Internationales Verkehrswesen
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2019 | Heft 1 Februar Kreative Lösungen entwickeln und erfolgreich umsetzen Transport-Innovation www.internationalesverkehrswesen.de Heft 1 | Februar 2019 71. Jahrgang POLITIK Mobilität als Chance - was jetzt zu tun ist INFRASTRUKTUR Automatisiertes Parken: Synergien nutzen LOGISTIK Transportlieren - intermodal und vernetzt MOBILITÄT Strecke machen mit dem Bus? TECHNOLOGIE Digital, automatisch, sicher: Transportsysteme optimieren ALL YOU CAN READ Das Archiv der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen mit ihren Vorgänger-Titeln reicht bis Ausgabe 1|1949 zurück. Sie haben ein Jahres-Abonnement? Dann steht Ihnen auch dieses Archiv zur Verfügung. Durchsuchen Sie Fach- und Wissenschaftsbeiträge ab Jahrgang 2000 nach Stichworten. Greifen Sie direkt auf die PDFs aller Ausgaben ab Jahrgang 2010 zu. Mehr darüber auf: www.internationales-verkehrswesen.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 11.11.2018 18: 32: 23 Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 3 Hans-Dietrich Haasis EDITORIAL Innovationen denken und erfolgreich umsetzen D eutschland kann Innovationen denken und erfolgreich umsetzen. Dieses zeigen die zahlreichen Erfolgsgeschichten und ausgezeichneten Orte der Initiative „Deutschland - Land der Ideen“. Die Initiative wurde bekanntlich 2006 von der damaligen Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, vertreten durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), gegründet. Sie macht neue Ideen sichtbar, zeigt die Köpfe hinter diesen Ideen und stößt Innovationen an. Und es bedarf dieser neuen Ideen und Innovationen, in Deutschland und weltweit. Die Gestaltung und Steuerung von Verkehr und Mobilität heute und in Zukunft hat sich mehreren Herausforderungen zu stellen. Hierzu zählen etwa Kunden- und Nutzererwartungen im wettbewerblichen Umfeld, Erhalt der Lebensqualität und der Attraktivität von Städten und ländlichen Regionen, Verminderung der Umweltauswirkungen und vor allem Lösung der Klimaproblematik, technologische und organisatorische Entwicklungen im Rahmen von Digitalisierung, Elektrifizierung, Automatisierung und Selbststeuerung von Transportsystemen sowie veränderte Arbeitsplatzanforderungen durch eine zunehmende Mensch-Maschine-Kommunikation. Internationales Verkehrswesen thematisiert in diesem Heft einige der neuen Ideen und Innovationen aus wirtschaftlicher, politischer und wissenschaftlicher Sicht. Einen breiten Raum nehmen dabei Technologie- und Prozessinnovationen für alle vier Verkehrsträger vor dem Hintergrund politischer und unternehmerischer Digitalisierungsstrategien ein. Die Entwicklung und Einführung moderner Kommunikationsmöglichkeiten und neuartiger Kooperationsarrangements werden Verkehr und Mobilität der Zukunft erheblich verändern. Hierbei wird auch deutlich, wie wesentlich es ist, in Deutschland eine rege Innovationskultur zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dieses gelingt durch entsprechende Ausbildungs- und Studienangebote und durch die Förderung von Gründerteams und Startups. Ebenso wichtig sind eine Intensivierung und Nutzung anwendungsorientierter Forschungsprogramme der Bundesministerien und die dadurch stark unterstützte Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Damit kann es gelingen, Ideen und Innovationen auch in Deutschland möglichst schnell in neue Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Aufgrund der Auswirkungen neuer Ideen und Innovationen auf die Arbeits- und Lebenswelt wäre es gleichwohl unerlässlich, in privaten Unternehmen und in öffentlichen Einrichtungen sich noch intensiver dem Innovationsmanagement zu widmen und sich mit den Konsequenzen der Umsetzung von Technologie- und Prozessinnovationen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Kunden auseinanderzusetzen. Es bedarf weit mehr als bislang vor allem einer Innovationsfolgenbewertung in Unternehmen sowie auf kommunaler und staatlicher Ebene. Die jeweils fokussierten Innovationsprojekte können nur im Dialog mit den Kunden und mit den Beschäftigten erfolgreich umgesetzt werden. Den durch die Initiierung und die Realisierung der Innovationsprojekte hervorgerufenen Wandel gilt es nun als Chance für mehr Lebensqualität, für verbesserte Arbeitsbedingungen und für eine höhere Attraktivität von Städten und ländlichen Regionen zu nutzen. Ich wünsche Ihnen hierfür viele gute Ideen, und natürlich viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe Internationales Verkehrswesen. Ihr Hans-Dietrich Haasis Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c., Lehrstuhl für Maritime Wirtschaft und-Logistik, Universität Bremen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 4 POLITIK 12 Der einheitliche europäische Luftraum Voraussetzung für zukunftsfähige Mobilität und Klimaschutz in Europa Dieter Nirschl 15 Chancen der Digitalisierung für die deutschen Seehäfen nutzen und Investitionen in die Infrastrukturen optimieren Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur 16 Experimentierräume für die Mobilität der Zukunft Anna Christmann Stefan Gelbhaar 18 Maritim 4.0 - autonom fahrende Seeschiffe Stand und rechtliche Herausforderungen Jan Wölper 20 Schiene 4.0 Die Vorteile der digitalen Schiene übertreffen deutlich die Herausforderungen Sarah Stark INFRASTRUKTUR 24 SynCoPark Synergien aus Kooperation und Standardisierung im herstellerunabhängigen automatisierten Parken Marc Engelmann Philipp Laux 27 Mit 300 km/ h durch Indien Machbarkeitsstudie zum Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr in Südindien Astrid Janko Tobias Kluth Markus Schubert LOGISTIK Foto: NFF SEITE 24 Foto: Port of Rotterdam SEITE 32 Foto: Scott Webb on Unsplash SEITE 16 Die elektronische Ausgabe enthält einen Link mit Informationen zum 9. ÖPNV-Innovationskongress am 12.-14. März 2019 in Freiburg. 32 Rotterdamer Hafen bereitet sich auf den Brexit vor Mark Dijk 34 Wie sieht die Zukunft der Transportlogistik aus? Standpunkt Alexander Heine 36 Telematik bringt Entsorger den digitalen Mehrwert Tönsmeier setzt auf ganzheitliche Digitalisierung mittels individualisierbarer Standard- Telematik Jens Uwe Tonne WISSENSCHAFT 38 NGT Logistics Terminal Ein Güterumschlagkonzept für die intermodale Vernetzung von Schiene und Straße Mathias Böhm Gregor Malzacher Marco Münster Joachim Winter 42 Integration unbemannter Frachtflugzeuge in die Logistikkette Autonome Konzepte für die Frachtabfertigung und deren Einfluss auf die zukünftige Logistikkette Peter A. Meincke Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 5 INHALT Februar 2019 TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 11 Kurz + Kritisch 23 Bericht aus Brüssel 63 Forum Veranstaltungen Meinung Medien 69 Impressum | Gremien 70 Vorschau | Termine AUSGABE 2 | 2019 Technologie-Innovation - Öffentlicher Verkehr - Urbane Mobilität - Luftverkehr Mit Jubiläums-Sonderteil erscheint am 3. Mai 2019 52 Integrierter Entwurf sicherer Fahrzeugsysteme Plädoyer für ein ganzheitliches Sicherheitsverständnis für Fahrerassistenz und Fahrzeugautomation Lars Schnieder René S. Hosse 56 Automatisiertes Fahren in der Gütertransportlogistik Durchbruch oder Sargnagel für den Schienengüterverkehr? Daniel Skopek 60 Fortschreitende Digitalisierung in der Luftfahrt Rolls-Royce entwickelt die ‚IntelligentEngine‘ für den Flugzeugantrieb Axel Voege Foto: Flixbus SEITE 48 Foto: Rolls-Royce SEITE 60 48 Entwicklungsperspektiven für den Fernlinienbus Geschäftsmodelle, Wettbewerb und Kundenerwartungen im Wandel Andreas Krämer Robert Bongaerts MOBILITÄT 70 JAHRE INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN Internationales Verkehrswesen feiert Geburtstag: Vor 70 Jahren, im Mai 1949, erschien die erste Ausgabe dieses Magazins, damals noch unter dem Titel „Internationales Archiv für Verkehrswesen“. Im Jubiläums-Sonderteil in Ausgabe 2/ 2019 lesen Sie, wie sich dieses Magazin und die Themen, die uns alle bewegen, in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben. Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 6 IM FOKUS Reversible Brennstoffzellen als bidirektionale Energiewandler W issenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben ein hochgradig effizientes Brennstoffzellen-System in Betrieb genommen, das einen elektrischen Wirkungsgrad im Wasserstoffbetrieb von über 60 % erzielt. Ein so hoher Wert wurde bis jetzt von keinem anderen Forscherteam weltweit berichtet. Die Anlage weist noch eine weitere Besonderheit auf: Die reversiblen Hochtemperatur-Brennstoffzellen können nicht nur Strom erzeugen, sondern lassen sich auch für die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse nutzen. Reversible Brennstoffzellen, englische Bezeichnung „reversible Solid Oxide Cell“, kurz rSOC, verbinden praktisch zwei Geräte in einem. Der Zelltyp ist daher in besonderer Weise für den Bau von Anlagen geeignet, die Elektrizität in Form von Wasserstoff zwischenspeichern und diesen zu einem späteren Zeitpunkt wieder rückverstromen können. Eine derartige Speichertechnologie könnte eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen. Sie wird benötigt, um Schwankungen erneuerbarer Energien auszugleichen und dem Auseinanderlaufen von Angebot und Nachfrage entgegenzuwirken. Zusätzlich bietet sich der Einsatz für abgelegene Stationen auf Inseln und Bergen an, um dort eine autarke Energieversorgung sicherzustellen. Wissenschaftler der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg wiederum entwickeln eine reversible Brennstoffzelle, die sowohl Strom als auch Wärme aus Wasserstoff erzeugen kann und gleichfalls überschüssige elektrische Energie in Wasserstoff zurückwandelt. Damit wird es künftig möglich sein, in derselben Anlage regenerativ erzeugten Strom aus Wind und Sonnenenergie kostengünstig und flexibel zu speichern und bei Bedarf als Strom oder Wärme wieder zur Verfügung zu stellen. www.fz-juelich.de www.ovgu.de Neue Methode für sichere Brücken D er stark zunehmende Auto- und Lastwagenverkehr belastet die oft in die Jahre gekommenen Bauwerke in einem Ausmaß, das nicht abzusehen war, als sie errichtet wurden. Da Schäden an der Bausubstanz im frühen Stadium auch mit sehr großem Aufwand kaum zu erkennen sind, bleibt der tatsächliche innere Zustand einer Brücke oftmals lange unbestimmt. Sanierungsmaßnahmen werden häufig erst verspätet und unter Zeitdruck ergriffen. Deshalb arbeiten Forschende des KIT an einer Methode, den wahren Zustand von Brücken rechtzeitig zu ermitteln, ohne in die Bausubstanz eingreifen zu müssen. Im Projekt „Zebbra“ soll dies durch Radarsensorik in Kombination mit intelligenten Algorithmen erreicht werden. Wenn nämlich Fahrzeuge auf eine Brücke fahren, versetzen sie diese in Schwingungen, die mit hochpräzisen Radargeräten aufgezeichnet werden. Speziell entwickelte Computer-Algorithmen analysieren die Radarsignale. Gibt es dabei Abweichungen von der Norm der Schwingungen der jeweiligen Brücke, ist das ein Hinweis auf Schäden an der Bausubstanz. Die Wissenschaftler erwarten, dass sich mit der Methode Veränderungen sehr genau lokalisieren und Schäden auch in einzelnen Brückensegmenten wie Pfeilern oder Fahrbahnabschnitten aufspüren lassen. www.kit.edu Foto: Erich Westendarp/ pixelio Foto: Markus Breig, KIT Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 7 IM FOKUS SecProPort: Häfen vor Cyberangriffen schützen H eute sind alle am Hafentransport beteiligten Akteure - also Terminalbetreiber, Reeder, Spediteure, Betreiber von Hafen-IT, Bahn, Hafenbehörden, Zoll - über ihre eigenen, historisch gewachsenen IT-Systeme komplex miteinander vernetzt. Gelingt es einem Angreifer, diesen Verbund erfolgreich anzugreifen - sei es durch einen Angriff auf das IT-System eines Hafenakteurs oder als Innentäter - kann er manipulierte Nachrichten in das Gesamtsystem einspielen und beispielsweise Containerinformationen manipulieren, vertrauliche Daten abgreifen oder Zollfreigaben blockieren. Dies kann schlimmstenfalls zu einem Totalausfall des gesamten Hafenbetriebs einschließlich der damit verbundenen Transportinfrastruktur führen. Trotz der großen Sicherheitsrisiken existiert bislang keine umfassende Sicherheitsarchitektur, die den gesamten Hafenkommunikationsverbund vor derlei Angriffen schützt. Hier setzt das im November 2018 gestartete Verbundprojekt SecProPort an, das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen des Förderprogramms Innovative Hafentechnologien (IHATEC) über eine Laufzeit von drei Jahren gefördert wird. Es hat zum Ziel, eine allgemeine und umfassende IT-Sicherheitsarchitektur für das in Häfen zum Einsatz kommende Kommunikationsnetzwerk zu entwickeln. Die innovative Architektur soll die verschiedenen Sicherheitsanforderungen der in dem Netzwerk ablaufenden Arbeitsprozesse unterstützen, diese vor Sabotage schützen und das Ausspionieren von sensiblen Daten durch Dritte verhindern. Zudem wird die Architektur Resilienz-Maßnahmen bereitstellen, die im Schadensfall die Auswirkungen auf andere Akteure des Verbunds minimieren und das betroffene Netz in kontrollierter Weise wieder in den Normalzustand zurückführen soll. Das Projekt verfolgt dabei einen präventiven Ansatz: So spielen Sicherheitsaspekte im Entwicklungsprozess von Anfang an eine zentrale Rolle, um später im Angriffsfall größere Schäden zu verhindern. Damit dies erfolgreich gelingt, vereint das Projekt die Expertise von acht Projektpartnern, zu denen neben Akteuren aus der Hafenwirtschaft - dbh Logistics IT AG, Hapag-Lloyd AG, BLG LOGISTICS GROUP AG & Co. KG und Duisburger Hafen AG - auch das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und die Universität Bremen sowie als Dienstleister im Bereich der Informationssicherheit die datenschutz cert GmbH gehören. Der DFKI-Forschungsbereich Cyber-Physical Systems und die Universität Bremen beschäftigen sich seit Jahren mit Netz- und Softwaresicherheit. Uni-Institute waren schon am Forschungsprojekt PortSec beteiligt, in dem die Sicherheit eines Port Community Systems untersucht und verbessert wurde. www.dfki.de/ cps Foto: H. D. Volz/ pixelio ZF mit Technologie für MaaS-Lösungen N eue urbane Mobilitätsangebote sind einer der größten Treiber für die Entwicklung des autonomen Fahrens. Dazu zählt insbesondere das autonome „Ride- Hailing“, das auf der geteilten Nutzung von Fahrten in Robo-Taxis oder Robo-Shuttles basiert. Das Technologieunternehmen ZF hat sich für derartige „Mobility-as-a- Service“-Lösungen auf Umfeldsensoren wie Radar-, Kamera- und LiDAR-Systeme, Zentralrechner wie die ZF ProAI RoboThink inklusive Software und Algorithmen sowie mechatronische Aktuatoren und Sicherheitssysteme fokussiert. Darüber hinaus bietet der süddeutsche Technologiekonzern an, all diese Systeme sinnvoll zu vernetzen und in Fahrzeuge zu integrieren, wenn Kunden, die nicht die Fahrzeuge selbst, sondern die Mobilität anbieten wollen. Mit einem Robo-Taxi ohne Lenkrad und Pedale demonstrierte das Unternehmen auf der CES 2019 in Las Vegas, wie neue Mobilitätsformen in der Stadt aussehen können: Das Demofahrzeug konnte über ein mobiles Endgerät bestellt werden, fuhr autonom vor und chauffierte seine Fahrgäste ans gewünschte Ziel. Über das ZFSensorset kann dem Demofahrzeug seine Umgebung präzise wahrnehmen. ZF ProAI RoboThink, der leistungsstarke Zentralrechner für das autonome Fahren, soll die enorme Menge Sensordaten verarbeiten, zu einem Gesamtbild zusammenfassen und daraus entsprechende Handlungsbefehle ableiten. Deren Umsetzung übernehmen vernetzte ZF-Systeme wie etwa Fahrwerk, Antrieb, Lenkung, Bremse oder Insassenschutzsysteme. Außerdem treibt ZF die Vernetzung der intelligenten mechanischen Systeme mit seiner cloud-basierten Plattform für Mobilitätsdienstleistungen voran. Sie ermöglicht es, anbieterübergreifend Funktionen beispielsweise für das Ride-Hailing zu integrieren - ebenso wie für innovative Zustelldienste und das Flottenmanagement. Das schließt die Möglichkeit ein, die Fahrzeugsoftware über die Cloud zu aktualisieren. www.zf.com Foto: ZF Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 8 IM FOKUS Magnesium-Batterien: Aufbruch ins Post-Lithium-Zeitalter D ie Lithium-Ionen-Batterie gilt derzeit als leistungsfähiger Standard. Doch am Helmholtz-Instituts Ulm (HIU), einem vom KIT in Kooperation mit der Universität Ulm und den assoziierten Partnern DLR und ZSW gegründeten Forschungsinstitut zur Erforschung und Entwicklung elektrochemischer Batteriekonzepte arbeitet man bereits an der Nachfolgetechnologie - der Magnesiumbatterie. Magnesium als Anodenmaterial ermöglicht eine höhere Energiedichte und wäre auch viel sicherer als das an der Luft leicht entzündliche Lithium. Vor diesem Hintergrund könnte eine breite Verfügbarkeit von Magnesiumbatterien die Elektrifizierung von Mobilität und den Ausbau dezentraler Heimspeicher entscheidend voranbringen. Um die Entwicklung des neuartigen Batterietyps im europäischen Rahmen zu beschleunigen, kooperiert das HIU im Forschungsprojekt European Magnesium Interactive Battery Community (E-MAGIC) nun mit weiteren wissenschaftlichen Institutionen auf dem Gebiet der Batterie- und Materialforschung. Das im Programm „Horizon 2020“ von der EU geförderte Forschungsprojekt, koordiniert wird E-MAGIC von der spanischen Fundación Cidetec, bündelt die Expertise von insgesamt zehn wissenschaftlichen Einrichtungen. Dabei vereinen die Partner alle notwendigen Schritte zur Entwicklung von Magnesium-Batterien von der Grundlagenforschung bis zu den Prozessen bei der Zellproduktion. Neben der größeren Sicherheit und Energiedichte könnte der Einstieg in die Magnesiumtechnologie bei der Batteriefertigung außerdem dabei helfen, die Abhängigkeit von Lithium als Rohstoff zu verringern: Als Element ist Magnesium auf der Erde etwa 3000 Mal so häufig vertreten wie Lithium und kann im Gegensatz dazu einfacher recycelt werden. Entsprechend wären Magnesiumbatterien auch günstiger als Lithium-Ionen-Batterien. Kommt Europa bei der Entwicklung zügig voran, könnten Magnesiumbatterien außerdem dabei helfen, die Dominanz der asiatischen Produzenten von Batteriezellen zu vermindern und eine konkurrenzfähige Batteriefertigung in Europa zu etablieren. https: / / cordis.europa.eu/ project/ rcn/ 218681_en.html Forschende am HIU montieren Magnesiumbatterien unter Argon-Schutzgas. Foto: Laila Tkotz/ KIT Foto: Fraport AG, Fototeam Stefan Rebscher Autonome Fahrzeuge auf Deutschlands größtem Flughafen I m Rennen um die Entwicklung selbstfahrender Autos fördert das Bundeswirtschaftsministerium das vom Sensorhersteller Ibeo koordinierte Projekt „AirPortMover“, in dem autonome, elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge für Flughäfen entwickelt werden sollen. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) soll mit ihren Analysen die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge und damit das Vertrauen in die Roboterautos erhöhen. Auf dem Flughafen Frankfurt am Main, größter deutscher Flughafen und mit rund 70 Mio. Passagieren und über 2 Mio. t Fracht eines der weltweit bedeutendsten Luftfahrtdrehkreuze, sollen in drei Jahren zwei Fahrzeuge computergesteuert unterwegs sein. Sie werden Flugzeugbesatzungen an ihren Arbeitsplatz bringen und mobile Gangways an Flugzeuge heranfahren. Ein hoch gestecktes Ziel, bedenkt man, dass die technischen Herausforderungen für autonomes Fahren auf einem Flughafengelände noch einmal höher liegen als im normalen Straßenverkehr. Die Autos müssen zum Beispiel Kollisionen mit Flugzeugen vermeiden und dabei insbesondere auch in der Luft hängende Tragflächen und Triebwerke erkennen. Zudem müssen sie sich in den extrem geschäftigen Flughafenhallen orientieren und in den Betriebsablauf einfügen. Die Software, die das leisten soll, muss vor allem zuverlässig sein. Deshalb wird sie nicht erst im praktischen Betrieb auf dem Gelände des Projektpartners Fraport auf Herz und Nieren getestet. Die Umwelt- und Einsatzszenarien der Fahrzeuge sind enorm komplex, und so wird mithilfe eines neuen Großrechners der Uni Kiel zum Beispiel geprüft, ob sich die Software in bestimmten Situationen „aufhängt“ oder sich parallele Rechenoperationen gegenseitig behindern. Entscheidend sind diese Analysen für die spätere Sicherheitszertifizierung und schließlich die Zulassung der selbstfahrenden Nutzfahrzeuge. Neben der CAU, Ibeo und Fraport sind auch Airbus und die Hanseatische Fahrzeug Manufaktur am Projekt beteiligt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des Fachprogramms „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ gefördert. www.bmwi.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 9 IM FOKUS Schweizer Berufstätige zu 71 % Pendler L aut aktuellem Mobilitätsbericht des Schweizer Bundesamts für Statistik waren im Jahr 2017 neun von zehn Erwerbstätigen in der Schweiz Pendler, also Personen, die zum Aufsuchen des Arbeitsplatzes ihr Wohngebäude verlassen. Dies entspricht rund vier Millionen Menschen. Hiervon arbeiteten 71 % außerhalb ihrer Wohngemeinde - deutlich mehr als noch im Jahr 1990 (59 %). Entsprechend durchziehen heute weitaus größere Pendlerströme das Schweizer Mittelland und die Alpentäler als noch vor wenigen Jahrzehnten. Der Kantonsvergleich zeigt, dass Basel-Stadt und Zug gemessen an ihrer Größe die meisten Berufspendler aus anderen Kantonen anziehen. Etwas mehr als die Hälfte der Pendelnden (52 %) benutzte 2017 als Hauptverkehrsmittel für den Arbeitsweg das Auto. 31 % begaben sich mit dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit, 15 % zu Fuß oder mit dem Rad. Durchschnittlich legten sie pro einfachem Arbeitsweg 15 km zurück und benötigten dafür 31 Minuten. Zusätzlich zu den Berufspendlern wurden gut 800 000 Ausbildungspendler ab 15 Jahren gezählt, also Schüler, Lehrlinge und Studierende. Um zu ihrer Ausbildungsstätte zu gelangen, legten diese im Schnitt 21 km zurück, und zwar vorzugsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Eisenbahn und öffentlicher Straßenverkehr kamen 2017 auf einen gemeinsamen Anteil von 67 % an den Hauptverkehrsmitteln. Die Details und Grafiken zu dieser und allen verwandten Auswertungen sind auf der Webseite des Bundesamts für Statistik unter Statistiken Mobilität und Verkehr zu finden. www.bfs.admin.ch LKW-Abbiegeassistenten im Test A bbiegeassistenten sollen nach dem Koalitionsvertrag bundesweit verpflichtend in alle Lkw eingebaut werden. Nun hat in Baden-Württemberg ein in Deutschland einzigartiger Feldversuch begonnen. Dabei werden 500 LKW mit Abbiegeassistenten nachgerüstet und über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren wissenschaftlich begleitet. Initiatoren des Feldversuches sind der Verband Spedition und Logistik Baden- Württemberg e. V. (VSL) und das Verkehrsministerium des Landes. Sie wollen nach der Abschlussuntersuchung mit konkreten Ergebnissen, Auswertungen und Empfehlungen konkrete Handelsempfehlungen ableiten, um die Sicherheit aller Teilnehmer im Straßenverkehr zu erhöhen. Das Hamburger Unternehmen Luis Technology wurde als einziges deutsches Unternehmen ausgewählt, im Bereich der intelligenten Kamera am Pilotprojekt teilzunehmen. Dieses System ist kamerabasiert, filtert statische Objekte wie parkende Autos oder Ampelmasten heraus und verhindert so die „Abstumpfung“des Fahrers bei zu häufigen Fehlalarmen. Der Abbiegeassistent wird beim Einschlagen des Lenkrads sowie in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich des Fahrzeuges aktiviert. Der Fahrer wird über einen roten Kasten im Monitorbild und einen Signalton nur dann gewarnt, wenn eine Gefahr droht - also nur bei sich bewegenden Objekten wie Fußgängern oder Fahrradfahrern. Beide Gruppen sind am häufigsten von Unfällen beim Rechtsabbiegen von LKW und Bussen betroffen. Nachrüstbar sind laut Anbieter alle Nutzfahrzeuge und Busse, unabhängig von Fabrikat und Hersteller. Foto: Luis Technology 0 25 50 km 0 25 50 km Pendlerströme zwischen den Gemeinden, Zwischenstand 2014. Quelle: BfS Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 10 IM FOKUS Reallabor Schorndorf: Bedarfsbus-Forschungsprojekt erfolgreich beendet B usfahren nach Bedarf statt nach Fahrplan - im europaweit einmaligen Forschungsprojekt Reallabor Schorndorf haben Wissenschaftler unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit den Bürgern der baden-württembergischen Stadt Schorndorf ein flexibles und bedarfsgerechtes Bussystem entwickelt und in der Praxis getestet. Von März bis Dezember 2018 ersetzte der Bedarfsbus hier zwei reguläre Buslinien. Neben den bisherigen Haltestellen gab es mehr als 200 potenzielle Ein- und Ausstiegsorte. Für die Nutzer bedeutete das: kürzere Fußwege, neue Direktverbindungen und mehr Flexibilität - gerade auch in Zeiten niedriger Auslastung. Das Reallabor Schorndorf endete nun am 25. Januar 2019. Zu den Partnern der DLR-Verkehrswissenschaftler zählten die Stadt Schorndorf, der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), Knauss Linienbusse, die Hochschule Esslingen sowie das Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart. Während des Projekts sammelten die Forschenden eine Vielzahl von Daten und Erfahrungen. Deren Auswertung liefert neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sich innovative Mobilitätskonzepte für den öffentlichen Nahverkehr gestalten und umsetzen lassen. Insgesamt beförderten die beiden im Projekt eingesetzten Kleinbusse mehr als 10 000 Fahrgäste und legten über 20 000 Kilometer zurück. Durchschnittlich nutzten jedes Wochenende rund 250 Personen das Angebot, zwei Drittel bestellten den Bus mittels Smartphone-App, ein Drittel nutzte den telefonischen Bestellservice. Alle weiteren Optionen - Bestellung über die Website oder in teilnehmenden Geschäften, Restaurants und Cafés - wurden nur selten in Anspruch genommen. Im Vergleich zum Liniensystem konnten etwa 10 % der Fahrzeugkilometer und gut 20 % der möglichen Umläufe komplett eingespart werden, weil keine Buchungen vorlagen. Da kleinere Busse im Einsatz waren, ließ sich der Kraftstoffverbrauch um mehr als die Hälfte senken. Gerade das Vermeiden von Leerfahrten haben viele Schorndorferinnen und Schorndorfer in Umfragen sehr positiv bewertet. Bestätigt hat sich auch, dass Entwicklung und Betrieb eines Bedarfsbussystems viel Begleitung und Kommunikation erfordern, um alle Bevölkerungsgruppen mitzunehmen. Ein besonderer Schwerpunkt lag deshalb auf dem Aspekt der Partizipation. Das Team des Reallabors band Bürgerinnen und Bürger sowie kommunale Gremien intensiv ein - mit öffentlichen Informationsveranstaltungen, Befragungen, Testnutzerinnen und Testnutzern, Mobilitätswerkstätten und intensiver Kommunikation über den ganzen Projektzeitraum. Nutzerbefragungen verzeichneten eine entsprechend positive Entwicklung: Waren im Mai 2018 rund 34 % zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Bedarfsbus, stieg die Zahl im Oktober 2018 auf 50 %. Deutlich zeigte sich bei den Auswertungen ein Generationensplit: Jüngere Nutzer gaben an, mit dem System besser zurechtzukommen und zufriedener zu sein als ältere. In Baden-Württemberg werden seit 2015 insgesamt 14 Reallabor-Vorhaben mit rund 18 Mio. EUR gefördert. www.reallabor-schorndorf.de Bedienoberfläche für Busfahrer. Foto: DLR Störungsmanagement: EU-Vorbilder für die Deutsche Bahn? I n Deutschland kommt fast jeder dritte Zug im Fernverkehr zu spät am Ziel an. Wie Eisenbahnen in ganz Europa mit Verspätungen umgehen, hat Prof. Dr. Dr. Lasse Gerrits, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Universität Bamberg, in einem mehrjährigen Forschungsprojekt analysiert [1]. Mithilfe des politikwissenschaftlichen Netzwerkgovernance-Konzepts hat sich Gerrits dabei vor allem auf soziale Beziehungen und deren Auswirkungen auf den Betriebsablauf in Deutschland, Schweden, Belgien, Dänemark, Portugal, Österreich und den Niederlanden konzentriert. So konnte er zunächst systematisch untersuchen, welche Lösungen im Störungsmanagement unter welchen Bedingungen funktionieren. In Schweden oder Belgien verwenden die Bahnbeschäftigten einfache, informell nutzbare Benachrichtigungssysteme, um einzelne Kolleginnen und Kollegen schnell und zielgerichtet über Störungsfälle zu informieren. In Deutschland sind für Meldungen dieser Art bislang bestimmte Formulare und Dienstwege vorgeschrieben. Die niederländische Bahn wiederum hat über 1500 Notfall-Pläne, die klar definieren, was bei bestimmten Störungen zu tun ist. Oft hilft das den Verantwortlichen, blitzschnell zu entscheiden. Die Deutsche Bahn dagegen hat nur wenige Pläne in der Schublade und verlässt sich im Ernstfall auf Erfahrung und Urteilsvermögen der Beschäftigten. Das könne in unvorhersehbaren Situationen aber auch ein Vorteil sein, so der Forscher. Pluspunkte der Deutschen Bahn seien auch ihre dezentrale Organisation und das große Schienennetz mit Möglichkeiten der Umleitung im Störungsfall. Das Forschungsprojekt lief über fünf Jahre [2] und wurde von der niederländischen Bahngesellschaft ProRail und der niederländischen Forschungsgesellschaft NWO unterstützt. [1] Lasse Gerrits, Danny Schipper (2018): Internationale Vergleichsstudie zum Eisenbahnstörungsmanagement. DOI: 10.20378/ irbo-52592 [2] Lasse Gerrits, Danny Schipper (2018): Wie Automatisierung das Störungsmanagement im Schienenverkehr verbessern könnte. Eine internationale Untersuchung. In: Internationales Verkehrswesen (70), Heft 1, S. 80-83 Lagezentrum der Deutschen Bahn Foto: Deutsche Bahn AG / Thomas Herter Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 11 Infrastrukturdefizite im Schienenverkehr konterkarieren Politikstrategien W ieder steht die Deutsche Bahn AG in verkehrs- und wirtschaftspolitischer Kritik. Dabei wird übersehen, wie störanfällig dieses investitionsintensive Gebilde aufgrund seiner hoch spezialisierten Infrastrukturabhängigkeit ist. Der Chefökonom des Handelsblattes schrieb am 10. Januar 2019 in einem Meinungsbeitrag zur Bahnkrise: „Heute ist die Deutsche Bahn ein Sanierungsfall, der für all das steht, was Deutschland nicht sein möchte: bürokratisch, kundenunfreundlich, technologisch rückständig, überschuldet und chronisch verspätet.“ Als Neustart- Aufgaben werden genannt: Überführung des Netzes in eine bundeseigene Gesellschaft mit Abtrennung vom Bahnbetrieb und Veräußerung aller Beteiligungen der DB AG, welche den „verkehrspolitischen Aufgaben“ nicht dienen. Sind dies die Krisenursachen? Ein MdB der FDP positionierte sich in der Diskussion mit der Forderung nach Ablösung von drei Vorständen der DB. Wirklich kreativ und problemlösend. Wundern lohnt da nicht. Es verwundert, dass eine Zentralursache der hohen Qualitätsdefizite der DB - vor allem im Personenfernverkehr, aber auch im Güterverkehr - nicht hinreichend diskutiert wird: die fehlende Infrastrukturqualität. Das infrastrukturelle Hauptproblem des Schienenverkehrs in Deutschland ist die andauernde hohe Überlastung wichtiger Hauptabfuhrstrecken und Knoten der Schieneninfrastruktur. Ursachen dieser Kapazitätsdefizite sind die seit der Nachkriegszeit (! ) vernachlässigten Infrastrukturinvestitionen, verschärft durch die in den letzten Jahren stark angestiegenen Zugzahlen und Zugkilometer, auch durch die Netzöffnung für Dritte mit vielen nationalen und internationalen Wettbewerbern. Es verwundert, dass weitere Spezifika des Bahnbetriebes kaum Erwähnung finden: die Störanfälligkeit durch Personenunfälle im Gleis mit zeitweiligen Sperrungen und sich fortpflanzenden Netzeffekten, die sich stetig verschärfenden Planungsanforderungen und rechtlichen Verzögerungsprozesse bei Neu- und Ausbauten der Schieneninfrastruktur, die überaus starke Positionierung der Gewerkschaften in der Unternehmenspolitik wie auch die Management- und Finanzbelastung der DB AG durch das von der Politik initiierte Projekt Stuttgart 21. Es verwundert auch, dass die Gewährleistungsverpflichtung des Bundes für Aus- und Neubau der Bahninfrastruktur und deren Erhalt im Sinne der Sicherung des Allgemeinwohls und der Verkehrsbedürfnisse (Art. 87e Abs. 4 GG/ § 8 BSWAG) nicht hinreichend erwähnt wird, also dessen Finanzverantwortung. Hier aber fehlen im Bundeshaushalt bis 2030 offenbar 60 Mrd. EUR, zumal die politischen Prioritäten seit Jahren bei den konsumtiven Mittelbereitstellungen liegen. Aber auch wenn diese fehlenden Finanzmittel bis 2030 bereitgestellt würden bleibt derzeit völlig offen, welche Baumaßnahmen in der Netzinfrastruktur kapazitätswirksam in zehn bis zwölf Jahren überhaupt umgesetzt werden können. Insofern sind Hoffnungen auf kurz- und mittelfristig nachhaltige Kapazitätseffekte mit durchschlagenden Qualitätsverbesserungen fraglich. Da muss es verwundern, wenn die Politik erwartet, bis 2030 die Fahrgastzahlen im Personenverkehr wesentlich zu steigern, was angesichts der Kapazitätsengpässe in den Regionen Hamburg, Köln, Mannheim, Frankfurt/ M. und München zumindest dort die Kundenqualität der Bahnnutzung weiter reduziert. Und ob das Schlagwort Digitalisierung unter Berücksichtigung des langsamen Fortschritts bei der ETCS-Migration in Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren wirkliche Entlastungen aus Kundensicht bringt, ist nicht gesichert. Es überrascht, dass die DB AG das Baustellenmanagement offensichtlich nicht in den Griff bekommt, die täglich auftretenden Infrastrukturüberlastungen nicht hinreichend deutlich politisch kommuniziert und dem Eigentümer Bund mit dessen Verantwortung nicht nachdrücklicher vermittelt. Bei dieser Krisenlage verwundert es, dass der verantwortliche Infrastrukturvorstand der DB AG offensichtlich die Zeit hat, seit Monaten eine Führungsaufgabe in der Kohlekommission wahrzunehmen. Bei den mehr demonstrativ denn substanziell bedeutsamen Einbestellungen des Vorstands der DB AG in das Bundesverkehrsministerium, wie im Januar medienwirksam praktiziert, sollten die rechtlichen Grenzen der Einflussnahme des Eigentümers auf den Vorstand außerhalb des Aufsichtsrates und der Hauptversammlung (§§ 76 ff. AktG) beachtet werden. Die DB ist keine GmbH, auch wenn Politiker und offensichtlich ebenso der Bundesrechnungshof dies als wünschenswert ansehen. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 12 Der einheitliche europäische Luftraum Voraussetzung für zukunftsfähige Mobilität und Klimaschutz in Europa Regulierung, Flugverkehrsmanagement, Flugsicherung, Europäischer Rechnungshof, Effizienz Der Sommer 2018 wird angesichts zahlreicher verspäteter und gestrichener Flugverbindungen als Krisensommer in die europäische Luftfahrtgeschichte eingehen. Ein Grund hierfür ist auch das nach wie vor an nationalen Interessen ausgerichtete Flugverkehrsmanagement. Dabei hat die Europäische Gemeinschaft bereits im Jahr 2004 die Grundlagen für einen einheitlichen europäischen Luftraum geschaffen, um dem stark wachsenden Luftverkehr Rechnung zu tragen. Es zeigt sich, dass die bisher erzielten Fortschritte nicht ausreichen und weitergehende Maßnahmen notwendig sind. Dieter Nirschl N eben Fluggesellschaften und Flughäfen ist das Flugverkehrsmanagement (engl. Air Traffic Management - ATM) ein wesentlicher Bestandteil des Luftverkehrs. Die EU-Kommission stellte Ende der 90er Jahre fest, dass der durch die nationalen Grenzen zersplitterte Luftraum über Europa, eine Vielzahl von veralteten und interoperablen technischen Systemen sowie die Nutzung eines großen Teils des Luftraums für militärische Zwecke das Flugverkehrsmanagement erschweren. 1 Mit dem Anspruch, „im europäischen Luftraum nicht die Grenzen aufrecht zu erhalten, die am Boden abgeschafft waren“ 2 , erfolgte im Jahr 2004 mit der Verabschiedung der Rahmenverordnung EG Nr. 549/ 2004 der Startschuss für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums (engl. Single European Sky - SES). Auswirkungen des einheitlichen europäischen Luftraums Im europäischen Flugsicherungssystem kontrollieren heute 38 verschiedene nationale Gesellschaften mit rund 55 000 Beschäftigen, davon 18 000 Fluglotsen in 60 Kontrollzentren, durchschnittlich mehr als 29 000 Flüge täglich. 3 Mit 37 101 Flugbewegungen wurde am 7. September 2018 ein neuer Tagesspitzenwert gezählt. 4 Während die fünf großen Flugsicherungsgesellschaften DFS (DE), NATS (GB), DSNA (FR), ENAIRE (ES) und ENAV (IT) für 60 % des europäischen Flugverkehrs verantwortlich sind, teilen 32 weitere Gesellschaften 40 % des Verkehrs unter sich auf. 5 Dutzende verschiedene IT- Systemlandschaften und eine sich an den Ländergrenzen orientierende geographische Fragmentierung in Sektoren führen dazu, dass der Weg eines Flugzeuges innerhalb Europas eher einem Zickzackkurs gleicht, statt einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen direkten und geraden Verbindung. Die Flugroute eines Flugzeugs ist folglich von Distanz und Dauer länger als der direkte Kurs vom Abflugzum Ankunftsflughafen. Eine vom Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) erarbeitete Grafik (Bild 1) zeigt exemplarisch die Flugroute eines Flugzeugs auf der Strecke Amsterdam - Rom. Während die tatsächlich geflogene Route ca. 1750 km lang ist und hierfür eine Boeing 737-800 bei einer Flugzeit von 2 Stunden, 19 Minuten, in etwa 6600 kg Kerosin verbraucht und 20 800 kg CO 2 emittiert, könnten bei Durchfliegen der kürzestmöglichen Route 300 km Flugstrecke und damit 23 Minuten Flugzeit und 1400- kg Treibstoff eingespart werden. Die Umwelt würde mit 4400 kg weniger CO 2 belastet werden. Ein zügig und konsequent umgesetzter europäischer Luftraum wäre folglich ein „Win-win-win“ Szenario für Fluggesellschaften, Kunden und Umwelt. Die bislang erzielten Fortschritte Trotz Anpassungen der Rechtsgrundlagen und struktureller Änderungen wie z. B. der Einführung von funktionalen Luftraumblöcken (engl. Functional Airspace Block - FAB) zeigen die aktuellen Daten eine wenig ermutigende Entwicklung. Die horizontale Streckenflugeffizienz verblieb 2016 auf dem Wert der Vorjahre und die ATC-bedingten Verspätungen fielen sogar wieder auf das Niveau von 2009 zurück. 6 Der Europäische Rechnungshof hat anlässlich einer 2017 durchgeführten Sonderprüfung des SES die Ergebnisse mit den Zielvorgaben in den Bereichen Umwelt, Kapazität und Kosteneffizienz abgeglichen und festgestellt, dass die EU-weit gesetzten Ziele nie erreicht wurden, Verspätungen seit 2013 sogar wieder zunehmen und im Jahr 2016 den Zielwert um einen Faktor von 2 überstiegen. Die vom Rechnungshof nach eigenen Berechnungen erstellte Grafik (Bild 2) zeigt die längerfristige Entwicklung der tatsächlichen Verspätungen auf der Strecke (grüne Linie) sowie der durchschnittlichen Gebührensätze (rote Linie) in Relation zum tatsächlichen Verkehrsaufkommen. Der Krisensommer 2018 Besonders dramatisch fiel der durch Verspätungen und Flugstreichungen charakterisierte Sommer 2018 auf. Ausgelöst durch die Insolvenz der bis dahin zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin im Sommer 2017 und die anschließende Bieterschlacht um verwertbare Assets erfuhr die europäischen Luftverkehrslandschaft eine Neuordnung. Anders als von vielen vorausgesagt oder gewünscht, reduzierte sich der Flugverkehr jedoch nicht. Zwar gab es auf einigen Strecken weniger Angebote, insgesamt weitete sich das Flugangebot jedoch aus und lag im Juli 2018 4,1 % über dem Vorjahreswert. 7 Auch die Verspätungen erhöhten sich deut- Foto: pixabay.de POLITIK Flugverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 13 lich um fünf Minuten auf 21 Minuten je Flug, wobei neben Ursachen, die bei den Fluggesellschaften, den Flughäfen und den Sicherheitskontrollen zu suchen sind, die flugsicherungsbedingten Verspätungen daran einen deutlichen Anteil haben. 