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Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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2020 | Heft 2 Mai Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und ihr Stellenwert Verkehr und Sicherheit Heft 2 | Mai 2020 72. Jahrgang POLITIK Zur Mobilität militärischer Verbände in Europa INFRASTRUKTUR Wie sicher Haltestellen wirklich sind LOGISTIK Warenverkehr neu gedacht - regional und im Verbund MOBILITÄT Verkehrswende jetzt in der Corona-Krise? TECHNOLOGIE Künstliche Intelligenz - die Chancen INTERVIEW Professor Edy Portmann: Wie Digitalisierung uns verändert www.internationalesverkehrswesen.de GESAMMELTES FACHWISSEN Das Archiv der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen mit ihren Vorgänger-Titeln reicht bis Ausgabe 1|1949 zurück. Sie haben ein Jahres-Abonnement? Dann steht Ihnen auch dieses Archiv zur Verfügung. Durchsuchen Sie Fach- und Wissenschaftsbeiträge ab Jahrgang 2000 nach Stichworten. Greifen Sie direkt auf die PDFs aller Ausgaben ab Jahrgang 2010 zu. Mehr darüber auf: www.internationales-verkehrswesen.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 11.11.2018 18: 32: 23 Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 3 Barbara Lenz EDITORIAL Neue Impulse, alte Herausforderungen D ie vorliegende Ausgabe von Internationales Verkehrswesen erscheint zu einem Zeitpunkt, zu dem die Covid-19-Pandemie das alles beherrschende Thema ist und andere Problemstellungen und Zukunftsaufgaben scheinbar in den Hintergrund gedrängt werden. Geht es allerdings um Mobilität und Verkehr, so macht die Krisensituation nicht nur deutlich, dass weniger motorisierter Verkehr durchaus auch positive Effekte mit sich bringt, sondern sie zeigt auch, welche Datenschätze heute schon vorhanden sind und dabei einen Beitrag zur Beobachtung des Verkehrs und der Verkehrsentwicklung - nahezu in Echtzeit - leisten können: ÖPNV-Betreiber nutzen Verbindungsabfragen, um Netzauslastungen zu ermitteln und dynamisch auf daraus abgeleitete Bedarfe zu reagieren; große Suchmaschinen bilden die Veränderungen der Außer- Haus-Aktivitäten von Menschen weltweit ab; Forschungseinrichtungen stellen auf Grundlage der Fusion von Datenquellen Einsichten in die räumliche Differenziertheit der Verkehrsentwicklung und das Maß an Betroffenheit unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen bereit. Es zeichnet sich ab, dass der Covid-19-Kontext einen deutlichen Impuls für die Verkehrsforschung und -planung ebenso wie für den operativen Bereich des Verkehrs liefert, indem offenkundig wird, wie die Nutzung von Daten erweitert und vorangebracht werden kann und sollte. Zu hoffen ist, dass sich daraus neue Ideen und Ansätze entwickeln, die nicht nur von den Nutzerinnen und Nutzern akzeptiert werden, sondern die auch helfen, Mobilität und Verkehr umwelt- und klimafreundlich zu gestalten. Dazu freilich braucht es neben einer wachsenden Präferenz für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes auch das Vertrauen der Menschen in die Sicherheit der Daten. Die Diskussion um das Tracking als Möglichkeit, die Ausbreitung des Virus durch Rückverfolgung von Kontakten abzuschwächen, und die dabei sichtbar werdende hohe Zustimmung in der Bevölkerung angesichts der wahrgenommenen Zweckdienlichkeit dieser Maßnahme legen nahe, dass zwar eine hohe Sensibilität gegenüber der Nutzung von Daten von Einzelpersonen besteht. Verbindet sich damit jedoch eine aus Nutzersicht nützliche und sinnvolle Anwendung, ist die notwendige Akzeptanz vorhanden. Das ist nichts grundlegend Neues, und es gibt auch genügend Beispiele dafür aus der Zeit vor Covid-19, es muss aber gerade bei der Verwendung von Nutzerdaten immer wieder hervorgehoben werden. Anwendungen, wie beispielsweise die Möglichkeit eines Tracking, das mit einer Vertrauensperson geteilt wird, funktionieren allerdings nur, wenn dabei auch die Datenübermittlung stabil, sicher und zuverlässig funktioniert. Gleichzeitig bleiben die alten Herausforderungen bestehen. Daten und datenbasierte Anwendungen sind die eine Seite der Medaille. Sicherheit und Vertrauen brauchen aber weiterhin auch in der konkret-physischen Welt die notwendige Beachtung bei der Gestaltung von Infrastrukturen, vom einfachen Fußgängerüberweg bis hin zum komplexen multimodalen Verkehrsknoten. Besonders betroffen von der Notwendigkeit, nicht nur Funktionsfähigkeit, sondern auch Sicherheit zu vermitteln, ist einmal mehr der Bereich des Umweltverbundes, der in den Städten - und nicht nur in den Großstädten - einen wichtigen Beitrag zur urbanen Lebensqualität leistet. Liebe Leserinnen und Leser, dass Sie all diese Themen in dieser und sicher auch den folgenden Ausgaben wiederfinden werden, ist beinahe selbstverständlich. Unsere Autorinnen und Autoren beleuchten, wie Digitalisierung und Neustrukturierung der Verkehrswege, aber auch neue Sichtweisen bei allen am Verkehr Beteiligten neue Mobilitätsoptionen schaffen können. Dazu wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre. Ihre Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 4 POLITIK INFRASTRUKTUR WISSENSCHAFT 22 Verkehrssicherheit an Bus- und Straßenbahnhaltestellen Unfallgeschehen, Verhaltensanalysen und Maßnahmen Jean Emmanuel Bakaba Jörg Ortlepp 26 Sub-Knoten im transeuropäischen Verkehrsnetz Bedeutung für die Anbindung des Hinterlandes Mathias Wilde LOGISTIK Foto: Autoren / GDV SEITE 22 Bild: Peter H. / pixabay SEITE 29 Foto: Wiedergrün/ Freepik.com SEITE 12 29 Kooperation mit Hanse- Verbünden im Nord-Ostsee- Raum Sicherheitsstrategie für Seehafenhinterlandverkehre durch Datenumschlag vor Güterumschlag Thomas Decker 32 China: Innovationen auf der letzten Meile Dirk Ruppik 34 Technologie effektiv für sich nutzen Güterverteilung mit Softwarelösung steuern und Einsparungen generieren Rainer Schulz 10 Das ForschungsInformations- System FIS Eine OpenSource- Wissensplattform zu den aktuellen Herausforderungen in-Mobilität und Verkehr Stefanie Dorn Arnd Motzkus Gunnar Knitschky 12 Einmal 200 km, bitte Die Grundlagen des Eichrechts für Elektromobilität Simon Schilling Magnus Schäfer 16 Die globale Verkehrswende und-Covid-19 Wie der Mobilitätssektor weltweit auf die aktuelle Pandemie reagiert Linus Platzer WISSENSCHAFT 18 Military Mobility in Europa Aktuelle Entwicklungen und Hintergründe zur Mobilität militärischer Verbände in Europa Philipp Schneider THEMEN, SCHLAGWORTE, AUTOREN, … Schlagen Sie einfach nach: Fach- und Wissenschafts-Artikel aus Internationales Verkehrswesen finden Sie-ab dem Jahr 2000 online in der Beitragsübersicht - auf der Archiv-Seite im Web. www.internationales-verkehrswesen.de/ archiv Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 5 INHALT Mai 2020 TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 09 Kurz + Kritisch 15 Bericht aus Brüssel 63 Forum Veranstaltungen 65 Impressum | Gremien 66 Vorschau | Termine AUSGABE 3 | 2020 52 Digitalisierungshürden bei KMU schlau überwinden Hectronic als Lösungsanbieter für Parkraum und Tankstellenmanagement setzt auf Data Analytics Andreas Wierse 54 Greift China bei KI nach der Führung? Das Rennen um die Vormachtstellung bei Künstlicher Intelligenz Dirk Ruppik WISSENSCHAFT 56 Intelligente Parkplatzsuche mit Machine Learning Ein Konzept für die Verringerung des innerstädtischen Parksuchverkehrs Alexander Kister Seite 60 „Ich glaube nicht an eine absolute Digitalisierung“ Im Gespräch mit Prof. Dr. Edy Portmann, Universität Freiburg im Üechtland Foto: Pascal König / Pixabay SEITE 40 Foto: Pete Linforth/ pixabay SEITE 54 MOBILITÄT 36 Luftverkehr in und nach der Coronakrise Zu den Auswirkungen der weltweiten Reisebeschränkungen auf die europäische Airline-Industrie Christoph Brützel 40 Mobilitätsmonitor Nr. 10 - März 2020 Christian Scherf Andreas Knie Theresa Pfaff Lisa Ruhrort Wolfgang Schade Marcel Streif WISSENSCHAFT 44 Pedelecs im Verleih Nutzerprofile und Anforderungen an Zweiräder Ingo Wöhler Thomas Othmar Christian Harstrick 48 Tackling innovation barriers An empirical investigation for sustainable transport services Konstantin Krauss Transport und Verkehr - Globale Verkehre - Nachhaltigkeit - Logistik-Lösungen Special: International Transportation - Transforming Transport: Solutions Erscheint am 02. September 2020 INTERVIEW Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 6 IM FOKUS Großraum- und Schwertransporte digital unterstützt planen G enehmigungsprozesse von Großraum- und Schwertransporten durch Digitalisierung effizienter zu gestalten und die Durchführung solcher Transporte zu vereinfachen - dieses Ziel verfolgt das Forschungsprojekt „Digital unterstützte Prozesse zur Genehmigung und Durchführung von Großraum- und Schwertransporten“ (DiGST) der TH Köln. Zusammen mit drei Industriepartnern nimmt das Kölner Labor für Baumaschinen dabei die Erfassung der Fahrzeugdaten, die Vermessung der Strecke und die Berechnung der Schleppkurven in den Blick. Auf diese Weise könnten Genehmigungsanträge künftig digital unterstützt gestellt werden. Eine wichtige Grundlage sind die charakteristischen Kenngrößen der Zugfahrzeuge, Anhänger und Ladungsgüter. Im Zuge des Projektes sollen daher Schnellmessmethoden zur Ermittlung dieser Größen entwickelt werden. Eine Smartphone- App soll die Anweisungen für die Durchführung der Messungen enthalten und die Eingabe und automatische Auswertung der Messergebnisse ermöglichen. Zudem ist eine zentrale Datenbank geplant, so dass die Fahrzeuge nicht immer wieder neu ausgemessen werden müssen. Ebenso grundlegend ist die elektronische Erfassung der Straßengeometrie sowie der angrenzenden Bürgersteige, Grünflächen, Straßenschilder oder Bäume. Dafür soll ein Vermessungsfahrzeug, das bei einem Projektpartner bereits im Einsatz ist, verwendet und optimiert werden. Das Sensorsystem des Fahrzeugs erzeugt mittels 3D-Scantechnik und weiterer Sensorik eine Punktewolke, aus der die Auswertungselektronik den vollständigen Verkehrsraum entlang der befahrenen Route generiert. Durch die Kombination der charakteristischen Kenngrößen des Großraum- und Schwertransportes mit dem Streckenprofil soll eine vollständige Simulation der Route ermöglicht werden. Die Forschungsarbeiten sollen die Grundlage für ein digital unterstütztes Genehmigungsverfahren legen. Die errechneten Daten könnten dem Fahrer auch direkt helfen. In einem Navigationssystem sollen die direkte Fahrzeugumgebung und der vor dem Fahrzeug befindliche Streckenabschnitt zu sehen und die behördlich verfügten Anmerkungen eingetragen sein - etwa Auflagen hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit in bestimmten Teilbereichen, einer benötigten Ladungsabsenkung bei Tunneldurchfahrt oder der Ladungsverschiebung beim Umfahren enger Kurven. Als zusätzliches Hilfsmittel soll es die Möglichkeit geben, an kritischen Stellen in eine Detailansicht zu schalten, in der die ideale Schleppkurve als virtuelle Fahrspur angezeigt wird. www.th-koeln.de Foto: Sommer GmbH Mindestabstand mit Künstlicher Intelligenz sicherstellen W ährend der Corona-Pandemie sollen Wirtschaftsunternehmen ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sichern. Ein wesentliches Element ist hierbei die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 m zwischen Personen. Das Münchener Consulting- und Technologieunternehmen Logivations hat dazu Lösungen im Programm, die unter Verwendung innovativer Objekterkennung sowie Tracking auf Basis von Machine Learning die Abstandsregeln überwachen. Logivations W2MO Tracking erkennt verschiedene Abläufe im Lager oder in der Produktion. Stapler und Warenbewegungen können verfolgt werden, Buchungen erfolgen anhand der erkannten Warenbewegungen automatisch. Auch die Bewegungen von Personen und ihre Mindestabstände zueinander lassen sich überwachen. Kommen sich Personen zu nah, kann eine optische oder akustische Warnung erfolgen. Auch kann sichergestellt werden, dass in bestimmten Bereichen nur Mitarbeiter mit Maske unterwegs sind. Falls der Schutz der Privatsphäre von hoher Bedeutung ist, werden die Personen bereits auf der Erfassungseinheit unkenntlich gemacht. In diesem Fall gibt das System nur eine Warnung, dass sich zwei Personen in einem bestimmten Bereich zu nahegekommen sind. Um in Corona-Zeiten auch eine Rückverfolgung zu ermöglichen, können explizit einzelne Personen identifiziert und nachverfolgt werden. Falls