Bestimmung der Realisierungswürdigkeit und Priorität von großen Verkehrsinfrastrukturprojekten des Bundes, der Länder und der Kommunen. Die Bundeshaushaltsordnung verbietet die Realisierung von Projekten, deren Nutzen-Kosten-Koeffizient niedriger als 1,0 liegt (weniger Nutzen als Kosten). Im Lichte der massiven Kostensteigerungen und zunehmender Zweifel an der Effizienz von Stuttgart 21 hätte längst eine aktualisierte Überprüfung diesbezüglich erfolgen müssen - allerdings nicht in Form der methodisch höchst fragwürdigen „standardisierten Bewertung“, sondern unter Anwendung eines der spezifischen Komplexität des Projektes angemessenen und angepassten Verfahrens. Im vergangenen Jahr wurden dann selbst die gegenüber dem Stand der Entscheidung für das Projekt inzwischen um ein Mehrfaches erhöhten Kostenannahmen durch Neubewertungen des Bundesrechnungshofes und privater Fachinstitute noch einmal maßgeblich infrage gestellt. Nunmehr wurde ein Kostenvolumen von bis zu rd. 10 Mrd. EUR oder gar mehr genannt. Von beträchtlichem Einfluss war dabei die Einordnung des Kostenrisikos in Folge der besonderen geologischen und hydrologischen Bedingungen (Anhydrid) im Zuge der Tunnelstrecken im Zusammenhang mit dem Tiefbahnhof; das basierte unter anderem auf dem Urteil eines weltweit renommierten Fachmanns der ETH Zürich [15]. Die Bahn widersprach dem umgehend mit Verweis auf die Bewertung des eigenen Gutachters und eigener Erfahrungen. Ihre Argumentation, man werde etwaige Auswirkungen auf den Kosten- und Zeitplan im weiteren Projektverlauf durch geeignete Maßnahmen kompensieren können, steht im diametralen Widerspruch zu den Erkenntnissen aus vergleichbar komplexen Projekten weltweit. Danach ist in der Regel nicht nur keine Kompensation zu erreichen, sondern mit weiteren beträchtlichen Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen zu rechnen [16]. Verweigerung der Alternativvorschläge Immerhin sah sich der Bahnvorstand nun gezwungen, zuzugeben, dass die Bauarbeiten nicht in 2021, sondern frühestens in 2023 abgeschlossen sein werden. In diesem Zusammenhang musste sogar der bis dahin zuständige Vorstand Volker Kefer zurücktreten. Spätestens in dieser Situation wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Bahn ernsthaft mit den inzwischen vorliegenden Vorschlägen von Architekten und Stadtplanern für einen Umstieg auf ein modernes Kopfbahnhof-Konzept beschäftigt hätte. Diese sehen die Integration eines beträchtlichen Teils der bereits erfolgten Baumaßnahmen mit anderen orts-relevanten Nutzungen vor (Bild 2). Das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Vermeidung der Mehrkosten und der zusätzlichen Kosten-Risiken führen [17]. Dem hat sich die Bahn jedoch strikt verweigert. In der unabhängigen Tagespresse wurde dies unter der Überschrift „Starrsinn vor Vernunft“ eingeordnet: „Dass der Bahnvorstand bisher nicht einmal über diese Alternativen nachdenkt, zeigt, wie tief die Bahn in der Krise steckt“ [17]. Stattdessen wurde gedroht, die Projektpartner auf Beteiligung an den Mehrkosten zu verklagen, falls diese sich diesbezüglich verweigerten. Kurz vor Weihnachten 2016 wurde dann tatsächlich beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Ziel eingereicht, dass die Projektpartner 65 % der aktuell geltend gemachten Mehrkosten übernehmen [18]. Mit einer Entscheidung des Gerichts ist erfahrungsgemäß allerdings erst in mehreren Jahren zu rechnen. Während dessen würden die Mehrkosten sehr wahrscheinlich noch weiter ansteigen. Appell zum Handeln Vor diesem Hintergrund sollte das weitere Vorgehen von einer aktuellen Bewertung der realistischen Kosten, Nutzen und Risiken einer Weiterverfolgung des derzeitigen Konzepts (Tiefbahnhof ) und des Umstiegs auf eine der Alternativen (Kombibahnhof, Kopfbahnhof+) abhängig gemacht werden - möglichst durch ein Gremium hochrangiger externer Fachleute. Da der Bahnvorstand sehr wahrscheinlich von sich aus nicht zu einem solchen Vorgehen bereit sein wird, sollten die Projektpartner umgehend nachdrücklich darauf dringen. Gegebenfalls sollte tatsächlich der Umstieg im Sinne eines der Alternativkonzepte verfolgt werden. ■ LITERATUR [1] Wikipedia: Bahnhof 21; Stand 13.01.2017 [2] Kossak, A.: Eisenbahnknoten Frankfurt.Rhein-Main - Diskussionspapier im Auftrag des RMV; Hamburg, 20.02.2002 [3] stuttgarter-zeitung.de: Timeline Stuttgart 21 [4] o.V.: Zeitleiste Stuttgart 21; Hamburger Abendblatt, 10.09.2010 [5] o.V.: Fragen und Antworten: Was macht ein Mediator? Badische Zeitung, 8.10.2010 [6] Borcholte, A.: Kompromissvorschlag zu Stuttgart 21 - Von allen Geißlern verlassen; Spiegel Online, 30.07.2011 [7] Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Volksabstimmung zu Stuttgart 21 am 27. November 2011; Stuttgart 2011 [8] Kossak, A.: Projekt „California bullet train“ … und was daraus zu lernen ist; ETR - Eisenbahntechnische Rundschau 10/ 2016 [9] Andersen, S. (Bundesbahndirektor a.D.): persönliche Information des Verfassers [10] Martin, U. (Verkehrswissenschaftliches Institut an der Universität Stuttgart e.V): Stellungnahme zu Diskussionen um Stuttgart 21; Schreiben vom Dezember 2009 [11] Bauer, F. (SBB): Durchmesserlinie Zürich und Stuttgart 21; Vorlesung an der TU Berlin, 28.04.2014 [12] o.V.: „Ich sehe meine Zukunft im Land“ - Interview mit Tanja Gönner; Pforzheimer Zeitung, 18.11.2010 [13] Milancovic, C.: „Wir machen hier nicht Jugend forscht“ - Interview mit Rüdiger Grube zu Stuttgart 21; Stuttgarter-Zeitung.de, 10. 12. 2016 [14] SIR/ dpa: Neue Kosten-Nutzen-Rechnung gefordert; Stuttgarter- Zeitung.de, 02.01.2015 [15] Wüpper, T.: Stuttgart 21 - Gutachter warnen vor Tunnel-Risiken; Stuttgarter-Zeitung.de, 02.12.2016 [16] Flyvbjerg, B. und Sunstein, C.: The Principle of the Malevolent Hiding Hand…, Oxford / Harvard 2015 [17] Kessler, W.: Stuttgart 21 - Starrsinn vor Vernunft; Frankfurter Rundschau, 23.06.2016 [18] Schwarz, K.: Stuttgart 21 - Bahn vergibt S-21-Klage an US-Kanzlei; Stuttgarter-Zeitung.de, 23.12.2016 Andreas Kossak, Dr.-Ing. Kossak Forschung & Beratung, Hamburg drkossak@aol.com Bild 2: Vorschlag zu einem optimierten Kopfbahnhof Bild: Aktionsbündnis K21 TranCit StarterAbo TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE ZUR STADT IM WANDEL Sichern Sie sich jetzt das Transforming Cities StarterAbo! 4 Ausgaben lesen, nur 2 Ausgaben bezahlen - und 50 % sparen! * * Im ersten Bezugsjahr zum Preis von EUR 60,statt EUR 120,anschließend zum regulären Preis. Printabonnement zuzüglich Versand. Viermal jährlich berichtet Transforming Cities über den Wandel in urbanen Regionen und ihren Einzugsgebieten. Anerkannte Experten aus Wissenschaft und Praxis greifen in ihren Fachbeiträgen die Herausforderungen auf, denen sich Gestalter, Verwalter und Erhalter im urbanen Kontext zunehmend gegenüber sehen. Transforming Cities bereitet diese Themen auf - für Entscheider in Verwaltungen und Stadtwerken, Planungs- und Konstruktionsbüros, Unternehmen, Hochschulen und Institute. 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Im Gegenteil: Eine Analyse der vergangenen drei Jahre verdeutlicht, dass von den veränderten technologischen Rahmenbedingungen vor allem die neuen Wettbewerber der Bahn - Fernlinienbusse und Mitfahrzentralen - profitiert haben (zudem auch der klassische Privat-PKW, der zukünftig als vernetztes Fahrzeug vermarket wird). Für die zukünftige Wettbewerbsstellung des Bahnfernverkehrs werden fünf Thesen aufgestellt und diskutiert. Andreas Krämer, Robert Bongaerts A nfang Januar 2017 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur den Startschuss für zwölf Verbundprojekte zur digitalen Vernetzung im öffentlichen Personenverkehr gegeben [1]. Die Förderung dieser Projekte erfolgt im Rahmen der 2015 gestarteten Initiative „Digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr“. Digitalisierung im Personenverkehr Digitale Transformation ist in aller Munde und führt nicht nur zur Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle, sondern auch zur Entwicklung neuer „disruptiver“ Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung macht auch vor der Mobilitätsbranche nicht halt, wie das oft als Paradebeispiel für digital disruptions genannte Beispiel „Uber“ zeigt oder aber die Diskussion um selbstfahrende Autos [2]. Die veränderte Wettbewerbssituation (stärkeres Angebot von Low-Cost-Airlines, neue Anbieter, deren Geschäftsmodelle stark auf Digitalisierung basieren, wie Fernlinienbusse (FLB) und BlaBlaCar als führende Mitfahrzentrale) setzt auch die Deutsche Bahn (DB) unter „Zugzwang“ [3]. Nicht verwunderlich, dass die DB innerhalb von zwei Jahren eine Milliarde EUR in Digitalisierungsprojekte stecken will [4]. Genutztes Verkehrsmittel [Basis: Letzte Fernreise] 1) Welches Verkehrsmittel haben Sie für die Reise von … nach … (einblenden Start und Ziel ) hauptsächlich genutzt? Falls Auto/ PKW: (a) Mit eigenem Auto, (b) Mitfahrer, (c) Mitfahrer über Mitfahrzentrale, (d) Mietwagen / Carsharing? Falls Bahn: (a) Bahn Fernverkehr (ICE / IC / EC), (b) Bahn Regionalverkehr (Regionalbahn, Regionalexpress etc.)? Hochrechnung der reporteten Reisen. Fernreisen in Deutschland (ab 50 km): Verteilung der genutzten Verkehrsmittel (2016) 1) Auto / PKW Bahn Flugzeug Fernlinienbus Sonstiges 80,0% 12,2% 2,1% 2,5% 3,1% Gesamtmarkt Deutschland 60% 40% DB Regio DB FV 88% 7% 0% 5% Eigenes Auto Mietwagen/ Carsharing Mitfahrer MFZ Veränderung seit 2014 Detaillierung Bahn Detaillierung PKW Bild 1: Verkehrsmittelnutzung in Deutschland auf Reisen > 50 km einf. Entfernung (2016) Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 27 Wettbewerb INFRASTRUKTUR Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Verkehrsmittelwahl-Entscheidung aus Sicht der Verbraucher hat und welche Konsequenzen sich daraus für die Wettbewerbsposition der Bahn ergeben. Die Ergebnisse werden in fünf zentralen Thesen zusammengefasst. Zunächst wird die Ausgangssituation bezogen auf die Verkehrsmittelwahl dargestellt. Verkehrsmittelwahl in Deutschland (Reisen > 50 km einfache Entfernung) PKW ist das dominierende Verkehrsmittel Die gemeinsam von exeo und der Rogator AG seit 2013 durchgeführte Studie Mobilitätstrends [5] beleuchtet Trends im Mobilitätsmarkt und deren Einflüsse auf die Modalanteile. Aktuellen Ergebnissen für 2016 zufolge entfallen knapp 80 % aller Reisen über 50 km einfache Entfernung in Deutschland auf das Auto. Das Auto ist damit das mit weitem Abstand wichtigste Transportmittel, gefolgt von der Bahn mit 12 % Anteil. Die Produktbereiche Nah- und Fernverkehr (IC/ ICE) sind dabei im Verhältnis 40 : 60 aufgeteilt. Auf das Flugzeug, wie auf FLB, entfallen nur ca. 2 % (vgl. Bild-1). Besonders dynamisch ist das Angebot an FLB-Reisen in den ersten drei Jahren der Marktliberalisierung gewachsen. Allerdings sind weitere starke Erhöhungen des FLB- Marktanteils innerhalb Deutschland nicht zu erwarten, schon 2016 hat sich das Marktwachstum deutlich verlangsamt [6]. Die PKW-Nutzung lässt sich in weitere Subsegmente unterteilen, wobei die Nutzung der Mitfahrzentrale auf einen Anteil von weniger als 1 % kommt. Bahnnutzer erwägen vor allem das Auto als alternatives Verkehrsmittel Bei Betrachtung der Wettbewerbsbeziehungen zwischen den genutzten Verkehrsmitteln aus Verbrauchersicht [5] zeigt sich, dass insbesondere PKW-Nutzer nur zu ca. 20 % ein anderes als das genutzte Verkehrsmittel erwogen haben (vgl. Bild 2). Speziell die Entscheidung für den PKW ist somit besonders stark habitualisiert. Hingegen erwägen die Hälfte der Fernlinienbus-Nutzer auch andere Verkehrsmittel bzw. andere Fernlinienbus-Anbieter. Bahnnutzer erwägen vor allem das Auto als konkurrierendes Verkehrsmittel (ca. 20 %) gefolgt vom Fernlinienbus (ca. 9 %). Der Zeitreihen-Vergleich 2016 zu 2014 zeigt eine gewisse Dynamik im Markt. Ändert sich z. B. die Wettbewerbsstellung eines Verkehrsmittels (z. B. durch Digitalisierung), sind entsprechende Reaktionen auf der Verbraucherseite sehr wahrscheinlich. Die Fixierung der Entscheider auf nur ein Verkehrsmittel nimmt tendenziell ab. Das betrifft generell alle Verkehrsmittel, während der Rückgang spezifisch bei Bahn und Flugzeug besonders stark ist - ein Indikator für einen insgesamt intensivierten Wettbewerb im Markt. Besonders gering ist der Grad der Habitualisierung in der Verkehrsmittelwahl bei den Nutzern des FLB: 15 % geben an, als Alternative den PKW erwogen zu haben, 24 % die Bahn. Damit wird erkennbar, dass die Substitutionsbeziehungen zwischen FLB und Bahn besonders stark sind. Vor diesem Hintergrund sowie der kritischen Ergebnislage des DB Fernverkehrs stellt sich die Frage, welche Chancen sich durch die Digitalisierung für die Deutsche Bahn ergeben. Auswirkung der Digitalisierung auf die Bahn These 1: Selbstfahrende PKW als Ergebnis fortschreitender Digitalisierung sind eher längerfristig zu erwarten. In der Diskussion rund um Mobilität und Digitalisierung liegt der Fokus häufig auf der Vision des autonomen Fahrens. Grund dafür ist die Vielzahl an Projekten innerhalb der Mobilitätsbranche zu diesem Thema - fast alle großen Autobauer entwickeln autonom fahrende PKW mit erwarteter Marktreife in den nächsten zehn Jahren [7] - aber auch die große Medienwirksamkeit, die die Vorstellung straßentauglicher Prototypen verursacht. Autonome Mobilität ist grundsätzlich nicht neu und umfasst alle Bereiche im Transportwesen. Autonomes Fahren ist im ÖPNV schon heute vielfach Realität. So kommt eine aktuelle Studie zum Ergebnis, dass in Europa jährlich ca. 1 Mrd. Passagiere fahrerlos mit U-Bahnen unterwegs sind [8]. Allerdings wurden mehr als 30-Jahre benötigt, um dieses Volumen von weniger als 5 % aller ÖPNV-Passagiere in der EU zu erreichen. Gemeinsames Kennzeichen erfolgreich eingeführter fahrerloser Mobilität ist, dass sie in geschlossenen Bereichen oder Systemen funktioniert (z. B. Shuttle mit nur einer Linie, oder Container-Carrier in abgetrennten Terminal-Bereichen bzw. Lagern). Eine Erwägung anderer als der genutzten Verkehrsmittel [% Reisen] 1) 1) Sie haben angegeben, dass Sie das Verkehrsmittel (einblenden) … genutzt haben. Haben Sie für diese Reise auch erwogen, ein anderes Verkehrsmittel oder einen anderen Anbieter zu nutzen? Berücksichtigung anderer Verkehrsmittel [Basis: Letzte Fernreise in Deutschland] Nein, kein anderes Verkehrsmittel und keinen anderen Anbieter erwogen Flugzeug (anderer Anbieter) Fernlinienbus (anderer Anbieter) Auto Bahn (anderer Anbieter) Sonstiges Reise mit dem Fernlinienbus Reise mit dem PKW Reise mit dem Flugzeug 85% 1% 3% 3% 10% 0% 80% 2% 4% 6% 10% 1% 69% 4% 13% 11% 10% 0% 54% 9% 12% 15% 24% 0% 70% 18% 1% 11% 3% 0% 51% 14% 8% 26% 16% 1% 2014 2016 Reise mit der Bahn 72% 2% 9% 17% 1% 0% 68% 2% 9% 20% 2% 3% Online- Kauf direkt beim Anbieter: ca. 80 % Online- Kauf direkt beim Anbieter: ca.40 % Online- Kauf direkt beim Anbieter: >50 % Bild 2: Erwägung anderer als der genutzten Verkehrsmittel auf Reisen > 50 km einf. Entfernung in Deutschland [% Reisen] Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 28 INFRASTRUKTUR Wettbewerb Ausweitung fahrerloser Angebote auf offene Systeme, also z. B. auf Trassen, die von verschiedenen Zügen genutzt werden müssen, ist bisher nicht umgesetzt oder wird nur im Rahmen von Prototypen getestet. Erwartet wird, dass die Digitalisierung kurzfristig im Automobilbereich vor allem zur Entwicklung von halbautonomen Fahrerassistenzsystemen und erst mittel- oder langfristig zu vollständig autonomem Fahren führt [9]. Selbstfahrende PKW müssen auf dem Weg zu einer Marktrelevanz noch vielfältige technische, rechtliche und regulatorische Hürden nehmen [10]. Dies wiederum bedeutet, dass sich die Verkehrsmittelwahl-Entscheidung der Verbraucher hierdurch kurzfristig kaum nachhaltig verändern dürfte. These 2: Durch die Digitalisierung werden private PKW-Transportkapazitäten zunehmend stärker angeboten. Private Autos bleiben mehr als 23 Stunden am Tag ungenutzt [11]. Werden sie für Fernverkehrsreisen genutzt, beträgt die Auslastung deutlich unter 50 %. Damit ist das Auto im Vergleich zu allen anderen das am geringsten ausgelastete Verkehrsmittel (Auslastung Bahn und FLB ca. 50 %, Flug > 80 %). Die Konsequenz dieser sehr großen nicht genutzten Transportkapazität sind relativ hohe Kosten pro effektiv gefahrenem Kilometer. Hier setzen die Geschäftsmodelle der Shared Mobility-Anbieter für Privat-PKW an. Sie können nach Art des Mobilitätsangebots (nur Auto, Auto und Fahrer) sowie nach der Auswirkung auf die Nutzung des PKW (unverändertes bzw. zusätzliches Fahrtenvolumen) unterschieden werden (vgl. Bild-3): So vermarktet Uber als der bekannteste Anbieter Taxidienste, die von Privatpersonen mit ihrem Privatauto angeboten werden. Ansatzpunkt ist hier, die Fahrleistung des Autos zu erhöhen und zusätzliche Erlöse zu generieren. Den gleichen Ansatzpunkt verfolgen auch Anbieter wie Drivy, allerdings werden hier nicht Fahrdienste, sondern nur die Privatautos angeboten. Einen anderen Ansatzpunkt verfolgen die klassischen Mitfahrzentralen oder auch Online-Dienste wie BlaBlaCar [3]. Hier wird versucht, die Auslastung bei bereits geplanten Fahrten zu verbessern, um die laufenden Kosten zu reduzieren. Der Carsharing-Ansatz ist nicht neu, neu ist aber die konsequente Ausrichtung der Vermittlungsdienste auf eine vollständige Online-/ Mobile-Abwicklung. Der Carsharing-Prozess ist bisher eher komplex (Termine sind abzustimmen, eine physische Schlüsselübergabe muss erfolgen, oftmals sind Übergabeprotokolle für die Versicherung auszutauschen). Anbieter wie Getaway erarbeiten Lösungen, die ohne persönliche Übergabe und auch ohne Kontakt zum Privateigentümer auskommen. Dank eines am teilnehmenden Auto eingebauten Toolkits kann das Auto per Smartphone gefunden und geöffnet werden. Versicherungsrechtliche und abrechnungsrelevante Prozesse werden ebenfalls online abgewickelt. Die Digitalisierung bringt hier Angebot und Nachfrage auf einfachste Weise zusammen. Es ist davon auszugehen, dass die Digitalisierung die Möglichkeiten der Shared Mobility weiter verstärken wird, so dass kurzfristig von einem starken Zuwachs im Angebot privater Beförderungsleistungen auszugehen ist. Carsharing wird aus Verbrauchersicht positiv beurteilt. Eine emnid-Studie aus 2015 kommt zum Schluss, dass über 60 % der Bevölkerung Carsharing-Angebote nutzen würden. Auch eine Bereitschaft, das eigene Auto anzubieten, ist vorhanden, wenn auch die deutliche Mehrheit (ca. 80 %) sich eine Vermietung nur an Bekannte und nur ca. 10 % an Fremde vorstellen kann [12]. Um die Auswirkungen solcher Dienste auf die Verkehrsmittelwahlentscheidung abzuschätzen, erfolgte im Dezember 2016 eine empirische Analyse des tatsächlichen Fahrtenangebots unterschiedlicher Verkehrsmittel auf identischen Strecken. Im Fokus standen dabei neben dem Mitfahrangebot von BlaBlaCar der FLB, die Bahn sowie Flug-Reisen (soweit verfügbar). Ermittelt wurden die günstigsten verfügbaren Preise, die Verfügbarkeit des Angebots sowie die Fahrtdauer auf sechs verschiedenen Strecken mit unterschiedlichen Entfernungen. Die Buchungsanfrage erfolgte immer für eine Abfahrt zwischen 6 und 9 Uhr am Folgetag oder in zehn Tagen. Einen Überblick der Ergebnisse zeigt Tabelle 1. Auf den analysierten Strecken liegen die Angebotspreise der Mitfahrangebote von BlaBlaCar etwa auf dem Niveau der FLB-Anbieter, aber in der Regel deutlich unter den Bahnpreisen. Auf kürzeren und mittleren Strecken ist die Reisedauer von Auto und Fernlinienbus in etwa gleich lang, während auf längeren Strecken die Fahrt mit dem PKW schneller ist. Auf den betrachteten Strecken stellt das Verkehrsmittel Bahn immer das schnellste Verkehrsmittel dar, allerdings zu einem im Durchschnitt höheren Preis. Eine vorausschauende Reiseplanung begünstigt die Reise mit der Bahn stärker als die Wettbewerber. Die Folge ist, dass bei konstantem Zeitvorteil der Preisnachteil der Private Mobilitätsvermarktung Nur PKW Nutzung Privat-PKW Status Quo Privat-PKW-Nutzung PKW-Bestand: 45 Mio. (D, 2015)*; PKW-Verfügbarkeit in Haushalten: 75% (D, 2013)** Private Auto-Vermietung Anbieter: Drivy, Rent-n-Roll, Getaway, Croove Privater Mitfahr-Dienst Anbieter: Blablacar; Pendler: Waze Carpool, Uber Carpool Privater Taxi-Dienst Anbieter: Uber, Lyft, Gett, La‘ZooZ PKW & Fahrer 3 2 Bisherige Fahrten Ansatz: Deckung fixe PKW-Kosten Einsatzgebiet: Lokal / regional / überregional Ansatz: Deckung fixe & variable PKW-Kosten Einsatzgebiet: Lokal Ansatz: Deckung variable PKW-Kosten Einsatzgebiet: Eher regional, überregional; Pendler-Dienste: Lokal Zusätzliche Fahrten 1 * StBA (2016): Verkehr aktuell Ausgabe 12/ 2016. ** StBA / WZB (2016): Datenreport 2016. Ausgangspunkt für die Diskussion zur Shared Economy (unten links) Bild 3: Geschäftsmodelle Shared Mobility für Privat-PKW (Auswahl) Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 29 Wettbewerb INFRASTRUKTUR Bahn abnimmt. Im Falle der Relation Gießen - Hannover liegt der günstigste Bahnpreis bei Buchung 10 Tage vor Abfahrt bei 29 EUR (kurzfristig 48 EUR). Somit ist der Preisnachteil gegenüber dem FLB mit 2 EUR nur gering. Bei steigenden Preisen des FLB gewinnt die Bahn an Wettbewerbsfähigkeit, weil die Zahlungsbereitschaft für die Verkürzung der Reisezeit und für den Komfort der Bahn bei ca. 8-10 EUR pro Ticket liegt [13]. Eine dynamische Steuerung der Sparpreise wirkt innerhalb des Digitalisierungstrends positiv für den Bahnfernverkehr. Kunden mit BahnCard erhalten zusätzliche Rabatte auf den dargestellten Preis (25 % auf Sparpreise). Teilweise erreicht der Bahnfernverkehr mit Aktionen (wie dem 19-EUR Sparpreis in 2015 oder dem Lidl DB Ticket im Okt. 2016) das Preisniveau der Wettbewerber. These 3: Vermittler privater Car-Sharing- Angebote erreichen (noch) nicht die erforderliche kritische Masse. In Summe zeigt sich, dass die Mitfahrangebote preislich und im Vergleich zu FLB auch bezogen auf die Reisezeit sehr attraktiv sein können. Preisaffine Bahnnutzer, die aufgrund der deutlich längeren Reisezeit bisher nicht die FLB-Angebote genutzt haben und keine weiteren Ansprüche an den Reisekomfort stellen, könnten durchaus zunehmend Richtung Mitfahrangebote abwandern. Bei kurzfristiger Buchung ist mittels Mitfahrerzentrale eine PKW-Fahrt zu Kosten von ca. 4-7 ct pro km möglich. Damit unterlaufen die Angebotspreise nicht nur die Wettbewerber FLB, Bahn und Airline: Auch die Kosten der Nutzung des eigenen PKW werden deutlich unterboten. Die mittleren wahrgenommenen Kosten pro km liegen in Deutschland bei ca. 20 ct [14]. Selbst wenn nur variable Kosten eingesetzt werden, liegen diese bei 7-10 ct. Grund für das derzeit begrenzte Marktpotenzial der Mitfahrzentrale ist vor diesem Hintergrund nicht der Faktor Preis, sondern es sind eher Themen wie Komfort und Verfügbarkeit. In der empirischen Analyse wurde aus diesem Grund für die betrachteten Strecken auch die Verfügbarkeit zum gewünschten Reisezeitfenster untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass das Mitfahrangebot zwischen Großstädten und bei kurzfristiger Buchung an nahezu allen Untersuchungstagen verfügbar war (vgl. Tabelle 1). Auf den untersuchten Strecken abseits der großen Großstädte (z. B. Gießen - Hannover und Münster - Freiburg) ist das Angebot an Mitfahrangeboten jedoch deutlich stärker eingeschränkt. Erkennbar ist hier, dass die erforderliche (Angebots-)Masse noch nicht erreicht ist, um Mitfahrangebote im Mindest der Verkehrsmittelwahlentscheidung fest zu verankern. These 4: Digitalisierung wird zum wichtigen Wettbewerbsfaktor - für die Bahn bisher eher ein Wettbewerbsnachteil. Digitalisierungsinitiativen sind nicht nur im Bahnbereich, sondern bei allen Verkehrsmitteln zu beobachten. Die physische Reise selbst kann nicht „digitalisiert“ werden, Leistungen um diesen Kern herum schon. Digitalisierungsprojekte beziehen sich vor allem auf den Vor- und Nachlauf zur Reise, vertriebliche Aspekte, wie z. B. personalisierte Preise [15], WLAN-Zugang während der Reise sowie Reisenden-Informationen. Eine Analyse der vergangenen drei Jahre verdeutlicht, dass von den veränderten technologischen Rahmenbedingungen vor allem die neuen Wettbewerber der Bahn - FLB und Mitfahrzentralen - profitiert haben (zu dem auch der klassische Privat- PKW, der zukünftig als vernetztes Fahrzeug vermarket wird). Ohne eine stärkere Nutzung von Smartphones, die Bereitstellung von Onlinetickets und die Bündelung von Strecke Frankfurt - Mannheim Berlin - Leipzig Berlin - Hamburg Gießen - Hannover Münster - Freiburg Köln - Berlin Entfernung (in km) 85 190 289 300 543 570 Ø-Preis der Fahrt (EUR) BlaBlaCar 8,00 9,08 14,57 14,50 36,00 30,50 Fernlinienbus 5,78 13,23 13,99 27,17 32,90 25,16 Bahn 19,43 43,31 45,71 47,64 88,52 96,45 Ø-Reisezeit (in min) BlaBlaCar 101 136 195 220 450 394 Fernlinienbus 81 128 187 425** 643** 561* Bahn 38 77 119 152** 350 286* Verfügbarkeit in % (Anteil an Tagen mit mind. 1 Angebot im Reisezeitfenster) BlaBlaCar 50% 93% 100% 14% 7% 86% Fernlinienbus 100% 100% 100% 86% 79% 100% Bahn 100% 100% 100% 100% 100% 100% * teilweise Umstiegsverbindung; ** Umstiegsverbindung Tabelle 1 - Verkehrsmittelvergleich für ausgewählte Strecken mit Abfahrt am Folgetag (Analysezeitraum Dez. 2016) Die ausführliche deutsch- und englischsprachige Stellenausschreibung ist auch im Internet abrufbar unter: http: / / www.personalabteilung.tu-berlin.de/ menue/ jobs An der Technischen Universität Berlin Fakultät V - Verkehrs- und Maschinensysteme - Institut für Land- und Seeverkehr ist eine Universitätsprofessur - BesGr. W3 für das Fachgebiet "Bahnbetrieb und Infrastruktur" zu besetzen. Kennziffer: V-646/ 16 (besetzbar ab 01.10.2017 / unbefristet / Bewerbungsfristende 07.04.2017) Aufgabenbeschreibung: Die Professur soll Forschung und Lehre in den Gebieten des Bahnbetriebs und der Schieneninfrastruktur vertreten. Dazu zählen im Einzelnen folgende Bereiche: • Weiterentwicklung der Leit- und Sicherungstechnik, insbesondere des European Train Control Systems (ETCS), also des europäischen Zugsicherungssystems • Strategische Untersuchungen zur Optimierung des öffentlichen Personenverkehrs und des Schienengüterverkehrs zur Effizienzsteigerung, Stichwort "Deutschland-Takt" • Optimierung betrieblicher Abläufe und der Netznutzung im Schienenverkehr, um die politische Forderung "Mehr Güter auf die Schiene" zu erfüllen • Entwurf und Infrastrukturplanung auch mit Reduktion von Schienenverkehrslärm durch betriebliche und bauliche Maßnahmen Die Lehre (auch in englischer Sprache) umfasst das ingenieurwissenschaftliche Bachelor- und Masterstudium Erwartete Qualifikationen: Erfüllung der Berufungsvoraussetzungen gemäß § 100 BerlHG Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 30 INFRASTRUKTUR Wettbewerb Nachfrage über Mobilitätsplattformen wäre es zu einer Expansion von Reisen mit dem FLB (ca. 17 Mio. Fahrten [6] innerhalb Deutschlands in 2016) nicht gekommen. Während die DB beim Thema Digitalisierung bisher eher reaktiv geblieben ist, wird es zukünftig darum gehen, mittels Digitalisierung die bestehenden strategischen Wettbewerbsvorteile (Integration des gesamten Bahnangebots auf einem Ticket; flächendeckender Vertrieb; Netzwerkeffekte aus dem Angebot; Integration von Vor- und Nachlauf wie z. B. mittels City-Ticket; hoher Stammkunden-Anteil etc.) zu erhalten bzw. auszubauen. Alle Prozessschritte entlang der Reisekette, die digitalisierbar sind, werden zukünftig digitalisiert. Für den Wettbewerb und die Kundenentscheidung wesentlich ist, welcher Anbieter dies am besten und verständlichsten umsetzt. Aus Sicht des Kunden führt dies zu einer Vereinfachung der Reise. Daraus resultierende Wettbewerbsvorteile gelten gleichermaßen für alle Verkehrsmittel, die Vorzüglichkeit aus Sicht der Entscheider ändert sich möglicherweise effektiv kaum. Die marktbeherrschende Position von Flixbus und der hohe Onlinebuchungsanteil werden zu einer Nachfragelenkung zur Buchungsseite von Flixbus führen. Der Aufsatzpunkt für die Deutsche Bahn im Fernverkehr ist denkbar schwierig. Im Vergleich zu den Bahnen in den Nachbarländern wird die DB aus Sicht der Verbraucher besonders kritisch gesehen [16]. Digitalisierung und die damit bezweckte Verbesserung der Customer Experience kann nur erfolgreich sein, wenn die Kernleistung überzeugt. Gerade hier zeigt die DB in 2016 erneut Defizite (z.B. wurden die selbst gesteckten Pünktlichkeitsziele nicht erreicht). These 5: Mittelfristig führt die Digitalisierung nicht zu einer Beherrschung des Mobilitätsmarkts durch das selbstfahrende Auto, sondern durch die Koordination freier PKW-Kapazitäten. Kritischer Erfolgsfaktor für die Geschäftsmodelle, die auf „Shared Economy“ aufbauen, ist es, Angebot und Nachfrage punktgenau zu koordinieren. Die Erreichung einer kritischen Masse ist dafür Voraussetzung: Uber und Airbnb haben diese erreicht, der analysierte größte Anbieter von Mitfahrgelegenheit, Blablacar, offenbar noch nicht. Indikator dafür sind die Ergebnisse der Verfügbarkeitsanalyse. Dabei besitzen auch andere Unternehmen das Potenzial, die verfügbare PKW-Kapazität mit individuellen Reisewünschen zu koordinieren ohne selbst über Kapazitäten zu verfügen. Voraussetzung hierfür ist ein Zugriff auf mobilitätsbezogene Online-Suchanfragen (z. B. Routenplaner, Buchungsportale, touristische Informationen) aber auch auf Ortungsdaten (z. B. über Smartphone oder PKW mit Internetzugang). Google besitzt bereits heute sehr detaillierte Mobilitätsprofile und hat somit beste Voraussetzungen zur Übernahme der Koordinationsrolle. Aber auch andere Internetgiganten wie Apple oder Amazon als besonders kundenzentrierte Unternehmen verfügen über individuelle Mobilitätsdaten, wenn auch Amazons Kernkompetenzen in der Logistik und im Kundenprozess liegen. Diskussion und Ausblick Es ist kaum anzunehmen, dass wir bereits jetzt die stärksten Struktureffekte im Mobilitätssektor auf Basis der zunehmenden Digitalisierung erfahren haben. Sollten neben BlaBlaCar auch weltweite Player die Bedeutung und Chancen in der Ausnutzung bereitstehender privater PKW-Kapazitäten entdecken, ließen sich durch entsprechende Netzwerkeffekte Plattformen aufbauen, die eine „kritische Masse“ für Angebot und Nachfrage von privaten PKW-Mitfahrten erreichen. Dieses Szenario stellt mittelfristig für die Bahn ein viel größeres Risiko dar als die vieldiskutierten selbstfahrenden PKW. Anderseits haben es die etablierten Anbieter selbst in der Hand, die Möglichkeiten der Digitalisierung für eine Verbesserung der Customer Experience und damit langfristig für den Aufbau von Kundenloyalität zu nutzen. Voraussetzung dafür ist ein verändertes Kundenbild: Weg vom Kunden als „Beförderungsfall“ (im Massenmarkt), hin zu einem erkennbaren individuellen Kundenverständnis. Hier spielt Digitalisierung eine zentrale Rolle z.B. durch den Aufbau eines zentralen Kundenkontos zur Abwicklung aller kundenrelevanten Prozesse. ■ LITERATUR [1] BMVI (2017): BMVI fördert E-Ticketing mit 16 Millionen Euro. Abruf am 12.01.2017 unter http: / / www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ G/ bmvi-foerdert-e-ticketing.html. [2] Bongaerts, R., Kwiatkowski, M., König, T. (2017): Disruption Technology in Mobility - Customer Acceptance and Examples, in: Khare, A., Schatz, R., Stewart, B. (Hrsg.): Phantom Ex Machina: Digital disruption’s role in business model transformation, Springer 2017, S. 119-135. [3] Krämer, A. (2016): Zukunft Bahnpersonenverkehr: Wie wettbewerbsfähig ist das deutsche Bahnsystem unter veränderten Konkurrenzbedingungen? ZEVrail 140 (4), S. 138-145. [4] HORIZONT Online / dpa (2016): Deutsche Bahn will eine Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte investieren. Abruf am 12.01.2017 unter http: / / www.horizont.net/ marketing/ nachrichten/ Bahnchef- Grube-Deutsche-Bahn-will-eine-Milliarde-Euro-in-Digitalisierungsprojekte-investieren-143935. [5] Krämer, A.; Wilger, G., Hercher, J. (2016): Die Mär vom induzierten Verkehr. Planung & Analyse, Jg. 44, Heft 3/ 2016, S. 60-61. Weitere Informationen zur Studie MobilitätsTRENDS sind verfügbar unter https: / / www.rogator.de/ unternehmen/ studien.html. [6] Check my bus (2017): Deutscher Fernbusmarkt 2016 wächst nur leicht auf 25,3 Millionen Fahrgäste. Abruf am 12.1.2017 unter http: / / www.newstix.de/ ? session=abe05a85cbac79f5e73915dafe02d347&si te=actual&startentry=10&entmsg=true&mid=34764#sthash.oY- P4uTZ6.dpuf. [7] Bloomberg, McKinsey (2016): An integrated perspective on the future of mobility. Download unter http: / / www.mckinsey.com/ business-functions/ sustainability-and-resource-productivity/ our-insights/ an-integrated-perspective-on-the-future-of-mobility. [8] Allianz pro Schiene (2016): Selbstfahrende Metros in Europa: Eine Milliarde Fahrgäste jedes Jahr. Abruf am 12.01.2017 unter https: / / www.allianz-pro-schiene.de/ presse/ pressemitteilungen/ uebersicht-selbstfahrende-metros-europa/ . [9] Claudel, M., Ratti, C. (2015): Full speed ahead: How the driverless car could transform cities. McKinsey Quarterly (August 2015). [10] McKinsey (2016): Automotive revolution - perspective towards 2030. Download unter https: / / www.mckinsey.de/ files/ automotive_revolution_perspective_towards_2030.pdf. [11] N.N. (2015): What the rise of the sharing economy means for transport. Abruf am 12.01.2017 unter http: / / 2015.internationaltransportforum.org/ shared-economy#sthash.9hVcyuCO.dpuf. [12] TNS Emnid (2015): Sharing Economy. [13] Krämer, A., Hercher, J. (2016): MobilitätsTRENDS 2016 Sparpreise: Wirkungsvolles Instrument der Bahn im Wettbewerb Bonn, Dezember 2016. Verfügbar unter https: / / www.rogator.de/ files/ content/ Unternehmen/ Studie/ exeo_MobilitätsTRENDS_Sparangebote%20 der%20Bahnen_im_D-A-CH-Gebiet.pdf. [14] Krämer, A. (2016): Kostenwahrnehmung bei PKW-Reisen - Empirische Analyse zur Schätzung der PKW-Kosten und der wahrgenommenen Kostenkomponenten bei Autofahrern im DACH-Gebiet. Internationales Verkehrswesen, 68(4), 2016, S. 16-19. [15] Krämer, A., Friesen, M, Shelton, T. (2017): Are airline passengers ready for individualized pricing? A study of German consumers. Journal of Pricing & Revenue Management, erscheint in 