8 Die nationalen Flugsicherungsorganisationen und ihre Aufsichtsbehörden Obwohl die Vorteile des SES für Fluggesellschaften, Fluggäste und Umwelt auf der Hand liegen, bedarf es angesichts des mangelnden Fortschritts der Ursachenanalyse. Hier sind zum einen die nationalen Flugsicherungsorganisationen der Mitgliedsländer zu nennen. Sie sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich organisiert, wobei allen Organisationsformen gemeinsam ist, dass sie vollständig oder mehrheitlich in staatlicher Hand sind. Die daraus resultierende Nähe zu den Aufsichtsbehörden führt zwangsläufig zu Führungsproblemen und der Verfolgung von Eigeninteressen. Da bei einer Neustrukturierung der 38 nationalen Organisationen eine große Anzahl durch Zusammenlegung von Einheiten verschwinden würde, kämpft jede Flugsicherung gegen Verlagerung von Arbeit, Kompetenzverlust und Verlust von Arbeitsplätzen. Hinzu kommt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden in einigen Mitgliedsstaaten personell vollkommen unterbesetzt und allenfalls Erfüllungsgehilfen der von ihnen zu beaufsichtigenden Flugsicherungen sind. In anderen Mitgliedstaaten sind sie so sehr in die Struktur der Luftfahrtbehörde eingebunden, dass sie de facto nationale Vorgaben erfüllen, nicht aber auf die Umsetzung von EU-Vorgaben achten. Die Mitarbeiter der nationalen Flugsicherungen SES wird zu Veränderungen bei der Arbeitsplatzgestaltung, Produktivitätsfortschritten und auch mittelfristig zu einer Reduzierung von Arbeitsplätzen bei den nationalen Flugsicherungsorganisationen führen. Wie bei nahezu jedem unternehmerischen Veränderungsprozess gibt es auch bei den Flugsicherungsorganisationen Beschäftigte, die Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld oder auch materielle Nachteile erleiden und deshalb aktiven oder passiven Widerstand leisten. Auch wenn der Abbau der Arbeitsplätze schrittweise und über einen längeren Zeitraum erfolgen wird und eine vorausschauende Personalplanung, die zukünftige Altersabgänge und Fluktuation frühzeitig berücksichtigt, einen sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau gewährleisten kann, ist mit den Interessen der Beschäftigten im Sinne eines professionellen Change Managements umzugehen. Die einzelnen Mitgliedsstaaten der-EU Starker Widerstand kommt von den Mitgliedstaaten der EU selbst. Da bislang die nationalstaatliche Verantwortung für die Flugsicherung unverändert bei den einzelnen Staaten liegt und diese alle Einnahmen für den Flugverkehr in ihrem Hoheitsgebiet beanspruchen, haben sie wenig Interesse, diese für sie vorteilhaften Positionen aufzugeben. Insbesondere kleinere Länder laufen bei kürzerer Streckenführung durchaus Gefahr, dass ihr Hoheitsgebiet weniger durchflogen wird. Da eine Komponente der Einnahmen der Flugsicherung aus der Länge der Flugstrecke berechnet wird (Streckengebühr), wäre eine für die Staaten stetige und nicht versiegende Geldquelle in Gefahr. Mangelnder politischer Umsetzungswillen - auch in Deutschland Trotz vielfacher Kritik am mangelnden Fortschritt wird die Etablierung eines effizienten Luftraums auch in Deutschland von der Politik nur unzureichend wahrgenommen, geschweige denn unterstützt. Die seit vielen Jahren den zuständigen Bundesminister stellende CDU/ CSU konstatiert z.B. in ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 lediglich, dass Luftfahrt neben Seefahrt und Binnenschifffahrt eine zentrale Säule weltweiter Mobilität ist und dafür faire internationale Wettbewerbsregeln und verbesserte nationale Rahmenbedingungen gebraucht werden. 9 Auch die anderen Parteien widmen sich nur rudimentär den Fragen der Mobilität und des Luftverkehrs und überhaupt nicht dem Luftraum oder dem europäischen Großprojekt SES. Im Koalitionsvertrag der neuen CDU/ CSU- und SPD-Regierung vom 7. Februar 2018 findet SES ebenso keine Erwähnung. Hier heißt es lediglich, man werde sich um die Umsetzung eines Luftverkehrskonzeptes und die „Entlastung unserer Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten“ 10 kümmern. Angesichts von 200 Mio. Passagieren, die in Deutschland jedes Jahr ein Flugzeug benutzen, scheinen alle deutschen Parteien die Bedeutung des Luftverkehrs und der dafür notwendigen Infrastruktur nicht sehr hoch einzuschätzen. Zentralisierung und Rationalisierung bei den nationalen Kontrollzentren Auch im Jahr 2018 sind die Gründe, die zur SES-Initiative geführt haben, unverändert valide. Nach einer aktualisierten Prognose wird der Flugverkehr pro Jahr mit 2,3 % bis 2024 auf 1,4 Mio. IFR-Flüge ansteigen. 11 Dies sollte Ansporn sein, weitere Maßnahmen zur Umsetzung des SES zu ergreifen. Die Kleinteiligkeit der nationalen Kontrollzentren ist ein wesentlicher Hemmschuh für Produktivitätsgewinnung und Kostenreduzierung. www.bdf.aero 2017 Single European Sky (SES) - Europas größtes CO 2 -Senkungsprojekt Flugsicherung Quelle: BDF, DFS Info: Orangene Gebiete stehen für militärischen Luftraum (schematisch) * bei acht Flügen pro Tag (16 im Return) pro Jahr Beispiel: Rom nach Amsterdam (Boeing 738-800) Tatsächliche Route Kürzeste mögl. Route Mögliche Ersparnis Streckenlänge ca. 1.750 kg ca. 1.450 km ca. 300 km (17%) Flugzeit 2 Std. 19 Min. 1 Std. 56 Min. 23 Min. (17%) Treibstoffverbrauch ca. 6.600kg ca. 5.200 kg ca. 1.400 kg (21%) Emissionen (CO 2 ) ca. 20.800 kg ca. 16.380 kg ca. 4.420 kg (21%) Nutzung der kürzesten Route bringt Einsparungen von bis zu 26.000 Tonnen CO 2 pro Jahr* Flickenteppich von 27 nationalen Flugsicherungen und über 60 Luftraumkontrollzentren Insgesamt könnten mit dem Single European Sky jährlich bis zu 16 Mio. Tonnen CO 2 eingespart werden Die Realisierung des Single European Sky ist das größte europäische Klimaschutzprogramm für den Luftverkehr überhaupt! Amsterdam Rom kürzeste Route tatsächliche Route Bild 1: Flugroute Amsterdam nach Rom (gelb eingezeichnet die militärischen Sperrgebiete) Quelle: BDF 25 Abbildung 1 - Langfristige Entwicklung des Verkehrsaufkommens, der Verspätungen auf der Strecke und der durchschnittlichen Gebührensätze Quelle: Berechnung des Europäischen Rechnungshofs auf der Grundlage von Daten von Eurocontrol (Daten bereitgestellt vom Netzmanager und von der Zentralen Gebührenstelle). c) Ferner wurde im Hinblick auf die zentralen umweltbezogenen Leistungsindikatoren (KPI) trotz einer schrittweisen Verbesserung während des gesamten ersten Bezugszeitraums und des ersten Jahres des zweiten Bezugszeitraums die Zielvorgabe für das Jahr 2014 (d. h. ein Überschuss in Höhe von 4,67 % im Verhältnis zur kürzesten Strecke zwischen Abflug- und Ankunftsort) mit 4,9 % verfehlt. Die aktuellsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2016 zeigen eine Unterbrechung der zuvor positiven Entwicklung (4,91 %). 27. Die Leistungsergebnisse auf lokaler Ebene (funktionale Luftraumblöcke (FAB), Gebührenzonen) variieren und hängen von den örtlichen Gegebenheiten ab, nämlich von der geografischen Lage, den rechtlichen und institutionellen Strukturen, der Organisation der Dienstleistungserbringung, den Beschäftigungsbedingungen, der spezifischen Kostenstruktur und den Verkehrsmustern (siehe Beispiele in Kasten 1 100 % 92 % 86 % 86 % 82 % 83 % 82 % 82 % 79 % 79 % 78 % 80 % 78 % 6 000 6 500 7 000 7 500 8 000 8 500 9 000 9 500 10 000 10 500 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 IFR-Bewegungen (in Tausend) Durchschnittliche ATFM-bedingte Verspätung auf der Strecke je Flug in Minuten Entwicklungen des Verkehrs, der Gebührensätze und der Verspätungen auf der Strecke IFR-Bewegungen (in Tausend) Index der Strecken gebührensätze 2004 = 100 (EUR2004) ATFM-bedingte Verspätung auf der Strecke (in Minuten) Erstes SES- Legislativpaket Zweites SES- Legislativpaket Leistungssystem: Erster Bezugszeitraum (2012-2014) und zweiter Bezugszeitraum (2015-2019) ). Bild 2: Langfristige Entwicklung des Verkehrsaufkommens, der durchschnittlichen Gebührensätze und der Verspätungen auf der Strecke Quelle: Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes. Ziffer 24 Flugverkehr POLITIK POLITIK Flugverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 14 Das Konzept der funktionalen Luftraumblöcke sollte deshalb nach den ursprünglichen Zielen nach betrieblichen Anforderungen und nicht aufgrund nationaler Grenzen funktionieren. Durch den andauernden Widerstand der Mitgliedsländer, die ihre nationalen Flugsicherungsorganisationen und deren Beschäftigte schützen wollten, wurde dieses Vorhaben zu einem Konzept der verstärkten Zusammenarbeit aufgeweicht. 12 In keinem FAB wurden bis heute Kontrollzentren zusammengelegt, grenzüberschreitend Dienstleistungen erbracht oder gemeinsame Gebührenzonen errichtet. 13 Die EU-Kommission muss also zu ihrem ursprünglichen Vorhaben zurückkehren und durchsetzen, dass Flugsicherungsorganisationen und im Folgenden auch die Kontrollzentren zusammengelegt werden und deren Anzahl deutlich reduziert wird. Aus einem Benchmark mit der amerikanischen Flugsicherung kann man ableiten, dass in etwa die Hälfte der derzeitigen 38 Flugsicherungsorganisation und 60 Kontrollzentren eingespart werden könnten 14 . Eine ähnliche Auswirkung wäre auch für den Personalstand zu erwarten, so dass der Personalbedarf von den heute beschäftigten 17 000 Fluglotsen über eine gewisse Zeit auf die Hälfte sinken dürfte. Straffung des Leistungssystems Die Einführung des Leistungssystems hat zu einer Erhöhung der Transparenz in der Vielzahl verschiedenster Leistungsparameter geführt und die Flugsicherungsorganisationen bei der Entwicklung einer leistungsorientierten Kultur unterstützt. Dennoch ist dieses System stark verbesserungswürdig. Es fehlt eine Verbindung des Leistungssystems zu den übergeordneten EU-weit geltenden politischen Zielen. Im Sinne einer strategischen Vorgehensweise muss deutlich werden, wie die einzelnen Beiträge des Leistungssystems auf die im Masterplan festgelegten Ziele in den Bereichen Sicherheit, Umwelt, Kapazität und Kosteneffizienz einzahlen. Zudem ist die heutige Praxis des Zielsetzungsprozesses zu aufwändig, zu bürokratisch und benötigt zu viel Zeit. Aufgrund der widerstreitenden Interessen haben weniger ambitionierte Mitgliedstaaten eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Setzen von anspruchsvollen Zielen zu verzögern oder gar zu verhindern. Hinzu kommt die bereits oben aufgezeigte Führungsproblematik zwischen einzelnen Aufsichtsbehörden und ihren Flugsicherungsorganisationen. Obwohl die nationalen Aufsichtsbehörden für die Überwachung der Umsetzung der Leistungspläne zuständig und gemäß Verordnung befugt sind, Inspektionen durchzuführen, findet dies in der Praxis nur unzureichend statt, oftmals weil die notwendige Unabhängigkeit in funktionalen und auch finanzieller Sicht in einigen Ländern nicht gegeben ist. 15 Deshalb sind das bisherige Leistungssystem und die Organisation zu reformieren. Ein unabhängiger europäischer Regulierer sollte die Verfahrenshoheit übernehmen und anstelle des bisherigen aufwendigen Bottom-up-Verfahrens mittels eines Top-down- Ansatzes die übergeordneten EU-weiten politischen Ziele in verbindliche, operative und finanzielle Ziele umsetzen. Die Ziele müssen kaskadenartig für die gesamten ATM-Organisationen herunter gebrochen und kontrolliert werden. Der Regulierer muss auch Maßnahmen ergreifen können, wenn Zielabweichungen auftreten. Weitere Modernisierung der Systeme und der Infrastruktur Eine tragende Säule eines funktionierenden und modernen ATM ist eine europaweit einheitliche technische Infrastruktur. Die EU- Kommission hat mit dem SESAR-Projekt den technologischen Teil der SES-Initiative abgebildet und die Harmonisierung und Modernisierung der ATM-Systeme und -Verfahren mit großer finanzieller Unterstützung begleitet. Bis 2020 werden insgesamt 3,8-Mrd. EUR in Definition, Entwicklung und Errichtung geflossen sein 16 . Leider waren aber 2016 erst 19 % der entwickelten IT-Lösungen in der betrieblichen Nutzung. 17 Es müssen folglich mehr Ressourcen in Implementierung und das Projektmanagement gesteckt werden, um zu einer schnelleren Umsetzung und betrieblicher Verbesserung zu gelangen. Nur mit einer Systemumgebung, die einen hohen Grad an Automatisierung, Visualisierung, Integration zwischen Systemen und Nutzern sowie Informationsaustausch gewährleistet, können alle flugsicherungsrelevanten Planungs- und Steuerungsprozesse so abgebildet werden, dass ein Flug als ganzheitlicher Prozess gesehen wird. Fazit Ein effizientes und ökonomisches Flugverkehrsmanagement ist für die sichere Durchführung des Luftverkehrs, für Mobilität, Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung in Europa unabdingbar. Die Fragmentierung des internationalen Luftraums in kleine, an nationalen Grenzen ausgerichtete, Einheiten und die als nationale Monopole agierenden Flugsicherungsorganisationen bewirken Einschränkungen bei Integration, Interoperabilität und Größenvorteilen und verursachen Flugverspätungen und Annullierungen. Angesichts der offensichtlichen „Win-win-win“ Situation für Kunden, Unternehmen und Umwelt müssen alle Beteiligten in Politik und Wirtschaft ihre Kräfte bündeln und auf eine schnellstmögliche und vollständige Realisierung des einheitlichen europäischen Luftraums pochen. Drei wesentliche Hebel müssen hierzu bewegt werden: Erstens müssen Entscheidungskompetenzen für Flugsicherungsangelegenheiten europaweit auf einen Regulierer übertragen werden, der klare Ziele formuliert, deren Durchsetzung einfordert und kontrolliert sowie notfalls mit sanktionierenden Maßnahmen agieren kann. Zweitens muss die von Anfang geplante Zusammenlegung und Reduzierung von nationalen Flugsicherungsorganisation und Kontrollzentren in Angriff genommen werden, damit Kostensenkung und Produktivitätsverbesserungen erreicht werden. Und drittens müssen mehr Ressourcen in die Entwicklung der Technik investiert werden, um die Basis für ein effizientes und modernes Flugverkehrsmanagement zu schaffen. ■ 1 KOM(1999) 614. Ziffer 5. 2 KOM(1999) 614. Ziffer 11. 3 ^ EUROCONTROL. High Level Summary Report on Preliminary ACE 2016 Data. S. 8. http: / / www.eurocontrol.int/ sites/ default/ files/ publication/ files/ high-level-summary-reportace-2016-data (Zugriff am 29.3.2018). 4 EUROCONTROL Monthly Network Operations Report September 2018. S. 2. https: / / www.eurocontrol.int/ publications/ network-operations-report-september-2018 (Zugriff am 13.10.2018). 5 Europäische Kommission. https: / / ec.europa.eu/ transport/ modes/ air/ single_european_sky_de (Zugriff am 1.3.2018) 6 qEUROCONTROL. High Level Summary Report on Preliminary ACE 2016 Data. aaO. 7 EUROCONTROL. Network Manager. All-Causes Delay to Air Transport in Europe July 2018. https: / / www.eurocontrol.int/ publications/ all-causes-delay-air-transport-europe-july-2018 (Zugriff am 14.10.2018). 8 EUROCONTROL. Network Manager. All-Causes Delay to Air Transport in Europe July 2018. aaO. 9 CDU/ CSU. Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben. Regierungsprogramm 2017 - 2021. S. 21. 10 Koalitionsvertrag vom 07.02.2018. S. 80, Zeile 3711. 11 EUROCONTROL, Industry Monitor vom 20.3.2018. S. 3. http: / / www.eurocontrol.int/ publications/ industry-monitor- 201-march-2018 (Zugriff am 28.3.2018). 12 Artikel 2 Abs. 25 der Verordnung (EG) Nr. 549/ 2004 in der geänderten Fassung aus dem Jahr 2009. 13 Europäischer Rechnungshof. Einheitlicher europäischer Luftraum: Eine veränderte Kultur, aber kein einheitlicher Luftraum. Sonderbericht 2017. Ziffer 46. 14 EUROCONTROL und FAA Air Traffic Organization. Comparison of Air Traffic Management-Related Operational Performance 2015. August 2016. http: / / www.eurocontrol.int/ sites/ default/ files/ content/ documents/ single-sky/ pru/ publications/ other/ us-eu-comparison-2015 (Zugriff am 26.3.2018). S. 21. 15 Europäischen Rechnungshof. aaO. Ziffer 37. 16 Europäischen Rechnungshof. aaO. Ziffer 11. 17 Europäischen Rechnungshof. aaO. Ziffer 72. Dieter Nirschl, Dr. Senior Advisor Travel & Transportation, Unternehmensberatung Arthur D. Little; Dozent Tourismus und Eventwirtschaft, ISM Hamburg dieter.nirschl@t-online.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 15 Standpunkt POLITIK Chancen der Digitalisierung für die deutschen Seehäfen nutzen und Investitionen in die Infrastrukturen optimieren Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Diese Stellungnahme soll den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur darin unterstützen und ermutigen, in der Umsetzung der Chancen der Digitalisierung und ihrer Innovationskraft auch im maritimen Bereich noch wirksamer zu werden. Lesen Sie hier eine kurze Zusammenfassung. Den vollständigen Text der Stellungnahme finden Sie im Web. A ufgrund aktueller und künftiger Herausforderungen an die Leistungsfähigkeit der deutschen Seehäfen insbesondere im Zusammenhang mit Digitalisierung, Automatisierung, Schiffsgrößenentwicklung, Innovationsfähigkeit sowie der Bewältigung von Hinterlandverkehren bedarf es eines Überdenkens der Kommunikations-, Koordinations- und Kooperationspolitiken der Akteure der deutschen Seehäfen sowie der maritimen Wirtschaft und Logistik. So bestehen gerade bei der Bereitstellung und Weitergabe von Informationen entlang der maritim geprägten logistischen Transportketten noch erhebliche Effizienzpotentiale. Es können sich Effizienzverbesserungen etwa durch eine verbesserte Koordination entlang der transportlogistischen Prozessketten, durch eine standortübergreifende Koordination und Kooperation zwischen den Seehäfen sowie durch eine innovative Verlagerung von Kommunikations- und Koordinationsaktivitäten in die Cloud ergeben. Denn die Möglichkeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnologien werden bei weitem noch nicht vollständig genutzt. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen appelliert diese Stellungnahme an den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, die Wahrnehmung der Chancen der Digitalisierung und ihrer Innovationskraft für die deutschen Seehäfen gezielt zu unterstützen. Eine verbesserte digitale Kommunikation und Koordination zwischen den beteiligten Akteuren ist zur Erreichung der oben genannten Effizienzverbesserungen durch ihn nicht nur selektiv, sondern entlang der transportlogistischen Prozessketten und gerade auch bundeslandübergreifend zu motivieren, zu initiieren und in der Umsetzung zu begleiten. Der Wissenschaftliche Beirat sieht dadurch die Möglichkeit, den Herausforderungen zu begegnen und insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Seehäfen und ihrer Hinterlandverkehre durch Effizienzsteigerungen in den Prozessabläufen zu erhöhen. Hohe öffentliche und private zukünftige Fehlinvestitionen in die Infra- und Suprastruktur aufgrund von Partialinteressen können so vermindert sowie die maritime Innovationsfähigkeit gefestigt werden. Daher empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: • Zur Stärkung der Wettbewerbsposition der deutschen Seehäfen eine koopetitive Kommunikations- und Koordinationspolitik unter Beibehaltung der wettbewerblichen Marktgegebenheiten anzuregen und zu begleiten sowie über die Initiierung einer regionalen und gezielt standortübergreifenden digitalen maritimen Dienstleistungsplattform „Smart German Ports“ umzusetzen. • Für eine akteurs- und vor allem standortübergreifende webbasierte Dienstleistungsplattform ist die digitale Infrastruktur angebots- und nutzerneutral mit standardisierten Schnittstellen in die Wege zu leiten und zunächst als digitales Testfeld in die Umsetzung zu bringen. Durch geeignete Maßnahmen ist ein diskriminierungsfreier Zugang zu dieser digitalen Infrastruktur zu gewährleisten. Nur so lassen sich Partialinteressen überwinden. Die Entscheidungsträger in den Bundesländern, den Häfen sowie entlang der transportlogistischen Prozessketten haben dabei noch stärker als bisher über föderale Grenzen hinauszudenken und in eine neue Phase der Kommunikation und der Kooperation einzutreten. Im Oktober 2018 Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur ■ Die komplette Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur finden Sie im Web unter dok44-1901.trialog.de Kontakt: Geschäftsstelle des Wissenschaftlichen Beirats im BMVI Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Referat G 12 - Frau Ursula Clever Robert-Schuman-Platz 1, 53175 Bonn, E-Mail: ursula.clever@bmvi.bund.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 16 Foto: Scott Webb on Unsplash POLITIK Mobilitätsstrategie Experimentierräume für-die-Mobilität der Zukunft Verkehrspolitik, Mobilitätsformen, urbaner Verkehr, ÖPNV, Translationsproblem In Deutschland wird erfolgreich an verschiedensten Zukunftstechnologien im Mobilitätsbereich geforscht. Doch der zügige Erkenntnis- und Technologietransfer in die Praxis funktioniert bisher nur begrenzt oder dauert sehr lange, so dass Bürgerinnen und Bürger nur unzureichend von neuen wissenschaftlichen Errungenschaften profitieren. Mit großangelegten Experimentierräumen in Stadt und Land sollen neue Mobilitätskonzepte und -technologien schneller als bisher aus dem Labor auf Straße, Schiene und Radweg gelangen. Anna Christmann, Stefan Gelbhaar D ie verkehrspolitischen Schlagzeilen des zurückliegenden Jahres zeigen eindrücklich, dass es in Deutschland dringender und umfangreicher verkehrspolitischer Veränderungen bedarf: „Dieselskandal: Audi zahlt 800 Millionen Euro Bußgeld“ 1 , Fahrverbote in Hamburg, Stuttgart, Frankfurt am Main und bald auch Berlin, Bonn, Köln und Aachen, 40 % des innerstädtischen Verkehrs ist Parksuchverkehr 2 , „2018 kam jeder vierte Fernzug zu spät“ 3 , „Deutsche Großstädte investieren zu wenig in sicheren Radverkehr“ 4 . Trotz der Vielzahl an Negativmeldungen sieht die Bundesregierung seit Jahren keinen Anlass, durch deutliche Innovationsanreize ökologische, nachhaltige und soziale Mobilitätsformen für unsere Städte und ländlichen Regionen voranzutreiben. Dabei wollen viele Kommunen die Mobilität der Zukunft zügig auf die Straße bringen und sind bereit, voranzugehen. Die nötigen finanziellen Ressourcen können Städte und Landkreise vielfach nicht allein aufbringen. Um Projekte vernetzter Mobilität, neue Sharing-Dienste oder innovative Wirtschaftsverkehre für die letzte Meile endlich zu ermöglichen und in Pilotregionen unter Realbedingungen zu erproben, braucht es eine gezielte und substantielle finanzielle Unterstützung des Bundes. Wir könnten in Deutschland schon viel weiter sein, wenn wir es schaffen würden, neue Ideen aus der Mobilitätsforschung zügig umzusetzen. Doch die Diskrepanz zwischen dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand und dessen Umsetzung in die Praxis ist enorm. So schafft die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten, Verkehrsträger miteinander zu vernetzen, um Menschen und auch Waren flexibel von A nach B zu bringen - zum Beispiel durch den Einsatz von Bikesharing und E-Tretrollern in Verbindung mit dem ÖPNV und On-demand- Diensten. Auch eine intelligente Verkehrssteuerung und Parkraumbewirtschaftung würden helfen, den städtischen PKW-Verkehr einerseits zu verringern und andererseits, wo notwendig, effizienter zu gestalten. Alle diese Technologien gibt es bereits. Doch der Praxistest und die Implementierung dieser und weiterer innovativer Mobilitätslösungen lassen weiter auf sich warten (Translationsproblem). Breit angelegte Experimentierräume könnten einen substantiellen Beitrag für nachhaltige Mobilität in Stadt und Land leisten und dabei sowohl dem dringlichen verkehrspolitischen Veränderungsbedarf als auch dem eklatanten Translationsproblem der Mobilitätsforschung Rechnung tragen. Sie können einen realen Laborraum schaffen, in dem visionäre Ideen mit neuesten Technologien kombiniert werden, um den Menschen komfortable und effiziente Mobilität in einer intakten Umwelt zu ermöglichen. Sie können Leuchttürme mit hoher Strahlkraft sein und gelebte Utopien für die Mobilität der Zukunft darstellen. Konkret sollen Experimentierräume wie folgt ausgestaltet werden: • Ganze Städte und ländliche Regionen sollen gefördert werden, um dort ganzheitliche und substantielle Veränderungen im Sinne einer umwelt- und klimagerechten Verkehrswende zu ermöglichen. Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 17 Mobilitätsstrategie POLITIK • In einem ersten Schritt sollen durch den Bund fünf Städte und ländliche Regionen mit jeweils bis zu 75 Millionen Euro unterstützt werden, damit diese weithin sichtbare innovative Mobilitätslösungen entwickeln können. • Die Finanzmittel sollen sowohl für konkrete Umsetzungsmaßnahmen (z. B. Mobilitätstechnologien, Infrastrukturmaßnahmen, städtebauliche Maßnahmen) als auch für inter- und transdisziplinäre (Begleit-)Forschung genutzt werden können. • Innerhalb der Experimentierräume sollen notwendige regulatorische Maßnahmen getroffen werden können, um zukunftsweisende Mobilitätstechnologien zeitlich und räumlich begrenzt austesten zu können. • Die auszuwählenden Städte und ländlichen Regionen sollen in einem offenen Wettbewerbsverfahren ausgewählt werden und die Beantragung der Mittel durch die Kommunen zusammen mit Wissenschaftseinrichtungen sowie Partnern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft erfolgen. • Eine starke Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern durch bewährte Beteiligungsformate soll sowohl eine optimale Planung und Umsetzung der verkehrlichen Maßnahmen gewährleisten und gleichzeitig möglichen Akzeptanzproblemen von Beginn an aktiv begegnen. • Um im Projektverlauf die nötigen Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen zu gewährleisten, bedarf es einer unbürokratischen und flexiblen Finanzierung. Viele spannende Ansätze für Experimentierräume im Mobilitätsbereich sind bereits vorhanden. Genannt werden kann hier das städtische „Testfeld Autonomes Fahren“, welches Anfang Mai 2018 im Raum Karlsruhe an den Start ging. 5 Doch gerade dieses Beispiel offenbart die häufige Engführung auf einen bestimmten Aspekt (in diesem Fall das autonome Fahren). Stärker anknüpfen sollte das Format der Experimentierräume an die Reallaborforschung 6 . Denn aktuelle Projekte und Konzepte erfüllen oft nur teilweise die bisher definierten Kriterien. So konnten mit der Förderung von Reallaboren in Baden-Württemberg sehr gute Erfahrungen gemacht werden und dabei Veränderungsprozesse vor Ort weiter verstärkt und transdisziplinär erforscht werden. Positiv zu erwähnen ist auch der durch das BMBF geförderte Wettbewerb „Zukunftsstadt“, welcher Städte und Kommunen unterschiedlichster Größe dabei unterstützt, Zukunftskonzepte für ihre jeweilige Kommune mit einer Vielzahl an Akteuren partizipativ zu entwickeln. Doch bleibt oft unklar, nach welchen Kriterien Städte ausgewählt und gefördert werden. Wir fordern daher, dass es einen Wettbewerb um die besten Ideen und einen transparenten Auswahlprozesses geben muss. Auch bezüglich ihres konzeptionellen und finanziellen Umfangs sind hier die Experimentierräume für innovative und nachhaltige Mobilität deutlich größer gedacht als bisherige Ansätze. Denn nur mit ausreichend finanziellen Mitteln können ganze Städte oder Landkreise auch innerhalb kurzer Zeit neue Verkehrsinfrastruktur aufbauen, die ein Ausprobieren neuer Mobilitätskonzepte unter Realbedingungen ermöglicht. Die Schaffung solcher Erprobungsräume substantieller Größe kann einen entscheidenden Beitrag leisten, um unsere Städte und ländlichen Räume zukunftsfähig zu machen. Darüber hinaus führt die Förderung solcher Experimentierräume dazu, dass das Leben und Wirtschaften in Stadt und Land dauerhaft ökologisch verträglicher, sozial gerechter und ökonomisch tragfähiger als heute sein wird. Auch lässt sich durch solche Räume ein vertieftes Verständnis darüber entwickeln, wo weitere politische, rechtliche, technologische und kulturelle Handlungsbedarfe für innovative, zukunftsfähige Mobilität bestehen. ■ 1 Vgl. https: / / www.zeit.de/ mobilitaet/ 2018-10/ dieselskandal-audi-zahlt-800-millionen-euro-bussgeld 2 Vgl. https: / / www.mobility.siemens.com/ mobility/ global/ SiteCollectionDocuments/ de/ road-solutions/ urban/ solutions-around-parking/ Sitraffic_Guide-de.pdf 3 Vgl. https: / / www.welt.de/ wirtschaft/ article186845224/ Deutsche-Bahn-2018-kam-jeder-vierte-Fernzug-zuspaet.html 4 Vgl. https: / / www.faz.net/ aktuell/ gesellschaft/ menschen/ deutsche-grossstaedte-tun-zu-wenig-fuer-sicheren-radverkehr-15759396.html 5 Vgl. https: / / taf-bw.de/ 6 Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die Förderung von Reallaboren in Baden-Württemberg verwiesen. In den dortigen Forschungsprojekten trifft Wissenschaft auf Praxis mit dem Ziel, vor Ort reale Veränderungsprozesse anzustoßen. Vgl. https: / / mwk.baden-wuerttemberg.de/ de/ forschung/ forschungspolitik/ wissenschaft-fuer-nachhaltigkeit/ reallabore/ Anna Christmann, Dr. MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Berlin anna.christmann@bundestag.de Stefan Gelbhaar MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Berlin stefan.gelbhaar@bundestag.de IDEEN FÜR DIE STADT VON MORGEN www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 Stadt und Energie URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? 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DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Energie, Wasser und Mobilität für urbane Regionen Mieterstrom | Solarkataster | Wärmewende | Regenwassermanagement | Abwasserbehandlung | Mobility as a Service 2 · 2018 Versorgung von Städten URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Zunehmende Verdichtung und konkurrierende Nutzungen Straßenraumgestaltung | Spielraum in Städten | Grüne Infrastruktur | Dach- und Fassadenbegrünung | Stadtnatur 3 · 2018 Urbane Räume und Flächen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Daseinsvorsorge für ein funktionierendes Stadtleben Urbane Sicherheit | Mobilität im Stadtraum | Zuverlässige Wasser- und Energieversorgung | Städtische Infrastruktur 4 · 2018 URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Gesund und sicher leben in der Stadt Gesund und sicher leben in der Stadt TranCit drittel hoch.indd 1 31.01.2019 08: 52: 27 POLITIK Automatisierung Maritim 4.0 - autonom fahrende Seeschiffe Stand und rechtliche Herausforderungen Autonome Hochseeschifffahrt, Zukunft der Schifffahrt An Meldungen über testweise autonom fahrende Autos hat man sich gewöhnt. Der Eindruck ist, dass wir in wenigen Jahren Zeitung lesend Auto fahren und allenfalls noch auf eine automatisierte Warnung hin ins Lenkrad greifen müssen, wenn es das dann noch gibt. Doch wohin geht die Entwicklung auf dem Wasser? Jan Wölper D ie Zukunft der autonomen Schifffahrt tauchte bis vor kurzem in der Presse nur selten auf. Zu unrealistisch mag erscheinen, dass ein Computer nicht die Leistung eines einzelnen Fahrers, sondern das komplette Paket der Leistungen eines Kapitäns, seiner Besatzung, auf der Brücke und im Maschinenraum, die Aufgaben der Lotsen und andere für den sicheren Schiffsbetrieb erforderliche Leistungen übernehmen kann. Und dann plötzlich die Meldung vom November 2018 über die ersten Testfahrten der norwegischen Fähre „Folgefonn“, die ohne menschliches Zutun ein Dock verlassen hat, aus einem Hafen herausmanövriert ist und selbstständig im nächsten Hafen angelegt hat (Bild 1). Anfang Dezember folgte eine weitere Meldung über die in Finnland erstmals vollautomatisch fahrende Fähre „Falco“. Autonome Schifffahrt - quo vadis? Man muss zunächst unterscheiden zwischen dem, was gewollt, und dem, was technisch, sozialpolitisch und rechtlich möglich ist. Das wirklich vollständig autonome Schiff, das selbstständig entscheidet, wo es hinfährt und warum, ist, jedenfalls im Moment, kein verfolgtes Konzept. Auch weitgehende Autonomie ohne jedwede Eingriffsmöglichkeit in die nautischen und technischen Abläufe wird es in den nächsten Jahren vermutlich nicht geben - allenfalls auf Teststrecken oder kurzen Fährstrecken. Doch sie wird kommen! Im militärischen und wissenschaftlichen Sektor gibt es seit langem Fahrzeuge, insbesondere im Unterwasserbereich, die selbstständig fahren. Im kommerziellen Bereich gibt es neben den genannten Fährprojekten verschiedene Projektkonzeptionen zu selbstfahrenden Handelsschiffen, zum Beispiel das Konzept des DNV.GL über ein Foto: pixabay Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 18 Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 19 Automatisierung POLITIK 60-m langes Battery Power Fully Autonomous Short Sea Vessel, das im Modell im Trondheim-Fjord getestet wird. Auch Rolls Royce hat eine Studie über ein autonomes Schiff veröffentlicht, und die Firma Yara Birkeland plant für das Jahr 2020 die erste autonome Fahrt eines 120-TEU-Schiffes in norwegischen Gewässern. Doch was heute oder morgen technisch möglich ist, wird nur Investoren finden und tatsächlich fahren, wenn es rechtlich zulässig ist. In Zusammenarbeit mit vielen nationalen Seerechtsvereinigungen wie dem Deutschen Verein für Internationales Seerecht hat die International Maritime Organisation (IMO) recherchiert, ob und inwieweit gegenwärtiges Seerecht den Betrieb autonom fahrender Schiffe zulässt. Zusammengefasst lautet die Antwort heute: Nein. Weil „Nein“ keine Antwort für die Zukunft ist, arbeitet unter anderem die IMO an einer rechtlichen Lösung, die konkret jedoch noch nicht in Sicht ist. Der Zeitplan allein für die Recherche zu dem, was geändert werden müsste, läuft bis ca. Ende 2020. Grundsätzlich sehen alle bestehenden Regelungen der gegenwärtigen Realität entsprechend vor, dass Schiffe von Menschen betrieben werden, die an Bord sein müssen. Entweder müssen all diese Regelungen angepasst werden, was rechtstechnisch fast unmöglich erscheint, oder es muss ein separates Übereinkommen zur Autonomie in der Schifffahrt geschaffen werden, das sicherstellt, dass zunehmende Automatisierung bis hin zur Autonomie mindestens das Sicherheitsniveau erreicht, das die bemannte Schifffahrt gewährleistet. Realistischer ist, dass sich Autonomie in der Schifffahrt, so wie in der Luftfahrt, politisch nur dann durchsetzen lassen wird, wenn auch das Recht faktisch absolute Sicherheit verlangt, etwa durch mehrfache Redundanzen. Obwohl es als unvermeidlich angesehen und akzeptiert wird, dass tagtäglich Menschen im Straßenverkehr verletzt und getötet werden, zeigt die Reaktion auf die wenigen Unfälle autonom fahrender Autos, dass von autonom fahrenden Autos „verschuldete“ Unfälle nicht akzeptabel sind. Auch die Haftung für Unfälle durch autonome Systeme wird für die Schifffahrt zu regeln sein. Unter den mit dem Thema befassten Juristen scheint die vorherrschende Meinung zu sein, dass Autonomie in der Schifffahrt nur dann akzeptiert werden wird, wenn eine verschuldensunabhängige Haftung des Reeders eingeführt wird. Unter dem gegenwärtigen Recht könnte er sich bei Versagen einer technischen Vorrichtung an Bord seines Schiffes darauf berufen, dass er dieses nicht zu vertreten habe, solange er das Schiff und seine Einrichtungen nur ordentlich gewartet hat. Der Geschädigte stünde bei einem autonomen Schiff vor der unlösbaren Aufgabe nachzuweisen, wem von unzähligen Zulieferern der Systeme, sei es den Hardware-Herstellern oder den Software-Herstellern oder anderen, der Schaden anzulasten ist. Wenn das so ist, warum fahren schon erste Schiffe in Skandinavien? Weil diese Einheiten jetzt und in nächster Zeit nur in nationalen Gewässern fahren. Sie fahren auf begrenzten Testrouten, für die der nationale Gesetzgeber entsprechende Sonderregeln getroffen hat oder treffen wird, ohne dass er sich über neue internationale Übereinkommen, die es in naher Zukunft dazu nicht geben wird, mit den Gesetzgebern anderer Länder auseinandersetzen muss. Auch wenn die Skandinavier „die Nase voraus“ zu haben scheinen, schlafen die entsprechenden Akteure in Deutschland nicht. Viele Unternehmen, Institute, Behörden und andere Teilnehmer sowohl der technischen als auch der politischen und der rechtlichen Szene machen sich sehr konkrete Gedanken und entwickeln konkrete Konzepte zur zunehmenden Automatisierung der Schifffahrt. Die Lösung wird nicht morgen kommen und auch nicht so schnell erforderlich sein. Ein Beispiel für laufende Aktivitäten auf dem deutschen Markt ist die von der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation (DGON) geschaffene Arbeitsgruppe Maritime Autonome Systeme, in der Ingenieure, Wissenschaftler, Vertreter des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie, Juristen und andere gemeinsam Gedanken und Lösungen zu den sehr komplexen Fragestellungen erarbeiten, die sich bei der zunehmenden Automatisierung der Schifffahrt stellen und stellen werden. Dabei geht es auch um die Sozialverträglichkeit, denn auch in der Schifffahrt wird zunehmende Autonomie an einem Ende Arbeitsplätze entbehrlich machen und am anderen Ende hochwertige Arbeitsplätze erfordern, die nur begrenzt von denselben (See-) Leuten besetzt werden können. In jedem Fall wird auch die Schifffahrt in das Personal der Zukunft investieren müssen. Automatisierung hat es in der Schifffahrt in den letzten 100 Jahren immer gegeben, man denke nur an Standortbestimmung durch GPS, die heute die Regel ist, an elektronische Seekarten und an die zunehmende Fernüberwachung von Maschinenanlagen durch entsprechende Sensorik. Und so wird auch die weitere Automatisierung, vielleicht bis hin zu Vollautonomie, in kleinen, aber schnelleren Schritten kommen. Einen solchen Schritt haben wiederum die Finnen vor kurzem mit dem ferngesteuerten Betrieb der Fähre „Suomenlinna II“ unternommen. Bei allen Bedenken, die man gegen zunehmende Autonomie in der Schifffahrt haben kann und die gegenwärtig durchaus berechtigt erscheinen, ist die deutsche Politik gut beraten, Forschung und Entwicklung in autonome Schifffahrt tatkräftig zu unterstützen. Ein Hochlohnland wie Deutschland und letztendlich ganz Europa müssen bestrebt sein, bei technischen Entwicklungen, die mit Sicherheit kommen, nicht auf der Bremse zu stehen, sondern das zu fördern, was hier hochwertige Arbeitsplätze schafft. Und nicht zu vergessen ist, dass Automation in der Schifffahrt, wenn sie einsatzbereit ist, mit großer Gewissheit einen erheblichen Sicherheitsgewinn bedeutet, denn noch immer ist der mit Abstand größte Teil nautischer Havarien auf menschliches Versagen zurückzuführen, zum Beispiel auf Übermüdung. Ein Computer schläft nicht. ■ Jan Wölper Partner, Spezialist für Beratung und Vertretung von Unternehmen der maritimen Wirtschaft, Wirtschaftskanzlei CMS, Hamburg jan.woelper@cms-hs.com Bild 1: Die „Folgefonn“ dockt automatisch an. Foto: Wärtsilä Norway POLITIK Schienenverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 20 Schiene 4.0 Die Vorteile der digitalen Schiene übertreffen deutlich die-Herausforderungen Schiene, Digitalisierung, ETCS, Automatisierung Die Digitalisierung des Schienenverkehrs kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dringend benötigte Kapazitäten zu erhöhen, gestiegene Kundenanforderungen zu erfüllen und gleichzeitig zunehmendem Kostendruck zu begegnen. Sie ist eine große Chance für die Branche. Um sie nutzen zu können, müssen alle Beteiligten koordiniert vorgehen. Das Zukunftsbündnis Schiene auf Bundesebene sollte genutzt werden, um eine Strategie für mehr Schienenverkehr zu entwickeln. Sarah Stark D ie politischen Ziele der Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 und deutlich steigende Marktanteile der Schiene im Güterverkehr sind ohne die digitale Schiene undenkbar. Eine erfolgreiche Transformation der Schiene setzt den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden unter neutraler Leitung des Bundes voraus. Der begonnene Austausch im Rahmen des Zukunftsbündnis Schiene unter Leitung des Beauftragten der Bundesregierung für Schienenverkehr, Enak Ferlemann, MdB, stellt eine große Chance dar. Die Erkenntnisse des Dialogs sollten in eine Strategie münden, die auf der infrastruktur- und fahrzeugseitigen Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik sowie der Stellwerke basiert und die Automatisierung der Prozesse und die Einführung automatisierter Fahrzeuggenerationen vordenkt. Mit dem Bahnsektor als Hochtechnologiebranche stärken wir nachhaltig den Wirtschaftsstandort Deutschland. Herausforderungen Der Mobilitätssektor in Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Nachfrage nach Mobilität wächst sowohl im Güterals auch im Personenverkehr stetig an. Gleichzeitig müssen die sektorspezifischen CO 2 -Emissionen gesenkt und die Stickoxidbelastung insbesondere in den Ballungsräumen deutlich reduziert werden - und alles nach Möglichkeit ohne zusätzlichen Flächenverbrauch. Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen die Mobilität insgesamt sowie Produktionskonzepte und Betriebsabläufe intelligenter durchdacht und realisiert werden. Bund und Branche haben sich dazu bekannt, Deutschland zum Leitmarkt und damit zum Leitanbieter dieser sogenannten Mobilität 4.0 zu machen. Dabei spielt der Schienenverkehr eine Schlüsselrolle. Die weitere Verstädterung wird zu einer gesteigerten Nachfrage im Personenverkehr zuvorderst in dicht besiedelten Ballungsräumen führen. Durch zunehmende Arbeitsteilung wächst der Güterverkehr vor allem auf bereits hoch belasteten Strecken. Damit sind Kapazitätsengpässe absehbar, die allein durch einen Infrastrukturausbau nicht zu lösen sind. Die Bedürfnisse der Kunden haben sich geändert und Anforderungen an Mobilitätsdienstleistungen sind gestiegen. Echtzeitinformationen zu nahtlosen Reise- und Logistikketten rund um die Uhr werden erwartet. Neue Mobilitätsangebote erhöhen den (intermodalen) Wettbewerbsdruck. Den niedrigeren Systemkosten neuer Anbieter stehen steigende Gesamtkosten des Systems Schiene gegenüber. Die Umsetzung der Ziele des internationalen Pariser Klimaabkommens und die Ziele des nationalen Klimaschutzplans 2050 erfordern neue Mobilitätskonzepte. Durch Ersatz- und Instandhaltungsinvestitionen kann das bestehende System zwar bewahrt werden, wird den oben genannten Herausforderungen aber nicht gewachsen sein. Der Schienenverkehr steht vor einem entscheidenden Transformationsprozess, um mehr Personen und Waren pünktlicher, kostengünstiger, umweltfreundlicher, sicherer und flexibler transportieren zu können. Für eine digitalisierte Schiene ist eine strategisch ausgerichtete und flächendeckende infrastruktur- und fahrzeugseitige Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik, die Einführung neuer automatisierter Fahrzeuggenerationen und die Einführung automatisierter Prozesse, wie beispielsweise beim Kuppeln, Be- und Entladen, sowie Disponieren, nötig. Chancen der Automatisierung Für eine höhere Pünktlichkeit, zuverlässigere Anschlüsse, Taktverdichtungen in Ballungsräumen und für bedarfsgerechte Angebote geplanter und spontaner Verkehre, für eine effizientere Kapazitätsausnutzung auf hochbelasteten Strecken sowie eine insgesamt bessere Betriebsstabilität und höhere Kapazität des Schienennetzes sind die Prozesse und Systeme im Schienenverkehr auf einem weit umfangreicheren Niveau als bisher zu automatisieren. Auf diese Weise erhöht sich die Attraktivität des Schienenverkehrs für den Fahrgast und Logistiker deutlich. Gleichzeitig können die Betriebs- und Instandhaltungskosten des Systems gesenkt werden. Weniger Außenanlagen reduzieren die Wartungs- und Instandhaltungskosten. Sensorische Echtzeitüberwachung der Systeme erleichtert deren Wartung vor einem potenziellen Ausfall. Bahnen fahren energie-, fahrplan- oder wartungsoptimiert (z. B. bremsschonend). Weitere Assistenzsysteme reduzieren signifikant menschliche Fehler und steigern dadurch das hohe Sicherheitsniveau des Schienenverkehrs weiter. Schritte zur Automatisierung Automatisierungsgrade im Schienenverkehr Je nachdem, wie viele Abläufe von automatisierten Systemen oder einem Fahrer übernommen werden, spricht man von verschiedenen Automatisierungsstufen (Grades of Automation - GoA). Im Schienenverkehr werden fünf Stufen (GoA 0 bis 4) der Automatisierung unterschieden. Im vollautomatisierten Betrieb erfolgen das Fahren und Anhalten des Zuges, das Öffnen und Schließen der Türen und der unmittelbare Halt des Zuges bei Störungen voll automatisch. Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 21 Schienenverkehr POLITIK Man spricht von der Automatisierungsstufe vier (GoA 4). Bei der Automatisierungsstufe null (GoA 0) wird ohne Zugbeeinflussung und auf Sicht gefahren. Alle Prozesse werden vom Triebfahrzeugführer eingeleitet. In den Stufen eins bis drei unterstützen und überwachen technische Systeme den Menschen und passen beispielsweise die Fahrgeschwindigkeit der Beladung und dem Streckenprofil bzw. der zulässigen Geschwindigkeit an. Gleichzeitig können durch Automatisierung im Bereich der Planung und Disposition enorme Potenziale realisiert werden. Erprobte Technik übertragen Bereits seit den 1980er Jahren fahren U- Bahnen im unbegleiteten Betrieb. Vor allem in Asien, aber auch in London, Paris, Barcelona, Budapest und Kopenhagen verkehren inzwischen voll automatisch fahrende Metros (Bild 1). Weltweit sind mehr als 100 Metrolinien automatisiert. In Deutschland fährt die Nürnberger U-Bahn seit 2008 automatisch. Das fahrerlose System fährt zu 99 % pünktlich und ist hoch flexibel. So können zusätzliche Fahrzeuge bei starker Nachfrage, wie im Vorfeld von oder im Anschluss an Sportereignisse, direkt aus dem Depot eingesetzt werden. Bei 15 % weniger Energieverbrauch konnte die Kapazität um 50 % gesteigert werden. Die kürzeste Zugfolge beträgt 85 Sekunden. Weltweit fahren hoch automatisierte Bahnen, so genannte Peoplemover, auf Flughäfen und transportieren die Flugpassagiere sicher zum gewünschten Gate. Für diese Anwendungsfälle sind die rechtlichen Grundlagen in der nationalen Verordnung für den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) gegeben. Die Herausforderungen liegen nun darin, die Systeme des Nahverkehrs weiter zu entwickeln und auf die Eisenbahn, die aufgrund höherer Geschwindigkeiten und Fahrten im Mischverkehr höheren Anforderungen unterliegt, zu übertragen. Der Regional- und Fernverkehr in Deutschland fährt bislang weitgehend manuell mit Zugbeeinflussung zur signaltechnischen Sicherung, teilweise unterstützt durch Assistenzsysteme zur teilautomatisierten Fahrt (AFB: Automatische Fahr- und Bremssteuerung). Anwendungen sind kurzbis mittelfristig ohne Zulassungsprobleme erweiterbar, da die Steuerung auf dem bestehendem Sicherungssystem aufsetzt und die manuelle Steuerung des Fahrzeuges durch den Fahrzeugführer jederzeit ohne Verzug wieder aufgenommen werden kann. Die Assistenzsysteme unterstützen den Triebfahrzeugführer im Regelbetrieb. Sie berechnen auf Grundlage der aktuellen Geschwindigkeit, der Beladung, des Fahrplans und des Streckenprofils kontinuierlich Fahrempfehlungen, die dem Lokführer helfen, energieeffizient und in der geplanten Fahrzeit unterwegs zu sein. Die technischen Voraussetzungen für die Nutzung automatisierter Steuerungssysteme sind im Hochgeschwindigkeitsnetz prinzipiell vorhanden. Sie sollten auf dem European Train Control System (ETCS) aufsetzen und weiter entwickelt werden. Die Auswirkung auf das Leit- und Sicherungssystem sind so gering wie möglich zu gestalten. In einem Pilotprojekt im Rangierbahnhof München Nord (Bild 2) wird die automatisierte und digitalisierte Zugbildungsanlage getestet. Dabei sollen die Prozessschritte Planung, Disposition, Rangieren, Kuppeln, Prüfung und Abfertigung sowie Vernetzung und Information mit innovativen Ansätzen verbessert werden und Erkenntnisse für die Optimierungsbeispiele vollautomatisches Rangieren, Abdrücken und Kuppeln liefern. Diese Ergebnisse sollten, zusammen mit den Ergebnissen der Pilotprojekte in europäischen Nachbarstaaten, für Weiterentwicklungen genutzt werden. Automatisierung durch Demonstratoren weiterentwickeln Auf entsprechend ausgerüsteten Strecken kann die Automatisierung stufenweise von GoA 2 bis GoA 4 erhöht werden. Dabei sollte der automatisierte Bahnbetrieb (ATO) unabhängig von der darunter liegenden Zugsicherung und -beeinflussung sein. Die Einführung automatisierter Systeme im Schienenverkehr muss schrittweise und parallel zur Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik erfolgen. Durch die schrittweise Ausweitung des Anwendungsbereichs können Erfahrungen für den Betriebsablauf gesammelt und Herausforderungen frühzeitig angegangen werden, lange bevor eine Vollautomatisierung möglich ist. Diese Erfahrungen können als Anforderungen in den parallelen Prozess der Entwicklung eines Zielsystems „Automatisierung“ eingespeist werden. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, sollte frühzeitig der Zielzustand des Automatisierungsgrades festgelegt werden. Die Automatisierungsgrade können in den einzelnen Marktsegmenten (Nah-, Fern- und Güterverkehr), je nach Wirtschaftlichkeit und Nutzen, unterschiedlich eingeführt werden. Inwiefern z. B. bei Strecken des Regionalverkehrs, die bislang über keine kontinuierliche Zugbeeinflussung verfügen, die gleichen technischen Lösungen für die Automatisierung zum Einsatz kommen können, bleibt zu diskutieren. Um jedoch in der Summe den maximalen Effekt zu erzielen, Bild 1: Vollautomatische Metro vom Flughafen „Galileo Galilei“ in Pisa zum Hauptbahnhof Foto: Leitner Ropeways Bild 2: Rangierbahnhof München Nord Foto: Öäüp/ Wikimedia POLITIK Schienenverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 22 sind hohe Automatisierungsgrade in weiten Teilen der Netze erforderlich. Denn durch automatisiertes Fahren, netzweites Planen und Disponieren kann in Summe bei höchster Kapazität die beste Stabilität gewährleistet werden. Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik als Basis der Automatisierung Die Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik sowie der Stellwerkstechnik steht aus technischen und vertraglichen Gründen an. Im Europäischen Umsetzungsplan (European Deployment Plan) zur Leit- und Sicherungstechnik ist die Umstellung von nationalen Systemen auf das gemeinsame Europäische Zugsicherungs- und Leitsystem (ERTMS/ ETCS) vereinbart. Technisch gesehen bildet ERTMS/ ETCS auch die einheitliche Basis für weitere Innovationen wie Assistenzsysteme oder die Erhöhung des Automatisierungsgrades. Schon heute wird die bestehende Linienzugbeeinflussungstechnik (LZB) bei Neu- und Ausbau von Strecken nicht mehr durch den Bund finanziert. Auch im Bestandsnetz ist die LZB ein Auslaufmodell, da die technische Unterstützung zirka 2030 endet. In Deutschland wird das ERTMS/ ETCS die bestehenden unterschiedlichen Sicherungstechniken ersetzen. Eine schrittweise flächendeckende statt linienbezogene Einführung ist volkswirtschaftlich sinnvoll, wie eine entsprechende Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zeigt. Die Finanzierung der Migration muss politische sichergestellt werden und über Legislaturperioden hinweg verlässlich sein und sowohl die streckenals auch fahrzeugseitige Umstellung fördern. Dafür sind neben nationalen auch europäische Mittel zu sichern. Die bestehende EU-Förderung ist auszubauen. Rechtlichen Rahmen weiterentwickeln Neben den technischen und betrieblichen Fragen sind auch rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Bei der Automatisierung ist das Bahnsystem als Gesamtsystem (Fahrzeug und Strecke) zu betrachten, um einen optimalen Lösungsansatz zu gewährleisten. Dies bedarf der frühzeitigen politischen und administrativen Unterstützung durch eine Anpassung der Regelwerke. Um möglichst viele Potenziale nach der Umstellung der Sicherungssysteme auf ETCS nutzen zu können, sind parallel Automatisierungsprojekte zu erproben. Auch über neue Wege in der Zulassung muss nachgedacht werden. Das führerlose Fahren ist bereits heute über den Ausnahmetatbestand für die Erprobung von speziell dafür ausgerüsteten Schienenfahrzeugen als Versuchsfahrten möglich. Soll der Automatisierungsgrad deutlich steigen, ist die Überführung in den Regelbetrieb durch gesetzliche Anpassungen auf europäischer und nationaler Ebene zu erarbeiten. Dabei müssen die automatisierten Systeme die gleiche Sicherheit wie die heutigen Systeme gewährleisten. Transformation durch Forschung unterstützen Für einen automatisierten Schienenverkehr sind zahlreiche Konzeptions- und Entwicklungsaktivitäten auf Infrastruktur- und Fahrzeugseite sowie der Prozesse erforderlich. Sowohl bei der Umsetzung der Demonstratoren als auch in der Migrationsphase bedarf es der Forschungsbegleitung. Dabei müssen betriebliche Fragestellungen und technologische Entwicklungen passfähig gestaltet werden und in einer Einführungsstrategie münden. Strategie mit konkreten Maßnahmen im breiten Dialog erarbeiten Die schrittweise Automatisierung steigert die Effizienz und damit auch die Attraktivität des Schienenverkehrs. Sie hat damit nicht nur positive volkswirtschaftliche Effekte, sondern ermöglicht es, die Umweltbilanz des Mobilitätssektors weiter zu verbessern. Darum müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden das Thema gemeinsam vorantreiben und rasch konkrete Projekte, Demonstratoren oder Pilote für zunehmend automatisiertes Fahren im Nah- und Fernverkehr definieren. Parallel sind regulatorische und rechtliche Fragestellungen sowie die Finanzierung zu klären. ■ HINTERGRUND Automatisierungsstufen im Schienenverkehr Seite 5 Rechtlichen Rahmen weiterentwickeln Neben den technischen und betrieblichen Fragen sind auch rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Bei der Automatisierung ist das Bahnsystem als Gesamtsystem (Fahrzeug und Strecke) zu betrachten, um einen optimalen Lösungsansatz zu gewährleisten. Dies bedarf der frühzeitigen politischen und administrativen Unterstützung durch eine Anpassung der Regelwerke. Um möglichst viele Potenziale nach der Umstellung der Sicherungssysteme auf ETCS nutzen zu können, sind parallel Automatisierungsprojekte zu erproben. Auch über neue Wege in der Zulassung muss nachgedacht werden. Das führerlose Fahren ist bereits heute über den Ausnahmetatbestand für die Erprobung von speziell dafür ausgerüsteten Schienenfahrzeugen als Versuchsfahrten möglich. Soll der Automatisierungsgrad deutlich steigen, ist die Überführung in den Regelbetrieb durch gesetzliche Anpassungen auf europäischer und nationaler Ebene zu erarbeiten. Dabei müssen die automatisierten Systeme die gleiche Sicherheit wie die heutigen Systeme gewährleisten. Transformation durch Forschung unterstützen Für einen automatisierten Schienenverkehr sind zahlreiche Konzeptions- und Entwicklungsaktivitäten auf Infrastruktur- und Fahrzeugseite sowie der Prozesse erforderlich. Sowohl bei der Umsetzung der Demonstratoren als auch in der Migrationsphase bedarf es der Forschungsbegleitung. Dabei müssen betriebliche Fragestellungen und technologische Entwicklungen passfähig gestaltet werden und in einer Einführungsstrategie münden. Strategie mit konkreten Maßnahmen im breiten Dialog erarbeiten Die schrittweise Automatisierung steigert die Effizienz und damit auch die Attraktivität des Schienenverkehrs. Sie hat damit nicht nur positive volkswirtschaftliche Effekte, sondern ermöglicht es, die Umweltbilanz des Mobilitätssektors weiter zu verbessern. Darum müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden das Thema gemeinsam vorantreiben und rasch konkrete Projekte, Demonstratoren oder Pilote für zunehmend automatisiertes Fahren im Nah- und Fernverkehr definieren. Parallel sind regulatorische und rechtliche Fragestellungen sowie die Finanzierung zu klären. Grafik Automatisierungsstufen (Grade of Automation - GoA) nach IEC 62267 (International Electrotechnical Commission, ein Normungsgremium für Elektrotechnik) In der ersten Automatisierungsstufe GoA 1 erfolgt eine manuelle Fahrt mit Zugbeeinflussung, wobei der Fahrer die Fahrt regelt und zuständig für Start, Stopp und Türsteuerungen ist. Der Zug fährt nicht automatisiert, aber einige Parameter der Fahrt können über eine Zugbeeinflussung geregelt werden. In der zweiten Stufe GoA 2 wird im teilautomatischen Zugbetrieb mit Fahrer gefahren. Die Fahrt erfolgt vom Start bis Stopp vollautomatisch, jedoch löst der Fahrer den Start und die Türsteuerung aus und überwacht den Fahrgastwechsel sowie die Abfertigung. Im Bedarfsfall kann er die Fahrsteuerung sofort übernehmen. Die Fahrt in der dritten Automatisierungsstufe GoA 3 erfolgt als begleiteter, fahrerloser Zugbetrieb. Statt einer ständigen Kontrolle durch einen Fahrer übernimmt dies der Zugbegleiter. Dieser ist für die Abfertigung zuständig und kann über ein Notfall-Bedienfeld den Zug kontrollieren. In der vierten und vollautomatischen Stufe GoA 4 erfolgt die Fahrt ohne Fahrer. Es befindet sich kein bahnbetrieblich geschultes Personal im Zug und alle Operationen erfolgen automatisch. Die Leitstelle kann zentral von außen in den Zugbetrieb eingreifen z. B. über Funkschnittstellen. Daher kommt auf das zukünftige Funksystem (Nachfolger des heutigen GSM-R) eine zentrale Bedeutung für die Automatisierung der Bahn zu. Gleiches gilt für die Berücksichtigung und Beherrschung der Cybersicherheits-Anforderungen. In allen vier Stufen wird die netzweite Steuerung und Optimierung von einem Traffic Management System übernommen, auch hier sind verschiedene Ausbaustufen in Anpassung an die Automatisierungsstufen vorgesehen. Sarah Stark Leiterin Europapolitik, Bahntechnologie und Schienenverkehr, Deutsches Verkehrsforum e.V. (DVF), Berlin stark@verkehrsforum.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 23 S o bedeutsam war es noch nie. In den vergangenen Jahrzehnten waren Europawahlen eher politische Ereignisse zweiter oder gar dritter Klasse. Kaum jemand maß ihnen große politische Bedeutung bei. Anders in diesem Jahr: Die neunte Direktwahl zum Europäischen Parlament (EP) im Mai gilt als entscheidender Urnengang. Als einer, bei dem die Wähler über die Zukunft der Europäischen Union bestimmen. Das liegt weniger an der über die Jahre gestiegenen Bedeutung der Institution mit Sitz in Straßburg, dem größten demokratischen Parlament der Welt. Dessen Abgeordnete vertreten knapp 500 Mio. Menschen. Nein, die Europawahl 2019 gilt als die bedeutungsvollste, weil es die erste ist, bei der sich der grundlegende Wandel des Parteiensystems in den EU-Staaten im EP niederschlagen wird. Nach nahezu einem Jahrzehnt, in dem sich die Union fast ununterbrochen im Krisenmodus befand, verlieren etablierte, traditionell europafreundliche Parteien zwischen Finnland und Malta die Unterstützung des Wahlvolks, während europaskeptische und -feindliche Gruppierungen großen Zulauf haben. Deshalb gilt die Europawahl 2019 als Testwahl, die darüber entscheidet, ob die EU ein Zukunftsprojekt bleibt, oder ob sie nach und nach abgewickelt wird. Das hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede Mitte November 2018 vor dem Hohen Haus in Straßburg deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Ansprache kann als Auftakt für den Europa-Wahlkampf gelten. Er hat damit in diesem Jahr früher begonnen als bei den Europa- Urnengängen zuvor. Auch die Spitzenkandidaten (das deutsche Wort hat sich etabliert) der Parteien oder Parteienbündnisse sind schon oder werden deutlich zeitiger bestimmt. Für die bislang größte Dach-Partei im EP, die Europäische Volkspartei (EVP), der die deutschen Unionsparteien angehören, wird der CSU-Abgeordnete Manfred Weber als Spitzenkandidat in den Wahlkampf gehen. Die europäischen Grünen stellten die deutsche EU-Abgeordnete Ska Keller und deren niederländischen Parteikollegen Bas Eickhout als Spitzenkandidaten auf. Die zweitgrößte Gruppe im EP, die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D), der die SPD angehört, wählten den Niederländer Frans Timmermans zu ihrem Frontmann. Er ist derzeit in der EU-Kommission der erste Stellvertreter des Präsidenten Jean-Claude Juncker. Juncker selbst war vor fünf Jahren Spitzenkandidat der EVP. Damals setzte das Parlament zum ersten Mal durch, dass die Abgeordneten den Präsidenten der EU-Kommission aus der Reihe ihrer Spitzenkandidaten wählen. Juncker setzte sich gegen den damaligen Spitzenkandidaten von S&D, den Sozialdemokraten Martin Schulz durch. Es ist zum ersten Mal höchst fraglich, ob EVP sowie S&D ihre traditionelle Dominanz des EP auch nach der Wahl im Mai fortsetzen können. Beide Parteien müssen befürchten, zusammen nicht mehr mehrheitsfähig zu sein. Denn fast bei jeder nationalen Wahl seit 2014 haben die etablierten Parteien an Einfluss verloren. Dagegen haben neue, kleine und fragmentierte Gruppen an Bedeutung gewonnen. Sie sind meist, aber nicht immer europafeindlich. Auch die proeuropäische Bewegung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, „La République en Marche“, gehört dazu. Wie stark die EU-kritischen Kräfte in der nächsten Legislaturperiode auftrumpfen können, hängt davon ab, wie die einzelnen Gruppen an den Wahlurnen abschneiden. Aber entscheidend ist auch, wie die stark fragmentierte Rechte in der Lage ist, sich im Hohen Haus zu Bündnissen zusammen zu schließen. Interessant ist, dass neben dem Erstarken der EU-Skeptiker auch eine zunehmende Sympathie für die EU messbar ist. Das Eurobarometer, eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene, regelmäßige Meinungsumfrage, misst derzeit überraschend hohe Zustimmungswerte von EU-Bürgern für die Union. In Deutschland etwa haben 81 % der Befragten ein positives Bild von ihr. Der Wendepunkt war offenbar der Brexit, der vielen wie ein Schock in die Glieder fuhr. Danach, so ist in Brüssel zu beobachten, beendeten die nationalen Politiker ihr traditionelles „Brussels-Bashing“ weitgehend, die Neigung, das Negative der EU zuzuschieben, das Positive aus Brüssel aber den eigenen Fahnen anzuheften. Und Europäer, die sich in der Welt umschauen, erkennen zunehmend, dass die Union das Beste ist, was ihnen passieren konnte. Ob die Wähler im Mai das Kürzel EU mit dem „goldenen Zeitalter Europas“ (Süddeutsche Zeitung) verbinden oder mit einem bürokratischen Moloch, dem die nationale Souveränität nicht weiter geopfert werden darf, hängt auch davon ab, wie engagiert die Europafreunde ihren Wahlkampf führen. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Bleibt die EU ein Zukunftsprojekt? Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 24 SynCoPark Synergien aus Kooperation und Standardisierung im herstellerunabhängigen automatisierten Parken Automatisiertes Parken, hoch- und vollautomatisiertes Fahren, vernetzte Infrastruktur, intelligente Systeme, Forschungsflughafen, Mobilitätsrecht, Parkhaus Am Forschungsparkhaus am Forschungsflughafen in Braunschweig arbeitet ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie an dem Projekt „SynCoPark“. Dabei wird autonomes Fahren im Umfeld eines Parkhauses erprobt. Das Parkhaus verfügt über die nötige Infrastruktur, um als Testfeld zu dienen. Neben den technischen Herausforderungen der Standardisierung des autonomen Parkens sollen die Ergebnisse als Blaupause für zukünftige Parklösungen dienen. Dies wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, die vor dem Einsatz in öffentlichen Parkhäusern zu klären sind. Marc Engelmann, Philipp Laux A utomatisiertes Parken gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nicht nur im Zusammenhang mit dem automatisierten Parken in Parkhäusern, sondern auch als automatisiertes Valet-Parking oder ferngesteuertes Schlüsselparken. Die genannten Technologien sind Bausteine zur Lösung moderner Mobilitätsprobleme. Der Parkraum in Innenstädten wird immer knapper und teurer. Durch verschiedene Formen der Nutzung automatisierter Parkvorgänge lassen sich vorhandene Parkräume effizienter nutzen und die individuellen Parkraumbedarfe reduzieren. 1 Neben zahlreichen Projekten zum automatisierten und vernetzten Fahren auf Autobahnen und im Stadtverkehr, gilt es auch das automatisierte Parken zu erforschen. Das Projekt SynCoPark befasst sich dabei ausschließlich mit dem automatisierten Parken in einem Parkhaus. Schnittmengen ergeben sich aber zu anderen Technologien des automatisierten Parkens und Fahrens im Rahmen des Übergabepunktes, an dem die manuelle Steuerung des Fahrzeugs auf die Steuerung durch das automatisierte System übergeht. Wenngleich ein Parkhaus häufig von privatwirtschaftlichen Unternehmen betrieben wird, wie im Fall des Parkhauses am Forschungsflughafen (Braunschweiger Parken GmbH), können sich ähnliche Rechtsfragen stellen wie im öffentlichen Verkehrsraum. Das Projekt SynCoPark dient neben der technologischen Forschung auch der Bearbeitung der aufgeworfenen Rechtsfra- Fotos: NFF INFRASTRUKTUR Automatisierung Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 25 Automatisierung INFRASTRUKTUR gen, um in einer unbestimmten Anzahl von Parkhäusern automatisiertes Parken zu ermöglichen. Das Projektkonsortium besteht aus mehreren Partnern aus Wissenschaft und Industrie. 2 Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen der Förderrichtlinie „Automatisiertes und vernetztes Fahren“. 3 Dabei sollen wesentlich neue Ergebnisse gegenüber dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik gewonnen werden und im Speziellen die Ertüchtigung von Parkhäusern mit nachrüstbarer Automatisierungstechnik erprobt werden. Aufgrund der langen Nutzungsdauer vorhandener Parkhäuser ist die Geschäftsmodellentwicklung nachrüstbarer Automatisierungsfunktionen notwendig. Denn eine ausschließliche Anwendung der Technologie in neu errichteten Parkhäusern stünde einer raschen Markteinführung automatisierter und vernetzter Parkfunktionen im Wege. Neben zahlreichen technischen Fragen stellen sich auch diverse rechtliche Fragen. Dabei sind einerseits die generell mit dem automatisierten und vernetzten Fahren verknüpften rechtlichen Fragen zu klären und anderseits auch spezifische neue Probleme, die den Anwendungsfall automatisierter Parkhausfunktionen und dessen Regelung betreffen, zu lösen. Allgemeine Fragen zum autonomen und vernetzten Fahren betreffen alle Rechtsgebiete. Völkerrechtlich sind zulassungsrechtliche Vorschriften 4 und das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr zu beachten. Europarechtlich sind zulassungsrechtliche 5 und datenschutzrechtliche Vorschriften heranzuziehen. 6 Im nationalen Recht sind alle Bereiche, vom zivilrechtlich geprägten Haftungsrecht, über das Straßenverkehrsrecht im öffentlichen Recht bis hin zum Strafrecht von Relevanz. Je nach Ausgestaltung des jeweiligen Parkhauses, der Übergabesituation und dem Zusammentreffen mit anderen Parkhausbenutzern können sich unterschiedliche Rechtsfragen ergeben, die nachfolgend anhand einiger möglicher Überlegungen beispielhaft aufgezeigt werden sollen. Parkhausverkehr Das Projekt bietet die Möglichkeit, bestimmte automatisierte Parkfunktionen im und am Parkhaus am Forschungsflughafen Braunschweig vorzunehmen. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht stellen sich im Zusammenhang mit dem Parkhaus verschiedene relevante Fragen. Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob man die automatisierten Fahrzeuge und die manuell gesteuerten Fahrzeuge trennen kann? Wenn man eine Trennung vornehmen kann: Erstreckt sich die Trennung auf den gesamten Parkvorgang (Übergabepunkt bis Stillstand auf dem zugewiesenen Parkplatz) oder nur auf die letzten Meter, also das Parkdeck? Wie sieht der Übergabepunkt aus? Daran anknüpfend ist zu klären, ob automatisierte Kraftfahrzeuge im automatisierten Betrieb eine Konfliktmöglichkeit mit Passanten und Fußgängern haben. Je nachdem, wie die entsprechende Parkhausinfrastruktur ausgestaltet ist und die obigen Fragen beantwortet werden, können unterschiedliche Haftungsrisiken und Verkehrssicherungspflichten bestehen. Öffentlicher Straßenverkehr? Straßenverkehrsrechtliche Fragen stellen sich nur insoweit, als es sich um öffentlichen Straßenverkehr handelt. 7 Daher wird die Abgrenzung zwischen öffentlichem Straßenverkehr und nicht öffentlichem Verkehr im Zentrum der Bearbeitung stehen. In diesem Kontext können sowohl der Eigentümer des Parkhauses oder die öffentlich-rechtliche Widmung, als auch eine Absperrung durch eine Schranke oder die Notwendigkeit einer vorherigen Registrierung von Bedeutung sein. Sofern man von öffentlichem Straßenverkehr ausgehen würde, würden sich diverse Konflikte mit geltendem Recht ergeben. Da wären einerseits die Vorschriften der StVG zu nennen, die den Betrieb eines Fahrzeugs, in Übereinstimmung mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr 8 , ohne Fahrzeugführer nicht vorsehen. 9 Anderseits könnten auch Vorschriften der aktuellen Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zu Konfliktpunkten führen, sofern automatisierte und vernetzte Kraftfahrzeuge nicht in der Lage sind, den Vorschriften zu entsprechen. Anknüpfend daran und an die Frage, wann es sich um öffentlichen Straßenverkehr handelt oder nicht, ergeben sich auch unterschiedliche Konsequenzen in haftungsrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht. Insoweit wird eine wesentliche Fragestellung sein, ob entsprechende automatisierte Parkhäuser öffentlicher Straßenverkehr sind, oder wie man es ausgestaltet, damit es kein öffentlicher Straßenverkehr ist. Diese rechtlichen Fragen können wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Parkhauses, den „Übergabepunkt“ und den Vertragsinhalt mit den Nutzern haben. Nicht zuletzt könnte es entscheidend dafür sein, ob man Parkhäuser als komplett öffentliche Parkhäuser automatisiert betreiben kann, oder ob man die Parkhäuser nur einem geschlossenen Personenkreis mit vorheriger Registrierung zugänglich machen kann. Datenschutzrechtliche Fragen Bei der Automatisierung der Parkfunktion im Parkhaus stellen sich, wie beim automatisierten Fahren im öffentlichen Straßenraum und Automatisierungsvorgängen generell, datenschutzrechtliche Fragen. Denn die Substituierung der menschlichen Fahr- oder Parktätigkeit geschieht durch ein technisches System oder Systemverbünde, die eine Vielzahl von Daten benötigen. Diese Daten werden zunächst durch die Erfassung des Umfelds und die Lage des Fahrzeugs in diesem Umfeld bestimmt. Im weiteren Schritt folgt die Verarbeitung dieser Daten durch das System und die Ausgabe der Verarbeitungsvorgänge über technische Vorrichtungen, mündend in der automatisierten Fahr- oder Parktätigkeit. Im Parkhaus- Bild 1: Versuchsträger im Parkhaus am Forschungsflughafen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 26 INFRASTRUKTUR Automatisierung umfeld kommen zu den Daten, die für die automatisierte Fahrfunktion durch das Fahrzeug und die parkhauseigene Infrastruktur generiert werden, noch die Daten hinzu, die für die Abwicklung des Vertrages und den Bezahlvorgang entstehen. Handelt es sich bei den entstandenen und verarbeiteten Daten jeweils um personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts, so ist dessen Anwendungsbereich eröffnet. Bei der Verarbeitung von Kameradaten, Zahlungsinformationen und Kundendaten ist von personenbezogenen Daten in diesem Sinne auszugehen. Denn solche sind Informationen, die sich gem. Art 4 Nr. 1 der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Verantwortlicher für die Verarbeitung der anfallenden Daten der Parkhausinfrastruktur ist deren Betreiber, der im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der Daten entscheidet. Herauszunehmen sind dabei die entstandenen Datensätze, die nur durch das Fahrzeug erhoben werden und nicht an die Parkhausinfrastruktur übermittelt werden. Das jeweilige Übermittlungsverhältnis ist im Einzelfall zu betrachten. Nach dem datenschutzrechtlichen Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt ist die Verarbeitung der besagten Daten nur mit Einwilligung des Nutzers zu verarbeiten, wenn kein anderer Erlaubnistatbestand in Betracht kommt, wovon vorliegend auszugehen ist. Sofern die Fahrzeuge sich im öffentlichen Straßenverkehr bewegen, müssten es hoch- oder vollautomatisierte Kraftfahrzeuge i. S. d. § 1a StVG sein. Diese müssten gem. § 63a Abs. 1 StVG Positions- und Zeitangaben speichern, wenn ein Wechsel der Fahrzeugsteuerung vom menschlichen Fahrer zum automatisierten System stattgefunden hat. Eine Übergabe der Fahrzeugsteuerung zur Erledigung des Parkvorganges fiele damit ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Die datenschutzrechtliche Relevanz der Technologie zum automatisierten Parken ist hoch. Jedoch stellen sich auf Grund des abgeschlossenen Umfelds innerhalb des Parkhauses Fragen mit weniger Variablen als im Betrieb automatisierter Funktionen im öffentlichen Straßenverkehr. Parkhäuser mit automatisierter Parkfunktion für die darin abgestellten Fahrzeuge können einen großen Beitrag zur Lösung drängender Probleme des Individualverkehrs leisten. Durch flächendeckende Einführung einer solchen Technologie kann der Parkvorgang ökonomischer und ökologischer umgesetzt werden. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Rechtsfragen sind noch nicht abschließend beantwortet. ■ 1 Mitteilung der Kommission vom 17. Mai 2018 (COM(2018) 283). 2 Niedersächsisches Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) der TU Braunschweig mit dem Institut für Fahrzeugtechnik (IfF), dem Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion (AIP) sowie dem Institut für Rechtswissenschaften (IRW), Apcoa Parking Deutschland GmbH, Edag Engineering GmbH, Goldbeck GmbH, NavCert GmbH, Pretherm GmbH; Assoziierte Partner: Allianz für die Region GmbH, ITS Deutschland GmbH, Leica Geosystems GmbH, Volkswagen AG sowie die BMW Group. 3 BAnz AT 01.09.2017 B2. 4 z.B.: UN/ ECE-R 79. 5 Beispielhaft sei die Verordnung (EG) Nr. 661/ 2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 genannt. 6 Amtsblatt der Europäischen Union, L 119, 4. Mai 2016. Trat am 25.05.2018 in Kraft. 7 Heß in Burmann/ Heß/ Hühnermann/ Jahnke, Straßenverkehrsrecht § 1 StVO, Rn. 5. 8 Art. 8 Abs. 5bis. 9 Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549) geändert worden ist. Marc Engelmann, Ref. iur. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, ,Institut für Rechtswissenschaften, TU Braunschweig; Forschungsreferent der Forschungsstelle Mobilitätsrecht, Braunschweig marc.engelmann@tu-braunschweig.de Philipp Laux, Ass. iur. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Rechtswissenschaften, TU Braunschweig; Forschungsreferent der Forschungsstelle Mobilitätsrecht, Braunschweig p.laux@tu-braunschweig.de Bild 2: Schranke zur Sperrung der Durchfahrt vor einem Parkhaus Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 27 Schienenverkehr INFRASTRUKTUR Mit 300 km/ h durch Indien Machbarkeitsstudie zum Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr in Südindien Indien, Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr, Machbarkeitsstudie, Verkehrsnachfrage, Nutzen-Kosten- Untersuchung, Variantenvergleich Indien ist ein dynamisch wachsendes Land mit einem starken Verkehrswachstum. Um dieses zu bewältigen und zu gestalten, ist ein Ausbau des Eisenbahnnetzes einschließlich der Errichtung von Schnellfahrstrecken auf Hauptachsen sinnvoll. Mit einer stark wachsenden Mittelschicht ist ein dynamisch zunehmendes Nachfragepotential für den Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr vorhanden. In einer Machbarkeitsstudie für den ca. 500 km langen Korridor Chennai - Bengaluru - Mysuru in Südindien wurden mehrere Streckenvarianten u.a. bzgl. der Verkehrsnachfrage und des Nutzen-Kosten-Verhältnisses untersucht. Astrid Janko, Tobias Kluth, Markus Schubert L ange, überfüllte Züge, chaotisches Gedränge an Bahnstationen, Fahrgäste auf Zugdächern und Wartende an Bahndämmen: Dieses Bild wird oft gezeichnet, wenn über den Eisenbahnverkehr in Indien berichtet wird. Dabei leistet das von der Netztopologie her gut strukturierte Eisenbahnnetz Indiens Beachtliches: Auf einem Streckennetz von 67 000 km wurden 2015 über 1,1 Billionen Personenkilometer (Pkm) und fast 700 Mrd. Tonnenkilometer (tkm) geleistet. Zum Vergleich: In der gesamten EU wird auf 213 000- km weniger als die Hälfte dieses Verkehrs abgewickelt (430 Mrd. Pkm und 410 Mrd. tkm). Mit seinen ca. 1,3 Mrd. Einwohnern 2018 [1] ist Indien fast gleichauf mit China das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt und entwickelt sich wirtschaftlich äußerst dynamisch. Entsprechend steigen Verkehrsnachfrage und Motorisierung stark an. Weil der Infrastrukturausbau mit diesem Wachstum nicht Schritt hält, sind die ohnehin überlasteten Verkehrssysteme ständig noch größeren Belastungen ausgesetzt. Dies wird sich künftig voraussichtlich noch verschärfen. Die Eisenbahn als Massenverkehrsmittel stellt heute schon das Rückgrat des Verkehrs in und zwischen den rasant wachsenden Ballungsgebieten dar und ist die beste Alternative, das Verkehrswachstum insgesamt, und dazu noch vergleichsweise umweltschonend, zu bewältigen. Hierzu bedarf es eines massiven Netzausbaus, insbesondere im Hinblick auf eine weitere Steigerung der Transportkapazitäten. Gleichzeitig muss aber auch die Qualität des Eisenbahnverkehrs steigen, wenn dieses Verkehrsmittel in Indien dessen Wirtschaftswachstum absichern soll. Indien entwirft hierzu folgerichtig neben einem generellen Modernisierungsprogramm und einem Ausbau spezieller Güterverkehrskorridore ein HGV-Eisenbahnnetz. Denn hochwertige Verkehrsverbindungen zwischen den großen Städten des polyzentrischen Landes können derzeit auch auf Distanzen um 500 km fast nur (mehr) durch Flugverbindungen sichergestellt werden. Die aber blockieren dringend benötigte Flughafenkapazitäten für Mittel- und Langstreckenflüge, sind umweltpolitisch zweifelhaft und wegen der Lage der Flughäfen außerhalb der häufig schlecht erreichbaren Kernstädte und Stadtzentren auch verkehrlich suboptimal. HGV-Strecken entlasten auch das bestehende Eisenbahnnetz, das dringend für den Personenverkehr im Nah- und Regionalverkehr sowie den Güterverkehr benötigt wird, vom Personenfernverkehr. Sowohl landesweit als auch für einzelne Korridore liegen bereits Studien für HGV- Strecken vor. In einem von der DB Engineering & Consulting GmbH geführten Konsortium haben die Intraplan Consult GmbH und die Vössing Ingenieurgesellschaft mbH im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Mach- Bild 1: Übersicht des Untersuchungskorridors zwischen den Metropolen Chennai, Bengaluru und Mysuru Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 28 INFRASTRUKTUR Schienenverkehr barkeitsstudie Hochgeschwindigkeitsverkehr im Korridor Chennai (Agglomeration fast 9 Mio. Einwohner) - Bengaluru (8 Mio. Einwohner; bis 2014 offiziell Bangalore) - Mysuru (mit Umland 1 Mio. Einwohner; bis 2014 offiziell Mysore) im südlichen Indien erstellt [2]. Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser Studie mit besonderem Fokus auf der Verkehrsnachfrage und der Nutzen- Kosten-Untersuchung erläutert. Der Untersuchungskorridor Chennai - Bengaluru - Mysuru und seine verkehrsgeographische Einordnung in Indien Indiens Bevölkerung, Wirtschaft und Verkehrsnetze zentrieren sich nicht auf eine Stadt, wie z.B. in Frankreich, Thailand oder dem Iran - oder in einem Dipol wie z.B. in Italien oder Brasilien. Indiens Siedlungsstruktur mit großen Städten und Siedlungsregionen verteilt sich über das ganze Land. Insgesamt gibt es mehr als 50 Metropolregionen mit mehr als einer Million Einwohnern in Indien. Indien ist polyzentrisch aufgebaut und in dieser Hinsicht, wenngleich deutlich größer, vergleichbar mit der deutschen Siedlungsstruktur. Der polyzentrische Aufbau spiegelt sich auch in den weitmaschigen, relativ gleichmäßig verteilten Verkehrsnetzen wider. Der hier betrachtete Verkehrskorridor befindet sich im wirtschaftlichen und demographischen Herzen des Südens von Indien, wo sich die drei Bundesstaaten Tamil Nadu, Karnataka und Andhra Pradesh treffen. Aufgrund der relativen Nähe der beiden Megastädte Chennai, Hauptstadt von Tamil Nadu (60 Mio. Einwohner) und der drittgrößten Stadt Indiens, Bengaluru, Hauptstadt von Karnataka (55 Mio. Einwohner), weist dieser aber eine für den HGV gut geeignete Distanz auf. Der Untersuchungskorridor erstreckt sich weiter bis nach Mysuru, siehe Bild 1. Der Untersuchungskorridor (Bild 2) umfasst rd. 43 Mio. Einwohner (2011). Bezogen auf die Wirtschaft ist er mit den beiden Metropolregionen Chennai und Bengaluru die drittgrößte Wirtschaftsregion Indiens nach der Hauptstadt Delhi und dem Finanzzentrum Mumbai. Das im Binnenland befindliche Bengaluru ist das IT-Zentrum Südasiens, während in der zweitwichtigsten Hafenstadt Indiens, Chennai, der Schwerpunkt der indischen Automobil-, Chemie- und Ölindustrie ansässig ist. Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Chennai und Bengaluru ist eines der höchsten in ganz Indien. Auch bei der Analyse der Mittelschicht, die als potentielle HGV-Nutzer in Frage kommt, zeigt sich großes Potential (siehe Bild 2). Besonders in den Millionenstädten gibt es einen größeren Mittelschichtanteil als in den ländlicheren Regionen zwischen den großen Städten. Die bestehende Eisenbahnstrecke zwischen Chennai und Bengaluru ist 360 km lang, zwischen Bengaluru und Mysuru sind es 140 km. Die Bahninfrastruktur im Ist- Zustand ist meist zweigleisig und erlaubt weitgehend eine maximale Geschwindigkeit von 110 km/ h. Indische Züge zeichnen sich durch einen hohen Auslastungsgrad, geringe Durchschnittsgeschwindigkeiten, zum Teil lange Distanzen mit langen Fahrzeiten (mehr als 72 Stunden) und Fahrpläne ohne Vertaktung aus. Personenzüge haben bei einer durchschnittlichen Sitzplatzkapazität von 1500 Plätzen fast durchgehend eine (über) hundertprozentige Auslastung (ICEs in Deutschland haben eine Kapazität von bis zu 900 Sitzplätzen/ Zug). Eine Auslastungssteigerung und eine Erhöhung der Zuglängen (Indien 600 m lange Züge, in Europa maximal 400 m) ist nicht mehr möglich. Die beiden verbleibenden Möglichkeiten einer Steigerung der Platzkapazitäten sind demnach die flächendeckende Einführung von Doppelstockwaggons, die entweder den Aufbau einer modernen LST oder einen modernen Infrastrukturaufbau voraussetzen würde. Die Fahrzeit zwischen Chennai und Mysuru beträgt derzeit mindestens sieben Stunden und ist oftmals mit einem Umstieg in Bengaluru verbunden. Zwischen Bengaluru und Chennai ist in der Regel mit Fahrzeiten von sechs Stunden zu rechnen - sofern die Züge pünktlich sind. Straßenseitig sind die drei großen Städte mit Nationalstraßen verbunden, die, wo sie ausgebaut sind, mautpflichtig sind; wo nicht, sind sie notorisch überlastet. Das gilt generell für die Zufahrten zu den großen Städten. Zwischen Bengaluru und Chennai betragen die Fahrzeiten mit dem Auto fünf bis sechs Stunden, in der Praxis muss man allerdings oftmals mit dem Doppelten rechnen. Von der Verkehrsüberlastung im Straßennetz betroffen ist auch der als Alternative zur Eisenbahn bestehende, dicht getaktete und zum Teil vergleichsweise komfortable Überlandbus-Verkehr zwischen den drei Metropolen. Als Fahrzeiten werden zehn bis 13 Stunden angegeben. Insgesamt sind drei Flughäfen in der Region vorhanden. Die Flughäfen in Bengaluru und Chennai haben nationale und internationale Bedeutung und sind die dritt- und viertgrößten Indiens nach Delhi und Mumbai. Zwischen Chennai und Bengaluru (Flugzeit ca. eine Stunde) bzw. Mysuru (seit 2017 einmal täglich, Flugzeit 1 : 15 h) werden direkte Flüge angeboten. Der Flughafen Bengaluru ist modern und ausbaufähig, leidet aber derzeit unter seiner schlechten Erreichbarkeit. Der Flughafen in Chennai ist mittlerweile durch einen Metro-Anschluss besser erreichbar, inzwischen aber durch rege Siedlungstätigkeit eingerahmt und somit nicht mehr erweiterungsfähig. Die insgesamt 500 km lange Verbindung Chennai - Bengaluru - Mysuru eignet sich als Hochgeschwindigkeitsstrecke • aufgrund der Entfernung, die im HGV- Verkehr mit deutlich kürzeren Reisezeiten als im PKW und, mit Vor- und Nachlauf, auch im Flugzeug bewältigt werden kann, • und aufgrund des hohen Verkehrspotentials, das sich stark auf die drei genannten „Ballungsräume“ in einer Bandstruktur konzentriert. Bild 2: Anteil der Mittelklasse im Untersuchungskorridor 2011 Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 29 Schienenverkehr INFRASTRUKTUR Untersuchungsansatz und Methodik Der Untersuchungsansatz besteht aus einem mehrstufigen Vorgehen (siehe Bild 3). Für den Untersuchungsraum - einerseits ganz Indien und im speziellen der Untersuchungskorridor mit den Bundesstaaten Tamil Nadu, Karnataka und Andhra Pradesh - wurde zunächst eine fundierte Analyse des Status quo vorgenommen. Diese bezog sich auf die sozio-ökonomischen Strukturen, auf die Verkehrsinfrastrukturen und Fahrpläne und vor allem auf die Verkehrsströme im Basisjahr (2015). Für die Berechnung der Verkehrsnachfrage in der Region wurden die Verkehrsangebote und Verkehrsströme für die vier Verkehrsträger Bahn, Straße (motorisierter Individualverkehr), Luft und Überlandbusse erfasst. Aus der Analyse wurde mit Hilfe eines Prognosemodells, das ein Strukturprognosemodell, ein Verkehrsmittelwahl- und ein Umlegungsmodell inklusive Tarifmodell integriert, die Entwicklung der Verkehrsnachfrage für die Prognosejahre 2030, 2040 und 2050 für alle vier Verkehrsmittel im Prognose-Nullfall berechnet. Aufbauend auf dem Prognose-Nullfall wurde der Bezugsfall berechnet, der all jene Verkehrsprojekte (Bahn, Straße, Flughäfen) als in Betrieb unterstellt, deren Realisierung im Zeitraum bis 2030 aus finanziellen, rechtlichen und baulichen Gesichtspunkten als realistisch angesehen wird. Anschließend wurden verschiedene mögliche Routenführungen und Haltepunkte für den HGV untersucht. Dabei wurden je drei Varianten mit reinen Hochgeschwindigkeitsstrecken und drei Varianten mit Mischverkehrsstrecken ausgewählt und intensiver untersucht. Aus den untersuchten Varianten wurde schließlich eine Vorzugsvariante definiert und für eine Implementierung detailliert untersucht. Ergebnisse Fundierte Analyse des Status quo Für die Analyse wurden die Verkehrsströme mittels empirisch fundierter Erhebungen - beispielsweise Auswertungen von Fahrkartenverkäufen (Bahn), Verkehrszählungen (MIV), Fahrplänen (Busse) und Flugplanstatistiken (Luft) - sowie Befragungen erfasst. Somit konnte die Nachfrage und damit das Verhalten der Verkehrsteilnehmer sehr gut abgebildet werden. Generell wurden nur Verkehrsströme > 50 km Distanz untersucht, da nur diese für den HGV relevant sind. Dies ergibt im Untersuchungskorridor rd. 276 Mio. Bahnfahrten, 320 Mio. Autofahrten, 1,6 Mio. Flugpassagiere (zwischen Chennai und Bengaluru) und 244 Mio. Überlandbusfahrten im Jahr 2015. Mit daraus erzeugten Nachfragematrizen für alle vier Verkehrsmittel wurde der Bahnverkehr gemäß dem Fahrplan auf die Bahninfrastruktur umgelegt. Basisprognose Verkehrsnachfrage (Bezugsfall) Im Ergebnis der Nachfrage-Prognosen ist ein sehr dynamisches Wachstum der Nachfrage in allen vier Verkehrsmitteln zu erwarten. Das zeigt einen starken zukünftigen Handlungsbedarf, da bereits heute die Verkehrsinfrastrukturen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Aus verkehrspolitischen und ökologischen Gesichtspunkten sollte auf die Eisenbahn als Verkehrsmittel gesetzt werden. Um den Marktanteil der Bahn künftig zumindest halten zu können, erfordert das künftige Verkehrswachstum eine deutliche Kapazitätserhöhung des Bahnangebots. Dies kann durch einen Ausbau der Leit- und Sicherungstechnik (LST) für die Bahn, durch den Einsatz von Doppelstockzügen und schließlich durch einen Ausbau der Bahninfrastruktur (z. B. Ausbau mit zusätzlichen Gleisen etc.) erfolgen. Eine effektive Möglichkeit, einen attraktiveren Bahnverkehr mit zusätzlichen Kapazitäten und eine weitere Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu erreichen, ist der Einsatz von HGV. Variantenuntersuchung Insgesamt wurden sechs unterschiedliche Varianten im Detail untersucht (siehe Bild-4). Sowohl reine HGV-Strecken als auch die Mischverkehrsvarianten weisen jeweils zahlreiche Vorteile auf. Auf reinen HGV-Strecken können höhere Geschwindigkeiten erzielt werden und der Betrieb verläuft störungsärmer, da keine gegenseitige Beeinflussung mit dem konventionellen Verkehr erfolgt. Mischverkehrsstrecken sind günstiger in den Baukosten und der konventionelle Bahnverkehr kann ebenfalls von den Vorteilen der ausgebauten Mischstrecken profitieren und damit kürzere Fahrzeiten erreichen. Die reinen HGV-Varianten unterscheiden sich von den Mischverkehrsvarianten hinsichtlich Geschwindigkeit, Fahrzeiten und dem für die HGV-Fahrscheine angenommenen Preisniveau. Bei einer Ausbaugeschwindigkeit von 350 km/ h beträgt die Fahrzeit zwischen Chennai und Bengaluru 100 min und zwischen Bengaluru und Mysuru 40 min. Bei den Mischverkehrsvarianten wird gegenüber heute ebenfalls eine niedrigere Fahrzeit von rd. 140 bzw. 90 min Bild 3: Überblick der Untersuchungsmethodik Bild 4: Übersicht der HGV-Varianten Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 30 INFRASTRUKTUR Schienenverkehr Bild 7: HGV-Querschnittsbelastung in Millionen Personenfahrten pro Jahr (Summe aus Richtung und Gegenrichtung) für die Vorzugsvariante 2040 erzielt. Bei allen Varianten entsteht somit ein immenser Fahrzeitgewinn gegenüber der derzeitigen Situation. Mit derzeit zwei direkten Verbindungen zwischen Chennai und Mysuru und einer Fahrzeit von mindestens sieben Stunden können hier mit einer reinen HGV- Strecke Fahrgäste künftig bis zu 4: 40 h einsparen. Unterstellt wurde zunächst ein Stundentakt im HGV (2030), der im weiteren Verlauf zu einem Halbstundentakt verdichtet wird (2050). Das HGV-Preisniveau je Variante ergibt sich aus dem Zusammenspiel der HGV- Fahrzeit einerseits und der Nachfrage bzw. der verfügbaren Kapazität (Sitzplätze pro Zug und Takt) und der angestrebten mittleren Auslastung der HGV-Züge andererseits, siehe Bild 5. Die HGV-Fahrzeit variiert je Variantendefinition (siehe oben), die Kapazität wurde in den Prognoseprämissen fixiert und wird variantenübergreifend festgehalten. Mit einer iterativen Variation des Preisniveaus wurde in allen Varianten ein vergleichbares Auslastungsniveau der HGV- Züge erzielt. Bei den reinen HGV-Strecken kann ein höheres Preisniveau erzielt werden als bei den Mischverkehrsvarianten, da die Fahrzeit deutlich geringer ist und somit eine höhere Zahlungsbereitschaft besteht. In den schnellen HGV-Varianten kann ein durchschnittlicher Fahrpreis von 18,3 Eurocent pro HGV-Pkm erzielt werden (im Jahr 2040 zum Preisstand 2015), dies ist rd. 5 Eurocent höher als bei den Mischverkehrsvarianten. Wie setzt sich der Zustrom neuer HGV- Fahrgäste zusammen? Rund die Hälfte der Fahrgäste wechseln von der konventionellen Bahn zum HGV. Rund ein Drittel wechselt vom Pkw und ein geringer Teil vom Flugzeug und den Fernbussen zum HGV. Wegen der kürzeren Fahrzeit werden rd. 13 % zusätzliche Fahrgäste gewonnen (induzierter Verkehr), siehe Bild 6. Alle Varianten wurden einem volkswirtschaftlichen sowie einem betriebswirtschaftlichen Bewertungsverfahren unterzogen. Bei allen Varianten übersteigt der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen die Kosten deutlich. Den größten Anteil hat dabei der erhebliche Zeitgewinn für die Fahrgäste. Ferner sind eingesparte Betriebskosten von PKW, Bus und Flugzeug sowie eine Reduzierung von Unfällen und eine Einsparung des CO 2 -Ausstoßes zu nennen. Die Bewertungsergebnisse der betriebswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Untersuchung aller Varianten sind sehr positiv (internal rate of return (IRR) > 5). Dies zeigt, dass ein HGV-Projekt im Untersuchungskorridor nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch betriebswirtschaftlich erfolgreich umsetzbar ist und der Korridor mit seinen Entfernungen zwischen den Metropolregionen, der Topographie und der demographischen Entwicklung (insbesondere mit dem künftig weiter steigenden Anteil der Mittelschicht) hervorragend für den Bau einer HGV-Strecke geeignet ist. Dabei stellt sich die „direkteste“ Verbindung als vorteilhafteste Variante heraus. Ein zusätzlicher HGV-Shuttle von Arakkonam zum Pilgerort Tirupati mit durchschnittlich mehr als zwei Millionen Pilgern pro Monat erweist sich ebenfalls als vorteilhaft (Bild 4, dunkelgrüne Linie in der Variantenabbildung). Implementierung der Vorzugsvariante Diese direkte Verbindung zwischen Chennai und Bengaluru auf reiner HGV-Strecke Bild 6: Zusammensetzung der HGV-Nachfrage (Anteile in %) Bild 5: Zusammenspiel Fahrzeit, Nachfrage und HGV-Fahrpreise Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 31 Schienenverkehr INFRASTRUKTUR mit einem zusätzlichen Halt in Koyambedu, das ca. 8 km westlich von Chennai Central liegt, wurde als Vorzugsvariante detailliert für eine Implementierung untersucht. Im Bau wäre eine Mischverkehrsvariante in Summe billiger, aber in Bezug auf den Nutzen haben reine Hochgeschwindigkeitsstrecken Vorteile, die in Bau, Betrieb und Wartung sowie in den höheren Fahrgeldeinnahmen liegen. Während des Baus sind keine Streckensperrungen auf den konventionellen Strecken nötig und der Betrieb kann dort ohne Unterbrechnungen weiter durchgeführt werden. Die Wartung mit der Instandhaltung kann ohne Beeinträchtigung des konventionellen Verkehrs ausgeführt werden. Die Realisierung der HGV-Strecke wurde in Indischer Breitspur (1676 mm) und in Standardspur (1435 mm) mit jeweils drei Bauphasen untersucht. In den letzten Jahrzehnten wurde das Indische Eisenbahnnetz vereinheitlicht und ist inzwischen überwiegend mit Indischer Breitspur ausgestattet. Bereits 2028 könnte der erste Abschnitt der HGV-Strecke zwischen Koyambedu (westlich des Zentrums von Chennai) und Baiyappanahalli (östlicher Vorort von Bengaluru) in Betrieb gehen. Beide Stationen sind mittels Metrolinien an die Stadtzentren angebunden. Bis 2033 könnte die Anbindung des Zentrums in Chennai mittels Tunnel erfolgen und bis 2038 könnte der Endausbau von Baiyappanahalli über Bengaluru nach Mysuru fertig gestellt werden. Wegen deutlicher Vorteile gegenüber einer Variante in Standardspur ist eine Realisierung in Indischer Breitspur sinnvoll, sowohl bei Teil-Inbetriebnahme als auch im Endausbauzustand. Bereits ab der ersten Bauphase können bei Implementierung in Indischer Breitspur HGV-Züge über die reine HGV-Strecke hinaus weitere Bahnhöfe anbinden. Innerhalb der Studie wurde dies mit direkten Verbindungen zwischen Chennai und Mysuru ab Inbetriebnahme des ersten Bauabschnitts unterstellt. Hier sind-aber auch Netzverknüpfungen an zentralen Knotenbahnhöfen mit zusätzlichen Fahrtangeboten über den Korridor hinaus denkbar. Bild 7 zeigt die HGV-Nachfrage der Vorzugsvariante in Mio. Personenfahrten/ Jahr im Endausbauzustand (2040). Ausblick Die Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass das bevölkerungsreiche, stark wachsende Indien mit seiner polyzentrischen Struktur und im Besonderen der Untersuchungskorridor (Chennai - Bengaluru - Mysuru) bestens für Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr geeignet ist. Das HGV-Projekt trägt sich wirtschaftlich. Ein angemessenes Preisniveau für Fahrscheine der HGV-Züge ist erzielbar. Aus betriebswirtschaftlicher und aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Bewertungsergebnisse sehr positiv. Ein Bau der Strecke in Indischer Breitspur bietet zahlreiche Vorteile, was die Netzverknüpfung betrifft, und wird daher empfohlen. Der Bau und der Betrieb der Strecke werden in der Region zu einer Vielzahl neuer Arbeitsplätze führen und wären ein weiterer Baustein, die Region Chennai - Bengaluru als drittes indisches Wirtschaftszentrum nach der Hauptstadtregion Delhi und dem Finanzzentrum Mumbai zu festigen. Die Verknüpfungen der untersuchten HGV-Strecke mit weiteren anschließenden HGV-Strecken in Richtung Westen (Mumbai) oder von Chennai ausgehend entlang der Küste in Richtung Norden sind vielversprechend und bieten in Zukunft eine Möglichkeit, das weiter zu erwartende starke Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in Indien mit einem umweltschonenden Verkehrsmittel zu bewältigen. ■ LITERATUR [1] Indien: Gesamtbevölkerung von 2008 bis 2018. Online unter https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 19326/ umfrage/ gesamtbevoelkerung-in-indien/ , Stand 13.09.2018 [2] DB Engineering & Consulting GmbH, Intraplan Consult GmbH und Vössing Ingenieurgesellschaft mbH, 2018: Feasibility study High- Speed Rail in India, Corridor: Chennai - Bengaluru - Mysuru Tobias Kluth, Dipl.-Math. oec Verkehrsplaner bei Intraplan Consult GmbH, München tobias.kluth@intraplan.de Markus Schubert, Dr.-Ing. Geschäftsführer bei Intraplan Consult GmbH, München markus.schubert@intraplan.de Astrid Janko, Dipl.-Geogr. Verkehrsplanerin bei Intraplan Consult GmbH, München astrid.janko@intraplan.de The 47 th European Transport Conference Annual Conference of the Association for European Transport 09-11 October 2019 Dublin Castle, Ireland @EuTransportConf www.aetransport.org AET European Transport Conference (ETC) Call for Papers - Deadline 05 February 2019 Organised by the Association for European Transport (AET), the European Transport Conference connects the worlds of research, consultancy, policy and practice. We now invite Abstract Submissions for the 2019 European Transport Conference. The following major themes will be addressed at the Conference in 2019 and contributors are particularly encouraged to offer abstracts under these headings: • Big data - its use in, and implications for, network resilience, control centres, cities, climate change, emissions, mobility as a service, smart cities. • System dynamics representation of complex systems in modelling without detailed data. • Climate change • Aviation • Autonomous vehicles looking beyond the technology. What are the implications for accessibility, equity, traffic management, business models? We also welcome papers that fit within our Programme Committee’s areas of interest. The Programme Committees have also produced their own Calls for Papers which highlight specific areas of interest. Details of the Progamme Committees, instructions on how to submit a paper, and more information about the Conference, can be found at: www.aetransport.org The deadline for receipt of abstracts is 05 February 2019 For more information, please visit: www.aetransport.org Or email: sally.scarlett@aetransport.org J000237 Call for Papers Internationales Verkehrswesen advert 88x126 v1.indd 1 10/ 12/ 2018 17: 27 Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 32 LOGISTIK Brexit Rotterdamer Hafen bereitet sich auf den Brexit vor Außenhandel, Seeschifffahrt, Zollunion, Shortsea-Verkehr Wenn es hart auf hart kommt, hat der Hafen Rotterdam schon sehr bald eine EU-Außengrenze zum neuen Drittstaat Großbritannien. In die politische Glaskugel kann niemand schauen. Es bleibt nur, sich gemeinsam mit allen Partnern in der Supply Chain auf den schlimmsten Fall vorzubereiten und auf ein besseres - oder weniger negatives - Ende zu hoffen. Mark Dijk W enn nicht das Wunder eines Nicht-Brexits geschieht, gibt es eine Fülle von Szenarien, wie die neue EU- Außengrenze aussehen wird. Je nach Verhandlung befinden sich zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrages Hard- oder Soft- Brexit und eine unbekannte Menge an möglichen Einzelabmachungen im Bereich des Möglichen. Ebenso stehen auch die Regelungen des Warenverkehrs nach den Vorschriften der Welthandelsorganisation im Raum. Auch der tatsächliche Tag X ist noch nicht klar, als dieser Artikel verfasst wird. Doch selbst wenn es einen Aufschub geben sollte: Alle Szenarien werden sich auf den Warenumschlag am Hafen auswirken, weil Großbritannien aller Wahrscheinlichkeit nach zum Drittland wird. So auf die Menge der Warenströme. Schon zuletzt spürte der Hafen Rotterdam etwa eine gewisse Unsicherheit im Transport. So fiel im dritten Quartal 2018 das Wachstum im Shortsea-Volumen etwas geringer aus als das der Containerströme: Gerade das Volumen nach England sank wohl durch die gedrosselte Entwicklung der britischen Wirtschaft. Das niederländische Statistische Amt (Centraal Planbureau - CPB) hat 2016 errechnet, dass ein Brexit die mit Großbritannien eng vernetzte Wirtschaft der Niederlande relativ hart treffen kann. Nach Meinung des CPB wird der Einfluss auf die Industrien in den Bereichen Lebensmittel, Chemie, Kunststoff und Gummi, Elektronik, Transportmittel sowie Metall- und Mineralindustrie am größten sein. Dieser Handelseffekt des Brexits auf den Seetransport von und zu den niederländischen Häfen kann bedeutend ausfallen, wie aus dem Bericht „Gaan we het schip in? “ des Fachinstituts für Mobilitätspolitik vom 08.02.2018 hervorgeht. Bei der Einschätzung dieses Effekts wurden die Brexit-Handelsszenarien des CPB als Ausgangspunkt genommen. Was den ausgehenden Transport betrifft, wird der Effekt des Austritts für alle niederländischen Häfen auf - 4,4 % bei einem ungünstigen und - 2,6 % bei einem günstigen Szenario geschätzt. Sollten keine Vorkehrungen getroffen werden, dann würden die Folgen für den Hafen Rotterdam deutlich spürbar sein. Schließlich ist das Vereinigte Königreich nach Russland vom Volumen her das zweitwichtigste Herkunftsland für über das Meer an- und abtransportierte Güter. Beim Gesamtumschlag steht Großbritannien nach Deutschland, Belgien und Russland mit etwa 40 Millionen Tonnen und einem Anteil von rund 8,5 % im Rotterdamer Hafen an vierter Stelle. Betroffen wären vor allem Shortsea-Fracht in den Bereichen Roll-on/ Roll-off (RoRo)-Ladung, Container und flüssiges Massengut. Der britische Export in die Niederlande besteht vor allem aus flüssigem Massengut (insbesondere Nordseeöl) sowie aus Shortsea- und RoRo-Ladung. In diesen Bereichen wird es also die größten Engpässe geben, immer hoffend, dass der Warenverkehr nicht deutlich geringer wird. Mehraufwand in der Abfertigung Bestimmte Güter werden besonders vom Brexit betroffen sein. Dazu gehören vor allem Lebensmittel oder andere Tier- und Pflanzenprodukte. Hier ergibt sich der Mehraufwand nicht nur durch die Verzollung, sondern auch durch notwendige medizinische Untersuchungen und Überwachung. Schließlich sorgt die EU an ihren Handelsaußengrenzen auch für Verbrauchersicherheit. Für Waren aus dem Vereinigten Königreich gelten dann dieselben Überprüfungsanforderungen wie für andere Staaten aus Übersee. Außerdem muss frisches Gut wie Lebensmittel durch die verzögerte Abfertigung und Formalien nun länger gelagert werden. Geht man von einer verlängerten Verweildauer einer Ware um mindestens einen halben Tag aus - wie unsere Partner am Hafen einkalkulieren -, dann muss einen halben Tag länger Ware gelagert und even- Der RoRo-Verkehr nach Großbritannien im Brexit-Brennpunkt Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 33 Brexit LOGISTIK tuell gekühlt werden. LKWs werden länger parken müssen, zumal wenn die Zollpapiere nicht korrekt vorliegen. Um diesen Rückstau zu bewältigen, verhandelt der Hafenbetrieb mit Terminalbetreibern und umliegenden Gemeinden über die Realisierung zusätzlicher Parkplätze für LKW-Transporte auf den Terminals und in ihrer Nähe. Das Hauptproblem liegt aber im Mehraufwand durch die notwendige Zollabfertigung. Hier wird die ganze Supply Chain sich neu aufstellen müssen. Die Folgen werden wir vom Hafenbetrieb auch zu spüren bekommen. Denn nach dem bewährten freien Handel der letzten Jahre haben viele Unternehmen kaum noch mehr Erfahrungen mit Zolldeklarationen. Der niederländische Zoll schätzt die Zahl der Unternehmen in den Niederlanden ohne jede Erfahrung in diesem Bereich auf 35 000. Der Verzollungsprozess startet nun aber nicht erst am Terminal oder in der Reederei, sondern schon beim Verlader. Konkret bedeutet dies zum Beispiel im schlimmsten Fall, dass ein deutscher Verlader ohne Zollnummer oder korrekte Umsatzsteuererklärung keinen Zugang zum Terminal in Rotterdam hat. Trainieren für die Außengrenze Es gibt also für alle Beteiligten viel zu tun. Viel Zeit haben sie dabei nicht. Unsere Umfragen im September 2018 ergaben, dass nur rund 18 Prozent der befragten Unternehmen sich bereits auf den Tag X vorbereiten. Seitdem hat die Zahl sich etwas verbessert, aber zu viele Unternehmen warten noch ab. Auch die Häfen müssen sich vorbereiten und tun dies. Ein Hafen kann den Brexit- Betrieb simulieren. Vollkommene Planungssicherheit bieten solche Simulationen natürlich nicht. Das liegt auch daran, dass man nur wenig weiß, wie sich die englische Seite darauf vorbereitet und wie sich die Hafenstruktur zwischen den Westhäfen und Großbritannien entwickelt: Bisher gab es auf englischer Seite viele kleine und auf festländischer Seite wenige große Häfen. Hier mag es Verschiebungen geben. Mit einer Brexit-Simulation lassen sich aber mögliche Engpässe erkennen. Der Hafen Rotterdam hat im vergangenen Dezember und Januar solche Dry Runs durchgeführt, um Engpässe zu lokalisieren. Ergebnisse wurden etwa an Stadtgemeinden im Umland und Verkehrsplaner weitergeleitet. Auch Dover hat eine solche Simulation durchgeführt. Zudem müssen Häfen ihre Infrastruktur darauf ausrichten, dass längere Umschlagzeiten neue Lagerungskapazitäten oder Parkplätze für LKWs erfordern. Um diese Folgen abzumildern, verhandeln der Hafenbetrieb und die Rotterdamer Behörden mit Terminalbetreibern und umliegenden Gemeinden über die Realisierung zusätzlicher Parkplätze für LKW-Transporte auf den Terminals und in ihrer Nähe. Zudem müssen Hafenbehörden auch mit den Partnern vor Ort am Hafen zusammenarbeiten. Ein solcher Partner ist etwa das Coolport-Terminal, welches die gekühlte Lagerung frischer Waren ermöglicht. Wichtigster Partner für alle Beteiligten wird aber der Zoll sein. Der niederländische Zoll geht von enormer Mehrbelastung durch die große Zunahme an Deklarationspflichten aus. Zusätzlich sind nun die Ladungen von 10 500 Schiffen zu verzollen. Daher hat hier die Rekrutierung neuer und das Training vorhandener Mitarbeiter begonnen. Vor allen die Zollbehörde, aber auch die niederländische Lebensmittel- und Warenbehörde suchen neue Mitarbeiter. Ebenso wichtige Partner sind die Mitglieder der gesamten Supply Chain bis hin zum Verlader, die Zugang zu effektiveren, sicheren und fehlerfreien Zollabläufen erhalten müssen. Um die Geschwindigkeit der Deklarationsprozesse zu optimieren, bedarf es digitalisierter, automatisierter Prozesse, die in Echtzeit über alle Informationen und Dokumente verfügen. Solche Informationsplattformen fördert der Hafen Rotterdam schon lange, so zum Beispiel Portbase, über das alle wichtigen Dokumente für eine Abfertigung von Ladungen allen Beteiligten in stets aktualisierter Form zur Verfügung stehen. Da RoRo und die Shortsea Terminals noch nicht über die Kommunikations-Infrastruktur verfügten, die für Drittländerverkehr erforderlich ist, hat der Hafenbetrieb Rotterdam über Portbase mit einem Anschluss an ein solches ICT-System geholfen, welches - wie bei den Containerterminals die Formalitäten vollständig automatisiert und Verzögerungen minimiert. Wichtig ist natürlich auch die Aufklärung aller Partner etwa durch Online-Informationsplattformen. Zudem arbeiten der niederländische Zoll, die Hafenbetriebe von Amsterdam und Rotterdam, den Fährunternehmen und den Shortsea-Terminals seit September 2018 an einer niederländischen Branchenlösung für den Brexit in den niederländischen Häfen, die der EU-Gesetzgebung entspricht. Alle Informationen gehen der Fracht sozusagen voraus. Sowohl für den Shortsea-Verkehr als auch für den Fährverkehr entsteht ein Zugang für alle Terminals. Auf diese Weise wird eine intelligente Beaufsichtigung des Zolls möglich, mit minimaler Beeinträchtigung des Prozesses, für weitere Informationen oder eine Anmeldung steht eine Website zur Verfügung: https: / / www.getreadyforbrexit.eu/ de/ . Alles in allem gibt es also Möglichkeiten, sich auf den Brexit vorzubereiten - am besten auf den schlimmsten Fall eines ungeordneten Brexits. Positiv ist die Entwicklung nicht. Es geht darum, dass sie einen weniger negativen Verlauf nimmt als zu befürchten. Mittel- und langfristig kann die Wiedereinführung von Handelszöllen zu Veränderungen in Produktion und Distribution führen, was geringere Handelsströme nach sich ziehen könnte. Sie bietet Rotterdam jedoch auch Chancen, etwa wenn Unternehmen ihre Tätigkeit notgedrungenermaßen aus Großbritannien nach Rotterdam verlegen. Dabei arbeiten der Hafen und die Stadt Rotterdam dann eng zusammen. ■ Mark Dijk Manager External Affairs, Hafen Rotterdam pers@portofrotterdam.com StenaLine-Fähre, als Linienschiff unterwegs auf dem Ärmelkanal Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 34 LOGISTIK Standpunkt Wie sieht die Zukunft der Transportlogistik aus? Umweltaspekte gewinnen im Transportwesen immer stärker an Bedeutung. Politik und Öffentlichkeit zwingen die Branche mit scharfen gesetzlichen Vorgaben, steigenden Erwartungen und einem kritischen Bewusstsein zum Handeln. Alexander Heine, Geschäftsführer der CM Logistik Gruppe aus Stuhr bei Bremen, über die neuen und sich wandelnden Erwartungen an Speditionsunternehmen. D ie Ansprüche an Transporte steigen seit Jahren. Waren sollen weltweit immer schneller zur Verfügung stehen, Lieferungen müssen bei zeitkritischen Gütern oft minutengenauen Punktlandungen gleichkommen. Trotz kontinuierlich wachsendem Verkehrsaufkommen führen die Lieferwege dabei vermehrt über die Straße. Bis 2030 wird der LKW- Güterverkehr im Vergleich zum Jahr 2010 um fast 40 % zulegen. 1 Sicherheitsanforderungen, streng begrenzte Lenk- und vorgeschriebene Ruhezeiten, teils schwierige infrastrukturelle Bedingungen sowie ein hoher Konkurrenzdruck kommen hinzu. Zusätzlich treiben drohende innerstädtische Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vor der Euro6-Generation die Erneuerung von Transportflotten voran. Eine der mittlerweile größten Herausforderungen unserer Branche ist somit der Faktor Umwelt. Dieser zwingt die Logistik zum Handeln und Umdenken. Umweltfragen entscheiden über die Zukunft der Branche Umweltbewusstsein und Fragen der Nachhaltigkeit stehen aktueller denn je im Fokus des öffentlichen Interesses. Auch Logistikunternehmen sind künftig gezwungen, sich neuen Technologien und alternativen Antriebsmöglichkeiten zu öffnen. Fakt ist: Dieselbetriebene Fahrzeuge stellen eine Belastung für die Umwelt dar. Durch das starke Wachstum der LKW-Transporte vergrößert sich der ökologische Fußabdruck der Logistikbranche, entsprechend steigt der Druck, weniger umweltschädliche Antriebsarten zu nutzen. Ich sehe unser Gewerbe daher in der Pflicht, im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft nach Alternativen zu suchen und sich neuen Konzepten und Ideen gegenüber gesprächsbereit zu zeigen. Hier denke ich vor allem an das Flüssigerdgas (Liquefied natural gas, kurz LNG), das als umweltfreundlicher, aber dennoch leistungs- und reichweitenstarker Treibstoff für die Zukunft der Logistikbranche eine große Rolle spielen wird. Im Vergleich zu Dieselmotoren entfallen die Emissionen von Feinstaub und Schwefeloxid bei Verwendung von LNG beinahe komplett, die Stickoxid-Emissionen liegen neuesten Studien 2 zufolge deutlich unter den durch die Verbrennung von Diesel hervorgerufenen Werten. Auch der CO 2 - Ausstoß fällt gegenüber Diesel - abhängig von der Effizienz der Beschaffungs- und Bereitstellungskette - um bis zu 22 % niedriger aus. Mit Beimischung von regenerativ erzeugtem Methan wäre gar eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um etwa ein Drittel möglich. Zusätzlich zeichnet sich LNG durch eine geringere Lärmbelastung aus. In finanzieller Hinsicht kann sich der Betrieb ebenfalls lohnen, da sich die Tagespreise für Flüssigerdgas auf dem Niveau der Dieselkosten bewegen. Erheblicher Nachholbedarf besteht allerdings in der Versorgung. Eine entsprechende Infrastruktur mit flächendeckend erreichbaren LNG-Tankstellen, vor allem entlang der Haupttransportrouten, sollte schnellstmöglich aufgebaut werden. Dank politischer Maßnahmen kann eine zeitnahe Anschaffung dennoch interessant sein: Bis 2020 fördert das Bundesverkehrsministerium den Kauf von LNG-betriebenen LKW pauschal mit bis zu 12 000 EUR pro Fahrzeug und befreit sie für diesen Zeitraum zusätzlich von der Maut. Energiepolitisch ist das Transportwesen also bereits heute in der Lage, mit LNG-Antrieben zum Klimaschutz beizutragen. Hier ist wiederum die Politik gefragt, die ökologischen Herausforderungen durch eine entsprechende Bereitstellung von LNG so zu managen, dass sie mit unseren wirtschaftlichen Zielen langfristig in Einklang zu bringen ist. E-Mobility mittelfristig kein Thema für Containerlogistik In Sachen elektrischer Mobilität hingegen steht die Entwicklung noch ganz am Anfang, da E-LKW für Langstreckenlieferungen derzeit noch überhaupt kein Thema sind. Es fehlt hier an verlässlichen und konstant großen Reichweiten, die an jene der Dieselfahrzeuge heranreichen. Auch kurze Akkuladezeiten und kleine, kompakte Batterien sind für einen rentablen Betrieb zwingend erforderlich. Hier steckt die Entwicklung jedoch anscheinend noch in den Kinderschuhen. Solange elektrisch betriebene LKW mit einer Aufladung nur wenige Hundert Kilometer weit kommen, sind sie höchstens für kurze Strecken relevant, etwa im innerstädtischen Vertei- Foto: Hauke-Mueller-Fotografie Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 35 Standpunkt LOGISTIK lerverkehr. Zudem lassen sich zeitkritische Lieferungen kaum realisieren, wenn die Fahrzeuge mitten auf dem Lieferweg stundenlang aufladen müssen - von einer ungenügend ausgebauten Ladeinfrastruktur wiederum ganz zu schweigen. Und obwohl der Bund auch den Erwerb von E-LKW mit 40 000 EUR bezuschusst, sind Anschaffung und Betrieb vor allem in der Containerlogistik, wo lange Wege zum Tagesgeschäft gehören, derzeit wirtschaftlich nicht ansatzweise lohnenswert. Denn auch, wenn unser Geschäft gerne grüner werden möchte und es das auch muss, bleibt unsere oberste Priorität die Wirtschaftlichkeit. Erst wenn sich Umweltschutz mit der ökonomischen Notwendigkeit vereinbaren lässt, kann die Logistikbranche auch mit dem Einsatz elektrischer LKW dazu beitragen. Ob dies jemals der Fall sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch äußerst fraglich. Hier kommt es nicht zuletzt auf die Innovationsfähigkeit der Autobauer an, das elektrische Fahren auch für Transportunternehmen im Schwer- und Fernverkehr rentabel zu gestalten. Effizienz für wirtschaftlichen und ökologischen Erfolg Als eine vielversprechende Möglichkeit zur Dezimierung der riesigen Anzahl an LKW auf den Straßen gilt der Einsatz von Longlinern. Diese LKW mit einer Gesamtlänge von 25,25 m verfügen über ein sehr großes Ladevolumen und ermöglichen einen effizienteren Güterverkehr. So kann der Einsatz von zwei Longlinern drei LKW von normaler Größe ersetzen, wovon wiederum die Umwelt durch eingesparte Fahrten und weniger CO 2 -Emissionen profitiert. Derzeit gelten hierfür jedoch äußerst eingeschränkte Zulassungsrechte auf streng begrenzten Strecken, was einen normalen Betrieb unmöglich macht. Hinzu kommt das Problem der Gewichtsbeschränkung. Eine Anhebung des zulässigen Gesamtgewichtes - in Deutschland derzeit 40 Tonnen - ist dringend notwendig, denn nur so würde das Ladevolumen maximiert, weniger Gesamtfahrten und eingesparter Kraftstoff wären die angenehmen Folgen. Andere Staaten gehen hier teilweise mit gutem Beispiel voran. In den Niederlanden etwa ist die Gesamtmasse für Gespanne mit fünf und mehr Achsen auf 50 Tonnen begrenzt, die skandinavischen Länder sind hier noch sehr viel liberaler und erlauben teilweise bis zu 74-Tonnen. Eine Anhebung sollte auch auf deutschen Straßen möglich sein. Hier liegt es an der Politik, den Weg zur grenzenlosen, europaweiten Nutzung freizumachen. Einen weiteren wichtigen Punkt in ökologischer wie ökonomischer Hinsicht stellt die Vermeidung von Leerfahrten, also eine größtmögliche Auslastung der Fahrzeuge, dar. Dafür lässt sich die Tourenplanung vor allem dank digitaler Auftragsbearbeitung optimieren und maximal effizient gestalten, was viele Fuhrunternehmen schon heute erfolgreich umsetzen. Spezielle Chassis ermöglichen weiterhin die Aufnahme verschieden großer Container, was den Transportaufwand erheblich verringert und für Flexibilität sorgt. Umwege, der Zeit fressende Austausch von Chassis sowie kosten- und CO 2 -intensive Leerfahrten entfallen dabei, was die Emissionen zusätzlich verringert. In der Kombination mit den hoffentlich bald überall erlaubten Longlinern bieten Chassis viele weitere Einsatzmöglichkeiten und ein großes Potenzial, um die Anzahl der Fahrten und Wege zu reduzieren und zum Umweltschutz beizutragen. LKW der Zukunft - grün, autonom, effizient Insgesamt befindet sich die logistische Industrie auf einem guten Weg, grüner zu werden und den modernen Marktanforderungen zu entsprechen. Doch selbstverständlich muss sich der Prozess in Zukunft weiterentwickeln. Neben den umweltfreundlichen Alternativen zu fossilen Brennstoffen schreitet auch die Entwicklung des autonomen Fahrens voran. Autos und Lastkraftwagen, die sich komplett selbstständig fortbewegen und keinen aktiven Fahrer brauchen, sind natürlich noch Zukunftsmusik. Dennoch tut sich auch auf diesem Gebiet einiges. Testfahrten vollautonomer PKW fanden schon vor Jahren statt, und auch im LKW-Segment verstärkt sich dieser Trend. Teilautonome Elemente entlasten die Fahrer schon heute. Allerdings liegt bis zur vollständigen Automatisierung noch ein sehr weiter Weg vor uns, dessen Länge hängt wiederum vom technischen Fortschritt auf diesem Gebiet ab. Hier bleibt es sicherlich äußerst spannend zu beobachten, was die Ingenieure in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf den Markt bringen. Auf jeden Fall sehe ich hier ein großes Potenzial, das Transportwesen langfristig für die Zukunft gut aufzustellen. Eine Möglichkeit wäre, die Lenk- und Ruhezeiten durch autonomes oder auch teilautonomes Fahren zu flexibilisieren, um höhere Reichweiten am Stück zu ermöglichen und die Fahrer zu entlasten. Sollte sich die Vision größtenteils oder gar vollkommen autonom fahrender LKW realisieren, käme dies einer Revolution des Transportwesens gleich. Der LKW der Zukunft wird eine maximal effektive Auslastung mit höchster Umweltfreundlichkeit und der Automatisierung der Fortbewegung zur wirtschaftlichen Erfolgsformel der Branche vereinen. Nur wenn alle Parameter visionären, modernen Straßen- und Güterverkehrs - eine hohe, alltagstaugliche Reichweitenstärke, eine flächendeckende Versorgung mit entsprechenden Tankstellen, schnelles Aufladen kompakter, leichter Akkus sowie ein hochentwickeltes, ausgereiftes System autonomen Fahrens - voll ausgeschöpft sind, kann dies gelingen. ■ 1 https: / / www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Pressemitteilungen/ 2014/ 044-dobrindt-verkehrsprognose2030.html 2 https: / / shop.dena.de/ fileadmin/ denashop/ media/ Downloads_Dateien/ verkehr/ 9270_ Handlungsempfehlungen_Marktentwicklung_LNG.pdf Foto: pixabay Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 36 LOGISTIK Praxis Telematik bringt Entsorger den digitalen Mehrwert Tönsmeier setzt auf ganzheitliche Digitalisierung mittels individualisierbarer Standard-Telematik Prozessautomatisierung, Tourenplanung und -optimierung, SAP-Schnittstelle, smarte Containerverwaltung Statt der papiergebundenen Auftragsabwicklung sowie der manuellen Vor- und Nachbereitung fährt das Entsorgungsunternehmen Tönsmeier auf digitalen Wegen. Von der Tourenoptimierung über das automatische Routenabfahren in der kommunalen Entsorgung und die smarte Containerverwaltung bis zur einfachen Anbindung von Subunternehmern setzt das Team auf den Telematik-Manager „couplinkyourfleet Entsorger“. Das Ergebnis: einheitliche, automatisierte und transparente Unternehmensprozesse. Jens Uwe Tonne B ei der Tönsmeier Gruppe, fünftgrößter Entsorger Deutschlands und mit einer über 1100 Fahrzeuge starken Flotte in ganz Europa unterwegs, sieht man gerade im Bereich der Prozessautomatisierung ein enormes Optimierungspotenzial. Beim 1927 gegründeten Umweltdienstleister, der Teil der Schwarz- Gruppe ist, erkannte man früh, dass sich die Digitalisierung im Unternehmensalltag auszahlt. Projektleiter Maik Gronau, Geschäftsführer bei Tönsmeier Transport, wünschte sich in Deutschland ein hardwareunabhängiges System, über das sämtliche bisher manuellen Prozesse in digitaler Form erfolgen. Von der Behälterverwaltung über die Routenplanung bis zur Auftragsübermittlung sollte es eine einheitliche Lösung für alle Unternehmensbereiche geben. Nach intensiver Suche inklusive diverser Testläufe mit unterschiedlichen Ergebnissen fand Tönsmeier 2015 eine Branchensoftware, die alle Anforderungen erfüllt: „couplinkyourfleet Entsorger“ des Telematik-Anbieters Couplink. „Auch wenn wir anfangs skeptisch waren, wie ein Team aus 20 Service-Mitarbeitern ein derart komplexes und aufwendiges Projekt stemmen kann, hat uns das Produkt, die schnelle und reibungslose Implementierung sowie die Möglichkeiten des Customizing absolut überzeugt“, sagt Gronau. „Wir bekommen alles aus einer Hand und die Funktionen der Software können auch im Livebetrieb flexibel und passgenau auf unsere Arbeitsweise zugeschnitten werden.