ein zu enger Kontakt bestand, kann das System dokumentieren, wer mit wem wann und wie lange in Kontakt war, und somit die Nachverfolgung der Gesundheitsbehörden effektiv unterstützen. www.logivations.com Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 7 IM FOKUS Corona-Pandemie: Drohen liefern Medikamente an Senioren D ie UPS-Tochter UPS Flight Forward setzt seit diesem Monat M2-Drohnen von Matternet ein, um rezeptpflichtige Medikamente aus einer Apotheke der CVS Health Corporation in The Villages in Florida, der größten US-amerikanischen Seniorengemeinde mit mehr als 135.000 Einwohnern, zuzustellen. Der Drohnentransport bietet eine schnelle Zustellmöglichkeit für Medikamente, die womöglich zeitkritisch sind, und unterstützt gleichzeitig Bemühungen zum „Social Distancing“ während der Covid- 19-Pandemie. Durch den Drohnen-Zustelldienst kann diese sehr große Seniorengemeinschaft benötigte Medikamente erhalten, ohne ihr Zuhause verlassen zu müssen. Der neue Dienst in The Villages kann nach den Regeln der Federal Aviation Administration (FAA), Teil 107, während der Pandemie operieren. Danach wird die Zulassung anhand des Bedarfs neu geprüft. Der Dienst kann auf Zustellungen von zwei weiteren CVS-Apotheken der Gegend ausgeweitet werden. Die ersten Flüge sind weniger als 800 Meter weit und haben einen Ort in der Nähe der Seniorengemeinschaft zum Ziel; anfangs wird ein Zustellfahrzeug die Sendung bis vor die Haustür des Empfängers bringen. Im vergangenen Jahr starteten UPS und Matternet einen fortlaufenden kommerziellen Drohnenflugdienst in Raleigh, North Carolina, der Standorte des dortigen Wake- Med Kankenhauses verbindet und bis heute mehr als 3.700 Drohnen-Zustellungen unter den Part-107-Regeln der FAA absolviert hat. Im Juni 2019 gründete UPS außerdem UPS Flight Forward, das später im September 2019 die Part-135-Standard-Zertifizierung der US-Regierung für das Betreiben einer Drohnen-Fluggesellschaft erhielt. Später erweiterten die beiden Unternehmen ihren Service auf die University of California San Diego Health, ebenfalls gemäß den Part- 107-Regeln der FAA. UPS Flight Forward sondiert nun weitere Optionen, den Kampf der Gesundheitsbranche zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu unterstützen. So wird das Unternehmen in Virginia an Tests mit der US-Regierung und weiteren Partnern teilnehmen, um mit unbemannten Fluggeräten auch medizinische Fachkräfte besser unterstützen zu können. www.ups.de Modellprojekte zur Verkehrssicherheit: Schutzstreifen für-den Radverkehr D ie Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) untersucht in zwei Modellprojekten auf zahlreichen Pilotstrecken im ganzen Land verschiedene Varianten neuartiger Radschutzstreifen. Das vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg geförderte Vorhaben ist das bisher größte derartige Modellprojekt in Deutschland. Untersucht wird, wie Schutzstreifen ausgestaltet sein müssen, so dass eine sichere Verkehrsführung für Radfahrer möglich ist. Die Modellprojekte laufen über einen Zeitraum von drei Jahren und werden auf den Straßen Baden-Württembergs ab Frühjahr 2020 sichtbar, wenn die Schutzstreifen- Markierungen in den Kommunen nach und nach angebracht werden. Rund 30 Kommunen beteiligen sich am Modellvorhaben. Wo es nicht möglich ist, einen eigenen Radweg anzulegen, können Schutzstreifen eine einfach und günstig umsetzbare Möglichkeit sein, den Radverkehr sicherer zu machen und durchgängige Radverkehrsnetze zu schaffen. Bislang wurde aber noch nicht ausreichend untersucht, unter welchen Rahmenbedingungen Schutzstreifen auch außerorts sowie auf schmalen Straßen innerorts den Radverkehr sicherer und attraktiver machen. Übergreifende Ziele der beiden Modellprojekte zu neuen Schutzstreifen innerorts und außerorts sind die Radverkehrsförderung und die Förderung der Verkehrssicherheit. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es ein lückenloses Radverkehrsnetz. An vielen Strecken im Flächenland Baden-Württemberg ist es aber nach den aktuellen Regelwerken noch nicht möglich, ein lückenloses Infrastrukturangebot für den Radverkehr zu schaffen. Im Modellprojekt wird daher etwa untersucht, wie sich innerorts das Verkehrsverhalten verändert, wenn zu Lasten der KFZ- Fahrbahnbreite die Schutzstreifen für Fahrräder breiter markiert werden. Auch die Wirkung einseitiger Schutzstreifen auf Abschnitten mit Steigungen wird untersucht. Außerorts sind Schutzstreifen bislang generell nicht zulässig. Hier werden die Einsatzbereiche zur Markierung ein- oder beidseitiger Schutzstreifen in Abhängigkeit von der Verkehrsbelastung und Struktur der Straße, den topographischen Verhältnissen und den gegebenen Straßenbreiten untersucht und bewertet. Bis 2021 sollen die Modellvorhaben ausgewertet werden. www.agfk-bw.de Foto: Stadt Reutlingen Foto: UPS Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 8 IM FOKUS Studie erforscht die Energiebilanz von Lieferdrohnen B ei der Paketzustellung haben Drohnen oft eine schlechtere Energiebilanz als klassische Lieferwagen. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gerade in dicht besiedelten Gegenden verbrauchen sie vergleichsweise viel Energie, und ihre Reichweite wird stark von den Windbedingungen beeinflusst. Im ländlichen Bereich könnten sie dagegen dieselbetriebenen Lieferwagen Konkurrenz machen. Google, DHL und Amazon experimentieren schon seit einigen Jahren mit Lieferdrohnen und haben in den USA und Australien im vergangenen Jahr erste kommerzielle Pilotprojekte gestartet. Nun hat Dr. Thomas Kirschstein vom Lehrstuhl für Produktion und Logistik der MLU ausgerechnet, ob aktuelle Drohnen-Modelle in Sachen Energieverbrauch bereits konkurrenzfähig mit marktgängigen Lieferfahrzeugen sind. In seiner Studie verglich Kirschstein den Energieverbrauch von Drohnen mit dem von dieselbetriebenen Lieferwagen und Elektro-Transportern, wie sie von Paketboten aktuell genutzt werden. Mit Hilfe einer Simulation wollte er herausfinden, welches Fahrzeug unter welchen Umständen die beste Energiebilanz aufweist, und spielt am Beispiel des Großraums Berlin mehrere Szenarien durch. So untersuchte er unter anderem, welchen Einfluss die Paketanzahl pro Stopp und die Verkehrssituation auf den Energieverbrauch haben und berücksichtigte auch Emissionen, die bei der Erzeugung von Elektrizität oder dem Verbrauch von Diesel entstehen. Über alle Szenarien hinweg waren Elektro-Transporter deutlich sparsamer als Diesel-Trucks, sie verbrauchten bis zu 50 % weniger Energie. Denn: Beim langsamen Fahren, häufigen Anhalten und wieder Anfahren verbrauchen Elektroantriebe deutlich weniger Energie als Verbrenner. Für Drohnen haben stattdessen die Windverhältnisse einen entscheidenden Einfluss auf Leistungsfähigkeit und Energiebilanz: Kommt beispielsweise Wind von der Seite, muss mehr Energie aufgewendet werden, um den Kurs zu halten. Ebenso energieintensiv ist, wenn Drohnen an einem Ort in der Luft schweben, weil sie vor der Tür des Paketempfängers warten müssen. Weil Drohnen nach jeder Paketzustellung zurückfliegen müssen, verbrauchen sie - so zeigte die Simulation - in einer dicht besiedelten Stadt wie Berlin bis zu zehn Mal so viel Energie wie Elektro-Lieferwagen - in Städten liefern Paketboten mehrere Pakete zu Fuß aus und lassen das Fahrzeug stehen. Die Simulation zeigt aber auch ein Szenario, in dem die fliegenden Lieferanten energieeffizienter sind: in dünner besiedelten, eher ländlich geprägten Gebieten nämlich, wo weniger Pakete zu weiter auseinander liegenden Zielen gebracht werden. www.uni-halle.de/ Studie zu Feinstaubemissionen bei ICE Hochgeschwindigkeitszügen D as International Maglev Board hat eine aktuelle Studie vorgelegt, die sich eingehend mit dem Thema Feinstaubemissionen bei Rad-Schiene-Hochgeschwindigkeits-Bahnsystemen im Vergleich zu Magnetschnellbahnsystemen beschäftigt. Die Berechnungen zur Feinstaubemission erfolgten an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) , im Bereich Verkehrsträgermanagement an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, in Kooperation mit dem International Maglev Board. Laut Johannes Klühspies, Professor für Verkehrsträgermanagement an der THD Deggendorf, entstehen pro Kilometer ICE- Laufleistung etwa 3 bis 10 Gramm Feinstaubpartikel, bei Bahnhofseinfahrten außerdem kurzzeitige Feinstaubemissionsspitzen, was besonders bei Bahnhöfen in Tunnellage zu Problemen führen kann - so etwa auch beim Bahnprojekt Stuttgart 21. Feinstaubexposition stellt eine direkte Gefährdung der Gesundheit in Form von Atemwegserkrankungen und Herzkreislaufbeschwerden dar. Besonders metallischer Feinstaub, wie er bei ICE, TGV und Shinkansen beim Bremsen entsteht, wird für den menschlichen Körper als vergleichsweise kritisch gesehen. Verglichen mit dem Autoverkehr in Städten, so Klühspies, schnitte der Bahnverkehr jedoch eher gut ab. Seit Kurzem steht Feinstaub zudem im Verdacht, das Infektionsrisiko für Virus-Erkrankungen zu erhöhen. US-Wissenschaftler konnten wohl den Transport von an Feinstaubpartikeln haftenden Viren über große Entfernungen nachweisen, italienische Universitäten dokumentieren einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung durch Feinstaub und der Häufung von Covid-19-Infektionen. Im Unterschied zu Rad-Schiene-Systemen sind dagegen Magnetschnellbahnsysteme wie der Transrapid im Betrieb vollständig frei von eigenen Feinstaubemissionen. Sie erzeugen aufgrund der Schwebetechnik und des berührungslosen Magnetantriebs selbst keine Feinstäube. Die 120 Seiten starke Publikation „Feinstaubemissionen im spurgeführten Hochgeschwindigkeitsverkehr“ ist zu haben über den Web-Link www.researchgate.net/ publication/ 340849390 Foto: Holzijue / pixabay Foto: Gerd Altmann / pixabay Gerd Aberle KURZ UND KRITISCH Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 9 Rechnung folgt später D er Shutdown infolge der Corona-Krise wird in allen Wirtschaftsbereichen zu erheblichen Umstrukturierungen mit nachhaltigen Auswirkungen auf tradierte gesellschaftspolitische Prioritätensetzungen führen. Optimistische Prognosen hoffen auf eine Erholung der deutschen und teilweise der europäischen Wirtschaft ab 4. Quartal 2020. Völlig unbeantwortet bleiben die Fragen zur jahrzehntelangen Forcierung internationaler Outsourcing-Strategien mit gewaltigen und gerade für Deutschland existenzgefährdenden Abhängigkeiten. Wenn der inflationär verwandte Begriff der Disruption eine Berechtigung besitzt, dann jetzt und in Zukunft. Ebenso unklar ist, wie die Billionen Euro schweren und im Grundsatz notwendigen Stützungsmaßnahmen in Zukunft refinanziert werden. Aktuell steigen die Finanzforderungen fast täglich. Politische Entscheidungserfordernisse mit gesellschaftspolitischen Wirkungen stehen an. Und von all diesen Umorientierungen ist der Mobilitäts- und Verkehrssektor jetzt und in Zukunft direkt und umfänglich betroffen, stärker als von der Finanzkrise 2008/ 2009. Die aktuellen Informationen aus der Mobilitätsszene sind sowohl erschreckend als auch mit Hoffnungsschimmern durchsetzt. So ist die Lufthansa, jahrelang Aushängeunternehmen deutscher Leistungsfähigkeit, zum notleidenden Krisenfall geworden. Vorschnell geforderte Verstaatlichung kann nicht überzeugen. Sinnvoll ist eine temporäre Staatbeteiligung. Existenzbedroht sind Hunderte LKW-Transporteure, die neben Nachfragerückgang aus dem Produktionsstillstand nun noch zusätzlich ruinösem Preisdruck osteuropäischer Frachtführer ausgesetzt sind. In einer fast aussichtslosen Lage sieht sich das private Busgewerbe aufgrund des Totalausfalls aller Gelegenheitsverkehre und bei FlixBus. Der Schienengüterverkehr ist weiterhin zentrales Sorgenkind. Betroffen vom Nachfragerückgang der Industrie von etwa 25 % sind der Einzelwagenwie auch der Ganzzugverkehr. Der im vergangenen Jahr gefeierte Masterplan Schienengüterverkehr hat bislang noch keine Wirkungen gezeigt. Offensichtlich verschärfen neben dem Rückgang der Kohle- und Stahltransporte immer noch unzulängliche Qualität, Ressourcendefizite und niedrige Produktivität die Corona-Effekte. Und im Personenfernverkehr setzt die DB vorrangig - so der Vorstandschef - auf die Gesellschaftsverpflichtung des Unternehmens und fährt trotz 15 % Auslastung 75 % der Züge. Damit sind alle Geschäftsziele für 2020/ 21 obsolet geworden. Vor den Ansteckungsgefahren in überfüllten Nahverkehrszügen