2017. [16] Krämer, A., Bongaerts, R. (2017): Kundensegmentierung und -strukturanalyse für den Personenfernverkehr in der DACH-Region ZEVrail, 141(1/ 2), Jan. 2017. Die Autoren verweisen auf die Publikation „Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit im Mobilitätsbereich“, die auf www.exeo-consulting.com abrufbar ist. Andreas Krämer, Prof. Dr. Professor an der Business and Information Technology School, Iserlohn, und Vorstand der exeo Strategic Consulting AG, Bonn andreas.kraemer@ exeo-consulting.com Robert Bongaerts, Dr. Vorstand der exeo Strategic Consulting AG, Bonn robert.bongaerts@ exeo-consulting.com Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 31 Digitalisierung LOGISTIK Messen ist Wissen - Digitalisierung in der Hafenwirtschaft Logistikkette, Big Data, Hafenlogistik Wurde Öl früher das Schwarze Gold genannt, so sind Daten das digitale Gold der Zukunft. Zukunftsfähige Häfen als leistungsfähige Umschlagszentren müssen daher die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen. Die Transparenz eines Hafens ist dem Informationsaustausch zu verdanken. Dieser führt zur Optimierung der Logistikkette und erhöht den Warenumschlag. Für einen Hafenbetrieb als entscheidendem Glied in der Supply Chain ist die innovationsgetriebene, beschleunigte Entwicklung neuer Konzepte und Umsatzmodelle für einen „smarten Hafen“ absolut notwendig. Emile Hoogsteden D ie Transparenz in der Supply Chain und der Austausch von Daten gestalten die Logistikkette zuverlässiger und effizienter. Hier befinden sich alle Marktteilnehmer nicht in einer Phase der Veränderung, sondern in einem neuen Zeitalter. Die Anwendung der Informationstechnologie in allen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft treibt diese Entwicklung an. Häfen müssen die neuen Möglichkeiten annehmen und sich dafür auch bei den anderen Teilnehmern im Logistikprozess einsetzen, so dass alle optimal von den neuen Möglichkeiten profitieren können. Das kann man nicht erzwingen - schon gar nicht, wenn es um Digitalisierung geht. Hafenbetriebe als Schaltzentralen im Warenumschlag können jedoch für ein Klima sorgen, in dem es sehr wahrscheinlich ist, dass sich Innovationen entwickeln und zu den Marktbedingungen passen. Das tut der Rotterdamer Hafen: Hier wird die gesamte Innovationskette gefördert. Der Hafen Rotterdam übernimmt die Vorreiterrolle in einem umfassenden Innovations-Öko-System. Gerade Häfen können Studien und Forschungen an Universitäten unterstützen - etwa das Port Innovation Lab an der TU in Delft sowie Projekte an der Erasmus Universität in Rotterdam - und beobachten weltweit Forschungsinitiativen. Auch Hackathons oder Start-Up-Innovationen schaffen ein Klima für Innovationen, die für den Hafen relevant sind. PortXL zum Beispiel ist die erste Accelerator, der weltweit auf Start-up-Unternehmen im Bereich Häfen spezialisiert ist. Austausch von Daten in Echtzeit für-eine optimale Gestaltung der Liegezeit im Hafen Hafenbehörden als Logistikdienstleister müssen den Nutzern des Hafens ein völlig neues Produkt bieten: Daten. Dienstleistungen in diesem Bereich übernehmen die Rolle eines Datenmaklers: Öffentliche, hafeninterne, externe und angereicherte Daten werden in Echtzeit über automatische Verbindungen ausgetauscht. Kunden können dadurch, dass sie diese Daten in ihren eigenen Systemen benutzen, ihre Prozesse optimieren. In einem Zeitraum von einem Jahr zum Beispiel lässt sich durch zahlreiche Pilotprojekte der Wert des Austauschs von Daten in Echtzeit steigern. Die Abläufe im Hafen lassen sich durch die Verfügbarkeit aller Informationen zu jeder Zeit optimal gestalten (Bild 1). Dabei geht es nicht nur um Basisdaten wie Tiefgang oder Zugangsrichtlinien, sondern auch schon um den Zeitpunkt, an dem die erste Leine an Land festgemacht wird (First Line Ashore Time), Bunkertätigkeiten und die Last Hose Time. Hafenbetriebe ergreifen die Initiative, Reedereien, Verlader, Dienstleister im Hafenbereich, internationale Verbände und auch andere Hafenbehörden an einen Tisch zu bringen und erarbeiten Lösungen, von denen jede Branche, jeder Hafen und die Häfen bei ihrer Zusammenarbeit profitieren. Gemeinsam erarbeiten Reedereien und Häfen Konzepte zur „Port Call Optimisation“ durch eine bessere Qualität und Verfügbarkeit von Ereignisdaten. Reedereien, Dienstleister und Terminalbetreiber profitieren davon durch niedrigere Kosten, gesteigerte Zuverlässigkeit sowie nachhaltige und sichere Prozesse. Plattformen zum Datenaustausch laden alle Parteien ein, ihre Informationen über Dienste und rund um die Abfertigung eines Schiffes zu teilen. Dies ermöglicht die Just-in-time-Planung, etwa für Lotsen an Bord, und die vorausschauende Planung aller Dienstleistung sowohl im aktuellen Hafen als auch im nächsten anzulaufenden Hafen. Big-Data-Wasserstandsmelder Ein wichtiges Feld der Sammlung relevanter Daten ist die Erfassung tatsächlicher Wasserbestände im Hafen. Der Hafen Rotterdam etwa veröffentlicht für jeden Quadratmeter des Hafenareals eine statistische Mindesttiefe. So besteht eigentlich rund um die Uhr für Reedereien hinreichende Sicherheit bei der Grobplanung des Hafenanlaufs. Die tatsächlichen Wasserstände sind natürlich nicht statisch, sondern variieren in Abhängigkeit von den Gezeiten Tag für Tag, ja Minute für Minute, und können auch höher sein. Mit Online-Tools wie „Dynamic Nautical Accessibility Rotterdam“ (DYNAR) können die Reedereien dank dynamischer Daten ihre Schiffe sicher und dabei so schwer wie möglich beladen. Das spart Geld, denn die optimale Nutzung des möglichen Bild 1: Die Digitalisierung des Hafens verlangt auch die Zusammenführung aller Daten zu jeder Zeit im rechten Format für alle Teilnehmer der Supply-Chain. Das System Portbase koordiniert umfassend Dienstleistungen rund um die Abfertigung von Ladungen. Bild: Portbase Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 32 LOGISTIK Digitalisierung Tiefgangs erhöht die Auslastung der Ladekapazität eines Schiffs. Ein- und auslaufende Schiffe im Hafen können in vielen Fällen mehr Ladung mitnehmen, als es jetzt der Fall ist (Bild 2). Die Daten des Online-Tools basieren dabei nicht auf einer revolutionär neuen Messmethode, sondern ergeben sich aus einer Big Data-Anwendung, wobei Daten von Institutionen wie dem königlich-niederländischen meteorologischen Institut (INMI) mit denen der Hafenbehörde kombiniert werden. So lässt sich die Wassersäule in den Häfen dynamisch und aktuell berechnen und prognostizieren. Hierdurch können Zeitfenster festgelegt werden, innerhalb derer Schiffe mit einem größeren Tiefgang in den Hafen einlaufen und ihn verlassen können. Bei Zeitfenstern rund um die Springflut kann bereits jetzt mit ein paar Zentimetern an zusätzlichem Tiefgang gefahren werden. Bei einem durchschnittlichen Tanker entsprechen etwa zehn Zentimeter zusätzlicher Tiefgang 900 Tonnen zusätzlicher Ladung pro Schiff. So lassen sich die Kapazitäten der Wasserwege intelligenter nutzen und die Effizienz sowie der Umsatz der Häfen erhöhen. Das Tool DYNAR steht zurzeit als Pilotprojekt den Teilnehmern am Pilotprojekt, wie Shell, Koole Terminals und Vopak Agencies, zur Verfügung. Derzeit wird getestet, ob der zusätzliche Tiefgang, der auf dem Papier nachweisbar ist, auch in der Praxis erreicht werden kann. Das Tool konzentriert sich dabei auf dem Transport von trockenen Massengütern und Schüttgut. Anhand der Ergebnisse des Pilotprojekts wird beschlossen, ob diese Lösung sich für alle Unternehmen im Hafen und zum Beispiel auch für die Containerbranche eignet. In Zukunft sollen auch Unternehmen im Hafen anhand solcher Tools Einblick in andere dynamische hydro-meteorologische Aspekte erhalten, die bei der Optimierung der Reise eines Schiffes eine Rolle spielen. Als weitere Aspekte sind Strom-Ports, dynamische Informationen über Windverhältnisse und Sichtweiten denkbar. Alle Bausteine stehen zur Verfügung - und die damit verbundenen Vorarbeiten sind bereits gemacht. Schnüffler-Netzwerke Bereits in die Tat umgesetzt sind Netze aus E-Noses („elektronische Nasen“), die ihren Wert in der Praxis unter Beweis stellen (Bild-3). In Häfen wird, wie in jedem Industriebetrieb, mit Stoffen gearbeitet, die unabsichtlich freigesetzt werden können. Manche Gase sind gefährlich oder lästig, und nicht alle können mit menschlichen Sinnesorganen wahrgenommen werden. Eine E- Nose ist ein Sensor, der auch diese nicht wahrnehmbaren Veränderungen in der Luftzusammensetzung misst und die diesbezüglichen Informationen drahtlos an einen zentralen Server sendet. Das We-Nose- Netzwerk am Rotterdamer Hafen verfügt mittlerweile zum Beispiel über 152 E-Noses sowie zwei mit einer E-Nose ausgerüstete Einsatzfahrzeuge des Hafens Rotterdam. Dadurch lassen sich Geruchsbelästigungen effektiv bekämpfen und die Freisetzung gefährlicher Stoffe frühzeitig signalisieren. Unternehmen, Gemeinden und Umweltbehörden können auf diese Weise bei der Freisetzung von unangenehmen oder gefährlichen Gasen schneller aktiv werden. Das Netzwerk trägt wesentlich zu einem gesunden, sicheren und attraktiven Hafen und Umgebung bei. Die Ergebnisse lassen sich sehen. Bei der Umweltbehörde in der Region Rotterdam-Rijnmond haben Einwohner dieser Region im Jahre 2015 nur noch 4238 Geruchsmeldungen eingereicht. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr 2014 einen Rückgang von 22 %. Noch nie war die Anzahl der Geruchsmeldungen so niedrig, wobei vor allem der Rückgang bei den Meldungen über Gerüche von den großen Industrie-Unternehmen auffiel. Port-of-the-Things Auch das Internet der Dinge bietet den Hafenbetreibern einen enormen Zuwachs an relevanten Daten. Mittels bestehender und neuer Konnektivitäten und Sensoren werden im Hafen Informationen erfasst, um intelligente Anwendungen für die Kunden und den Hafenbetrieb selbst zu entwickeln. Anlegekonstruktionen an Ankerplätzen sind nicht mehr einfach aus Beton und Stahl, sondern enthalten viel Elektronik, um das gesamte Verfahren rund um das Anlegen effizienter und sicherer zu machen. Technologien zum Messen, Versenden und Verarbeiten von Daten sind in den letzten Jahren rasant besser und preiswerter geworden. Sensoren messen Schäden und Defekte - zum Beispiel ein Loch in einer Kaimauer oder einen schiefen Pfahl - aber auch eine defekte nautische Beleuchtung. Deren Ausfall kann nun sowohl aus der Entfernung signalisiert und manchmal sogar bereits vorbeugend gemeldet werden. Gefahrensituationen sowie der langfristige Ausfall eines Ankerplatzes lassen sich so vermeiden. Experimentiert wird auch mit Sensoren, die Messdaten zu aufkommenden Kräften bei Konstruktionen wie etwa Haken, Pollern und Verankerungen sammeln. Ebenfalls werden Sensoren entwickelt, welche die Nutzung (oder das Verhalten der Nutzer) der Anlegekonstruktionen überwachen - wie zum Beispiel Anlegegeschwindigkeiten. Mit diesen Informationen lassen sich unter anderem die Konstruktion neu zu bauender Anlegekonstruktionen optimieren oder die Lebensdauer vorhandener Konstruktionen berechnen. Messen ist Wissen - bereits mit dem derzeitigen Stand der Digitalisierung erhält dieser Begriff eine ganz neue Dimension. ■ Bild 3: E-Noses messen den Austritt von Emissionen, Häfen können schneller handeln. Bild: Marc Nolte Bild 2: Online-Tools ermöglichen die optimale Auslastung von Schiffen, orientiert an den in Echtzeit erfassten Schwankungen von Wasserständen. Bild: Hafen Rotterdam Emile Hoogsteden Vice President Containers, Breakbulk & Logistics, Hafen Rottderdam containers@portofrotterdam.com Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 33 Indien LOGISTIK Indiens E-Commerce-Markt wächst rasant Zwischen 2016 und 2020 wird der Online-Markt gemäß Prognose um 28 % jährlich wachsen und soll einen Wert von rund 60 Milliarden Euro erreichen. Amazon und Alibaba sind bereits in Indien aktiv und setzen damit ein klares Zeichen für Online-Verkäufer, jetzt aktiv zu werden. Allerdings gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören Lieferschwierigkeiten aufgrund der schlechten Infrastruktur insbesondere in ruralen Gebieten. Dirk Ruppik L aut einer Prognose des Zahlungsdienstleisters Worldpay im Global Payments Report 2016 wird sich Indien aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Internet und billigen Smartphones sowie der anwachsenden Mittelschicht bis 2034 zum weltweit zweitgrößten E-Commerce-Markt entwickeln. Zwischen 2016 und 2020 wird der Markt gemäß Prognose um 28 % jährlich wachsen, und im Jahr 2020 werden rund 600 Millionen Inder online sein (2016: 300 Millionen). Dabei sind 70 % der Bevölkerung unter 35 Jahre alt. Der stellvertretende Vorsitzende von Worldpay, Ron Kalifa, entdeckt in der Untersuchung eine Reihe von Trends, die Indiens Potenzial für ein erstaunliches Wachstum im E-Commerce-Bereich in den nächsten zwei Jahrzehnten belegen: „Der Markt soll bis 2020 einen Wert von 63,7 Mrd. USD (rund 60 Mrd. EUR) erreichen. Nach 2034 wird er die USA überholen.“ Dadurch entstünden enorme Chancen für Online-Verkaufsplattformen, sagte Kalifa: „Allerdings sollten diese Unternehmen schon jetzt ihren Markt abstecken, um die konsumfreudige Bevölkerung Indiens zu gewinnen und auch vom künftigen E-Commerce-Wachstum zu profitieren.“ Worldpay analysierte 30 Märkte weltweit - darunter Indien, China, Hongkong, Südkorea, Singapur sowie Australien in der Asien-Pazifik-Region. In Indien gibt es viele kleine Einzelhändler („Mom and Pop Shops“, Bild 1), deren Produktangebot sehr begrenzt ist. Hier bietet die Bestellung via- Internet große Chancen. Amazon bindet- diese „mom and pop shops in sein Netzwerk ein. E-Commerce-Markt brummt Neben den populären indischen Online- Verkaufsplattformen Flipkart, Snapdeal, Yebhi, Jabong (Eigentümer Flipkart) und Cbazaar drängen nun internationale Plattformen wie Shopclues, Amazon sowie die chinesische Alibaba auf den Markt und setzen damit ein klares Zeichen. So will auch die Bertelsmann AG in die indische Onlinehändler-Plattform KartRocket investieren. Nicht zuletzt durch die massive Investition von Risikokapital in die Verkaufsplattformen hat der Wettbewerb deutlich zugenommen und führt nun zu Unternehmenskonsolidierungen. So übernahm etwa Snapdeal im Mai 2015 das Mobiltechnologie-Start-up MartMobi (Tabelle 1). Bild 1: Tuchhändler beim Sardar Market in Jodhpur, Rajasthan Foto: Matthew Laird Acred, Wikimedia Akteur/ Projekt Investitionssumme in USD Projektstand Anmerkungen Amazon 5 Mrd. 2015 Investitionen sollen über Zeitraum von 4 bis 5 Jahren erfolgen Flipkart 2,5 Mrd. bis 2020 Flipkart ist Indiens größter Onlinehändler und beabsichtigt Firmenerweiterung Alibaba Group und Ant Financial investieren in Paytm 680 Mio. 2015 Chinesisches Unternehmen; Alibaba ist größter Investor in Paytm Snapdeal 200 Mio. 2016 Unternehmen plant Markterweiterung Paytrn 100 Mio. 2016 Paytm ist sogenanntes‚ Payment-Gateway‘ Bertelsmann k.A. 2016 Bertelsmann beabsichtigt Geld in KartRocket zu investieren (Online-Marktplatz) Wechselkurs vom 02.02.2017: 1 USD = 67,26 indische Rupien (INR) Tabelle 1: Ausgewählte Investitionsprojekte im indischen E-Commerce-Sektor Quelle: Unternehmensmitteilungen, Recherche GTAI Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 34 LOGISTIK Indien Auch die Regierung fördert den E-Commerce. Im Januar 2016 wurde die „Start-up Policy“ für junge Unternehmen eingeführt, die als Regelwerk für Neugründungen fungiert. Start-Ups schaffen immer mehr dringend benötigte Arbeitsplätze in der indischen Republik. Erfolgsstory Amazon Seit dem Einstieg in das schnell wachsende indische Onlinegeschäft im Jahr 2013 ist Amazon auf dem Subkontinent auf dem Vormarsch. Das Unternehmen hat Investitionen in Höhe von 5 Mrd. USD (4,7 Mrd. EUR) angekündigt und investierte allein im Jahr 2016 rund 70 Mrd. Rupien (INR), über 964 Mio. EUR - nicht zuletzt um seinen indischen Rivalen Flipkart vom Thron zu stoßen. Snapdeal verliert schon seit einiger Zeit immer mehr Marktanteile an den amerikanischen Internetgiganten aus Seattle. Der soll allerdings laut dem holländischen Magazin Fashion United im Oktober 140 Mio. EUR bei einem Versuch verloren haben, indische Kunden mit Sonderangeboten und Rabatten zu locken. Amazon India will die bevorzugte Wahl der Kunden in Indien werden. Dazu hatte das Unternehmen beim Markteintritt ein Programm mit dem Namen „Chai Cart“ entwickelt. Mobile „Tee-Wagen“ wurden entsandt, um Betreiber kleiner Läden zu besuchen und ihnen die Vorteile des E-Commerce näherzubringen. Bei dieser Aktion wurden nach eigener Aussage 14 700 km zurückgelegt, 31 Städte und 10 000 Betreiber von Kleinläden besucht. Laut Amazon-Gründer Jeff Bezos soll Indien nach den USA der zweitgrößte Markt für das Unternehmen werden (Bild 2). Um dies zu erreichen, ist Amazon sehr kreativ und ermöglicht es gemäß Forbes Einzelpersonen mit seinem neuen Angebot „Sell as Individual“ gebrauchte Güter auf der hauseigenen Plattform zu verkaufen. Verpackung und Lieferung werden gegen eine geringe Gebühr ebenfalls übernommen. Der Markt für gebrauchte Güter wächst mit rasanter Geschwindigkeit, und sein Wert soll auf 25 Mrd. USD (23,5 Mrd. EUR) anwachsen. Weitere Player wie OLX, Quikr und eBay sind zwar ebenfalls schon im Markt akti, doch Amazon besitzt aufgrund seiner ausgefeilten Logistik eine große Chance, als Marktführer hervorzugehen. OLX operiert nur als Kleinanzeigen-Plattform, daher hat Amazon mit seinem Lieferservice gute Karten. In 2015 wurde bereits der Service „Amazon Prime“ eingeführt, zu dem auch der gratis Premiumversand und „Prime Video“ gehört. Auch Alibaba schläft nicht Im May 2015 trat Alibaba offiziell mit seiner Einzelhändler-Plattform AliExpress in den indischen E-Commerce-Markt ein (Bild 3). Im August investierte das von Jack Ma gegründete Unternehmen 500 Mio. USD in Snapdeal (Anteil 3 %). Momentan besitzt es 40 % Anteil an der größten indischen mobilen Zahlungsplattform Paytm. Ende 2016 eröffnete Alibaba das erste Büro in Mumbai - in der gleichen Gegend wie Rivale Amazon. Zudem wurde im September mit neuen Partnern (Kotak Mahindra Bank, IDFC Bank, Delhivery, DHL und Aditya Birla Finance) ein erweitertes Trade Facilitation Centre Program etabliert. Kleine und mittlere Unternehmen (KmU) sollen dadurch von Spezialleistungen, engagierter Unterstützung und kundenspezifischen wertveredelnden Services nebst neuesten logistischen Einrichtungen profitieren. Das Unternehmen konnte Anfang 2016 auf rund sechs Millionen indische Käufer und Verkäufer verweisen. Herausforderungen im indischen-Markt Die Zulieferung der Waren stellt eine große Herausforderung dar, da die Infrastruktur besonders in ländlichen Gebieten schlecht entwickelt ist. Dort leben 67 % der indischen Bevölkerung. Zudem decken viele Kurierdienste nicht alle Regionen ab. Die meisten Händler arbeiten mit kleinen Kurierdiensten zusammen, da die internationalen Dienste wie DHL zu teuer sind. Amazon hat daher seine Fulfillment-Platform auf Indien übertragen (Fulfillment by Amazon, FBA) und über zehn Fulfillment Center (FC) gebaut, wobei sich das größte in Kothur in Telangana befindet. Mitte 2016 gab der stellvertretende Präsident für Kunden-Fulfillment in Indien Akhil Saxena den Bau sechs weiterer FC bekannt. Die Verkäufer senden ihre Waren an ein FC und nutzen die Pick-, Pack- und Shipping-Dienste des Internetriesen. In sehr ländlichen Gebieten nutzt der Internetriese auf der „letzten Meile“ sogar Fahrrad- und Motorrad-Kuriere. Laut Germany Trade & Invest gestaltet sich der Eintritt ausländischer Unternehmen in den indischen E-Commerce-Markt oftmals problematisch, da komplizierte Gesetze die Geschäftstätigkeit erschweren. Direktinvestitionen in der E-Commerce- Branche im B2B-Geschäft sind bis zu 100 % erlaubt, doch im Online-Einzelhandel untersagt. Internethändler wie Amazon operieren als „Marketplaces“ und bieten ausschließlich Produkte anderer Herstellern an. Die indische Regierung will künftig ausländische Direktinvestitionen in die E- Commerce-Branche liberalisieren. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 2: Amazon-Gründer Jeff Bezos will Indien zum zweitgrößten Markt für das Unternehmen nach den USA machen. Foto: Amazon Bild 3: Alibaba-Zentrale in Xixi, Provinz Hangzhou Foto: www.alibabagroup.com Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 35 Differenzierte Bedienung im-ÖPNV Wirtschaftlichkeitsanalyse von bedarfsorientierten Bedienkonzepten im städtischen Busverkehr LCC, Life Cycle Costing, Betriebsformen, bedarfsorientierter ÖPNV, differenzierte Bedienung, haltestellenlos, fahrplanlos Konventionelle Bedienkonzepte im ÖPNV besitzen statische Soll-Fahrpläne sowie vorgegebene Linienwege und Haltestellen. Ein innovatives bedarfsorientiertes ÖPNV-System bedarf der Flexibilisierung der starren räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen: Fahrgäste können haltestellenlos und zu beliebigen Zeiten Zugang zum Verkehrssystem erhalten. Durch die Errichtung dieses innovativen Bedienkonzepts ergeben sich neue Herausforderungen an die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit. In diesem Artikel werden Life Cycle Costs anhand von zwei Szenarien analysiert. Stefanie Bültemann, Kathrin Viergutz, Benedikt Scheier D urch ihre Flexibilisierung bezüglich Strecke und Uhrzeit der Fahrten richten sich alternative Betriebsformen stärker nach den Anforderungen der Kunden, als dies mit statischen Fahrplänen und festgelegten Linienwegen und Haltestellen möglich ist. Sie finden bisher vor allem in Zeiten und Räumen mit sehr schwacher Nachfrage Anwendung: in ländlichen Regionen, in denen der ÖPNV hauptsächlich die Funktion der Daseinsvorsorge erfüllt. Dort bieten sie das Potenzial, die sich gegenseitig bedingenden Wirkungen von reduziertem Angebot und verringerter Nachfrage zu unterbrechen und den Anforderungen an ein individuell nutzbares, flexibles Verkehrsangebot in höherem Maße zu entsprechen als der Linienverkehr. Die Idee der Bedarfsverkehre ist nicht neu und hat bereits viele Praxisbeispiele hervorgebracht. Auch Online-Buchungssysteme werden teilweise seit fast 20 Jahren eingesetzt und gewinnen zunehmend an Akzeptanz seitens Kunden und Betreibern. Weiterentwicklungen im Bereich der automatisierten Routenplanung und Disposition können die Umsetzung von differenzierter Bedienung verbessern sowie dazu beitragen, dass sich das Einsatzgebiet alternativer Betriebsformen erweitert. Die Vorteilhaftigkeit solch einer Erweiterung wird mittels einer Analyse der Wirtschaftlichkeit unter den genannten veränderten Rahmenbedingungen untersucht und in diesem Beitrag vorgestellt. Betriebsformen im ÖPNV Im ÖPNV existieren verschiedene Betriebsformen, wie etwa Linien-, Bedarfslinien-, Richtungsband- und Flächenbetrieb [1]. Diese unterscheiden sich insbesondere darin, inwieweit der Streckenverlauf dem Bedarf angepasst werden kann. Die Gegenüberstellung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung beinhaltet den klassischen Linienbetrieb, in welchem jedoch ein Teil durch die Betriebsform „Flächenbetrieb“ ersetzt wird. Der Linienbetrieb erfordert ein „hohes und gerichtetes Verkehrsaufkommen“ [1], er Foto: Claus Jordan/ pixelio.de ÖPNV MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 36 MOBILITÄT ÖPNV ist an einen Linienweg mit Haltestellen und einen Fahrplan gebunden. Neben dem konventionellen Linienverkehr nach § 42 PBefG können hier die Angebotsformen Linientaxi und Bürgerbus zugeordnet werden. Flächenbetrieb hingegen ist für „disperse sowie schwache und damit räumlich unstrukturierte Verkehrsnachfrage“ [2] geeignet. Der Fahrtweg richtet sich nach den Fahrtwünschen, Zu- und Ausstiege können an der Haustüre stattfinden [1]. Einzig das bediente Gebiet begrenzt die realisierbaren Fahrtwünsche. In der Praxis werden Angebote dieser Betriebsform Rufbus oder Anrufbus genannt. Untersuchungsgegenstand und--raum Die Wirtschaftlichkeitsanalyse untersucht die flexible ÖPNV-Betriebsform „Flächenbetrieb“, welche um ein auf Algorithmen basiertes Dispositionssystem und ein mobiles Anmeldesystem (Smartphone-Anwendung) erweitert wird. Dies wird im kleinbis mittelstädtischen urbanen Raum angewendet. Es wird untersucht, inwiefern das Prinzip des Flächenbetriebs mit diesen Erweiterungen auch außerhalb von Räumen des ländlichen Charakters wirtschaftlich ist. Zwei Szenarien werden vergleichend untersucht und bewertet: Das erste stellt den Status Quo mit ausschließlicher Bedienung mit herkömmlichen Linienbetrieb dar. Im zweiten Szenario wird ein Teil des Untersuchungsraumes mit Flächenbetrieb und den genannten Innovationen zur Disposition und des Anmeldesystems untersucht. Als Untersuchungsraum wird die Stadt Schorndorf gewählt. Die baden-württembergische Stadt mit rund 38 000 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von 681 Einwohnern je Quadratkilometer befindet sich im Agglomerationsraum von Stuttgart und besitzt einen S-Bahn-Anschluss an die rund 30 km entfernt liegende Landeshauptstadt, der insbesondere dem Pendlerverkehr dient. Aufgrund der für baden-württembergische Städte typischen Struktur ist davon auszugehen, dass sich die dort festgestellten Untersuchungsergebnisse auf 85 weitere Gemeinden in Baden-Württemberg übertragen lassen. Wirtschaftlichkeitsanalyse Um ein quantitatives Urteil über die Wirtschaftlichkeit einer Investitionsentscheidung bilden zu können, werden die zu erwartenden Ein- und Auszahlungen der einzelnen Perioden ermittelt und mittels Abzinsung auf den Investitionszeitpunkt als Kapitalwert berechnet (dynamische Investitionsrechnung). Dafür wird auf die Methode des Life Cycle Costing (LCC) zurückgegriffen, welche den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt. Der betrachtete Lebenszyklus soll sich an der Nutzungsdauer der Fahrzeuge orientieren, welche hier mit zwölf Jahren angenommen wird (vgl. [3]). Berücksichtigte Auszahlungen sind neben den Anfangsinvestitionen für Fahrzeuge und Infrastruktur insbesondere Personal- und Antriebskosten, Kosten für die Instandhaltung, tägliche Versorgung und Verwaltung sowie Versicherungskosten, Zinsen und Steuern. Auf der Seite der Einzahlungen gehen Zuschüsse für die Fahrzeugbeschaffung, Ausgleichszahlungen für die entgeltlose Beförderung von Schwerbehinderten sowie für Ermäßigungen im Ausbildungsverkehr und Umsatzerlöse aus dem Fahrkartenverkauf ein. Nach Ende der Nutzungsphase sind Einzahlungen in Höhe des Restwerts der Fahrzeuge zu verzeichnen. Es wird davon ausgegangen, dass der Bedarfsbus als Linienverkehr nach § 42 PBefG genehmigt wird, was insbesondere für Zuschüsse und Ausgleichszahlungen von Bedeutung ist. Szenario 1: Linienverkehr - In der Stadt Schorndorf stellen drei Buslinien das derzeitige öffentliche Verkehrsangebot innerhalb der Stadt Schorndorf dar. Ihre Linienwege sind in Bild 1 (links) dargestellt. Alle drei Linien beginnen und enden am S- Bahnhof und verkehren wochentags in einem 30- oder 60-Minuten-Takt, an den Wochenenden alle 60 oder 120 Minuten. Die Verkehrsleistung umfasst rund 220 000 Fahrzeug-km pro Jahr. Für die Anschaffung der drei Standardbusse wird von Anfangsinvestitionen in Höhe von 570 000 EUR ausgegangen. Die Auszahlungen der Nutzungsphase werden insbesondere durch die Personalkosten im Fahrdienst geprägt, diese machen einen Anteil von 46 % aus. Demgegenüber stehen Einzahlungen, welche zu 87 % durch Umsatzerlöse aus dem Fahrkartenverkauf erzielt werden. Nach Diskontierung auf den Investitionszeitpunkt ergibt sich ein Kapitalwert in Höhe von −460 041 EUR für dieses Szenario. Der Kostendeckungsgrad beträgt 93,8 %. Szenario 2: Bedarfsbus im Flächenbetrieb als Ergänzung zum Linienverkehr - Die Linie mit der geringsten Auslastung (im Mittel weniger als sieben Fahrgäste je Linienfahrt) wird in diesem Szenario durch einen Bedarfsbus ersetzt. Dieser bedient die grün eingefärbte Fläche in Bild 1 (rechts). Die beiden anderen Linien verkehren tagsüber unverändert wie in Szenario 1, ab 20 Uhr (bzw. an Sonn- und Feiertagen ab 18 Uhr) übernimmt der Bedarfsbus die Bedienung des gesamten Stadtgebiets. Seine Verkehrsleistung und Beförderungszeit wird mit Hilfe eines Modells in Abhängigkeit von der Anzahl der erwarteten Fahrtanmeldungen bestimmt (vgl. [4]). Im Vergleich zum ersten Szenario steigt die Verkehrsleistung geringfügig um 0,5 %, wobei rund 40 % der gesamten Verkehrsleistung durch den Bedarfsbus erbracht werden. Der Linienverkehr wird mit zwei Standardbussen produziert, im bedarfsgesteuerten Flächenbetrieb kommt ein Minibus mit zehn Sitz- und zwölf Stehplätzen zum Einsatz. Dadurch fällt der Investitionsbedarf für Fahrzeuge hier mit knapp 500 000 EUR deutlich geringer aus. Für die Smartphone- Buchungs-Anwendung und die Dispositionssoftware kommt jedoch ein angenommener Investitionsbedarf in Höhe von 100 000-EUR hinzu. Unter der Annahme, dass die Nachfrage konstant bleibt, sinken die Auszahlungen während der Nutzungsphase um 2,2 % im Vergleich zum reinen Linienverkehr. Dies ist insbesondere auf den geringen Bild 1: Linienverlauf und Bedienungsgebiet im Vergleich Quelle: Autoren ÖPNV MOBILITÄT Kraftstoffverbrauch des Minibusses zurückzuführen. Bedingt durch den Komfortzuschlag in Höhe von 0,50 EUR je Fahrt mit dem Bedarfsbus steigen gleichzeitig die Einzahlungen der Nutzungsphase um 2,8 %. So ergibt sich insgesamt ein Kapitalwert in Höhe von -111 678 EUR. Damit sinken in diesem angenommenen Szenario die Kosten um mehr als drei Viertel durch die Substitution einer Linie durch Bedarfsverkehr. Der Kostendeckungsgrad steigt auf 98,5 %. Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsanalyse Die Kapitalwerte treffen zunächst für das angenommene Szenario eine eindeutige Aussage: bei Substitution der am schwächsten nachgefragten Linie durch den Bedarfsbus übersteigen die Auszahlungen weiterhin die Einzahlungen, die Diskrepanz wird jedoch stark verringert. Aufgrund des hohen Anteils der Personalkosten im Fahrdienst an allen Auszahlungen wird zuerst die Beförderungs- und Arbeitszeit genauer betrachtet. Für Szenario 2 fällt auf, dass die Beförderungszeit bei geringfügig höherer Laufleistung im Vergleich zu Szenario 1 um 0,8 % sinkt, die Arbeitszeit um 0,5 %. Während tagsüber die Beförderungszeit um wenige Minuten höher ist als die der ersetzten Linienfahrten, kann der Bedarfsbus abends bei Bedienung des gesamten Stadtgebiets 13,1 % der Beförderungszeit einsparen. Hinzu kommt, dass die Personalkosten in dieser Zeit durch Nachtzuschläge höher sind als tagsüber. Bei den Auszahlungen der Nutzungsphase sind aufgrund ihres hohen Anteils insbesondere die Antriebskosten relevant. Aufgrund der annähernd gleichen Laufleistung in den ersten beiden Szenarien ist der niedrige Kraftstoffverbrauch des Minibusses für die um mehr als 20 % geringeren Antriebskosten verantwortlich. Auf der Seite der Einzahlungen steigen Umsatzerlöse aus dem Fahrkartenverkauf (zusätzliche Einnahmen durch erhobenen Komfortzuschlag für das flexible Bedienungsangebot) und damit ebenfalls Ausgleichszahlungen für die entgeltlose Beförderung schwerbehinderter Menschen mit der Fahrgastanzahl im alternativen Betrieb an. Fazit Zusammenfassend ist zu sagen, dass Szenario 2 mit einem Bedarfsbus im Flächenbetrieb als Ergänzung zum Linienverkehr einen deutlich verbesserten Kapitalwert im Vergleich zum ersten Szenario erreicht. Die Investitionsentscheidung erreicht zwar keine absolute Vorteilhaftigkeit, im Vergleich zum reinen Linienverkehr sinkt der Zuschussbedarf jedoch um drei Viertel. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass bei annähernd gleicher Laufleistung und Beförderungszeit zusätzliche Umsatzerlöse aus dem Fahrkartenverkauf erzielt werden und gleichzeitig die Auszahlungen sinken. Voraussetzung für die gleichbleibende Leistung ist, dass die substituierte Linie vorher nur in geringem Maße ausgelastet war. Im Szenario 2 wurden keine zusätzlichen Beförderungsfälle unterstellt. Die steigende Angebotsqualität des flexiblen Flächenbetriebs könnte tendenziell zu einer gesteigerten Nutzung führen. Übersteigt die Verkehrsleistung des Bedarfsbusses diejenige der ersetzten Linienfahrten deutlich, so reduziert dies die hier ermittelte Vorteilhaftigkeit des Bedarfsbusses. Es ist demnach anhand der prognostizierten Leistung des Bedarfsbusses eine ausgewogene Kombination aus Linienverkehr und alternativer Betriebsform zu wählen. ■ Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg QUELLEN [1] Mehlert, C. (1998). „Angebotsbezeichnungen bei alternativen Bedienungsformen“. In: Der Nahverkehr, Vol. 16, Nr. 6, S. 56-58. [2] Schuster, B. (1992). „Flexible Betriebsweisen des ÖPNV im ländlichen Raum“. In: Der Nahverkehr, Vol. 10, Nr. 7, S. 41-45. [3] Leuthardt, H. (2005). „Betriebskosten von Linienbussen im systematischen Vergleich“. In: Der Nahverkehr, Vol. 23, Nr. 11, S. 20-24. [4] Bültemann, S. (2016). „Wirtschaftlichkeitsanalyse bei differenzierter Bedienung im ÖPNV“. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrssystemtechnik. Online abrufbar: http: / / elib.dlr.de/ 109670/ Kathrin Viergutz, M.Sc. Doktorandin, Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Braunschweig, kathrin.viergutz@dlr.de Benedikt Scheier, Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH), M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Braunschweig benedikt.scheier@dlr.de Stefanie Bültemann, M.Sc. Absolventin Verkehrswirtschaft, Technische Universität Dresden s.bueltemann@yahoo.de Von Europas Nr. 1: Verladestationen all-inclusive • Industrietore, Ladebrücken, Torabdichtungen und Vorsatzschleusen • 24-Stunden-Service: rund um die Uhr für Sie da • DOBO System: für hygienische Transporte, geschlossene Kühlketten und geringe Energiekosten 202-17 (gewerbliche Endkunden) Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 38 MOBILITÄT Nutzerverhalten Nutzung von Mobilitäts-Apps in Deutschland Mobilitäts-Apps, App-Nutzung, Smartphone-Nutzung, Mobilitätsservices, Mobilitätsverhalten Im Bereich Mobilität nehmen Verbreitung und Nutzungsmöglichkeiten von mobilen Applikationen (Apps) auf Smartphones zu. Das Institut für Verkehrswesen untersucht im Rahmen einer Studie die Nutzung und Verbreitung von Mobilitäts-Apps in Deutschland. Anwender wurden befragt, welche Apps und welche Funktionen der Apps gewählt werden. Verkehrsmittelnutzungen wurden zudem allgemein wie auch spezifisch für einzelne Apps abgefragt. Es zeigt sich, dass sich durch die App-Nutzung das Mobilitätsverhalten im Allgemeinen verändern kann - oftmals zugunsten einer flexibleren Verkehrsmittelwahl. Tim Hilgert, Kerstin Westermann, Martin Kagerbauer, Peter Vortisch M obilität ist ein unentbehrliches Bedürfnis der Gesellschaft. Menschen wollen flexibel und unabhängig in ihrer Alltagsmobilität sein. Das zeigt sich unter anderem am zunehmenden Trend des multimodalen Verkehrsverhaltens [1], das heißt, die Verkehrsteilnehmer/ -innen nutzen unterschiedliche Verkehrsmittel, genauer gesagt, unterschiedliche Verkehrsmodi auf ihren Wegen. Menschen sind zunehmend bereit, ihre Wege den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Moderne Kommunikations- und Informationsmittel erleichtern diesen Prozess durch Auswahl und Vielfältigkeit an Informationen. So können Informationen zur Mobilität vom klassischen Navigationsgerät, vom Computer, vom Tablet oder vom Smartphone abgerufen werden. Smartphones bilden heutzutage eine wesentliche Grundlage der Informationsbeschaffung und sind daher auch im Zusammenhang mit Mobilität ein relevantes Informationsmedium. 2016 besaßen 74 % der Bundesbürger ein Smartphone - das sind 51 Mio. Einwohner ab 14 Jahren; 2015 waren es noch zwei Drittel der Deutschen (63 %), 2012 gerade einmal ein Drittel (36 %) [2]. Vorausgesetzt, der Trend nimmt weiter zu, kann davon ausgegangen werden, dass in einigen Jahren nahezu jeder Bundesbürger ein Smartphone besitzt. Smartphones werden immer mehr zu selbstverständlichen und alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Sie ersetzen eine Vielzahl von Geräten und erleichtern durch die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten - mit Hilfe installierter Anwendungen (Apps) - den Alltag. Laut Statista gab es bis August 2016 bei den am meisten präferierten App-Stores Google Play (~ 2,4 Mio.), Apple App-Store (~ 2 Mio.) sowie Amazon App-Store (~ 600 000) in Summe knapp 5 Mio. Apps im Produktrepertoire [3]. Auch Apps für den Bereich Mobilität existieren in einer Vielzahl - von der „klassischen“ Navigation über Fahrplanauskünfte bis zur Kombination von Information, Routenführung und der Buchung von Tickets. Mit zunehmender Smartphone-Nutzung und steigenden App-Angeboten steigt auch das Interesse der Forschung bezüglich der Nutzung der Apps und möglicher Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten im Allgemeinen. Marktvergleichsstudien für Applikationen im Zusammenhang mit Mobilität sind nach Wissen der Autoren bisher nicht vorhanden bzw. nicht öffentlich zugänglich. Studien beschränkten sich lediglich auf die Erfassung von Nutzerbedürfnissen. Eine retrospektive Untersuchung der Nutzer und ihrer Nutzungsgewohnheiten in Deutschland fehlt aktuell. Auf Basis der aufgezeigten Marktentwicklungen und aktuellen Trends untersucht das Institut für Verkehrswesen (IfV) vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Rahmen des Projektes „Profilregion Mobilitätsysteme Karlsruhe“ mit Hilfe einer Online-Befragung die Fragen: • Wie bekannt sind Mobilitäts-Apps? • Welche Personen(-gruppen) nutzen diese Apps? • Was macht das Mobilitätsverhalten dieser Personengruppen aus? • Verändert sich das Mobilitätsverhalten dieser Personengruppen durch die Nutzung solcher Apps? Rahmenbedingungen der Teilnehmerbefragung Die Befragung erfolgte in Form einer Online-Umfrage von Ende Oktober bis Anfang November 2016, wobei die Teilnehmenden (18-65 Jahre) von einem externen Institut angeworben wurden. Hierbei wurden mehr als 3000 Smartphone-Nutzer/ -innen über ihr Mobilitätsverhalten sowie die (Mobilitäts-)App-Nutzung befragt. Zur Erreichung einer ausgeglichenen Stichprobe wurden diese nach Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße sowie Raumtyp entsprechend den Anteilen in der deutschen Bevölkerung ausgewählt. Den Probanden war zu Beginn der Umfrage das Themenfeld der Befragung bekannt, sodass diese selbst über eine Teilnahme entscheiden konnten. Um herauszufinden, welche Personentypen Mobilitäts-Apps nutzen, wurden zunächst soziodemographische sowie allgemeine Informationen der Teilnehmenden (Haushaltsgröße, ÖV-Zeitkartenbesitz, ...) erfragt. Anschließend wurde auf typische Mobilitätsverhaltensmuster - beispielsweise, welches Verkehrsmittel für welchen Wegezweck benutzt wird - eingegangen. Informationen über die Nutzung und Akzeptanz von Mobilitäts-Apps wurden zuerst im Allgemeinen und spezifisch für eine vom Teilnehmenden bereits verwendete Mobilitäts- App abgefragt - beispielsweise wann, wie oft oder für welchen Wegezweck diese App benutzt wird. Definition und Arten von Mobilitäts-Apps Eine einheitliche Definition von Mobilitäts- Apps ist nicht vorhanden bzw. aufgrund der Variantenvielfalt schwer abzugrenzen. Um eine möglichst hohe Anzahl an Personen detailliert zur App-Nutzung befragen zu können, wurden der Begriff im Sinne der Umfrage wie folgt definiert: „Eine Mobilitäts-App ist eine Software für Smartphones. Sie schlägt dem Nutzer für einen Weg ver- Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 39 Nutzerverhalten MOBILITÄT schiedene Verkehrsmittel/ Alternativen vor und verknüpft diese bei Bedarf miteinander, z.B. auf einem Weg erst den Bus und dann ein Carsharing-Fahrzeug zu nutzen.“ Von den 3164 Teilnehmenden geben 53 % an, mindestens eine Mobilitäts-App zu nutzen oder bereits genutzt zu haben. Davon verwenden die meisten Teilnehmenden Google Maps (91 %), gefolgt von DB-Navigator (46 %); moovel und Qixxit werden von 5 % bzw. 3 % der Teilnehmenden genutzt. Weitere Mobilitäts-Apps sind beispielsweise HERE We go (1,4 %), Öffi (1,3 %) sowie lokale Nahverkehrsapps. Nutzung und Einsatz von Mobilitäts-Apps Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf Detailfragen zu den einzelnen, von Nutzern 1 verwendeten Apps. Weiterhin sind die teilweise kleinen Stichprobenumfänge zu beachten, da Nutzer nur zu einer von ihnen genutzten App detaillierter befragt wurden. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben auf folgende Stichprobengrößen: • Google Maps: n = 744 • DB-Navigator: n = 631 • moovel: n = 58 • Qixxit: n = 22 Sonstige genannte Apps wurden für die folgenden Auswertungen aufgrund zu kleiner Stichproben nicht berücksichtigt. Gründe für die erstmalige Nutzung einer Mobilitäts-App sind vor allem das persönliche Interesse (63 %), die Möglichkeit, sich Information über Routen- und Verkehrsmittelalternativen zu beschaffen (42 %) sowie die Empfehlung von Verwandten, Freunden und Bekannten (27 %). Die App Qixxit wird hingegen sogar mehrheitlich - von jedem zweiten Nutzer (50 %) - auf Basis von Empfehlungen getestet. Die Häufigkeit der Nutzung variiert. Google Maps und DB- Navigator werden mehrheitlich an 1-3 Tagen pro Monat genutzt, moovel und Qixxit hingegen mehrheitlich an 1-3 Tagen pro Woche. Mobilitäts-Apps werden für unterschiedliche Wegezwecke eingesetzt. Die Verwendung für Wege im Nah- und Fernverkehr ist dabei nahezu ausgeglichen. Es zeigt sich, dass bei der Anwendung dieser Apps generell Wegezwecke mit flexiblen Zielen überwiegen. Die Apps werden also häufiger auf Wegen zu Freizeitgelegenheiten oder Urlaubszielen genutzt als in der täglichen Routine, bspw. bei Pendelwegen. Diese überwiegende Nutzung bei Wegen zu Freizeit und Urlaubszielen ist dabei über alle betrachteten Apps hinweg relativ ähnlich (siehe Bild- 1). Insbesondere wird dies bei der Betrachtung von Google Maps deutlich. moovel zeigt hingegen leicht andere Nutzungsmuster mit einer geringeren Nutzung für Freizeit und Urlaub und einer vergleichsweise hohen Nutzungsquote auf Arbeitswegen, dienstlichen Wegen oder Einkaufswegen. Der hohe Anteil von Qixxit bei dienstlichen Wegen muss auch vor dem Hintergrund der kleinen Stichprobe von n=22 gesehen werden. Von weiterem Interesse für die Untersuchung ist die Verkehrsmittelwahl bei den jeweiligen Mobilitäts-Apps. Während Smartphone-Nutzer auf Google Maps vor allem bei Aktivitäten zu Fuß (52 % der Nutzer) als auch mit dem PKW (als Fahrer 80 % der Nutzer und als Mitfahrer 49 % der Nutzer) zurückgreifen, wird moovel insbesondere im öffentlichen Verkehr (79 % der Nutzer) sowie bei den Verkehrsmitteln Fahrrad (43 % der Nutzer) und PKW als Fahrer (48 % der Nutzer) verwendet. Da sich moovel auf Ballungsräume - zum Beispiel in Deutschland auf Stuttgart, München, Berlin oder Hamburg - fokussiert, ist das aufgrund entsprechender ÖV-Angebote plausibel [4]. Qixxit bietet in ganz Deutschland sowohl innerstädtische als auch stadtübergreifende Verkehrsmittelnutzungsmöglichkeiten an. Folglich ist das Spektrum der verwendeten Verkehrsmittel breit, was sich auch im Nutzungsverhalten an den meist gewählten Verkehrsmitteln wiederspiegelt: 64 % der Nutzer nutzen den PKW als Fahrer, 82 % öffentliche Verkehrsmittel und 4 1% Carsharing-Angebote. Bei der Nutzung des DB- Navigators steht erwartungsgemäß ebenfalls der öffentliche Verkehr im Vordergrund. 92 % der Nutzer verwenden die App im Zusammenhang mit Fahrten im Öffentlichen Verkehr. 54 % der App-Nutzer geben zudem an, durch die Nutzung der Apps bereits mehrere Verkehrsmittel auf einem Weg kombiniert zu haben (intermodales Verhalten). Zwei Drittel dieser Teilnehmer kombinieren durch die Nutzung der App häufiger Verkehrsmittel als früher. Die meistgenutzten Kombinationen sind dabei Verkehrsmittel des öffentlichen Verkehrs, bspw. Bus und Zug. Mobilitäts-Apps werden annähernd gleich häufig vor der Fahrt wie auch während der Fahrt eingesetzt. Die meistgenutzten Elemente der Apps unterscheiden sich kaum. Am häufigsten werden diese Apps zum Aufzeigen von Routen-Verbindungsalternativen unter Nutzung der aktuellen Verkehrslage genutzt. Bei moovel ist zudem das Aufzeigen verschiedener Verkehrsmittelalternativen eine oft genutzte Funktion. Insgesamt sind 38 % der Nutzer mit ihrer Mobilitäts-App sehr zufrieden, für mehr als die Hälfte der Nutzer (57 %) sind keine Funktionen der App verbesserungswürdig. Jedoch gibt jeder vierte Nutzer an, dass sowohl die Berücksichtigung der aktuellen Verkehrslage als auch die Aktualität der Daten verbessert werden kann. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die meisten Nutzer Mobilitäts-Apps aus Interesse und für den Gelegenheitsverkehr einsetzen. Da sich die Mobilitäts-Apps so- 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% Arbeit Dienstlich Besorgung/ Einkauf Begleitung Freizeit Urlaub Dienstlich Freizeit Urlaub Nahverkehr Fernverkehr Prozent der Nutzung GESAMT Google Maps DB-Navigator moovel Qixxit Bild 1: Wegezwecke bei der Nutzung einer Mobilitäts-App Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 40 MOBILITÄT Nutzerverhalten wohl in der Auswahl der Verkehrsmittel als auch in den Einsatzregionen unterscheiden, sind die Wegezwecke und die Verkehrsmittelwahl von App zu App verschieden. Nutzeranalyse Bild 2 zeigt die Altersverteilung der befragten Mobilitäts-App-Nutzer. Es wird deutlich, dass die Anzahl der Nutzer mit steigendem Alter generell abnimmt. Der DB-Navigator wird mehrheitlich von einer jungen Altersgruppe zwischen 18-25 Jahren genutzt, wovon die Hälfte Studierende sind. Bei den anderen Apps dominieren die Nutzergruppen im Bereich 34-41 Jahre. Die Mehrheit der Mobilitäts-App-Nutzer sind voll berufstätig (54 %), wobei die Nutzer der Apps moovel und Qixxit überdurchschnittlich häufig berufstätig sind (76 % und 73 %). Je nach Wohnortlage sind Unterschiede in der App-Nutzung erkennbar: Google Maps-Nutzer wohnen überwiegend in ländlichen Regionen (40 % in Regionen mit weniger als 20 000 Einwohnern). moovel sowie Qixxit nutzen Personen, die hingegen mehrheitlich in städtischen Bereichen ab 100 000 Einwohnern wohnen. Die unterschiedliche Aufteilung lässt sich anhand der Angebote der Apps erklären. moovel legt seinen Fokus vor allem auf Ballungsräume, so ist die Nutzung in kleineren Städten und ländlichen Regionen schwierig. Google Maps zeigt in Deutschland überwiegend Routenvorschläge für den PKW, Fuß- oder Radwege an, welche aufgrund geringerer Optionen mehrheitlich auf dem Land und in kleineren Gemeinden eingesetzt werden. Die App DB-Navigator erteilt Nutzern Auskunft über das deutschlandweite DB-Netz und über lokale Nahverkehrsanbieter. Dadurch können diese nicht nur in Großstädten, sondern auch in ländlicheren Regionen profitieren. Es wird deutlich, dass die Wahl einer Mobilitäts-App auch abhängig von der geographischen Lage des Wohnorts ist. So beeinflusst zum einen das Angebot der Mobilitäts-App und zum anderen das Angebot an Sharing-Systemen sowie der Anschluss an Öffentliche Verkehrsmittel die Entscheidung, welche Mobilitäts-App am besten zum Nutzer und seinen Bedürfnissen passt. Weiterhin wurden App-Nutzer mit Nicht-App-Nutzern verglichen. Es zeigt sich, dass durchschnittlich 30 % der App- Nutzer bei mindestens einem Carsharing- Anbieter Mitglied sind, wobei Nutzer von moovel und Qixxit die größten Anteile vertreten (69 % und 77 %). Bei den Nicht-App- Nutzern haben lediglich 11 % eine Carsharing-Mitgliedschaft. Weiterhin besitzt jeder dritte App-Nutzer eine Bahncard (34 %) und jeder Zweite eine ÖV-Zeitkarte (48 %), bei den Nicht-App-Nutzern hat lediglich jeder Siebte eine Bahncard (14 %) und jeder Fünfte eine ÖV-Zeitkarte (20 %). Weiterhin unterscheidet sich auch die Verkehrsmittelnutzung beider Gruppen (siehe Bild 3). Es wird eine deutliche variablere Verkehrsmittelnutzung bei App-Nutzern deutlich. Abgesehen vom PKW als Fahrer werden alle anderen Verkehrsmittel häufiger genutzt, das heißt, das Verhalten ist insgesamt variabler. Besonders deutlich ist der Unterschied bei dem Verkehrsmittel ÖV. 69 % der Nutzer gehen täglich zu Fuß, bei den Nichtnutzern 10 % weniger (59 %). Jeder dritte Nichtnutzer benutzt sein Rad (fast) nie, bei den Nutzern ist es nur jeder Vierte. Den PKW nutzen täglich 10 % mehr der Nichtnutzer im Vergleich zu den Nutzern. Auffällig ist auch die Häufigkeit der ÖV-Nutzung: Mehr als doppelt so viele App- Nutzer (28 %) fahren täglich mit dem ÖV im Vergleich zu den Nicht-App-Nutzern (11 %). 36 % der Nicht-App-Nutzer nutzen (fast) nie den ÖV, bei den App-Nutzern lediglich 16 %. App-Nutzer sind offener gegenüber Verkehrsmittelangeboten wie zum Beispiel ÖV- Zeitkarten oder Carsharing-Mitgliedschaften und nutzen diese häufiger. Zusätzlich scheinen die Nutzer aktiver mobil zu sein, in dem sie mehr zu Fuß gehen, das Rad nehmen und den PKW häufiger stehen lassen im Vergleich zu Nichtnutzern. Verändertes Nutzerverhalten durch Mobilitäts-Apps Für 70 % der App-Nutzer hat sich durch die Verwendung solcher Apps das Mobilitätsverhalten geändert - wenn auch in unterschiedlichen Intensitäten und aufgrund ihrer subjektiven Einschätzung. Einige Zitate aus der Umfrage in Tabelle 1. Die Umfrage hat gezeigt, dass Mobilitäts-Apps das Mobilitätsverhalten der Nutzer positiv beeinflussen können. Der Wille der Nutzer ist vorhanden, Gewohnheiten zu 0% 10% 20% 30% 40% 18-25 26-33 34-41 42-49 50-57 58-65 Prozent der Nutzer Alter in Jahren GESAMT Google Maps DB-Navigator moovel Qixxit Bild 2: Altersverteilung der App-Nutzer Bild 3: Verkehrsmittelnutzung im Mittel - Vergleich App-Nutzer vs. Nicht-App-Nutzer Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 41 Nutzerverhalten MOBILITÄT ändern, sich auf neue Verkehrsmittelvorschläge und Routen einzulassen und diesen zu vertrauen. Erleichtert wird das Ganze durch die Einstellung dieser Personentypen: Sie zeigen Offenheit und Flexibilität, zum einen in ihrer Verkehrsmittelnutzung, zum anderen in der Wahrnehmung von Angeboten wie ÖV-Zeitkarten. Fazit Insgesamt wird deutlich, dass Personen, die Apps verwenden, aktiver in ihrer Mobilität im Vergleich zu Nichtnutzern sind; sie verwenden häufiger Öffentliche Verkehrsmittel, Sharing-Angebote, das Rad oder gehen zu Fuß. PKW werden vielmals stehen gelassen. Dabei spielt auch die geographische Lage eine Rolle, denn in dichteren und zentraleren Gebieten ist das Angebot an Verkehrsmitteln und somit auch die Notwendigkeit und Verfügbarkeit von Apps höher. Grundsätzlich sind die meisten Nutzer mit ihren Mobilitäts-Apps zufrieden, wobei am ehesten die Aktualität der Verkehrslage verbessert werden sollte. Ferner wird deutlich, dass vor allem durch die Verwendung von Mobilitäts-Apps der Umstieg auf Sharingsysteme bzw. deren Nutzung erleichtert wird. Somit bedingt sich das Zusammenspiel von Mobilitäts-Apps und flexiblen Mobilitätsformen wie Car- oder Bikesharing. Diese Beziehungen sind selbstredend wechselseitig. Mobilitäts-Apps ermöglichen neue Mobilitätsformen und die Kombination von Verkehrsmitteln. Andererseits wird durch das Vorhandensein von verschiedenen Verkehrsangeboten der Bedarf an Mobilitäts- Apps höher. Die Nutzung der Mobilitäts-Apps ist vermehrt bei technikaffinen und meist auch jüngeren Personen höher, verbreitet sich aber auch bei anderen Personengruppen aufgrund zunehmender Angebote. Der steigende Informationsbedarf und -fluss und eine wachsende Anzahl an Mobilitätsdienstleistungen beeinflussen die Mobilität der Verkehrsteilnehmer zunehmend und ermöglichen auch eine Tendenz hin zur flexibleren Verkehrsmittelnutzung, was oftmals auch mit mehr Nachhaltigkeit zur Folge hat. Somit ermöglichen es Mobilitäts-Apps, die individuellen Mobilitätsoptionen zu erhöhen. Spannend bleibt dabei zu beobachten, in welcher Weise sich eine zunehmende Verbreitung und Marktdurchdringung von Mobilitäts-Apps auf individuelles Verkehrsverhalten auswirkt. Gerade in Ballungsräumen sind dies Forschungsfragen, die uns in Zukunft weiter beschäftigen werden. ■ 1 Zugunsten der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur der Ausdruck Nutzer bzw. Teilnehmer genutzt. Es sind damit jedoch explizit Teilnehmer sowie Teilnehmerinnen der Befragung bzw. Nutzerinnen und Nutzer der Apps gemeint. LITERATUR [1] Deutsches Mobilitätspanel (MOP) - Wissenschaftliche Begleitung und Auswertungen Bericht 2015/ 2016: Alltagsmobilität und Fahrleistung, Weiss, C., Chlond, B., von Behren, S., Hilgert, T. u. Vortisch, P., Karlsruhe 2016 [2] Ametsreiter, H.: Smartphone-Markt: Konjunktur und Trends. Berlin 2016 [3] AppBrain u. TechCrunch: Anzahl der angebotenen Apps in den Top App-Stores im August 2016. Statista - Das Statistik-Portal, 2016. https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 208599/ umfrage/ anzahl-der-apps-in-den-top-app-stores/ , abgerufen am: 03.01.2017 [4] Koch, J.: Diese App will Mobilität in Städten vereinfachen, Hamburg 2016. https: / / www.welt.de/ regionales/ hamburg/ article154725778/ Diese-App-will-Mobilitaet-in-Staedten-vereinfachen.html, abgerufen am: 03.01.2017 Diese Veröffentlichung ist entstanden im Rahmen der Profilregion Mobilitätssysteme Karlsruhe, gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden- Württemberg. Martin Kagerbauer, Dr.-Ing. Senior Researcher, Institut für Verkehrswesen (IfV), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe martin.kagerbauer@kit.edu Peter Vortisch, Prof. Dr.-Ing. Leiter Institut für Verkehrswesen (IfV), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe peter.vortisch@kit edu Kerstin Westermann Studentische Mitarbeiterin, Institut für Verkehrswesen (IfV), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe Tim Hilgert, MSc. Akademischer Mitarbeiter, Institut für Verkehrswesen (IfV), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe tim.hilgert@kit.edu Warum Mobilitäts-Apps das Nutzerverhalten ändern Ich bin nun lieber mit den Öffentlichen unterwegs und plane auch Ausflüge. Ich gehe unbekümmerter in die Reise. Vorher habe ich immer den Weg genommen, bei dem ich mir wirklich sicher war, dass ich auch ankomme. Jetzt fühl ich mich auch auf den kürzesten Wegen sicherer, weil ich ja immer weiß, wo ich bin. Ich zögere nicht mehr, auch unbekannte Orte und Städte zu befahren. Ich bin spontaner in meinen Entscheidungen. Durch Optimierung der Anreise an mein Ziel habe ich Zeitersparnis. Fahre genauso viel Bahn wie vor dem Erscheinen der App, nur jetzt ist es bequemer, Tickets zu suchen und zu buchen. Ich nutze jetzt öffentliche Verkehrsmittel öfter, da ich sofort sehen kann, wie lange die Fahrt dauert. Dadurch kann ich besser abwägen, ob die Fahrt mit dem PKW oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zeitlich günstiger ist oder nicht. Außerdem kann ich über die App Fahrscheine kaufen, was das Risiko Schwarzfahren zu müssen reduziert und auch die Suche nach einem funktionierenden Fahrkartenschalter nicht mehr notwendig ist. Tabelle 1: Zitate bzgl. Veränderung des Nutzerverhaltens Redaktionsleitung: Eberhard Buhl Tel.: +49 89 889518.71 | eberhard.buhl@trialog.de Mediaservice: Hellfried Zippan Tel.: +49 89 889518.74 | hellfried.zippan@trialog.de Ihr direkter Draht zu uns ... Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 42 MOBILITÄT ÖPNV-Tarif Zahlen, was tatsächlich gefahren wird Deutschlands größter Feldversuch mit einem Relationstarif erfolgreich gestartet Rhein-Main-Verkehrsverbund, Tarifmodell, Mobilitätsverhalten, RMVsmart Seit dem 15. April 2016 testet der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) als erster Verkehrsverbund Deutschlands einen Relationstarif in einem großflächigen Modellprojekt. Über 13 000 Teilnehmer kaufen dabei ihren Fahrschein im Tarifpiloten RMVsmart nicht für Flächenzonen, sondern zahlen für die tatsächlich genutzte Verbindung. Vertrieben wird das neue Tarifangebot über das Smartphone. Knut Ringat U m der Region FrankfurtRhein- Main einen einheitlichen Tarif zu geben, wählten die Gründungsmitglieder des RMV im Jahr 1995 ein Tarifsystem aus großflächigen Waben, sogenannten Tarifzonen, die sich an den Stadt- und Kreisgrenzen orientieren. Die damalige Entscheidung war richtig, orientierte sie sich doch am Mobilitätsverhalten der Menschen in den 1990er Jahren. Nach dem Modell der Tarifwaben wurden seinerzeit in ganz vielen Verkehrsverbünden Deutschlands die Tarifgebiete so neu geordnet und verwirklicht. Was vor 20 Jahren richtig und sinnvoll war, ist heute korrekturbedürftig. Ein wesentlicher Treiber der Erneuerung ist dabei das geänderte Mobilitätsverhalten unser Fahrgäste. Viele Menschen im Rhein-Main- Gebiet halten die heute bestehenden Tarifstrukturen inzwischen für nicht mehr zeitgemäß - eine Einschätzung, die wir beim RMV teilen. Doch wie kommen wir zu dieser Einschätzung? In einer immer enger zusammenwachsenden Metropolregion spielen heute Stadt- und Kreisgrenzen kaum noch eine Rolle für die Menschen. Mit der Pendlerhauptstadt Frankfurt bewegt sich der RMV in einer polyzentrischen Region mit einem monozentrischen Ansatz zu Frankfurt. Verbindungen zwischen unmittelbar benachbarten Städten und Stationen sind so zu Recht zum Sinnbild für die Kritik geworden: Die Flächenzonen erlauben einerseits lange Fahrten innerhalb der großen Tarifzonen. Andererseits schlägt jedes Überqueren einer Tarifgrenze mit einem preislichen Sprung zu Buche. Stark vereinfacht: Manch kurze, starkfrequentierte Strecke zwischen zwei Metropolkernen ist im Vergleich zu einer langen Strecke am Rande des Ballungsraums unverhältnismäßig teuer. Aufbauend auf dem RMV-HandyTicket, das seit Jahren ein überexponentiell stark wachsendes Vertriebselement darstellt, hat sich der RMV dazu entschieden, mittels einer Pilotierung eines Relationstarifs seine Tarifstruktur neu zu denken und gemeinsam mit den Fahrgästen und den Stakeholdern weiterzuentwickeln. Die Idee des RMVsmart war im RMV-Aufsichtsrat geboren. Mit dem RMVsmart geht der Verbund den entscheidenden Schritt Mit dem Pilotversuch RMVsmart vollzieht der RMV den entscheidenden Schritt seiner seit rund zehn Jahren laufenden stufenweisen Tarifstrukturreform. Bezogen sich die bisherigen Stufen der Tarifstrukturreform auf das Zeitkarten-Segment (spezielle Angebote für Senioren, Schüler, Studenten) werden in einer ersten Stufe im RMVsmart zunächst nur Angebote für den Gelegenheitsverkehr getestet. Die Gründe dafür sind gewichtig: Selbst geringe prozentuale Veränderungen bei den Fahrkartenverkäufen wirken sich sofort in einer immensen Größenordnung auf die Einnahmen des Verbundes aus. Die Einnahmen sind wiederum direkte Grundlage eines gesicherten Verkehrsangebotes. Und Bild 1: Das Smartphone ermöglicht einfaches und intuitives Handling. Foto: RMV/ Markus Hammrich Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 43 ÖPNV-Tarif MOBILITÄT die mit der Größe des RMV einhergehende Vielzahl an Relationen muss von allen Verkaufsgeräten abgebildet werden können. Da aber die Vertriebslandschaft im RMV äußerst heterogen ist und längst nicht alle Verkaufsgeräte den avisierten Relationstarif abbilden können, wird das entwickelte Tarifmodell zunächst über das Smartphone erprobt. Hier erlaubt die vorhandene Technik mit einem leistungsfähigen Hintergrundsystem, auch komplexe Strukturen zu hinterlegen. Für den Kunden ist die Erprobung auf dem Smartphone zudem von Vorteil, da das Smartphone ein möglichst einfaches und intuitives Handling ermöglicht, so wie vom HandyTicket gewohnt und erprobt. Insbesondere um die Akzeptanz der Fahrgäste testen zu können - welche für den Erfolg des Tarifpiloten entscheidend ist - ist der RMVsmart als ein auf drei Jahre ausgelegter Pilotzeitraum mit einem umfassenden Kundendialog für bis zu 20 000 Testkunden vorgesehen (Bild 1). Wie beim Taxi RMVsmart, zunächst begrenzt auf Einzelfahrkarten für Erwachsene, basiert auf zurückgelegten Tarifkilometern und gewählten Verkehrsmitteln. Analog einer Fahrt mit dem Taxi zahlt jeder Fahrgast nur das, was er tatsächlich nutzt. Das Tarifangebot setzt sich dabei aus einigen wenigen, übersichtlichen Bausteinen zusammen. Als Basis aller Bausteine gilt in einem ersten Schritt ein fester Grundpreis von 1,69- EUR pro Fahrt. Für den gefahrenen Kilometer zahlen die Fahrgäste dann in Regionalzügen, S-Bahnen und U-Bahnen einen klar entfernungsabhängigen Preis: Im engmaschigen und dicht getakteten Kernnetz im Großraum Frankfurt 21,8 Euro-Cent (ct) je Kilometer, im übrigen RMV-Gebiet (Regionalnetz) 10,9 ct je Kilometer. Für jede Relation, die Fahrgäste mit diesen Verkehrsmitteln zurücklegen, errechnet sich ein individueller Fahrpreis. Für Fahrten mit Bus oder Straßenbahn gibt es übersichtliche Pauschalpreise - je nach Größe der durchfahrenen Orte bzw. Städte (Bild 2). Dabei dienen Bausteine und Tarifräume gegenüber dem Fahrgast aber nur als Hintergrundinformation. Im Fahrscheinkauf und in der Verbindungswahl wird dem Fahrgast in der dazugehörigen Smartphone-App nur der jeweilige individuelle Preis angezeigt. Dafür wurde die erfolgreiche RMV- App weiterentwickelt. Der Pilotversuch zu RMVsmart erlaubt es zudem erstmals, innovative neue Anreizsysteme im Verbundverkehr konkret in deren Wirkung zu testen. Damit eröffnet sich eine vollkommen neue „Tarifwelt“ - vorausgesetzt, das Angebot stößt bei den Fahrgästen auf Akzeptanz. Der Feldversuch wird von einem Innovationsdialog begleitet, bei dem Testnutzer, Experten, Verbands- und Politikvertreter den Tarifpiloten auf den Prüfstand stellen - in Befragungen, Online-Debatten und Diskussionsveranstaltungen. Schließlich bestehen unterschiedlichste tarifliche, politische, verkehrliche, unternehmerische und nutzungsbezogene Anforderungen an ein solches Tarifprodukt, die es auszutarieren gilt. Dies zeigen auch die in Teilen sehr emotional geführten Diskussionen in den ersten Monaten - obwohl RMVsmart parallel zum bestehenden Tarifangebot getestet wird. Alle klassischen Tarifangebote bleiben parallel erhalten während des Testes. Mittelpunkt der Diskussion ist auch in dem Tarifpiloten der Preis. So wird es für einige Fahrgäste mit dem RMVsmart deutlich billiger, für andere teurer. Transparent können nun alle Preise nachvollzogen werden. Dabei haben die Fahrgäste weiterhin die Wahl zwischen RMVsmart und dem konventionellen RMV-Tarif (Bild 3). Grundannahme für die Preissetzung im RMVsmart war eine konstante Tarifergiebigkeit. Im heutigen Wabentarif ist je nach Relation die tatsächliche Entfernung je- Preisstufe sehr unterschiedlich. Für 4,80- EUR (Preisstand 2017 - Preisstufe 4) gibt es z. B. Relationen zwischen 10 und 60- km, deren Nachfrage in der Abbildung durch die Größe der Kreise abgebildet wird. Eine entfernungsabhängige Tarifierung unter der Annahme konstanter Tarifergiebigkeit führt zu einer Geraden, die kürzere Relationen billiger und längere Relationen teurer macht. Versuch und Dialog liefern richtungsweisende Erkenntnisse für die Weiterentwicklung von Verbundtarifen. Im nächsten Schritt des Testes werden folgend verschiedene Tarifhöhen und Pauschalangebote getestet. Auch Anreizmodelle für Kundengruppen bis hin zu Zeitkarteninhabern werden eingebunden. Eine Entscheidung über deren Ausgestaltung erfolgt voraussichtlich im ersten Halbjahr 2017. Am Ende des Pilotversuches werden die Ergebnisse dem Aufsichtsrat vorgelegt, der dann auf dieser Grundlage darüber entscheidet, ob und welin Orten 50.000 < 0,35 Euro/ Fahrt M in Städten 50.000 - 200.000 0,47 Euro/ Fahrt L in F / WI / MZ 0,67 Euro/ Fahrt XL Kernnetz InnErOrtS ÜbErland 0,218 Euro/ tarif-km regionalnetz 0,109 Euro/ tarif-km mit F / WI / MZ 2,35 Euro/ Fahrt ohne F / WI / MZ 1,13 Euro/ Fahrt XL+ M+ L+ Grundpreis 1,69 Euro/ Fahrt Bild 2: Preissegmente des RMVsmart Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 44 MOBILITÄT ÖPNV-Tarif che Elemente in einen künftigen Tarif übernommen werden. Rekrutierung und Verteilung der Testkunden Der RMV setzt zur Rekrutierung der Kunden zum einen auf klassische, zum anderen auch auf digitale Werbemaßnahmen. Als besonders effektiv und zeitgleich kostengünstig hat sich dabei die Nutzung der eigenen Kanäle, insbesondere der RMV-App bewährt. Es werden aber auch offline-Kanäle genutzt, um bisherige Nicht-RMV-HandyTicket-Kunden zu erreichen. Die Werbemaßnahmen wurden dabei im gesamten RMV-Gebiet gestreut. Ziel ist es, in jeder der 27 Gebietskörperschaften des RMV mindestens 100, möglichst 400 Testkunden, zu generieren. Inzwischen spiegelt die tatsächliche Verteilung der RMVsmart-Testkunden sowohl Bevölkerungsdichte und Art der ÖPNV-Nutzung als auch bisherige RMV-HandyTicket-Nutzung wider. Fast 50 % der Testkunden stammen aus dem großstädtischen Raum (Frankfurt, Mainz, Wiesbaden, Darmstadt, Offenbach), ca. 25 % aus den eher städtisch geprägten Landkreisen im Umfeld der Großstädte (z. B.- Main-Taunus-Kreis, Darmstadt-Dieburg etc.). 25 % der Testnutzer stammen aus dem restlichen RMV-Gebiet und von außerhalb des RMV-Gebiets (7 %). Die Rekrutierung erfolgte in zwei Wellen mit unterschiedlichen Botschaften. Während in der ersten Welle unter dem Titel „Nachbarschaftlich fahren, fair bezahlen“ das Thema (Leistungs-)Gerechtigkeit im Vordergrund stand, fokussierte die zweite Kampagne unter dem Slogan „RMVsmart - meine Strecke, mein Preis“ auf die Themen Einfachheit und individueller Preis. Die begleitende Eingangsbefragung bezüglich der Motivation zur Teilnahme an RMVsmart belegt, dass diese Botschaften von den Testkunden wahrgenommen wurden: Die Testkunden, die sich in den ersten Monaten bei RMVsmart angemeldet hatten, nannten signifikant häufiger den Grund „Gerechtigkeit“ als Motivation als diejenigen, die sich später angemeldet haben, welche wiederum „Preis“ und „Einfachheit“ als Motivation nannten (Bild 4). Die Einnahmen haben sich rasant entwickelt, nach einen guten halben Jahr liegt der Umsatz bereits über dem Volumen, das touch&travel nach fünf Jahren erreicht hatte. Eine gute Vergleichsbasis besteht zum konventionellen RMV-HandyTicket, über das etwa 5 % der Einzelkarten im RMV vertrieben werden. Etwa 85 % der Kunden nutzen mit RMVsmart bisher eine Relation, für die sie mit dem konventionellen Tarif einen höheren Preis gezahlt hätten. Das spricht für eine große Preis-Sensibilität der Kunden. Der Durchschnittspreis pro Ticket liegt im RMVsmart bisher etwa 4 % unter dem Vergleichswert im konventionellen Tarif. Für eine differenzierte Analyse ist es jedoch noch zu früh. Hierfür ist eine größere Datenbasis erforderlich. Erste Reaktionen der Öffentlichkeit Bereits seit dem Aufsichtsratsbeschluss im Dezember 2015 und der damit verbundenen Bekanntmachung von RMVsmart steht der Pilotversuch unter öffentlicher Beobachtung von Politik, Presse, Fachkollegen aus der ÖPNV-Branche und Lobbygruppen. Die Beschäftigung mit RMVsmart reicht dabei von Neugier und Informationsinteresse bis zur Formulierung konkreter Anforderungen an das Projekt. Als besondere Herausforderung gestaltet sich dabei, immer wieder den Projektcharakter von RMVsmart hervorzuheben, da das Tarifprodukt oft als „der neue RMV-Tarif“ wahrgenommen wird und mit entsprechend hoher Emotionalität diskutiert und Anforderungen mit Vehemenz formuliert werden. Der RMV nimmt die Diskussionsbeiträge der Kunden, Politik und Fahrgastverbände offen auf und leitet daraus für den weiteren Projektverlauf und die zukünftig noch zu testenden Komponenten von RMVsmart weitere Aufgaben ab. Wichtig ist zu betonen, dass der RMVsmart als ein erstes Angebot für Gelegenheitsfahrer konzipiert wird, dem Angebote für Dauernutzer folgen. ■ Knut Ringat, Prof. Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung, Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim a.Ts. k_ringat@rmv.de Bild 4: Entwicklung der Anzahl Testkunden und Einnahmen Bild 3: Leistungsgerechtes Preisangebot durch RMVsmart-Tarif Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 45 Sharing: Nische oder Massenmarkt? Ergebnisse der Studie „ShareWay“ zum Stand der Forschung und Praxis der geteilten Mobilität Carsharing, Bikesharing, Öffentlicher Verkehr, Mobilitätstrends, Nutzerpotenziale Die noch jungen Phänomene Car-, Ride- und auch Bikesharing zählen zu den derzeit am häufigsten diskutierten Mobilitätstrends, von denen disruptive Wirkungen ausgehen sollen. Trotz des dynamischen Wachstums der Sharing-Branche haben sie bislang allerdings noch keinen relevanten Anteil am Gesamtverkehrsmarkt. Noch jünger ist die Forschung zur Shared Mobility und ihrer tatsächlichen Wirkungen. Das-Projekt „ShareWay“ hat in einem umfassenden Wissenskompendium den aktuellen Stand von Forschung und Praxis zur Shared Mobility zusammengetragen und Entwicklungsperspektiven beleuchtet. Lukas Foljanty, Maike Gossen, Paula Ruoff A ngesichts der durchschnittlichen Standzeiten und dem niedrigen Besetzungsgrad von privaten PKW sowie dem nur unzureichend gehobenen Potenzial des Fahrrads für urbane Mobilität scheint das Prinzip des Teilens mittels Car-, Ride- und Bikesharing eine naheliegende Antwort auf die Frage der Gestaltung der Mobilität von morgen. Die Potenziale der Shared Mobility für das Ende des privaten PKW-Besitzes, eine umfassende Verhaltensänderung und eine ressourcenschonende Mobilität durch höhere Auslastung von Fahrten und Fahrzeugen wurden in den letzten Jahren mehrfach postuliert und führen teilweise zu sehr hohen Erwartungen an die verkehrliche Wirksamkeit. Allerdings hat die Shared Mobility bisher nur geringe Auswirkungen auf das Gesamtverkehrssystem, wie etwa einen de facto nicht quantifizierbaren Modal Split- Anteil und eine größtenteils homogene Nutzergruppe von jüngeren, gut gebildeten Männern, zumindest jedoch Städter mit höherem Einkommen. Ziel des vom österreichischen Verkehrsministerium (bmvit) und der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekts „ShareWay“ [1] war ein Realitätsabgleich und eine Über- Foto: pixabay.de Shared Mobility MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 46 MOBILITÄT Shared Mobility prüfung empirischer Nachweise für die erwarteten Potenziale der Shared Mobility. Eine umfassende Sekundäranalyse wissenschaftlicher Studien zur Shared Mobility, Erfahrungsberichte aus der Praxis und von Pilotprojekten sowie Interviews mit Expert/ innen dienten der Zusammenstellung des aktuellen Wissensstands. Die Zwischen- und Endergebnisse des Projekts wurden in zwei Workshops mit Fachleuten der Shared Mobility diskutiert. Angesichts der Unsicherheiten hinsichtlich des Verständnisses und der Definition von Shared Mobility wurde zunächst eine Eingrenzung und Typologisierung des Begriffs vorgenommen. Ist Sharing reiner Altruismus, der eine Vergütung oberhalb von Aufwandsentschädigungen unnötig macht? Oder ist es schlicht „crowd-based capitalism“ [2], der es ermöglicht, durch Vermietung unterausgelasteter Gegenstände Geld zu verdienen? Konkret verkehrsbezogen: Zählen Taxis oder der öffentliche Verkehr auch zur Shared Mobility? Wo wird diesbezüglich in der Fachliteratur die Grenze gezogen? Unter Berücksichtigung der verfügbaren Angebots- und Organisationsformen bzw. Akteursbeziehungen wurde im Projekt folgende Definition gewählt: Shared Mobility ist die eigentumslose Nutzung von Mobilitätsdienstleistungen unterschiedlicher Verkehrsträger, mit Ausnahme des öffentlichen Verkehrs und Taxis. Es können sowohl Verkehrsmittel wie PKWs und Fahrräder bzw. -infrastrukturen wie Parkplätze als auch Dienstleistungen unter Shared Mobility fallen. Die Transaktionen finden zwischen Privatpersonen und Unternehmen (B2C), zwischen Unternehmen (B2B), zwischen Privatpersonen (C2C), und zwischen öffentlichem Sektor und Privatpersonen (P2C) statt (siehe Tabelle 1). Auch wenn die Anfänge des Carsharing viele Jahrzehnte zurück reichen, handelt es sich bei der Shared Mobility immer noch um ein verhältnismäßig junges Phänomen, bei dem sich der Markt sehr dynamisch entwickelt, neue Akteure mit innovativen Angeboten hinzukommen und andere wieder austreten (Bild 1). Dies hängt mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen zusammen, die fördernd wie hemmend auf die Marktentwicklung wirken können. Dazu zählen u. a. die sich wandelnde Einstellung zum PKW-Privatbesitz, beschleunigte technologische Entwicklungen wie Smartphones und ihr Marktdurchsatz, teils unsichere Regulierungsrahmen, angebotsplanerische Dilemmata (beispielsweise ist die Nachfrage nach Shared Mobility dort am höchsten, wo das dichteste ÖV-Angebot besteht) und ökonomische Vorteile aber auch Risiken auf Nutzer- und Anbieterseite. Diese Dynamik spiegelt sich auch im Forschungsstand wieder. Zu Car- und Bikesharing wurde bereits eine wachsende Anzahl an Untersuchungen und Forschungsprojekten durchgeführt oder sie werden aktuell bearbeitet. Zum Thema Ridesharing und Rideselling hingegen liegen kaum belastbare Erkenntnisse vor, so dass z. B. die Frage, welche Auswirkungen beispielsweise der Fahrdienst Uber auf die ÖV- Nachfrage hat, derzeit nicht sicher beantwortet werden kann. Im Rahmen des Projekts wurden insgesamt drei Fallstudien erstellt, in denen Shared Mobility-Lösungen in unterschiedlichen Zusammenhängen untersucht und mögliche Synergiepotenziale sowie Umsetzungsherausforderungen herausgearbeitet wurden. Da der Wohnstandort Ausgangs- und Endpunkt der meisten Alltagsaktivitäten und damit auch entscheidend für die personenbezogene Mobilität ist, beleuchtete eine Fallstudie die Potenziale der Integration von Shared Mobility in die verkehrliche Erschließungsplanung für neue und bestehende Wohngebiete. Die untersuchten Praxisbeispiele legen den Schluss nahe, dass es große Unterschiede hinsichtlich der Akzeptanz und Nutzung von Car- und Bikesharing als Teil eines Wohnkonzeptes gibt und dementsprechend erst wenige Wohnungsbauunternehmen oder private Baugruppen Interesse daran zeigen. Auch im Wirtschaftsverkehr spielt Sharing bisher eine untergeordnete Rolle - jedenfalls gemessen an den wenigen und meist klein dimensionierten Praxisbeispielen. Jedoch bieten Sharing-Prinzipien für den immer stärker über die Straße abgewickelten Güterverkehr große Chancen mit Blick auf Effizienzgewinne, Ressourceneinsparungen und Verbesserungen bei der Umweltbilanz durch das Teilen von Flächen und Fahrzeugen, die Verteilung kleinerer Transporte per Ridesharing für Güter sowie durch die Kombination von Personen- und Gütermobilität in einem Verkehrsmittel. Besonders großes Potenzial besteht für den ländlichen Raum. Angebote aus dem Mobilitätsbereich Goods Sharing Service Sharing Organisationsform B2C Stationsbasiertes und stationsunabhängiges Carsharing Stationsbasiertes und stationsunabhängiges Bikesharing [Taxidienste] B2B Business Carsharing [Gewerbliche Chauffeurdienste] C2C Privates Carsharing Privates Bikesharing Privates Parkplatz-Sharing Ridesharing Rideselling Mikro-ÖV-Systeme P2C Öffentliches Carsharing Öffentliches Bikesharing [Öffentlicher Nahverkehr] Tabelle 1: Angebots- und Organisationsformen bzw. Akteursbeziehungen Bild 1: Verschiedene Markt-Akteure mit unterschiedlichen Angebots- und Organisationsformen Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 47 Shared Mobility MOBILITÄT Auch der Personenwirtschaftsverkehr könnte von Sharing Modellen profitieren und Kosten sowie CO 2 einsparen. In der dritten Fallstudie wurden die möglichen Auswirkungen der Einführung von Carsharing-Angeboten, die mit autonomen Fahrzeugen operieren, untersucht. Zentrale Erkenntnis ist, dass vom autonomen Fahren je nach Konfiguration des zukünftigen Verkehrssystems unerwünschte Nebenwirkungen (so genannte Rebound- Effekte) ausgehen können. Der Anteil der fahrerlosen Shared Mobility am Gesamtverkehr ist daher von entscheidender Bedeutung für das Eintreten der in der aktuellen Diskussion um autonomes Fahren stark hervorgehobenen Vermeidung negativer Folgen des Straßenverkehrs (Unfalltote, Flächenverbrauch, Emissionen usw.) [3, 4]. Hinsichtlich der Wirkungen der Shared Mobility auf den öffentlichen Verkehr wird zumeist davon ausgegangen, dass Car- und Bikesharing per se keine Konkurrenz, sondern eine wichtige Ergänzung zum ÖPNV darstellen und somit dem „Umweltverbund 2.0“ zuzuordnen seien. Für das Bikesharing kann diese Einschätzung grundsätzlich bestätigt werden, da das Fahrrad für die erste und letzte Meile eine symbiotische Ergänzung zum ÖV darstellt. Hingegen müssen die wechselseitigen Wirkungen zwischen Carsharing und ÖV differenziert bewertet werden. So gibt es einerseits mehrere Studien, die eine hohe ÖV-Affinität und steigende ÖV- Nutzung bei Carsharing-Nutzern feststellen konnten. Andererseits wurde z. B. für die Stadt München errechnet, dass insbesondere das vollflexible Carsharing in signifikantem Umfang zu Einnahmeverlusten für den ÖV führt [5]. Problematisch ist dabei, dass sich die Studien mit Blick auf die angewendeten Methoden unterscheiden und weder längere Zeitreihen betrachtet, noch regionale Besonderheiten berücksichtigt wurden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse ist somit bestenfalls eingeschränkt möglich. Ein einigermaßen übereinstimmendes Bild geben die Untersuchungen nur dahingehend, dass vom klassischen stationsgebundenen Carsharing keine Konkurrenzwirkung auf den ÖV festzustellen ist. Bislang ist der Anteil der Shared Mobility am Gesamtverkehrsmarkt kaum messbar. Um der Frage nachzugehen, welches Potenzial Shared Mobility mittelfristig entfalten könnte, wurden verschiedene Zukunftsbilder entworfen, um die Herausforderungen zu identifizieren, die in einem sich verändernden Mobilitätsmarkt bevorstehen (siehe Bild 2). Die Frage, welches Szenario bzw. welche Kombination der Zukunftsbilder mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten wird, ist weiterhin offen und hängt u. a. von zukünftigen politischen Handlungsentscheidungen ab. Insbesondere das derzeit stark anbietergetriebene „Trial-and-Error“ sollte gezielt begleitet und ggf. gefördert werden aber auch verstärkt hinsichtlich tatsächlicher Wirksamkeit und Wirkungsmechanismen evaluiert werden. So kann es gelingen, Shared Mobility stärker in eine Gesamtverkehrsstrategie einer Stadt bzw. Region einzubetten und den integrierten Systemmehrwert des Umweltverbundes zu steigern. Fazit Zentrale Fragen der Shared Mobility sind weiterhin ungeklärt: Ist wirklich ein Ende des Besitztums erkennbar, oder verzögert sich nur die Anschaffung des eigenen PKW im Laufe einer Biographie? Trägt die derzeitige Ziel- und Nutzergruppe wirklich zur ökologischen Verkehrswende bei, oder steigert Shared Mobility lediglich die Optionenvielfalt und Flexibilität der Mobilität urbaner Besserverdiener? Füllen Shared Mobility-Angebote Mobilitätslücken und ermöglichen Menschen, Wege umweltfreundlich, sicher und bedarfsgerecht zurückzulegen - oder führen sie zu mehr Bequemlichkeitsmobilität und unnötig induziertem Verkehr? Um den vielfältigen Erwartungen gerecht zu werden, muss es der Shared Mobility zunächst gelingen, sich vom Nischendasein heraus im Massenmarkt zu etablieren. Die Gestaltungsmöglichkeiten hin zu einer sozial gerechten, umweltfreundlichen und verkehrlich sinnvollen Shared Mobility sind vorhanden. Es bedarf einer aktiven und zielbewussten Haltung der Städte und Kommunen diese zu nutzen, um nicht von neuen, agilen Mobilitätsanbietern überrollt zu werden. ■ LITERATUR [1] Das Projekt „ShareWay“ wurde im Rahmen des Forschungsprogramms „Mobilität der Zukunft“ vom Österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) und der Österreichischen Forschungsfördergesellschaft (FFG) gefördert. Der Ergebnisbericht kann kostenlos heruntergeladen werden unter: https: / / www2.ffg.at/ verkehr/ studien.php? id=1267 [2] Sundararajan, Arun (2016): The Sharing Economy: The End of Employment and the Rise of Crowd-Based Capitalism, Cambridge Massachusetts [3] Foljanty, Lukas; Duong, Thuy Chinh (2016): Autonomes Fahren - Game Changer für die Zukunft der Mobilität. In: Internationales Verkehrswesen (68) 2016, Heft 1 [4] Foljanty, Lukas; Duong, Thuy Chinh (2016): Autonomes Fahren - Chancen, Herausforderungen und Handlungsfelder für öffentliche Akteure. In: Internationales Verkehrswesen (68) 2016, Heft 2 [5] Specht, N.; Krietemeyer, H.; Isfort, A. (2015): Nutzt oder schadet Carsharing dem ÖPNV? In: Der Nahverkehr 12/ 2015. Maike Gossen, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsfeld Unternehmensführung und Konsum, IÖW GmbH gemeinnützig, Berlin maike.gossen@ioew.de Paula Ruoff, M.A. Beraterin und Expertin für Sharing und Mobilität der Zukunft, KCW GmbH, Berlin ruoff@kcw-online.de Lukas Foljanty, Dipl.-Ing. Zum Zeitpunkt der Erstellung der ShareWay-Studie Berater bei der KCW GmbH, Berlin Bild 2: Zukunftsbilder der Shared Mobility Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 48 MOBILITÄT Radverkehr App-Daten für die Radverkehrsplanung Eine explorative Datenanalyse von GPS-Daten im Radverkehr Radverkehr, Verkehrsdaten, Smartphone, Verkehrsplanung Auch durch die mittlerweile sehr hohe Verbreitung von Smartphones und die Förderung digitaler Innovationen im Mobilitätsbereich durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) stehen Themen wie Crowdsourcing, Citizen- Science und GPS-Datenerfassung aktuell stark im Fokus. Das nachfolgend vorgestellte Projekt wird durch das BMVI im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert und untersucht die Nutzbarkeit von mit Smartphones generierten Nutzerdaten einer App für die kommunale Radverkehrsplanung. Sven Lißner, Angela Francke, Olena Chernyshova, Thilo Becker E in für alle attraktiver Radverkehr bedarf einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur. Der Ausbau und der Erhalt von Radverkehrsinfrastruktur im Rahmen der entsprechenden Zuständigkeiten ist deshalb eines der wesentlichen Ziele des Nationalen Radverkehrsplans und der Kommunen. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine systematische Erfassung und Analyse der Radverkehrsnachfrage. Diese findet in der Praxis jedoch oftmals nicht in ausreichendem Maße statt. Die Hintergründe aus verkehrsplanerischer Sicht Bisher liegen durch den hohen Aufwand von Vor-Ort-Erfassung sowohl zeitlich als auch örtlich nur punktuelle Radverkehrsstärken vor. Die aktuell wohl am zuverlässigsten und tauglichsten Werte liefern fest installierte automatische Radverkehrszählstellen. Eine eigene Umfrage unter Radverkehrsverantwortlichen in 61 deutschen Städten zeigte jedoch, dass jene automatischen Zählstellen nur in Ausnahmefällen dem Anspruch auf Darstellung eines sinnvollen Gesamtbildes der städtischen Radverkehrsmengen genügen (siehe Bild 1). Die Bedeutung des Nebennetzes für den Radverkehr wird daher beispielsweise nur unvollständig erfasst. Für eine flächige Abdeckung ist die Anzahl der Erhebungspunkte meist deutlich zu gering, falls diese überhaupt vorhanden sind. Für weitere Parameter, wie Wartezeiten, Routenwahl oder Geschwindigkeiten, liegen dagegen meist keine Daten vor. Diese Lücke können perspektivisch unter anderem GPS-Routendaten füllen. Allein in Deutschland nutzten im Jahr 2016 bereits 49 Millionen Menschen ein Smartphone, bei weiter steigendem Trend [1]. Aufgrund dieser hohen Durchdringungsquote besitzt das Smartphones auch als Erhebungsinstrument ein erhebliches Potenzial. Die Betreiber von Smartphone-basierten Fahrrad-Apps speichern bereits seit Jahren die Sport- und Alltagswege ihrer Nutzer, um den Anwendern z. B. ihre jährliche Fahrleistung aufzeigen zu können. Die Erhebung der Bewegungsdaten der Nutzer erfolgt dabei automatisiert per Positionsbestimmung (GPS) mittels an Fahrradlenkern befestigter oder in der Bekleidung mitgeführter Smartphones. Erste Anbieter wie der amerikanische Sport-App-Provider Strava [2] oder die Fahrrad-App zur Navigation Bike Citizens [3] positionieren sich bereits seit einiger Zeit am Markt. Seit dem Jahr 2014 bietet mindestens ein Anbieter (Strava Inc.) die aggregierten und anonymisierten Datensätze aufgezeichneter Radfahrten interessierten Akteuren der Radverkehrsplanung (z. B. Kommunen, Planungsbüros oder Verbänden) zum Kauf an. Diese GPS-basierten Daten bieten folgende Möglichkeiten: • flächendeckende Verkehrsmengenkarten • Quelle-Ziel-Matrizen zwischen Polygonen • abschnittsfeine Durchschnittsgeschwindigkeiten • Wartezeiten an Knotenpunkten • Routen von Einzelwegen innerhalb grober Korridore. Somit kann dieser Datensatz einen Einblick in die Qualität des Radverkehrsangebotes einer Kommune geben, wobei eine ausreichend große Zahl von Nutzern Voraussetzung ist. Zudem kann perspektivisch Bild 1: Befragungsergebnisse zur Anzahl kommunaler Dauerzählstellen Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 49 Radverkehr MOBILITÄT ein Vergleich von Verkehrsnachfrage und -angebot angestrebt und somit die Planung der Kommunen sinnvoll unterstützt beziehungsweise evaluiert werden. Praktische Erfahrungen im Umgang mit derartigen Daten fehlen jedoch bisher weitestgehend ebenso wie methodische Kenntnisse zur Datenauswertung. Zudem ist auch die Skepsis bezüglich der Nutzbarkeit derartiger Daten in der Praxis noch recht hoch. Ziel des momentan laufenden Projektes im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplanes ist daher die wissenschaftliche Untersuchung und Validierung eines derartigen Datenangebotes hinsichtlich seiner Nutzbarkeit für die kommunale Radverkehrsplanung. Solch eine umfassende Datengrundlage, wie sie durch die App-Betreiber quasi als Nebenprodukt ihres Geschäftsmodells erzeugt wird, scheint für den zukünftigen Paradigmenwechsel von einer reinen Angebotshin zu einer zusätzlich nachfrageorientierten Planung unerlässlich. Darüber hinaus ist eine Nutzung von App-Daten auch im Preis-Leistungs-Verhältnis, verglichen mit alternativen Erhebungsmethoden, sehr attraktiv. Im Folgenden soll die Eignung der Daten insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Verwendungszwecke und die möglicherweise fehlende Repräsentativität der sehr heterogenen Nutzergruppe „Radfahrende“ diskutiert werden. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurden vorhandene Datensätze anhand umfangreicher Feldversuche geprüft und die Übertragbarkeit einer Hochrechnungsmethodik für Kommunen beispielhaft nachgewiesen. Dazu wurden in verschiedenen Teilschritten zuerst die Daten auf Plausibilität und Reliabilität geprüft, Verwendungszwecke gemeinsam mit kommunalen Vertretern diskutiert und anschließend geeignete Visualisierungsformen entwickelt. Final wird aktuell ein Praxis-Leitfaden mit Empfehlungen und Arbeitsschritten für Kommunen sowie andere interessierte Akteure erstellt. Befragung kommunaler Radverkehrsverantwortlicher Durch die bundesweite Befragung von Radverkehrsverantwortlichen wurde in einem ersten Schritt untersucht, welche Datenquellen kommunale Planer benötigen und inwiefern GPS-basierte Daten bereits heute eine Rolle in der Radverkehrsplanung spielen (Bild 2). Dazu wurden alle Städte mit über 100 000 Einwohnern per E-Mail kontaktiert und die Befragung über Verbände und Bundesländer auch in kleineren Städten gestreut. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass bisher vor allem deskriptive Daten aus Verkehrsbefragungen bzw. nur sehr wenige Zähldaten insgesamt vorhanden sind. GPS-basierte Daten werden dabei nur vereinzelt von Städten für die Radverkehrsplanung genutzt, über 40 % der Befragten würden die Nutzung dieser jedoch begrüßen. Wesentlich deutlicher zeigt sich dieser Wunsch bei der Einschätzung der Wichtigkeit der durch GPS-Daten beantwortbaren Fragestellungen, wie etwa Quelle-Ziel-Beziehungen oder Verkehrsstärken. Im Zuge mehrerer Expertenworkshops wurde von Seiten kommunaler Vertreter dabei auch die Wichtigkeit von definierten Ausschreibungskriterien für einen tatsächlichen Bezug von GPS-Daten herausgestellt. Dateneignung für die kommunale Verwendung Vor Datenbezug wurde ein Lastenheft zur Darstellung der Eigenschaften der vom App-Betreiber angeforderten GPS-Radverkehrsdaten erarbeitet. Dabei wurden unter anderem die folgenden Minimalparameter für eine sinnvolle Verwendung im kommunalen Kontext definiert: • Radverkehrsstärke • Geschwindigkeiten der Radfahrer • Sozio-demografische Angaben zu den Nutzern der App • Wartezeiten an Knotenpunkten • Quelle-Ziel-Matrizen • Die Möglichkeit zu einer Aufteilung der Daten in Zeitscheiben, um Ganglinien anhand von Pegelzählstellen vergleichen zu können. Die durch Strava und vergleichbare Anbieter wie beispielsweise Bike Citizens beworbenen Produkte erfüllen diese Anforderungen in weiten Teilen, jedoch mit teils unterschiedlichem soziodemografischen Hintergrund. Während einige Apps mit Bild 2: Balkendiagramm zur Beantwortung der Frage nach der Wichtigkeit von bestimmten Informationsquellen für die Radverkehrsplanung (N=61) Bild 3: Altersverteilung der Strava-Nutzer für das Untersuchungsgebiet Dresden (Zeitraum 01-06/ 2016) Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 50 MOBILITÄT Radverkehr eher sozialen Motivatoren bzw. Incentives arbeiten und daher eine etwas breiter gefächerte Nutzerschicht aufweisen, arbeitet Strava ausschließlich mit sportiven und kompetitiven Anreizen. Dies hat zur Folge, dass in erster Linie sportliche Radfahrende angesprochen werden, Männer dominieren in der Nutzergruppe deutlich. Die Altersverteilung fällt jedoch besser aus als anfangs vermutet und weist Nutzer in allen Altersgruppen auf (siehe Bild 3). Diese Tatsache bringt die Notwendigkeit mit sich, neben einer reinen Datenanalyse auch eine Prüfung auf die Repräsentativität des Datensatzes durchzuführen. Explorative Datenauswertung Die von dem App-Betreiber Strava erworbenen Daten basieren auf GPS-Punkten, die zu Analysezwecken einem GIS-basierten Wegenetz zugeordnet werden. Beim App- Betreiber liegen zunächst alle GPS-Positionen mit einem Nutzer-, Zeit- und Fahrtstempel vor. Strava ordnet diese dann in einem nächsten Schritt mittels eines Mapmatching-Algorithmus‘ einem bestimmten Wegenetz zu. Das Wegenetz kann dabei frei vom Endkunden - d. h. der Kommune - gewählt werden. Bei der explorativen Datenanalyse fiel bereits auf, dass unterschiedliche Netzdichten für den momentan noch unvollkommenen Mapmatching-Algorithmus durchaus Probleme darstellen. So kam es in sehr dichten OpenStreetMap-Netzen mehrfach zu doppelten Belegungen, wenn mehrere parallele Netzsegmente in geringem Abstand digitalisiert waren (z. B. Radweg neben Kfz-Fahrbahn). Insgesamt hat sich deshalb herausgestellt, dass allein die Kartengrundlage ein wichtiger Schritt bei der Nutzung von GPS-Daten darstellt. Hier empfiehlt sich demnach, unabhängig vom Datenprovider, eine genaue Prüfung der gelieferten Daten sowie einen statistischen Test auf Duplikate durchzuführen. Am Beispiel der Verkehrsmengen der Stadt Dresden, die als Pilotkommune fungiert, wird die gute qualitative Netzabdeckung deutlich. Dargestellt sind hierbei die vom Datenprovider als „Pendler“ eingestuften Radfahrer im ersten und zweiten Quartal 2016 (Bild 4). Klar ersichtlich sind die erfolgte Abdeckung des Nebennetzes sowie die exponierte Darstellung der Haupt-Radfahrachsen. Repräsentativitätsprüfung der GPS-basierten Daten Angesichts der soziodemographischen Verzerrung und der Tatsache, dass es sich trotz der hohen Fallzahl (3200 Personen mit 70 500 Fahrten in Dresden von 01/ 2016- 05/ 2016) lediglich um eine kleine Stichprobe handelt, stellt sich die Frage nach der Einordnung der Daten bezüglich ihrer Repräsentativität. Hierzu werden im Folgenden exemplarisch drei Parameter vorgestellt und diskutiert. Verkehrsmenge Erklärtes Projektziel war es, eine Möglichkeit zu entwickeln, die vorhandene GPS- Stichprobe auf die tatsächlichen Verkehrsmengen an den Zählstellen hochzurechnen. Hierfür mussten zuerst die jeweiligen Datensätze angepasst werden. Während die Daten der Zählstellen für jeden Tag stundenfein vorliegen, sind die realisierten Fahrten innerhalb des GPS-Datensatzes für die jeweiligen Netzelemente natürlich entsprechend geringer verteilt. Hier kann der Fall eintreten, dass an mehreren Zeitscheiben eines Tages kein Radfahrer erfasst wird. Das macht es damit zunächst nötig, die Verteilung der Radfahrenden über einen größeren Zeitraum zu betrachten; im vorliegenden Projekt waren dies sechs Monate. Mittels mehrerer linearer Regressionen wurden danach die Stichproben der Verkehrsmengen an den jeweiligen Zählstellen der Landeshauptstadt Dresden hochgerechnet. Anschließend wurde aus den einzelnen Regressionsgleichungen eine für das ganze Stadtgebiet gültige Regression errechnet (Bild 5). Während für die einzelnen Querschnitte leicht sehr hohe Vertrauensniveaus zu erreichen sind (r 2 > 0,80), erreicht der Gesamtdurchschnitt diesbezüglich etwas geringere Werte (R 2 = 0,73). Dies kann aber im Rahmen des Untersuchungsdesigns durchaus immer noch als hoch angesehen werden. Gleiches gilt für den Korrelationskoeffizienten (> 0,9), der einen hohen Zusammenhang belegt. Es kann also zumindest für das Untersuchungsgebiet der Pilotkommu- ¯ Datengrundlage Data licensed from Strava Kartengrundlage Stadt Dresden Amt für Geodaten und Kataster Kartenautor TU Dresden Fakultät Verkehrswissenschaften Lehrstuhl für Verkehrsökologie Thilo Becker, Sven Lißner, Angela Francke Kartenversion: 09.11.2016 Radverkehrsmenge Anzal der Commute-Fahrten je Straßensegment (01/ 16- 05/ 16) Mit Smartphones generierte Verhaltensdaten im Radverkehr - Überprüfung der Nutzbarkeit und Entwicklung eines Auswertungsleitfadens für Akteure der Radverkehrsplanung NRVP-Forschungsprojekt 0 - 9 10 - 99 100 - 499 500 - 999 1000 - 1999 2000 - 3125 1: 50.000 0 1 2 3 4 0,5 Kilometer Bild 4: Erfassung von Radverkehrsstärken in Dresden mittels GPS-Daten des App-Betreibers Strava Bild 5: Hochrechnung der GPS-Daten auf Zählstellenniveau für den durchschnittlichen Tagesgang Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 51 Radverkehr MOBILITÄT ne davon ausgegangen werden, dass eine netzweite Hochrechnung auf Zählstellenniveau mit einem sinnvollen Qualitätsniveau möglich ist. Aktuell ist die Verifizierung der Methodik in weiteren Pilotkommunen, u. a. in Leipzig, in Bearbeitung. Geschwindigkeit Während in der Verteilung der Radfahrenden keine offensichtlichen Differenzen aufgrund der heterogenen Stichprobe vorherrschen, war zumindest bei der Fahrgeschwindigkeit ein deutlicher Unterschied zu erwarten. Dieser wurde durch umfangreiche Vergleichsmessungen bestätigt (n-=-1000, Messung an fünf Querschnitten). Die durch die App mutmaßlich eher angesprochenen sportaffinen, männlichen Nutzer weisen im Durchschnitt auch bei den als „Pendeln“ markierten Fahrten eine höhere Geschwindigkeit auf als der in den Vergleichsmessungen ermittelte Geschwindigkeitswert. Entscheidend für die Interpretation der Daten ist jedoch nicht nur zwingend der Mittelwert der gefahrenen Geschwindigkeiten, sondern auch deren Verteilung. Geht man von einem grundsätzlich höheren Vermögen zum schnelleren Fahren bei den Strava-Nutzern aus, kann man dennoch mögliche Qualitätsdefizite der Radfahrenden anhand der Geschwindigkeitsverteilung identifizieren. Die angesprochenen Verteilungen (Bild 6) erwiesen sich als ähnlich. Basierend auf den aggregierten Verteilungen lässt sich für alle Messstellen eine mittlere Abweichung von rund 5,5 km/ h feststellen (Bild 7). Die betrachteten Datensätze weisen auch innerhalb statistischer Analysen eine hohe Korrelation auf. Überschlägig ist es praktikabel, die Geschwindigkeiten der App-Daten um 5,5 km/ h zu vermindern, um das tatsächliche gemessene Niveau zu erreichen und eine höhere Aussagekraft der Werte zu erreichen. Darüber hinaus wurden auch Regressionsgleichungen gerechnet, die diesen Zweck für Strecken ohne Steigung erfüllen. Dabei wurde ein Bestimmtheitsmaß von R 2 = 0,85 über alle Messstellen erreicht. Es ist also möglich, auf Basis von GPS-Daten die tatsächlichen Fahrgeschwindigkeiten von Radfahrern zu prognostizieren. Anhand von niedrigeren Geschwindigkeitsniveaus bei vergleichbaren ebenen Netzelementen lassen sich demzufolge Qualitätslücken, wie beispielsweise mangelhafte Oberflächen oder überlastete Infrastruktur, innerhalb der Analyse von GPS- Daten erkennen. Der Parameter Geschwindigkeit kann einem kommunalen Fachplaner damit bereits erste Erkenntnisse über eventuelle Verbesserungspotentiale geben. Verkehrsverhalten Ein weiterer zu betrachtender Parameter bei der Prüfung auf Repräsentativität ist das Radverkehrsverhalten der untersuchten App-Nutzergruppe. Hierbei ist anzunehmen, dass sich dieses ohnehin von dem des Durchschnittsfahrers unterscheidet. Es galt jedoch zusätzlich auch den Einfluss der App-Nutzung an sich zu quantifizieren. Von Interesse war dabei vor allem die Anzahl der Nutzungen bei Alltagsfahrten beziehungsweise die vermutete Untererfassung von kurzen Wegen. Deshalb wurde zusätzlich eine Umfrage unter den Strava-App- Nutzern durchgeführt. Verbreitet wurde die Online-Befragung vornehmlich über Strava-Nutzergruppen und Social Media. Insgesamt konnten 182 Antworten in die Analyse einbezogen werden. Zu beachten war dabei das Geschlechterverhältnis: Unter den Befragten befanden sich lediglich zehn Radfahrerinnen. Hier wurde also das reale Nutzerverhältnis abgebildet. Die Hauptnutzer der App sind berufstätige Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, so wie in der Stichprobe der Befragung. Die angesprochenen Alltagsfahrten werden durch den App-Provider anhand der Benennung, der jeweiligen Zeitstempel sowie aufgrund der Quellen und Ziele der Fahrten identifiziert und separat ausgegeben. Im Ergebnis der Befragung zeigt sich, dass die App nicht ausschließlich für sportive Zwecke genutzt wird, sondern die Nutzer auch bei Alltagswegen die App aktivieren (Bild 8). Dabei verändert sich im Gegensatz zu Trainingsfahrten das Fahrverhalten nur geringfügig. Zusammenfassung und Ausblick Unter Beachtung der in der Repräsentativitätsprüfung genannten Faktoren sind die von Strava generierten GPS-Daten für die Radverkehrsplanung nutzbar. Bereits heute- sind damit Auswertungen möglich, die zeigen, wo, wann und wie sich Radfahrende im gesamten Netz bewegen. Berücksichtigt- werden sollte dabei jedoch der eher Bild 6: Geschwindigkeitsverteilungen im Vergleich zwischen eigener Messung und den Strava- Werten, klassiert, Elberadweg (N=371/ 430) Bild 7: Geschwindigkeitsverteilung im Vergleich zwischen eigener Messung und den Strava- Werten, aggregiert, Elberadweg (N= 371/ 430) Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 52 MOBILITÄT Radverkehr sportlich orientierte Kontext der erfassten Routen. Bevor allerdings eigene Dauerzählstellen von Kommunen deaktiviert werden oder sich ein schneller und günstiger Weg zu einer Radverkehrskarte erhofft wird, sollten mindestens die folgenden Aspekte bedacht werden: 1. Aktuell werden von Strava die Daten als Datenbankdatei oder GIS-Datei zur Verfügung gestellt. Die weitere Verarbeitung und Auswertung erfordert entsprechende Software und Kompetenz zur Bedienung und Interpretation, die zumindest nicht in allen, insbesondere personell geringer besetzten, kleineren Kommunen erwartet werden kann. Andere Anbieter, wie z. B. Bike Citizens, stellen die Daten komplett aufbereitet auf einer Weboberfläche zur Verfügung, verfolgen aber auch ein anderes Geschäftsmodell. 2. Die Prüfung, ob die Hochrechnung für die Verkehrsstärke aus der Pilotkommune Dresden überregionale Gültigkeit besitzt, ist noch nicht abgeschlossen. Nach jetzigem Stand ist es somit zwingend notwendig, zumindest einige Vergleichserhebungen mit klassischen Methoden durchzuführen. 3. Die Nutzbarkeit und Qualität der Daten hängt entscheidend von den Prozessen der Datenaufbereitung ab. Wie jedes andere Datenerhebungsinstrument bedürfen die Daten zum jetzigen Zeitpunkt noch einer kritischen und tiefgehenden Prüfung. 4. Ein detaillierter Praxis-Leitfaden befindet sich momentan in der Erstellung. Darin soll die gesamte Bandbreite von mit GPS-Daten lösbaren Fragestellungen über Qualitätskriterien für eine Ausschreibung bis hin zu Hinweisen zur Verarbeitung und Interpretation abgedeckt werden. Trotz der Einschränkungen ist es zielführend, jetzt schon Erfahrung und Kompetenz mit diesen neuen Datenquellen aufzubauen. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die fortlaufende Standorterfassung noch weitere Verbreitung erfährt und damit die aktuell noch verhältnismäßig kleinen Stichproben stark anwachsen. Langfristig bietet die Nutzung von GPS- Daten einen wichtigen Mehrwert für die Radverkehrsplanung. Der aktive Einbezug von Radfahrenden eröffnet zudem neue Möglichkeiten in der Kommunikation, wobei dies beim aktuell betrachteten Datenanbieter Strava aufgrund der geringen Interaktivität und der daher durch Kommunen schwer realisierbaren Nutzeransprache leider kaum zum Tragen kommt. Dagegen bieten weitere Mitbewerber am Markt deutlich größere Gestaltungs- und Interaktionsspielräume für die Bürgerbeteiligung an, die zukünftig sicherlich ausgebaut bzw. durch zukünftige Anbieter abgedeckt werden können. ■ Förderhinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Mit Smartphones generierte Verhaltensdaten im Radverkehr“ der Professuren für Verkehrsökologie und Verkehrspsychologie der TU Dresden. Das Forschungsvorhaben wird aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert. LITERATUR: [1] https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 198959/ umfrage/ anzahl-der-smartphonenutzer-in-deutschland-seit-2010/ [2] http: / / labs.strava.com/ heatmap [3] http: / / www.bikecitizens.net/ de/ app/ Bild 8: Aktivierung der Strava-App bei verschiedenen Fahrttypen (N = 159) Angela Francke, Dipl.-Verk.wirtsch. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Verkehrspsychologie, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, TU-Dresden angela.francke@tu-dresden.de Olena Chernyshova, M.Sc. Researcher, Chair of Transport Systems and Logistics, Kharkiv National Automobile and Highway University, Kharkiv (UA) olena@tokmylenko.com Sven Lißner, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Verkehrsökologie, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, TU-Dresden sven.lissner@tu-dresden.de Thilo Becker, Dr.