“ In einer ersten Testphase wurden sämtliche Schnittstellen zum zentral genutzten SAP- System und zu den Waagen realisiert. Knapp ein Jahr später wurden schließlich rund 500 Tönsmeier-Fahrzeuge in Deutschland mit mobilen Lizenzen für den Telematik-Manager ausgestattet. Ein System für jede Entsorgung Neben der Zusammenarbeit mit dualen Systemträgern und der Entwicklung von Entsorgungsleistungen für Gewerbe- und Industrieunternehmen übernimmt Tönsmeier mit seinen Fahrzeugflotten vor allem die öffentlich-rechtliche sowie die gewerbliche Entsorgung. Hierzu wurde das neue System an das in den Betriebsstätten genutzte SAP- System angebunden. Die mit der neuen Software ausgestatteten Fahrzeuge verfügen über eine zusätzliche Hardwarebox von Squarell. Über diese können sämtliche Fahrzeugdaten wie etwa Drehzahlen, Kilometer- oder Tankstand sowie Massenspeicher- und Fahrerkartendaten ausgelesen werden. Die Fahrerbewertung berücksichtigt zudem, ob ein Nebenantrieb aktiv war, der für einen erhöhten Verbrauch verantwortlich ist. Die bisher personell aufwendigen manuellen Arbeitsschritte entfallen und es wird automatisch sichergestellt, dass die gesetzlich geforderten Nachweise in bestimmten Archivierungsordnern abgelegt werden. Die einzelnen Fahrer nutzen die Telematik-Software auch über spezielle Tablets von Samsung. Hier greifen sie auf sämtliche Arbeitsinformationen gebündelt zu. Nach Eingabe der persönlichen Daten werden dem Fahrer die zur Verfügung stehenden Touren für den aktuellen Tag angezeigt. Auch die anschließende Fahrzeugprüfung erfolgt komplett digitalisiert. Im nächsten Schritt sind alle Angaben in Echtzeit für den Disponenten über ein webbasiertes Cockpit verfügbar. Hier werden die über die Schnittstelle in der Zentrale erfassten Aufträge mit Be- und Entladestellen angezeigt und entsprechend auf die Fahrzeuge disponiert. Die Übertragung auf das Endgerät im entsprechenden Fahrzeug erfolgt automatisch über die eingerichteten Schnittstellen. Alle Fotos: FotografieWattendorff Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 37 Praxis LOGISTIK Über eine hinterlegte Lösung zur Tourenplanung und -optimierung kann der Fahrer jederzeit den besten Weg zum nächsten Auftragsort finden und dank der angezeigten TMC-Daten 1 Verzögerungen durch Staus oder Unfälle umfahren. Fahrer können während der Auftragsbearbeitung außerdem Fraktionen ändern, Fehlbefüllungen mit Fotos live dokumentieren und Kunden digital unterschreiben lassen. Darüber hinaus ist der Telematik-Manager an die in den Fahrzeugen genutzten Wiegesysteme angebunden. Somit werden auch bei der Verwiegung sämtliche Daten in Echtzeit über eine implementierte Rückschnittstelle ans führende System übertragen. Die Arbeitszeiterfassung und Erstellung von Lieferscheinen mit sämtlichen Daten erfolgen inzwischen ebenfalls elektronisch. Diese Automatisierung führt zu einer enormen Verkürzung von Abläufen und einer deutlichen Effizienzsteigerung im gesamten Unternehmen. Bei der kommunalen Entsorgung zeichnet das Telematik-System die Touren beim ersten Befahren auf. An markanten Stellen können zudem frei definierte audiogestützte und visuelle Hinweise für die assistenzgesteuerte Abfuhr hinterlegt werden. Anhand dieser gespeicherten Spur können sich die Fahrer auch in für sie unbekannten Gebieten problemlos bewegen. Durch seine Erfahrungen mit kommunalen Entsorgern hat Couplink zudem weitere wichtige Funktionen in seine Standardlösung integriert: Verlässt der Fahrer etwa die Tour für eine Entleerungsfahrt, kann er sich an die Stelle der Unterbrechung zurückleiten lassen. Über das webbasierte Cockpit kann wiederum der Disponent Touren in Echtzeit nachbearbeiten und vergessene Straßenzüge automatisiert hinzufügen. Bei einem möglichen Fahrzeugausfall kann er bereits begonnene Touren an eines oder mehrere der Fahrzeuge übertragen, so dass Abfuhrzeit und -qualität stets eingehalten bzw. kontrolliert werden. Subunternehmen einfach anbinden In einigen Bereichen arbeitet Tönsmeier immer wieder mit Subunternehmen zusammen. In einem nächsten Schritt können daher auch deren aktuelle sowie neue Fahrer an den Telematik-Manager angebunden werden, da er auf allen Betriebssystemen wie etwa Android oder IOS läuft. Nach dem Prinzip „Bring Your Own Device“ kann zudem die bisher vorhandene Hardware auch weiterhin genutzt werden. Über das Smartphone oder Tablet greifen die Fahrer auf ein spezielles Subunternehmerportal zu, in dem ihnen die von ihnen zu erledigenden Aufträge inklusive der zugehörigen Daten zur Verfügung stehen. Über dieses können sie ihre jeweiligen Fahrzeuge selbstständig disponieren. Bei der kommunalen Entsorgung wird ihnen hier zudem eine große Kartenansicht mit den Straßenzügen angezeigt, die zu leeren sind. Ist der Auftrag erledigt, meldet der Fahrer dies über das Telematik-System, die Information wird automatisch ans SAP-System weitergeleitet, in dem die Abrechnung erfolgt. Ein Foto - und der Container ist inventarisiert Das neue Telematik-System wird außerdem für die Containerverwaltung genutzt. Denn wie andere Entsorger stand Tönsmeier lange vor der Herausforderung, dass Stammdaten wie die genaue Anzahl sowie alle Standorte seiner Container fehlten. Seit der Einführung des Systems erfolgt die eindeutige Inventarisierung nun über die Kamerafunktion der genutzten mobilen Endgeräte: Mitarbeiter prüfen die Container-ID per Foto und integrieren so auch noch unbekannte Behälter direkt in der Containerverwaltung. Der Disponent erhält in der Zentrale über sein Webportal in Echtzeit alle relevanten Informationen und kann so nachvollziehen, wo sich Behälter aktuell befinden oder wann beispielsweise die nächste UVV-Prüfung fällig ist. Indem jeder Container digital erfasst wird, wird jede seiner Bewegungen als Standort- und Kundenhistorie automatisch dokumentiert. Ausblick und Fazit „Heutzutage ist es wichtig, einen Partner zu haben, der flexibel auf neue Gegebenheiten reagieren kann und auch neue Zukunftstechnologien im Blick hat“, sagt Projektleiter Gronau. So sind etwa die Anbindung eines Schüttungssystems und die Erstellung des Rückfahrkatasters weitere Punkte auf der gemeinsamen Agenda von Tönsmeier und Couplink, da sie im Telematik-System standardmäßig unterstützt werden. Die Lösungen des Telematik-Anbieters verfügen außerdem bereits über eine integrierte Sensorik, so dass auch hier noch viel möglich ist. Die Container können etwa selbstständig melden, dass sie voll sind und abgeholt werden können. So langwierig die Suche nach einer passenden Telematik-Lösung war und so hoch auch die zu überwindenden internen Hürden waren, hat es sich gelohnt, wie Gronau resümiert. Inzwischen haben alle Mitarbeiter den Mehrwert und das enorme Optimierungspotenzial erkannt. ■ 1 Traffic Message Channel, sendet Informationen über Verkehrsbeeinträchtigungen digital im nichthörbaren Bereich des UKW-Signals Jens Uwe Tonne Vorstand der Couplink Group AG jutonne@couplink.net Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 38 NGT Logistics Terminal Ein Güterumschlagkonzept für die intermodale Vernetzung von Schiene und Straße Güterumschlag, Automatisierung, intermodal, Zukunft, Schiene, Straße Die steigende Transportnachfrage von eilbedürftigen, aufkommensvolatilen Sendungen wird aus ökonomischen und flexiblen Gründen zunehmend auf der Straße abgewickelt. Ein-effizienter Güterumschlag ist ein Schlüsselelement für eine Güterverlagerung auf die Schiene, die ökologische Vorteile bietet. Dieser Beitrag beschreibt die durchgehend elektrische Lieferkette des DLR-Logistikkonzepts von Next Generation Train und Car sowie das vollautomatische Umschlagterminal zur Verknüpfung dieser Fahrzeugkonzepte. Mathias Böhm, Gregor Malzacher, Marco Münster, Joachim Winter U nter dem Einfluss eines sich zunehmend beschleunigenden Klimawandels gerät auch der Transportsektor als einer der größten, globalen Emittenten von Treibhausgasen vermehrt in den Fokus [1]. Auf den gesamten Transportsektor in Europa entfielen im Jahr 2016 etwa 1,23 Gt CO 2 , was etwa 24,4 % der gesamten Treibhausgasemissionen ausmacht [2]. Es ist zu erwarten, dass sowohl der intraals auch der interkontinentale Personen- und Güterverkehr weiter zunehmen werden. Dies führt ohne eine Umstellung auf effizientere elektrifizierte Transportmodi und eine dekarbonisierte Energieerzeugung nicht zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele [3]. Status Quo und Limitationen des Schienengüterverkehrs Obwohl die Schiene deutliche ökologische Vorteile bieten kann [4, 5, 6], wird aktuell nur ein geringer Teil der Güter auf diese Weise transportiert: in der EU 412 Mrd. tkm im Jahr 2016 (11,2 % gegenüber 1804 Mrd. tkm, entsprechend 49,3 %, auf der Straße) [7]. Trotz entsprechender europäischer Zielvereinbarungen und Absichtserklärungen [8, 9] kann eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene zumindest in Europa bisher nicht beobachtet werden. Ein Hauptgrund hierfür liegt in der historisch gewachsenen Angebotsstruktur der Eisenbahnen, welche auf langfristig planbare große Transportmengen ausgelegt ist. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es auf der Schiene kein konkurrenzfähiges Angebot für kleine, flexible, eilbedürftige und aufkommensvolatile Sendungen [10]. Diese Sendungen fallen in der Regel in die Gruppe der Low Density High Value (LDHV)-Güter. Dies wiegt umso schwerer, als das Wachstum im Güterverkehr hauptsächlich durch diese Gutgruppe generiert werden wird, während die Transportmengen der klassisch bahnaffinen (Massen-)Güter aufgrund des Güterstruktureffekts abnehmen [11]. Bei LDHV-Gütern kommt ein weiterer Nachteil des Gütertransports auf der Schiene zur Geltung. Die Empfänger dieser Sendungen können selten direkt auf der Schiene beliefert werden, da sie überwiegend im urbanen Raum dezentral angesiedelt sind und über keinen eigenen Gleisanschluss mehr verfügen. Unabhängig vom Transportmittel werden LDHV- Sendungen in der Regel für den Hauptlauf gebündelt LOGISTIK Wissenschaft Bild 1: NGT Logistics Terminal Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 39 Wissenschaft LOGISTIK und mit großen Fahrzeugen transportiert, während die Feinverteilung mit kleinen Fahrzeugen durchgeführt wird. Der Umschlag, die Sortierung und Lagerung der Sendungen findet in Logistikzentren statt. Da aktuell meistens sowohl der Hauptlauf als auch die Feinverteilung auf der Straße stattfinden, stellt für große Logistikzentren in der Regel eine gute Anbindung an das Straßennetz das entscheidende Standortkriterium dar. Logistikzentren, wie beispielsweise das von Zalando im Güterverkehrszentrum Erfurt (100 000 m 2 , 10 000 Pakete/ Tag), verfügen häufig nicht über einen Gleisanschluss, da das verhältnismäßig geringe Aufkommen und die geringe Flexibilität des Schienengüterverkehrs ein Hemmnis für Onlineversandhändler darstellt [12]. Für das dezentrale und volatile LHDV-Aufkommen bedarf es daher einer hersteller-/ händlerübergreifenden Bündelung sowie einer leistungsfähigen Straßen-/ Schienenumschlaginfrastruktur. Vernetzung von Schiene und Straße Um den Marktanteil der Schiene beim Transport von LDHV-Gütern signifikant steigern zu können, ist eine Vernetzung mit weiteren Verkehrsträgern zur Feinverteilung zwingend notwendig [13]. Dies bedingt neben einem Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur die Errichtung von Logistikzentren mit Gleisanschluss, welche einen effizienten intermodalen Umschlag der Sendungen ermöglichen. Um den Ausstoß an Klimagasen zu reduzieren, liegt ein besonderer Fokus dabei auf einer Lieferkette mit ausschließlich elektrischen Fahrzeugen [14, 15]. Als zusätzlichen Effekt können durchgehend elektrische Lieferketten eine katalysatorische Wirkung für die Durchsetzung der E-Mobilität in Innenstädten entwickeln [16]. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) erforscht im Bereich Verkehr zukunftsweisende Schienenfahrzeugkonzepte. Um den Marktanteil der Schiene im Güterverkehr zu erhöhen, entwickelt das DLR mit dem Next Generation Train CARGO (NGT) ein umfassendes Fahrzeug- und Logistikkonzept, was einen sowohl ökologischen als auch ökonomischen konkurrenzfähigen Transport auf der Schiene ermöglicht. Die Feinverteilung der Güter im urbanen Bereich wird am DLR komplementär im Rahmen des Projektes Next Generation Car (NGC) an elektrischen Lieferfahrzeugen für den Gütertransport im städtischen Bereich erforscht. Im Rahmen des Artikels werden die benannten Konzepte vorgestellt und die elementare Schnittstelle eines Umschlag-Knotenbahnhofes NGT Logistics Terminal (Bild-1) zwischen Straße und Schiene beschrieben. NGT CARGO Mit dem Ziel eines sowohl ökonomisch konkurrenzfähigen als auch ökologisch überzeugenden Konzepts entwickelt das DLR mit dem Schienenfahrzeug als zentrales Forschungsobjekt das durchgehende NGT CARGO Logistikkonzept. Dieses flexible Logistikkonzept soll vor allem im Wachstumsmarkt der LDHV-Gutgruppen und bei Just-in-Time-Sendungen aktiv zu einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene beitragen. Den Kern des Konzepts stellen die autonom fahrfähigen NGT CARGO Einzelwagen dar. Dank des integrierten Energiespeichers können diese Wagen autonom und energieautark direkt Gleisanschlüsse bedienen. Im derzeitigen Auslegungszustand verfügt der Einzelwagen über eine Batteriekapazität von 42 kWh für eine maximale Reichweite von 25 km. Für Kunden, welche über keinen eigenen Gleisanschluss verfügen, erfolgt der Umschlag auf andere Transportmittel in nachfolgend beschriebenen NGT Terminals oder in sogenannten NGT Sidings [17]. Die Einzelwagen verfügen über zwei Ladeebenen mit großzügig dimensionierten Türen. Als Ladungsträger ist der NGT für die weit verbreiteten und etablierten Systeme Europalette und die hauptsächlich in der Luftfahrt verwendeten Unit Load Devices (ULD), in unterschiedlichen Varianten und Größen, ausgelegt - der Transport von See-Containern wird explizit ausgeschlossen. Betrieblich koppeln sich NGT CARGO Einzelwagen mit (teil-)identischem Laufweg autonom zu Triebwagenzügen. Für den Betrieb auf Hochgeschwindigkeitsstrecken werden die Triebwagenzüge mit Triebköpfen komplettiert, welche die zusätzlich benötigte Traktionsleistung zur Verfügung stellen. Auf Hochgeschwindigkeitsstrecken besteht die Möglichkeit, NGT CARGO Einheiten virtuell mit anderen Zügen, nicht nur der NGT Familie, zu koppeln. Diese Einheiten werden dann betrieblich als eine Einheit betrachtet und erhöhen dementsprechend den Streckendurchsatz [18] (Bild 2). Neben dem Einsatz im innereuropäischen Verkehr bietet das Konzept auch die Möglichkeit des Einsatzes im wachsenden transkontinentalen Verkehr zwischen Europa und Asien [19]. Next Generation Car Neben dem DLR-Metaprojekt NGT werden im Rahmen des NGC-Projekts neue innovative Straßenfahrzeugkon- Bild 2: NGT CARGO-Triebwagenzug (Triebkopf und Einzelwagen) Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 40 LOGISTIK Wissenschaft zepte entwickelt und neuartige Technologien aus verschiedenen NGC-Forschungsfeldern integriert und demonstriert. Diese werden systemisch an den Schnittstellen von Schienen- und Straßenverkehr zusammengeführt, wie am Beispiel des hier vorgestellten Güterumschlagkonzepts. Ein wichtiger Bestandteil der NGC-Familie neuartiger Straßenfahrzeugkonzepte ist das Urban Modular Vehicle (UMV). Die Entwicklung dieses Konzepts berücksichtigt vor allem Trends der zunehmenden Urbanisierung, der Modularisierung, der Elektrifizierung sowie der Einführung hoher Automatisierungslevel. Das UMV verdeutlicht die Wandelbarkeit von herkömmlich individuell gefahrenen Straßenfahrzeugen bis hin zum komplett autonomen Straßenfahrzeug auf einer Plattform. Das NGC-UMV bietet dies durch ein intelligentes modulares Plattformkonzept in der Karosseriestruktur, im Antriebsstrang und den unterschiedlichen Levels von Automatisierungsgraden. Die Flexibilität der Plattform bietet die Möglichkeit, unterschiedlichste Elektrofahrzeugderivate für Personen und Güter zu realisieren, für Güterverkehrsanwendungen sind dies der UMV 2 + Cargo, ein Lieferwagen, sowie der UMV Cargomover, ein vollautonomer Lieferwagen (siehe Bild 3). Der UMV 2 + Cargo ist ein kleiner Lieferwagen für die Stadt mit Längen zwischen 3700 mm oder 4100 mm, mit einem Ladevolumen von 2700 l bis 3800 l. Dieses Fahrzeug ist mit einem oder zwei Sitzplätzen ausgestattet und kann sowohl individuell gefahren, als auch voll autonom bewegt werden. Die Reichweite des batterieelektrischen Fahrzeuges beträgt bis zu 400 km. Die Beladung erfolgt seitlich durch eine Schiebetür an der rechten Fahrzeugseite oder durch die geteilte Heckklappe. Der vollautonome Lieferwagen, UMV Cargomover, besitzt keinen Fahrerarbeitsplatz. Das maximale Ladevolumen der kurzen Variante beträgt ca. 3800 l. Die Ladungsträger wie beispielsweise Europaletten oder Pakete können beim Cargomover über seitliche Schiebetüren oder die Heck-/ Frontklappe zugeladen werden, Rolltore in der Seitenwand sind ebenfalls denkbar. Die maximale Zuladung der Cargo-Varianten liegt zwischen 450 und 800-kg. In der Fortführung des NGC-Projekts wird die Fahrzeugfamilie um ein weiteres Fahrzeugkonzept für den Transport von Personen und Gütern erweitert. Mit der autonomen, modularen, U-förmigen Mover-Plattform können Ladungsträger-Module direkt aufgeladen und durch ein automatisches Verriegelungssystem arretiert werden. In der ganzheitlichen Konzeption des Fahrzeugkonzepts werden die Schnittstellen der Cargo-Ladungsträger und das Güterumschlagterminal systemisch mit berücksichtigt. NGT Logistics Terminal Beim intermodalen Transport werden Güter in ein und derselben Ladeeinheit unter Nutzung von mindestens zwei verschiedenen Verkehrsträgern transportiert. Der Umschlag auf einen anderen Verkehrsträger erfolgt dabei durch einen Wechsel der Ladeeinheit und nicht durch einen Umschlag der Güter. Das Logistics Terminal (siehe Bild 1), ein Güterumschlagbahnhof, bildet die Schnittstelle zwischen dem NGT CARGO und dem lokalen Güterverkehr für die Nahstrecke auf der Straße. Vor- und Nachlauf erfolgen mit dem UMV Cargomover oder UMV 2 + Cargo. Das Herzstück des Terminals bilden vollautomatisch bediente Hochregallager (wie sie in der Indoor-Logistik bekannt sind), welche beidseitig parallel zu den Gleisen verlaufen. Die Hochregale dienen als Lagerflächen in direkter Gleisnähe, in dem die Güter bzw. Transportgefäße wagenweise für den anschließenden Beladungsvorgang vorkommissioniert werden. In den unteren zwei Regalebenen werden diejenigen Transportgefäße vorgehalten, die vollständig in die beiden Ladeebenen des NGT CARGO-Wagens geladen werden. Die höher gelegenen Regalebenen dienen als zusätzliche Zwischenlagerflächen für nachfolgende Züge. An den Regalenden sind zudem Paternostergüteraufzüge integriert, welche die Transportgefäße in die nächste Regalebene befördern. Die Paternoster schaffen zusätzlich horizontale und vertikale Transportpfade zwischen verschiedenen Gleisen und Terminalebenen. Die Be- und Entladung verschiedener Einzelwagen- Verbände bzw. Ganzzüge erfolgt auf Parallelgleisen oder in unterschiedlichen Terminalebenen. Die zu verladenden Güter werden vollautomatisch über Rollenböden längst und über Kugelrollenböden vor die Ladeöffnungen des jeweiligen Einzelwagens geführt. Für eine hohe Leistungsfähigkeit wird jedes Regalelement einem Einzelwagen zugeordnet und durch ein automatisches Regalbediengerät abgefertigt. Dieses übernimmt nicht nur die Vorsortierung und dynamische Lagerhaltung, sondern ebenfalls die Zuführung, Auslagerung und die Übergabe der Ladeeinheiten und Paletten an die nachgelagerten UMV Cargomover oder UMV 2 + Cargo (siehe Bild 4). Die Fahrzeugbodenkonstruktion der NGT CARGO- Einzelwagen orientiert sich an umgesetzten Rollenbodenvarianten in Luftfracht-Flugzeugen. Im Eingangsbereich wurde ein Kugelboden vorgesehen, damit die Transportgefäße sowohl in Längsals auch in Querrichtung verschoben werden können. Der Vorschub der Transportgefäße wird über angetriebene Rollensysteme realisiert. Zusätz- Bild 3: NGC UMV Cargomover und UMV 2 + Cargo Bild 4: Detailausschnitt NGT Logistics Terminal Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 41 Wissenschaft LOGISTIK lich sind automatische Verschlusssysteme zur Ladungssicherung im Fahrzeugboden integriert. Um den Be- und Entladeprozess weiter zu beschleunigen, erfolgen Be- und Entladung simultan auf den entgegengesetzten Seiten der Einzelwagen parallel für den ganzen Güterzug (Bild 5; blau: Beladung, rot: Entladung der Transportgefäße). Die Logistics Terminals befinden sich in urbanen Räumen, wobei sich City-Standorte ggf. auch mit Personenbahnhöfen verknüpfen lassen. Obwohl das Terminal für die Transportkette Schiene-Straße konzipiert wurde, ist eine Anbindung der Schnittstelle Schiene/ Luft über weitere schnittstellenangepasste Umschlaginfrastrukturen mit dedizierten Sicherheits- , Kommissionier-, Lager- und Rollenfördersystemen denkbar. Zusammenfassung und Ausblick Um im multimodalen Vergleich eine Verkehrsverlagerung für den wachsenden Marktanteil von LDHV-Gutgruppen auf die Schiene zu erreichen, müssen neben modernem Rollmaterial auch neue intermodale Logistikkonzepte für eine durchgängige elektrische Lieferkette betrachtet werden. Die Vernetzung der Fern- und der Nahstrecke für die Feinverteilung in wachsende Ballungsgebiete ist hierfür unabdingbar, wofür die jeweiligen Vorteile von Schiene und Straße gleichermaßen Beachtung finden müssen. Das derzeit im DLR erarbeitete NGT Logistics Terminal- und Logistik-Konzept zeigt eine Möglichkeit, wie der intermodale Güterumschlag vom Hochgeschwindigkeitsgüterzug NGT CARGO auf lokale Verteilfahrzeuge realisiert werden kann. Durch den vollautomatischen Umschlag der Transportgefäße Europalette und ULD von Schiene zu Straße geht der Geschwindigkeitsgewinn der Nutzung eines Hochgeschwindigkeitsgüterzugs auf der Fernstrecke nicht verloren. Damit solch ein Konzept auch ökonomisch tragfähig sein kann, sind die Ausarbeitung neuer Geschäftsmodelle sowie die Einbeziehung von unterschiedlichen Akteuren in der Logistikkette als Investoren oder Betreiber der kompletten Lieferkette aus Lager-/ Umschlaginfrastruktur und Transport notwendig. Das vorgestellte Güterumschlagterminal wird im zukünftigen Projektverlauf weiterentwickelt und detailliert: etwa durch ein konkretes Standortbeispiel sowie Flusssimulationen und Umschlagkapazitätsberechnungen. ■ LITERATUR [1] Hendricks, J. et al.: Quantifying the climate impact of emissions from land-based transport in Germany, Transport Research Part D (2017) [2] International Energy Agency: CO 2 Emissions from Fuel Combustion. https: / / www.iea.org/ statistics/ co2emissions/ 2018 [3] Sims, R. et al.: Transport. In: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Edenhofer, O. et al. (Hrsg.)]. 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Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, Forschungsfeld Technologiebewertung und Systemanalyse, Berlin mathias.boehm@dlr.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 42 LOGISTIK Wissenschaft Integration unbemannter Frachtflugzeuge in die Logistikkette Autonome Konzepte für die Frachtabfertigung und deren Einfluss auf die zukünftige Logistikkette Unbemanntes Frachtflugzeug, Bodenabfertigung, Autonomes Fliegen, Lieferkette, Letzte Meile Im Rahmen des DLR-Projektes ALAADy - Automated Low Altitude Delivery - analysierte das DLR-Institut für Luftverkehr und Flughafenforschung unter anderem Konzepte zur Frachtentladung von unbemannten Frachtflugzeugen und bewertete, ob die Integration unbemannter Frachtflugzeuge in die klassische Luftfracht-Lieferkette zu einer Optimierung derselben führen kann. Ziel war es, Konzepte für die Frachtabfertigung eines unbemannten Frachtflugzeugs an Destinationen ohne vorhandene Cargo-Infrastruktur zu erstellen, um zukünftige Veränderungen sowohl der heutigen Logistikprozesse als auch der Luftfrachtabfertigung hinsichtlich automatisierter Prozesse zu bewirken. Peter A. Meincke D ie demographische Entwicklung und der damit einhergehende Fachkräftemangel kann die Automatisierung vielfältiger Warenumschlagprozesse als Chance oder sogar als entscheidende Voraussetzung für die notwendige Veränderung heutiger Logistikprozesse voranbringen [1]. So wird der automatisierten Frachtlieferung besonders für unbemannte Luftfahrzeuge zukünftig eine wachsende Rolle beigemessen [2]. Ein Projekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem Namen „Automated Low Altitude Delivery (ALAADy)“ (Bild 1) untersucht die Anwendung eines effizienten und robusten Systems zum Transport von Fracht mit automatischen und unbemannten Frachtflugzeugen mit einer Nutzlast von etwa einer Tonne [3]. Im Rahmen des Projektes entwickelt das Institut für Luftverkehrs- und Flughafenforschung Konzepte zur Frachtentladung von unbemannten Frachtflugzeugen - Unmanned Cargo Aircraft (UCA) und analysierte, wie diese die klassische Luftfracht-Lieferkette optimieren können. Das Ziel war es, neue Konzepte zu entwickeln, wie die Frachtabfertigung einer UCA an einem Zielort ohne jegliche Frachtinfrastruktur gehandhabt werden kann. Dazu sollte analysiert werden, wie sich diese Frachtabfertigung und die UCAs in die Lieferkette der Luftfracht integrieren lassen, um der Forderung nach einer autonomen wie auch agilen Logistik nachkommen zu können. Eine UCA - nach den Top Level Aircraft Requirements des ALAADy-Projektes (u.a. Nutzlast 1000 kg; maximale Start- und Landebahnlänge 400 m; Reichweite ca. 600 km) [3] - eröffnet eine neue „letzte Meile“ - oder besser gesagt eine „vorletzte Meile“ - in Nischen der Logistik (z.B. Humanitäre Logistik, Transport von Komponenten zwischen Produktions- und Montagestätten im Werkverkehr, Ersatzteillogistik, Versorgung in schwer zugänglich Gebieten) [3], für die es bisher keine optimal zugeschnittene Transportlösung gab [4]. Für solche Nischen oder Ausnahmesituationen sind UCAs eine geeignete Lösung [5]. Wie Konzepte für eine autonome Entladung unter diesen Bedingungen entworfen werden können und wie die Verbindungen zwischen der letzten und der vorletzten Meile in diesem Zusammenhang aussehen könnten, wurde im Projekt ALAADy behandelt. Bild 1: DLR ALAADy - Automated Low Altitude Delivery - Animated Gyrocopter- Version Foto: DLR Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 43 Wissenschaft LOGISTIK Grundlagen des Luftfracht-Handlings und der klassischen Luftfracht-Lieferkette Bevor auf das beschriebene Thema eingegangen werden kann, müssen die Grundlagen des Luftfrachtumschlags und der Logistikkette erläutert werden. Der Luftfrachtumschlag verursacht einen erheblichen Engpassfaktor im Luftfrachtverkehr und verringert die Produktivität. Die durchschnittliche Beförderungszeit der Sendungen von sechs Tagen in der traditionellen Luftfrachttransportkette ist in 20 Jahren praktisch unverändert geblieben [6]. Luftfrachtgüter verbringen rund 80 % ihrer Zeit zwischen Absender und Empfänger am Boden [7]. Die Kunden fordern daher ein Überdenken traditioneller Prozesse und Strukturen sowie die Entwicklung innovativer Modelllösungen für den Luftfrachtverkehr [8]. Ziel war es, autonome Transportlösungen mit hoher Zuverlässigkeit und Reaktionszeiten anzubieten, um Lieferzeiten, Lagerbestände und Kosten zu reduzieren [9]. Die Qualität der Luftfrachttransportkette wird jedoch vor Ort - im besonderen bei Luftfrachtabfertigung - entschieden [10]. Dies hängt von der vorhandenen oder nicht vorhandenen Frachtinfrastruktur am Zielort ab. Wenn an der Destination keine Infrastruktur für den Umschlag vorhanden ist, sondern - beispielsweise - nur eine Landezone in den Bergen, auf einer Insel oder der Grünen Wiese, auf einer Baustelle oder sogar in Katastrophengebieten, dann ist eine variable Nutzung mit autonomen Prozessen nötig, um eine agile Logistik zu ermöglichen. Die Bodenabfertigungszeit eines Frachtflugzeugs ist oftmals höher als die eines Passagierflugzeugs. Dies ist zum einen auf ein anderes Betriebsmodell zurückzuführen und zum anderen darauf, dass der Ladevorgang einen großen Teil des gesamten Bodenumschlags ausmacht, was insbesondere auf die verschiedenen Aktivitäten und die Ladung zurückzuführen ist [11]. Als Bedingung für die Konzeption der vorliegenden Untersuchung galt: Keine (Cargo-) Infrastruktur am Bestimmungsort vorhanden. Mit anderen Worten: Es gibt keine technische Ausrüstung oder Infrastruktur zum Entladen am Zielort. Dieser Ansatz basiert zum einen darauf, mit dem UCA-Design in Verbindung mit der verwendeten Technik ein möglichst breites Anwendungsspektrum abzudecken, und zum anderen, eine maximale autonome Entladung des UCA zu fördern. Letztlich sollte eine UCA mit autarker Handhabungstechnologie ein Maximum an Effizienz in die Lieferkette der Luftfracht bringen und die Logistik agiler gestalten. Im kontinentalen Luftfrachtverkehr erfolgt der Transport von Sendungen zwischen den Flughäfen häufig mit LKW im Luftfrachtersatzverkehr, auch als Truckingbzw. Road-Feeder-Service bezeichnet [12]. Jede beteiligte Spediteurfirma ist in der Transportkette auf bestimmte Prozesse spezialisiert, u. a. den Vorlauf zum Flughafen, Konsolidierung der Sendungen und am Zielflughafen den Nachlauf und die Auslieferung zum Empfänger sowie speditionelle und logistische Zusatzleistungen, wie z. B. die Zollabfertigung. Dadurch erfolgt zwar eine Erweiterung der Dienstleistung Luftfracht zu einem Door-to-door-Verkehr, aber unter dem Dach vieler Parteien [13]. Die Vielzahl der Prozesse, die zwischen Start und Landung eines Frachtflugzeugs erforderlich sind, zeigt die logistische Lieferkette des Luftfrachtumschlags in Bild 3. Im traditionellen Luftfrachtverkehr, der durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Anspruchsgruppen wie Speditionen, Umschlaggesellschaften und Fluggesellschaften gekennzeichnet ist, besteht die Notwendigkeit des Wandels hin zu komplexitätsreduzierten logistischen Strukturen. Jeder Prozessbeteiligte stellt in der klassischen Luftfracht ein anderes Unternehmen dar und durch jede Schnittstelle - wie das Umladen - können mit jedem Prozessschritt Reibungsverluste entstehen. Zusätzlich hängen die einzelnen Prozesse von Faktoren ab, wie z. B. der Länge der Wege und den verfügbaren Ressourcen in Form von Fahrzeugen und Arbeitskräften, wobei Engpässe zu erheblichen Verzögerungen führen [14]. Bild 2: Laderaum der UCA im ALAADy-Projekt Versender Transport Depot 1 Transport Depot 2 Transport Warehouse Transport Airline Transport durch Handlingsagent ins Depot Versender gibt die Sendung auf Depot Handlingsagent Transport zum Konsolidierungsdepot oder Warehouse Konsolidierungsdepot Transport zum Flughafen- Warehouse Konsolidierung auf ULDs Transport zum Flugzeug Verladung ins Flugzeug und Lufttransport BILD 3 OBEN HUB Airline Depot 3 Transport Depot 4 Transport Warehouse Zustellung Empfänger Ankunft am Zielflughafen Zwischenlandung und Umladung Depot Handlingsagent Transport zum Konsolidierungsdepot oder Warehouse Konsolidierungsdepot Transport durch Handlingsagent ins Depot Konsolidierung auf ULDs Auslieferung zum Empfänger Empfänger erhält Sendung BILD 3 Unten Bild 3: Klassische Luftfrachtkette in der Logistik mit Zulauf (oben) und Ablauf (unten) Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 44 LOGISTIK Wissenschaft Der traditionelle Luftfrachtdienst hat bisher nur wenig Standardisierung verwirklicht. Es gibt viele Schnittstellen und Beteiligte an der Transportkette, die einen transparenten und umfassenden Fluss der Güter erheblich behindern [15]. Die möglichen Einsparungen von Prozessen bei der klassischen Luftfrachtkette bei einer Einbindung eines UCA in der Spezifikation von ALAADy können je nach Beschaffenheit der vorliegenden Transportkette zeitliche Vorteile bringen. Zusätzlich verringert sich durch die Integration auch die Teilnehmerzahl innerhalb der Prozesskette und der Gesamtprozess wird dadurch nachdrücklich vereinfacht. Die Substitution der Prozesse aus der klassischen Prozesskette im Vorlauf durch den ALAADy zeigt sich anschaulich im unteren Teil von Bild- 4 im Vergleich zur klassischen Prozesskette der Luftfracht im Vorlauf im oberen Teil des Bildes. Die im Projekt ALAADy untersuchten Anwendungsfälle (z. B. humanitäre Logistik, Transport von Komponenten zwischen Produktions- und Montagestandorten, Ersatzteillogistik, Versorgung in schwer zugänglichen Bereichen) haben die schnelle und flexible Lieferung dringend benötigter Güter und Teile, die weitgehend von einem Straßen- oder Schienennetz getrennt sind, gemeinsam [1]. Voraussetzung für eine Frachtentladung, unabhängig von der vorgefundenen Infrastruktur an den Landeplätzen, sollte ein System sein, das alle oben genannten Anwendungsfälle abdeckt. Konzepte für Luftfrachtentladung ohne Infrastruktur am Bestimmungsort Um aber eine optimale Integration der Anwendungsfälle zu erreichen, ist der Fokus vor allem auf das wichtige Bindeglied in der Logistikkette zu setzen, den Be-, Entbzw. Umladevorgang. Welche Konzepte es aus Theorie und Praxis hierzu gibt, wurde innerhalb der Studie mit der Prämisse „No Infrastructure at Destination exists“ analysiert, um einen möglichst automatisierten Prozess für die zukünftige Logistik zu erhalten. Folgende mögliche Konzepte wurden dabei untersucht [16]: 1 Frachtentladung durch „Lastabwurf“ 2 Click-out-and-go - Ausklinken und Absetzen der-Fracht im Flug 3 Frachtentladung mit einfachsten Mitteln vor Ort (Personal vor Ort nötig) 4 Frachtentladung mit Bordmitteln (Personal vor Ort nötig) 5 Frachtentladung mit Vorbereitung am Zielort (z.B. durch Pionier-Modul; Personal vor Ort nötig) 6 Frachtentladung durch Automated Guided Vehicle (AGV)/ Fahrerloses Transportsystem (FTS) bzw. Vertikal-Kommissionierer 7 Frachtentladung und Zustellung durch Autonomous Delivery Vehicle (ADV) / Zustellroboter - All-in- One-System 8 Frachtentladung und Zustellung mit Robot-Dolly- Container-System Im Folgenden soll auf die beiden letzten Konzepte (7 und 8) detailliert eingegangen werden. Entladung und Lieferung mit einem autonomen Lieferfahrzeug Eine mögliche Variante des Entladens eines unbemannten oder eines herkömmlichen Flugzeugs ohne Personalressourcen wäre ein autonomes Roboterfahrzeug, das das Flugzeug selbstständig verlässt und seine Fracht am Ziel zum Empfänger transportiert: Autonome Lieferfahrzeuge/ Roboter (ADV) oder Selbstfahrzeuge (SDV) sind autonome Roboter [17], die für den Transport von Gütern eingesetzt werden: Sie haben die Intelligenz, um Entscheidungen in neuen oder unerwarteten Situationen treffen zu können. Während der Auslieferung sammeln verschiedene Sensoren und Scanner Daten mit dem Ziel, Hindernisse zu vermeiden und/ oder die Bewegung des Schleppers kontinuierlich anzupassen, um dem beabsichtigten Pfad mehr zu folgen. Diese Art von ADV könnte nach Einführung der ALAADy per se weitere Prozesse in der traditionellen Luftfrachttransportkette (Bild 3) reduzieren. Dies würde erhebliche Zeit- und Kostensparpotenziale mit sich bringen, da eine „direktere“ und unkompliziertere Zustellung der Fracht an den Empfänger erfolgen kann. ADV von Starship Technologies und andere Wettbewerber (z. B. Domino/ Marathon, Dispatch, Marble, Efficiency S.A.S.) sind Beispiele für diesen ADV-Typ. Lieferroboter haben trotz unterschiedlicher Einsatzgebiete ähnliche Eigenschaften: Sie sind im Vergleich zu leichten Lastkraftwagen klein, halten nur wenige, im Extremfall nur eine Sendung und werden batterieelekt- Versender Transport Depot 1 Transport Depot 2 Transport Warehouse Transport Airline Transport durch Handlingsagent ins Depot Versender gibt die Sendung auf Depot Handlingsagent Transport zum Konsolidierungsdepot oder Warehouse Konsolidierungsdepot Transport zum Flughafen- Warehouse Konsolidierung auf ULDs Transport zum Flugzeug Verladung ins Flugzeug und Lufttransport BILD 4 OBEN Versender Transport Depot 1 Warehouse Transport Airline Transport durch Handlingsagent ins Depot Versender gibt die Sendung auf Depot Handlingsagent Transport durch ALAADy Konsolidierung auf ULDs Transport zum Flugzeug Verladung ins Flugzeug und Lufttransport ALAADy BILD 4 Unten Bild 4: Vergleich der klassischen Luftfrachtkette im Zulauf (oben) mit der Integration von ALAADy (unten) Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 45 Wissenschaft LOGISTIK risch betrieben. Sie werden mit dem Ziel getestet, innerhalb von 20 bis 30 Minuten erfolgreich zu liefern. Die Fahrzeuge suchen selbstständig den Weg zum Empfänger, um Hindernisse automatisch zu vermeiden. Wenn es Situationen gibt, in denen die Selbststeuerung der Maschine keinen Weg finden kann, gibt sie die Kontrolle an einen Bediener weiter, der direkt über die Fernbedienung steuert. Der Roboter bewegt sich mit 6 bis 20 km/ h und hat ein gesichertes Fach im Inneren, in dem Sendungen mit einem Gesamtgewicht von 15 bis 150 kg [18] im Umkreis von 5 bis 20 km transportiert werden können. Entsprechend den Anforderungen von ALAADy sollte in Betracht gezogen werden, einen vorhandenen Roboter auf eine Tonne Gewicht (einschließlich Lastfaktor) zu skalieren. Das UCA würde im Normalfall eine Rampe benötigen und der Roboter müsste während des Fluges (automatisch) verankert werden, um ein autonomes Entladen und die Zustellung am Zielort zu ermöglichen. Derzeit ist diese Kombination aus Entladen eines Flugzeugs und gleichzeitiger Auslieferung durch einen Roboter auf dem Markt noch nicht realisiert worden [2, 3]. Derzeit ist bei den bodengebundenen Verkehrsmitteln nur die Zusammenarbeit von Mercedes-Benz Vans mit Starship Technologies bekannt, bei dem ein Sprinter-Prototyp, das sogenannte Mothership, als mobiler Lade- und Transportknoten für acht Starship-Lieferroboter dient [19]. Die Kombination von Luftfrachtentladung und -zustellung hätte entscheidende zeitliche und wirtschaftliche Vorteile und wäre eine wichtige Lösung für das Problem der „letzten Meile“ [2] in der Luftfrachtlogistik. Dieses Konzept sollte bei folgenden Forschungsprojekten eine hohe Priorität einnehmen, da diese autonome Variante ein hohes Maß an Zukunftsfähigkeit aufweisen würde. Es muss geprüft werden, ob die zu erzielenden Vorteile den Konstruktionsaufwand und eine Verringerung der Nutzlast aufwiegen. Die Nachteile dieses Konstrukts liegen auf der Hand: hohe Forschungs- und Investitionskosten für die Marktreife und Integration in die Logistikkette der Unternehmen. Autonomes Roboter-Container-System und Ladeeinheit für Einheiten Einen weiteren Schritt im Vergleich zu einem All-in- One-System (Zustellroboter mit integriertem Frachtbehälter) - wie gerade beschrieben - würde eine Entkopplung von Robot und