und Bussen im Berufsverkehr wird gewarnt, die Benutzung individueller Verkehrsmittel angeraten. Die Vorschläge der Politik bezüglich der Probleme im Mobilitätsbereich sind wenig überzeugend. Die EU-Kommission (DG- Move) fordert verbesserte standardisierte Informationen im grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr und „Vertrauensübergaben“ der Züge an den Grenzen. Die Trassenpreise sollen weiter reduziert werden. Mit Recht wird ein Ende der strittigen europaweiten Diskussion um Einführung der automatischen Güterwagenkupplung verlangt. Hier liegt das wohl entscheidende Kosten- und Produktivitätsreservoir. Mehr als 60 Jahre unergiebiger Diskussionen sind unerträglich. Nationale Eisenbahninteressen ruinieren den Güterverkehr. Erstaunen erweckt der neue Disput über angebliche Mängel der neuen bis 2024/ 2025 EU-weit verbindlich einzuführenden Verbundstoff-Bremssohlen durch Interventionen von Schweden und Polen. Deutschland hat neben der Schweiz bereits ab 2021 zur Lärmreduktion den Ersatz der Grauguss-Sohlen vorgeschrieben. Die Umrüstung läuft mit hohen Investitionen der Wagenhalter, die bereits zwei Drittel ihrer Zielwerte erreichen. Die Verbundstoff- Bremssohlen mit EU-Zulassung (! ) müssen erneut ersetzt oder neue Wagen beschafft werden. Betroffen sind 100.000 Wagen, der Zusatzaufwand wird mit rd. 4 Mrd. EUR angegeben. Der schwedische Eisenbahnverband bemängelt reduzierte Bremsleistung bei Frosttemperaturen und höherer Geschwindigkeit. Vorgeschlagen wird die Umrüstung auf Scheibenbremsen, über deren Wirkungsgrad und Haltbarkeit uneinig diskutiert wird. Irgendwie eisenbahntypisch. An den dramatischen Niedergang der mobilitätsintensiven Touristikbranche sowie des Busfernverkehrs soll nur erinnert werden. Am Rande: Das gelobte Platooning im Straßengüterverkehr zeigt nach Fahrversuchen wegen überschätzter Energieeinspareffekte und höherer Unfallrisiken keine Sinnhaftigkeit. Nur die LKW-Elektrifizierungseuphorie durch Stromabnehmer bei LKW auf Autobahnen feiert aufgrund methodisch eigenwilliger Annahmen noch Rechtfertigungsversuche. Und was verbleibt von den 2019 gefeierten Milliarden-Zukunftsinvestitionen für die Infrastruktur in Deutschland und der EU, für Digitalisierung und Energietrassen? Was bedeuten zwangsläufig veränderte Ausgabenprioritäten? Warten wir auf die Rechnung. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche POLITIK Informationsmanagement Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 10 Das Forschungs-Informations- System FIS Eine Open-Source-Wissensplattform zu den aktuellen Herausforderungen in Mobilität und Verkehr Verkehrsforschung, Mobilitätsforschung, Netzwerk, Wissensmanagement, Wissenschaftskommunikation, wissenschaftliche Politikberatung Die technologische und gesellschaftliche Dynamik macht die Wissenslandschaft immer komplexer - so auch in den Bereichen Mobilität und Verkehr. Während sich die Forschung mit einer Bandbreite an gleichermaßen wichtigen und drängenden Fragestellungen befasst, ist es für die Adressaten der Forschungserkenntnisse zunehmend schwierig, den Überblick über die jeweils einschlägigen und aktuellen Ergebnisse zu behalten. Der Artikel zeigt auf, wie das Forschungs-Informations-System für Mobilität und Verkehr (FIS), herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), die aktuellen Herausforderungen der Wissensaufbereitung und -vermittlung aufgreift. Stefanie Dorn, Arnd Motzkus, Gunnar Knitschky D ie Mobilität, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, befindet sich im Wandel und wird immer mehr durch Elektrifizierung, Digitalisierung, Vernetzung, Sharing und die zunehmende Automatisierung, geprägt. Diese Entwicklungen im Verkehrssektor sind nicht länger vor allem technologiegetrieben, sondern in hohem Maße von den Anforderungen des Klimawandels und Klimaschutzes beeinflusst. Damit gehen Bedarfe an eine nachhaltige Gestaltung der Mobilität einher, die innerhalb des Verkehrssektors eng miteinander verzahnt sind und gleichzeitig in einer Wechselwirkung vor allem mit dem Energiesektor stehen. Wissensmanagement in einer komplexen Forschungslandschaft Forschung zu den Themen Mobilität und Verkehr zeichnet sich heute durch eine hohe Dynamik aus. Fortlaufend stehen neue Forschungsergebnisse zur Verfügung, die sich den offenen Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven der Fachrichtungen nähern und sie mit fachspezifischen Methoden beantworten. Die Vielfalt der Erkenntnisse hemmt jedoch die praktische Umsetzung, da es mitunter schwierig ist, sich schnell einen umfassenden und gleichzeitig strukturierten Überblick zu relevanten Fragen und aktuellen Lösungsansätzen zu verschaffen. Die entstehenden Erkenntnisse überschreiten selten die vergleichsweise engen Grenzen der Fach-Community. Um den Wissenstransfer in die breite Fachöffentlichkeit zu gewährleisten, ist es wichtig, Ergebnisse aus der nationalen und internationalen Mobilitäts- und Verkehrsforschung zusammenzuführen, zu systematisieren und strukturiert darzustellen. Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen an die Mobilitätsforschung gestiegen, die verschiedenen Perspektiven der Forschung nicht nur zu berücksichtigen, sondern auch miteinander zu vernetzen, sie kontinuierlich systemisch und integriert zu betrachten und in kompakter und aktueller Aufbereitung zugänglich zu machen. An dieser Stelle setzt das Forschungs-Informations-System für Mobilität und Verkehr (FIS) an. Das FIS macht komplexes Wissen schnell und einfach zugänglich Das FIS ist eine Wissensplattform, die im Jahr 2001 vom BMVI gegründet wurde, seit 2004 online erreichbar ist und jeden Einzelnen bei der schnellen Suche nach einschlägigen Fachinformationen unterstützt. Ziel des FIS war es von Beginn an, zu den zentralen Feldern wissenschaftlicher Verkehrs- und Mobilitätsforschung eine aktuelle, schnell abrufbare und einfache Übersicht zu bieten, verschiedene mögliche Problembereiche eines Themas aufzuzeigen und wissenschaftliche Lösungsansätze innerhalb eines Problembereichs darzustellen. Bild 1: Startseite der Open-Source-Wissensplattform FIS Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 11 Informationsmanagement POLITIK Zu diesem Zweck wird das verfügbare Wissen aus den relevanten Publikationen zum jeweiligen Thema systematisch und strukturiert ausgewertet und verdichtet. Maßgebliche Qualitätskriterien bei der Wissenssynthese sind neben fachlicher Qualität eine transparente und nachvollziehbare Darstellung sowie ein direkter Problem- und Lösungsbezug der Themen. Das so aufbereitete Wissen wird über die Webseite kostenfrei zur Verfügung gestellt (www.forschungsinformationssystem.de; siehe Bild 1). Den Zugang zu konkreten Themen erhält die Leserschaft über eine Sachgebietsgliederung, eine Volltext- Suchfunktion oder eine aktuelle Themenfeldwolke. Charakteristisch für das FIS ist der intuitive Zugang zu Informationen über die Wissenslandkarten. Diese dem Prinzip der Mindmap entlehnte, hierarchisch gegliederte Darstellung ist über alle Themen hinweg einheitlich aufgebaut, liefert einen Überblick über relevante Teilaspekte eines Themas und führt strukturiert an ein Thema heran (siehe beispielhaft die Wissenslandkarte zum Thema „Soziale Dimension von Mobilität und Verkehr“ in Bild 2). Ziel der Wissenslandkarten ist es, schnell und übersichtlich Lösungsansätze der Mobilitäts- und Verkehrsforschung zu vermitteln, mögliche Einflussfaktoren darzustellen oder verschiedene Sichtweisen aufzuzeigen. Hierzu wird die Leserschaft, ausgehend von der Problemstellung, welche im zentralen Knoten in der Mitte der Wissenslandkarte skizziert wird, im Uhrzeigersinn weitergeführt. Zunächst werden Grundlagen wie Ursachen, Akteure oder Erscheinungsformen dargelegt. Weitere Knoten zeigen Lösungsansätze oder Beispiele mit Anwendungsoptionen in der Praxis auf oder weisen auf noch offene Problemfelder hin. Hinter jedem Knoten befindet sich ein Synthesebericht, der eine prägnante Zusammenfassung der vorhandenen Forschungsergebnisse zum jeweiligen Thema darstellt. Zur Vertiefung von Teilaspekten werden Verweise auf Quellen mit weitergehenden Informationen angeboten (zum Beispiel Publikationen, Forschungsberichte, Statistiken, Rechtsvorschriften). Ein Glossar mit knappen Erläuterungen von Fachbegriffen ergänzt die Syntheseberichte. Das Kompetenznetzwerk hinter dem FIS Hinter dem FIS steht ein wissenschaftliches Kompetenznetzwerk aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die über spezifische Expertise in den verschiedenen Themengebieten verfügen und in relevanten Handlungsfeldern interdisziplinär zusammenarbeiten. Die Forschungseinrichtungen tragen die Inhalte für die Wissenslandkarten zusammen und bereiten sie auf. Als Quellen dienen aktuelle und relevante Artikel aus referierten Fachzeitschriften, Forschungsberichte, Dissertationen, Arbeitspapiere oder Presseberichte, deren Ergebnisse ausgewertet und für die Leserschaft verständlich dargestellt werden. Aktuell liefern die folgenden Forschungseinrichtungen inhaltliche Beiträge zu den verschiedenen Bereichen: • Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V. • Karlsruher Institut für Technologie - Institut für Volkswirtschaftslehre • Bauhaus-Universität Weimar - Professur Infrastrukturwirtschaft und--management - Professur Verkehrssystemplanung • TU Dresden - Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik - Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr • TU Hamburg-Harburg - Institut für Verkehrsplanung und Logistik - Institut für Logistik und Unternehmensführung - Institut für Maritime Logistik • Universität Duisburg-Essen - Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung Die Ressortforschungseinrichtungen des BMVI sind wichtige Wissensträger und wurden 2017 in das FIS eingebunden. Im Bereich „Ressortforschung“ präsentieren sie ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte und sind über die genannten Kontakte direkt erreichbar. Weitere Informationen zu ausgewählten Ressortforschungsprojekten sind über Verlinkungen abrufbar. Damit eröffnet das FIS einen idealen Einstieg in die gesamte Ressortforschung des BMVI. Aus organisatorischer Sicht wird das Kompetenznetzwerk des FIS durch die TÜV Rheinland Consulting GmbH und das Institut für Verkehrsforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des BMVI koordiniert. Das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) verantwortet die technische Koordination,- Systementwicklung und Websitegestaltung. ■ Arnd Motzkus, Dr. Forschungsmanagement, Teilbereichsleiter Mobilität, TÜV Rheinland Consulting GmbH, Köln arnd.motzkus@de.tuv.com Gunnar Knitschky Wissenschaftlicher Mitarbeiter Wirtschaftsverkehr, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin gunnar.knitschky@dlr.de Stefanie Dorn, Dr. Forschungsmanagement, Senior Fachexpertin Mobilität, TÜV Rheinland Consulting GmbH, Köln stefanie.dorn@de.tuv.com Soziale Dimension von Verkehr und Mobilität Teilhabe finanzielle Aspekte räumliche Aspekte zeitliche Aspekte Barrierefreiheit Sicherheitsempfinden Handlungsoptionen Umweltgerechtigkeit Lärm Luftschadstoffe Verkehrsunfälle Mobilität und Gesundheit Pendeln Bewegung und Walkability Trends und Rahmensetzungen gesellschaftliche Veränderungen Mobilitätsverhalten Generationengerechtigkeit Definitionen von Nachhaltigkeit MM9_soziale Dimension.mmap - 30.03.2020 - Mindjet Bild 2: Wissenslandkarte „Soziale Dimension von Mobilität und Verkehr“ Quelle: FIS Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 12 Einmal 200 km, bitte Die Grundlagen des Eichrechts für Elektromobilität Elektromobilität, Eichrecht, Laden Um in Deutschland eine Menge eines bestimmten Guts verkaufen zu dürfen, gibt es verschiedene Anforderungen, die erfüllt sein müssen. Eine dieser Anforderungen ist die, dass das erworbene Gut in seiner Menge regelkonform erfasst wird, um es anschließend korrekt mit dem Kunden abzurechnen. Wir kommen beim Tanken, im Restaurant bei der Bestellung eines Getränks oder beim regelmäßigen Abrechnen mit dem lokalen Energieversorger in Kontakt mit entsprechenden Normen und Vorschriften. In diesem Beitrag wird der Anwendungsfall Elektromobilität unter Beachtung des deutschen Eichrechts näher erläutert. Simon Schilling, Magnus Schäfer U m in Deutschland eine Menge eines bestimmten Guts verkaufen zu dürfen, gibt es verschiedene Anforderungen, die