-Ing. Lehrstuhl für Verkehrsökologie, Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr, Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, TU-Dresden thilo.becker@tu-dresden.de International Transportation 1 | 2017 Governance - Managing Public Transport Park & Move | Infrastructure by PPP | Safety & Security | Automation | ... Publication Date: 08 May 2017 | Manuscript Submission Deadline: 30 March 2017 Further information: https: / / www.internationales-verkehrswesen.de/ international-transportation-2017 Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 53 Klimawandel MOBILITÄT Optionen einer Dekarbonisierung des Verkehrssektors Ergebnisse des Projektes Renewbility III Klimaschutz, Verkehrssektor, Verkehrsnachfrage, Elektromobilität, Maßnahmenbewertung Mit dem Projekt Renewbility III konnte gezeigt werden, dass eine vollständige Dekarbonisierung des Verkehrssektors machbar ist. Hierfür gibt es verschiedene Optionen, wobei diese unterschiedliche Chancen/ Risiken-Profile aufweisen. Grundsätzlich kann eine Dekarbonisierung des Verkehrssektors bei geeigneter Ausgestaltung die Chance bieten, Klimaschutz bei positivem volkswirtschaftlichem Ergebnis zu erreichen. Aufgabe der Politik ist es nun, die Elektromobilität und damit die Effizienz der Fahrzeuge voranzubringen und das Verkehrssystem so umzugestalten, dass es durch Verlagerung und Vermeidung effizienter wird. Wiebke Zimmer, Ruth Blanck, Rita Cyganski, Martin Peter, Frank Dünnebeil D er Klimawandel schreitet voran. Die Emissionen der Treibhausgase müssen radikal gesenkt werden, um die Erderwärmung tatsächlich aufzuhalten. Bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 (COP 21) hat sich die Weltgemeinschaft zu einer weitgehenden Treibhausgasneutralität unserer Lebens- und Wirtschaftsweise verpflichtet. Konkret heißt das, dass die Netto-Treibhausgas-Emissionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weltweit auf Null gebracht werden müssen. Der Handlungsdruck für Maßnahmen zur Senkung der CO 2 -Emissionen ist damit schon heute enorm. Der Umbau von Energie-, Produktions- und Transportsystemen erfordert die Einbindung zahlreicher Akteure und braucht dementsprechend viel Zeit. Vollständige Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist notwendig Wenngleich alle Wirtschaftssektoren gehalten sind, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, ist eine vollständige Vermeidung von Treibhausgasemissionen nicht in allen Bereichen möglich. So gibt es beispielsweise in der Landwirtschaft natürliche Grenzen für eine vollständige Dekarbonisierung. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die energiebedingten Emissionen bis zum Jahr 2050 auf Null reduziert werden müssen. Das gilt auch für den Verkehr. Im Bereich der Stromerzeugung ist dafür die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien unumgänglich. Der Verkehrssektor kann nur durch eine Kombination von technologischen Neuerungen, effizienzsteigernden Maßnahmen und Änderungen der Rahmenbedingungen, die unter anderem eine Verhaltensänderung hin zu energieeffizienten Verkehrsmitteln unterstützen, vollständig CO 2 -frei werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors derzeit noch auf dem gleichen Niveau liegen wie im Jahr 1990, hier also bisher noch kein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wurde (Bild 1). Renewbility III: Szenarien zur Dekarbonisierung des Verkehrs Das Projekt Renewbility hat sich in den vergangenen Jahren auf vielfältige Weise mit den Handlungsmöglichkeiten von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Verkehrssektor auseinandergesetzt. Die Ergebnisse der dritten Phase von „Renewbility“ zeigen, dass eine vollständige Dekarbonisierung des Verkehrssektors möglich ist, welche Optionen dafür existieren und wie sich diese in den Auswirkungen unterscheiden. Es wurden verschiedene Szenarien bis 2050 entworfen und mit einem umfassenden Modellverbund analysiert. Modelliert wurden u. a. Fahrzeugbestände, Verkehrsnachfrage, Materialbedarfe, Endenergiebedarf, CO 2 - Emissionen und ökonomische Größen (vgl. Bild 2). Die Wechselwirkungen zwischen Verkehrs- und Energiesektor wurden dabei ebenfalls berücksichtigt. Durch die Beteiligung von Stakeholdern aus allen verkehrsrelevanten Branchen gingen auf Basis eines diskursiven Prozesses unterschiedliche Positionen und Interessen in die Gestaltung der Szenarien ein. Das Projekt wurde vom Öko-Institut, dem Institut für Verkehrsforschung im DLR, von INFRAS und dem ifeu- Institut im Auftrag des BMUB bearbeitet. Wesentliche Voraussetzung für Renewbility III war, dass auf Szenarien fokussiert wurde, die bis zum Jahr 2050 zu einer vollständigen Dekarbonisierung des Verkehrssektors führen. Das bedeutet, dass die zu diesem Zeitpunkt benötigte Energie über Strom aus erneuerbaren Energien, mit strombasierten Kraftstoffen (mit Strom aus erneuerbaren Energien) oder Biokraftstoffen abgedeckt wird. In verschiedenen Szenarien und Sensitivitäten wurde die Dekarbonisierung der Energieträger auf unterschiedliche Art und Weise mit weiteren Optionen zur Erhöhung der Fahrzeugeffizienz und Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung verknüpft. Um die Auswirkungen der Dekarbonisierung einordnen und bewerten zu können, wurde zunächst ein „Basisszenario“ ohne Dekarbonisierung und zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen entwickelt, das sich an der Verkehrsprognose 2030 1 und dem Klimaschutzszenario 2050 orientiert 2 . Darauf aufbauend wurden zwei Klimaschutzszenarien („Effizienz“ und „Effizienz plus“) modelliert. Strombasierte Kraftstoffe nur dann, wenn keine andere Option besteht Die technische Effizienzsteigerung und der Einsatz Erneuerbarer Energien haben eine hohe Bedeutung beim Klimaschutz im Ver- Bild 1: Treibhausgasemissionen in Deutschland - schematische Darstellung Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 54 MOBILITÄT Klimawandel kehrssektor. Bei der Modellierung des Szenarios „Effizienz“ wurden eine ambitionierte Fortschreibung der PKW-Grenzwerte sowie der Einsatz von Oberleitungs-LKW angenommen. 95 % der Kraftstoffe werden im Jahr 2050 strombasiert bereitgestellt, wobei die Nutzer die zusätzlichen Herstellungskosten tragen. In der sogenannten Sensitivität „Fokus Kraftstoffe“ wurde auf die Verschärfung der PKW-Grenzwerte verzichtet. Treiber für die Nachfrage nach effizienteren Fahrzeugen sind in der Sensitivität nur noch die Mehrkosten der strombasierten Kraftstoffe. Ein Vergleich dieser beiden Szenarien zeigt, dass deutlich weniger Elektrofahrzeuge in den Bestand kommen, wenn die PKW- Grenzwerte nicht fortgeschrieben werden. Wenn aber im Jahr 2050 die Klimaziele fast ausschließlich durch strombasierte Kraftstoffe und weniger durch Elektromobilität erreicht werden, dann steigt der gesamte Strombedarf des nationalen Verkehrs bis 2050 deutlich an. Er liegt dann sogar über der heutigen Bruttostromerzeugung in Deutschland (vgl. Bild 3). Der Grund ist, dass für die Herstellung von strombasierten Kraftstoffen für den herkömmlichen Verbrennungsmotor sehr viel Strom benötigt wird. So fährt ein Elektrofahrzeug mit der gleichen Strommenge je nach Technologieentwicklung rund sechsmal weiter als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor mit strombasierten Kraftstoffen. Das bedeutet, dass strombasierte Kraftstoffe nur dann zum Einsatz kommen sollten, wenn keine andere Option besteht, das heißt voraussichtlich im Luft- und Seeverkehr. Dafür muss die Effizienzsteigerung der Fahrzeuge mit entsprechenden Rahmenbedingungen wie einer ambitionierten Grenzwertfortschreibung in Kombination mit einer Erhöhung der Kraftstoffkosten vorangebracht werden. Klimaschutzmaßnahmen in Städten steigern zugleich die Lebensqualität und das wirtschaftliche Wohlergehen Kernstädte machen etwa ein Drittel der Alltagsverkehrsleistung und rund 20 % der Gesamtverkehrsleistung in Deutschland aus. Dies macht deutlich, welch wichtige Rolle die Kommunen spielen können. Neben den innerstädtischen Verkehren entfalten die Maßnahmen zudem auch Wirkungen auf die Verkehre des Umlands. So entscheiden sich etwa Einpendler alternativ zum MIV verstärkt für die Angebote des ÖPNV. Im sogenannten Szenario „Effizienz plus“ wurden daher zusätzlich zur Elektrifizierung der Fahrzeuge Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in Innenstädten angenommen. Diese umfassen beispielsweise eine verbesserte Nahraumversorgung und eine stärkere Mischung der Flächennutzung im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege“, eine flächendeckende Einführung von Carsharing in Städten über 50 000 Einwohner, Parkraummanagement mit einer substanziellen Erhöhung der Preise sowie eine Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Maßnahmen einen relevanten Hebel für den Klimaschutz im Verkehrssektor darstellen. Die Motorisierungsrate in Städten über 100 000 Einwohner geht im Szenario „Effizienz plus“ um rund ein Drittel zurück. Besonders für kurze Wege stehen attraktive Alternativen zum MIV zur Verfügung, so dass sich die PKW-Verkehrsleistung in Städten um knapp 50 % reduziert (vgl. Bild 4). Radverkehr, Carsharing und öffentlicher Verkehr nehmen entsprechend deutlich zu. Negative Umweltauswirkungen wie Schadstoffemis- ANALYSEINSTRUMENT MODELLIERUNG RENEWBILITY III Modellierung Güterverkehr Modellierung Personenverkehr Verkehrsprognose 2030 Kraftstoffmatrix (MKS) TREMOD Modellierung Fahrzeugbestand Modellierung Neuzulassungen Modellierung THG-Emissionen und Energiebedarf Modellierung Strommarkt Kostenbetrachtung für Maßnahmen auf Akteursebene Volkswirtschaftliche Analysen (Gesamt & sektoral) Potenzialanalyse (z. B. Biomasse und EE-Strom) FAHRLEISTUNG PERSONENVERKEHR, GÜTERVERKEHR BESTAND PKW, LKW ENERGIEBEDARF, THG-EMISSIONEN KOSTEN, BIP, BESCHÄFTIGUNG Technologiedatenbasis FAHRZEUGE Energieverbrauch, Kosten KRAFTSTOFFE Emissionen, Potenziale Fahrzeug Bestand Energie- und Emissionsbilanz Ökonomie Verkehrsnachfrage Bild 2: Modellverbund Renewbility III Bild 3: Strombedarf des Verkehrssektors heute und im Jahr 2050 150 143 75 10 55 57 67 12 12 20 8 8 10 0 50 100 150 200 250 Basis Effizienz Effizienz plus Lebensqualität 2050 Verkehrsleistung in Kernstädten in Mrd. pkm Fuß Rad ÖPNV Carsharing Pkw Bild 4: Verkehrsleistung in Kernstädten im Jahr 2050 Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 55 Klimawandel MOBILITÄT sionen und Lärm verringern sich. Eine Schlüsselrolle für die Kommune nimmt die Parkraumbewirtschaftung ein - mit Preisen, die den Wert der Flächen widerspiegeln und eine Lenkungswirkung entfalten. Die Verkehrsleistung geht dabei bis 2050 insgesamt zurück, ohne dass die Anzahl der zurückgelegten Wege wesentlich abnimmt. Durch die bessere Nahraumversorgung und die verstärkte Nutzung anderer Verkehrsmittel wählen Nutzer nähere Ziele. Ein vergleichbares Maß an Mobilität wird also mit weniger negativen Auswirkungen realisiert. Im Güterverkehr sollten Straße und Schiene nicht gegeneinander ausgespielt werden Die Bedeutung des Güterverkehrs für die CO 2 -Emissionen des Verkehrs wird weiter zunehmen. Schreibt man die derzeitigen Trends fort, so wird er bis 2050 fast die Hälfte aller THG-Emissionen des Landverkehrs ausmachen (Basisentwicklung). Eine Dekarbonisierungsstrategie für den Güterverkehr darf keinesfalls Straßen- und Schienenverkehr gegeneinander ausspielen, sondern sollte zwei Ziele verfolgen: zum einen eine möglichst starke Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene, um den im Vergleich zur Straße bereits hohen Grad der Dekarbonisierung zu nutzen und eine hohe Energieeffizienz zu erreichen. Zum anderen sollte die Verbesserung der Energieeffizienz und Dekarbonisierung des verbleibenden Straßenverkehrs, der auch in Zukunft den mit Abstand größten Anteil an der Güterverkehrsleistung erbringen wird, zum Ziel gesetzt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass bei den LKW mit Verbrennungsmotoren zwar noch deutliche Effizienzsteigerungspotenziale bestehen, die Elektrifizierung der Fahrzeuge ist jedoch schlussendlich deutlich energieeffizienter als eine Dekarbonisierung der Kraftstoffe. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass durch eine Effizienzsteigerung im Straßengüterverkehr die Kilometerkosten sinken und diese damit gegebenenfalls den unerwünschten Effekt einer Verlagerung von der Schiene und dem Binnenschiff auf die Straßen bewirken kann. Um eine deutliche Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene zu erreichen, ist neben attraktivitätssteigernden Maßnahmen des bestehenden Schienenverkehrssystems auch die Erschließung weiterer Potenziale vor allem durch multimodale Verkehre erforderlich. Dies setzt entsprechende politische Rahmenbedingungen voraus. Gesamtwirtschaftliche Chancen, veränderte Wirtschaftsstrukturen Im Szenario „Effizienz“, das eine starke Marktdurchdringung der Elektromobilität sowie den Einsatz strombasierter Kraftstoffe vorsieht, sind im Vergleich zu einer Entwicklung ohne zusätzliche Maßnahmen langfristig keine negativen Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt zu erwarten. Die in dem Szenario vorgesehenen Maßnahmen führen darüber hinaus zu einer Minderung externer Kosten, etwa weil die Gesundheitskosten sinken, wenn Lärm und Luftschadstoffe reduziert werden. Dadurch kann sich sogar ein leicht positiver Wohlfahrtseffekt ergeben (Bild 5). Wenn zusätzlich noch Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in Innenstädten, Attraktivitätssteigerungen im öffentlichen Verkehr und zur Ertüchtigung des Schienengüterverkehrs umgesetzt werden (Szenario „Effizienz plus“), dann kann sich die Verkehrswende positiv auf das BIP auswirken. Bei der Analyse der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen in den einzelnen Szenarien sind starke branchenspezifische Unterschiede zu beachten. So entstehen erhebliche Einbußen in der Mineralölverarbeitung, welche in der heutigen Form nicht mehr existieren wird. Ebenso sind Rückgänge bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen oder im Einzelhandel zu verzeichnen. Auch der Luftverkehr oder Versicherungen müssen mit Umsatzeinbußen rechnen. Auf der anderen Seite profitieren aber Branchen wie die Stromerzeugung, diverse Dienstleistungen, der öffentliche Verkehr oder der Bausektor von deutlich positiven Impulsen. Solch ein Strukturwandel muss frühzeitig und sorgfältig vorbereitet werden. Wie stark die wirtschaftlichen Wirkungen je Branche und Unternehmen ausfallen, hängt auch stark von den konkreten Reaktionen der Unternehmen auf die anstehenden Herausforderungen sowie von der Dauer der Transitionsphase und der dabei herrschenden Planungssicherheit ab. Voraussetzung für eine günstige volkswirtschaftliche Bilanz ist aber auch, dass Deutschland auf dem globalen Markt bei den neuen Technologien (z. B. Elektrofahrzeugen) zukünftig eine ebenso wichtige Rolle spielt wie bisher bei den konventionellen Fahrzeugen. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung dar, die aber auch weitere Chancen in sich birgt. ■ Das Projekt wurde im Auftrag des BMUB durchgeführt. Ein Dank gilt auch Thomas Bergmann, Moritz Mottschall, Dr. Hannah Förster, Dr. Katja Schumacher (Öko-Institut), Dr. Christian Winkler, Dr. Axel Wolfermann, Tudor Mocanu (DLR), Claudia Kämper, Horst Fehrenbach, Kirsten Biemann (ifeu) und Damaris Bertschmann, Remo Zandonella (Infras) sowie der Agentur tippingpoints. Weitere Informationen unter www.renewbility.de 1 Verkehrsverflechtungsprognose 2030, Intraplan, BVU, IVV, Planco im Auftrag des BMVI. Schlussbericht Juni 2014 2 Öko-Institut und Fraunhofer ISI. Klimaschutzszenario 2050. 2. Modellierungsrunde. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umweltschutz, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Martin Peter Bereichsleiter volkswirtschaftliche Analysen, Partner, Infras AG martin.peter@infras.ch Frank Dünnebeil Themenleiter im Bereich Verkehr und Umwelt, ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH frank.duennebeil@ifeu.de Rita Cyganski Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrsforschung, DLR, Berlin rita.cyganski@dlr.de Ruth Blanck Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bereich Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V, Berlin r.blanck@oeko.de Wiebke Zimmer, Dr. Stellv. Leiterin Bereich Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V, Berlin w.zimmer@oeko.de Bild 5: Wohlfahrtseffekte der Szenarien im Jahr 2050 Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 56 MOBILITÄT Wissenschaft Erreichbarkeitswirkungen autonomer Fahrzeuge Autonome Fahrzeuge, Erreichbarkeit, ÖV, Selbstfahrende Fahrzeuge Autonome Fahrzeuge versprechen, das Reisen zu günstigeren Preisen angenehmer zu machen und gleichzeitig die Straßenkapazität zu erhöhen. In dieser Arbeit wurde der Einfluss autonomer Fahrzeuge auf die Erreichbarkeiten der Schweizer Gemeinden untersucht. Die Resultate zeigen, dass die erwarteten Erreichbarkeitswirkungen mehr als-einem Jahrzehnt an Infrastrukturinvestitionen entsprechen, wobei ihre räumliche Verteilung eine weitere Zersiedelung begünstigen könnte. Weiter wurde gezeigt, dass autonome Fahrzeuge potentiell den heutigen Öffentlichen Verkehr, bis auf dichte Stadtzentren, überflüssig machen könnten. Jonas Meyer, Patrick M. Bösch, Henrik Becker, Kay W. Axhausen V ollautonome Fahrzeuge („vollautomatisiertes Fahren“ gemäß Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur [1]), wie sie in dieser Arbeit angenommen werden, versprechen eine tiefgreifende Revolution der Mobilität. Sie versprechen, Autofahren sicherer, günstiger, angenehmer und nachhaltiger zu machen, sowie das selbständige Benutzen von Autos auch Kindern, Älteren und Behinderten zu ermöglichen [2-6]. Abhängig vom Szenario versprechen sie auch eine substantielle Reduktion der Fahrzeugflotte [7-13], sowie markante Kapazitätsgewinne für die Straße [14-17]. Gehen all diese Erwartungen in Erfüllung, werden autonome Fahrzeuge nicht nur unsere Mobilität revolutionieren, sondern auch das Stadtbild grundlegend verändern. Indem sie die generalisierten Kosten des Reisens reduzieren, dürften sie neue Verkehrsnachfrage induzieren [18] und eine neue Welle der Suburbanisierung und Zersiedelung anstoßen [19]. Die in diesem Bericht präsentierte Arbeit ist ein erster Versuch, diese Effekte auf nationaler Ebene, hier für die Schweiz, zu untersuchen. Die Betrachtung des Einflusses autonomer Fahrzeuge auf die Erreichbarkeiten [20] baut auf früheren Forschungsarbeiten [5, 21] auf. Diese Arbeit bietet aber erweiterte Erkenntnisse bezüglich Veränderungen der Reisenachfrage, und damit in Konsequenz auch bezüglich der Zukunft des öffentlichen Verkehrs (ÖV) und bezüglich zukünftigen (sub-)urbanen Lebenswelten. Wirkungen autonomer Fahrzeuge Autonome Fahrzeuge versprechen große Kapazitätsgewinne auf den Straßen. Basierend auf theoretischen Verkehrsflussanalysen erwartet bspw. Friedrich [14] für eine Welt mit ausschließlich vollautomatisierten Fahrzeugen gegenüber heute Kapazitätsgewinne von bis zu 80 % auf Autobahnen und von bis zu 40 % auf urbanen Straßen. Diese Kapazitätsgewinne entstehen im Wesentlichen durch kürzere Reaktionszeiten der autonomen Fahrzeuge, die aber nach wie vor dieselben Dimensionen und für Menschen akzeptable Minimalabstände aufweisen. Tientrakool et al. [15] vernachlässigen diese Einschränkungen und kommen mit vollautonomen und vernetzten Fahrzeugen auf mögliche Kapazitätsgewinne von bis zu 270 %. Diese Gewinne können als optimistische, obere technische Grenzen gesehen werden, wenngleich andere, bspw. Brownell [17] oder Fernandes und Nunes [16], sogar noch höhere Werte voraussagen. Vollautonome Fahrzeuge ermöglichen auch heutigen Lenkern, sich während der Fahrt anderen Aktivitäten, wie bspw. Schlafen, Telefonieren oder Arbeiten, zu widmen und heben damit einen der wesentlichen Wettbewerbsvorteile des heutigen ÖV auf. Können autonome Fahrzeuge zudem durch geteilte Nutzung zu vergleichsweise geringen Kosten betrieben werden, dürften sie sich zu einer ernsthaften Konkurrenz für die heutigen Verkehrsmittel entwickeln. Erreichbarkeit Das Hauptziel dieser Arbeit ist, die Wirkung autonomer Fahrzeuge auf die Erreichbarkeit der Schweizer Gemeinden zu schätzen. Erreichbarkeit [20] beschreibt für einen Ort, wie gut dieser mit Angeboten, wie bspw. Arbeitsplätzen oder Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten, verbunden ist. Sie ist ein Schlüsselindikator für die soziale und wirtschaftliche Attraktivität eines Ortes und bestimmt damit maßgeblich seine zukünftige Entwicklung. Die in dieser Arbeit verwendete Form der Erreichbarkeit E i eines Ortes i berechnet sich aus der gewichteten Summe sozialer und/ oder wirtschaftlicher Attraktionen X j in der Umgebung (Formel 1). Die Gewichtung erfolgt dabei nach den generalisierten Kosten c ij , die für das Erreichen der Möglichkeit aufgewendet werden müssen. (1) In dieser Arbeit werden die Erreichbarkeiten der Schweizer Gemeinden mit den Reisezeiten berechnet, die nach Gleichgewichtsumlegung der Nachfrage im Nationalen Personenverkehrsmodell der Schweiz (NPVM) resultieren. Als Attraktivitätsmaß wurde die Anzahl Arbeitsplätze eines Ortes gewählt, als Gewichtungsfunktion (Formel 2): Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 57 Wissenschaft MOBILITÄT (2) Dabei wurde für den Skalierungsfaktor b nach Axhausen et al. [22] der Wert 0.2613 gewählt. Experimente Autonome Fahrzeuge werden das Verkehrssystem auf verschiedenste Weisen beeinflussen und verändern. Da jedoch noch völlig unklar ist, in welcher Form sie künftig angeboten und genutzt werden, wurden verschiedene Szenarien untersucht: • Szenario 1: Autonomes Fahren ist nur auf Hauptstraßen außerorts und auf Autobahnen erlaubt. Da sich die Attraktivität der Autos dadurch nur für Fernfahrten ändert und nach wie vor ein Führerschein benötigt wird, werden noch keine Änderungen in der Nachfrage angenommen. • Szenario 2: Vollautonomes Fahren ist möglich und auch innerorts erlaubt, was neue Nutzergruppen erschließt. Die Fahrzeuge befinden sich jedoch weiterhin im Privatbesitz und werden vornehmlich innerhalb des eigenen Haushalts geteilt. Durch die Möglichkeit von Leerfahrten werden sie intensiver genutzt. Die neue, zusätzliche Verkehrsnachfrage durch die neuen Nutzergruppen wurde, basierend auf dem Mikrozensus der Schweiz 2010 [23], auf 10 % geschätzt [24]. Das Ausmaß an Leerfahrten hängt stark von den zukünftigen Regulationen und Preisstrukturen ab und wurde daher mit 0,5 bis 1,5 Leerfahrten pro Person und Tag abgeschätzt. • Szenario 3: Vollautonomes Fahren ist möglich und auch innerorts erlaubt. Die Fahrzeuge stehen über ein geteiltes System allen zur Verfügung. Das Angebot entspricht demjenigen heutiger Taxis. Da große Anbieter solche Systeme individuelle Tür-zu-Tür- Fahrten kostengünstig anbieten können, wird angenommen, dass heutige ÖV-Nutzer ebenfalls zu geteilten, autonomen Fahrzeugen wechseln. Basierend auf der Arbeit von Bösch et al. [7] wurde berechnet, dass ein solches System rund 15 % Leerfahrten zusätzlich zur totalen Verkehrsnachfrage verursacht. Für alle drei Szenarien werden die Kapazitätswirkungen nach Friedrich [14] (78 % Kapazitätssteigerung außerorts und 40 % Kapazitätssteigerungen innerorts) als die tieferen, konservativen Werte übernommen, während die Wirkungen nach Tientrakool et al. [15] (plus 270 % ausserorts) als die oberen, optimistischen Grenzen gelten sollen. Im Falle von Tientrakool et al. werden für innerorts auch die 40 % Steigerung nach Friedrich [14] angenommen. Als Verkehrsmodell wurde für diese Arbeit die Abendspitzenstunde (17.00 Uhr bis 18.00 Uhr) [23] der Projektion für das Jahr 2030 des Nationalen Personenverkehrsmodells der Schweiz [25] verwendet, welches auch als Referenzszenario dient. Die Verkehrsnachfrage basiert demnach auf den Daten des Jahres 2005, die mit den offiziellen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstumsprognosen des Bundesamts für Statistik (BFS) [26] skaliert wurden. Das Modell vernachlässigt den Binnenverkehr innerhalb der Zonen, sowie innerstädtischen Verkehr. Da das Nationale Personenverkehrsmodell keine Kreuzungskapazitäten berücksichtigt, wurden nur die Straßenkapazitäten angepasst. Die Nachfrageänderungen wurden über entsprechende Skalierungen der Nachfragematrizen umgesetzt. Der Güterverkehr bleibt in allen Szenarien unverändert. Für die Verbindung von Nachfrage und Kapazität mit den Reisezeiten nutzt das NPVM [25] die BPR-Funktion [27] (Formel 3), (3) wobei q die Nachfrage, q max die Kapazität der Kante und a und b streckentyp-abhängige Parameter sind. Es wird damit implizit angenommen, dass die BPR-Funktion auch für autonome Fahrzeuge gilt. Resultate Szenario 1 Sowohl für konservative, wie auch für optimistische Kapazitätsgewinne können substantielle Erreichbarkeitsgewinne für alle Regionen der Schweiz beobachtet werden. Bevölkerungsgewichtet liegt der durchschnittliche Erreichbarkeitsgewinn zwischen 10 % und 14 %. Bei Gemeinden in abgelegenen Alpengebieten zeigen sich nur geringe Veränderungen. Szenario 2 Die extremste Variante von Szenario 2, d.h. 1.5 Leerfahrten pro Person und Tag, entspricht einer Verkehrszunahme von 53 % zusätzlich zum 10 %-Zuwachs aufgrund der neuen Nutzergruppen. Für diese Variante können vor allem im konservativen Kapazitätsszenario im Verhältnis zum Referenzszenario nur für ländliche Gemeinden des Mittellandes kleine Erreichbarkeitsgewinne beobachtet werden, während für die großen Agglomerationen, insbesondere Genf, Lausanne, Basel, Zürich und St.Gallen, sogar Erreichbarkeitsverluste auftreten. Das bevölkerungsgewichtete Mittel der Erreichbarkeitsveränderungen sinkt damit auf nahezu Null. Im Gegensatz dazu verspricht das optimistische Kapazitätsszenario einen bevölkerungsgewichteten Erreichbarkeitsgewinn von 10 %. Nur 2 % der Gemeinden zeigen einen Verlust. Szenario 3 Erneut werden hier nur die Resultate der Extremvariante von Szenario 3 präsentiert, in welchem die Nachfrage nach dem neuen Angebot aus der gesamten prognostizierten Autonachfrage plus der gesamten prognostizierten ÖV-Nachfrage plus 15 % Leerfahrten besteht. Aufgrund der räumlichen Unterschiede in der ÖV-Nachfrage reicht das Nachfrageplus durch die ÖV-Nachfrage von 0 % für einige ländliche Gemeinden bis zu 180 % im Stadtzentrum Zürichs. Es zeigt sich für das konservative Kapazitätsszenario (Bild 1), dass die substantiellen Erreichbarkeitsgewinne auf dem Land mit Erreichbarkeitsverlusten in den Agglomerationen Bern und Zürich von bis zu 29 % einhergehen. Insgesamt würden zwar 85 % der Gemeinden von einer höheren Erreichbarkeit profitieren, bevölkerungsgewichtet bedeutet dies allerdings nur eine Erreichbarkeitssteigerung um 1 %. Betrachtet man das optimistische Kapazitätsszenario (Bild 2), ergeben sich wiederum für nahezu die ganze Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 58 MOBILITÄT Wissenschaft Schweiz substantielle Erreichbarkeitssteigerungen - im Mittel um 10 %. Einzige Ausnahmen bilden die beiden Städte Bern und Zürich. Diskussion Autonome Fahrzeuge werden die Erreichbarkeitsverteilungen der Schweizer Gemeinden substantiell verändern. In allen drei Szenarien können dabei drei Regionen gut unterschieden werden: Abgelegene, alpine Gemeinden werden kaum beeinflusst. Bereits im Referenzszenario liegt hier die Nachfrage weit unter der Kapazitätsgrenze der Straßen. Den größten positiven Einfluss haben autonome Fahrzeuge auf die Erreichbarkeit von gut erschlossenen, ländlichen Gemeinden des Mittellandes und des Tessins. Während der Spitzenstunde wird hier im Referenzszenario der Zugang zu den großen Agglomerationen durch Stau auf Hauptstraßen und Autobahnen substantiell eingeschränkt. Der Kapazitätsgewinn reduziert hier deshalb die Reisezeiten besonders stark. Die dritte Region bilden die großen Städte und ihre Agglomerationen. Hier werden nur schwache oder sogar negative Effekte beobachtet. Das ist darauf zurückzuführen, dass die relative Zunahme an Nachfrage zu und von den Städten die relative Zunahme der Kapazitäten übersteigt. Vor allem in Szenario 3 sind die Nachfragezunahmen für diese Gebiete durch den heute hohen Verkehrsmittelwahlanteil des ÖVs in den großen Agglomerationen extrem. Die Untersuchung des induzierten Verkehrs gemäß Weis und Axhausen [28], welche auf Szenario 3 angewandt wurde [24], ergab kaum induzierte Verkehrsnachfrage (1 % o der Gesamtnachfrage) und damit auch kaum weitere Veränderungen in der Erreichbarkeit durch den induzierten Verkehr. Die Methodik ist jedoch explizit für kleine Veränderungen des Verkehrssystems ausgelegt und damit auf den Fall Autonomer Fahrzeuge nur bedingt anwendbar. Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass bei konservativen Kapazitätsannahmen die drei Szenarien in völlig unterschiedlichen Erreichbarkeitsbildern resultierten, während bei optimistischen Kapazitätsannahmen nur geringe Unterschiede zu beobachten waren. Das bedeutet, je größer der technisch erreichbare Kapazitätsgewinn auf der Straße, desto weniger spielt es für die Erreichbarkeiten eine Rolle, in welchem System autonome Fahrzeuge angeboten werden. Ziel dieser Arbeit ist eine erste Einschätzung des Umfangs der Erreichbarkeitswirkungen der autonomen Fahrzeuge. Sie beruht auf diversen Annahmen und Vereinfachungen, welche mit empirischen Daten überprüft werden müssen, sobald diese verfügbar sind. Eine der stärksten Annahmen ist die Vernachlässigung der Kostenstrukturen. Diese sind jedoch entscheidend, um in einem nächsten Schritt nicht nur die möglichen Erreichbarkeitswirkungen, sondern auch die Konkurrenz zwischen autonomen Fahrzeugen und dem ÖV realistisch abbilden zu können. Fazit Die Resultate dieser Arbeit lassen erwarten, dass autonome Fahrzeuge zu substantiellen Erreichbarkeitsgewinnen führen werden. Vergleicht man diese Erreichbarkeitswirkungen mit historischen Daten [29], zeigt sich, dass sie vergleichbar sind mit mehr als einem Jahrzehnt an Infrastrukturinvestitionen. Besonders beeindruckend ist, dass diese Erreichbarkeitsgewinne erzielt wurden, während gleichzeitig die gesamte ÖV-Nachfrage auf die Straße umgelegt wurde und ohne dass Optimierungsmaßnahmen, wie bspw. „Ride Sharing”, „Mobility Pricing“ oder höhere Geschwindigkeiten implementiert wurden. Der Einfluss autonomer Fahrzeuge auf die Landnutzung dürfte damit erheblich sein. Betrachtet man die Muster der Erreichbarkeitsgewinne genauer, zeigt sich, dass gut erschlossene, ländliche Gemeinden große Erreichbarkeitsgewinne aufweisen, während dem die Effekte in den Agglomerationen und Städten weniger stark oder sogar negativ sind. Die Geschichte zeigt, dass solche Muster den Weg zu weiterer Zersiedelung bereiten [19, 30]. Es wird deshalb dringend empfohlen, diesen Scenario 3 Conservative Capacity Increase Legend to -15% -15% to -8% -8% to -3% -3% to -1% -1% to 1% 1% to 3% 3% to 8% 8% to 15% 15% to 22% 22% to 28% from 28% 20 0 20 40 60 80 10 Kilometers - Scenario 3 Optimistic Capacity Inrease Legend to -15% -15% to -8% -8% to -3% -3% to -1% -1% to 1% 1% to 3% 3% to 8% 8% to 15% 15% to 22% 22% to 28% from 28% 20 0 20 40 60 80 10 Kilometers - Bild 2: Relative Erreichbarkeitsveränderungen - Szenario 3 - Optimistische Kapazitätssteigerung Bild 1: Relative Erreichbarkeitsveränderungen - Szenario 3 - Konservative Kapazitätssteigerung Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 59 Wissenschaft MOBILITÄT Entwicklungen mit proaktiver Raum- und Verkehrsplanung zu begegnen. Zudem deuten die Ergebnisse an, dass autonome Fahrzeuge in einem Konkurrenzverhältnis zum heutigen ÖV stehen werden. Es konnte gezeigt werden, dass aus Kapazitätsperspektive selbst im Extremfall (tiefe Kapazitätsgewinne, große Nachfragesteigerungen, Spitzenstundensituation und keine Angebotsoptimierung) Flotten autonomer Fahrzeuge grundsätzlich in der Lage sein werden, die vollständige Verkehrsnachfrage bis auf die großen Agglomerationen zu bedienen. Kombiniert mit den tiefen Preisen, zu denen solche Flotten von geteilten, autonomen Fahrzeugen voraussichtlich betrieben werden können [31], lassen diese Resultate erwarten, dass die Zukunft des ÖVs in seiner heutigen Form nur noch davon abhängt, inwieweit die mit autonomen Fahrzeugen erwarteten Kapazitätsgewinne auf der Straße tatsächlich realisiert werden können. ■ QUELLEN [1] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, „Info-Papier ‚automatisiertes Fahren‘“, 2014. [2] D. J. Fagnant und K. M. 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Axhausen, Prof. Dr. Leitung Verkehrs- und Raumplanung, Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), ETH Zürich axhausen@ivt.baug.ethz.ch Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 60 MOBILITÄT Wissenschaft Verkehrssystemforschung am DLR - Mobil in-Deutschland 2040 Teil 1: Der methodische Szenario-Ansatz im Projekt Verkehrsentwicklung und Umwelt Verkehrsszenarien, Szenariotechnik, Explorative Szenarien, Verkehrsforschung, Zukunft des Verkehrs, Verkehrsentwicklung Szenarien zukünftiger Entwicklungen des Verkehrssystems leisten einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen. Das ist auch das Ziel der DLR- Szenarien im Projekt Verkehrsentwicklung und Umwelt (VEU). Für die Entwicklung von Szenarien stehen verschiedene methodische Ansätze zur Verfügung. Die Vor- und Nachteile werden im nachfolgenden ersten Teil des Beitrags erörtert und das Vorgehen im Rahmen der VEU-Szenarien dargestellt. In einem zweiten Teil des Beitrag werden in der nächsten Ausgabe die Storylines der entwickelten VEU-Szenarien präsentiert. Stefan Seum, Mirko Goletz, Tobias Kuhnimhof D ie Erarbeitung von Szenarien ist ein wesentliches Instrument, um mögliche zukünftige Situationen sowie die Entwicklung des Pfades dorthin [1] zu beschreiben. Damit unterstützen sie die Entscheidungsfindung in einem teilweise unbekannten, unsicheren und sich rasch ändernden Umfeld [2]. Zur Qualitätssicherung von Szenarien müssen diese in sich konsistent und plausibel sein. Sie unterliegen ferner dem Anspruch der Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der zugrundeliegenden Annahmen (Ibid.). Das institutionell geförderte Projekt Verkehrsentwicklung und Umwelt (VEU) am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) ist ein Gemeinschaftsprojekt von zwölf DLR und Helmholtz Instituten. Es zielt darauf ab, verschiedene Entwicklungspfade des Verkehrssystems in Deutschland bis 2040 unter ökologischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten zu analysieren. Im Fokus stehen Veränderungen von Mobilitätsverhalten und Technologien sowie die Wirkung auf die Umwelt (Lärm, Luftqualität und Klima), wofür ein umfangreiches Netzwerk von Modellen aufgebaut wurde [3]. Die Entwicklungspfade des Verkehrssystems wurden in VEU mit Hilfe einer Szenario-Technik konstruiert, die zum Ziel hat, die nationalen (bzw. europäischen) Stellschrauben und Handlungsoptionen für die Beeinflussung der Entwicklung des Verkehrssystems zu identifizieren. Mit den VEU-Szenarien werden Rahmenbedingungen definiert und Eingangsparameter für die Modellierung der Wirkungen zur Verfügung gestellt. Herangehensweisen verschiedener Szenario-Ansätze Im Feld der Zukunftsforschung dominieren Szenario- Ansätze, die quantitative und qualitative Elemente miteinander verbinden und die die qualitativen Elemente systematisch erfassen. Historisch lassen sich intuitive Ansätze („Scenario Writing“) sowie statische und dynamische modell-basierte Logik-Ansätze (vergl. [4, 5]) unterscheiden. Im deutschen Sprachraum wurden insbesondere Techniken basierend auf dynamischen, modellgestützten Logiken weiterentwickelt (z. B. [6, 7]). Auf der einen Seite stehen die Zielszenarien (oder normative Szenarien) mit der Fragestellung, wie bestimmte (Umwelt-)ziele erreicht werden können [8, 9]. Eine aktuelle Anwendung auf den Verkehr sind die Szenarien in Renewbility III [10], die auf einer vollständigen Dekarbonisierung des Verkehrssektors im Jahr 2050 als Grundbedingung basieren ohne auf den Entwicklungspfad dorthin näher einzugehen. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung wird davon ausgegangen, dass sämtliche eingesetzten Energien aus erneuerbaren Quellen stammen. Renewbility III liefert somit wichtige Hinweise, welche Optionen zur Dekarbonisierung des Verkehrs der Gesellschaft zu welchen Kosten zur Verfügung stehen. Dem gegenüber stehen explorative Szenarien, die der Frage nachgehen, welche unterschiedlichen denkbaren Projektionen des Verkehrssystems möglich und konsistent sind, wenn verschiedene Einflussfaktoren explorativ miteinander kombiniert werden. Ein Beispiel ist die Studie Zukunft der Mobilität [11], die in verschiedenen Zukunftsbildern für den Verkehr aufzeigt, wie das Leben Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 61 Wissenschaft MOBILITÄT und die Mobilität in Deutschland im Jahr 2035 aussehen könnten. Der mikro-explorative Szenario-Ansatz der DLR-Verkehrssystemforschung Im Folgenden wird eine Weiterentwicklung des explorativen Szenario-Ansatzes beschrieben, die wir als mikroexplorativ bezeichnen. Mit diesem Ansatz verfolgen wir in VEU das Ziel, solche Einflussfaktoren zu identifizieren, die für die Entwicklung des Verkehrssystems besonders relevant sind und die in einem national-staatlichen Kontext veränderbar sind. Die Makro-Faktoren, wie Bevölkerungsentwicklung und ökonomische Entwicklung, die in explorativen Szenarien häufig die Veränderungen dominieren, wurden hingegen für alle Szenarien gleich gesetzt. Die Erweiterung zu einem mikro-explorativen Ansatz beruht auf zwei Prinzipien: Hintergrund der Festlegung der Makro-Faktoren ist der Gedanke, dass Verkehrspolitik nicht der treibende Faktor der Bevölkerungsentwicklung sein wird und zweitens, dass - gleich welcher verkehrlichen Entwicklung - eine stabile und ökonomisch tragfähige Entwicklung nicht zur Disposition gestellt wird. Das heißt im Umkehrschluss, dass gleichgültig welcher Entwicklungspfad für das Verkehrssystem projiziert wird, dieser mit einem positiven ökonomischen Entwicklungspfad vereinbar sein muss. Als Konsequenz können die Makro-Faktoren festgesetzt werden, um durch Variation der Mikro-Faktoren heraus zu arbeiten, welche Bedeutung diesen bei der Transformation des Verkehrssystems zukommt. Ein wesentliches Qualitätskriterium für Szenarien sind die Konsistenz und die Plausibilität der Projektionen. Um diese zu gewährleisten, sind wir einem Vorgehen gefolgt, das mittels „Identifikation von Einflussfaktoren“, „Definition der Entwicklungsvarianten“, „Bewertung der Wechselwirkungen“ und „Ermittlung konsistenter Szenarien“ konsistente Rahmendaten erzeugt [12]. Die Identifikation von Einflussfaktoren erfolgte zunächst in einem Experten-Prozess unter Einbeziehung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen 1 . Aus den thematischen Bereichen Gesellschaft, Technologie und Energie, Wirtschaft, Umwelt und Politik wurden zunächst Faktoren benannt, denen relevanter Einfluss auf das Verkehrssystem und Verkehrsgeschehen zugesprochen werden und für die unterschiedliche zukünftige Entwicklungen denkbar sind. Anfangs 240 Einflussfaktoren wurden in einem zweiten Schritt zu 79 sogenannten Deskriptoren 2 konsolidiert (Bild 1). Zum weiteren Eingrenzen der Deskriptoren wurden diese mit einer Impact-Uncertainty-Analyse im Hinblick auf zwei Aspekte bewertet: 1. Wie stark sind die (positiven oder negativen) Auswirkungen einer Veränderung des Deskriptors auf die Verkehrsentwicklung (Aufkommen, Technologie, Verhalten)? 2. Wie hoch ist die Unsicherheit, mit der die zukünftige Entwicklung des Deskriptors abgeschätzt werden kann? Ziel der Impact-Uncertainty-Analyse ist es, die Deskriptoren zu gruppieren und solche auszuwählen, die für die Szenario-Entwicklung besonders relevant sind. Die aus dem unternehmerischen Umfeld stammende Impact- Uncertainty-Analyse unterscheidet vier Bereiche 3 : • Kritische Planungs-Deskriptoren - große Wirkung, geringe Unsicherheit. • Kritische Szenario-Deskriptoren - große Wirkung, hohe Unsicherheit. • Wichtige Szenario-Deskriptoren - mittlere Wirkung, mittlere Unsicherheit. • Andere nicht berücksichtigte Deskriptoren (mittlere Wirkung, geringe Unsicherheit und geringe Wirkung und geringe Unsicherheit). Das Besondere an der VEU-Deskriptoren-Analyse ist die Mischung von vergleichsweise allgemeinen Deskriptoren, einschließlich der gesetzten Makro-Faktoren, mit verkehrsspezifischen Deskriptoren. Ziel dieser Mischung ist es, spezifische Deskriptoren mit einem hohen Einflussgehalt zu identifizieren und deren Entwicklung in einen größeren Zusammenhang einzubetten sowie die Konsistenz mit allgemeinen Rahmenentwicklungen (d. h. den Makro-Einflussfaktoren) herzustellen. Als Ergebnis lagen die Makro-Faktoren (z. B. BIP, Ölpreis) allesamt im Bereich high impact - low uncertainty (kritische Planungs-Deskriptoren). Weiter fielen eine Reihe von Deskriptoren eindeutig in den Bereich high impact - high uncertainty und sind für die Szenario-Entwicklung prädestiniert (kritische Szenario-Deskriptoren, siehe Bild 1). Drei Planungs-Deskriptoren (Bevölkerungs-, BIP- und Ölpreisentwicklung, jeweils fix) und zehn Szenario-Deskriptoren wurden für die weitere Analyse ausgewählt (Tabelle 1). Für die Arbeitsschritte Definition der Entwicklungsvarianten, Bewertung der Wechselwirkungen und Ermittlung konsistenter Szenarien wurde eine Cross-Impact-Analyse (CIA) angewandt und mit Hilfe von Software des Zentrums für interdisziplinäre Risiko und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRN) ausgewertet 4 . Diese Methode, auf Basis der Beziehungen zwischen den Deskriptor-Ausprägungen untereinander die Konsistenzen abzuleiten, stellt eine Weiterentwicklung der reinen Konsistenzprüfung von Parametern dar. Für jeden der zehn Szenario-Deskriptoren wurden zwei bis drei denkbare Ausprägungen mit dem Zieljahr Bild 1: Grafische Darstellung der 79 Deskriptoren und der Grenzziehung für kritische und wichtige Planungs- und Szenario-Deskriptoren. Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 62 MOBILITÄT Wissenschaft 2040 formuliert. In einem nächsten Schritt haben wir schriftlich und mittels Workshop die unterschiedlichen Entwicklungspfade miteinander in Beziehung gesetzt. In einer Matrix wurden die Ausprägungen der Szenario- Deskriptoren im Hinblick darauf bewertet, ob sie gegenseitig stark, moderat oder schwach hemmend bzw. fördernd sind oder keinen Einfluss aufeinander haben. Diese Matrix diente als Grundlage für die CIA und wurde mit der ZIRN Software ausgewertet. Das Ergebnis der Cross-Impact-Analyse waren neun voll-konsistente Kombinationen von Deskriptor-Ausprägungen. Aus diesen haben wir ein Referenz-Szenario und zwei möglichst weit auseinanderliegende Kombinationen als Grundlage für zwei weitere Szenarien ausgewählt. Aufbauend auf den Beschreibungen der Deskriptoren Ausprägungen haben wir dann die Storylines für die VEU-Szenarien „geregelter Ruck“ und „freies Spiel“ erstellt (dazu Teil 2 des Beitrags). Das Vorgehen erlaubte uns, spezifische Politikmaßnahmen und Entwicklungen narrativ zu beschrieben und mit Annahmen so auszugestalten, dass sie als Eingangsparameter für das Netzwerk von Modellen in VEU verwendet und damit einer Bewertung zugänglich gemacht werden können. Fazit und Vergleich verschiedener Szenario-Ansätze Mit den VEU-Szenarien hat das DLR eine Erweiterung des explorativen Szenario-Ansatzes beschritten, den wir als mikro-explorativ bezeichnen. Das Ziel ist die Herleitung von konsistenten und plausiblen Entwicklungspfaden des Verkehrssystems sowie die Identifizierung von konkreten Maßnahmen und Entwicklungen, die im Einflussbereich der Nationalstaaten liegen. Im Gegensatz zu zielorientierten Szenarien liegt bei den explorativen Szenarien der Schwerpunkt auf dem Entwicklungspfad und den aus heutiger Sicht denkbaren Entwicklungen. Im Gegensatz zu makro-explorativen Szenarien wird der häufig dominierende Einfluss von Makro-Faktoren bei dem mikro-explorativen Ansatz ausgeklammert. Allen Szenario-Ansätzen inhärent ist das Setzen von Annahmen und damit verbunden auch eine jeweilige Weichenstellung bezüglich ihrer Aussagefähigkeit. Ein mikro-explorativer Ansatz ist dabei insbesondere in der Lage, gezielt spezifische Einflussfaktoren für ein Themenfeld herauszuarbeiten und den Diskurs beispielsweise zur Transformation des Verkehrssystems konstruktiv zu bereichern (Tabelle 2). ■ Teil 2 des Beitrages lesen Sie in Internationales Verkehrswesen 2 | 2017 1 An dem Prozess waren 33 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus zehn Instituten des DLR, KIT und HZG beteiligt. 2 Der Begriff Deskriptor bezeichnet die für die Szenario-Erstellung operationalisierten Einflussfaktoren. 3 Begrifflichkeiten übernommen in Anlehnung an: Stewart Brand, Thinking Futures, Internet: http: / / de.slideshare.net/ mkconway/ introduction-toscenario-planning 4 Szenario-Wizard: http: / / www.cross-impact.de/ index.htm Kriterium Ziel-orientierte Szenarien Makro-explorative Szenarien Mikro-explorative Szenarien Konsistenz der Einflussfaktoren Konsistenzen treten u.U. zum Zweck einer Zielerreichung in den Hintergrund Logische Ableitung in sich konsistenter Entwicklungen Logische Ableitung in sich konsistenter Entwicklungen Offenheit für Einflussfaktoren Durch Zielorientierung eingeschränkt Prinzipiell ja, aber durch makroskopische Faktoren dominiert Offen für spezifische Faktoren; Blendet makroskopische Faktoren als Treiber aus Identifikation von Politiken und Maßnahmen Teilweise; Zeigen Handlungsfelder auf, bewerten aber nicht die kontextuale Wirkung von Handeln Die Vielschichtigkeit der Faktoren und Effekte erschwert eine Ableitung konkreter Handlungsfelder Zielt auf die Ableitung von Politiken und Maßnahmen Typische Anwen-dungsbereiche Politikberatung über Optionen einer Zielerreichung „Was-wäre-wenn“ Analysen Systemische Analysen von Themenfeldern Tabelle 2: Vergleich verschiedener Szenario-Ansätze (DLR, eigene Darstellung) Nr. Thematische Kategorien Kritische Szenario-Deskriptoren Kommentar zum Ableiten von Entwicklungen und dahinter liegenden Maßnahmen 1 Politische Kultur und Governance Ordnungspolitische Regulierungen z. B. Fahru. Flugverbote; Grenzwerte für Luftschadstoffe 2 Umweltpolitisch motivierte Finanz- und Steuerpolitik Energiebesteuerung, Fahrzeugbesteuerung, Kostengerechtigkeit der Verkehrsträger 3 Internationale Klimaschutzvereinbarungen; verkehrsbeeinflussend Luftverkehrsabgaben, Fahrbeschränkungen; getrieben von internationaler (auch europäischer) Politik 4 Gesellschaft, Lebens- und Arbeitsstrukturen Berufliche Reiseintensitäten und Verflechtungen Raumentwicklung, Konzentration Wirtschaftskraft, internationale Verflechtungen, Reiseweiten 5 Wohn-Standortentscheidungen Zeit-Kosten-Sätze, Raumentwicklungen 6 Neue Technologien und Energieentwicklung Nationale Energiewende; Art und Anteil erneuerbare Energien Erneuerbare Elektrizität, Power-tot-Gas, Wasserstoff, Biogas 7 Förderung E-Mobilität; einschließlich Ladeinfrastruktur flächendeckende Umsetzung urban; Reichweiten 8 Intermodalität und Attraktivität Öffentliche Verkehre ÖV Finanzausstattung (SPFV, SPNV, ÖPNV) Infrastrukturmaßnahmen, Ausbau Schiene nah & fern 9 Förderung modal Shift (Fuß, Rad, ÖV) urban Infrastrukturmaßnahmen, Förderungen, Beschränkungen des MIV 10 Verkehrsinfrastruktur (einschließlich Finanzierung) Erhalt und Entwicklung/ Ausbau Infrastuktur; Modale Schwerpunktsetzung Tabelle 1: Darstellung der zehn kritischen Szenario-Deskriptoren Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 63 Wissenschaft MOBILITÄT LITERATUR [1] Wilson, I. 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(DLR), Berlin tobias.kuhnimhof@dlr.de Brief und Siegel für Wissenschafts-Beiträge Peer Review - sichtbares Qualitätsinstrument für Autoren und Leserschaft P eer-Review-Verfahren sind weltweit anerkannt als Instrument zur Qualitätssicherung: Sie dienen einer konstruktiv-kritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, wissenschaftlichen Argumentationen und technischen Entwicklungen des Faches und sollen sicherstellen, dass die Wissenschaftsbeiträge unserer Zeitschrift hohen Standards genügen. Herausgeber und Redaktion laden daher Forscher und Entwickler im Verkehrswesen, Wissenschaftler, Ingenieure und Studierende sehr herzlich dazu ein, geeignete Manuskripte für die Rubrik Wissenschaft mit entsprechendem Vermerk bei der Redaktion einzureichen. Die Beiträge müssen „Originalbeiträge“ sein, die in dieser Form und Zusammenstellung erstmals publiziert werden sollen. Sie durchlaufen nach formaler redaktioneller Prüfung ein standardisiertes Begutachtungsverfahren, bei dem ein Manuskript in der Regel zwei, in besonderen Fällen weiteren Gutachtern (Referees) aus dem betreffenden Fachgebiet vorgelegt wird. Die Kernpunkte des Peer Review-Verfahrens • Angenommene Manuskripte gehen an jeweils zwei Gutachter der entsprechenden Fachrichtung anonymisiert zur Begutachtung. • Gutachter nehmen ihre Begutachtung anhand eines standardisierten Bewertungsbogens vor, kommentieren die Bewertung schriftlich und empfehlen die danach uneingeschränkte Annahme zur Veröffentlichung, die Überarbeitung in bestimmten Punkten oder die Ablehnung. • Die Redaktionsleitung teilt den Autoren die Entscheidung der Gutachter umgehend mit, bei Bedarf zusammen mit den Überarbeitungsauflagen. Die Gutachten selbst werden nicht an die Autoren weitergeleitet - die Gutachter bleiben also für die Autoren anonym. Interessierte Autoren erhalten die Verfahrensregeln, die allgemeinen Autorenhinweise mit der aktuellen Themen- und Terminübersicht sowie das Formblatt für die Einreichung des Beitrages auf Anfrage per Mail. Diese Informationen stehen auch auf www.internationales-verkehrswesen.de unter dem Menüpunkt „Autoren-Service“ zum Download bereit. KONTAKT Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleiter Internationales Verkehrswesen Tel.: +49 89 889518.73 eberhard.buhl@trialog.de Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 64 TECHNOLOGIE Wissenschaft Verkehrsinfrastruktur und hochautomatisiertes Fahren Digitale Straßendaten als Vorwissen für hochautomatisierte Fahrzeuge Vorwissen, hochautomatisiertes Fahren, digitale Verkehrsinfrastrukturdaten Für die Einführung des hochautomatisierten Fahrens ist zunehmend eine intelligente Verkehrsinfrastruktur erforderlich. Maßgebliche Infrastrukturdaten müssen den Fahrzeugen in einem geeigneten Detailliertheitsgrad mit zugehöriger Genauigkeit und einem anerkannten Datenformat digital zur Verfügung gestellt werden. Durch das sogenannte Vorwissen von einer geplanten Route und einem zugehörigen Online-Abgleich in Echtzeit während der Fahrt ist eine einfachere und genaue Verortung des Fahrzeuges im digitalen Straßenraum möglich. Wolfgang Kühn W esentliche Grundlage für das hochautomatisierte Fahren sind künftig dreidimensionale Daten von Straßenkörpern und den zugehörigen fahrraumprägenden Elementen im umgebenden Straßenraum. Hochautomatisierte Fahrzeuge erfassen die digitalen Daten in Echtzeit mit geeigneter Sensorik, berechnen ein 3D- Modell und verorten sich in dem „freien“ dreidimensionalen Raum. Aufgrund der zu erfassenden Datenmenge ist im Rahmen der Routerwahl ein digitales Vorwissen abrufbar, das während der Fahrt mit den real erfassten Daten abgeglichen wird. Hochautomatisiertes Fahren Die Längs- und Querregelung des Fahrzeuges (Beschleunigung, Bremsen, Überholen, Abbiegen) wird zunehmend vom Fahrer auf Fahrzeugregelungssysteme übertragen. In Abhängigkeit vom Automationsgrad kann dabei die Einteilung in 5 grundlegende Entwicklungsstufen (Bild 1) vorgenommen werden. Während das Fahrzeugführen ohne Eingreifen der Fahrzeugregelungssysteme der Vergangenheit angehört, unterstützen Assistenzsysteme zunehmend den Fahrer in den drei- Ebenen: Stabilisierung (ABS, ESP), Führen (ACC, LCA) und Navigation (Routing - Systeme). Durch die Normales Fahren Assistiertes Fahren Teilautomatisiertes Fahren Vollautomatisiertes Fahren Hochautomatisiertes Fahren Fahrer führt dauerhafte Längs- und Querregelung aus Keine eingreifenden Fahrzeugsysteme aktiv Fahrer führt dauerhafte Längs- oder Querregelung aus Fahrer muss System dauerhaft überwachen Fahrer muss System nicht dauerhaft überwachen Fahrzeug übernimmt jeweils andere Funktion Fahrzeug übernimmt Längs- und Querregelung für gewisse Zeit (spezielle Situationen) Fahrzeug übernimmt Längs- und Querregelung für gewisse Zeit Fahrzeug übernimmt Längs- und Querregelung vollständig in einem speziellen Anwendungsfall (Fahrer muss dabei nicht übernehmen) Ausreichende Zeit zur Fahrerübernahme GRAD FAHRER FAHRZEUG gesetzlich geregelt gesetzlich nicht geregelt Bild 1: Automatisationsgrade für Fahrszenarien Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 65 Wissenschaft TECHNOLOGIE Einführung neuartiger Sensorik kann das Fahrzeug die Längs- oder Querneigung für eine gewisse Zeit übernehmen und der Fahrer überwacht dann den Fahrprozess. Zielstellung wird es sein, durch Fahrzeugregelungssysteme mit hoher Zuverlässigkeit ein vollautomatisiertes Fahren zu gewährleisten, bei dem der Fahrer nur noch in Ausnahmesituationen übernehmen muss. Vorwissen Im Rahmen des Planungsprozesses einer Straßenverkehrsanlage werden vom Straßenkörper 3D-Modelle berechnet, d. h. von einer Straße liegen im Abstand von ca. 10 m dreidimensionale Daten vor, nach denen die Baurealisierung erfolgt. Die Fahrbahnmarkierungen, Verkehrsschilder sowie die horizontale und vertikale Leiteinrichtung (Leitpfosten, Schutzplanken) liegen mit dem Markierungs- und Beschilderungsplan vor und können mit den Daten des Straßenkörpers zu einem einheitlichen 3D-Modell verknüpft werden. Bei Auswahl einer Fahrtroute könnten diese digitalen Daten als sogenanntes Vorwissen von den hochautomatisierten Fahrzeugen genutzt werden. Es lassen sich somit Richtgeschwindigkeiten und erforderliche Abstände in Abhängigkeit von Streckenabschnitt ermitteln. Folgende grundsätzliche Verfahrensweise ist möglich (Bild 2): • mittels Sensorik wird Straße und Umgebung abgetastet und ein 360° Grad-3D-Model generiert • Abgleichung des generierten 3D-Modells mit dem Bestandsmodell aus vorhandenem Vorwissen • 3D-Modell wird mit hochauflösenden Videoaufnahmen verschmolzen und somit entsteht eine hochauflösende digitale 3D-Darstellung. Das Bild 3 zeigt eine generiertes 3D-Modell mit überlagerten Videoaufnahmen. Das Google-Fahrzeug sammelt dabei etwa ein Gigabyte Daten pro Sekunde. Problematik Beim hochautomatisierten Fahrprozess muss das Fahrzeug mit Hilfe der vorhandenen Sensorik (Stereokameras, Radar, Lidar, Laserscanner u. a.) die maßgeblichen Straßen- und Fahrraumelemente erkennen, aufnehmen und in ein digitales 3D-Modell in Echtzeit umwandeln. In dem sogenannten „hindernisfreien begrenzten 3D- Raum“ kann sich dann das verortete Fahrzeug selbstständig orientieren und bewegen. Eine genaue Verortung des Fahrzeuges in der Umgebung ist auf Grund der in Echtzeit zu verarbeitenden Datenmenge, der Genauigkeit der Objekterkennung sowie der vielfältigen Störgrößen wie z. B. Witterung, Tag und Nacht, Straßenverkehrssituation u. a. oft schwierig. Um die Objekterkennungsprobleme in Abhängigkeit von der verfügbaren Sensorik und den Störgrößen schrittweise lösen zu können, sollte das Fahrzeug mit Hilfe erweiterter digitaler Karten im Navigationssystem über ein detailliertes Vorwissen von der Verkehrsinfrastruktur auf der geplanten Route verfügen. Mit Hilfe des Abgleichs zwischen Vorwissen und erfasstem Wissen ist eine schnellere und genauere Verortung in der Umgebung möglich. Im Rahmen eines Forschungsprojektes [1] wurden die speziellen Anforderungen an die Straßendaten aus der Sicht des hochautomatisierten Fahrens analysiert und eine Methodik zur Erfassung, Verarbeitung und Aufbereitung von Straßendaten zur weiteren Entwicklung vorgeschlagen. Durch die Einführung von speziellen Merkmalen für unterschiedliche Detailliertheitsgrade zum Straßenkörper mit den zugehörigen fahrraumprägenden Elementen ist eine einheitliche Datenstruktur mit den zugehörigen Datenformaten zwecks Übernahme in die digitalen Straßenkarten möglich. Wenn sich künftig die zuständigen Baulastträger bei der Planung, dem Bau und der abschließenden Bestandsaufnahme von Straßenverkehrsanlagen an die zu entwickelnde Methodik halten, könnten die Kartenhersteller alle notwendigen 3D-Daten aus dem Gesamtprozess direkt in die Navigationssysteme übernehmen. Bei Auswahl einer Route wäre dann das Vorwissen aus den vorliegenden Straßendaten direkt abrufbar und könnte somit den Verortungsprozess in der Umgebung erheblich beschleunigen und speziell bei auftretenden Störungen sicherer machen. Zielstellung Ziel des Forschungsprojektes war die Entwicklung einer Methodik zur Vereinheitlichung von Straßendaten und einer zugehörigen nutzerbezogenen Datenbank. Kern- Radar Stereokameras Lidar Infrarotkameras Ultraschall Wissensaneignung online mit geeigneter Sensorik in Echtzeit VORWISSEN von der Route im Fahrzeug Straßengeometrie mit Straßenraumelementen GESCHWINDIGKEITSVORGABE in Abhängigkeit von geometrischen Elementen sowie der Beschilderung = ∗ ( + 1− ∗ ) (Kurve) Fahrzeug mit Sensorik Bild 2: Sensorik zur Aufnahme digitaler Straßendaten Quelle: Google Bild 3: Bill Gross via Twitter: Generiertes 3D-Modell aus Sicht eines hochautomatisierten Google-Fahrzeugs Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 66 TECHNOLOGIE Wissenschaft aufgabe war dabei die Bereitstellung von Straßendaten für verschiedene Nutzergruppen. Dafür wurden die Anforderungen der verschiedenen Akteure beachtet und ein Informationssystem entwickelt, das nutzerspezifische Datenbestände in Bezug auf die geforderte Informationstiefen und die Austauschformate liefert. Im Ergebnis können der Informationsbedarf der Baulastträger und Straßenplaner besser befriedigt und weiteren Straßendatennutzern ein Zugriff auf die Datenbasis ermöglicht werden. Für diese Zwecke muss ein zentrales Datenbanksystem entwickelt werden, in dem alle Straßendaten vorgehalten sind. Entwicklungsschwerpunkt ist dabei die Strukturierung der Datenbank, sodass alle Nutzer Daten im gewünschtem Format und der geforderten Qualität erhalten können. Für den Datenimport aller Quellen sowie den gezielten Export sind geeignete Werkzeuge erforderlich. Die Umsetzung dieser Methodik fordert gleichermaßen die Entwicklung einer neuen Objekthierarchie und einer damit verbundenen speziellen Datenstrukturierung. Dabei muss die Datenmodellierung grundlegend auf die geometrischen Informationen des Straßenkörpers und die Objektdaten von Fahrraum- und Umfeldelementen der Straßenverkehrsanlage begrenzt werden. Dynamische Daten zum Verkehrsfluss oder der Umwelt sind gegenwärtig noch nicht Bestandteil der Methodik. Es werden jedoch die strukturellen Voraussetzungen zur späteren Implementierung geschaffen. Letztendlich muss die Fortschreibung der stetig veränderlichen Daten durch einen geeigneten Aktualisierungsprozess gewährleistet sein und damit wird der Pflegeaufwand des Gesamtsystems minimiert. Straßendatensituation Die Straßendaten der Bundes- und Landesstraßen werden in getrennter Verantwortung des Bundes und der Länder verwaltet. Beispielsweise ist für die Datenverwaltung in Sachsen die zentrale Straßeninformationsbank TT-SIB der Straßenbauverwaltung des Freistaates [2] zuständig. Daten von ca. 13 000 km Staatsstraßen sind dort in speziell definierten Objektklassen gespeichert. Der Bund vergibt besondere Aufgaben an private Dienstleister. Die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB-Portal) [3] stellt eine solche Sonderaufgabe für Daten des Straßenoberflächenzustandes dar. Dabei werden Oberflächen in sogenannten Zustandskennzahlen eingeordnet und bewertet. Daten des Kreisstraßennetzes obliegen der Verantwortung der Landkreise. Die Straßeninformationsbanken der Landkreise enthalten ebenfalls ausschließlich Daten von Verkehrsanlagen im eigenen Verwaltungsgebiet. Digitale Straßendaten liegen dabei nur begrenzt und oft in schlechter Qualität vor. Auf der untersten Ebene verwalten Kommunen die Straßendaten des kommunalen Straßennetzes. Gemeindestraßen sind datenseitig oft nur sehr schlecht dokumentiert und digitale Datenbestände kaum vorhanden. Außerdem ist die Diskrepanz zwischen verschiedenen kommunalen Datenbeständen besonders groß. Als Ergebnis existieren vielfältige analoge und digitale Quellen für Straßendaten, die einen einheitlichen Nutzung nicht zulassen. In der Automobilindustrie werden gegenwärtig eigene Standards für Straßendaten im Zusammenhang mit dem automatisierten Fahren entwickelt und eingeführt. Durchgesetzt hat sich dabei das OpenDRIVE-Dateiformat [4]. Die Datenstruktur mit Gliederung in logische und grafische Datenbestandteile ist nicht vergleichbar mit der vorhandenen Straßendatenstruktur der Straßenbauverwaltungen und somit schafft die Industrie momentan eigene Straßendatenstrukturen. Gesamtprozess Straßendaten Für alle Neubaumaßnahmen sowie Um- und Ausbaumaßnahmen, die nach 1990 geplant und realisiert wurden, liegen im Ergebnis der Ausführungsplanung in der Regel 3D-Modelle zum Straßenkörper vor. Leider wur- Detailliertheitsgrad 1: Geometriedaten des Straßenkörpers Detailliertheitsgrad 3: Geometriedaten plus Daten für fahrraumprägende Elemente und Umfeldelemente Detailliertheitsgrad 2: Geometriedaten plus Daten für fahrraumprägende Elemente Detailliertheitsgrad 4: Geometriedaten plus Daten für fahrraumprägende Elemente, Umfeldelemente und Fahrbahnoberflächeneigenschaften Bild 4: Detailliertheitsgrade von Straßenkörper mit Straßenraum Bild 5: Komponenten des Mess- und Testfahrzeuges Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 67 Wissenschaft TECHNOLOGIE den die 3D-Modelle im Rahmen der Bestandsplanerstellung nach Abschluss der Baumaßnahme in der Regel nicht aktualisiert, d. h. die Bestandspläne im Ergebnis der Bestandsvermessung verfügen in der Regel nicht über die aktualisierten 3D-Straßenkörpermodelle. Nur für ausgewählte Punkte der Bestandsstraßen wurden Lage- und Höhendaten aufgenommen. Für ältere Straßen existieren nur Lagepläne mit Höhenkoordinaten mit und ohne Informationen zu den Entwurfsparametern. Detailliertheitsgrade Um die Straßendaten vereinheitlichen zu können, ist die Einführung von Straßenkörpermodellen mit unterschiedlichen Detailliertheitsgraden in Abhängigkeit von der speziellen Anwendung erforderlich. Folgende verschiedene Detailliertheitsgrade wurden im Ergebnis des Forschungsprojektes abgeleitet (Bild 4): In Abhängigkeit von dem Anwendungsfall (virtuelle oder reale Fahrten) muss der geeignete Detailliertheitsgrad des Straßenanschnittes hergestellt werden, d. h. neben der Verwendung von 3D-Modellen aus der Ausführungsplanung und der Aufarbeitung von Bestandsplänen ist eine zusätzliche Aufnahme der fehlenden Dateninformation mit Meßfahrzeugen erforderlich. Datenerfassung und -aufbereitung Die Datenerfassung und -aufbereitung erfolgt in drei separaten Schritten: 1. Sichtung bzw. Auswertung der vorhandenen Ausführungsplanung nach den vorhandenen 3D-Geometriemodellen mit verschiedenen Detailliertheitsgraden, 2. Ergänzung von 3D-Geometriemodellen durch Nachtrassierung von Bestandsplänen, 3. Aufnahme und Berechnung der 3D-Geometriemodelle mit zugehöriger Fahrrauminformationen mittels Messfahrzeug. Aus diesen Daten wird ein 3D-Gesamtmodell durch Überlagerung mit angepasstem Detailliertheitsgrad entwickelt. Messfahrzeug für Datenaufnahme Im Rahmen eines weiteren Forschungsprojektes [5] wird gegenwärtig ein neuartiges Mess-und Testfahrzeug entwickelt. Basisfahrzeug ist ein Porsche Panamera (Bild 5 und 6). Ein identisches Fahrzeug befindet sich bereits im Fahrsimulationslabor der WHZ, das für vergleichende Untersuchungen zwischen realen und virtuellen Fahrten genutzt wird. Neben der Aufnahme von Straßenquerschnittsdaten kann das Fahrzeug auch für Realfahrten zur Beurteilung des Fahrverhaltens genutzt werden. Vergleichende Untersuchungen zum Fahrverhalten wurden bereits bei der Planung und dem Bau der Infield-Strecke der Porsche AG Leipzig durchgeführt [6]. Wandlung der Straßendaten in das OpenDRIVE-Format Die Automobilindustrie und die Zulieferfirmen arbeiten sowohl in der Simulation als auch bei dem Testen hochautomatisierter Fahrszenarien mit Software-Tools, die grundsätzlich eine Datenaufbereitung im OpenDRIVE- Format erfordern. Für die Übertragung der vorhandenen und erfassten Straßendaten ist somit prinzipiell eine Wandlung der Daten über einen Konverter erforderlich. Die grundsätzliche Vorgehensweise veranschaulicht das Bild 7. Ein Pilot zum Software-Tool wurde bereits an einem praktischen Beispiel erfolgreich getestet [7]. Methodik In Zusammenarbeit mit einer Firma, die sich speziell mit Straßendaten intensiv beschäftigt, ist der Aufbau einer Straßendateninformationsbank geplant, über die verschiedene Akteure in Abhängigkeit vom Detailliertheitsgrad die Daten im geforderten Datenformat abrufen und weiterverarbeiten können. Das Bild 8 veranschaulicht den geplanten Gesamtprozess. Testbeispiel Für eine Teststrecke (Bild 9) die sich aus 3 Abschnitten mit unterschiedlicher Datenstruktur zusammengesetzt hat, wurde eine beispielhafte Bearbeitung bereits vorgenommen • Testbereich 1: Ausführungsplanung mit 3D-Geländeprofilen (Detailliertheitsgrad 1) stand zur Verfügung, (1) Videodetektion mit Stereokameras (fahrraumprägende Elemente) (3) Abstandsmessung mittels Echolot (Querneigungsermittlung) (2) Ermittlung der Breitenabmessung mittels Linienlaser (Querschnittselemente) Bild 6: Erfassung digitaler Straßenquerschnittsdaten mittels Linienlaser und Ultraschall Bild 7: Übertragung der Straßendaten in OpenDRIVE - Format Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 68 TECHNOLOGIE Wissenschaft • Testbereich 2: Bestandsplan mit Punkten (x, y-Koordinate) im Lageplan und ausgewählten Höhenkoordinaten standen zu Verfügung • Testbereich 3: Datenaufnahme mit Testfahrzeug für Abschnitt ohne Auswertung stand zur Verfügung Ergebnisse und Ausblick Die bisher geführten Untersuchungen haben anschaulich gezeigt, dass für eine sichere Verortung von Fahrzeugen bei hochautomatisierten Fahrszenarien ein Vorwissen zur geplanten Route sinnvoll ist. Dafür sind eine klare Datenstruktur, ein geeigneter Detailliertheitsgrad und ein einheitliches Übergabeformat für die Weiterverarbeitung im Fahrzeug erforderlich. Die Baulastträger müssen zwingend mit den Automobilherstellern ins Gespräch kommen, um die Datenstruktur im Planungsprozess der Verkehrsinfrastrukturanlagen auf die Anforderungen der Automobilindustrie anzupassen. Eine digitale Verkehrsinfrastrukturanlage kann somit hochautomatisierte Fahrszenarien mit einem geeigneten Vorwissen alltagstauglicher machen. ■ LITERATURANGABEN [1] Kühn, Wolfgang et.al.: Untersuchungen zum Detailliertheitsgrad und zur Aktualität von Straßendaten aus der Sicht der Audi AG, Schlussbericht zum Forschungsprojekt, Zwickau 2013 (unveröffentlicht) [2] Vgl.: http: / / www.list.smwa.sachsen.de/ 204.htm [3] Vgl.: http: / / itzeb.heller-ig.de/ [4] Vgl.: http: / / www.opendrive.org/ [5] Kühn, Wolfgang et.al.: Aufbau eines Mess- und Testfahrzeuges für die Aufnahme von Straßendaten und von Fahrdynamikdaten für Trainingsstrecken, Schlussbericht zum SMWK-Forschungsprojekt, Zwickau 2015/ 17 (unveröffentlicht) [6] Müller, Michael: Untersuchungen zur Visualisierung und Fahrverhaltensbewertung von Teststrecken am Beispiel der Porsche AG Leipzig, Diplomarbeit 2013 (unveröffentlicht) [7] Kühn, Wolfgang et.al.: Untersuchungen zur Einigung vorhandener Editorprogramme für den Erstellungsprozess virtueller Modellberechnungen, Schlussbericht zum Forschungsprojekt, Zwickau 2014 (unveröffentlicht) Bild 9: Testbeispiel aus [5] Wolfgang Kühn, Prof. Dr.