Container darstellen. Neben den Infrastruktureinrichtungen bilden die Ladungsträger im Luftfrachtverkehr eine wichtige Komponente. Da sich der Einsatz von Containern in den letzten Jahrzehnten in der Logistik bewährt hat (Vor- und Nachteile siehe Tabelle 1 (nach [20]), werden neben konventionellen Ladungsträgern wie Paletten auch luftfahrtspezifische Frachtcontainer eingesetzt. Da die vorhandenen Luftfrachtcontainer auf dem jeweiligen Flugzeugtyp basieren, ist es nicht möglich, diese in Verbindung mit der ALAADy zu verwenden. Um eine bestmögliche Landeflächenauslastung für die ALAADy zu erreichen, ist es notwendig, ein entsprechendes Containersystem zu entwickeln. Um diese Methode optimal in die bestehende Logistik-Lieferkette zu integrieren, ist es wichtig, dass das Containersystem auf bereits standardisierten Maßeinheiten der Ladungsträger basiert. Anhaltspunkt wäre daher eine Standfläche von 120 cm x 80 cm (Euro-Palette) [10]. In Bezug auf die Abmessungen des Laderaums der ALAADy (300 cm x 130 cm) könnten drei Containereinheiten pro Flug transportiert werden (Bild 5). Während im vorherigen Konzept der Container und der Lieferroboter eine verbundene Einheit - sozusagen ein „All-in-one-System“ - waren, liegt der Fokus nun auf dem ULD mit einer „motorisierten Dolly-Roboter-Basis“. Diese Variante bringt weitere Flexibilität und einen gradlinigen Anschluss an die Logistikkette. Die Anpassung des Containers an die üblichen Maßeinheiten für ULDs ist dann jedoch unerlässlich, da nur mit diesem Schritt ein reibungsloses Handling zwischen verschiedenen Transportsystemen innerhalb der Lieferkette ermöglicht werden kann. Die Gestaltung und Konstruktion einer Dolly-Roboter-Basis müsste in den nachfolgenden Studien technisch und wirtschaftlich genau analysiert und simuliert werden. Schlussfolgerung Die Bedeutung einer Integration eines unbemannten Frachtflugzeugs für die Prozesse der Luftfracht-Lieferkette wurde anhand der gegebenen Konfigurationen aus Allgemeine Vorteile von Containern Be- und Entladen schneller und mit weniger Personal möglich Zeit-Aspekt Genormte Containereinheiten können in vorhandene Lagertechnik und automatisierte Lagerungssysteme integriert werden Zeit-Aspekt Weniger Personal im Umfeld des Flugobjektes Sicherheits-Aspekt Hohe Umschlaggeschwindigkeit macht Einsatz wirtschaftlich Ökonomischer Aspekt Container kann „vorher“ beladen werden Zeit-Aspekt Ausgewogene Beladung Hinblick des Schwerpunkts Sicherheits-Aspekt Bessere Ladungssicherung möglich (sowohl im Container als auch im Flugobjekt) Sicherheits-Aspekt Laderaum kann optimal genutzt werden Ökonomischer Aspekt Güter können durch Container lagerfähig gemacht werden Ökonomischer Aspekt Nutzung von Spezialcontainern (bspw. Cooling- Container) Sicherheits-Aspekt Schutz der Ware vor äußeren Einflüssen (Wetter oder-Diebstahl) Sicherheits-Aspekt Container können wasserdicht und schwimmfähig sein Sicherheits-Aspekt Allgemeine Nachteile von Containern Befüllen, Sichern, Kennzeichnen und Entleeren der Container ist mit zusätzlichem Aufwand verbunden Zeit-Aspekt (negativ) Tabelle 1: Allgemeine Vor- und Nachteile von Containern (nach [20]) Bild 5: ALAADy mit einem autonomen Roboter-Container- System Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 46 LOGISTIK Wissenschaft dem DLR-Projekt ALAADy [3] veranschaulicht. Bei der Untersuchung wurde davon ausgegangen, dass der Be- und Entladevorgang der Fracht an einem Zielort erfolgt, an dem über keine (Fracht-) Infrastruktur verfügt werden kann. Diese Prämisse sollte einerseits die Betrachtung einer Automatisierung des Frachtentladungsprozesses begünstigen und andererseits eine möglichst hohe Abdeckung vielseitiger Anwendungsfälle ermöglichen. Die Einführung einer UCA in die Luftfrachtkette nach der Art des ALAADy (Bild 3) bietet verständliche Zeit- und Kosteneinsparungspotenziale im täglichen Betrieb, da die Fracht „direkter“ und unkomplizierter an den Empfänger geliefert werden kann. Dies wird besonders deutlich in der Kombination mit einem autonomen Roboter-Container-System (Bild 6). Die Voruntersuchung hat gezeigt, dass die Kombination von Luftfrachtentladung und -lieferung ein Lösungsweg für Last-Mile-Probleme in der Luftfrachtlogistik darstellen könnte. Gegenwärtig ist eine Kombination aus Entladen eines Flugzeugs und gleichzeitiger Lieferung im Markt noch nicht realisiert worden und wäre daher eine Innovation. Diese Konzeption sollte daher in nachfolgenden Forschungsprojekten eine Priorisierung erhalten, da eine autonome Variante richtungsweisend für eine agile Logistik wäre. ■ LITERATUR [1] J. Tödter, V. Viereck, T. Krüger-Basjmeleh, T. Wittmann: Steigerung des Autonomiegrades von autonomen Transportrobotern im Bereich der Intralogistik - technische Entwicklungen und Implikationen für die Arbeitswelt 4.0. In: Zukunft der Arbeit in der Industrie 4.0, Dezember 2014, S. 69-75 [2] ZF-Zukunftsstudie 2016: Die letzte Meile. EuroTransportMedia Publisher 2016, S. 40. http: / / web-zf-zukunftsstudie-de.pixelpark.net/ presse-zf-zukunftsstudie-letzte-meile [3] J.C. Dauer, S. Lorenz, J.S. Dittrich: Automated Low Altitude Air Delivery. In: Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress 2016, DocumentID 420129, 2016 [4] M. P. Collins: The future market for Large Unmanned Cargo Aircraft in the national airspace system. Faculty of Lewis University, Aviation & Transportation, Illinois USA, December 2017 [5] G. Warwick: Is there a commercial market for large unmanned aircraft? Aviation week. http: / / aviationweek.com/ technology/ there-commercial-market-large-unmanned-aircraft [07.10.2017] [6] International Air Transport Association - IATA: Fact Sheet, IATA e-freight. http: / / www. iata.org/ pressroom/ facts _figures/ fact_sheets/ e-freight.htm [14.10.2008] [7] R. Vahrenkamp: Geschäftsmodelle und Entwicklungsstrategien von Airlines und Airports in der Luftfracht. Arbeitspapier zur Logistik, 2007, S. 23 [8] H. Heerkens: Unmanned Cargo Aircraft - From anywhere to everywhere. Engineering & Technology Reference Online, 2017, S. 9 [9] A. Lennane: Unmanned aircraft are the future for air cargo ‚but we need time to get it right‘. https: / / theloadstar.co.uk/ unmanned-aircraft-future-air-cargo-need-time-getright [08.09.2017] [10] K. Amaruchkul, W.L. Cooper, D. Gupta: A note on air-cargo capacity contracts. Prod. Oper. Manage., 20 (1) (2011), pp. 152-162 [11] A. Kazda, R. E. Caves: Airport design and operation, 2. ed. Emerald, Bingley, 2008.of the IEEE 99, 11 (2011), p. 174 [12] R. Merkert, E.van de Voorde, J. de Wit: Making or breaking - Key success factors in the air cargo market. In: Journal of Air Transport Management, Elsevier Publisher, 2017, Available online, 10. February 2017 [13] P.A. Meincke, A. Tkotz: Airports - Types, Functions, Facilities, and Accessibility. In: Introduction to Aviation Management, A. Wald, C. Fay, R. Gleich, Eds., Aviation Management. LIT, Berlin, 2015, pp. 86-126 [14] F. Gomez, D. Scholz: Iprovements to ground handling operations and their benefits to direct operating costs. Hamburg University of Applied Sciences, Aero - Aircraft Design and Systems Group, Hamburg, 2009 [15] T. Boonekamp, G. Burghouwt: Measuring connectivity in the air freight industry. In: Journal of Air Transport Management, Volume 61, June 2017, pp. 81-94 [16] P. A. Meincke, L. Asmer, L. Geike, H. Wiarda: Concepts for Cargo Ground Handling of Unmanned Cargo Aircrafts and Their Influence on the Supply Chain. In: Journal of System and Management Sciences, Vol. 8 (2018) No. 3, pp. 26-51 [17] A. Lottermoser, Ch. Berger, S. Braunreuther, G. Reinhart: Method of usability for mobile robotics in a manufacturing environment. Procedia CIRP 62, 2017, pp. 594 - 599 [18] DHL PostBot: from http: / / www.dpdhl.com/ de/ presse/ pressemitteilungen/ 2017/ neuer_ zustell_roboter_unterstuetzt_postboten.html [19] Media Daimler: Der Van als Mutterschiff. https: / / www.daimler.com/ innovation/ next/ dervan-als-mutterschiff.html [20] T. Gudehus: Logistik - Grundlagen, Strategien, Anwendungen, 3. Auflage, Kapitel 12.1, S. 427, Hamburg, 2005 Peter A. Meincke, Dr. Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Braunschweig peter.meincke@dlr.de Versender Transport Depot 1 Warehouse Transport Airline Transport durch autonomen Frachtroboter Versender gibt die Sendung auf Transport durch autonomen Frachtroboter Verladung ins Flugzeug und Lufttransport ALAADy Transport durch ALAADy Bild 6 OBEN HUB Airline Transport Transport Depot 2 Transport Warehouse Zustellung Empfänger Ankunft am Zielfughafen Zwischenlandung und Umladung Transport durch autonomen Frachtroboter Transport durch autonomen Frachtroboter Empfänger erhält Sendung ALAADy Transport durch ALAADy BILD 6 Unten Bild 6: Luftfracht- Lieferkette mit UCA „ALAADy“ und einem autonomen Roboter-Container- System (Herkunft und Destination mit HUB-Verbindung) DAS FACHMAGAZIN FÜR DIE JACKENTASCHE Lesen Sie Internationales Verkehrswesen und International Transportation lieber auf dem Bildschirm? Dann stellen Sie doch Ihr laufendes Abo einfach von der gedruckten Ausgabe auf ePaper um - eine E-Mail an service@trialog.de genügt. Oder Sie bestellen Ihr neues Abonnement gleich als E-Abo. 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Durch die Quasi-Monopolstellung, Kapazitäts- und Netzoptimierungen sowie Sättigungserscheinungen ist der Markt für Fernlinienbus-Reisen in Deutschland für die Wachstumsgeschichte von Flixbus nicht mehr sehr ergiebig. Gleichzeitig werden auch Risiken deutlich, die sich aus dem bestehenden Geschäftsmodell und durch eine veränderte Wettbewerbssituation ergeben. Andreas Krämer, Robert Bongaerts S echs Jahre nach dem Beginn der Marktliberalisierung ist es ruhiger geworden um die Boom-Branche Fernlinienbusverkehr. Aktuelle Nachrichten betreffen vor allem die Auslandsaktivitäten des Marktführers Flixbus [1] sowie dessen Einstieg in das Bahngeschäft [2]. Nach den dynamischen Jahren der Marktentwicklung stellt sich jetzt die Frage, welche Perspektiven mittelfristig bestehen. Vor diesem Hintergrund analysiert der vorliegende Beitrag • die Entwicklung des deutschen Fernlinienbus(FLB)-Marktes in den letzten Jahren, • zeigt die Wettbewerbsstellung im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern bei Fernreisen auf und • bewertet die Chancen und Risiken des Geschäftsmodells. Zur Bewertung des Fernlinienbusmarktes aus Sicht der Nachfrager wird einerseits auf die Studie MobilitätsTRENDS zurückgegriffen (repräsentative Online-Befragung von mehr als 4000 Personen ab 18 Jahren; deutschsprachige Bevölkerung im D-A-CH- Gebiet) [3], andererseits erfolgt eine Marktbeobachtung zur Preis- und Wettbewerbsstellung zum Endes des Jahres 2018. Marktsättigung im Inland und neue-Anbieter Die Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs startete in 2013 mit starker medialer Unterstützung und äußerst dynamisch [4]. Nachdem im ersten Jahr der Marktliberalisierung mehr als 40 Anbieter in diesem neuen Markt aktiv wurden, führten u.a. die massiven Überkapazitäten zu einem zunehmenden Preiswettbewerb [5], der spätestens in 2015 in einen regelrechten „Preiskrieg“ mündete [6]. Seit 2016 zeichnet sich in Deutschland eine Stabilisierung der Nachfrage auf einem Niveau von ca. 23 bis 24- Mio. Fahrten ab (vgl. Bild 1), einhergehend mit dem Entstehen einer Quasi-Monopolstellung des Marktführers Flixbus: Alle wesentlichen Bus-Konkurrenten haben sich entweder aus dem deutschen Markt zurückgezogen (Deutsche Bahn) oder wurden übernommen (Megabus, Postbus etc.). Auch die Prognose für 2018 auf Basis der ersten beiden Quartalsberichte des Statistischen Bundesamtes deutet nicht auf große Wachstumssprünge. Auf den Inlandsverkehr entfallen ca. drei Viertel der Fahrgäste, wobei in 2016 mit ca. 18,4 Mio. Passagieren der bisherige Höchststand im innerdeutschen Verkehr erreicht wurde. Der Rückgang um ca. 1,6 Mio. Passagiere (2017) konnte durch einen Anstieg der Fahrgastzahlen im Auslands-/ Transitverkehr nahezu kompensiert werden. Die Studie MobilitätsTRENDS 2018 bestätigt die Konsolidierung der FLB-Nachfrage. So bleibt der Anteil von FLB-Nutzern Bild 1: Angebots- und nachfrageseitige Entwicklung des Fernlinienbus-Marktes in Deutschland Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 49 Fernbusverkehr MOBILITÄT in der deutschen Bevölkerung ab 18 Jahren seit 2015 unter 10 %. Dies entspricht ca. 6 bis 7 Mio. Personen, wobei im Mittel jeder FLB-Nutzer ca. 3,5 bis 4 FLB-Fahrten pro Jahr unternimmt. Andere Studien (IGES 2018) beziffern den Nutzeranteil in Deutschland mit 28 % deutlich höher [7]. Auf der Anbieterseite waren die Jahre 2013 bis 2016 vor allem durch einen erheblichen Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet. Durchsetzen konnte sich schließlich Flixbus mit einem aktuellen Marktanteil in Deutschland von weit über 90 %. Die Konsolidierung auf der Angebotsseite spiegelt sich auch in den Daten der Verkehrsstatistik zur Angebotsleistung wider: In 2016 wird der Höchststand mit 273 Mio. Buskilometern erreicht, um dann im Folgejahr wieder unter das Niveau von 2015 zu sinken (vgl. Bild 1). Gemäß dem Branchenverband bdo stagniert das FLB-Angebot seit dem 1.- Quartal 2017 bei ca. 250 Linien (Höchststand: 328 Linien im 4. Quartal 2015) [8]. Hierfür ist hauptsächlich der Wegfall von Parallelverkehren verantwortlich, allerdings auch die Ausdünnung der Linienbedienung insbesondere zwischen den weniger großen Städten bzw. durch Abkehr von einer durchweg täglichen Bedienung der Linien [9]. Zahlen zur Angebotsleistung für 2018 liegen bei Fertigstellung des Artikels noch nicht vor, aber eine weitere Absenkung erscheint wahrscheinlich. Als Indiz hierfür kann die Auslastung der Buskapazitäten herangezogen werden. Diese konnte zwar von 51 % (2016) auf 54 % (2017) gesteigert werden. Trotz dieses Anstiegs besteht hier weiterhin ein erhebliches Steigerungspotenzial. Generell wird im Rahmen einer Marktkonsolidierung und dem damit einhergehenden Nachlassen des Wettbewerbs ein Preisanstieg erwartet. Auf Basis der über das Portal fernbusse.de verkauften Tickets wird für 20 innerdeutsche Linien zwischen April 2015 und April 2017 eine durchschnittliche Preiserhöhung von 11,4 % für Reisen mit dem Fernlinienbus ausgewiesen [10]. Das IGES-Monitoring der Normal- und Aktionspreise zeigt hingegen kaum einen Preisanstieg [11]. Eine eigene Preisrecherche des jeweils günstigsten verfügbaren Preises für eine Fahrt mit dem Fernlinienbus auf zehn Kernrelationen in Deutschland bestätigt ebenfalls einen leichten Preisanstieg seit 2016 (vgl. Bild 2, rechter Teil). Zusätzlich liefert die Studie MobilitätsTRENDS Angaben zum tatsächlich gezahlten Preis für eine Fahrt mit dem Fernlinienbus. Der Median liegt 2018 bei einem Preis von ca. 5,5- Ct/ km (vgl. Bild 2, linker Teil), dem in 2016 ein Wert von ca. 4,8 Ct/ km gegenübersteht (+15 %). Während in den Jahren bis 2015 vor allem durch Preisdumping der Verdrängungswettbewerb forciert wurde, setzt Flixbus seitdem auf das Durchsetzen höherer Preise, um die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells zu erhöhen. Allerdings findet weiterhin intramodaler Preiswettbewerb mit bestehenden und neuen Anbietern statt. Seit Ende 2017 neu im deutschen Markt bedient Ouibus, eine Tochter der SNCF und größter Wettbewerber von Flixbus in Frankreich, Strecken in Deutschland und hat weiteres Wachstum angekündigt [12]. Dass Flixbus trotz des hohen Marktanteils Konkurrenz fürchtet und bei Neuanbietern mit Preisdumping reagiert, zeigt auch die Auseinandersetzung mit dem tschechischen Anbieter Regiojet, der über ein besseres Service-Angebot Preisnachteile wettmachen will [13]. Im Ergebnis bietet der Fernbus z.B. auf Strecken mit Parallelverkehr wie Berlin - Dresden mit ca. 140 Verbindungen täglich ein deutlich besseres Angebot als die Bahn (ca. 60 Verbindungen) hat [14]. Anhaltender (Preis-)Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern Eine von den Autoren durchgeführte Analyse zum intermodalen Wettbewerb der Verkehrsmittel Bahn, Fernlinienbus und Mitfahrgelegenheit (BlaBlaCar) auf ausgewählten Strecken betrachtet neben dem Preis auch die Aspekte Reisezeit und die Verfügbarkeit der einzelnen Verkehrsträger [15]. Erfasst wurden dabei die Angebote der Verkehrsträger für eine Reise am Folgetag bzw. in zehn Tagen (Abreisezeitfenster jeweils zwischen 06: 00 h und 09: 00 h). Die Abfrage erfolgte für ausgewählte Strecken (kurze, mittlere, lange Entfernungsklasse). Bei mehr als einer Verbindung im Zeitfenster wurde die preisgünstigste Verbindung erfasst. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt beschreiben (Bild 3): • Das FLB-Preisniveau liegt bei den betrachteten Relationen in einer Range von 3,5 bis 8,4 Ct/ km und ist damit deutlich günstiger als die Bahnangebote (9,4 bis 23,4 Ct/ km). Die über BlaBlaCar angebotenen Mitfahrgelegenheiten erreichen mit ca. 5 Ct/ km etwa das gleiche Niveau wie die Fahrten mit dem FLB. • Bei der Betrachtung des Aspekts Reisezeit punktet die Bahn auf fast allen betrachteten Relationen mit teilweise deutlichen Zeitvorteilen, auch im Vergleich zur Fahrt im PKW (Mitfahrt bei BlaBla- Car), sofern dieses Leistungsversprechen tatsächlich eingehalten wird (die Pünktlichkeitswerte im DB Fernverkehr sind aktuell historisch schlecht). • Einen wichtigen Aspekt für die Verkehrsmittelwahl stellt die Verfügbarkeit eines Angebots zu der präferierten Reisezeit dar. Hier zeigt sich, dass die Bahn immer und der FLB fast immer auch eine Reise anbieten konnten. Deutliche Schwächen weist allerdings das Angebot von BlaBlaCar auf. Offensichtlich gestaltet sich das Erreichen einer kritischen Masse sowohl auf der Anbieterals auch auf der Nachfragerseite als schwierig. Welche Wettbewerbsbeziehungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern aus Kundensicht bestehen, kann anhand der Berücksichtigung alternativer Verkehrsträger aufgezeigt werden (vgl. Bild 4). Die hohe Abhängigkeit zwischen Bahn und FLB spiegelt sich auch im Evoked Set der Verkehrsmittel wider. Im Rahmen der Studie MobilitätsTRENDS geben 18 % der FLB-Nutzer an, bei der letzten Nutzung alternativ die Bild 2: Mittlerer Preis 2018 und Entwicklung der günstigsten verfügbaren Preise (2014-18) Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 50 MOBILITÄT Fernbusverkehr Bahn erwogen zu haben, während 8 % der Bahn-Nutzer den FLB als alternatives Verkehrsmittel berücksichtigt haben. Weiterhin ist eine hohe Affinität der FLB-Nutzer zum ÖPNV zu berücksichtigen: So sind in Deutschland ca. 44 % aller FLB-Nutzer als ÖPNV-Stammkunden einzuordnen (Nutzung des ÖPNV an mindestens drei Tagen pro Woche). Leicht abgeschwächt gilt dies auch für Österreich und die Schweiz. Nachvollziehbar erscheint vor diesem Hintergrund, dass ÖPNV-Anbieter Streckengenehmigungen für den FLB hinterfragen: Aktuelles Beispiel ist die Beschwerde von Transdev in Bezug auf die Strecke Chemnitz - Leipzig [16]. Die Substitutionseffekte zwischen Bahn und Bus erstrecken sich schließlich nicht nur auf den Bahnfernverkehr [17]. Auch die Diskussion in der Verkehrsministerkonferenz bestätigt die Konkurrenzbeziehung zwischen ÖPNV und FLB, die in Forderungen nach einer Änderung des Personenbeförderungsgesetzes zum besseren Schutz des ÖPNV gipfeln (z.B. über Anhebung des minimalen Haltestellenabstands bei FLB von 50 auf 100 km) [18]. Fernlinienbus: Entwicklungsperspektiven Im siebten Jahr der Liberalisierung des deutschen Fernbusmarktes lässt sich eine Zwischenbilanz ziehen, die auch die Perspektive zu den weiteren Entwicklungschancen einschließt: Erstens hat sich nach einem schwunghaften Start und etlichen Marktbereinigungen auf der Angebotsseite der FLB als fester Bestandteil im Verkehrsträger-Mix etabliert. Zweitens ist seit 2015 eine Stagnation der FLB-Fahrten auf einem Niveau von ca. 23 bis 24 Mio. Reisenden pro Jahr in Deutschland erkennbar. Drittens tritt als Wettbewerber neben der Bahn zunehmend das Angebot an Mitfahrangeboten (BlaBlaCar) auf. Von daher stellt sich die berechtigte Frage, ob für den FLB die Phase starker Wachstumsimpulse beendet ist. Potenzielle Treiber für das Umsatzwachstum von Flixbus sind u.a. eine Angebotsausweitung, das Erreichen neuer Zielgruppen oder auch Preiserhöhungen. Tatsächlich erscheinen diese Möglichkeiten begrenzt, und zwar aus den folgenden Gründen: • Deutliche Angebotsausweitungen in Deutschland sind unwahrscheinlich: Verfügbare Daten zeigen nach der Marktbereinigung in den Jahren 2014-2016 einen deutlichen Rückgang an angebotenen Buskilometern durch Aufgabe von unrentablen Linien und Parallelverkehren sowie durch eine reduzierte Intensität in der Bedienung einzelner Relationen. Aus Sicht von Flixbus ist daher eine Skalierung des Geschäftsmodells nur durch die Erschließung von Auslandsmärkten oder die - ungleich schwierigere - Übertragung auf andere Verkehrsträger (z. B. Flixtrain) möglich. • Kundenpotenziale weitreichend ausgeschöpft: Mittlerweile handelt es sich bei Fernlinienbussen um ein etabliertes Mobilitätsangebot, das nach wie vor stark über den Faktor des günstigen Reisepreises wirkt. Ein Wachstum durch die Erschließung neuer Zielgruppen für den FLB erscheint wenig wahrscheinlich, weil bereits jetzt die sehr preisaffinen Bild 3: Verkehrsträgervergleich auf ausgewählten Relationen; Deutschland (Sep. 2018) Bild 4: Verkehrsmittelnutzung und Berücksichtigung anderer Verkehrsmittel (Deutschland 2018, Reisen > 50 km einfache Entfernung) Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 51 Fernbusverkehr MOBILITÄT Segmente im Verkehrsmarkt FLB-Nutzer sind [19]. Andere, leistungsaffinere Kundensegmente (z. B. in Bezug auf Reisedauer, Komfort) werden durch FLB im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern weniger stark angesprochen. • Eingeschränkte Potenziale für Preiserhöhungen: Im Kontext des inter- und intramodalen Wettbewerbs sind auch diese begrenzt. Mehrere Punkte sind hierbei zu beachten: - Alternativen wie BlaBlaCar liegen bereits jetzt auf einem vergleichbaren Preisniveau. Die Erhöhung der Ticketpreise beim FLB könnten Abwanderungsbewegungen in der preissensiblen Zielgruppe auslösen. - Der intramodale Wettbewerb besteht weiterhin. Insbesondere für ausländische Anbieter (z. B. Ouibus, Regiojet) würde ein gestiegenes Preisniveau die Attraktivität des deutschen FLB- Markts erhöhen. - Außerdem steht mit der Bahn ein Wettbewerber zur Verfügung, der auf längeren Relationen deutliche Zeitvorteile bietet und damit einen Preisanstieg „nach oben“ begrenzt. Bietet die Bahn ihrerseits Preisangebote wie den Super Sparpreis oder aber spezifische Nahverkehrsangebote (z.B . der InterRegio- Express zwischen Berlin und Hamburg) an, verringert sich der Preisabstand zum FLB so deutlich, dass das FLB-Alleinstellungsmerkmal „Günstiger Preis“ verloren geht. So konzentriert sich Flixbus eher auf die Einführung eines Sitzplatz-Reservierungssystems [20]. • Stabilität des Geschäftsmodells fraglich: Ein weiteres Risiko für die FLB-Branche stellt die Sicherstellung einer nachhaltigen Wirtschaftlichkeit für die Buspartner selbst dar (nicht Flixbus, sondern eigenständige Busgesellschaften übernehmen die Bedienung der Linien im Auftrag von Flixbus). Um dies zu gewährleisten, werden bei einer mittleren Auslastung Einnahmen von 5 bis 6-ct/ Pkm als erforderlich bezeichnet [9], die am Markt aktuell kaum zu erzielen sind. • Politische Rahmenbedingungen unklar: Die FLB-Branche ist von der Straßenmaut befreit, u. a. damit begründet, die Liberalisierung des FLB-Markts nicht mit zusätzlichen Kosten behindern zu wollen [4]. Nachdem sich FLB nun etabliert haben, besteht aus Sicht der Betreiber durchaus die Gefahr einer Bemautung mit der Folge einer verschlechterten Wettbewerbsposition des FLB gegenüber den übrigen Verkehrsträgern. Fazit Wenn eine klare Schlussfolgerung zur Wirkung der Marktliberalisierung gezogen werden kann, dann die Erkenntnis, dass die Verbraucher uneingeschränkt von der Marktliberalisierung bei Fernbusreisen profitieren [4]. Da die Preisbereitschaften der Reisenden deutlich über den realisierten Marktpreisen liegen, ergibt sich ein hoher Kundennutzen (Value-to-the-customer). Ob ein ausreichender Kundenwert für die am Geschäftsmodell beteiligten Partner (Flixbus und Busunternehmen) generiert wird, bleibt abzuwarten. ■ LITERATUR [1] N.N. (2018): Flixbus goes to Hollywood, Abruf am 5. Dez. 2018 unter http: / / www.spiegel.de/ wirtschaft/ unternehmen/ flixbus-plant-expansion-in-die-usa-a-1176944.html [2] Heeg, T (2018): Flixbus attackiert die Bahn jetzt auch auf der Schiene, Abruf am 5. Dez. 2018 unter http: / / www.faz.net/ aktuell/ wirtschaft/ unternehmen/ flixbus-will-bahn-auch-auf-der-schienekonkurrenz-machen-15481074.html [3] Krämer, A., Hercher, J. (2014): Der Weg ist das Ziel - länderübergreifende Studie zu Reiseverhalten und -trends. Research & Results, Heft 5, S. 42-43 [4] Krämer, A., Wilger, G., Bongaerts R. (2017): Fernlinienbusse - eine Erfolgsgeschichte? ! Köln [5] Krämer, A., Jung, M. (2014): Zwischen Preiswettbewerb und Preiskampf - Das Spannungsfeld zwischen Nachfrageboom und Preiserosion bei Reisen mit Fernlinienbussen. Internationales Verkehrswesen, 66(4), S. 58 - 60 [6] Krämer, A., Jung, M., Burgartz, T. (2016): A Small Step from Price Competition to Price War - Understanding Causes, Effects and Possible Countermeasures. International Business Research; Vol. 9, No. 3, S. 1-13 [7] IGES (2018): Synopse von Fernbuskunden in Deutschland. Zitiert in: Statista (2018): Statista-Dossier zum Fernbusmarkt in Deutschland [8] Bdo (2018): Linienanzahl im deutschen Fernbusverkehr, Abruf am 25.10.2018 unter https: / / www.bdo.org/ zahlen-fakten-positionen/ fernbus/ linien-und-marktanteile [9] BAG (2017): Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs 2017. Abruf am 5. Dez. 2018 unter https: / / www.bag.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Marktbeobachtung/ Sonderberichte/ SB_Fernbus_2017. html? nn=13134 [10] Checkmybus GmbH (2017): Reisen zum Tiefstpreis. Pressemitteilung vom 07.06.2017. Abruf am 25.10.2018 unter http: / / www.fernbusse. de/ wp-content/ uploads/ 2013/ 05/ pm-fernbusse-07-06-17.pdf [11] IGES (2018): Der Fernbusmarkt in Deutschland IV/ 2017 [12] Schubert, C. (2018): Franzosen greifen Flixbus mit europäischer Allianz an. Abruf am 5. Dez. 2018 unter http: / / www.faz.net/ aktuell/ wirtschaft/ unternehmen/ franzosen-greifen-flixbus-mit-europaeischer-allianz-an-15348507.html [13] Zimmermann, M. (2018): Verbraucher ist der Verlierer auf dem Fernbusmarkt. Abruf am 5. Dez. 2018 unter https: / / www.welt.de/ wirtschaft/ article181906864/ Flixbus-Monopolist-kauft-Konkurrentenund-verdraengt-letzte-Mitbewerber.html [14] Eigene Recherche auf dem Portal busliniensuche.de im November / Dezember 2018 [15] Krämer, A., Hercher, J. (2018): Marktbericht Fernlinienbusse. https: / / www. ro g a t o r. d e / a p p / u p l o a d s / 2 0 1 8 / 1 2 / R o g a t o r _ e x e o _ Mobilit% C 3%A4ts T R E N DS-201 8_Marktbericht-F L B_Pricing_ Lab_181203.pdf [16] N.N. (2018): Transdev wehrt sich gegen Fernbusbetreiber. Abruf am 30.11.2018 unter https: / / www.newstix.de/ index.php? site=&entmsg= true&ref=RNL&mid=44044 [17] Krämer, A., Rieger, M. (2015): Fernlinienbusse: Chance oder Risiko für den Bahnnahverkehr? Der Nahverkehr, Heft 7/ 8, S. 41-47 [18] Verkehrsministerkonferenz (2016): Bericht des Arbeitskreises Öffentlicher Personenverkehr. Abruf am 5. 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Dez. 2018 unter https: / / www.zeit.de/ wirtschaft/ unternehmen/ 2018-02/ fernbus-flixbus-reservierungen-sitzplatz Andreas Krämer, Prof. Dr. Professor für Pricing und Customer Value Management, University of Applied Sciences Europe, lserlohn; Vorstand exeo Strategic Consulting AG, Bonn andreas.kraemer@exeo-consulting.com Robert Bongaerts, Dr. Vorstand exeo Strategic Consulting AG, Bonn robert.bongaerts@exeo-consulting.com Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 52 TECHNOLOGIE Automatisierung Integrierter Entwurf sicherer Fahrzeugsysteme Plädoyer für ein ganzheitliches Sicherheitsverständnis für-Fahrerassistenz und Fahrzeugautomation Funktionale Sicherheit, Cybersecurity, Gebrauchssicherheit, Sicherheit, Safety of the intended functionality (SOTIF), Fahrzeugautomation Fahrerassistenzsysteme unterstützen uns bereits heute bei der Wahrnehmung der Fahraufgabe. In den nächsten Jahren werden sicherheitsrelevante elektronische Steuerungssysteme den Fahrer noch weitergehend unterstützen bis hin zu einer teilweisen oder gar vollständigen Übernahme der Fahraufgabe. Die Komplexität der für die Lösung dieser Automatisierungsaufgabe erforderlichen Komponenten und Systeme steigt. Der Schlüssel zur Beherrschung der Komplexität ist ein ganzheitliches Systems Engineering, welches die Funktionale Sicherheit, die Angriffssicherheit und die Gebrauchssicherheit integriert. Lars Schnieder, René S. Hosse F ahrerassistenzsysteme haben sich in den letzten Jahren stetig fortentwickelt. Sie unterstützen die Fahrer bei der Fahraufgabe und übernehmen heute in ausgewählten Fahrszenarien die Querund/ oder Längsführung des Fahrzeugs. Die Automobilindustrie ergänzt sukzessive den Funktionsumfang der Fahrzeugautomation sowie weitere Szenarien. Die Einführung des hochautomatisierten Fahrens (HAF) für ausgewählte Infrastrukturumgebungen steht kurz bevor. Bei der Systemeinführung stellt sich die Frage, inwieweit die zahlreichen an ein Automationssystem gestellten Anforderungen nachweislich in Einklang gebracht werden können. Es stellt sich auch die Frage des Maßstabes für die Zulassung [1]. Für risikoorientierte Entscheidungen in Zulassungsprozessen bestehen zwei grundsätzliche im Recht etablierte Ansätze (vgl. Bild 1): • Zulassungsmaßstab mindestens gleicher Sicherheit: Die vom Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur eingesetzte Ethikkommission für das automatisierte und vernetzte Fahren stellt in ihrem Abschlussbericht fest, dass die „Zulassung von automatisierten Systemen [nur vertretbar ist], wenn sie im Vergleich zu menschlichen Fahrleistungen zumindest eine Verminderung von Schäden im Sinne einer positiven Risikobilanz verspricht“ (vgl. [2]). • Zulassungsmaßstab technischer Regelwerke: Der Gesetzgeber bezieht sich mit Generalklauseln auf technische Regeln privater Regelsetzer (u. a. Normungsorganisationen) (vgl. [3]). Die Rechtsprechung (vgl. [4]) bestimmt, dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik mögliche Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Der Stand von Wissenschaft und Technik ist „der Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren […], die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlich vertretbarer Erkenntnisse […] das Erreichen [des gesetzlich vorgegebenen Ziels als] gesichert erscheinen lassen“ (vgl. [3]). Dieser Beitrag zeigt anhand der in Bild 1 als Maßstab des rechtlich Gebotenen referenzierten Normen und Standards auf, wie verschiedene Aspekte für eine rechtssichere Zulassung hochautomatisierter Fahrzeugsysteme zukünftig integriert zu betrachten sind. Entwicklung funktional sicherer elektronischer Steuerungssysteme (ISO 26262) Ausgangspunkt der Gestaltung funktional sicherer Fahrzeugsysteme ist die Gefährdungsidentifikation und Risikobeurteilung (Hazard Analysis and Risk Assessment, HARA). Hierbei werden auf der Grundlage einer Systembeschreibung (Item Definition nach ISO 26262, vgl. [5]) die in verschiedenen Anwendungskontexten bestehenden Gefährdungen strukturiert abgeleitet (vgl. [6]) und hinsichtlich dreier Kriterien bewertet: Bild 1: Maßstäbe des rechtlich Gebotenen in Zulassungsentscheidungen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 53 Automatisierung TECHNOLOGIE • Auftretenswahrscheinlichkeit der Situation/ Häufigkeit der Situation: Auf der Grundlage allgemein verfügbarer Statistiken erfolgt eine Einschätzung, wie oft eine Fehlfunktion im Betrieb auftreten können. So handelt es sich beispielsweise bei der Lenkung um eine kontinuierlich vom Fahrer zu erbringende Funktion mit einer entsprechend hohen Bewertung dieses Parameters. • Schweregrad eines möglichen Schadensereignisses: Dieser Parameter betrachtet den Schweregrad eines möglichen Schadens. Hierbei kann auf umfangreiche Statistiken (Statistisches Bundesamt bzw. Unfallstatistiken wie „German In-Depth Accident Study“, GIDAS) zurückgegriffen werden. So führt beispielsweise ein Versagen der Lenkfunktion auf Autobahnen zu potenziell tödlichen Unfällen (vgl. [7]). • Kontrollierbarkeit: Dieser Parameter bewertet die Möglichkeit des Fahrers, trotz Versagens einer technischen Schutzfunktion sicherheitsgerichtet zu reagieren und das Fahrzeug bei einer eintretenden Fehlfunktion zu beherrschen. So ist beispielsweise das Versagen der Lenkung auf der Autobahn bei hohen Geschwindigkeiten nicht mehr durch den Fahrer zu beherrschen und führt fast zwangsläufig zu schweren Unfällen. Auf der Grundlage der HARA wird ein Automotive Safety Integrity Level abgeleitet (ASIL, vgl. Darstellung in Bild 2). Der ASIL ist ein Maß für die erforderliche Risikoreduktion durch die Vermeidung systematischer Fehler und zufälliger Ausfälle. Es schließen sich eine strukturierte Gefährdungsbeherrschung durch ein Funktionales Sicherheitskonzept, ein hieraus abgeleitetes Technisches Sicherheitskonzept, eine nachfolgende Systemimplementierung in Hard- und Software, Integrations-, Test- und Nachweisaktivitäten auf Subsystem- und Systemebene sowie eine abschließende unabhängige gutachterliche Bewertung an. Humanzentrierte Automation komplexer Verkehrsszenarien (ISO-DPAS 21448) Der Gesetzgeber hat durch die Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes den Rechtsrahmen für die zunehmende Fahrzeugautomation geschaffen (vgl. §1b StVG zu Rechten und Pflichten des Fahrzeugführers bei Nutzung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen [1]). Der Fahrzeugführer darf sich während der Fahrzeugführung mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden. Allerdings muss er wahrnehmungsbereit bleiben. Dies verdeutlicht, dass Funktionale Sicherheit allein für komplexe Mensch-Maschine-Systeme zu kurz greift. Diese Lücke schließt das Konzept der Gebrauchssicherheit (Safety of the intended functionality, SOTIF, vgl. [8]). Auf Basis einer Gefährdungsidentifikation und Risikobewertung wird auch hier eine strukturierte Gefährdungsbeherrschung durchgeführt. Hierbei werden gezielt die folgenden Maßnahmen ergriffen: • Eingrenzung der bestimmungsgemäßen Verwendung: Automobilhersteller definieren die konkreten Anwendungsgebiete der entwickelten automatisierungstechnischen Komponente (vgl. Bild 3). Die bestimmungsgemäße Verwendung ist in der Betriebsanleitung dokumentiert. Hierbei wird die Zulässigkeit der Verwendung einer Fahrzeugautomatisierungsfunktion in bestimmten Anwendungsfeldern (vgl. hierzu [6]) erklärt. Wird ein Anwendungsfeld nicht beherrscht, wird dieses bewusst abgegrenzt und dem Nutzer über die Betriebsanleitung zur Kenntnis gebracht. • Strukturierte Betrachtung der vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung: Die Verwendung eines Fahrzeugs in einer laut Betriebsanleitung nicht beabsichtigten Weise ist eine vorhersehbare Fehlanwendung. Die Fahrzeugautomation ist vom Hersteller nach Möglichkeit so zu entwerfen, dass eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung verhindert wird. Hierfür werden Fehlgebrauchsszenarien durch leitwortbasierte Methoden (vgl. [8]) systematisch erfasst und einer Gefährdungsbeherrschung zugeführt. • Rückgabe der Verantwortung für die Fahraufgabe an den Fahrer: Die automatisierungstechnische Komponente muss so ausgestaltet werden, dass der Fahrer mit einer ausreichenden Zeitreserve auf die bevorstehende Übernahme der Verantwortung für die Fahraufgabe hingewiesen wird. Hierbei müssen in der Interaktionsgestaltung optische, akustische, taktile oder sonst wahrnehmbare Hinweisen geeignet kombiniert werden. • Systemgestaltung durch Verbesserung der Sensorik, Regelfunktionen und Aktorik: Die automatisierungstechnische Funktion ist ein Regelkreis. Ziel ist eine in allen Umweltbedingungen robuste Regelfunktion. Aus diesem Grund wird der Regelkreis selbst zum Gegenstand einer umfassenden Fehlerbetrachtung. Gleichzeitig werden die Einflüsse verschiedener Fehlermodi von Sensoren, Regelfunktion und Aktoren bewertet. Dieser regelwerksorientierten Vorgehensweise zur strukturierten Risikoreduktion steht eine auf Verkehrsunfallstatistiken beruhende Bestimmung des Validierungsziels gegenüber. Unter Berücksichtigung tatsächlich beobachteter Unfallzahlen und weiterer statistischer Werte wie bspw. die Jahresfahrleistung werden in einer risikoorientierten Betrachtung unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags Zielgrößen der für die Absicherung des zu entwickelnden Systems zu erbringenden Fahrleistung in Realtests abgeleitet. Hierbei ist es das Ziel, den quantitativen Nachweis „mindestens gleicher Sicherheit“ zu erbringen. Verhinderung der Kompromittierung der Schutzfunktionen (SAE-J-3061) Ein funktionierender Verkehr ist für unsere Gesellschaft essentiell. Verkehr ist eine „kritische Dienstleistung“. Zum Schutz der Verkehrsinfrastrukturen gegen unberechtigte Zugriffe Dritter bestehen umfassende Regelungen zum „Schutz Kritischer Infrastrukturen“ auf nationaler (vgl. [9]) und europäischer Ebene (vgl. [10]). Das vernetzte Fahrzeug ist in die verkehrstechnische „kritische“ Infrastruktur eingebettet. Dem Ansatz einer tiefgestaffelten Verteidigung (englisch: Defense in Depth) folgend, ist das Fahrzeug auf mehreren Verteidigungslinien gegen unberechtigte Angriffe von außen abzusichern. Dies ist Inhalt des Standards SAE J 3061 [11]. Es stellt sich auch hier analog zur Vorgehensweise der Funktionalen Sicherheit die Frage nach einem angemessenen Schutzniveau gegen unberechtigten Bild 2: Vorgehensmodell der Gefährdungsidentifikation und Risikobewertung in Anlehnung an [6] Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 54 TECHNOLOGIE Automatisierung Zugriff Dritter. Insofern steht in Analogie zur HARA der Funktionalen Sicherheit eine Bedrohungsidentifikation und Risikobewertung (Threat Analysis and Risk Assessment, TARA) am Anfang [12]. Die Ergebnisse der TARA bestimmen wesentlich die Entwurfsaktivitäten. Dies umfasst drei Schritte: • Bedrohungsidentifikation: Für den Anwendungsfall werden Bedrohungen identifiziert. Dies bezieht als kreativer Prozess mehrere Personen mit ein. Hierfür sind ebenfalls leitwortbasierte Methoden (vgl. [13]) sinnvoll. Beispielsweise bildet die Methode STRIDE Bedrohungen (Spoofing, Tampering, Repudiation, Information Disclosure, Denial of Service, Elevation of Privilege) auf Security-Attribute (Authenticity, Freshness, Integrity, Non- Repudiation, Confidentiality, Privacy, Availability, Authorization) ab. Jede Bedrohungskategorie ist einem Security- Attribut zugeordnet. Hierdurch wird jeder identifizierten Bedrohung eine Cybersecurity-Anforderung zugeordnet. • Risikobewertung: Die Risikobewertung verknüpft die Wahrscheinlichkeit eines Schadens durch unberechtigte Zugriffe Dritter mit dem Schweregrad des möglichen Schadens. Die Wahrscheinlichkeit wird durch das für einen erfolgreichen Angriff beim Angreifer vorhandene Fachwissen, das beim Angreifer vorhandene relevante Systemwissen, die für die Identifikation und das Ausnutzen einer Schwachstelle erforderliche Ausrüstung sowie die konkreten Zugriffsmöglichkeiten (engl. „Window of opportunity“ als zeitlich begrenzten oder unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit) bestimmt. Der Schweregrad eines möglichen Schadens durch einen unberechtigten Zugriff berücksichtigt neben der Auswirkung auf die Funktionale Sicherheit (bewertet durch die drei Kriterien der HARA) möglicherweise auch finanzielle Auswirkungen (Verlust von Marktanteilen, Schadenersatzforderungen, Geldbußen), Komfort- und Verfügbarkeitseinschränkungen für den Nutzer und den Verlust der Vertraulichkeit (Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen). • Ableitung eines angemessenen Schutzniveaus: Der Schweregrad und die Wahrscheinlichkeit werden in einer Risikomatrix miteinander verknüpft. Aus dieser Verschränkung resultieren Schutzgrade zur Erreichung eines angemessenen Schutzniveaus (Begrenzung von Schwere und Häufigkeit eines aus einer Bedrohung resultierenden Schadens). Auf dieser Grundlage werden Maßnahmen zur Erreichung eines angemessenen Schutzniveaus ausgewählt. Diese Vorgehensweise erfolgt in Anlehnung an die bereits in anderen Industrien etablierte Praxis (vgl. [14]). Resultierende Herausforderungen in der Entwicklung sicherer elektronischer Steuerungssysteme für Kraftfahrzeuge Die verschiedenen zuvor dargestellten Herausforderungen müssen von den Automobilherstellern und -zulieferern zu einem aufeinander abgestimmt zusammenwirkenden Prozessgebäude zusammengefügt werden. Dies birgt im Detail die folgenden Herausforderungen: Co-Engineering der einzelnen Entwurfsaspekte Die drei Entwurfsaspekte sicherer elektronischer Steuerungssysteme für Kraftfahrzeuge weisen enge Anknüpfungspunkte zueinander auf. Hierbei bestehen sowohl Analogien als auch relevante Unterschiede. Es sind also in der Bearbeitung dieser Aspekte Synergien zu identifizieren. Hierbei müssen die Unternehmen jeweils auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Prozesse definieren, die sich zwischen den folgenden Extremen bewegen: • Definition separater Prozesse für die einzelnen Entwurfsaspekte mit hieraus erwachsenden Problemen in der Synchronisierung insbesondere der Anforderungen und Lösungskonzepte. • Definition eines integrierten Prozesses für die einzelnen Entwurfsaspekte mit hieraus erwachsenden Problemen der Verfügbarkeit von Ressourcen für die jeweils gleichzeitige Bearbeitung der speziellen Entwurfsaspekte. Lebenszyklusorientierung der Entwurfsaspekte Die Betrachtung aller drei Entwurfsaspekte endet nicht mit dem „Start of Production“ (SOP). Die Funktionale Sicherheit erfordert einen strukturierten Rückfluss von Erfahrungen aus Produktion und Betrieb in die Systementwicklung. Gleichfalls zeichnet sich auch für das Hochautomatisierte Fahren ab, dass auch nach Produktionsstart die zum Zeitpunkt der Zulassung gültigen Prämissen kontinuierlich hinterfragt werden müssen. Im Falle so genannter „Produktsicherheitsmängel“ müssen konsequent kor- Bild 3: Charakterisierung der bestimmungsgemäßen Verwendung durch die Bestimmung des Anwendungskontexts nach [6] Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 55 Automatisierung TECHNOLOGIE rektive Maßnahmen definiert und umgesetzt werden. Auch das IT-Sicherheitsgesetz legt den Herstellern im Falle erkannter Cybersecurity- Vorfälle eine Pflicht zur Mitwirkung an der Behebung der Ursachen auf. Insofern müssen alle drei Entwurfsaspekte die späteren Lebenszyklusphasen mit berücksichtigen. Es muss für alle drei Entwurfsaspekte einen klar definierten Prozess geben samt Kommunikationspfaden, über die ein auf die verschiedenen Entwurfsaspekte bezogenes sicherheitsrelevantes Vorkommnis gemeldet werden kann. Es sollte für die Beteiligten (Fahrer, Aufsichtsbehörde) klar und einfach beschrieben sein, wie man bei der Meldung eines Vorkommnisses an den Hersteller vorgeht. ■ LITERATUR [1] Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) geändert worden ist [2] Abschlussbericht Ethikkommission Vernetztes und Automatisches Fahren [3] Bundesministerium der Justiz: Bekanntmachung des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit. 22. September 2008. Bundesanzeiger Jahrgang 60, Ausgabe 160a [4] Zur Haftung eines Fahrzeugherstellers für die Fehlauslösung von Airbags. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - VI ZR 107/ 0 [5] ISO 26262: 2011: Road vehicles - Functional safety [6] SAE J 2980: 2018-04-28: Considerations for ISO 26262 ASIL Hazard Classification [7] VDA 702: Situationskatalog E-Parameter nach ISO 26262-3. Verband der Automobilindustrie e.V., Berlin, Juni 2015 [8] ISO/ PAS 21448: Road vehicles - Safety of the intended functionality [9] BSI-Gesetz vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2821), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1885) geändert worden ist [10] Richtlinie (EU) 2016/ 1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union [11] SAE J 3061: 2016-01-14: Cybersecurity Guidebook for Cyber-Physical Vehicle Systems [12] Schmittner, Christoph; Zhendong Ma, Carolina Reyes, Oliver Dillinger und Peter Puschner (2016): Using SAE J 3061 for automotive security requirement engineering. In SAFECOMP 2016 Workshops. LNCS 9923, Hrsg. A. Skavhaug, 157-170. Berlin: Springer [13] Jelacic, Bojan; Daniela Rosic, Imre Lendak, Mrina Stanojevic und Sebastian Stoja (2018): STRIDE to a secure smart grid in a hybrid cloud. In: CyberI CPS 2017/ SECPRE 2017, LNCS 10683, Hrsg. S.K. Katsikas, 77-90. Berlin: Springer [14] DIN IEC 62443-3-3: 2015-06; VDE 0802-3-3: 2015-06 - Industrielle Kommunikationsnetze - IT-Sicherheit für Netze und Systeme - Teil 3-3: Systemanforderungen zur IT-Sicherheit und Security-Level (IEC 62443-3-3: 2013 + Cor.: 2014) Lars Schnieder, Dr.-Ing. Leiter Assessment Service Center, ESE Engineering und Software Entwicklung GmbH, Braunschweig lars.schnieder@ese.de René S. Hosse, Dipl. Wirtsch.-Ing. Lead Assessor Automotive, ESE Engineering und Software Entwicklung GmbH, Braunschweig rene.hosse@ese.de Werden Sie Aussteller! parken-messe.de Präsentieren Sie Ihre Innovationen auf dem Branchentreffpunkt in Deutschland. Fachausstellung und Fachtagung für Planung, Bau und Betrieb von Einrichtungen des ruhenden Verkehrs Wiesbaden, 05.- 06.06.2019 #PARKENexpo @PARKENexpo Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 56 TECHNOLOGIE Automatisierung Automatisiertes Fahren in der Gütertransportlogistik Durchbruch oder Sargnagel für den Schienengüterverkehr? Automatisiertes Fahren, Schienengüterverkehr, Gütertransport, Wettbewerbsposition, Prognose Der vorliegende Beitrag behandelt die grundsätzliche Bedeutung des Digitalisierungstrends „Automatisiertes Fahren“ für die Gütertransportlogistik. Der Fokus liegt vor allem auf der Bewertung, wie sich unterschiedliche Entwicklungen bei dem Thema in Straßengüterverkehr und Schienengüterverkehr (SGV) perspektivisch auf die Position des SGV auswirken könnten. Somit stellt sich auch die grundsätzliche Frage nach der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit und Existenzgrundlage von Schienengütertransporten im Vergleich zu Straßengütertransporten. Die derzeitige, bereits extrem angespannte Wettbewerbsposition der Schiene gegenüber der Straße könnte durch einen Innovationsvorsprung der Straße beim automatisierten Fahren weiter verschlechtert werden. Dies hätte zur Folge, dass die Zukunft schienenbasierter Gütertransporte akut in Gefahr geriete. Daniel Skopek D ie Botschaft war klar: „Wenn es gut läuft, liegt der Marktanteil des Schienengüterverkehrs im Jahr 2030 bei 30 %. Wenn wir nicht aufpassen, bei null,“ prognostizierte Dr. Thorsten Bieker, Vice President Rail & Site Services BASF SE, schon 2017 gegenüber dem Handelsblatt. 1 Eine der wesentlichen Thematiken, die derzeit innerhalb der Transportlogistikbranche aber auch in politischen Gremien intensiv diskutiert werden, ist die Frage nach der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit und Existenzgrundlage von Schienengütertransporten im Vergleich zu Straßengütertransporten. So betrug der sogenannte Modal Split, d.h. der Anteil eines Verkehrsträgers an der Gesamtverkehrsleistung in Tonnenkilometern (tkm), im Jahr 2017 für den Schienengüterverkehr (SGV) lediglich 17,4 %, während die Straße einen Rekordwert von 71,7 % aufwies. 2 Der kontinuierliche Verfall der Marktanteile des SGV ist dabei neben systemimmanenten Aspekten vor allem auch das Resultat eines verzerrten Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße. 3 So wird bspw. der umweltfreundliche Verkehrsträger Schiene jährlich mit bis zu 30 Millionen Euro im Rahmen des Emissionsrechtehandels zusätzlich belastet, die für einen Großteil der Emissionen verantwortliche Straße hingegen überhaupt nicht. Auch muss die Schiene als einziger Verkehrsträger im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) die Energiewende mitfinanzieren und zusätzlich signifikante Kosten im Rahmen der Stromsteuerabfuhr stemmen. Nicht zuletzt fällt die LKW-Maut nur auf einem Bruchteil der deutschen Straßen und nur für Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 7,5 t an, während im SGV für jeden gefahrenen Trassenkilometer eine Gebühr zu entrichten ist. Unabhängig von diesen politischen Entwicklungen ist zu befürchten, dass sich die bereits heute extrem angespannte Wettbewerbsposition der Schiene gegenüber der Straße durch einen Innovationsvorsprung der Straße beim Digitalisierungstrend des automatisierten Fahrens weiter verschlechtern würde. Dies hätte zur Folge, dass die Zukunft schienenbasierter Gütertransporte akut in Gefahr geriete. Doch was verbirgt sich eigentlich konkret hinter den teils inflationär benutzten Begriffen Digitalisierung/ automatisiertes Fahren? Was hinter dem Begriff automatisiertes Fahren steckt Im Sinne einer für den Bereich der Transportlogistik zielführenden betriebswirtschaftlichen Begriffsbestimmung bedeutet Digitalisierung in Anlehnung an Helmold/ Terry zunächst einmal nur die fortschreitende Vernetzung der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und -Information auf Basis eines kontinuierlichen Datenaustauschs in und zwischen den verschiedenen Prozessen, Systemen und Anlagen eines Unternehmens. 4 Wo bisher der Fokus von Veränderungsprozessen auf einer Optimierung der Maschine-Mensch-Beziehung lag, wie beispielsweise der Kommunikationsprozess zwischen einer Navigationssoftware und dem Fahrer eines Fahrzeugs, rücken nun zunehmend die Verbesserungspotentiale von Informations- und Kommunikationsflüssen zwischen einzelnen Maschinen in das Blickfeld der Unternehmen. In unserem Fall wäre das die vom Fahrer des Fahrzeugs autonome, d. h. unabhängige Interaktion des Systems Navigationssoftware mit dem System Fahrzeug - der erste Schritt auf dem Weg zu vollautomatisierten Fahrsystemen. Da die rein binäre Beschreibung der Automatisierung eines Fahrsystems nicht ausreichend ist (entweder es ist überhaupt nicht automatisiert oder aber fahrerlos), bedient man sich mittlerweile standardmäßig einer sechsstufigen Kategorisierung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), um die Ausprägung/ Stärke des jeweiligen Automatisierungsgrades zu definieren - von driver only über assistiert, teilautomatisiert, hochautomatisiert, vollautomatisiert bis hin zum fahrerlosen Fahren (siehe Bild 1). Die Technik des automatisierten Fahrens umfasst dabei, vereinfacht gesagt, drei zentrale Systemfunktionen, die für ihre Entwicklung und Fähigkeitsausprägung elementar sind: die Navigation, die Sicherheit und die Schnittstelle Mensch-Maschine. Im Bereich der Navigation kommen (programmierungs-)technische Maßnahmen zum Einsatz, die ermitteln, wo sich das Fahrzeug befindet, wohin es ohne aktives Eingreifen fahren würde und was veranlasst werden muss, damit das Fahrzeug ein vorbestimmtes Ziel auf einem vorgegebenen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 57 Automatisierung TECHNOLOGIE Weg erreicht. 6 Neben der Navigation bildet die Sicherheit die zweite zentrale Systemfunktion. Je höher der Automatisierungsgrad eines Systems liegt, desto größer sind auch die Anforderungen an das System, die Sicherheit im Einsatzumfeld zu gewährleisten. Zwar existieren hierzu diverse Norm- und Gesetzesvorgaben 7 , doch im Grunde hängen die Akzeptanz und damit auch der Erfolg eines automatisierten Fahrsystems vor allem von der durch die Gesellschaft wahrgenommenen Systemsicherheit ab. Die dritte relevante Systemfunktion, die es zu beachten gilt, ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, auch Human-Machine Interaction (HMI) genannt. In den Automatisierungsgraden „driver only“ sowie „assistiert“ hat das System die Aufgabe, den Fahrer während der Fahrt zu entlasten und Teilaufgaben bspw. im Bereich der Steuerung oder Navigation zu übernehmen. Dabei bewegt sich das Fahrassistenzsystem stets in einem Wirkungs- und Spannungsdreieck aus dem Fahrer (z.B. dessen Aufmerksamkeit oder Müdigkeit), dem Fahrumfeld (z.B. der Verkehrsfluss oder die Sicht) sowie dem Fahrzeug (z.B. Ausstattung oder Zustand). Es sollte jeweils klar festgelegt werden, welche Leistungen das System in welchen Situationen erbringen kann und wo die Grenzen liegen. 8 Im Bereich der Hoch- oder Vollautomatisierung überlässt der Fahrer immer mehr Aufgaben dem Assistenzsystem bis hin zu dem Fall, in dem das System die vollständige Kontrolle über das Fahrzeug erhält. Es agiert dann autonom und somit unabhängig vom Fahrer. Wo die Vorteile liegen Die wohl wesentlichsten Vorteile des hoch- oder vollautomatisierten Fahrens für sowohl den Straßenals auch den Schienengüterverkehr liegen in zu erwartenden Kosten,- Zeit- und Qualitätseffekten sowie - vor allem für die Straße - im Bereich der Sicherheit. So könnte ein vollautomatisiertes Fahrsystem den Fahrer perspektivisch überflüssig machen und auf Basis von Algorithmen eine deutlich kraftstoffsparsamere Fahrweise realisieren. Industrieexperten gehen davon aus, dass vor allem die Straße diesbezüglich signifikante Kostenreduktionen erreichen könnte. Manche Einschätzungen gehen - im Grad der Vollautomatisierung - von bis zu 50 % der Gesamtbetriebskosten aus, da allein der Fahrerkostenanteil an den Gesamtkosten derzeit ca. 25 bis 30 % ausmacht, mit steigender Tendenz 9 . Weitere Einsparungen sind im Bereich des Kraftstoffverbrauchs möglich, zum Beispiel durch Platooning-Konzepte und durch eine algorithmusgesteuerte Fahrweise. Gleichzeitig könnten die Speditionen das große Problem des immer gravierenderen Fahrermangels mittelfristig beheben, was auch direkte positive Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs haben würde, denn das Gros der LKW-Unfälle wird heutzutage durch menschliches Versagen verursacht. Auch die Schiene könnte Kosten einsparen, allerdings in geringerem Umfang, da sowohl die Kosten für den Triebfahrzeugführer als auch für die Energie jeweils einen deutlich kleineren Teil der Gesamtbetriebskosten ausmachen (Triebfahrzeugführerkosten ca. 8 bis 10 %, Energiekosten ca. 20 %). Die wesentlicheren Vorteile für die Schiene liegen daher eher in den Bereichen Qualität und Kapazität. Ein vollautomatisiertes Schienensystem könnte die Trassenkapazität durch geringere Zugfolgeabstände bei gleichbleibender Infrastruktur um bis zu 50 % steigern und das theoretische Qualitätsniveau (i. d. R. die gemessene Ankunftspünktlichkeit) auf ein Level von über 90 % heben. 10 Heutzutage liegt das Qualitätsrisiko der Schiene - neben infrastrukturellen Baumaßnahmen - vor allem im Mangel an Triebfahrzeugführern (ähnlich des Fahrermangels der Straße), was oftmals dazu führt, dass Züge aufgrund eines fehlenden Triebfahrzeugführers nicht ab- oder weitergefahren werden können. Wie Straße und Schiene beim automatisierten Fahren derzeit aufgestellt sind Das vollständig fahrerlose Fahren im Straßengütertransport ist derzeit - zumindest in der Europäischen Union (EU) - noch nicht möglich. Zwar ist der technische Reifegrad schon weit fortgeschritten, allerdings gibt es noch zahlreiche ungeklärte Fragestellungen, beispielsweise in Bezug auf die Interaktion eines fahrerlosen LKWs mit anderen fahrergesteuerten Fahrzeugen oder bei den grundsätzlichen haftungs- und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Auch betriebstechnisch anspruchsvolle Situationen, wie die Belieferung der letzten Meile, sowie grundsätzliche gesellschaftliche Akzeptanzbedenken werden die Realisierung von fahrerlosen LKW noch hinauszögern. Daher ist das hochautomatisierte Fahren mit Autopilot und Bedarfsfahrer der logische Zwischenschritt, bei dem der Fahrer zwar noch im Führerhaus anwesend ist, allerdings nur noch in unklaren Verkehrssituationen oder in Baustellenbereichen eingreift. Eine spezielle Ausprägung dieses Entwicklungsschrittes - in Kombination mit einem schon nahezu vollautomatisierten Ansatz - stellt diesbezüglich das sogenannte Platooning dar. Platooning beschreibt eine Technik, die es einer Gruppe von Fahrzeugen ermöglicht, in sehr geringem Abstand hintereinander her zu fahren (Bild 2). Dabei sitzt nur im vorausfahrenden Fahrzeug ein Fahrer als Rückfallebene, der im Notfall eingreifen kann. Die anderen Fahrzeuge im Konvoi fahren autonom und erhalten ihre Befehle über ein Softwaresystem vom Führungsfahrzeug. Neben einer effizienteren Ausnutzung der Infrastruktur und den Kosteneinsparungen auf Fahrerseite liegt der Vorteil dieser Technik vor allem auch in einem deutlich geringeren Luftwiderstand, wodurch Kraftstoffverbrauch und Emissionen teils erheblich gesenkt werden können (zwischen 5 % beim Führungs-LKW und 15 % bei den Folgefahrzeugen 11 ). Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zwischen Straßen- und Schienengüterverkehr besteht in den infrastrukturellen Bild 1: Grade der Automatisierung 5 Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 58 TECHNOLOGIE Automatisierung Rahmenbedingungen. Während Schienenfahrzeuge an ihre starre Infrastruktur gebunden sind, können sich LKW auf der ihnen zur Verfügung stehenden Straßeninfrastruktur frei bewegen. Zwar könnte man davon ausgehen, dass ein Schienenführungssystem die Entwicklung von Automatisierungsansätzen aufgrund des direkten Kontaktes zum gebundenen Verkehrsmittel vereinfacht. Tatsächlich bleiben diese Ansätze derzeit jedoch noch hinter den Entwicklungen der Straße zurück. Ein Hauptgrund hierfür liegt in den unterschiedlichen Zugbeeinflussungssystemen der Schieneninfrastruktur. Die Zugbeeinflussung agiert als eine Art Fahrerassistenz- und Sicherungssystem, das einen direkten Kontakt zwischen Fahrweg und Fahrzeug herstellt und bei Abweichungen, z. B. bei einem zu geringen Zugfolgeabstand, eigenständig Maßnahmen einleitet, beispielsweise eine Zwangsbremsung. Das fortschrittlichste System, das eine einheitliche europäische Zugbeeinflussung ermöglicht, ist das European Train Control System (ETCS). Im ETCS-Level 2/ 3 werden Züge über zentrale streckenseitige Steuereinheiten per Funk geleitet, sodass ortsfeste Signale entbehrlich sind. Dieses Zugbeeinflussungs-Level ist jedoch bis dato nur auf einer Minderheit der europäischen Schienenfahrwege implementiert. Hier liegt ein weiterer wesentlicher Grund für die nur schwerfällige Entwicklung von Automatisierungsansätzen im Schienenverkehr. Die europäischen Schienensysteme sind seit jeher geprägt von einer hohen Zahl an unterschiedlichen Regelwerken, Signal,- Sicherungs- und Bahnstromsystemen, was standardisierte Automatisierungslösungen und somit die Interoperabilität bei transeuropäischen Schienentransporten erheblich erschwert. Solange aber die infrastrukturellen Voraussetzungen für ein vollautomatisiertes Fahren auf der Schiene nicht gegeben sind, werden sich auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) mit Investitionen in Automatisierungstechnik von Loks etc. zurückhalten. Daher bleiben die Automatisierungsansätze für den SGV im Status quo - neben dem bereits teilweise hochautomatisierten Betrieb auf Schnellfahrstecken (SFS) - tendenziell auf Teststrecken oder auf Teillösungen beschränkt, wie etwa für vollautomatisierte Abdrücklokomotiven im Rangierbetrieb. Szenario für einen Hauptgüterverkehrskorridor im Jahr 2030 Der Korridor Niederlande/ Belgien-Italien via Schweiz ist ein offizieller EU-Verkehrskorridor und einer der meistfrequentierten Schienen- und Straßengüterkorridore Europas. Er verbindet einige der wichtigsten Wirtschaftszentren des Nordens und Südens in Europa und zählt für eine Vielzahl von sowohl EVU als auch LKW-Speditionen zu den aufkommensstärksten Korridoren im Kunden- und Leistungsportfolio. Seine Zukunft kann daher - zumindest im Ansatz - stellvertretend für die grundsätzliche Entwicklung der Wettbewerbspositionen von Straßen- und Schienengütertransporten in Europa gesehen werden. Im Rahmen einer strategischen Szenarioanalyse für das Jahr 2030 wurden zunächst verschiedene quantitative sowie qualitative Daten für den genannten Korridor erfasst und ausgewertet, um die Wettbewerbsposition von Straße und Schiene im Status quo zu beschreiben. Die Datenkategorien umfassten verschiedene Key Success Factors, wie die Produktionskosten (Triebfahrzeugführer-/ Fahrerkosten, Maut-/ Trassenkosten, Energiekosten etc.), die Transportqualität (Ankunftspünktlichkeit, Flexibilität der Ressourcen, Transportgeschwindigkeit, Infrastrukturzugang und -qualität, Interoperabilität der Assets etc.) sowie die Systemreaktionsfähigkeit auf Marktanforderungen (Sonderleistungen, kurzfristige Start- und Zieländerungen etc.). Die Datenbasis beruhte auf unternehmensinternen quantitativen Werten sowie auf Einschätzungen von Branchenexperten. Das Ergebnis der Datenauswertungen zeigte, dass Straßentransporte im Vergleich zu Schienentransporten auf dem Korridor bereits heute eine um ca. 5 % höhere Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Zwar sind die Kosten der Straße auf dem Korridor im Vergleich zur Schiene etwas höher (v.a. die Fahrerkosten), dafür ist sie der Schiene in der Transportqualität teilweise deutlich überlegen. Dies gilt insbesondere für die Key Success Factors Interoperabilität, Ankunftspünktlichkeit und Fahrerflexibilität. Die Straße hat beispielsweise keine Hindernisse wie unterschiedliche Leit-, Sicherungs-, oder Stromsysteme, was gerade auf diesem internationalen Korridor eine große Herausforderung für die Schiene darstellt. Wenn die Straße allerdings schon heute auf dem betrachteten Korridor wettbewerbsfähiger ist als die Schiene - welchen Einfluss könnte dann die weitere Entwicklung des automatisierten Fahrens auf die Wettbewerbspositionen der beiden Modi im Jahr 2030 haben? Hierzu wurde eine Reihe von Branchenexperten mit unterschiedlichen Funktionen in der Wertschöpfungskette befragt, um sowohl die Kundenals auch die Dienstleistersicht (EVU, Operateure etc.) mit einzubeziehen. Die Befragungen umfassten neben gesamtwirtschaftlichen und marktbezogenen Kategorien vor allem auch verschiedene Einflussfaktoren auf die Entwicklung des automatisierten Fahrens. Dazu zählten Fragen in Bezug auf die Realisierung der technischen Voraussetzungen (sowohl im Bereich der Fahrzeuge als auch der Infrastruktur) sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz und damit der politischrechtlichen Umsetzbarkeit. Im Ergebnis der Befragungen zeigte sich, dass die Experten ein hoch- oder vollautomatisiertes Fahren der Schiene auf dem untersuchten Korridor im Jahr 2030 für wenig wahrscheinlich halten. Zwar würden es die technischen Voraussetzungen tendenziell erlauben, vollautomatisiert auf der Schiene zu fahren, allerdings bestünden bezüglich gesetzlicher Aspekte sowie weiterer Faktoren (Technikförderung, Druck von Gewerkschaften) erhebliche Zweifel, dass das Potenzial auch tatsächlich umgesetzt wird. Im Gegensatz zur Schiene bestehen nach Meinung der Branchenexperten auf der Straße gute Chancen für ein vollautomatisiertes Fahren im Jahr 2030. Sowohl die technischen als auch die gesetzlichen Voraussetzungen seien bis dahin grundlegend gegeben. Einen ersten wichtigen Zwischenschritt stelle diesbezüglich das Platoo- Bild 2: Platooning Foto: fotolia / Taina Sohlmann Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 59 Automatisierung TECHNOLOGIE ning dar. Die Mehrheit der Menschen akzeptiere darüber hinaus tendenziell vollautomatisiert fahrende LKW auf öffentlichen Straßen. Auf Basis der Einschätzung der Experten kann die Schiene - ceteris paribus - somit noch nicht von Effekten aus hoch- oder vollautomatisiert fahrenden Zügen profitieren. Im Gegenteil: Der schrumpfende Markt für Triebfahrzeugführer und weiter überproportional steigende Energiekosten verschlechtern sogar tendenziell die Rahmenbedingungen der Schiene. Die Straße kann hingegen durch hoch- und sogar erste vollautomatisiert fahrende LKW und Platoons auf dem Korridor relevante Einsparungen von 30 bis 50 % der Betriebskosten realisieren. Zusätzlich kann über den hohen Grad der Automatisierung der zu erwartende steigende Fahrermangel deutlich abgemildert werden. Was getan werden muss Die Wirkung des tatsächlichen Eintritts eines derartigen Szenarios, in dem die Straße den Grad der Vollautomatisierung zuerst erreicht, wäre für die Schiene verheerend. Die bereits heute angespannte Wettbewerbsposition gegenüber der Straße würde sich weiter verschlechtern und in einigen Märkten sogar zum vollständigen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen. Was müssen die Marktbeteiligten der Schienengüterverkehrsbranche also unternehmen, um dem Eintritt dieses Szenarios entgegenzuwirken? Folgende Aspekte könnten Bestandteile eines umfassenden Maßnahmenpaketes sein: • Hinwirken auf die Ertüchtigung der wichtigsten europäischen Schienenverkehrskorridore mit ETCS-Level 2/ 3 und auf den durchgehenden Einsatz des einheitlichen europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS (European Rail Traffic Management System). • Aufsetzen einer übergreifenden Arbeitsgruppe bestehend aus EVU, Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), Operateuren, Spediteuren, Terminals, Genehmigungsbehörden und Bahnindustrie (Technik, Fahrzeuge), um einen der EU-Verkehrskorridore zu einem Piloten für vollautomatisierte Güterzüge zu entwickeln (inkl. einer einheitlichen europäischen Rechtsgrundlage für fahrerlose Züge). Eine Förderung über EU-Subventionsprogramme (z. B. Horizon 2020) ist zu verifizieren. • Investitionen in Mehrsystemlokomotiven zur Vermeidung von Transportbrüchen und zur einheitlichen Steuerung der Verkehre (Reduzierung von Schnittstellen). • Vorantreiben innovativer Produktionskonzepte, wie z. B. Platooning on Rail, bei dem Züge die Trassen mit deutlich verringerten Zugfolgeabständen befahren (abhängig von Fortschritten bei ETCS und ERTMS). • Weiterentwicklung des Berufsbilds „Triebfahrzeugführer“. Ein zielstrebiges Umsetzen dieser Automatisierungspotenziale in Kombination mit weiteren begleitenden Maßnahmen, vor allem auch durch Änderung der Rahmenbedingungen seitens der Politik, wird die Schiene dabei unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Straße entscheidend zu verbessern. Dabei liegt das Optimierungspotential vollautomatisierter Züge im Gegensatz zur Straße, wie bereits angemerkt, nicht zuvorderst in geringeren Kosten, sondern vor allem in höheren Trassenkapazitäten und einer deutlich verbesserten Leistungsqualität. Im Idealfall können vollautomatisierte Züge die Ankunftspünktlichkeit auf Werte von weit über 90 % steigern, wobei bereits ein Wert von 85 bis 90 % eine enorme Verbesserung bedeuten würde. Ob sich im Modal Split der Anteil der Schiene bis ins Jahr 2030 nun insgesamt eher gegen 0 % oder eher in Richtung 30 % entwickeln wird, wie zu Beginn durch das Zitat aufgeworfen, hängt wesentlich von der zukünftigen Innovationskraft des Schienengütermarktes ab 12 . Die vielfältigen Chancen des vollautomatisierten Schienengütertransports müssen erkannt und ergriffen werden, um auch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene zu garantieren. Denn dass die Straße ihre eigenen Einsparpotentiale durch das vollautomatisierte Fahren umsetzen wird, ist sicher. ■ 1 Handelsblatt GmbH (2017) 2 Vgl. Statistisches Bundesamt (2018) 3 Vgl. im Folgenden Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (2017) 4 Vgl. Helmold, Marc/ Terry, Brian (2016), S. 135 5 Entnommen aus: VDA Verband der Automobilindustrie e.V. (2015), S. 15 6 Vgl. Ullrich, Günter (2014), S. 106 ff.; Vgl. dazu auch: Kleine- Besten, Thomas et al. (2015), S. 1.049 ff. 7 Vgl. hierzu ausführlich: Wilhelm, Ulf/ Ebel, Susanne/ Weitzel, Alexander (2015), S. 88 ff. 8 Vgl. König, Winfried (2015), S. 622 ff. 9 Interne Schätzungen 10 Vgl. Siemens AG (2016) 11 Vgl. Flämig, Heike (2015), S. 388 12 Vgl. ProMedia Europoint B.V. (2016): Thomas Steffens (BCG) hält fest, dass die Schiene bei ausbleibenden Innovationen in fahrerlose Güterzüge bis 2030 weitere 20-30% ihres Marktanteils an die Straße verlieren wird. LITERATUR Flämig, Heike: Autonome Fahrzeuge und autonomes Fahren im Bereich des Gütertransportes, in: Maurer, Markus et al. (Hrsg.): Autonomes Fahren - Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte, Berlin, Heidelberg, 2015, S. 377-398 Helmold, Marc; Terry, Brian: Lieferantenmanagement 2030: Wertschöpfung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in digitalen und globalen Märkten, Wiesbaden, 2016 Kleine-Besten, Thomas et al.: Navigation und Verkehrstelematik, in: Winner, Hermann et al. (Hrsg.): Handbuch Fahrerassistenzsysteme - Grundlagen, Komponenten und System für aktive Sicherheit und Komfort, 3., überarbeitete und ergänzte Aufl., Wiesbaden, 2015, S. 1047-1079 König, Winfried: Nutzergerechte Entwicklung der Mensch-Maschine-Interaktion von Fahrerassistenzsystemen, in: Winner, Hermann et al. (Hrsg.): Handbuch Fahrerassistenzsysteme - Grundlagen, Komponenten und System für aktive Sicherheit und Komfort, 3., überarbeitete und ergänzte Aufl., Wiesbaden, 2015, S. 621-632 Ullrich, Günter: Fahrerlose Transportsysteme: Eine Fibel - mit Praxisanwendungen - zur Technik - für die Planung, 2., überarbeitete und erweiterte Aufl., Wiesbaden, 2014 Wilhelm, Ulf; Ebel, Susanne; Weitzel, Alexander: Funktionale Sicherheit und ISO 26262. In: Winner, Hermann et al. (Hrsg.): Handbuch Fahrerassistenzsysteme - Grundlagen, Komponenten und System für aktive Sicherheit und Komfort, 3., überarbeitete und ergänzte Aufl., Wiesbaden, 2015, S. 85-103 INTERNETQUELLEN Handelsblatt GmbH (Hrsg.), Schlesiger, Christian: Deutsche Bahn Cargo - Sicherheitsabläufe bremsen den Güterverkehr, Erscheinungsdatum: 28.02.2017, http: / / www.wiwo.de/ unternehmen/ dienstleister/ deutsche-bahn-cargo-sicherheitsablaeufe-bremsen-den-gueterverkehr/ 19431024-all.html ProMedia Europoint B.V. (Hrsg.), o.A.: Rail freight loses market share to self-driving road transport, Erscheinungsdatum: 22.08.2016, https: / / www.railtech.com/ news/ all/ 2016/ 08/ 22/ rail-freight-loses-market-share-to-self-driving-road-transport%E2%80%A8%E2%80%A8/ Siemens AG (Hrsg.), o.A.: Hintergrundinformation: Automatisiertes Fahren auf der Schiene, Erscheinungsdatum: 20.09.2016, https: / / www.siemens.com/ press/ pool/ de/ events/ 2016/ mobility/ 2016- 09-innotrans/ hintergrund-automatisiertes-fahren-d.pdf Statistisches Bundesamt (Hrsg.), o.A. (a): Anteil der Eisenbahn an der Transportleistung im Güterverkehr in Deutschland in den Jahren von 2013 bis 2021 (laut Modal Split), ohne Erscheinungsdatum, https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 12200/ umfrage/ anteilder-eisenbahn-am-gueterverkehr-in-deutschland/ Statistisches Bundesamt (Hrsg.), o.A. (b): Anteil der Lkw an der Transportleistung im Güterverkehr in Deutschland in den Jahren von 2013 bis 2021 (laut Modal-Split), ohne Erscheinungsdatum, https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 12195/ umfrage/ anteilder-lkw-am-gueterverkehr-in-deutschland/ VDA Verband der Automobilindustrie e.V. (Hrsg.), o.A.: Automatisierung: Von Fahrerassistenzsystemen zum automatisierten Fahren, Erscheinungsdatum: 03.09.2015, https: / / www.vda.de/ dam/ vda/ publications/ 2015/ automatisierung.pdf Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (Hrsg.); Betchen, Christian et al.: Fair Play für den Schienengüterverkehr, Erscheinungsdatum: 27.01.2017, http: / / www.mobi-wissen.de/ files/ vdv_SGV_digital.pdf Daniel Skopek Senior Business Consultant, DB Engineering & Consulting GmbH daniel.skopek@deutschebahn.com Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 60 Fortschreitende Digitalisierung in der Luftfahrt Rolls-Royce entwickelt die ‚IntelligentEngine‘ für den Flugzeugantrieb Vorausschauende Instandhaltung, Triebwerksdaten, Künstliche Intelligenz, Triebwerksservice Im Jahr 2018 feierte Rolls-Royce ‚60 Jahre Business Aviation‘. Über die Jahre hat die Digitalisierung der Triebwerke stark zu- und die Zahl technisch bedingter Flugausfälle abgenommen. Durch digital basierte Entwicklung, Engine Health Monitorings und Predicitve Maintenance werden Antriebe zuverlässiger und Wartungszeiten kürzer. Die Entwicklung führt derzeit das Pearl Triebwerk, in dem erstmals tausende Triebwerksdaten erfasst werden. Big Data, Künstliche Intelligenz und Social Media-Ansätze dienen schon heute dem Betrieb von Rolls-Royce Triebwerken - sie markieren den Weg zur IntelligentEngine. Axel Voege R olls-Royce hat eine Vision für die Zukunft von Flugantrieben entwickelt, um Passagiere noch zuverlässiger und effizienter zu befördern: die IntelligentEngine. Grundlage dieser Vision ist die fortschreitende Annäherung der physischen Produkte und damit verbundenen Dienstleistungen; untrennbar verbunden sind sie schon heute. Erstmals wurde das vor rund 50 Jahren im Rolls-Royce ‚Power-bythe-Hour‘ Konzept sichtbar - einem stundenbasierten Betreuungsangebot für Triebwerke, das dem heutigen CorporateCare 1 für Geschäftsreiseflugzeuge und TotalCare 1 für Airline-Kunden weit vorausging. Seitdem hat sich der Wandel durch die fortschreitende Digitalisierung so beschleunigt, dass die Grenzen zwischen Produkten und Dienstleistungen immer weiter verschwimmen. Neben der digital unterstützten Konstruktion, Erprobung und Instandhaltung werden nach der Vision der IntelligentEngine Triebwerke künftig zunehmend vernetzt, kontextsensitiv und lernfähig sein, dabei zudem zuverlässiger und effizienter (Bild 1): • Vernetzt - mit anderen Triebwerken, dem Support-Ökosystem und den Kunden. Ermöglicht wird ein regelmäßiger, bidirektionaler Informationsfluss zwischen einer Vielzahl von Parteien. • Kontextsensitiv - bezogen auf die aktuelle, zulässige Betriebssituation und die Bedürfnisse des Betreibers. Reaktionen auf die Umgebung werden ohne menschliche Intervention möglich. • Lernfähig - lernt aus dem eigenen Betrieb sowie aus dem vergleichbarer, vernetzter Triebwerke, um das eigene Ver- TECHNOLOGIE Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 61 halten zu optimieren und die bestmögliche Leistung zu erbringen. Grundlage dieser neuen digitalen Fähigkeiten ist eine intelligente Nutzung der immer breiter werdenden Datenbasis mit ihrer gleichzeitig wachsenden Informationstiefe: Wo früher pro Flug einige Kilobytes Triebwerksdaten erfasst und übertragen wurden, bereitet sich das Unternehmen heute auf Volumina im Bereich von Terabytes bei Großtriebwerken vor. Das erweitert einerseits das Spektrum neu möglicher Dienstleistungen, andererseits ganz konkrete Einsparungen. Hatte Rolls-Royce Engine Health Monitoring (EHM) bisher in erster Linie für Instandhaltungsleistungen eingesetzt, die an den direkten Betriebskosten einer Fluggesellschaft lediglich einen Anteil von 4 % haben, geht heute deutlich mehr: Das jetzt verfügbare Datenmaterial erlaubt, dieses Support-Niveau auf Servicelösungen rund um die Verfügbarkeit und Effizienz von Flugzeugen auszuweiten, die nahezu 70 % der zugehörigen Gesamtkosten ausmachen. Digitalisierung ist Teamarbeit Rolls-Royce Deutschland (RRD) arbeitet seit langem mit verschiedenen digitalen Werkzeugen, vor allem in den Bereichen Triebwerkskonstruktion, Simulation und Service. Ziel ist es dabei, die Vision der Intelligent- Engine durch einen durchgängigen, digitalen Faden in allen Lebensphasen der Triebwerke zu unterstützen. In der Fertigung steht das noch am Anfang, im Service ist das Leistungsspektrum bereits weit entwickelt. Die Leitzentrale dafür, das Rolls-Royce Business Aviation Aircraft Availability Centre in Dahlewitz, koordiniert die Arbeit der Servicetechniker von rund 70 Vertragswerkstätten weltweit und betreut so über 9000 Triebwerke, die derzeit weltweit im Einsatz sind, rund um die Uhr. Die Teams nutzen unter anderem cloudbasierte IT-Tools, Apps sowie Systemanbindungen an die Flugzeughersteller und IT-Partner, um einen kontinuierlichen und aktuellen Informationsfluss und schlanke Prozesse zu gewährleisten. Die Kompetenz des deutschen Netzwerks von Digital-Spezialisten im Hause wird einerseits durch die Konzernabteilung, „R 2 Data Labs“, andererseits auch durch die Beiträge externer Partner im Ökosystem stetig vorangetrieben. Zu diesen zählen das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam ebenso wie kleinere Start-up-Unternehmen und vier deutsche, universitäre Technologiezentren (UTCs): • Das Karlsruher Institut für Technologie KIT beherrscht die Simulationen komplexer Verbrennungsprozesse, u.a. mit Hilfe von Verfahren aus der Astrophysik, mit denen ursprünglich Explosionen ganzer Galaxien berechnet und visuelle Effekte in Filmen kreiert wurden. Digitalisierung TECHNOLOGIE Virtuelle Realität erleichtert Konstruktion und Training. Alle Fotos: Rolls-Royce Bild 1: Rolls-Royce Engine Health Monitoring erweitert das Spektrum neu möglicher Dienstleistungen und bringt zudem konkrete Einsparungen. Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 62 TECHNOLOGIE Digitalisierung • Die TU Darmstadt und die TU Dresden simulieren Einzelteile und das Zusammenspiel von Komponenten. • Die TU Cottbus-Senftenberg schließlich hat die Fähigkeit zur 3D-Darstellung von Triebwerken maßgeblich mit entwickelt. Das Ergebnis: ein immersives Virtual Reality-System bei Rolls Royce in Dahlewitz, in dem sich Triebwerke und Komponenten auf Basis der Konstruktionsdaten detailliert darstellen und modifizieren lassen. Ingenieure können damit auch komplizierte Details und Konstruktionen auf einen Blick erfassen, sich im Team in Echtzeit austauschen sowie Veränderungen schnell auswerten. Servicekräfte trainieren damit auch ohne physisches Gerät Wartungsabläufe. Moderner Triebwerksservice - ohne-Computer undenkbar Der 24/ 7 Operational Service Desk (OSD) ist der zentrale Teil des Business Aviation Availability Centre mit Sitz in Dahlewitz. Es betreut den weltweiten Ersatzteilsupport sowie das Lagernetzwerk und den Kontakt zu Endkunden und steuert Serviceaktivitäten, um Kunden, deren Flugzeug vorübergehend am Boden bleiben muss, schnellstmöglich wieder flugfähig zu machen. Das OSD stellt dafür eine digitale Plattform zur Verfügung, die ein voll integriertes Fallmanagement ermöglicht. Alle logistischen und technischen Schritte, die zur Erhöhung der Flugzeugverfügbarkeit erforderlich sind, laufen hier zusammen. 