erfüllt sein müssen. Eine dieser Anforderungen ist, dass das erworbene Gut in seiner Menge regelkonform erfasst wird, um es anschließend korrekt mit dem Kunden abzurechnen. Dieses Vorgehen ist alltäglich. Wir kommen beim Tanken, im Restaurant bei der Bestellung eines Getränks oder beim regelmäßigen Abrechnen mit dem lokalen Energieversorger in Kontakt mit entsprechenden Normen und Vorschriften. Genauso wird auch beim Laden von elektrischen Fahrzeugen eine bestimmte Maßeinheit gemessen, übertragen und anschließend dem Kunden in Rechnung gestellt. Anders als bei einem geeichten Bierglas gibt es beim eichrechtlich konformen Laden von Elektrofahrzeugen Unterschiede und Schwierigkeiten, die auftreten können. Auf diese wird in den folgenden Absätzen näher eingegangen. Moderne E-Autos - Eichrecht als etablierte Rechtsgrundlage Damit das Erfassen einer Ware, eines Guts oder einer Leistung überall einheitlich ist und eine bestimmte Mengenangabe transparent und vergleichbar ist, gibt es das Mess- und Eichgesetz. Die Einhaltung des Mess- und Eichgesetzes und die damit einhergehenden Verordnungen wird von den jeweiligen Eichämtern der Länder kontrolliert. Die Eichämter sind für die rechtskonforme Eichung von sämtlichen Mengen-Erfassungsmethoden zuständig. Zusätzlich obliegt es den Eichämtern, den Markt zu überwachen und, wenn notwendig, das Eichrecht durchzusetzen. Die Gesetzesgrundlage besteht schon sehr lange, moderne öffentliche Ladestationen gibt es auch schon seit rund einem Jahrzehnt. Wieso sind die meisten Ladestationen also dennoch bis heute nicht konform mit den eichrechtlichen Anforderungen? Dazu ist es wichtig, die Vergangenheit zu verstehen. Die noch junge Branche der Dienstleister rund um das Thema Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur preschte los, ohne die bereits bestehenden Rahmenbedingungen des Eichrechts richtig anzuwenden. Es etablierten sich die wildesten Tarifmodelle, die auf Ladesäulen basieren, welche die Foto: Wiedergrün/ Freepik.com POLITIK Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 13 Elektromobilität POLITIK eichrechtlichen Anforderungen nicht erfüllen können. Vielen Anbietern war es bewusst, dass derzeit noch nicht konform abgerechnet wurde. Andere Dinge standen in der jungen Branche jedoch im Vordergrund, und nur wenige Anbieter reagierten frühzeitig auf diesen Missstand. Im Juni 2017 wurde erstmals durch ein Eichamt einem Ladestromdienstleister der Betrieb seiner Stationen untersagt. Dies war ein Weckruf für die Branche, und die Debatte rund um das Eichrecht im Bereich Elektromobilität war eröffnet. Die Herausforderung des Eichrechts für Elektromobilität. Anwendungsbereich des Eichrechts bei Ladestationen Es gibt verschiedene Faktoren, die erfüllt sein müssen, damit ein Ladevorgang überhaupt eichrechtlich konform abgerechnet werden kann. Es muss ein Verkauf der geladenen Energie stattfinden. Die Nutzergruppe ist nicht genau zu benennen. Der Verkauf findet nicht in einem monatlichen Pauschalbetrag statt. Sofern dies gegeben ist, ist die Energiemenge eichrechtskonform zu erfassen. Nach einer regelkonformen Erfassung der geladenen Energie mittels eines nach der MID-Richtlinie zugelassenen Zählers sind die abrechnungsrelevanten Daten dem Kunden transparent und sicher zur Verfügung zu stellen. Dieser muss anschließend die Richtigkeit der in Rechnung gestellten Ladungen selbst verifizieren können. Die Preisangabenverordnung legt fest, dass die für die Abrechnung von Energiemengen zu verwendende Einheit die Kilowattstunde ist. Dies ist keine Anforderung aus dem Eichrecht, hat jedoch ebenso Einfluss auf die Gestaltungsfreiheit für Ladestromprodukte. Aus der Pflicht, die Abrechnung eines Energieverkaufs in Kilowattstunden durchzuführen, ergeben sich die eichrechtlichen Pflichten. Die übertragene Energiemenge ist mit einer bestimmten Genauigkeit und mit Abzug aller nicht kundenseitigen Stromverluste zu erfassen. Dies bedeutet, dass die Ladesäule als Ganzes eine bestimmte Genauigkeit zu erfüllen hat. Zentrale Forderung: Transparenz Die erhobenen abrechnungsrelevanten Daten sind elektronisch signiert und vor Verfälschung geschützt. Die Daten werden dem Kunden zur Verfügung gestellt, um sich bei Erhalt der Rechnung selbst von der Richtigkeit der abgerechneten Energiemengen überzeugen zu können. Dies kann durch verschiedene sogenannte Transparenzmethoden geschehen und stellt in einem Markt mit vielen Marktteilnehmern große Herausforderungen dar. Dennoch wurden für den komplexen und sicheren Datentransfer mehrere Lösungen gefunden, die es dem Endkunden ermöglichen seine getätigten Ladungen selbständig und zweifelsfrei zu validieren. Bei einem herkömmlichen Tankvorgang sind in der Regel beide Geschäftspartner vor Ort. Der Kunde tankt eine bestimmte Menge an Kraftstoff in Litern. Er und der Verkäufer vertrauen auf das geeichte System und können sich von einem ordnungsgemäßen Ablauf überzeugen. Die Richtigkeit der abgegebenen Litermenge sowie des verbuchten Betrags ist damit für beide Geschäftspartner nachvollziehbar. Der Verkauf von elektrischer Energie an Privatkunden fand bisher fast ausschließlich zuhause statt. Hier kommt in der Regel jemand zum dauerhaft vor Ort verbauten Zähler und liest diesen ab. Auch dabei gilt: Beide Parteien, Verkäufer - oder dessen Beauftragte - und Käufer, sind zum Zeitpunkt der Ablesung vor Ort und bestätigen deren Richtigkeit. Beim Verkauf von Strom für den Anwendungsfall der Elektromobilität kommen verschiedene Faktoren hinzu, die den Stromverkauf hinsichtlich der Transparenz verkomplizieren. An öffentlichen Ladestationen sind viele wechselnde Kunden. Es ist wichtig, dass jede einzelne Ladung sicher auf einen Verursacher zurückgeführt werden kann. Es muss ein nachvollziehbarer belastbarer Beweis bestehen, dass eine Person Strom geladen hat, damit ihr dieser rechtssicher in Rechnung gestellt werden kann. Ein weiterer Faktor ist, dass dem Kunden ebenfalls die Möglichkeit gegeben werden muss, die Ladungen, die ihm in Rechnung gestellt wurden, überprüfen zu können. Er kann dadurch ausschließen, dass es sich um einen Betrugsfall handelt. Außerdem gibt es im Bereich des öffentlichen Ladens das Roaming. Über Vertragsbeziehungen können an den Ladestationen eines Betreibers die Kunden verschiedener Mobilitätsdienstleister laden. Dabei ist sicherzustellen, dass die eichrechtlich relevanten Daten sicher zum Endkunden gelangen und korrekt abgerechnet werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Transparenz der geladenen Kilowattstunden für den Kunden sicherzustellen. Im Folgenden wird nur auf die zwei am weitesten verbreiteten Lösungsansätze eingegangen, die derzeit ihre Anwendung finden. Lösungsansätze Lokale Transparenzanzeige Eine weit verbreitete Lösung ist es, die eichrechtsrelevanten Zählerdaten und Messwerte über eine lokal verbaute Anzeige dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Wird eine Ladung getätigt, so findet der Kunde später in seiner Abrechnung die Kennung der Ladesäule, den genauen Start- und Endzählerstand, sowie die geladene Energiemenge wieder. Werden diese Daten an eben der relevanten Ladestation erneut über das Bedienfeld eingegeben, so werden die dazugehörigen Daten aus dem lokalen Speicher aufgerufen und der Kunde kann sich von der Richtigkeit der Daten überzeugen. Der Kunde muss dazu die ursprüngliche Ladestation erneut aufsuchen. Signierte Datenpakete und Transparenz-Software Die zweite Variante beinhaltet das Versenden digital signierter Datenpakete. Dem Endkunden wird zusätzlich zum signierten Datenpaket und der Rechnung eine Download-Möglichkeit für eine sogenannte Transparenzsoftware zur Verfügung gestellt. Werden die originalen Rechnungsdaten sowie das originale Datenpaket in die Transparenzsoftware geladen, kann die Richtigkeit der digitalen Signatur überprüft und die Rechnungsstellung somit sicher validiert werden. Beide Varianten haben unterschiedliche Vor- und Nachteile und es ist im Einzelfall zu bewerten, welches Transparenzverfahren für eine geplante Ladeinfrastruktur geeigneter ist. Eichrecht - im Grunde kein Problem Basierend auf den gefunden Lösungen zu Preisangaben und Kundentransparenz, sowie der Verfügbarkeit ausreichend genauer Zähler, ist die Thematik nun mit verschiedenen Marktstandards gelöst worden. Aktuell gilt es jedoch, diese Lösungen in der Fläche zu etablieren, was verschiedene Anbieter vor eine riesige Aufgabe stellt, da es in Deutschland mittlerweile die stolze Zahl von rund 24.000 öffentlichen Ladepunkten gibt. Wenn möglich, wird auf der B2B Produktplattform b2charge.com jedes neue eichrechtskonforme Produkt gelistet. ■ Simon Schilling Consultant E-Mobility, Wiedergrün Technologie- und Management-Beratung für Elektromobilitätsunternehmen, Frankfurt am Main simon.schilling@wiedergruen.com Magnus Schäfer Junior Consultant E-Mobility, Wiedergrün Technologie- und Management-Beratung für Elektromobilitätsunternehmen, Frankfurt am Main magnus.schaefer@wiedergruen.com DAS FACHMAGAZIN FÜR DIE JACKENTASCHE Lesen Sie Internationales Verkehrswesen und International Transportation lieber auf dem Bildschirm? Dann stellen Sie doch Ihr laufendes Abo einfach von der gedruckten Ausgabe auf ePaper um - eine E-Mail an service@trialog.de genügt. Oder Sie bestellen Ihr neues Abonnement gleich als E-Abo. Ihr Vorteil: Überall und auf jedem Tablet oder Bildschirm haben Sie Ihre Fachzeitschrift für Mobilität immer griffbereit. www.internationales-verkehrswesen.de/ abonnement Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 3 11.11.2018 18: 27: 05 Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 15 N ach Wochen des sozialen Abstandhaltens und Zuhausebleibens ist es fast schon normal geworden: Die Atmosphäre im Brüsseler EU-Viertel ist die eines ewigen Sonntagmorgens. Die Straßen verlassen, Cafés und Geschäfte geschlossen, und wer vom Rond-Point Schuman zwischen Hauptsitz der EU-Kommission und Ministerrat die Rue de la Loi hinunterblickt, sieht statt der üblichen endlosen Reihe von Rücklichtern höchstens das ein oder andere vereinzelte Auto. Für die Akteure des Politikbetriebs fühlt sich das alles weit weniger normal an. Zu den Wenigen, die sich noch vor Ort treffen, gehören die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten. Sie nutzen die großen, jetzt leeren Sitzungssäle des Ministerrats, da lässt sich der nötige Abstand am besten wahren. Dort bereiten sie etwa Beschlüsse der Minister vor. Die Regeln wurden zu Beginn der Krise geändert, damit mehr davon im schriftlichen Verfahren gefasst werden können. So verabschiedeten die Mitgliedstaaten etwa in erster Lesung das Mobilitätspaket für den Straßengüterverkehr. Aber EU-Politik aus dem Home Office ist nicht so einfach, das zeigen die Erfahrungen. Das Europäische Parlament brauchte bei seiner ersten weitgehend virtuellen Plenarsitzung für drei Abstimmungen fast einen ganzen Tag, obwohl die Themen - darunter die Anpassung der Slot-Verordnung, damit Airlines wegen der Coronavirus-Krise nicht ihre Start- und Landerechte verlieren - weitgehend unstrittig waren. Schwer vorstellbar, wie unter diesen Bedingungen kontroverse Themen diskutiert und Abstimmungen mit hunderten von Änderungsanträgen über die Bühne gebracht werden können. Ähnlich sieht es im Ministerrat aus. In Videokonferenzen wird die Möglichkeit vermisst, in spontanen bilateralen Gesprächen mögliche Kompromisse auszuloten. Auch weiß man nie so genau, wer hinter den Bildschirmen so alles mithört. Die Finanzminister brauchten für ihre Vorschläge zur Mobilisierung großer Finanzhilfen mehrere Tage. Und viele weitere, schwierige Entscheidungen werden noch zu treffen sein, um diese Krise ungekannten Ausmaßes zu überwinden und das Wirtschaftsleben wieder in Gang zu bringen. So hat unter EU-Politikern eine Diskussion über globale Lieferketten begonnen. Die große Abhängigkeit der Europäer von der Versorgung mit manchen wichtigen Produkten aus Drittstaaten sollte hinterfragt werden, sagte etwa EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Es ist wichtig, die Lieferketten zu verkürzen und zu diversifizieren. Es muss mehr Lieferketten geben und man darf nicht nur von einem Anbieter abhängig sein.