-Ing. habil. Professur Kraftfahrzeugvernetzung/ Verkehrssteuerung, Institut für Energie und Verkehr, Westsächsische Hochschule Zwickau wolfgang.kuehn@fh-zwickau.de Werkzeuge Werkzeuge Werkzeuge Werkzeuge Ausführungsunterlagen (3D) Datenbank Zusatzvermessung (3D) Straßendaten (2D) Um- und Ausbauplanung Verwaltung/ Fortschreibung der örtl. Situation Automobilindustrie Forschungseinrichtungen Ingenieurbüros für Straßenplanung Baulastträger (Kommunen, Länder, Bund) Importprozesse Importprozesse Importprozesse Exportprozesse Exportprozesse Exportprozesse Aktualisierungsprozess Methodik Datengrundlage Nutzer Vorwissen für automatische Fahrzeuge Fahr- und Fahrzeugsimulation Struktur Qualität Aktualität Schnittstellen Anwendung Bild 8: Geplanter Gesamtprozess Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 69 Antriebskonzept TECHNOLOGIE Elektrische und konventionelle Antriebskonzepte Ein ökologischer und ökonomischer Vergleich Elektromobilität, Umweltbelastung, Alternative Antriebe, Antriebsvergleich, Total-Cost-Of-Ownership- Analyse, Verbrauchseinflüsse Der Übergang automobiler Antriebssysteme von konventionellen Verbrennungsmotoren zu elektrischen Motoren erlebt sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft erhebliche Aufmerksamkeit. Die ausschlaggebenden Motive für die Elektrifizierung der Antriebstechnologie sind die Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und die Reduzierung von globalen und lokalen Emissionen wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) und Lärm. Aufgrund der zunehmenden Ressourcenknappheit und der steigenden Rohstoffpreise resultiert ein stetiger Innovationsdruck in Richtung verbrauchsärmerer Fahrzeuge. Aus dieser Motivation heraus widmen sich Fahrzeugentwickler heute einem Antriebskonzept, welches zuletzt im Jahre 1912 seinen Höhepunkt feierte, dem Elektroauto. Alexander Petters, Christoph Rusetzki, Sönke Reise B is heute konnte sich das Konzept des Elektrofahrzeuges in Deutschland nicht durchsetzen [1]. Dies zeigen die Zahlen der Neuzulassungen der Personenkraftwagen (PKW) in Deutschland 2015. Von 3,21 Mio. Neuzulassungen waren lediglich 1,7 % Fahrzeuge mit alternativen Antrieben [2]. Trotzdem werden sowohl von den Automobilherstellern als auch kürzlich von der Bundesregierung durch den Beschluss der Förderung von elektrischen PKW, Fahrzeuge mit elektrifizierten Antrieben als das Fortbewegungsmittel der Zukunft präsentiert. Im Mittelpunkt steht das Ziel, bis 2020 eine Million und bis zum Jahr 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen [3]. Auch wenn dieses Ziel aufgrund der bisher niedrigen Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen wahrscheinlich nicht mehr zu erreichen sein wird, erhöht sich dennoch der Verkauf von elektrifizierten Antriebssystemen seit 2009 stetig [4]. Elektrofahrzeuge sind nur lokal emissionsfrei Um einen Motor anzutreiben, wird immer Energie benötigt. Diese Energie wird in einer entsprechenden Energiespeichereinrichtung im Fahrzeug mitgeführt. Während es im Verbrennungsmotor der Kraftstofftank für den Transport von Energieträgern wie Benzin, Diesel, CNG, LPG oder H 2 ist, befinden sich in Elektrofahrzeugen Verbunde von Batterien, in denen elektrische Energie chemisch gespeichert wird. Lithium-Ionen-Batterien weisen eine der höchsten Energiedichten von Akkumulatoren auf [5] und werden am häufigsten zum Antrieb in Elektrofahrzeugen verwendet. Durch den Betrieb rein elektrischer Fahrzeuge entstehen zwar keine lokalen Luftschadstoffe. Jedoch ist die globale Luftverschmutzung abhängig von der Stromerzeugung. Diese betrug im Jahr 2015 rund 535 g CO 2 pro erzeugter kWh Energie. Demnach sind Elektrofahrzeuge nur emissionsfrei, wenn die Betriebsenergie aus regenerativen Energien, wie Solar- und Windenergie geschöpft wird und der Energieverbrauch des Herstellungsprozesses der Kraftwerke vernachlässigt wird. Zusätzlich entstehen durch den Batterieherstellungsprozess rund 125 kg CO 2 pro Kilowattstunde der enthaltenen Batteriekapazität [6]. Ökologischer Vergleich Die Reduzierung des Fahrzeuggewichts, des Luft- und Rollwiderstands sowie eine Erhöhung des Wirkungsgrades des Antriebstrangs führen bei Elektrofahrzeugen und konventionellen Fahrzeugen zu einer Verringerung des Kraftstoffverbrauchs beziehungsweise des CO 2 -Ausstoßes. Im Folgenden werden Elektrofahrzeuge und konventionelle Fahrzeuge hinsichtlich ihrer CO 2 -Emissionen verglichen. Dabei beschränkt sich der Vergleich auf Kompaktwagen des Modells Golf von Volkswagen. Diese bestehen aus dem konventionellen Benziner Golf TSI und dem Diesel Golf TDI sowie dem Plug-In Hybriden Golf GTE und dem batterieelektrischen e-Golf. Für die Berechnung der CO 2 -Emissionen bedarf es vorher der Ermittlung der Wirkungsgrade. Die Auspuffgase von konventionellen Fahrzeugen verursachen den größten Anteil an den Energieverlusten, in ihnen befinden sich rund 35 % der Kraftstoffenergie [7]. Jedoch kann ein Teil der Auspuffgase beispielsweise genutzt werden, um einen Abgasturbolader in Rotation zu versetzen, wodurch ein höherer Volumenstrom der Ansaugluft erzeugt wird, welcher zur Verbesserung der Verbrennung im Motorraum dient. Eine weitere Verlustquelle ist auch der Motor. Dieser muss zur Unterbindung der Überhitzung stetig gekühlt werden. Durch die Erwärmung des Kühlwassers und die Konvektion, Wärmeleitung und Wärmestrahlung des Motorblocks entstehen bereits 75 % Verlustwärme. 25 % der Kraftstoffenergie gelangen zwar an die Kurbelwelle, jedoch noch nicht an die Räder. 5 % der Energie wird von Lichtmaschine, Getriebe, Achsen und Wellen in Anspruch genommen. Es bleiben für den Antrieb nur 20 % der Kraftstoffenergie übrig [8]. Von den 8,77- kWh, also 31 572 kJ Energie, die in einem Liter Benzin enthalten sind [9], kommen somit nur noch 6314,4 kJ an den Antriebsrädern an. Durch entstehende Energieverluste bei Be- und Entladevorgängen, dem Stromrichter, dem Motor selbst und diverser Lager und Dichtungen wird bei einem Elektrofahrzeug von einem Wirkungsgrad von 50 % ausgegangen. Von einer im Kraftwerk er- Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 70 TECHNOLOGIE Antriebskonzept zeugten Kilowattstunde, kommt lediglich eine halbe Kilowattstunde Energie an den Traktionsrädern an. Die vier Referenzfahrzeuge benötigen aufgrund ihrer nahezu gleichen Karosserie einen ähnlich großen Energieaufwand, um den Luftwiderstand zu überwinden. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsgrade und der damit verbunden Erzeugung von Energieträgern entstehen demzufolge unterschiedliche CO 2 -Ausstöße. Demnach entstehen beim rein elektrisch angetriebenen VW e-Golf die wenigsten CO 2 -Emissionen. Die für den Antrieb benötigte Energie wurde mit dem deutschen Kraftwerksmix 1 [11] verrechnet. Bei der Berechnung des Rollwiderstandes der Fahrzeuge wird von dem zulässigen Gesamtgewicht und einem Rollwiderstandskoeffizienten von 0,013 ausgegangen. Die vier Fahrzeuge befahren theoretisch eine fehlerfrei asphaltierte Straße in der Ebene über eine Strecke von 100 km mit einer Geschwindigkeit von 50 beziehungsweise 100-km/ h. Auch in Kombination mit dem Rollwiderstand ist der e-Golf das umweltschonendere Fahrzeug, gefolgt vom Plug-In Hybriden Golf GTE (Tabelle 1). Dennoch ist durch den derzeitigen Strommix in Deutschland noch mit einem hohen globalen CO 2 -Ausstoß zu rechnen. Demnach ist der elektrische VW e-Golf aus globalökologischen Gesichtspunkten nicht deutlich umweltschonender als die verbrennungsmotorischen Golf TSI und TDI. Trotzdem ist der VW e- Golf im innerstädtischen Verkehr vorzuziehen, da er keine lokalen Treibhausgase emittiert und das größere Potenzial für einen umweltschonenderen Betrieb aufweist. Der Unterschied zum konventionellen Fahrzeug ist die Herstellung des Energieträgers. Nach der Einigung auf die Verordnung (EG) Nr. 443/ 2009 zwischen Europaparlament und EU-Mitgliedsstaaten mussten die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen der europäischen PKW-Neuwagenflotte bis zum Jahr 2015 auf 130 g CO 2 / km reduziert werden [12]. Die Verordnung setzt weiterhin eine Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes der europäischen PKW-Neuwagenflotte für das Jahr 2020 auf 95 g CO 2 / km voraus. Für den Hersteller ist es einfacher realisierbar, den CO 2 -Ausstoß durch Elektrofahrzeuge zu reduzieren als mit konventionellen Antrieben, da lediglich der lokale CO 2 - Ausstoß für den Flottenverbrauch relevant ist. Die Abhängigkeit des Elektrofahrzeugs vom Wirkungsgrad und dem damit verbundenen umweltbewussteren Transportmittel liegt folglich in der Entwicklung der Energieerzeugung. Der Endkunde des Elektrofahrzeugs zahlt jedoch nicht die erzeugte, sondern die zu verwendende Energie. Durch den hohen Wirkungsgrad des E-Antriebs geht nur wenig Energie verloren. Im Vergleich zu den fossilen Kraftstoffen kann ein E-Fahrzeug durch die niedrigen Energiekosten wesentlich günstiger betrieben werden als ein konventionelles Fahrzeug. Ökonomischer Vergleich Der Elektromotor und die Leistungselektronik bilden den Kern des elektrischen Antriebs. Die Leistungselektronik setzt die Vorgaben der Steuerungselektronik um. Sie verbindet die Batterie mit dem Elektromotor und versorgt in Antriebsphasen den Motor mit Strom. Dabei wird der von der Batterie bereitgestellte Gleichstrom von der Leistungselektronik zum Antrieb des Motors in Wechselstrom gewandelt. In Rekuperationsphasen (beispielsweise beim Abbremsen) arbeitet der Motor als Generator und lädt die Batterien mit Gleichstrom wieder auf. Zusätzlich versorgt die Leistungselektronik das Bordnetz der Fahrzeuge mit Strom und stellt sicher, dass der elektrifizierte Antrieb zu jedem Zeitpunkt funktionsfähig ist. Mit weiterem Voranschreiten in der Forschung, der Großserienfertigung und Abnahme großer Stückzahlen, können sich durch eine fortschreitende Marktdurchdringung die Kosten um zwei Drittel reduzieren [13]. Gerade bei neuen Technologien gestaltet sich die Abschätzung der erzielbaren Herstellungskosten schwierig. Durch eine Steigerung der Nachfrage für Elektromotoren und zugehörige Leistungselektronik lässt sich über Lerneffekte und Größenkostenersparnisse eine fortschreitende Reduzierung der Kosten durch eine Massenfertigung der Antriebskomponenten erwarten. Die Preise für Gleichspannungswandler und Ladegerät in Tabelle 2 betragen rund 10 beziehungsweise 30 % der Preise des Antriebstranges. Bei Ottomotoren und Dieselmotoren inklusive Getriebe betragen die Kosten pro kW etwa 30 EUR beziehungsweise 52,40-EUR [14]. Durch die komplexere Blue Motion Technologie wird ein Kostenaufwand von 35 EUR beziehungsweise 57,40 EUR pro kW angenommen. Demnach belaufen sich die Kosten für einen 110 kW- Ottomotor des VW Golf TSI Blue Motion sowie des Golf GTE auf 3850 EUR. Für den- Dieselmotor des VW Golf TDI Blue Motion- entstehen Herstellungskosten von 6314-EUR. Demgegenüber stehen bei einem batterieelektrischen Fahrzeug mit einer Motorleistung von 85 kW die Kosten von 11 125 EUR des Antriebsstrangs und die Kosten für den Gleichspannungswandler und des Ladegeräts in Höhe von 4450 EUR. Den größten Einfluss auf den Gesamtkostenunterschied der Elektromotoren gegenüber den Verbrennungsmotoren hat die Traktionsbatterie. Diese macht im VW e-Golf mit 7260 EUR rund 32 % der Kosten des Antriebes aus. Für die Berechnung der Unterhaltskosten für ein Fahrzeug wird von einer gleichbleibenden Besteuerung beider Energieträger ausgegangen. Diese könnte bei einer erhöhten Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen und dem damit verbundenen Rückgang der Mineralölsteuereinnahmen durch neue Besteuerungsformen für elektrische Fahrzeuge ausgeglichen werden. Die angenommene Nutzungsdauer beträgt zehn Jahre, dabei sind die Fahrzeugkosten einschließlich der Antriebskomponenten kons- Modell Golf TSI BlueMotion Golf TDI BlueMotion Golf GTE e-Golf Luftwiderstand 50 km/ h 33,3 g/ km 33,6 g/ km 29,4 g/ km 27,5 g/ km 100 km/ h 132,6 g/ km 134,9 g/ km 117,6 g/ km 109,8 g/ km Rollwiderstand ~84,6 g/ km ~88,5 g/ km ~85,8 g/ km ~37,5 g/ km Gesamt 50 km/ h 117,7 g/ km 122,7 g/ km 115,2 g/ km 65 g/ km 100 km/ h 217,2 g/ km 223,5 g/ km 203,4 g/ km 147,3 g/ km Tabelle 1: Fahrwiderstände und damit verbundener CO 2 -Ausstoß [10] Modell Golf GTE e-Golf Nennleistung Motor [kW] 75 85 Kosten Motor 6375 EUR 7225 EUR Kosten Leistungselektronik 3900 EUR 3900 EUR Kosten Antriebsstrang 10 275 EUR 11 125 EUR Tabelle 2: Zusammensetzung der Gesamtkosten des Antriebsstrangs [10] Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 71 Antriebskonzept TECHNOLOGIE tant. Die Verbrauchswerte der beiden Fahrzeuge wurden vom Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) übernommen. Tabelle 4 zeigt die Berechnung der Betriebskosten von zehn Jahren und einer zurückgelegten Strecke von 150 000 km. Für den Endkunden fallen neben dem Anschaffungspreis des Fahrzeuges für die anschließenden zehn Jahre weitere Betriebs- und Unterhaltskosten von rund 23 000 EUR für die konventionell angetriebenen Golf-Modelle, beziehungsweise rund 13 500 EUR für den VW e-Golf an. Der Golf GTE liegt mit 21 000 EUR etwas günstiger als die konventionellen Modelle. Demnach liegen die Betriebskosten eines batterieelektrischen Fahrzeugs (BEV) weit unter denen eines konventionell betriebenen Fahrzeugs. Die hohen Anschaffungskosten der Elektrofahrzeuge können durch die niedrigeren Betriebskosten über einen Zeitraum von zehn Jahren mit einer Jahresfahrleistung von 15 000 km ausgeglichen werden, wie Tabelle 5 zeigt. Der hybride Golf GTE weist aufgrund der teuren Antriebstechnologie die höchsten Gesamtkosten auf. Elektrofahrzeuge versprechen zurecht einen Kostenvorteil bei den Betriebskosten. BEV und Plug-In-Hybride sind in ihrer Anschaffung jedoch hochpreisiger als konventionelle Fahrzeuge, wodurch die Relevanz von Elektrofahrzeugen für den Endkunden noch nicht in dem Maße gegeben ist, wie es Politik und Wirtschaft vorsehen. Aus diesem Grund trat im Jahr 2016 eine Fördermaßnahme in Kraft, welche den Absatz von Elektrofahrzeugen steigern soll. Der Markt für Elektrofahrzeuge ist durchaus gegeben, dem Kunden stehen viele Hybridisierungskonzepte zur Verfügung. Noch sind reine Elektrofahrzeuge, wie hier in der Total Cost of Ownership Analyse gezeigt werden konnte, im Vergleich mit herkömmlichen Fahrzeugen zu teuer. Außerdem fehlt es zurzeit noch an einer dichten Ladeinfrastruktur, um die geringeren Reichweiten gegenüber konventionellen PKW auszugleichen. ■ 1 Vom Umweltbundesamt geschätzter Anteil der Energieträger an der Bruttostromerzeugung im Deutschen Strommix für das Jahr 2015, Stand 03/ 2016: Braunkohle: 24 %, Steinkohle: 17 %, Erdgas: 9 %, Mineralölprodukte: 1 %, Kernenergie: 14 %, Erneuerbare Energie: 30 %, übrige Energieträger: 5 % QUELLEN [1] Dudenhöfer K: Akzeptanz von Elektroautos in Deutschland und China: Eine Untersuchung von Nutzungsintentionen im Anfangsstadium der Innovationsdiffusion. Springer Gabler, 2014. S. 12 [2] Kraftfahrt Bundesamt: Jahresbilanz der Neuzulassungen 2015. URL: http: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ Neuzulassungen/ n_ jahresbilanz.html; jsessionid=BCC06E190532E71055FE06E11AB030A2. live2051? nn=644522, 2016. Aufgerufen: 20.04.2016 [3] Bundesregierung: Mobilität der Zukunft - sauber und kostengünstig. URL: https: / / www.bundesregierung.de/ Webs/ Breg/ DE/ Themen/ Energiewende/ Mobilitaet/ mobilitaet_zukunft/ _node.html, Aufgerufen: 20.06.2016 [4] Kraftfahrtbundesamt, Gesamtfahrzeugbestand jeweils zum 1. Januar des Jahres von 2009 - 2015. URL: http: / / www.kba.de/ DE/ Statistik/ Fahrzeuge/ Bestand/ Umwelt/ umwelt_node.html [5] Ratgeber für Akkus und Ladegräte: Akkuvergleich: Die Energiedichte verschiedener Akkutypen. URL: http: / / patona.de/ ratgeber/ akkuvergleich-die-energiedichte-verschiedener-akkutypen, 03.06.2014. Aufgerufen: 15.05.2016 [6] Dünnes A: Besser als Benzin oder ökologisches Feigenblatt? So sauber ist ein Elektroauto wirklich. URL: http: / / www.focus.de/ auto/ experten/ duennes/ oekobilanz-von-elektroautos-besser-als-benzinoder-oekologisches-feigenblatt-so-sauber-ist-ein-elektroautowirklich_id_4914399.html, 02.09.2015. Aufgerufen: 03.07.2016 [7] Kfztech: Motorleistung und Arbeitsdruck. URL: http: / / www.kfztech. de/ kfztechnik/ motor/ steuerung/ leistung.htm, Aufgerufen: 04.07.2016 [8] Marx P: Wirkungsgradvergleich zwischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und Fahrzeugen mit Elektromotor, 2015. URL: http: / / www.mx-electronic.com/ pdf/ Der-Elektrofachmann-Wirkungsgrad-Vergleich-zwischen-Fahrz.pdf, 62. Jahrgang 2015, Nr. 1-2/ 15. Aufgerufen: 22.04.2016 [9] Energie Südbayern ESB, Erdgas: Kraftsoff mit vielen Vorteilen. URL: https: / / www.esb.de/ fileadmin/ user_upload/ download/ energieeffizienz/ ESB_Flyer_Erdgas_tanken_2013.pdf , S. 3. Aufgerufen; 13.10.2016 [10] Eigene Berechnungen basierend auf Werten des Neuen Europäischen Fahrzyklus und Datenblättern der einzelnen Modelle [11] Umweltbundesamt: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid- Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2015. URL: https: / / www.umweltbundesamt.de/ sites/ default/ files/ medien/ 378/ publikationen/ climate_change_26_2016_entwicklung_ der_spezifischen_kohlendioxid-emissionen_des_deutschen_ strommix.pdf, S. 9. Aufgerufen: 19.10.2016 [12] Verordnung des europäischen Parlaments vom 05.06.2009. Verordnung zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO 2 -Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen, (EG) Nr. 443/ 2009 [13] Wallentowitz H, Freialdenhoven A: Strategien zur Elektrifizierung des Antriebsstranges: Technologien, Märkte und Implikationen. Springer Vieweg+Teubner, Wiesbaden, 2011. S. 43, 143 [14] Blesl M, Bruchof D, Hartmann N, Özdemir D, Fahl U, Eltrop L, Voß A: Entwicklungsstand und Perspektiven der Elektromobilität. Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, 12.2009. URL: http: / / www.zfes.uni-stuttgart.de/ deutsch/ downloads/ Elektromobilit%C3%A4t_Endbericht_IER.pdf, Aufgerufen: 05.06.2016 Modell Golf GTE e-Golf Antriebsstrang 10 275 EUR 11 125 EUR Ladegerät 3080 EUR 3340 EUR Gleichspannungswandler 1030 EUR 1110 EUR Batteriekosten 2610 EUR 7260 EUR Gesamtkosten 16 995 EUR 22 835 EUR Tabelle 3: Gesamtkosten des elektrifizierten Antriebes in Kompaktwagen [10] Modell VW Golf TSI Blue Motion VW Golf TDI Blue Motion VW Golf GTE e-Golf Kraftfahrzeug- Steuern 740 EUR 2380 EUR 310 EUR 280 EUR Wartung 6120 EUR 6720 EUR 7440 EUR 4920 EUR Energiekosten 9631 EUR 7169 EUR 8353 EUR 5162 EUR Versicherung 4170 EUR 4900 EUR 5150 EUR 5070 EUR Betriebs- und Unterhaltskosten 23 096 EUR 23 004 EUR 21 253 EUR 13 506 EUR Tabelle 4: Betriebskostenvergleich der Golf-Modelle [10] Modell VW Golf TSI Blue Motion VW Golf TDI Blue Motion VW Golf GTE e-Golf Antrieb Verbrenner 3.960 EUR 6.917 EUR 3.960 EUR --- Antrieb Elektro --- --- 16.995 EUR 22.835 EUR Restliche Kosten des Fahrzeugs 22.015 EUR 21.683 EUR 15.945 EUR 13.895 EUR Betriebskosten 23.096 EUR 23.004 EUR 21.253 EUR 13.506 EUR Gesamtkosten 49.071 EUR 51.604 EUR 58.153 EUR 50.236 EUR Tabelle 5: Gesamtkostenvergleich der Golf-Modelle [10] Christoph Rusetzki, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Seetransporttechnologie/ Verkehrslogistik, Bereich Seefahrt, Hochschule Wismar christoph.rusetzki@hs-wismar.de Sönke Reise, Prof. Dr. rer. pol. Lehrstuhlinhaber, Seetransporttechnologie/ Verkehrslogistik, Bereich Seefahrt, Hochschule Wismar soenke.reise@hs-wismar.de Alexander Petters, B.Sc. Masterstudent im Studiengang „Umweltingenieurwissenschaften“, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät, Universität Rostock alexander.petters@googlemail.com Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 72 TECHNOLOGIE Reiseplanung Smart Data for Mobility − Wie-Daten unsere Mobilität verändern Datenanalytik, Reisekette, Social Media, Streaming-Dienste, Smart-Data-Technologie, Transportnetzwerk Mit dem Bus zum Bahnhof und mit dem Zug in die nächste Stadt, dann mit dem Mietwagen zum Reiseziel, anschließend mit dem Flugzeug und dem Taxi wieder zurück: Für eine Reise von der Haustür zum endgültigen Ziel sind meist mehrere Transportbzw. Beförderungsmittel nötig. Der Anspruch, eine kontinuierliche Reisekette zu gewährleisten, stellt den Mobilitätssektor jedoch vor diverse Herausforderungen. Smart-Data-Technologien, wie sie das Projekt „SD4M - Smart Data for Mobility“ entwickelt, können zukünftig Mobilitätsdienstleistern beim Optimieren ihrer Prognosen und Planungen helfen und den Reisenden ihren Weg zu erleichtern. Ingo Schwarzer D aten sind im digitalen Zeitalter der Rohstoff für wirtschaftliche Wertschöpfung und in immer größerem Umfang vorhanden: Social Media, Streaming-Dienste sowie die zunehmende Vernetzung im „Internet der Dinge“ tragen zu diesem beispiellosen Wachstum bei. Die Auswertung der dabei anfallenden Daten stellt eine große Herausforderung dar, die mit klassischen Datenanalyse-Systemen kaum zu bewältigen ist. Neue Methoden und Herangehensweisen, die diese Datenmengen auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) nutzbar und damit wirklich wertvoll machen, werden unter dem Begriff „Smart Data“ zusammengefasst. Deutschland hat gute Chancen, in diesem Bereich künftig international eine führende Rolle einzunehmen. Heute steht der Einsatz von Smart-Data-Technologien allerdings noch weitgehend am Anfang und konzentriert sich vor allem auf einige spezifische Bereiche wie Online-Marketing und E-Commerce in größeren Unternehmen und Organisationen. Der Mobilitätssektor im Wandel Auch im Bereich der Mobilität spielen Daten von Transportmitteln und Infrastrukturen sowie deren Vernetzung eine entscheidende Rolle. Denn: Diese Daten können unter anderem zur Vermeidung von Stausituationen oder einer individuelleren Ausrichtung von Mobilitätsmitteln und -lösungen auf den Bedarf unterschiedlicher Nutzer eingesetzt werden. Wo sind Ladestationen für Elektroautos dringend notwendig? In welcher Region besteht ein besonders hoher Bedarf an Carsharing-Angeboten? Zu welcher Zeit werden zusätzliche Kapazitäten im Personennahverkehr benötigt? Fragen, die mithilfe bereits gesammelter Daten der Verkehrsunternehmen oder durch öffentlich zugängliche Informationen aus Foren, Blogs oder den sozialen Medien beantwortet werden könnten. Das Transportsystem als Ganzes betrachten Zu beachten ist zunächst, dass Transportkapazität ein vergängliches Gut ist. Der Sitz im Flugzeug oder in der U-Bahn ist nach einer Leerfahrt für dieselbe Reise nicht wiederverkäuflich. Die Dienstleister streben aus diesem Grund eine optimale Auslastung ihrer Kapazitäten und die effiziente Nutzung ihrer Ressourcen an. Die Nutzung der Mobilitätsangebote schwankt allerdings sehr stark. Diese Schwankungen sind für die Anbieter - ob auf der Straße, auf der Schiene oder in der Luft - nur schwer zu prognostizieren. Eine zusätzliche Herausforderung besteht für den Mobilitätssektor bei kurzfristigen, unerwarteten Ereignissen, die sich auf die zu erbringenden Dienstleistungen auswirken. Staus, Unfälle oder Wettereinbrüche können meist nicht vorhergesehen werden. Eine schnelle Reaktion auf diese Zwischenfälle - und damit die Begrenzung von Schäden - fällt noch schwer. Insgesamt besteht der Mobilitätssektor mit seinen verschiedenen Anbietern aus sehr vielen, für sich arbeitenden Dienstleistern, die nur selten aufeinander abgestimmt sind. Ein typischer Transportweg erstreckt sich jedoch über mehrere Systeme. Deswegen ist es notwendig, die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems, wie einer Großstadt, als Ganzes zu betrachten. Allerdings können die Verkehrsunternehmen oftmals nicht auf externe Daten anderer Anbieter zugreifen, sie daher nicht verarbeiten und für die eigene Optimierung nutzen. Auch öffentlich zugängliche Informationen, beispielsweise aus dem Internet, werden häufig nicht genutzt. Dabei käme es sowohl Anbietern als auch Nutzern des Transportnetzes zugute, wenn aus öffentlichen Daten und Informationen der einzelnen Dienstleister Smart Data generiert werden können. Das sind aus großen, heterogenen Datenmengen gewonnene, aufgearbeitete und nutzbringende Informationen. Aus diesen hochwertigen Daten kann, unter Berücksichtigung der Datensicherheit und des Datenschutzes, Wissen generiert werden, das auch im Bereich der Mobilität zu einer Optimierung von Abläufen beiträgt. Werden diese veredelten Daten zentral gesammelt und für alle Mobilitätsdienstleister eines Transportnetzwerks zugänglich gemacht, können Taktzeiten besser aufeinander abgestimmt und Kapazitäten optimal ausgelastet werden. Eine zentrale Serviceplattform vernetzt Der Entwicklung dieses übergreifenden Datenaustauschs hat sich das Projekt „SD4M - Smart Data for Mobility“, das im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Data - Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 73 Reiseplanung TECHNOLOGIE Innovationen aus Daten“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, angenommen. Das Projekt entwickelt derzeit eine zentrale Serviceplattform für den Mobilitätssektor, die Daten von Mobilitätsanbietern mit weiteren Datenquellen kombiniert. Die Projektteilnehmer experimentieren dabei mit einer Vielzahl von offenen Datenquellen. Große Potenziale liegen etwa in Newsseiten und anderen Nachrichtenquellen, also auch Nachrichtenagenturen wie dpa oder Reuters. Daneben werden Staumeldungen und Baustelleninformationen, offizielle Fahrplan- und Nahverkehrsdaten, Stadt- und Ortskarten, Veranstaltungspläne ebenso wie Tourismusinformationen in die Plattform eingespeist. Im Bereich Social Media kommen Daten aus Foren und Blogs sowie von Twitter oder Facebook hinzu. Eine große Herausforderung ist einerseits die schiere Masse der gesammelten Daten. So wertete SD4M alleine im Jahr 2016 38 Mio. RSS-Meldungen und 38,4 Mio. Tweets aus und kombinierte sie mit Datenbanken mit mehr als 27 000 Städten, 105 000 Straßennamen, 9800 Haltestellen und 26 000 Reiserouten. Diese verschiedenen Datenquellen müssen nicht nur zusammengeführt, sondern auch intelligent verknüpft werden. Insbesondere die Verlinkung zwischen strukturierten und unstrukturierten Daten, also das Herstellen einer semantischen Interoperabilität, ist dabei keine leichte Aufgabe. So gilt es etwa, textliche Ausdrücke in valide Daten zu übersetzen. Was bedeuten zeitliche Formulierungen wie „eben“ oder „gerade“ oder räumliche Angaben wie „kurz vor Tegel“? Die Aufgabe besteht darin, Zeit- und Ortsfaktoren aufzulösen und miteinander zu verbinden. Großer Nutzen für Anbieter und Reisende Entscheidend ist letztendlich die Aufbereitung der Daten für die verschiedenen Interessengruppen und Wertschöpfungsketten, in welche die Prognosen integriert werden sollen. Die Vorteile für die Anbieter liegen dabei auf der Hand, denn durch die Integration von Smart Data können Prozesse optimiert werden. Einen Schwerpunkt stellt die Nutzung der Verkehrssysteme dar; hier kann es erhebliche Verbesserungen geben, sowohl für sämtliche Kundengruppen und Mitarbeiter der Mobilitätsbranche als auch für die Infrastrukturbetreiber. Ein Unternehmen, das den öffentlichen Personennahverkehr betreibt, kann mithilfe der Daten der SD4M-Plattform etwa die Taktzeiten seiner Busse an die Fahrgewohnheiten der Bürger anpassen. Und Taxiunternehmen können frühzeitig feststellen, wann Passagiere aufgrund eines Unwetters auf eine Alternative zum ausfallenden Zug angewiesen sind. So kann dank Smart Data das Transportsystem effizienter und das Reisen leichter gemacht werden. Dadurch profitieren sowohl Anbieter als auch Abnehmer der Mobilitätsangebote. Zudem sollen auf der SD4M-Plattform Prognose- und Optimierungsmodule implementiert werden, mit denen auf die spezifischen Fragestellungen der Projektpartner aus dem Mobilitätsbereich eingegangen wird. Die SD4M-Plattform ist als Zentrum eines Daten-Ökosystems so angelegt, dass sie für Datenanalytik-Dienstleister mittels standardisierter Schnittstellen zugänglich ist. So könnten künftig beispielsweise unabhängige Analyse-Spezialisten ohne eigene historische Datenbestände die Plattform als Integrations- und Datenzuliefersystem für ihre Dienstleistungen nutzen. Die Organisation des Projekts als partnerschaftliches Konsortium zielt vor allem darauf ab, Akzeptanz ebenso wie Kooperation in Wirtschaft und Industrie zu fördern. Als „Ökosystem“ für die kooperative und sichere Nutzung strukturierter und unstrukturierter Daten soll die SD4M-Plattform einerseits Mobilitätsdienstleistern helfen, ihre Prognose, Planung und Auslastung zu optimieren und andererseits Reisenden das Reisen erleichtern. Datenschutz als entscheidender Faktor für den Erfolg Bei allen Vorteilen birgt die Verwendung von Smart Data allerdings nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Gerade die Aspekte Sicherheit und Datenschutz sind bei der umfassenden Nutzung hochwertiger Daten ein ernstzunehmendes Hindernis. So muss bei der Verwendung von Orts- und Bewegungsdaten, die von Privatpersonen generiert werden, sichergestellt sein, dass sich keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen ziehen lassen. Daher ist es besonders wichtig, die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen und eine grundlegende Infrastruktur für den datenschutzkonformen Informationsaustausch zu schaffen, beispielsweise durch die Entwicklung geeigneter Pseudonymisierungs- und Anonymisierungsverfahren. Vor dem Hintergrund des Technologieprogramms „Smart Data - Innovation aus Daten“ wird deutlich, dass der Einsatz von Smart-Data-Lösungen eine enorme Chance für den Standort Deutschland darstellt. Leuchtturmprojekte wie das Projekt SD4M zeigen sowohl die große Vielfalt als auch das Potenzial von Anwendungen und Dienstleistungen, die auf dieser Technologie aufbauen. Ob für Großunternehmen oder kleine und mittelständische Betriebe: Die Einbindung von Smart Data ist grundlegend für den Erfolg der Digitalisierung in Deutschland. ■ Ingo Schwarzer Chief Digitalist bei der DB Systel GmbH und Konsortialführer des Smart-Data-Projekts SD4M ingo.schwarzer@deutschebahn.com www.CCExpo.de EMW Exhibition & Media Wehrstedt GmbH · Hagenbreite 9· 06463 Falkenstein/ Harz· E-Mail: info@ccexpo.de 3. und 4. Mai 2017 in Frankfurt a. M., Messe Frankfurt, Congress Center Schirmherr: Staatsminister Peter Beuth, Hessischer Minister des Innern und für Sport Unabhängige Plattform für sicherheitskritische Information und Kommunikation, professionellen Mobilfunk (PMR) und Leitstellen in allen Bereichen Kritischer Infrastrukturen. Fachmesse namhafter Anbieter Kommunikationskongress 14. Offizieller Leitstellenkongress Fachmesse namhafter Anbieter Kommunikationskongress 14. Offizieller Leitstellenkongress = ICR International Control Rooms Congress Auftakt zur 2. Übungsserie der TEAMWORK Krisensimulation Briefing im einzigartigen OSC Operation & Security Center der Messe Frankfurt Blaulicht-Forum für Nutzer, Anbieter, Technik, Ausbildung Für zuverlässige Information und Kommunikation! Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 74 Digitale Prozesskette von der Planung bis zum Fahrer Moderne Tabletlösung verändert bei AAR bus+bahn den Arbeitsalltag des Fahrpersonals Digitalisierung, Planungssystem, Informationssystem, Fahrdienst, ÖPNV-Workflow Der Megatrend Digitalisierung verändert den öffentlichen Verkehr nachhaltig. In immer mehr Aufgabenbereichen helfen elektronische Komponenten dabei, Abläufe zu verbessern und die Effizienz zu steigern. Das Schweizer Verkehrsunternehmen AAR bus+bahn digitalisiert nun auch die Arbeitsplätze seines Fahrpersonals. Christian Krüger, Marc Schaffert A ls gemeinsame Dachmarke der Wynental- und Suhrentalbahn AG (WSB) und der Busbetrieb Aarau AG (BBA) gewährleistet AAR bus+bahn mit 23 Zügen und 36 Bussen einen zuverlässigen und regelmäßigen öffentlichen Verkehr in der Stadt und in der Region Aarau. Jährlich nutzen rund 14 Millionen Fahrgäste das Angebot. Im September 2016 stattete das Unternehmen seine rund 180 Fahrdienstmitarbeitenden von Bahn und Bus mit neuen Tablets aus. Die Geräte ermöglichen es, den Informationsfluss zwischen Fahrpersonal und Disposition spürbar zu beschleunigen. Aufgrund ihrer Erfahrung mit dem Planungssystem IVU.plan von der IVU Traffic Technologies AG entschieden sich die Verantwortlichen, die gute Zusammenarbeit fortzusetzen und das IVU.pad auszurollen. Analoge Prozesse ersetzen Während Planer und Disponenten bereits seit langem überwiegend mithilfe von Software Dienst- und Umlaufpläne erstellen, Fahrzeuge einsetzen und Dienste verteilen, haben sich die Prozesse im Fahrdienst in den vergangenen Jahrzehnten wenig verändert. Noch immer bestimmen in vielen Verkehrsunternehmen weitgehend analoge Abläufe den Arbeitsalltag der Fahrerinnen und Fahrer. Auch bei AAR bus+bahn wurden Informationen bislang meist noch auf Papier ausgetauscht. Vom Dienst- oder Urlaubsplan über betriebliche Dokumente, Krankmeldungen oder Anträge für freie Tage - nichts ging ohne Aushang oder Formular. Dienstanweisungen, Schulungsunterlagen und Vieles mehr lagen ebenfalls oft ausschließlich in gedruckter Form vor. Diese Arbeitsweise kostet Verkehrsunternehmen nicht nur viel Papier, sondern auch Zeit. Denn selbst kurzfristige Änderungen von Diensten und Fahrten können Bild: Niklaus Spoerri TECHNOLOGIE Verkehrsunternehmen Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 75 Verkehrsunternehmen TECHNOLOGIE nur mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf oder mündlich durchgegeben werden. Zudem fehlt ein Rückkanal: Die Disponenten erfahren oft nicht, ob ein Fahrer wichtige Informationen erhalten und gelesen hat. Die zahlreichen manuellen Schnittstellen verlangsamen Prozesse zusätzlich. Wenn beispielsweise Fahrer spontan frei nehmen wollen oder Dienste tauschen möchten, müssen sie das in ein Formular eintragen, der Disposition übergeben und anschließend einige Tage warten, bevor sie erfahren, ob ihr Wunsch erfüllt werden konnte. Darunter leidet auch die Datenhaltung der Verkehrsunternehmen. Oft liegen Informationen mehrfach redundant vor, etwa jeweils einmal in der Disposition, der Personalabteilung und der Lohnbuchhaltung. Die Folge sind zusätzliche Fehlerquellen und hoher Aufwand für den Datenabgleich. AAR bus+bahn zog daher im vergangenen Jahr die Konsequenzen. Die neuen Tablets sollen das Fahrpersonal vollständig in den bereits bestehenden Workflow integrieren, so dass künftig alle wichtigen Aufgaben auf digitalem Wege erledigt werden können. Vom Konzept in die Praxis Als Pilotkunde für das damals noch neue IVU.pad konnte AAR bus+bahn wesentlich auf die Entwicklung der Software Einfluss nehmen. Um die App möglichst früh in der Praxis einzusetzen, vereinbarten AAR bus+bahn und IVU eine iterative Entwicklung. Die App startete daher zunächst in einer Basisversion und wurde schrittweise erweitert. Das Verkehrsunternehmen legte dabei besonders Wert darauf, Funktionen von Beginn an produktiv und fehlerfrei nutzen zu können. Rund sechs Monate nach Projektstart, in denen die Software den Anforderungen entsprechend vorkonfiguriert wurde, erhielten die Fahrdienstleistenden die erste Version der App. Sie enthielt bereits wesentliche Grundfunktionen wie die Möglichkeit, auf das Mitarbeiterportal zuzugreifen, den persönlichen Dienstplan und Kontostände abzurufen sowie sich eine Dienst- und Abwesenheitsübersicht anzeigen zu lassen. Das Fahrpersonal kann den Empfang von Dokumenten quittieren und der Disposition so mitteilen, dass wichtige Informationen gelesen wurden (Bild 1). Eine Feedback-Funktion erlaubt es den Mitarbeitern zudem, ihre Erfahrungen mit der Bedienung und den Funktionen des Tablets unkompliziert an die Projektverantwortlichen zu senden. In der folgenden Projektphase, die ab März 2017 ausgerollt wird, ergänzen die Entwickler die Anwendung um einen Dienstfahrplan für die Mitarbeitenden der Bahn (Bild 2). Das Fahrpersonal bekommt damit die wichtigsten Informationen zu seinem Dienst direkt auf das Tablet. Zudem wird auch das Mitarbeiterportal mit der zweiten Version offline-fähig (Bild 3). Fahrdienstleistende können dann auch unterwegs die Dienstmitteilungen der Disposition einsehen und Nachrichten verfassen. Ab August 2017 erhält das Fahrpersonal von AAR bus+bahn schließlich ein eLearning-Modul sowie dynamische Formulare. Dazu zählt etwa auch die Möglichkeit, Fahrzeugschäden mit Unterstützung des Geräts zu dokumentieren. Eine interaktive Checkliste vereinfacht beispielsweise die Schadensaufnahme und hilft dabei, in Stresssituationen nichts zu vergessen. Auch offline mobil Besonders wichtig im Fahrbetrieb ist die Fähigkeit, alle Dokumente auch offline vorzuhalten und abzulegen. Das IVU.pad ermöglicht es daher Fahrerinnen und Fahrern seit der ersten Version zu jeder Zeit - auch bei fehlendem oder schwachem Empfang - auf die hinterlegten Informationen zuzugreifen. Auf diese Weise schafft das System die Voraussetzung für den papierlosen Führerstand. Damit Dokumente jederzeit zur Verfügung stehen, überträgt die Software alle Daten beim Abruf vollständig auf das Tablet. Formulare, wie etwa zur Schadenserfassung, funktionieren auch dann, wenn kein Kontakt zum Server möglich ist. Alle Eingaben werden so lange auf dem Gerät gespeichert, bis die Verbindung wiederhergestellt wurde, und dann automatisch mit dem Hintergrundsystem synchronisiert. Das hat nicht nur im Hinblick auf die Nutzbarkeit und Verlässlichkeit Vorteile. Die umfassende Offline-Fähigkeit ermöglicht es auch, preisgünstigere Hardware anzuschaffen. AAR bus+bahn verzichtete etwa auf teurere mobilfunkfähige Tablets und die dafür notwendigen Tarife. Stattdessen setzt das Unternehmen auf Geräte, die lediglich mit WLAN ausgestattet sind. Synchronisiert wird dann im Betriebshof oder an bestimmten Punkten auf der Route. Offene Plattform Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung war, hinsichtlich des eingesetzten Planungssystems Flexibilität zu wahren. Obgleich AAR bus+bahn bereits die Lösung der IVU verwendet, ist das IVU.pad nicht darauf an- Bild 2: Der Dienstfahrplan enthält einen Tag-/ Nacht-Modus, damit das Display das Fahrpersonal bei dunkler Umgebung nicht blendet. Bild 1: Bereits in der ersten Version des Tablets enthalten: Fahrer können Dokumente per Lesebestätigung quittieren. Alle Screenshots: IVU Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 76 TECHNOLOGIE Verkehrsunternehmen gewiesen. Dafür sorgt ein eigenständiges Hintergrundsystem, das zwischen Planung und Tablet steht. Es erhält die Daten über standardisierte Schnittstellen aus der Planungsumgebung, bereitet sie auf und gibt sie dann an die App weiter. Das garantiert Unabhängigkeit und erleichtert die Systemkonfiguration. Eine Administrationsoberfläche erlaubt es der Disposition, Informationen im Hintergrundsystem zu hinterlegen und zu bearbeiten (Bild 4). Sie kann dabei flexibel entscheiden, ob Dokumente und Nachrichten allen Fahrdienstmitarbeitenden, einer Gruppe - etwa Lokführer oder Busfahrer - oder einem einzelnen Mitarbeitenden zugestellt werden sollen. Die Kriterien lassen sich frei festlegen. Auf diese Weise kann die Disposition gezielt den Informationsfluss steuern und hat stets den Überblick, wer worüber informiert ist - ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zum alten Anschlagbrett. Auch die Wahl von HTML5, dem gängigen Programmierstandard für Webseiten, als technische Basis für die Benutzeroberfläche trägt zur Offenheit und Flexibilität der Lösung bei. Die App bleibt dadurch weitgehend unabhängig von plattformspezifischen Besonderheiten. Neue Funktionen lassen sich zudem schnell auf allen Systemen umsetzen. Ein responsives Design sorgt dafür, dass das System auch in unterschiedlichen Auflösungen funktioniert. Das erlaubt es Verkehrsunternehmen, Tablets nach eigenen Anforderungen zu beschaffen. AAR bus+bahn entschied sich für iPads von Apple, doch eignen sich Android-Geräte ebenso für den Einsatz. Einfach muss es sein Die enge Zusammenarbeit zwischen AAR bus+bahn und der IVU gewährleistet, dass das System die Anforderungen von Unternehmen und Fahrpersonal praxisgerecht abbildet. Als Pilotkunde hat das Schweizer Verkehrsunternehmen die Chance genutzt, seine Erfahrungen in die Entwicklung der Software einfließen zu lassen. Zahlreiche Detailverbesserungen in der Funktionalität gingen auf die Anmerkungen der Fahrerinnen und Fahrer zurück und stehen künftig allen Anwendern des IVU.pads zur Verfügung. Dem Fahrpersonal von AAR bus+bahn ist auch eine zentrale Erkenntnis des Implementierungsprojekts zu verdanken: Die analogen Methoden haben sich über Jahrzehnte bewährt. Um sie erfolgreich abzulösen, müssen die neuen Prozesse ebenso einfach und zuverlässig funktionieren wie die alten. Die Aufmerksamkeit der IVU-Entwickler liegt daher besonders auf intuitiven Benutzeroberflächen und nachvollziehbaren Arbeitsabläufen, die es den Anwendern erleichtern, ihre Aufgaben zu erfüllen (Bild 5). Dadurch konnte AAR bus+bahn komplett auf Schulungen verzichten. Nach einer kurzen Einführung bei der Übergabe der Tablets verwendeten die Fahrdienstleistenden das System bereits nach kürzester Zeit produktiv im betrieblichen Alltag. Mit dem IVU.pad legt AAR bus+bahn den Grundstein für eine vollständige Digitalisierung seiner Prozesskette von der Planung bis zum Fahrpersonal. Bereits zu Beginn der zweiten Phase zeigt sich eine breite Nutzerakzeptanz für die neue Software. Die einfache Handhabung und der praktische Mehrwert für den gesamten Betrieb helfen dabei, manuelle Abläufe nach und nach abzulösen. Diese Vorteile kommen an: Inzwischen haben sich auch weitere Verkehrsunternehmen, etwa die Karlsruher Albtal-Verkehrs- Gesellschaft (AVG), für die App der IVU entschieden. ■ Christian Krüger Projektingenieur IVU.pad, IVU Traffic Technologies AG, Berlin (DE) christian.krueger@ivu.de Marc Schaffert Niederlassungsleiter Schweiz, IVU Traffic Technologies AG, Basel (CH) marc.schaffert@ivu.de Bild 3: Mit dem offlinefähigen Mitarbeiterportal können Fahrerinnen und Fahrer auch unterwegs ihre Dienste einsehen. Bild 4: In der Administrationsoberfläche verwaltet die Disposition Dokumente und Mitteilungen. Bild 5: Der Startbildschirm in der aktuellen Version: Alle wichtigen Funktionen sind leicht zu erreichen. Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 77 Vernetzung und IT-Sicherheit als zentrale Herausforderungen Das Internet der Dinge (IoT) könnte die technologische Entwicklung in der Luftfahrt schon bald rasant verändern. Auch deutsche Unternehmen wie der Augsburger Embedded Computing-Hersteller Kontron sehen ihre Rolle im datengetriebenen Verkehrswesen von morgen. Ein Gespräch mit Andy Mason, Vice-President Systems & Program Manager für die Bereiche Aviation, Transportation und Defense bei Kontron, im Vorfeld der Aircraft Interiors Expo (AIX). Herr Mason, wie hat sich das IoT-Verständnis Ihres Unternehmens in den letzten Jahren entwickelt - und welche Branchen adressieren Sie besonders? Kontron ist schon seit Jahren ein kompetenter Akteur, wenn es um die Entwicklung von Produkten für das Internet der Dinge geht. Einen speziellen Branchenfokus verfolgen wir dabei per se nicht, denn wir sind davon überzeugt, dass die fortschreitende Vernetzung die industrielle und wirtschaftliche Zukunft insgesamt bestimmen wird. Wir bieten unseren Kunden das technologische Grundgerüst, um von den Chancen der Digitalisierung im Allgemeinen profitieren zu können. Eine herausragende Rolle spielt dabei die Möglichkeit, eine Vielzahl von Rechnern und Sensoren untereinander zu vernetzen. All unsere Geräte sind deshalb so abgestimmt, dass sie mühelos in einem großen Rechnerverbund agieren und mit Daten aus den unterschiedlichsten Quellen umgehen können. Das erleichtert die Datensammlung, Analyse und Visualisierung ungemein. Unsere grundlegende IoT-Strategie ist es also, Produkte zu entwickeln, die in den unterschiedlichsten Anwendungsszenarien erfolgsbringend eingesetzt werden können. Gerade deshalb spielt die Vernetzung in der Industrie - Stichwort „Smart Factory“ und „Industrie 4.0“ - und im Transportgewerbe derzeit aufgrund der mannigfaltigen Chancen in diesen Bereichen natürlich eine gewaltige Rolle. Welche Trends sehen Sie im Bereich Aviation? Die Integration von Sensoren in weitere, davon bisher unberührte Bereiche wird sich fortsetzen. Einen starken Fokus legen wir deshalb auf die drahtlose Vernetzung des kompletten Flugzeugs, denn das vereinfacht den Datenaustausch enorm. In Passagierflugzeugen kann man per Sensoren beispielsweise bequem den Zustand der Rettungswesten überwachen oder innovative In-Flight-Entertainment-Lösungen realisieren. Auch abseits der Kabine sehen wir zahlreiche gewinnbringende Anwendungsfälle für die Einbindung sensorgestützter Applikationen. Der Be- und Entladevorgang im Frachtverkehr ist ein solches Beispiel. Verbindet sich ein Flugzeug etwa drahtlos mit dem Frachtterminal, kann die Erfassung der verladenen Güter per Sensor-Abgleich vollständig automatisch erfolgen. Das geht natürlich viel schneller als der manuelle Scan jedes einzelnen Stücks durch einen Mitarbeiter. Auch die Echtzeit-Erfassung von Frachtdaten während des Fluges ist eine IoT-Anwendung, die uns derzeit beschäftigt. Um die optimale, drahtlose Vernetzung im Passagier- und Frachtraum zu gewährleisten, befinden wir uns in enger Abstimmung mit den Flugzeug-Herstellern. Denn nur eine stets zuverlässige und sichere Verbindung ermöglicht, das volle Potential des sensorgestützten Datenabgleichs im Transportwesen vollständig auszuschöpfen. Foto: pixabay.de Andy Mason ist Vice President Systems & Program Manager für die Bereiche Aviation, Transportation und Defense bei Kontron ZUR PERSON Die digitale Zukunft über-den-Wolken Interview TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 78 TECHNOLOGIE Standpunkt Die technischen Möglichkeiten sind also vorhanden? Wir sind hier bereits sehr gut aufgestellt. Als führender Anbieter bei der Vernetzung von Passagierkabinen mit dem neuen Wifi-Standard 802.11ac verfügen wir über große Erfahrung in diesem Bereich. Außerdem unterstützen unsere Produkte den 4G/ LTE-Mobilfunkstandard das ist alles andere als selbstverständlich. Für die Verbindung mit bis zu 10 000 Sensoren pro Flugzeug prüfen wir gerade energiesparende Drahtlos-Verbindungen - und auch viele andere Anwendungen könnten in Zukunft von diesem Ansatz profitieren. Connectivity scheint in der kommerziellen Luftfahrt generell ein großes Thema zu sein. Wie sind Sie in diesem Bereich aufgestellt? Die Vernetzung an Bord spielt für uns eine ganz zentrale Rolle, das dafür notwendige Hardware-Portfolio bauen wir kontinuierlich aus und entwickeln unser Angebot weiter. Unsere Cab-n-Connect Wireless Access Points sind gute Beispiele dafür, unser ACE Flight Airborne Server ebenso. Beide Serien unterstützen zum Beispiel eine ganze Reihe innovativer, drahtloser In-Flight Entertainment- Systeme. Passagiere können damit das Entertainment-Angebot an Bord bequem auf ihrem eigenen Gerät genießen, die Inhalte werden dafür einfach auf das mobile Endgerät gestreamt. Einen großen Anteil an der Einführung dieser neuen Features haben unsere Kunden. Mit ihnen arbeiten wir im Entwicklungsprozess sehr eng zusammen und stimmen die Systeme dementsprechend genau auf ihre jeweiligen Anforderungen ab. Lufthansa Systems ist so ein Beispiel. Die deutsche Airline war einer der ersten Anbieter überhaupt, der drahtloses In-Flight-Entertainment auf Basis unserer Hardware angeboten hat. Mittlerweile verfügen wir über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Entwicklung solcher Systeme, was natürlich auch unseren neuen Kunden zu Gute kommt. Gerade Low-Cost-Airlines in Europa setzen derzeit auf tragbare Wifi-Boxen, um ohne großen Aufwand WLAN und Internet an Board nachzurüsten. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass eine gewisse Nachfrage für solche tragbaren Systeme besteht. Wir glauben aber, dass fest integrierte Systeme mit entsprechender Sicherheitszertifizierung und regelmäßigen Wartungsintervallen die besseren Lösungen sind. Insbesondere Sicherheitsbedenken im Bezug auf die für den Betrieb dieser Systeme notwendigen Batterien bereiten uns Sorgen. Was wir uns in Zukunft aber vorstellen können, ist die Entwicklung einer tragbaren Lösung zur Nachrüstung sicherheitsrelevanter Systeme und Netzwerke an Bord. Ist die Entwicklung von In-Flight-Entertainment-Endgeräten wie zum Beispiel Displays für Kontron ein Thema? Technisch ist die Entwicklung solcher Systeme nicht weiter problematisch. Die notwendigen Zertifizierungsprozesse, bis die Geräte dann schlussendlich verbaut werden dürfen, sind allerdings sehr aufwändig und damit für uns nicht zielführend. Kontron wird sich weiterhin auf die Vernetzung im Flugzeug konzentrieren, darin liegt unsere Kernkompetenz und dort sehen wir das größte Potential. Was wir in Zukunft aber weiter ausbauen werden, ist die Weiterentwicklung bestehender Produkte zur Überwachung sicherheitskritischer Systeme aus anderen Bereichen, etwa aus dem Schienenverkehr oder der Verteidigungsindustrie. Viele unserer Produkte in diesen Bereichen lassen sich auch in der Luftfahrt produktiv einsetzen. ■ Cab-n-Connect Wireless Access Points unterstützen verschiedene drahtlose In-Flight Entertainment-Systeme: Das Entertainment- Angebot an Bord wird direkt auf die mobilen Endgeräte der Passagiere gestreamt. Bild: Kontron Bitte mehr Zuversicht! Man mag es schon bald nicht mehr hören: Begriffe wie Disruption (engl.: Auseinanderreißen, Zerbrechen), Transformation und Sharing Economy - alles am besten gleich 4.0 - begleiten einen Hype, der einerseits mit großen Erwartungen, andererseits oft mit erheblichen Befürchtungen einhergeht. - Ein Zwischenruf von Detlef Frank, Mitglied des Beirats der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik. V or allem mit der fortschreitenden elektronischen Aufrüstung der Autos geht die Angst um, dass die Fahrzeuge rollende Computer werden und alles andere Nebensache werden wird. Genau das Gegenteil ist aber der Fall. Auch in Zukunft entscheidet nicht die Software von Google, Apple oder anderen, ob ein Auto sicher auf der Straße bleibt. Es sind - wie vor 125 Jahren - vier postkartengroße Felder, nämlich die Kontaktstellen zwischen Reifen und Fahrbahn, die die Fahrsicherheit garantieren müssen. Und diese mechanischen Eigenschaften müssen in Zukunft eher noch besser werden. Wie sonst soll ein Fahrzeug ein automatisiertes Lenk- und Bremsmanöver, das ein normaler Fahrer nicht bewältigen könnte, überhaupt durchführen, wenn nicht Fahrwerk, Reifen und Bremsen die elektronischen Befehle in die gewünschten Fahrzeugbewegungen umsetzen könnten? Die Physik der Fahrdynamik ist die gleiche wie bisher. Die Digitalisierung macht also keine der bisherigen, bewährten Fahrzeugei- Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 79 Standpunkt TECHNOLOGIE genschaften überflüssig. Das durchschnittliche Familienauto wird auch in Zukunft ein Gefäß sein, das vier bis fünf Personen sicher und komfortabel von A nach B bringt und alles kann, was wir heute von ihm verlangen. Was die neuen Technologien mitbringen, kommt im wesentlichen zusätzlich in das Auto oder um das Auto herum. Es gibt guten Grund zu der Annahme, dass ein erfahrener Fahrzeughersteller leichter die Digitalisierung bewältigt, als dass ein Elektronik- und Softwarekonzern ohne fremde Hilfe ein gebrauchstüchtiges Auto baut. Große Skepsis ist in der öffentlichen Wahrnehmung auch zu erkennen wegen der erweiterten Angebote im Mobilitätsbereich, die möglicherweise von den traditionellen Herstellern nicht in ihr Geschäft aufgenommen werden könnten. Hier aber lohnt sich ein Blick in die Geschichte. Die Autoindustrie hat es immer verstanden, auf Nachfrage aus dem Markt und auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Hilfreich ist dabei der Blick auf eine Grafik aus dem Jahre 1990 (! ) zum Thema „Geschäftsfelder von Fahrzeugherstellern“. Hätte man beispielsweise einem Auto-Besitzer um 1930 gesagt, dass in Zukunft sein Auto in einer Autowerkstatt gewartet, von einer Maschine gewaschen und durch den Hersteller finanziert würde, wäre vermutlich die Antwort gewesen: „Um mein Auto kümmert sich mein Chauffeur, der gerade einen zweiwöchigen Kurs bei Daimler- Benz in Stuttgart absolviert hat, mein Gärtner wäscht den Wagen und das Geld zur Anschaffung habe ich selbstverständlich angespart! “ Bleiben wir beim Beispiel der Finanzierung: Als nach dem zweiten Weltkrieg auch immer mehr Privatkunden ihre Fahrzeuganschaffung durch Kredite finanzierten, hatte man keinesfalls die Befürchtung, dass nun die Banken das Autogeschäft übernehmen würden. Die Fahrzeughersteller haben ihre eigenen Banken aufgebaut, einige liefern als Service auch gleichzeitig die Versicherung (VVD = VolkswagenVersicherungsDienst) und erwirtschaften damit heute einen erheblichen Anteil ihres Ertrages. Fazit: Transformation war immer, nur war der Begriff noch nicht von Beraterfirmen oder Soziologen erfunden worden! Ein vergleichbarer Vorgang heute ist unter anderem die Akquisition des Navigationskarten-Herstellers HERE durch mehrere große deutsche Fahrzeughersteller. Nun kann man berechtigt einwenden, dass die Veränderungen der Vergangenheit über einen sehr langen Zeitraum abliefen, heute jedoch alles viel schneller geht. Stimmt. Aber dafür haben wir auch heute viel schnellere und effizientere Werkzeuge. Brauchte um 1930 ein Brief vom Absender zum Empfänger noch zwei bis fünf Tage, verschicken wir heute elektronische Dokumente im Millisekunden-Tempo. Konstruierte man bis in die 1960er Jahre noch mit Tusche auf Transparentpapier, arbeiten wir heute mit CAD. Wir verschicken keine voluminösen Zeichnungsrollen an unsere Zulieferer, sondern arbeiten mit ihnen auf einer gemeinsamen elektronischen Plattform. Es gibt nur einen einzigen Bereich, der in diesem Zusammenhang deutlich erhöhte Zuwendung braucht, nämlich die Antriebsentwicklung und -produktion. Wenn der Verbrennungsmotor und sein Getriebe durch einen Elektromotor ersetzt werden, dann muss man eben den Elektromotor, die erforderliche Elektronik und die Batterie selbst herstellen. Derartige Veränderungen hat es auch immer gegeben, wenn auch in kleinerem Maßstab. Die Ablösung von Vergaser und mechanischer Zündung durch elektrische Motorsteuerung und Einspritzung hat auch keinen Vergaserhersteller zur Aufgabe seines Geschäfts getrieben, wenn er denn bereit zur Veränderung war. Doch zurück zum Elektro-Antrieb. Bis das Elektroauto zum Standard im Massenmarkt wird, werden sicher noch zehn Jahre vergehen. Das sind etwa eineinhalb Modellgenerationen! Bei einer angenommenen Mitarbeiter-Fluktuation von nur 2,5 % pro Jahr durch Pensionierung werden allein dadurch in den nächsten 10 Jahren 25 % neue Mitarbeiter einzustellen sein, und die müssen dann die entsprechenden Kompetenzen mitbringen. Sicher nicht einfach, aber auch nicht aussichtslos. Man möchte den Entscheidern in der Fahrzeugindustrie gern zurufen: Nicht vor permanent wiederholten Modebegriffen einknicken, sondern - wie in der Vergangenheit - zügig und selbstbewusst die notwendigen Arbeiten anpacken! Dann bringt die Zukunft wirklich zusätzliche Marktchancen. ■ Dipl.-Ing. Detlef Frank Gemeinschaftsstr. 13, 85435 Erding frankde@t-online.de Bild 1: Geschäftsfelder von Fahrzeugherstellern - Vergangenheit und Ziele für die Zukunft. Qualitative Abschätzungen aus dem Jahr 1990 Jahr Fahrzeugherstellung Fahrzeug, Aufbau, Ausstattung Wettbewerb: Einzelfertigungen, Karosseriebauer, Zubehörfirmen 100% Fahrzeugbetrieb Pflege, Service, Reparatur Ersatzteile, Recycling Wettbewerb: Eigentümer, freie Werkstatt, Teileaufbereitungsfirmen Verkehrssysteme Verkehrslenkung, -info, Straßenbau und -betrieb Wettbewerb: Behörden, Medien, Banken, Bau- und Investmentgesellschaften Wirtschaftsdienste Finanzierung, Leasing, Reiseorganisation, Versicherung Wettbewerb: Banken, Reiseveranstalter, Versicherungsgesellschaften Nichtmotorisierte t ä t i l i b o M Telekommunikation, Entertainment, Simulatorangebote Wettbewerb: Post (heute Telekom), Spielhallen, Fahrschulen, Abenteuer-Anbieter 1930 1960 1990 2020 2050 FORUM Medien Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 80 Straßenverkehrsrecht Hentschel / König / Dauer 44. Auflage, 2017 2086 S., Leinen EUR 135,00 (D) ISBN 978-3-406-69610-7 Hentschel / König / Dauer ist das Standardwerk im Verkehrsrecht und der ideale Erstzugriff für die Bearbeitung von zivilrechtlichen, strafrechtlichen oder bußgeldrechtlichen Sachverhalten. Die 44. Auflage befindet sich hinsichtlich Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur auf dem Stand Herbst 2016. Beispielhaft sind Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) durch das Gesetz vom 28. November 2014 berücksichtigt. Unter anderem geht es dabei um Modifikationen des Registerrechts, durch die sichergestellt werden soll, dass den Fahrerlaubnisbehörden für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die hierfür erforderlichen Daten dauerhaft zur Verfügung stehen. Geändert wurden außerdem § 2 StVG durch das Gesetz vom 2. März 2015 sowie zuletzt § 32 StVG durch das Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen. Behandelt wird auch die Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) durch die 50. Straßenverkehrsrechts-Änderungsverordnung (StVR-ÄndVO). Dabei geht es um die Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge. Daneben ist die Änderung von mehr als 20 Paragrafen und 7 Anlagen der Fahrerlaubnis-Verordnung durch die 1. und 2. FeV- ÄndVOen der Straßenverkehrs-Zulassungs- Verordnung enthalten, außerdem die Änderungen der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) durch die 2. FZV-ÄndVO, unter anderem mit neuen Regeln für das Kurzzeitkennzeichen. Ferner ist die Erläuterung des am 5. Juni 2015 in Kraft getretenen Elektromobilitätsgesetzes - EmoG mit Regelungen zur bevorrechtigten Teilnahme elektrisch betriebener Fahrzeuge am Straßenverkehr hinzugefügt. Die Kommentierungen zu den Themen „Schulung in Erste Hilfe“(§§ 19, 68 FeV), rote Kennzeichen, Kurzzeitkennzeichen (§§ 16, 16 a FZV), und „Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs“ (§ 31a StVZO) sind überarbeitet und mit neuen Randnummern versehen. Nicht berücksichtigt werden konnte die Erste Verordnung zur Änderung der StVO. Diese schafft insbesondere Erleichterungen bei der Anordnung von Tempo-30-Zonen sowie Änderungen bei der Benutzung von Radwegen. Allerdings wird auf die Änderungen (§§ 2, 11, 39, 45 StVO) bereits in Fußnoten an entsprechender Stelle hingewiesen. Auch ist die beabsichtigte Neufassung bereits abgedruckt. Exemplarisch ist auf § 81a StPO hinzuweisen. Während früher vertreten wurde, es liege bei der Feststellung der BAK im Rahmen von Trunkenheitsfahrten stets Gefahr in Verzug vor, wird nun darauf hingewiesen, dass sich dieser Standpunkt in der Rechtsprechung nicht durchsetzen konnte. Dabei werden sogar die bei der Abwägung anzuführenden Gründe genannt. Insoweit ist jedoch auf den Regierungsentwurf vom 21. Dezember 2016 hinzuweisen. Darin wird ein Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung angekündigt. Im Strafverfahrensrecht soll für bestimmte Straßenverkehrsdelikte eine Ausnahme von der vorrangigen richterlichen Anordnungskompetenz für die Entnahme von Blutproben geschaffen und die Anordnungskompetenz insoweit auf Staatsanwaltschaft und Polizei übertragen werden. Die Kommentierung folgt in der Regel der herrschenden Rechtsprechung. Bei Abweichungen findet sich jedoch ein deutlicher Hinweis. Inhaltlich ist der Kommentar tadellos. Sämtliche Ausführungen sind detailliert, wobei sogar exotische Konstellationen Erwähnung gefunden haben. Neben den Rechtsänderungen wurden aktuelle Rechtsprechung und Literatur zu allen im Kommentar behandelten Rechtsgebieten berücksichtigt. Aufgrund der ausführlichen und umfangreichen Bearbeitung ist ein zusätzliches Lehrbuch oft nicht mehr erforderlich. Die Gliederung der Kommentierung in allgemeine Erläuterungen sowie nachfolgend spezielle Informationen zum Bußgeldrecht, Strafrecht und/ oder Zivilrecht und ggf. noch zu Prozess- oder Kostenfragen ist sinnvoll und ermöglicht eine effektive Nachschau. Neuerungen werden in die bestehende Kommentierung passend eingefügt. Wichtige Stichworte sind fett gedruckt. Dadurch ist ein langes Suchen nicht erforderlich. Die Fundstellen sind in den Fließtext eingefügt. Vergeblich sucht man nach einem Online-Zugriff des Werks. Ebenso sind „moderne“ Beigaben wie Hinweise, Praxistipps, Tenorierungsvorschläge, Schaubilder oder Muster nicht enthalten. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass diese Kommentierung hervorragend für Praktiker wie für Studierende geeignet ist. Arta Rama, Rechtsanwältin Kanzlei Mingers & Kreuzer, Köln info@mingers-kreuzer.de Autonomes Fahren Oppermann / Stender-Vorwachs 2017, 349 S., Kartoniert EUR 59,00 (D) ISBN 978-3-406-70266-2 Die Entwicklung des Autonomen Fahrens, das sogenannte teleoperierte Fahren und auch die schon jetzt eingesetzten Fahrerassistenzsysteme werfen eine Vielzahl neuer juristischer Probleme auf, die nahezu jedes Rechtsgebiet tangieren. Dieser von zwölf Autorinnen und Autoren verfasste Sammelband verschafft einen systematischen Überblick über alle rechtlichen Implikationen. In einer Einführung werden die Grundlagen der Technik und Funktionsweise selbstfahrender Fahrzeuge gut verständlich erläutert. Der Inhalt reicht von strafrechtlichen Aspekten der Fahrlässigkeitshaftung im Kontext des Autonomen Fahrens über Schadensersatzpflicht von Halter und Fahrer, Produkt- und Produzentenhaftung bis hin zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen. Das Werk bietet einen aktuellen Gesamtüberblick über die heterogenen Rechtsbereiche und eine gut verständliche Einführung in die technischen Grundlagen und orientiert sich dabei an den Fragestellungen der Praxis. Es wendet sich an Versicherungen, Rechtsabteilungen der Automobilhersteller, Bedienstete in Ministerialverwaltung und Gesetzgebung, Verbände und die Wissenschaft. ae Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 81 Erscheint im 69. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag TRIALOG: PUBLISHERS Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Marschnerstr. 87, D-81245 München Tel. +49 89 889518.71 Fax +49 89 889518.75 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 89 889518.72 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 89 889518.73 eberhard.buhl@trialog.de | iv-redaktion@t-online.de Anzeigen Hellfried Zippan Tel. +49 89 889518.74 Fax +49 89 889518.75 hellfried.zippan@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 54 vom 01.01.2017. Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 889518.76 Fax +49 89 889518.75 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr plus International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren Abonnement-Paket Inland: EUR 193,00 (zzgl. MWSt.) Abonnement-Paket Ausland: EUR 215,00 Einzelheft: EUR 50,00 (inkl. MWSt.) Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print und E-Paper sowie den Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Grafik und Druck GmbH, München Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Techniker im Server-Raum Foto: Clipdealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. TRIALOG: PUBLISHERS Verlagsgesellschaft München ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Mobilität und Logistik, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Jürgen Peters Dr., Geschäftsführer Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin Christian Piehler Dr.-Ing., Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Associate Partner, Oliver Wyman, Berlin Ottmar Gast Dr., Sprecher der Geschäftsführung der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Präsident der DVWG und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Jürgen Siegmann Prof. Dr.-Ing. habil., Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, TU Berlin Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Martin Hauschild Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Verkehr und Umfeld; Leiter Verkehrstechnik & Verkehrsmanagement BMW Group, München Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Hamburg, und Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 82 Liebe Leserinnen und Leser, wie schon in der vorliegenden Ausgabe werden sich in diesem Jahr zahlreiche Beiträge von Internationales Verkehrswesen mit den hoch aktuellen Themen Digitalisierung, Automatisierung und Sicherheit beschäftigen. Denn der Druck auf Anbieter und Anwender scheint zu wachsen: Noch effizienter, umweltschonender und wirtschaftlicher sollen Mobilitätslösungen für morgen sein. In diesem Heft haben wir den Fokus auf Strategien zum Mobilitätswandel, auf Businessmodelle und das Nutzerverhalten gelegt. In der nächsten Ausgabe von Internationales Verkehrswesen werden wir uns stärker mit der Frage beschäftigen, wie sich Transportströme steuern und verfügbare (Infra-)Strukturen effizienter nutzen lassen. Dabei werden wir den Blick vor allem auf den Warentransport richten. Unsere Autoren betrachten Verlagerungspotenziale, Herausforderungen und Chancen des Schienengüterverkehrs bis hin zum autonomen Fahren. Themen werden auch Air-Cargo- Transportketten sowie das Elektrifizierungspotenzial auf der Straße und der Einfluss von Lang-LKW auf den Wirtschaftsverkehr sein - der ruhende Verkehr, das Parken, soll ebenfalls eine Rolle spielen. Seien Sie also gespannt: Internationales Verkehrswesen 2/ 2017 wird am 27. April 2017 erscheinen - und Ihnen hoffentlich wieder erkenntnisreiche Lektüre sein. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 03.-04.03.2017 Berlin (DE) Gleisbau 2017 Veranstalter: Bildungswerk VDV, Fachgruppe Gleisbau www.bw-vdv.de/ 14.-16.03.2017 Freiburg (DE) 8. ÖPNV Innovationskongress Veranstalter: Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg Kontakt: Helmut Hakius, Tel. +49 711 231-5723, helmut.hakius@vm.bwl.de www.innovationskongress-bw.de 14.-16.03.2017 Amsterdam (NL) Passenger Terminal Conference & EXPO 2017 Internationale Ausstellung und Konferenz für Passagierterminal-Design, -sicherheit, -technologie und -verwaltung Veranstalter: UKIP Media & Events Kontakt: +44 1306 743744, ptexpo@ukipme.com www.passengerterminal-expo.com 20.-24.03.2017 Hannover (DE) CeBIT 2017 Veranstalter: Deutsche Messe Kontakt: +49 511 89-0 www.cebit.de 28.03.2017 Utrecht (NL) RailTech Europe 2017 Conference and Exhibition Veranstalter: ProMedia Europoint BV Information und Anmeldung: www.railtech.com/ railtech-2017 30.-31.03.2017 Berlin (DE) UBA Forum mobil & nachhaltig Die Stadt für morgen. Veranstalter: Umweltbundesamt Kontakt: Sieglinde Lauterbach, team ewen, Tel. 06151-950 485-12, sl@team-ewen.de www.umweltbundesamt.de/ uba-forum-mobil-nachhaltig 04.-06.04.2017 Hamburg (DE) Aircraft Interiors Expo 2017 The destination for the global aircraft interiors industry Veranstalter: UKIP Media & Events Kontakt: +44 208 271-2174, aixhamburg.helpline@reedexpo.co.uk www.aircraftinteriorsexpo.com 05.-06.04.2017 Amsterdam (NL) SmartRail Europe Building the digital railway of the future Veranstalter: Global Transport Forum, London (UK) Kontakt: +44 20 7045 0900, marketing@globaltransportforum.com www.smartraileurope.com 05.-08.04.2017 Friedrichshafen (DE) Aero - Internationale Fachmesse für Allgemeine Luftfahrt Veranstalter: Messe Friedrichshafen Kontakt: +49 7541 708-404 www.aero-expo.com 24.-28.04.2017 Hannover (DE) Hannover Messe „Integrated Industry - Creating Value“ Veranstalter: Deutsche Messe Kontakt: +49 511 89-0 www.hannovermesse.de 27.04.2017 Verschiedene Orte (DE/ CH/ TR) Tag der Logistik: „Logistik macht’s möglich“ Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistik, Forschungsinstitute und Bildungseinrichtungen präsentieren ihre Angebote Derzeit ca. 80 verschiedene Veranstaltungen Initiator: Bundesvereinigung Logistik (BVL) Veranstaltungs-Überblick: www.tag-der-logistik.de/ veranstaltungen 03.-04.05.2017 Frankfurt (DE) CCExpo Critical Communications Expo 2017 Missionskritische Information und Kommunikation, professioneller Mobilfunk (PMR) und Leitstellen für Kritische Infrastrukturen Veranstalter: EMW Exhibition & Media Wehrstedt GmbH Kontakt: +49 34 743-62 092, info@ccexpo.de https: / / ccexpo.de TERMINE + VERANSTALTUNGEN 03.03.2017 bis 04.05.2017 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de VORSCHAU | TERMINE Meine/ Unsere Daten: Herr Frau Firma/ ... Titel, Vorname, Name Firma/ ... Abteilung Straße + Nr. PLZ, Ort, Land Telefon Telefax E-Mail-Adresse Umsatzsteuer-ID-Nr. (sofern vorhanden) Ihr Bestellzeichen (sofern vorhanden) Das Widerrufsrecht (s.rechts) habe ich zur Kenntnis genommen. Die AGB als Vertragsbestandteil habe ich gelesen und akzeptiert. Sie können beim Verlag angefordert oder unter www.trialog-publishers.de/ agb_trialogpublishers.pdf heruntergeladen werden. WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, München, www.trialog-publishers.de ... und keine Ausgabe verpassen! Ich wähle: JahresAbo Jahresbezugspreis Inland EUR 213,35 inkl. MwSt. und Versand Jahresbezugspreis Ausland EUR 215,- (mit VAT-Nr.) / EUR 237,73 (ohne VAT-Nr.), inkl. 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