2017 führte Rolls-Royce eine Business Aviation Availability App ein, die Leistungen der CorporateCare Wartungsverträge und den sofortigen Zugriff auf Echtzeit-Service- Informationen direkt auf mobile Geräte überträgt. Das Hauptmerkmal der App ist der „AOG Alert“, der es den Kunden ermöglicht, das Business Aviation Availability Centre sofort über jede „Aircraft on Ground“ (AOG) Situation oder das potenzielle Risiko einer solchen Situation zu informieren. Kunden erhalten Echtzeit-Service-Informationen, eine schnelle und intelligente Entscheidungsfindung wird erleichtert und die Zeit bis zur Wiederherstellung der Flugfähigkeit verkürzt. Die bereits sehr geringe Zahl technisch bedingter Flugausfälle wird weiter reduziert. Die Servicequalität im Einzelfall profitiert ganz erheblich von Kenntnissen über die gesamte Triebwerksflotte. Rolls-Royce hat das Flottenmanagement mit einer App, dem Engine Network, optimiert. Eine gesteigerte Verfügbarkeit der Business Jet Triebwerke bedeutet niedrigere Kosten und höhere Kundenzufriedenheit. Engine Network ermöglicht es, die bereits erhobenen Daten aller Business Jet Triebwerke noch tiefer und umfassender als bisher zu nutzen. Dabei werden die gesammelten Daten beispielsweise über die Art und Weise, wie Triebwerke geflogen werden, oder zu deren Wartungsorten zusammengeführt und gemeinsam präsentiert. Das Ergebnis: ein vollständiges und konsolidiertes Bild mit allen wichtigen Informationen über die Triebwerke einer Flotte und ein „Profil“ jedes einzelnen Triebwerks darin - wie bei bekannten Social Media. Das Profil zeigt, wie das spezifische Triebwerk betrieben wird, an welchem Flugzeug es installiert wurde, welche Teile es enthält und zunehmend auch, wie viel Lebensdauer jeder Komponente verbleibt. Die App beinhaltet darüber hinaus einen Newsfeed, der wichtige Informationen aus der gesamten Flotte anzeigt. Besonders nützlich sind die dabei integrierten Ursachenanalysen und Empfehlungen aus anderen Systemen zu präventiven Wartungsarbeiten für einzelne Motoren, die auf Erfahrungen mit der gesamten Flotte beruhen. Service-Teams können damit schneller fundierte Entscheidungen treffen und handeln, um eine maximale Verfügbarkeit zu gewährleisten. Kunden und Passagiere profitieren von weniger Störungen, Erfahrungen mit der fliegenden Flotte können künftigen Triebwerksgenerationen zu Gute kommen. Mehr Messpunkte, mehr Daten, noch-mehr Anwendungen Im Mai 2018 hat Rolls-Royce die neue Pearl Triebwerksfamilie für Geschäftsreiseflugzeuge vorgestellt (Bild 2). Die Triebwerke werden durch den Rolls-Royce Corporate- Care Service unterstützt und stehen als aktuellstes Beispiel für die Realisierung der Vision der IntelligentEngine. Sie besitzen ein Engine Health Monitoring System der neuesten Generation, das mehr Parameter als alle vorherigen erfassen kann. Darüber hinaus ermöglicht das Triebwerk eine Ferndiagnosefunktion mit bidirektionaler Kommunikation. Erstmals wird so eine Konfiguration der Motorüberwachungsfunktionen vom Boden aus möglich: Durch diese bidirektionale Kommunikation kann das Monitoring System zentral exakt an die Betriebssituation angepasst werden. Es schickt dadurch im Gegenzug alle relevanten Daten zurück an die Zentrale bei Rolls-Royce. Insgesamt erfasst die elektronische Triebwerkssteuerung mehrere tausend Parameter parallel. Dank der digitalen Revolution können die Aircraft Availability Centres künftig als Drehscheibe für weitere neue digitale Anwendungen dienen, mit denen noch schneller Lösungen für spezifische technische Situationen in ermöglicht werden. So können Triebwerksingenieure in aller Welt beispielsweise mithilfe eines Echtzeit-Kooperationssystems Live-Bilder aus dem Triebwerksinneren zu dem Team im Kontrollzentrum schicken und sich von dort zu möglichen Maßnahmen beraten lassen. „Telechirurgie“-Verfahren werden es den Experten in der Zentrale ermöglichen, komplexe technische Arbeiten an einem Triebwerk auch über große Entfernungen auszuführen, unabhängig davon, ob dabei ein Techniker oder ein ferngesteuerter Werkzeugroboter aktiv wird. Letztere werden in einigen Jahren vielleicht sogar während des Fluges selbstständig operieren. ■ 1 CorporateCare, TotalCare und Pearl sind Marken von Rolls- Royce Axel Voege Head of Digital Operations, Rolls-Royce Germany, Blankenfelde- Mahlow axel.voege@rolls-royce.com Bild 2: Pearl Triebwerk für Geschäftsreiseflugzeuge mit Engine Health Monitoring System der neuesten Generation Veranstaltungen FORUM Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 63 Vollzugsfragen des ÖPNV-Rechts Rückblick: Tagungsbericht von den 4. Jenaer Gesprächen zum Recht des ÖPNV A m Freitag, 9. November 2018, fanden die vierten Jenaer Gespräche zum Recht des ÖPNV statt, die von der Forschungsstelle für Verkehrsmarktrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena veranstaltet wurden. Die gut besuchte Veranstaltung widmete sich den „Vollzugsfragen des ÖPNV-Rechts“. Prof. Dr. Michael Fehling LL.M (Bucerius Law School, Hamburg) befasste sich in seinem Vortrag „Norm und Vollzug im Recht des ÖPNV“ mit den theoretischen Ansätzen des Rechtsvollzugs. Er zeigte eine Bandbreite von Problemen auf, welche es in der Praxis zu bewältigen gilt. Als „strukturelle Vollzugshindernisse“ stellte Fehling unter anderem die „mangelhafte Gesetzgebungstechnik“ sowie die Überlagerung des Rechtssystems durch das politische System und das Wirtschaftssystem heraus. Im Sinne der Gewährleistung eines gesetzeskonformen Vollzugs sprach sich Fehling mit Blick auf die aufgezeigten Hindernisse für eine Stärkung des Nahverkehrsplans aus. Im Folgenden stellten Vertreter der Akteure im ÖPNV ihre Einschätzungen der Rechtslage und ihrer praktischen Anwendung vor. Dr. Witgar Weber (WBO, Böblingen) referierte die Perspektiven der Verkehrsunternehmen. Er führte zunächst aus, dass die Buslinien in den aktuellen Diskussionen zu wenig Aufmerksamkeit fänden und untermauerte diese Aussage mit den prozentualen Anteilen der Nahverkehrsanbindungen. Die werden in Baden-Württemberg zu 79 % von Bussen gewährleistet, die wiederum zu 50 % von privaten Unternehmen betrieben. Weber kritisierte, dass das einschlägige Entscheidungskriterium bei Ausschreibungen allein der Preis sei und die Verlierer dieser Rechnung die Busfahrer sowie die Altunternehmer wären, welche den „Rucksack des Wissens“ mit sich trügen. In diesem Zusammenhang steht seine These, dass die Tariftreuepflicht nur auf dem Papier existiere. Aus Aufgabenträgersicht zeigte Dr. Michael Winnes (VRN, Mannheim) eine Reihe von praktischen Problemen auf. Die Vorgaben des PBefG zur Linienbündelung seien teilweise widersprüchlich und irreführend. Dies habe erhebliche Auswirkungen auf die Praxis. So sei es wenig nachvollziehbar, weshalb eine getrennte Behandlung der Linien in Bezug auf Genehmigungen oder auch bezüglich Anhörungen erfolgt, wenn diese ein Bündel bilden. Die Auftragsvergabe wie auch die vorgeschaltete Vorabbekanntmachung seien von einem nicht den praktischen Bedürfnissen entsprechenden, bürokratischen Aufwand geprägt. Winnes beließ es nicht bei der bloßen Kritik, sondern zeigte zudem auch Verbesserungspotenzial mit konkreten Ansätzen auf. Anschließend stellte Prof. Dr. Matthias Knauff, LL.M. Eur. (FSU Jena) die gerichtliche Entscheidungspraxis vor. Er zeigte verschiedene Problemschwerpunkte, welche Gegenstand von Gerichtsentscheidungen wurden, und ihre Relevanz für die zukünftige Anwendung des ÖPNV-Rechts auf. Die darin existierenden Widersprüche würden durch die Rechtsprechung nicht beseitigt, sondern teilweise noch verstärkt. Dies zeige sich insbesondere am unterschiedlichen Umgang mit dem gesetzlich angeordneten Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit durch die Verwaltungsgerichte und die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen sowie die damit in Verbindung stehende Frage nach einem - vom Referenten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung abgelehnten - Anspruch auf den Erlass allgemeiner Vorschriften. Letztere seien gleichwohl ein sinnvolles Instrument zur Wettbewerbsförderung. Weiter referierte Prof. Dr. Claas Friedrich Germelmann, LL.M. (Universität Hannover) zum Auftragszuschnitt bei der Vergabe von ÖPNV-Leistungen. Herausgestellt wurden unter anderem das Diskriminierungspotenzial und die mangelnden Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Wettbewerber. Die Eindämmung missbräuchlich ausgestalteter Aufträge sei schwierig. Die gerichtliche Kontrolle sei nur eingeschränkt möglich und vornehmlich auf die Erörterung von Ermessensfehlern gerichtet. Unzulässig sei es gleichwohl, den Auftragszuschnitt mit sachfremden, nicht verkehrsbezogenen Erwägungen zu begründen, so Germelmann. Erforderlich sei eine noch strengere und früher ansetzende Dokumentation. Dr. Christian Baumann (Rödl & Partner, Hamburg) sprach anschließend über die Direktvergabe durch eine Gruppe von Behörden. Hierzu führte er aus, dass die einzelnen Behörden zwar als Gruppe eine eigene „Rechtspersönlichkeit“ (z.B. Zweckverband) benötigen würden, jedoch die Anforderungen und die Rollen für jede einzelne Behörde transparent gestaltet sein müssen. Einen Schwerpunkt setzte Baumann bei der Direktvergabe an einen internen Betreiber und führte diesbezüglich unter anderem die Gefahr der „Selbstblockade“ aus, welche dadurch entstehe, dass bei einer gemeinschaftlichen Kontrolle jede einzelne Behörde Eigeninteressen verfolgen würde. Abschließend wurde festgestellt, dass es keine Besonderheiten für eine Gruppe von Behörden geben würde, weil dies eine Form der zuständigen Behörde sei und somit im Rahmen der Interventionsbefugnis weitere Direktvergaben vorgenommen werden können. Als Schlussrednerin befasste sich Dr. Astrid Karl (KCW, Berlin) mit der Überkompensationskontrolle. Zunächst wurde deren Sinn und Zweck herausgestellt, um dann auf verschiedene Fallkonstellationen und auf die Praxis einzugehen. Relevant wurden auch hier die allgemeinen Vorschriften, welche jedoch teilweise mehr Fragen als Antworten aufwürfen. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Überkompensationskontrolle als Instrument zum Wirtschaftlichkeitsanreiz geeignet wäre und außerdem Transparenz und Kontrolle gewährleisten würde. Eine Publikation der Vorträge wird wie bei den vorangegangenen Tagungen in den Schriften zum Verkehrsmarktrecht erfolgen. Die 5. Jenaer Gespräche zum Verkehrsmarktrecht werden am 8. November 2019 stattfinden und sich mit Fragen der Verkehrswende und der Ökologisierung des ÖPNV befassen. Marie-Luise Schulz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Jena Foto: pixabay FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 64 LogiMAT 2019 Vorschau: 17. Internationale Fachmesse für Intralogistik-Lösungen und Prozessmanagement, Stuttgart-(DE), 19. bis 21. Februar 2019 D ie LogiMAT gilt als weltweit größte Fachmesse für Intralogistik und bietet einen Marktüberblick über alles, was die Intralogistik-Branche von der Beschaffung über die Produktion bis zur Auslieferung bewegt. Internationale Aussteller zeigen hier innovative Technologien, Produkte, Systeme und Lösungen zur Rationalisierung, Prozessoptimierung und Kostensenkung. Das Rahmenprogramm der LogiMAT 2019 vermittelt den Fachbesuchern mit mehr als 30 hochgradig besetzten Fachforen und Live-Events praxisorientierte Einblicke und Informationen über das aktuelle Themenspektrum zukunftsfähiger Intralogistik. In rund 30 Vortragsreihen der Fachforen in den Messehallen vertiefen mehr als 100 ausgewiesene Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Fachmedien das aktuelle Themenspektrum für zukunftsfähige Investitionsentscheidungen in der Intralogistik. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, autonome Transporte, Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik stehen dabei im Vordergrund. Darüber hinaus greifen drei serielle Live-Events und täglich mehr als 40 Fachvorträge der Aussteller aktuelle Fragestellungen und Best-Practice-Projekte auf, um dem Fachpublikum probate Lösungen für aktuelle Herausforderungen vorzustellen. Drei Fachforen zum Thema Künstliche Intelligenz thematisieren die jüngsten technologischen Ansätze. Leistungsstarke IT-Komponenten und Technologien bieten heute die Möglichkeit, die intelligente Steuerung der intralogistischen Prozesse Algorithmen zu überlassen. Wie diese Zukunft aussieht und wie sie sich gestalten lässt, ist Gegenstand des ersten Fachforums am 19. Februar 2019 in Halle 1. Welchen Status und welche Entwicklungsperspektiven KI und Robotik in der Logistik bereits einnehmen und wie Produktionsdaten sinnvoll für KI-Anwendungen genutzt werden, erörtern die Experten am 21. Februar in Halle 8. Mit Blick auf den Mehrwert der digitalen Innovationen von KI, Robotics oder Autonomisierung werden überdies die Chancen und Grenzen der Automatisierung in der digitalen Transformation kritisch beleuchtet und die Voraussetzungen für wirtschaftlich erfolgreiche Digitalisierung im Lager aufgezeigt. www.logimat-messe.de RailTech Europe 2019 Preview: 12th International Exhibition and Conferences on Rail Technology, Utrecht (NL), 26 to 28 March 2019 R ailTech Europe 2019 will take place on 26 to 28 March 2019 in Jaarbeurs Utrecht, the Netherlands. The whole international railway industry will come together at the 12th edition of this event. As part of the RailTech Europe 2019 exhibition the RailTech Conferences provide an extensive platform and dynamic meeting place for the experts and professionals in the rail sector from all over the world, to share the most impactful breakthroughs, sophisticated, and modern ideas on industry related infrastructure and potential fields of improvement. The RailTech Conferences 2019 will explore three themes: • Day 1 - 26 March 2019: ERTMS • Day 2 - 27 March 2019: Energy Saving • Day 3 - 28 March 2019: Predictive maintenance of Rail Infrastructure In addition an extensive workshop programme with workshops organised from various fields within the railway industry is part of RailTech Europe 2019, a Career Event for Dutch (young) professionals, starters and students, and a StartUp Festival as well. There will be an Innovation Award-ceremony with seven awards: RailTech Innovation Awards in four different categories, a RailFreight Innovation Award, a Start-up Award, and a Industry choice award. RailTech Europe 2019 is organized biennially. https: / / events.railtech.com/ europe2019/ Foto: Messe München Veranstaltungen FORUM Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 65 Verkehrslösungen (nicht nur) für den Alpenraum Vorschau: Trinationaler Verkehrskongress „Wachsende Verkehrsströme - Ausweg durch neue Technologien? “, Dornbirn (AT), 25. bis 26. April 2019 D igitalisierung und technische Entwicklungen sind zu einer Dominante moderner Wirtschaftssysteme geworden. Aus ihrer hohen Leistungsfähigkeit entstehen Wertschöpfungsdynamiken, die geeignet sind, tradierte Handels- und Interaktionskulturen neu zu definieren. Aber gilt dies auch für den Verkehrsbereich? Das internationale Team aus den Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaften EPTS, ÖVG, SVWG, DVWG, GDI und UE- EIV veranstaltet daher vom 25. bis 26. April 2019 in der Dreiländerregion Deutschland - Österreich - Schweiz einen trinationalen Verkehrskongress zu diesem Thema. Wie können neue Technologien dabei helfen, potenziell weiter wachsende Verkehrsströme besser zu bewältigen? Sind durch digitale Ansätze neben quantitativen Aspekten auch qualitative Verbesserungen - mithin sogar zu mehr Nachhaltigkeit des gesamten Verkehrsbereichs - denkbar? Welche Entwicklungen sind schon absehbar, welche verbleiben vage? Wie viele politische, administrative und gesellschaftliche Flankierungen benötigt diese Dynamik, wie viele Freiheiten verträgt sie? Der trinationale Verkehrskongress beleuchtet am ersten Tag die Ansprüche an wachsende Verkehrsströme sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch betriebswirtschaftlicher Sicht. Ebenso wird der Beitrag, den moderne Technologien zur Erfüllung dieser Ansprüche liefern können, einer eingehenden Betrachtung unterzogen. Am zweiten Tag wird diskutiert, welches Optimierungspotenzial sowohl der Infrastruktur als auch des Verkehrsbetriebes auf Schiene und Straße durch neue Technologien erzielt werden kann. Einleitende Keynotes und ein hochkarätiges Schlusspodium runden dieses neue Format ab. Für alle aktuellen Fragen rings um das Thema der Digitalisierung im Verkehrsbereich (nicht nur) des Alpenraumes soll die Tagung Antworten bieten. www.oevg.at Hannover Messe 2019 Vorschau: Weltleitmesse der Industrie, Hannover (DE), 1. bis 5. April 2019 T hemen wie Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen gewinnen innerhalb der vernetzten Industrie weiter an Bedeutung. Unter dem Leitthema „Industrial Intelligence“ stellt die Hannover Messe 2019 diese Entwicklung vom 1. bis 5. April ins Zentrum. Der Blick richtet sich dabei auch auf die Rolle des Menschen: Er ist es, der weiterhin die entscheidenden Impulse in der Fabrik der Zukunft gibt. Erwartet werden zur Weltleitmesse der Industrie rund 6500 Unternehmen aus 75 Ländern. Weltkonzerne, Mittelständler und Startups präsentieren ihre Komponenten, Prozess- und Systemlösungen für die Industrieproduktion und Energieversorgung der Zukunft. Aus den Bereichen der Automation, Robotik, Industriesoftware, Antriebs- und Fluidtechnik, Energietechnologien, Zulieferung sowie Forschung und Entwicklung sind alle führenden Unternehmen vertreten. Das Partnerland in diesem Jahr ist Schweden. Gezeigt werden zum Beispiel mehr als 100 konkrete Anwendungsbeispiele für Machine Learning: Roboter, die Aufgaben in der Fabrik eigenständig lösen und ihr Wissen an andere Maschinen weitergeben. Oder KI-Systeme, die bei Reparaturmaßnahmen detaillierte Instruktionen geben und den Techniker bei der Ausführung begleiten. Das System wird im Dialog mit dem Menschen immer besser, weil es mit jeder neuen Fragestellung und jedem Feedback weiter dazulernt. Wenn ab 2020 der neue 5G-Mobilfunkstandard in Deutschland die Basis für eine umfassende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft legen soll, ist das essentiell für die Industrie, da Zukunftstechnologien wie das maschinelle Lernen in der Produktion oder autonomes Fahren dadurch anwendungsreif werden. Wie das genau aussehen kann, zeigt die Messe in Halle 16: Gemeinsam mit Netzausrüster Nokia wird die „5G- Arena“ als Testfeld, in dem erste Anwendungen vorgeführt werden, errichtet. Sie ist auch Anlaufpunkt für Fragen der Industrie rund um den künftigen Mobilfunkstandard. Die Zukunft der Arbeit - und der Mobilität Das Leitthema „Industrial Intelligence“ betrifft allerdings auch die digitale Vernetzung von Mensch und Maschine im Zeitalter der künstlichen Intelligenz. Im neuen Kongress „Future of Work in Industry“ kommen rund 300 Experten, Vordenker und Führungskräfte der Industrie zusammen, um über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Qualifikation und Organisation der Arbeit zu diskutieren. Zentraler Eckpfeiler der Industriegesellschaft ist und bleibt aber die Mobilität. So wird die Hannover Messe 2019 Schauplatz des ersten Leichtbau-Gipfels der Bundesregierung. Auf dem „1. Lightweighting Summit“ zeigen mehr als 150 Unternehmen Leichtbaulösungen für die Automobilbranche. Doch auch andere Branchen entdecken mehr und mehr die Potenziale von Leichtbau, die sich längst nicht in Gewichts-, Material- und Kostenreduktion erschöpfen. Vielmehr geht es darum, ein Produkt oder Bauteil besser zu machen - etwa im Hinblick auf Belastbarkeit, Effizienz, Design und Ressourcenverbrauch. Im Bereich Electric Vehicle Infrastructure wiederum dreht sich alles um Ladetechnologien, neue Abrechnungssysteme oder alternative Mobilitäts- und Transportlösungen. Im gleichnamigen Forum diskutieren Experten branchenübergreifend, wie sich die Mobilität von morgen gestaltet und welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen. www.hannovermesse.de Dornbirn. Foto: pixabay FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 66 New Trends in Transport Systems Preview: 17th European Transport Congress (ETC), Bratislava (SK), 13 to 14 June 2019 T he European Platform of Transport Sciences - EPTS Foundation - invites to the 17th European Transport Congress (ETC), which will be held from 13 to 14 June 2019 in Slovakia. The Congress will be organized by the University of Zilina, their team decided to organize the Congress in the Slovakian capital Bratislava due to the better centrality of the location. The topic of the congress is “New Trends in Transport Systems”. The European Platform of Transport Sciences - EPTS Fundation is an independent European association of societies and associations working in the field of transport sciences and of other comparable national institutions in Europe who work in that field. Since its first meeting in 2001 in Vienna the purpose of EPTS is the enhancement of the dialogue between politics, science and economy in the field of European transport. This is to be accomplished by organising scientific events, encouraging the exchange of opinions and experiences, joint PR efforts, the enhancement of scientific research and continuing education, cooperation with other scientific institutions and support of young scientists, especially through the Young Forum of European Transport Sciences (YFE). The EPTS annually organizes the European Transport Congress each year in a different European country. The responsibility of the congress lies with the partner country, so that each partner country will have the chance to organize this event. The European dimension of the congress is underlined by the unique choice of topics and speakers. For more information please contact the Secretary General’s office in Wuppertal (DE): Dipl.-Ing. Sebastian Belz, c/ o econex verkehrsconsult gmbh, PO.Box 110129, 42301 Wuppertal, Germany, phone: +49 202 2835835, mail: belz@epts.eu The 2019 Congress venue and the preliminary program can be seen at: www.17etc.uniza.sk Guidelines for authors: https: / / tac.uniza.sk Topics and locations of European Transport Congresses so far can be found at the EPTS website: www.epts.eu/ index.php/ history.html Foto: Messe München transport logistic Vorschau: Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management, München (DE), 4. bis 7. Juni 2019 A uf dieser führenden Messe trifft sich die Branche: Die weltweite Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management findet seit 1978 in München statt. Teil der „transport logistic“ ist die „air cargo Europe“ als Branchentreff der internationalen Luftfrachtindustrie. Alle wichtigen Player und Innovationen finden sich hier an einem Ort - und die „transport logistic“ repräsentiert eine der größten Branchen weltweit. Bezogen auf die Zahl der Arbeitsplätze rangiert die Transport- und Logistikbranche an dritter Stelle - nach der Automobilindustrie und dem Maschinen- und Anlagenbau. Die gesamte Branche zeigt sich krisenresistent bei guten Wachstumsprognosen für den internationalen Transportmarkt. Anhaltendes Wachstum beim E-Commerce, fortschreitende Digitalisierung der Logistikprozesse, revolutionäre Auswirkungen von „Industrie 4.0“ auf das Transport- und Logistikwesen - die künftigen Herausforderungen sind gewaltig. Mehr denn je sind innovative Produkte sowie Technologien gefragt, um Menschen, Märkte und Güter noch schneller, effizienter und nachhaltiger zu verbinden. Die „transport logistic“ ist daher gekennzeichnet durch die Abbildung der gesamten Wertschöpfungskette, Innovationen und Trends auf Weltniveau, hohe Internationalität und Qualität der Besucher sowie ergebnis- und abschlussorientiertes Netzwerken in Verbindung mit einem hochwertigen internationalen Konferenzprogramm. In Kombination mit der „air cargo Europe“, die in diesem Jahr zum 9. Mal stattfindet, ergibt dies ein Messe-Gespann von enormer Reichweite. www.transportlogistic.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 67 Meinung FORUM Online-Handel - Fluch-oder-Segen? In der Diskussion um die wachsenden Verkehrsbeeinträchtigungen, vor allem im urbanen Straßenverkehr, steht der durch den Online-Handel ausgelöste Lieferverkehr zunehmend in der Kritik. Ist das gerecht? Ein-Zwischenruf. Z wei Dinge befördern die Vorbehalte gegen diesen Lieferverkehr. Zum einen fallen die gegenüber einem PKW größeren Fahrzeuge optisch auf - und das Parken in der zweiten Reihe sowie auf Rad- oder Fußwegen sind der Akzeptanz ebenfalls abträglich. Zum anderen scheinen die sozialen Medien Vorurteile massiv zu verstärken. Was im Zeitalter des Alarmismus in Facebook und Co. in- Millisekunden zweimal den Globus umrundet hat, gilt schnell als gesichertes Wissen und findet Eingang in die traditionelle-Berichterstattung von Zeitung und Fernsehen. Gleichwohl lohnt es sich, die verkehrliche Wirkung von Lieferverkehren durch E- Commerce an Fakten zu messen. In der Vorweihnachtszeit antwortete der Fahrer eines Lieferdienstes auf die Frage, wie viele Pakete oder Päckchen er an diesem Tage auszuliefern habe: 157 Stück. Ob er sich seinen Dienst auch mit einem Elektro-Fahrzeug vorstellen könnte? Die Antwort war eindeutig positiv, denn seine gesamte Tagesstrecke war nur 80 km lang! Eine kleine Divisionsaufgabe genügt, um festzustellen, dass bei dieser Lieferfahrt nur etwa 0,5 km jedem einzelnen Liefergut zuzurechnen sind. Das heißt, hier findet eigentlich etwas statt, was im Personenverkehr politisch massiv gefordert und gefördert wird: Bündelung durch Massenverkehr in größeren „Gefäßen“, nämlich im ÖPNV. Was wäre, wenn es den Lieferdienst auf der Straße nicht gäbe? Da wir in unserer schnelllebigen Zeit gewohnt sind, etwas sofort zu bekommen, darf getrost vermutet werden, dass vor allem bei Artikeln der Elektrik- oder Elektronik-Branche sowie bei Textilien und Schuhen der größere Teil der Kundschaft nicht bis zum ohnehin bald fälligen Großeinkauf wartet, sondern allein für dieses eine Gut aus dem Haus geht. Sicher werden vor allem Bewohner einer Großstadt den ÖV, das Fahrrad oder den Fußweg nutzen. Aber nimmt man einmal an, dass nur etwa ein Viertel der Kunden hierfür den individuellen PKW mit - konservativ gerechnet - je 5 km Hin- und Rückfahrt nutzt, dann entstehen für entfallene 80 km des einen Lieferfahrzeugs etwa 400 km individuelle Fahrten durch 40 PKW. Das Dilemma ist nur, dass man den lästigen Lieferwagen sieht - die entfallenen PKW-Fahrten jedoch nicht wahrnimmt. Es ist also höchst zweifelhaft, ob der Lieferverkehr durch Online- Handel unsere Verkehrssituation tatsächlich verschärft. Kontraproduktiv sind natürlich die im Online-Handel möglichen Retouren, wenn man sich gerade bei Schuhen oder Textilien mehrere Produkte zur Auswahl bestellt, bereits wissend, dass man nur einen Teil wirklich kaufen und die anderen Produkte zurückschicken wird. Aber auch wenn der Netto-Gewinn an vermiedener Fahrleistung durch gebündelte Auslieferung noch nicht übermäßig groß sein sollte, lohnt es sich, nach Verbesserungen zu suchen, denn der Online-Handel wird sich nicht zurückdrängen lassen. Was daher nötig ist, sind weitere Optimierungen im System, d. h. noch mehr Bündelung durch intelligentes Management. Mehr fußläufig von der Wohnung aus erreichbare Zustellboxen würden z. B. die Zahl der notwendigen Halte der Lieferfahrzeuge deutlich verringern, ohne den Zustellkomfort übermäßig einzuschränken. Anlieferung am Arbeitsplatz oder die Ablage im PKW-Kofferraum würden die Zustellsicherheit erhöhen und unnötige Abholfahrten des Kunden vermeiden. Die Umstellung auf Elektro-Traktion sollte in den nächsten fünf bis acht Jahren möglich sein. Damit entfällt schon einmal die Belästigung durch in der Regel im Leerlauf laufende Verbrennungsmotoren während der Auslieferung. Weiterhin muss über die notwendige Größe der Lieferfahrzeuge neu nachgedacht werden. 1,5 t Nutzlast und 3 t Gesamtgewicht müssen nicht sein, 0,75 t Nutzlast reichen vermutlich aus. Kleinere Lieferfahrzeuge sind dann auch beim manchmal unvermeidlichen Halten in der zweiten Reihe ein geringeres Hindernis. Und schließlich müssen auch nicht zur selben Zeit mehrere Lieferfahrzeuge von DHL, DPD, UPS etc. im selben Quartier unterwegs sein. Man könnte sich Routenbedienung und Paketboxen teilen. Der Einwand, dass es sich ja um Wettbewerber handelt, die wohl schwerlich zu gemeinsamem Handeln zu bewegen seien, wird durch ein sehr prominentes Beispiel entkräftet: Die beiden großen Wettbewerber im Carsharing und Mobilitätsmarkt, BMW und Daimler, bringen ihre Dienste (Car2Go, Drive now, my Taxi etc.) zu beiderseitigem Nutzen in eine gemeinsame Gesellschaft ein. In einer Studie hat das ZukunftsInstitut Frankfurt dies mit dem neudeutschen Begriff „Frienemies“ beschrieben. Man wird zwar noch nicht „Friend“, ist aber auch kein „Enemy“ mehr. Die Lieferdienste sollten sich das zum Vorbild nehmen. Detlef Frank, Dipl.-Ing. Mitglied im Fachbeirat Verkehr und Umfeld in der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik frankde@t-online.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 68 FORUM Bücher Digitalisierung bei Schiene und ÖPNV Rees, Dagmar Digitalisierung in Mobilität und Verkehr 272 Seiten, gebunden, E-Book Inside als pdf zum Download, 16,5 x 24,0 cm ISBN 978-3-96245-162-2 49,00 EUR (inkl. MwSt. zzgl. Versand) Das neue Buch von Dagmar Rees, Technik- Fachjournalistin und Redakteurin bei den Eurailpress-Titeln „ETR“ und „Rail Business“, hat einen umfassenden Überblick zusammengestellt, welche Fragen mit digitalen Lösungen bearbeitet werden. Es sind Momentaufnahmen, doch sie zeigen, in welche Richtung gedacht und entwickelt wird. Der erste Teil des Buchs beschreibt die mit der Digitalisierung verbundenen wichtigsten Technologien, die in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass heute Lösungen für die Mobilitätsbedürfnisse in der Gesellschaft möglich sind, die noch vor wenigen Jahren technisch nicht umsetzbar oder zu teuer waren. Der zweite Teil zeigt anhand anschaulicher Beispiele, wie die Digitalisierung in Mobilität und Verkehr umgesetzt wird, welche Gefahren, aber auch, welche Zukunftschancen damit verbunden sind. Der Fokus liegt dabei zunächst auf Schienen- und öffentlichem Verkehr, die als bestehende vernetzte Systeme prädestiniert sind, den Mobilitätsbedarf von Personen und Gütern sicher, effizient und klimafreundlich abzudecken. Da durch die Digitalisierung auch der Individualverkehr vernetzter wird, finden in diesem Werk zudem relevante Aspekte des Straßenverkehrs - wie das autonome Fahren und die Fahrzeug-zu-Fahrzeug- Kommunikation - Berücksichtigung. Das Buch richtet sich an ein allgemeines Publikum ohne fachliche Vorkenntnisse, das sich für die technologischen Hintergründe der Digitalisierung interessiert, um die Veränderungen im eigenen Umfeld einordnen, verstehen und gestalten zu können. Es ist mit Fotos und Grafiken reich bebildert und bietet durch Hintergrunddarstellungen vertiefende Einblicke zu spezifischen Themen wie etwa Cloud Computing, Hadoop Cluster, Datenauswahl für vorausschauende Instandhaltung, Bilderkennung durch Künstliche Intelligenz, Programmierung von Robotern und ETCS-Einführung in Deutschland. Glossar, Quellen- und Stichwortverzeichnis ermöglichen den gezielten Einstieg in die Thematik und runden das Werk ab. Dank des enthaltenen E-Books stehen Nutzern eines Endgeräts mit PDF-Reader (PC, Tablet, Smartphone) die Inhalte des Werks auch elektronisch und mit Suchfunktion zur Verfügung. Mehr Informationen sowie eine Leseprobe gibt es unter: www.pmcmedia.com/ digitalisierung Welche Rolle wird das Auto spielen? Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort, Christian Scherf Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende Soziologische Deutungen Print, 174 Seiten kart., zahlr. Abb.: 19,99 EUR ISBN 978-3-8376-4568-2 E-Book (PDF): 17,99 EUR ISBN 978-3-8394-4568-6 E-Book (EPUB), 17,99 EUR ISBN 978-3-7328-4568-2 Beginnend in Nachkriegsjahren, war das private Auto über lange Zeit zugleich Sehnsuchtsobjekt und Symbol eines glücklichen Lebens. Es war eine kollektive Liebe der Mittelschicht und derjenigen, die dort hinstrebten. Doch diese affektive Bindung verliert vor allem in der Stadt zunehmend an Kraft. Wenigstens dort ist bereits klar geworden: Die Grenzen des fossilen Automobilismus sind erreicht. Es gibt einfach zu viele Autos. Die Verkehrswende ist nun auf der Agenda. Zukunftsfähig sind nur solche Verkehrsangebote, die auch unter Ressourcenknappheit individualisierbar bleiben. Autos nutzen statt besitzen wird - in Verbindung mit digitalen Plattformen - attraktiv, das Radfahren gewinnt gerade in den Städten an Popularität. Mobilitätsdienstleistungen kommen aus der Nische und können dank Echtzeitinformationen flexibel und zugleich routinemäßig genutzt werden. Der herrschende Rechtsrahmen jedoch privilegiert nach wie vor private Autos. Dagegen deuten die Präferenzen der vorwiegend städtischen Bevölkerung und auch die digitalen Optionen in eine andere Richtung: Die fortschreitende Individualisierung findet andere Wege als den privaten Besitz von Autos. www.transcript-verlag.de Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 69 Erscheint im 71. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22 | D-72270 Baiersbronn Tel. +49 7449 91386.36 Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 7449 91386.43 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de Korrektorat: Ulla Grosch Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de dispo@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 56 vom 01.01.2019 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr plus International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist sechs Wochen vor Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren Abonnement-Paket Inland: EUR 215,00 (inkl. MWSt.) Abonnement-Paket Ausland: EUR 238,75 (inkl. VAT) Einzelheft: EUR 37,00 (inkl. MWSt.) + Versand Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print oder E-Paper mit dem Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Grafik und Druck GmbH, München Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Fast delivery concept Foto: Clipdealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Baiersbronn-Buhlbach ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Strategische Planung und Koordination" Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Sebastian Belz Dipl.-Ing., Generalsekretär EPTS Foundation; Geschäftsführer econex verkehrsconsult GmbH, Wuppertal Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ben Möbius Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Geschäftsführer, traffiQ, Frankfurt am Main (DE) Ottmar Gast Dr., Vorsitzender des Beirats der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Detlev K. Suchanek Gesellschafter-Geschäftsführer, PMC Media House GmbH, Hamburg Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Martin Hauschild Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Verkehr und Umfeld; Leiter Verkehrstechnik & Verkehrsmanagement BMW Group, München Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender der Logistik- Initiative Hamburg (LIHH), Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Jan Ninnemann Prof. Dr., Studiengangsleiter Logistics Management, Hamburg School of Business Administration; Präsident der DVWG, Hamburg Detlef Zukunft Dr., Programmdirektion Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 70 Liebe Leserinnen und Leser, wie nah Vergangenheit und Zukunft oft beieinanderliegen, zeigt sich besonders gut bei den Schwerpunktthemen dieses Jubiläums-Jahres. Im selben Monat des Jahres 1949 aus der Taufe gehoben wie die Bundesrepublik Deutschland, sollte das „Internationale Archiv für Verkehrswesen“ einerseits der Bestandaufnahme so kurz nach Kriegsende dienen, andererseits aber auch den (nun wieder möglichen) Blick ins Ausland und in eine Zukunft grenzüberschreitender Zusammenarbeit richten. Diese Vielfalt in Forschung und Anwendung, Wissenschaft und Praxis prägt Internationales Verkehrswesen bis heute. So nimmt die nächste Ausgabe mit dem Themenschwerpunkt Technologie-Innovation den aktuellen Stand der Verkehrstechnik, Projekte und praktische Lösungen in den Fokus. Sie beschäftigt sich mit dem öffentlichen Verkehr allgemein, vor allem aber mit den Herausforderungen im urbanen und im ländlichen Bereich - und mit den Optionen, die Automatisierung und Digitalisierung bieten können. Internationales Verkehrswesen 2/ 2019 kommt am 3. Mai - und Sie als Experte sind wieder herzlich eingeladen, Ihr Wissen mit unseren Lesern zu teilen. Denn eines ist klar: Ohne die Beiträge der vielen kompetenten Autorinnen und Autoren könnten wir unser stolzes Jubiläum gar nicht feiern ... Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter 19.-20.02.2019 Kalkar (DE) Trans-Log-Intermodal Fachmesse für internationalen Transport und Logistik Veranstalter: Messe Kalkar www.trans-log-kalkar.de 19.-21.02.2019 Stuttgart (DE) LogiMAT 2019 17. Internationale Fachmesse für Intralogistik-Lösungen und Prozessmanagement Veranstalter: EUROEXPO Messe- und Kongress-GmbH, München www.logimat-messe.de 08.-10.03.2019 Berlin (DE) TransporterTage 2019 Präsentations-, Verkaufs- und Nutzfahrzeugmesse Veranstalter: F.F. Peppel GmbH Information und Kontakt: transportertage-bb.de 19.-21.03.2019 Berlin (DE) Bus2Bus Fachmesse und Kongress Veranstalter: Messe Berlin GmbH www.bus2bus.berlin 26.-28.03.2019 Utrecht (NL) Rail-Tech Europe 2019 Fachmesse und Kongress Veranstalter: ProMedia Europoint BV Information und Kontakt: events.railtech.com/ europe2019 01.-05.04.2019 Hannover (DE) Hannover Messe 2019 Industriemesse mit „Motion, Drive & Automation“ und „Research & Technology“ Veranstalter: Deutsche Messe Information und Kontakt: www.hannovermesse.de 25.-26.04.2019 Bregenz (AT) Internationaler Verkehrskongress Österreich - Schweiz - Deutschland Wachsende Verkehrsströme - Ausweg durch neue Technologien? Veranstalter: EPTS, ÖVG, SVWG, DVWG, GDI und UEEIV Kontakt: ÖVG Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft, Wien, office@oevg.at www.oevg.at 22.-23.05.2019 Rudolstadt (DE) 6. Smart City Logistik Kongress Veranstalter: Dako GmbH, Jena Kontakt: kontakt@smartcitylogistk.de www.scl-kongress.de 04.-07.06.2019 München (DE) transport logistic | air cargo Europe Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management Veranstalter: Messe München GmbH www.transportlogistic.de 05.-06.06.2019 Wiesbaden (DE) Parken 2019 Fachmesse mit paralleler Tagung Veranstalter: Mesago Messe Frankfurt GmbH https: / / parken.mesago.com 13.-14.06.2019 Bratislava (SK) 17 th European Transport Congress (ETC) Veranstalter: European Platform of Transport Sciences - EPTS Foundation Kontakt: Generalsekretariat, Eva Schmidt, schmidt@epts.eu www.17etc.uniza.sk 19.-20.06.2019 Johannesburg (ZA) Africa Rail 2019 22. Exhibition & Conference Veranstalter: Terrapinn Ltd, Bryanston 2021, South Africa Information und Anmeldung: https: / / www.terrapinn.com/ exhibition/ africa-rail TERMINE + VERANSTALTUNGEN 19.02.2019 bis 20.06.2019 Weitere Veranstaltungen finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de VORSCHAU | TERMINE Meine/ Unsere Daten: Herr Frau Firma/ ... Titel, Vorname, Name Firma/ ... Abteilung Straße + Nr. PLZ, Ort, Land Telefon Telefax E-Mail-Adresse Umsatzsteuer-ID-Nr. (sofern vorhanden) Ihr Bestellzeichen (sofern vorhanden) Das Widerrufsrecht (s.rechts) habe ich zur Kenntnis genommen. Die AGB als Vertragsbestandteil habe ich gelesen und akzeptiert. Sie können beim Verlag angefordert oder unter www.trialog-publishers.de als PDF heruntergeladen werden. WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog-publishers.de ... und keine Ausgabe verpassen! Ich wähle: JahresAbo als gedruckte Ausgabe als ePaper Jahresbezugspreis Inland EUR 215,inkl. MwSt. und Versand Jahresbezugspreis Ausland EUR 217,- (mit VAT-Nr.) / EUR 238,75 (ohne VAT-Nr.), inkl. Versand WIDERRUFSRECHT (s. § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) Der Vertrag kann unter den in der Widerrufsbelehrung angegebenen Voraussetzungen innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail, www.trialog-publishers.de/ Widerrufsformular.pdf) widerrufen werden bei: Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Leserservice Internationales Verkehrswesen, Schliffkopfstraße 22, 72270 Baiersbronn-Buhlbach, Fax: +49 (0)7449 91386 37, E-Mail: office@trialog.de LAUFZEIT UND KÜNDIGUNG (s. 3 § der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) Der Bezugszeitraum beträgt mindestens ein Jahr ab Rechnungsdatum. Wenn Sie das Magazin nach der Abonnement-Laufzeit nicht weiter beziehen möchten, teilen Sie dies dem Leserservice (Kontaktdaten s.o.) spätestens 6 Wochen vor Ende des Bezugszeitraums mit. Ohne rechtzeitige Kündigung verlängert sich ein bestehendes Abonnement automatisch um ein weiteres Jahr. Die Annahmeverweigerung von Lieferungen gilt nicht als Kündigung. Für das StudiAbo gilt: Ohne Vorlage einer aktuellen Studienbescheinigung wird der jeweils gültige, reguläre Jahresabonnementpreis berechnet. 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