“ Zunächst im Blickpunkt stehen dabei medizinische Produkte und Schutzausrüstung. Hier sprechen sich etwa auch Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, der europäische Verband der Handelskammern (Eurochambres) und Ismail Ertug, Vize-Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, für mehr Produktionskapazitäten in Europa aus. „Wir bauen eine europäische Batteriezellenproduktion auf, weil wir erkannt haben, wir können nicht auf Dauer abhängig bleiben von den Asiaten. Dasselbe wollen wir glücklicherweise bei der Wasserstofftechnologie machen, aber bei medizinischen Produkten muss man es auch machen, weil uns die Krise ganz klar gezeigt hat, dass es entscheidend sein wird“, sagte Ertug. Von der Leyen blickt aber über medizinische Produkte hinaus. Eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft könne etwa dazu führen, dass mehr Rohstoffe durch Recycling in Europa gewonnen werden und nicht aus Drittstaaten importiert werden müssen, sagte sie. Die Diskussion über Korrekturen in den Lieferketten und die Zukunft der globalisierten Weltwirtschaft nach Corona hat sicher erst begonnen. Aktuell muss die EU aufpassen, dass sie in der Krise nicht politisch auseinanderfällt und dass der Binnenmarkt, ihr stärkster wirtschaftlicher Trumpf, nicht durch nationale Ausnahmeregeln zerfleddert wird. Grenzkontrollen und Reisebeschränkungen sind ein schwerer Schlag, der Güterverkehr musste durch das Drängen der Kommission auf „grüne Vorrangspuren“ an den Grenzübergängen mühsam wieder einigermaßen flott gemacht werden. Die Mitgliedstaaten haben die Kommission auch (inoffiziell) aufgefordert, Vertragsverletzungsverfahren nicht oder nur langsam voranzutreiben. Die Kommission muss aber weiterhin „Hüterin der Verträge“ bleiben. Langmut bei Vertragsverletzungsverfahren beweist sie ohnehin meist. Der gemeinsame Markt braucht gemeinsame Regeln. „Rosinenpicken“ verträgt er nicht, das hat die EU erst kürzlich noch den Briten erklärt. In einem funktionierenden Binnenmarkt sind manche Sonderregeln wie „Vorrangspuren“ für Güterverkehr zudem überflüssig. Die sind da nämlich schon inklusive.-- ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Krisenmanagement aus dem Home Office - gar nicht so einfach POLITIK International Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 16 Die globale Verkehrswende und Covid-19 Wie der Mobilitätssektor weltweit auf die aktuelle Pandemie reagiert Verkehrswende, Coronavirus, Resilienz, ÖPNV, Aktive Mobilität Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie im Januar haben Staatsregierungen und Stadtverwaltungen weltweit Wege gesucht, den auftretenden Herausforderungen im Bereich Transport und Mobilität zu begegnen. Neben massiven Einschränkungen durch behördliche Anordnungen von Ausgangssperren und Quarantäne, die das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben nahezu zum Stillstand brachten, haben Verkehrsplaner und Betreiber in dieser Krise auch innovative Möglichkeiten gefunden. Dieser Beitrag präsentiert verschiedene dieser Strategien und stellt sie in den Zusammenhang mit Aspekten nachhaltiger städtischer Mobilität. Linus Platzer D ie Coronavirus-Pandemie hat den ganzen Globus unerwartet getroffen. Weltweit hat sie die Verkehrssysteme stark beeinträchtigt und damit die Mobilität tausender Menschen rund um den Globus plötzlich verändert. Nationale Regierungen und Städte haben unterschiedliche Wege gefunden, um auf die Herausforderungen der Pandemie zu reagieren. Neben Einschränkungen der Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln, haben viele Verkehrsplanerinnen und städtische Entscheider auch innovative Maßnahmen getroffen, um auf das Virus zu reagieren und Menschen zu schützen. Der Artikel beschreibt mehrere Handlungsfelder und stellt erste Erfahrungen zusammen, um die Auswirkungen der Pandemie im Kontext nachhaltiger Mobilität weltweit zu berücksichtigen. Rad- und Fußverkehr: Tiefgreifende Verlagerungen hin zu aktiver Mobilität und ein verstärkter Fokus auf öffentlichen Raum Die Reaktionen auf die Pandemie haben eine abrupte Verschiebung der Verkehrsmodi verursacht. So hat beispielsweise das Radfahren einen Aufschwung als zuverlässiger und sicherer Modus erlebt, unterstützt durch rasche Maßnahmen zur Erweiterung des öffentlichen Raums für aktive Mobilität. Ausweitungen von Radwegen und Sperrungen einiger Straßen für Autos, wenngleich auch zunächst nur vorübergehend, haben Fußgängern den Raum zur Verfügung gestellt, um gleichzeitig die gebotene physische Distanz halten zu können (Schwedhelm et al. 2020). Die kolumbianische Hauptstadt Bogotá hat beispielsweise ihr bereits umfangreiches Fahrradwegenetz um 35 km temporärer Strecken erweitert (Wray 2020). Die deutsche Hauptstadt Berlin und die österreichische Hauptstadt Wien haben Gestaltungsstandards für temporäre Radwege veröffentlicht und ebenfalls temporäre Radwege installiert, ähnlich wie in anderen Städten, darunter Budapest, Mexiko-Stadt oder New York City. Weitere Maßnahmen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs sind reduzierte oder gar erlassene Tarife bei Bikesharing-Systemen, verbesserte Straßenkreuzungsbedingungen an Ampeln oder Geschwindigkeitsbegrenzungen zugunsten einer gemeinsamen Straßennutzung (Combs 2020). Öffentlicher Verkehr: Erste Reaktionen zur Eindämmung des Virus und langfristige Auswirkungen auf Auslastung und Beschäftigung In Bezug auf die Ausbreitung des Virus scheinen Busse und Bahnen leider zur Ausbreitung von Infektionen beigetragen zu haben. Dies wurde durch eine Studie über die Ansteckung von neun Passagieren in einem Bus in Hunan, China im Januar bekannt (die Studie wurde allerdings inzwischen ohne Angabe von Gründen zurückgezogen.) In vielen chinesischen Städten wie Wuhan oder Huanggang oder auch in der indischen Stadt Delhi wurde der öffentliche Verkehr daher zunächst weitestgehend komplett eingestellt, um das Virus einzudämmen. Obwohl die nahezu vollständige Stilllegung öffentlicher Verkehrssysteme zu Beginn der Pandemie nur von wenigen Städten als drastische Maßnahme eingesetzt wurde, haben schnelle Reaktionen geholfen, Risiken für Personal und Fahrgäste im öffentlichen Verkehr zu minimieren. Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Städte auch für essentielle Tätigkeiten weiterhin auf funktionierenden Nahverkehr angewiesen. Die Betreiber, die sich gegen eine vollständige Schließung entschieden haben, haben vorbeugende Maßnahmen zur Ausbreitung des Virus ergriffen. In China hat die Shenzhen Bus Group (SZBG) frühzeitig eine Reihe von Desinfektions- und Hygienemaßnahmen umgesetzt, Hygienematerialien beschafft und die betriebliche Organisation der Mitarbeiterinnen verändert, um die Bemühungen zur Bekämpfung des Virus zu erleichtern. Die SZBG hat ebenso eine strategische Arbeitsgruppe zur Prävention und Bekämpfung von Epidemien eingerichtet und Leitliniendokumente herausgegeben, um die Reaktion des Unternehmens zu koordinieren (Shenzhen Bus Group 2020). In Kochi, Indien, führte die Metro Rail an allen U-Bahn- Stationen und Standorten spezielle Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen durch, um das Risiko einer Ausbreitung zu verringern. Transportunternehmen in Indien versuchen auch, die Nachfrage an Transitstationen und Eingängen zu steuern, um die Passagierzahl zu verringern. In Südkorea hat der U-Bahn- Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 17 International POLITIK Betreiber in Seoul Züge und Stationen mehrfach täglich desinfiziert und den Fahrgästen versichert, dass ihre Züge Covid-19-frei seien, nachdem diese von bestätigten Coronavirus-Patienten verwendet wurden. Eine weitere Reaktion der Verkehrsunternehmen besteht darin, die Servicefrequenz von Bussen zu erhöhen, um die Anzahl der Fahrgäste pro Fahrzeug zu verringern. Diese Fahrplanänderungen sollten jedoch nach Rücksprache mit den beteiligten Interessengruppen und mit ausreichender Vorlaufzeit der Öffentlichkeit klar mitgeteilt werden. Andernfalls kann, wie das Beispiel von Jakarta, Indonesien, zeigt, eine einseitige Reduzierung des Angebots bei gleichbleibender Nachfrage zu einer noch stärkeren Konzentration der Passagiere führen und somit kontraproduktive Ergebnisse erzielen. Beobachter berichteten, dass diese eilige Entscheidung im Gegensatz zu den finanziellen Anreizen privater Unternehmen stand, so dass viele Personen nun mit noch weniger Platz zur Arbeit fahren mussten (Wagner et al. 2020). Die Pandemie birgt aber auch andere Probleme für den öffentlichen Verkehrssektor. So haben Experten berechnet, wie das deutsche öffentliche Verkehrssystem nach den Pandemie-Reaktionen aufgrund des starken Rückgangs der Fahrgastzahlen schwerwiegenden finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt sein könnte. Selbst im besten Szenario könnten die erwarteten Einnahmeverluste für öffentliche Verkehrsunternehmen bis Ende 2023 zwischen 5 und 10 Mrd. EUR liegen (Civity Management Consultants 2020). Angesichts der für den Betrieb des Nahverkehrs erforderlichen Subventionierung könnte dies die öffentlichen Finanzen auch lange nach der Pandemie belasten. Das finanzielle Risiko für Verkehrsunternehmen und Stadtverwaltungen besteht insbesondere in den Städten und Regionen in der Welt, in denen der als Paratransit bekannte informelle, privat geführte Verkehr das Rückgrat der täglichen Mobilität darstellt. In Städten wie Lagos, Nigeria, in denen die meisten Fahrten mit Minibussen und Taxis durchgeführt werden, verschärft die aktuelle gesundheitliche Notlage bereits bestehende Unterschiede zwischen formellen und informellen Verkehrssystemen (John 2020). Die Beschäftigungsaussichten für Millionen von Kleinunternehmern, die von täglichen Einnahmen abhängig sind, werden sich daher vermutlich verschlechtern. Eine koordinierte Reaktion und Regulierung des Stadtverkehrs vonseiten des Staates scheint zudem aufgrund fehlender Haushaltsmittel erschwert, mit negativen Folgen für die Lebensgrundlage von Beschäftigten und Nutzerinnen. Während Kleinunternehmer vor besonderen Herausforderungen stehen, liefern innovative Organisationen im Bereich geteilter Mobilitätsdienstleistungen hingegen möglicherweise auch kreative Antworten mit Augenmaß (ITDP 2020). In Bogotá hat beispielsweise eine Bikesharing-Firma dem medizinischen Personal 400 Elektrofahrräder zur Verfügung gestellt, mit dem es seine Arbeit erreichen und speziell eingerichtete Radwege nutzen kann. Ein weiteres ermutigendes Beispiel aus Singra, Bangladesch, zeigt die versatile und flexible Verwendung von Kleinstfahrzeugen. Mit Unterstützung der Transformative Urban Mobility Initiative (TUMI) wurden 2019 E-Rikschas sowie zwei Rettungsfahrzeuge eingeführt, um das Fehlen des regulären öffentlichen Verkehrssystems auszugleichen. Diese Fahrzeuge werden nun im Auftrag des Bürgermeisters eingesetzt, um dringend benötigte Lebensmittel auszuliefern (Sensöz 2020). Ausblick Wagner et al. (2020) haben aufgezeigt, dass Reaktionen im Mobilitätsbereich auf verschiedene Phasen des Virusausbruchs entlang des etablierten Avoid-Shift-Improve- Paradigmas unterschiedlich aussehen können und sollten. Verkehrsunternehmen zählen sicherlich zu den Ersthelfern der Krise und sind daher systemrelevante Bestandteile einer Krisenstrategie. Dies zeigt sich insbesondere in der Bedeutung, die angepasstem Nachfragemanagement, sowie Notfalltransport und logistischen Dienstleistungen zukommt. Doch die Auswirkungen auf das Verkehrssystem müssen auch bei schrittweisen Verschärfungen oder Lockerungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens mitbedacht werden. Gleichzeitig haben nicht nur Regierungen und Verkehrsplaner*innen auf die Pandemie reagiert. Viele internationale Verkehrsnetzwerke und Forscher sammeln Daten und Fallstudien, erarbeiten Leitlinien und politische Ratschläge und koordinieren Bemühungen, um die Städte und Verkehrsunternehmen vor Ort zu unterstützen. Ein Beispiel bietet die Beobachtungsplattform unter www.transformative-mobility.org/ corona. Auch wenn zum gegebenen Zeitpunkt Beobachtungen und Schlussfolgerungen jeglicher Art vorläufig sind, geben Dalkmann et al. (2020) einen guten ersten Überblick über diese internationalen Aktivitäten. Die enorme Herausforderung, Städte in Richtung einer nachhaltigeren Mobilität zu bewegen und gleichzeitig auf die Klimakrise zu reagieren, wird während und nach der Pandemie nun vorraussichtlich noch größer sein - Budgets könnten spärlicher ausfallen, Ausbau und Austausch begrenzt werden, und Aufmerksamkeit auf anderen dringenderen Themen liegen. Die Resilienz und Effektivität von Verkehrssystemen bei der Bewältigung dieser vielfältigen Krisen bei gleichzeitiger Wahrung der persönlichen Mobilität und Beschäftigung von Menschen wird ab diesem Pandemie-Jahr für die Beurteilung und Entscheidung von Verkehrsprojekten von größerer Bedeutung sein. Die offene Frage bleibt daher nicht nur, wie das Coronavirus unsere heutige Mobilität verändern wird, sondern auch, wie Mobilität nun transformiert werden kann und muss, um auf die künftigen Herausforderungen zu reagieren und sie zu meistern. ■ QUELLEN Civity Management Consultants (2020): Verkehrswende: aufgehoben oder aufgeschoben? - Corona Szenarien für den ÖPNV. 03.04.2020. https: / / civity.de/ de/ news/ 2020/ 04/ corona-szenarien-f%C3%BCr-denoepnv/ (zuletzt abgerufen 17.04.2020) Combs, Tabitha (2020): Local Actions to Support Walking and Cycling During Social Distancing Dataset. http: / / pedbikeinfo.org/ resources/ resources_details.cfm? id=5209 (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Dalkmann, Holger, et al. (2020): A Call for Collective Action for International Transport Stakeholders to Respond to the Covid-19 Pandemic. UK Department for International Development under the High Volume Transport (HVT) Applied Research Programme, managed by IMC Worldwide. April 2020. https: / / transport-links.com/ wp-content/ uploads/ 2020/ 04/ COVID-19-transport-overview-report.pdf (zuletzt abgerufen 21.04.2020) ITDP (2020): As the Impacts of Coronavirus Grow, Micromobility Fills in the Gaps. Institute for Transport & Development Policy. 24.03.2020. www.itdp.org/ 2020/ 03/ 24/ as-the-impacts-of-coronavirus-growmicromobility-fills-in-the-gaps/ (zuletzt abgerufen 24.04.2020) John, Emmanuel (2020): Covid-19 Implications for Public Transport and Shared Taxi in Nigeria. Transformative Urban Mobility Initiative. www. transformative-mobility.org/ news/ covid-19-implications-for-publictransport-and-shared-taxi-in-nigeria (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Schwedhelm, Alejandro, et al. (2020): Biking Provides a Critical Lifeline During the Coronavirus Crisis. World Resources Institute. 17. 04 2020. www.wri.org/ blog/ 2020/ 04/ coronavirus-biking-critical-in-cities (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Sensöz, Beste (2020): E-Rickshaws as an efficient Adaptation Method against Coronavirus. Transformative Urban Mobility Initiative. 02.04.2020. www.transformative-mobility.org/ news/ e-rickshaws-asan-efficient-adaptation-method-agains-coronavirus (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Shenzhen Bus Group (2020): Combating COVID-19. Shenzhen Bus Group’s Experience. Polis. www.polisnetwork.eu/ wp-content/ uploads/ 2020/ 03/ 81b562ba-c438-453d-bea5-bbc61d16a14c.pdf (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Wagner, Armin, et al. (2020): The COVID-19 outbreak and implications to sustainable urban mobility - some observations. Transformative Urban Mobility Initiative. Zuerst veröffentlicht 13.03.2020, letztes Update 02.04.2020. www.transformative-mobility.org/ news/ the-covid-19outbreak-and-implications-to-public-transport-some-observations (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Wray, Sarah (2020): Bogotá expands bike lanes to curb coronavirus spread. SmartCitiesWorld.. 18.03.2020. www.smartcitiesworld.net/ news/ news/ bogota-expands-bike-lanes-overnight-to-curb-coronavirus-spread-5127 (zuletzt abgerufen 21.04.2020) Linus Platzer Berater Nachhaltige Mobilität, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Eschborn linus.platzer@giz.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 18 Military Mobility in Europa Aktuelle Entwicklungen und Hintergründe zur Mobilität militärischer Verbände in Europa Verkehrsinfrastruktur, Militärische Mobilität, Schienenverkehr Die Mobilität militärischer Verbände ist für Europa ein hochaktuelles Thema. Die Aktualität ergibt sich zum einen aus den Diskussionen um den kommenden EU-Haushalt, der einen eigenen Military-Mobility-Etat vorsehen könnte, und zum anderen aus dem Manöver „Defender 2020“. Doch während sich die Haushaltsverhandlungen als schwierig erweisen, machte die Coronavirus-Pandemie „Defender 2020“ den Garaus. Von der Agenda verschwinden wird die „Military Mobility“ dennoch nicht, weswegen die folgende Lagebeschreibung und Analyse aktuell bleibt. Das Thema wird dabei mit einem Fokus auf den Verkehrsträger Schiene behandelt. Philipp Schneider D er Begriff Military Mobility ist noch relativ jung, die zentrale Rolle der Logistik in der Verteidigung ist jedoch sehr alt, und so gibt es hierzu im Oxford Handbook of War unter dem Titel „The role of Logistics in war“ ein eigenes Kapitel. Die dort enthaltene Definition kann hier übernommen werden, auch wenn der Fokus der EU-Politik deutlich beim Abbau der unterschiedlichen nationalen Zugangsbarrieren liegt: „Defence logistics […] determines what military forces can be delivered to an operational theatre, the time it will take to deliver that force, the scale and scope of forces that can be supported once there, and the tempo of operations.” [1: 401] Military Mobility ist auch aus strategischer Sicht bedeutsam: Gegebenenfalls stattet sie die Politik mit Zeitvorteilen und Verhandlungsmasse am Beginn einer Krise aus, ehe lediglich auf geschaffene Fakten reagiert werden kann. [2] Im Übrigen sind Maßnahmen in diesem Bereich ein Mittel, den Anforderungen des EU-Vertrags, Art. 42, gerecht zu werden. Hier geht es unter anderem um die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), die schrittweise Verbesserung militärischer Fähigkeiten und den gegenseitigen Beistand. [3] Jüngste Entwicklungen Etwa 2016 erlangte das Thema, damals unter dem Slogan „Military Schengen“, einige Aufmerksamkeit. Ein adaptiertes Schengen-Abkommen - das eigentliche Schengener Abkommen von 1985 und seine Nachfolger finden militärisch keine Anwendung [4: 10] - erwies sich aber als zu ambitioniert, weswegen diese Formulierung in der Folge seltener wurde. Die Europäische Kommission veröffentlichte 2018 einen „Action Plan on Military Mobility“. [5] Dieser sah verschiedene Maßnahmen und Pro- M1A2 Abrams Panzerfahrzeuge der 4. US-Infanteriedivision beim Verladen in Bremerhaven. Foto: www.dvidshub.net / PD POLITIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 19 Wissenschaft POLITIK jekte vor und galt als ein Puzzleteil auf dem Weg zur GSVP. 2019 folgte ein Umsetzungsbericht. [6] Die EU-Kommission schlug 2018 für den kommenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027 ein Military-Mobility-Budget von ca. 6,5 Mrd. EUR vor, welches wiederum Teil der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) sein sollte. Gefördert werden sollte damit die europäische Verkehrsinfrastruktur an Stellen, an denen sich ein „Dual-Use-Gedanke“ verwirklichen lässt, an denen also sowohl der zivile Binnenverkehr profitiert als auch die grenzüberschreitende Beweglichkeit militärischer Verbände verbessert wird. Explizit beide Bedingungen - also die zivile und die militärische - müssten für eine Teilfinanzierung erfüllt sein, rein militärische Anforderungen sollten nicht hinreichend sein. [6: -4] Interessant ist diese Entwicklung auch angesichts der Diskussion um das 2%-Ziel der Nato: Würden solche Investitionen zu den Verteidigungsausgaben zählen, könnten sich Länder wie Deutschland dem gemeinsam verabredeten Ziel, 2 % des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren, schneller annähern. [7] Doch den ambitionierten Zielen der Kommission folgte in den Verhandlungen um den MFR ein stetiger Abstieg: Aus den 6,5 Mrd. EUR machte die finnische Ratspräsidentschaft 2,5 Mrd. EUR, der EU-Ratspräsident 1,5 Mrd. EUR und schließlich stand in einem technischen Dokument der Kommission die komplette Streichung der Mittel [8] - was vor allem in Osteuropa für Unverständnis sorgte. [9] Mit dem Großmanöver „Defender 2020“ wollte die Nato im großen Maßstab (ca. 20.000 beteiligte Soldaten) die Verlegung von Personal und Material von Nordamerika nach Europa sowie innerhalb Europas üben. Mitte März wurde die bereits laufende Übung wegen der Ausbreitung des Coronavirus ausgesetzt, das lange vorbereitete Manöver fand damit ein jähes Ende. [10] Dass das Thema Military Mobility trotzdem aktuell bleiben wird, kann aber angenommen werden: Zum einen hat sich durch die Pandemie die sicherheitspolitische Lage nicht geändert. Diese hatte die Nato-Staaten unter anderem dazu bewogen, 2014 die „Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF) ins Leben zu rufen. [11] Dieser Verband, dessen Truppenteile jährlich rotieren und den Deutschland 2023 zum wiederholten Mal führen wird, ist auf eine sehr kurzfristige Verlegbarkeit ausgerichtet. Glaubwürdig ist dessen Einsatzfähigkeit aber nur, wenn er auch schnell an einen Einsatzort gelangt. Zum anderen gibt es auf EU-Ebene im Rahmen der PESCO-Initiative (Permanent Structured Cooperation in der Verteidigungspolitik) ein eigenes Military-Mobility-Projekt, das insbesondere auf einen Bürokratieabbau bei grenzüberschreitenden Verlegungen abzielt. Die Beteiligung fast aller Mitgliedsstaaten zeugt von der Bedeutung des Themas. [12] Im Bereich Military Mobility spielen viele Stakeholder eine Rolle: Neben den Nationalstaaten sind dies die EU und die Nato mit ihren diversen Unterorganisationen und Projekten, deren Zuständigkeiten und Ziele von außen nicht immer trennscharf erscheinen [13: 2], es ist sogar die Rede von „parallel, almost competing processes“ [14: 19]. Erschwerend kommt für Europa hinzu, dass es neben Staaten mit beiden Mitgliedschaften auch solche gibt, die ausschließlich EU- oder Nato-Mitglieder sind. Beide Bündnissysteme stehen in einem „Strukturierten Dialog“ zum Thema. Europäische Infrastruktur Die Verkehrsinfrastruktur in Europa ist seit den 1990er Jahren mit nahezu ausschließlichem Fokus auf zivile Anforderungen weiterentwickelt worden. [15: 3] Hierfür gibt es gute Gründe - und viele Beispiele dafür, wie grundverschieden die Zeit des Kalten Krieges in dieser Hinsicht war. Grundsätzlich ist jeder Verkehrsträger für militärische Belange einsetzbar, verfügt aber über einen eigenen natürlichen Marktbereich: So ist der Lufttransport schnell und weitgehend unempfindlich für Interoperabilitätsprobleme, eignet sich jedoch nicht für große Stückzahlen und Tonnagen. Die Luftfrachtkapazitäten sind bei den Streitkräften, aber auch im privaten Sektor, sehr beschränkt. Ferner besteht eine partielle Abhängigkeit von ukrainischen und russischen Luftfrachttransporteuren, deren Verfügbarkeit in Krisenzeiten nicht verlässlich eingeplant werden kann. [14: 15] Die Stärken der Schifffahrt liegen bei der Massenleistungsfähigkeit genau umgekehrt zum Luftverkehr, jedoch kommen hier erschwerend das nur weitmaschige und in großen Teilen nur eingeschränkt befahrbare Binnenwasserstraßennetz sowie die relativ geringen Geschwindigkeiten hinzu. Seetransporte aus Nordamerika oder dem Vereinigten Königreich würden - wie bei „Defender 2020“ - wohl nur bis zu den Nordseehäfen Deutschlands und der Niederlande fahren und wären von dort an auf Straßen- und Eisenbahntransporte angewiesen. [14: 17] Wie auch bei der Luftfracht sind die Transportkapazitäten allerdings sehr beschränkt. [16] Straße und Schiene sind somit für die militärische Mobilität in Europa von entscheidender Bedeutung. Aufgrund seines engmaschigen Netzes ist der Verkehrsträger Straße für Transporte in Europa insbesondere für die letzte Meile unerlässlich, da weder Kasernen und Häfen noch Operationsgebiete durchgängig über einen Zugang zu anderen Verkehrsträgern (insbesondere zu Gleisanschlüssen [17]) verfügen. Auch für Langstreckentransporte kommt die Straße in Frage, jedoch ist man hierfür auf eine große Zahl geeigneter Transporter angewiesen, die nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Daneben existieren im europäischen Straßennetz auch qualitative Mängel. In Deutschland ist der Zustand der Straßen- und Eisenbahnbrücken Gegenstand von Diskussionen, aber auch für das Nachbarland Polen - um ein weiteres wichtiges Transitland zu nennen - wird in einem EU-Report das Fehlen eines „kohärenten Netzwerks“ und zuverlässiger Verbindungen bemängelt. [17: 107] Das Land ist reich an Gewässern und demzufolge auch an Brücken, die aber vielfach nur maximal 60 Tonnen tragen können, oft auch weniger. [18] Andere Länder teilen dieses Problem, ebenso wie die vielfach eingeschränkte lichte Durchfahrthöhe von Brücken, die Großraumtransporten die Durchfahrt erschwert. [5: 4] Darüber hinaus sind für die Vorbereitung eines solchen Transports vielfach Abstimmungen mit verschiedenen Behörden unterschiedlicher Hierarchiestufen nötig, wobei militärische Verkehre z.B. in Deutschland keine Vorrangbehandlung genießen. [19: 2] Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 20 POLITIK Wissenschaft Mobilität im Schienengüterverkehr in Europa Die allgemeine Bedeutung der Eisenbahn und die Herausforderungen beim Transport insbesondere schwerer gepanzerter Fahrzeuge wurden bereits andernorts ausführlich diskutiert. [20] Im Folgenden sollen Herausforderungen beim grenzüberschreitenden Transport militärischer Güter in Europa dargelegt werden. Diese stoßen allgemein auf drei Barrierekategorien: technische, die meist spezifisch den Verkehrsträger Bahn betreffen, sowie rechtliche und administrative, die oftmals für alle Verkehrsträger gelten. Ein höheres Maß an Interoperabilität im europäischen Eisenbahnverkehr ist seit vielen Jahren Hauptziel der EU-Verkehrspolitik. Erreichen will man dies unter anderem mittels technischer Spezifikationen (TSI) und dem Infrastrukturprogramm Trans-European Transport Network (TEN). [21: 70] Der Status quo in Europa ist noch von einem hohen Maß an Zerklüftung geprägt. Betrachtet man beispielhaft den auch für „Defender 2020“ genutzten Korridor Nordseehäfen - Deutschland - Polen - Baltikum stößt man dabei auf zwei unterschiedliche Spurweiten (Normalspur sowie russische Breitspur im Baltikum), drei bzw. vier verschiedene Stromsysteme, drei bzw. vier Zugbeeinflussungssysteme und in jedem Land mindestens ein administrativ zuständiges Eisenbahninfrastrukturunternehmen - dies alles ungeachtet des Umstands, dass dabei durchgehend der TEN-Kernnetz-Korridor North Sea-Baltic befahren wird. [22] Teilweise lassen sich diese Interoperabilitätsprobleme mit Mehrsystemlokomotiven umgehen, spätestens die russische Breitspur in den baltischen Staaten erzwingt jedoch einen Wechsel des Rollmaterials. Die nötigen Verladekapazitäten sind dabei beschränkt (ca. zwei Züge pro Tag), was im Falle größerer und ggf. eiliger militärischer Verlegungen dazu führen dürfte, dass der letzte Transportabschnitt durch das Baltikum per Straßentransport durchgeführt würde. [14: 17] Das Projekt Rail Baltica - eine Neubaustrecke in Normalspur durch die baltischen Staaten und Polen - soll hier Abhilfe schaffen. [22] Die administrativen Anforderungen für den Transport militärischer Güter sind, auf der Straße wie auf der Schiene, komplex: Zoll-Bestimmungen sind zu beachten und können variieren, je nachdem ob der Versender Nato- oder EU-Mitglied ist. Auch kann es einen Unterschied machen, ob es sich um einen zivilen Transporteur handelt oder die Streitkräfte selbst als solcher auftreten. Zwar kann angenommen werden, dass einige regulatorische Einschränkungen in Krisenzeiten gelockert würden, eingeplant werden kann dies jedoch nicht. [14: -21f.] Schwerpunkte der Harmonisierungsbestrebungen der EU in diesem Bereich betreffen Gefahrguttransporte sowie Vereinfachungen bei Mehrwertsteuer und Zollbestimmungen, wobei hier auf die Übernahme existierender Nato-Regelungen abgezielt wird. [6: 6f.] Generell sollen diplomatische Genehmigungen für militärische Transporte innerhalb von fünf Tagen erteilt werden, was insbesondere für die Straße eine erhebliche Verkürzung darstellt. [19: 2f.] Da der Transportsektor fast komplett privatwirtschaftlich organisiert ist, werden Transportgefäße grundsätzlich nur in einer wirtschaftlich für die Unternehmen vertretbaren Anzahl vorgehalten und ihr Einsatz auf möglichst wenig Stillstand hin optimiert. Das betrifft die Eisenbahn genauso wie alle anderen Verkehrsträger, weswegen der verfügbare Transportraum ein erheblicher Engpass ist. [19: 4] Der internationale Austausch von Güterwagen ist über den Allgemeinen Vertrag für die Verwendung von Güterwagen (AVV) geregelt (bis 2006: RIV) und eingespielt. Fast 700 Eisenbahnunternehmen sind Mitglied, naturgemäß besteht jedoch ein Defizit bei den baltischen Ländern, deren Eisenbahnunternehmen teilweise am post-sowjetischen Breitspurwagenaustauschregime partizipieren. [23] Der - hinsichtlich VJTF auch kurzfristige - Zugriff auf Transportleistungen ist durch die Bundeswehr zwar gesichert, jedoch ist zu bedenken, dass beispielsweise die Verlegung eines größeren US-Kampfverbandes (Armored Brigade Combat Team) ca. 17 Züge beansprucht, was viel Vorlaufzeit benötigt und den bundeswehreigenen Wagenbestand übersteigt. [14: 16] Generell ist das Auslagern eigener Kompetenzen auf externe Dienstleister mit der einhergehenden steigenden Komplexität der Logistikketten das Ergebnis eines länger währenden Prozesses, der nach dem Ende des Kalten Krieges seinen Anfang nahm. [24: 523f.] Die Nato und ihre Mitgliedsstaaten haben seither einige Fähigkeiten abgebaut, die nun wieder neu aufgebaut werden müssen (vgl. exemplarisch Bild 1). [4: 10] Dies dürfte bei internationalen Operationen - in Bündnissystemen wie Nato oder EU der Regelfall - die Abhängigkeiten von der jeweiligen Gastnation erhöhen (Host Nation Support). Ausblick Military Mobility ist ein Handlungsfeld, das sowohl mehrere Sektoren als auch verschiedene Hierarchiestufen adressiert: Es ist sektorübergreifend, weil Planung, Betrieb und Aufsicht der Verkehrsträger jeweils diversen Akteuren obliegen, und es betrifft oft mehrere Ebenen, z.B. durch das Subsidiaritätsprinzip in der öffentlichen Verwaltung oder die Einbeziehung privater Akteure. [25: -2] Diese vielen Dimensionen machen Problemlösungen per se schwierig. Bild 1: Bis 2009 mussten für viele Straßenbrücken militärische Lastenklassen angegeben werden; die Schilder sind häufig noch präsent. Foto: Cookie Nguyen / Wikimedia / CC BY-SA 4.0 Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 21 Wissenschaft POLITIK Hinzu kommt, dass Nutzen und Kosten schwierig abzuwägen sind: Kosten für Infrastrukturmaßnahmen sind oft erheblich, und die umfassende Ertüchtigung der europäischen Infrastruktur wäre ein enormes Projekt, gerade in den absehbar schwierigen Post-Corona-Haushaltslagen der Mitgliedsländer. Außerdem treten die Kosten unmittelbar auf, der Nutzen ist jedoch kaum quantifizierbar bzw. tritt hoffentlich nie unmittelbar tatsächlich ein. Investitionen in Sicherheit und Verteidigung sind präventive Maßnahmen und wie in einem anderen Kontext festgehalten wurde: „There is no glory in prevention.“ [26] Die EU hat 2019 im Rahmen einer Lückenanalyse untersucht, welche Unterschiede zwischen militärischen und zivilen Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur existieren. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Anforderungen im Netzwerk verkehrsträgerübergreifend zu 94 % decken, wobei keine Details zur Herangehensweise veröffentlicht wurden. [6: 4] Im Eisenbahnbereich wäre ein Abgleich der TSI-Anforderungen mit militärischen Ansprüchen an Strecken und Bahnhöfe (z.B. Lademaße, Meter- und Achslasten, Laderampen oder Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern) naheliegend. Die laufenden Haushaltsverhandlungen werden zeigen, inwieweit mögliche Infrastrukturprojekte künftig finanziell unterfüttert werden, um Schwächen zu beseitigen, die bei der Lückenanalyse identifiziert wurden. Die Förderung künftiger Infrastrukturprojekte zu einem kleinen Teil von der Erfüllung militärischer Anforderungen abhängig zu machen, erscheint zweckmäßig, sofern die zivilen Anforderungen nicht hintangestellt werden (Dual-Use-Gedanke der EU-Kommission). Dies gilt umso mehr, wenn man das gegenüber diversen Gefahren höhere Maß an Resilienz betont, das mit einer auch militärisch höheren Nutzbarkeit einhergeht: „Crisis Mobility“ statt Military Mobility. [27] Dass schon die Übernahme von existenten Nato-Prozessen (z.B. Regelungen zur Mehrwertsteuererhebung im Rahmen von Bündnisaktivitäten oder die Übernahme eines Zollformulars) als besondere Meilensteine hervorgehoben werden [6: 7f.], verdeutlicht, dass bei allem Problembewusstsein offensichtlich nur eine Politik der kleinen Schritte verfolgt werden kann. Dies gilt auch für das begrenzte Budget, das im CEF-Rahmen der Military Mobility zugebilligt werden könnte - wenn es überhaupt dazu kommt. Auf nationaler Ebene finden militärische Bedürfnisse bei der Verkehrswegeplanung bislang keine besondere Beachtung. Es wäre zu erwägen, im Einzelfall (z.B. bei strategisch bedeutsamen Brücken und der Anbindung von Kasernen) diesen Zustand zu hinterfragen bzw. eine Übernahme des Dual-Use-Gedankens der EU-Kommission zu überprüfen. ■ LITERATUR [1] C. Kinsey; M. Uttley: „The Role of Logistics in War“, in The Oxford Handbook of War, Oxford, Oxford University Press, 2012, S. 401-416. [2] B. Hodges; T. Latici: „Deterrence through Military Mobility“, Center for European Policy Analysis, 12.02.2020. URL: https: / / www.cepa.org/ deterrence-through-military-mobilit. [Zugriff am 07.04.2020]. [3] Vertrag über die Europäische Union in der Fassung vom 7.6.2016, Amtsblatt der Europäischen Union, C 202/ 15. [4] J. Dempsey: „Nato’s Eastern Flank and Its Future Relationship With Russia“, 23.10.2017. URL: https: / / carnegieendowment.org/ files/ CP_318_Eastern_Flank_FNL4WEB.pdf. [Zugriff am 07.04.2020]. [5] Europäische Kommission: „Action Plan on Military Mobility“, Brüssel, 2018. [6] Europäische Kommission: „Joint Report to the European Parliament and the Council on the implementation of the Action Plan on Military Mobility“, Brüssel, 2019. [7] B. Hodges; A. Schaltuper: „In defence of logistics“, New Europe, 15.02.2019. URL: https: / / www.neweurope.eu/ article/ in-defence-of-logistics/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [8] A. Brzozowski: „Europe‘s military mobility: latest casualty of EU budget battle“, Euractiv, 25.02.2020. URL: https: / / www.euractiv.com/ section/ global-europe/ news/ europes-military-mobility-latest-casualty-of-eu-budget-battle/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [9] The Defense Post: „Eastern European defense ministers urge EU funds for military mobility program“, 10.03.2020. URL: https: / / www.thedefensepost.com/ 2020/ 03/ 10/ eastern-europe-eu-funding-military-mobility/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [10] U.S. Army Europe: „Defender-Europe 20“, 13.03.2020. URL: https: / / www.eur.army.mil/ DefenderEurope/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [11] Bundesministerium der Verteidigung: „VJTF - Speerspitze der Nato“, URL: https: / / www. bmvg.de/ de/ themen/ dossiers/ die-nato-staerke-und-dialog/ vjtf-speerspitze-der-nato. [Zugriff am 07.04.2020]. [12] PESCO: „PESCO Projects - Military Mobility“, URL: https: / / pesco.europa.eu/ project/ military-mobility/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [13] M. Drent; K. Kruijver; D. Zandee: „Military Mobility and the EU-Nato Conundrum“, 07/ 2019. URL: https: / / www.clingendael.org/ sites/ default/ files/ 2019-07/ Military_Mobility_and_the_EU_Nato_Conundrum.pdf. [Zugriff am 07.04.2020]. [14] B. Hodges; T. Lawrence; R. Wojcik: „Until Something Moves - Reinforcing the Baltic region in crisis and war“, 31.03.2020. URL: https: / / icds.ee/ wp-content/ uploads/ 2020/ 03/ ICDS_ Report_Until_Something_Moves_Hodges_Lawrence_Wojcik_April_2020_cor.pdf. [Zugriff am 07.04.2020]. [15] T. Latici: „Military mobility - Infrastructure for the defence of Europe“, 02/ 2020. URL: http: / / www.e uro p a rl .e uro p a .e u/ Re g D ata/ etud e s/ B R I E / 2 02 0/ 6 4 61 8 8/ E P R S _ BRI(2020)646188_EN.pdf. [Zugriff am 07.04.2020]. [16] C. Clark: „Not Enough C-17s, Tankers Or Ships For Hot War: TRANSCOM“, Breaking Defense, 02.05.2017. URL: https: / / breakingdefense.com/ 2017/ 05/ not-enough-c-17s-tankers-orships-for-hot-war-transcom/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [17] Europäische Kommission: „Transport in the European Union - Current Trends and Issues“, Brüssel, 2018. [18] S. J. Freedberg Jr.: „OMFV: The Army’s Polish Bridge Problem“, Breaking Defense, 06.02.2020. URL: https: / / breakingdefense.com/ 2020/ 02/ omfv-the-armys-polishbridge-problem/ . [Zugriff am 07.04.2020]. [19] Deutscher Bundestag: „Drucksache 19/ 5208 - Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Drucksache 19/ 4739“, 23.10.2018. URL: https: / / dipbt.bundestag.de/ dip21/ btd/ 19/ 052/ 1905208.pdf. [Zugriff am 07.04.2020]. [20] P. Schneider: „Die Anbindung von Bundeswehr-Standorten an das Eisenbahnnetz“, Eisenbahntechnische Rundschau, S. 49-53, Juni 2019. [21] C. Salander: „Das Europäische Bahnsystem“, Wiesbaden: Springer Vieweg, 2019. [22] Europäische Kommission: „North Sea-Baltic“, URL: https: / / ec.europa.eu/ transport/ themes/ infrastructure/ north-sea-baltic_en. [Zugriff am 07.04.2020]. [23] GCU Bureau: „GCU Signatories Portlet“, URL: https: / / www.gcubureau.org/ signatories. [Zugriff am 07.04.2020]. [24] M. Erbel; C. Kinsey: „Think again supplying war: reappraising military logistics and its centrality to strategy and war“, The journal of strategic studies, S. 519-544, 04/ 2015. [25] Finabel: „On the Way Towards A True Military Mobility“, 16.03.2018. URL: http: / / finabel. org/ wp-content/ uploads/ 2018/ 12/ Military-Schengen-Towards-a-true-Military-Mobility-1.pdf. [Zugriff am 08.04.2020]. [26] NDR Info: „Coronavirus-Update: Wir müssen weiter geduldig sein“, 30.03.2020. URL: https: / / www.ndr.de/ nachrichten/ info/ 24-Coronavirus-Update-Wir-muessen-weiter-geduldig-sein,podcastcoronavirus166.html. [Zugriff am 07.04.2020]. [27] B. Hodges: „Let‘s get moving“, 07.04.2020. URL: https: / / www.cepa.org/ lets-get-moving. [Zugriff am 07.04.2020]. Philipp Schneider, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Bahnbetrieb und Infrastruktur, Institut für Land- und Seeverkehr, Technische Universität Berlin pschneider@railways.tu-berlin.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 22 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Verkehrssicherheit an Bus- und Straßenbahnhaltestellen Unfallgeschehen, Verhaltensanalysen und Maßnahmen Unfälle, Konflikte, Bus, Straßenbahn, Haltestelle, Verkehrssicherheit Die vorliegende Studie untersucht die Verkehrssicherheit innerörtlicher Bus- und Straßenbahnhaltestellen. Als Grundlage hierfür dienten etwa 950 Haltestellen in sechs deutschen Großstädten sowie deren Unfallgeschehen im Zeitraum 2011 bis 2015. Die Studie zeigt vor allem, dass die Unfallkostenraten an Straßenbahnhaltestellen höher als bei Bushaltestellen sind. Überschreiten-Unfälle sind dabei überproportional vertreten. Die durchgeführten statistischen Analysen weisen nach, dass das Unfallrisiko und die Unfallfolgen mit zunehmendem Fahrgastaufkommen steigen. Jean Emmanuel Bakaba, Jörg Ortlepp I m Jahr 2018 wurden in Deutschland 4.130 Verunglückte bei 3.294 Unfällen mit Personenschaden mit dem Merkmal „Haltestelle“ polizeilich erfasst. Dabei starben 46 Menschen und 815 wurden schwer verletzt. Etwa 94 % dieser Unfälle ereigneten sich innerorts. Hintergrund dieser Studie Die Entwurfsregelwerke der FGSV (RASt 2006, EAÖ 2013, ERA 2010 und EFA 2002) geben Rahmenbedingungen für die Gestaltung vor. In der Praxis sind häufig Kompromisse (z.B. wegen Kosten, Taktfrequenz etc.) erforderlich, die sich auch auf die Verkehrssicherheit auswirken können. Eine Untersuchung der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zu Sicherheitsgraden von Straßenräumen mit Straßenbahnen aus dem Jahr 2007 ergab ein im Vergleich zu anderen Straßennetzbereichen hohes Sicherheitsniveau von Haltestellen. Allerdings zeigte sich dabei, dass nur ca. 10 % der Unfälle im direkten Haltestellenbereich das Merkmal „Haltestelle“ in der polizeilichen Unfallstatistik aufwiesen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Straßenwesen zu „Potenziale zur Verringerung des Unfallgeschehens an Haltestellen des ÖPNV/ ÖPSV“ (Heft M 190, 2007). Auch im Rahmen eines weiteren Forschungsprojektes der UDV zu „Maßnahmen zur Reduzierung von Straßenbahnunfällen“ (UDV, 2016) konnten die Unfälle mit diesem Merkmal nicht tiefgründiger analysiert werden, da die dafür erforderliche Datengrundlage aus dem Untersuchungsdesign nicht gewonnen werden konnte. So blieb die Frage nach den Sicherheitsunterschieden verschiedener Haltestellentypen immer noch ungeklärt. Die Methodik Aus den meisten der bisherigen Untersuchungen zum Thema Sicherheit an Haltestellen des öffentlichen Verkehrs (siehe auch die Zusammenfassung in der Literaturanalyse des Forschungsberichtes Nr. 63 der UDV, 2019) lassen sich keine umfassenden Aussagen sowie Empfehlungen ableiten. Gründe hierfür sind beispielsweise unzureichende statistische Analyseverfahren, fehlende Berücksichtigung des Aufkommens relevanter Verkehrsarten (z.B. Fahrgäste, zu Fuß Gehende, ÖPNV- Fahrzeuge) oder Analysen von Verhaltensweisen mit teilweise geringen Stichproben. Die so gewonnenen Einzel-Erkenntnisse wurden im Untersuchungsdesign der vorliegenden Studie (UDV, 2019) berücksichtigt. Es wurde ein mehrstufiger Untersuchungsansatz gewählt. Bei der Basisanalyse erfolgte zunächst eine Verschneidung der polizeilich erfassten Unfalldaten mit aus Open-Source-Datensätzen gewonnenen Informationen zur Lage von innerörtlichen Haltestellen. Die Basisanalyse diente der räumlichen Abgrenzung der Sicherheitsauswirkungen von Haltestellenbereichen. In der makroskopischen Unfallanalyse wurden anschließend 1.900 Teilhaltestellen (Haltebereich des Busses oder der Straßenbahn je Fahrtrichtung) ausgewählter Haltestellentypen in sechs Großstädten im Detail untersucht. Dabei wurden Haltestellentyp, Verkehrsträger, Takt, Straßenquerschnitt, Lage und weitere Gestaltungsmerkmale vor Ort erhoben. Primäres Ziel dieses Analyseschrittes war die Identifikation von Einflussgrößen auf das Unfallgeschehen an ausgewählten Haltestellentypen. Darüber hinaus wurden multi-kriterielle statistische Analysen durchgeführt, um die unfallbegünsti- Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 23 Wissenschaft INFRASTRUKTUR genden Gestaltungs- und Betriebsmerkmale hinsichtlich statistischer Signifikanz zu prüfen und überlagernde Einflüsse auszuschließen. Die Verhaltensanalyse mittels Videoerhebungen umfasste die mikroskopische Analyse von 102 (unfallfreien und unfallbelasteten) Teilhaltestellen. Ziel war, das Verhalten der Verkehrsbeteiligten bei bestimmten Verkehrssituationen im Haltestellenbereich zu analysieren und qualitative Aussagen daraus herzuleiten. Erhoben wurden unter anderem die Verkehrsstärken des Kraftfahrzeug-, Rad- und Fußverkehrs, auftretende Konflikte sowie gefahrene Geschwindigkeiten von Kraftfahrzeugen. In der Konfliktanalyse wurden für 25 der 102 Teilhaltestellen die Bewegungsabläufe analysiert. Dabei wurden aus den Videoaufzeichnungen die kritischen Zeitlücken (PET) zwischen dem Verlassen und dem Erreichen einer Konfliktfläche zweier Konfliktgegner ermittelt und daraus potenzielle Konflikte der zu Fuß Gehenden mit Radfahrenden und Kraftfahrzeugen identifiziert. Ergebnisse Basisanalyse Das Merkmal „Haltestelle“ wird bei der Erfassung von Verkehrsunfällen nicht immer zuverlässig erhoben oder teilweise verwendet, obwohl die Haltestelle weit entfernt ist. Aus diesem Grund wurde das gesamte Unfallgeschehen auf Hauptverkehrsstraßen zwischen den Verkehrsknotenpunkten in den Bundesländern Sachsen und Sachsen-Anhalt analysiert. Vom Haltestellenpunkt aus wurden alle Unfälle (mit und ohne Haltestellenmerkmal) im blockweisen Abstand von zehn Metern beidseitig gruppiert und Unfalldichten berechnet. Aus dieser Analyse konnte hergeleitet werden, dass Bushaltestellen auf der „freien Strecke“ das Unfallgeschehen auf einer Länge von 40 m und an Hauptverkehrsknotenpunkten von 60 m beeinflussen. Für Straßenbahnhaltestellen ergab sich eine Einflusslänge von 70 m. Gegenüber der „freien Strecke“ weisen Haltestellenbereiche höhere Unfalldichten auf. Makroskopische Unfallanalyse Die Ergebnisse der makroskopischen Unfallanalyse der 1.900 Teilhaltestellen lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Mit zunehmendem Fahrgastaufkommen steigt die mittlere Unfallkostenrate bzw. Unfalldichte. • Bei der multikriteriellen Analyse zeigte sich, dass das Fußverkehrsaufkommen das Unfallniveau signifikant beeinflusst. Dabei wurde das Fußverkehrsaufkommen stellvertretend durch die Umfeldnutzung beschrieben. • Die Unfallmodelle zeigen, dass die Verkehrssicherheit an Straßenbahnhaltestellen durch Mitteltrennungen (Mittelstreifen oder Mittelinsel) bzw. durch signaltechnische Sicherung der Fahrbahn verbessert werden kann. • Ist an Straßenbahnhaltestellen in Mittellage und an ÖPNV-Trassen das Parken im unmittelbaren Haltestellenbereich erlaubt, wirkt sich dies negativ auf die Verkehrssicherheit von zu Fuß Gehenden aus. • An Kaphaltestellen für Straßenbahnen (Bild 1) ergibt sich die höchste Unfallkostenrate für Fahrunfälle (Bild 2). Die nähere Betrachtung zeigt, dass ein Großteil dieser Unfallkostenrate durch Fahrunfälle (Alleinunfällen von Radfahrenden) resultiert. • Bushaltestellen am Fahrbahnrand (Bild 3) weisen die niedrigste Unfallkostenrate auf. Bei der Differenzierung des Unfallgeschehens nach der Lage ergeben sich bei diesem Haltestellentyp für die freie Strecke deutlich höhere Unfallkostenraten für Überschreiten-Unfälle als an Knotenpunkten. Bild 2: Mittlere Unfallkostenraten nach Verkehrsmittel, Haltestellenformen und Unfalltyp (nur Unfalltyp 1, 4, 6 und 7) Bild 3: Bushaltestelle am Fahrbahnrand Bild 1: Kaphaltestelle Grafiken und Fotos: Autoren / GDV Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 24 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Verhaltensanalysen Für die Verhaltensanalysen wurden Videobeobachtungen an 41 Teilhaltestellen mit Seitenbahnsteigen in Mittellage, 37 Teilhaltestellen von Kaphaltestellen sowie 24 Teilhaltestellen von Bushaltestellen am „Fahrbahnrand auf der freien Strecke“ durchgeführt. Insgesamt wurden etwa 123.000 Kraftfahrzeuge, 54.000 zu Fuß Gehende im Längs-und Querverkehr sowie 21.000 Radfahrende videotechnisch erfasst und deren Verhalten ausgewertet. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenzufassen: • An allen Beobachtungsstellen queren zu Fuß Gehende auch unabhängig von der Haltestellensituation (also nicht als Fahrgäste). An Kapsowie Bushaltestellen am Fahrbahnrand dominieren Querungen ohne Bezug zur Haltestelle (ca. zwei Drittel aller Querungen). • Der Anteil der Rotlichtmissachtung durch zu Fuß Gehende nimmt an Haltestellen mit Seitenbahnsteigen in Mittellage mit zunehmender Anzahl der zu querenden Fahrstreifen ab (Bild 4), was auch mit den höheren KFZ-Verkehrsstärken bei zunehmender Fahrstreifenanzahl in Zusammenhang steht. Der Vergleich der Rotlichtmissachtungen für unfallbelastete und unfallfreie Haltestellen mit Seitenbahnsteigen ergab hingegen keine wesentlichen Unterschiede (Bild 4). • An Kaphaltestellen für Straßenbahnen sowie Bushaltestellen am Fahrbahnrand auf der freien Strecke ereigneten sich alle zwischen Radfahrenden und zu Fuß Gehenden beobachtete Konflikte an Haltestellen mit Radverkehrsführung im Seitenraum. Dabei fehlten meist separate Warteflächen auf gemeinsamen Geh- und Radwegen oder die Warteflächen waren, z. B. wegen zu geringer Breite des Seitenraumes, unterdimensioniert. • Die Konfliktanalyse von Interaktionen anhand der Geschwindigkeiten der Konfliktparteien und der Konfliktkenngröße PET (Zeitlücken) an Haltestellen mit Seitenbahnsteigen in Mittellage und Bushaltestellen auf der freien Strecke zeigte unter anderem, dass an unfallbelasteten Haltestellen zu Fuß Gehende auch bei kleineren Zeitlücken queren. • Bei mehr als zwei Fahrstreifen je Fahrtrichtung queren die zu Fuß Gehenden trotz der höheren Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge bei kleineren Zeitlücken. • An Kaphaltestellen für Straßenbahnen und an Bushaltestellen am Fahrbahnrand auf der freien Strecke nimmt die Akzeptanz einer Querungshilfe (Lichtsignalanlage wie in Bild 5, Fußgängerüberweg oder Mittelinsel) mit zunehmendem Abstand zur Halteposition ab. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Unfallauffälligkeit konnte dabei nicht festgestellt werden. • Bei zum Bus bzw. zur Straßenbahn laufenden Fahrgästen (Laufeinsteiger) konnte eine höhere Konfliktrate festgestellt werden. Sie verhielten sich z.B. bei Rotlichtverstößen risikofreudiger. An Kaphaltestellen von Straßenbahnen und an Bushaltestellen am Fahrbahnrand ergaben sich erhöhte Anteile an Überschreiten-Unfällen. Dort wurde dieses Verhalten öfter beobachtet. Bild 4: Rotlichtverstöße von zu Fuß Gehenden in Abhängigkeit der Anzahl der Fahrstreifen an Straßenbahnhaltestellen mit Seitenbahnsteig Bild 5: Nutzung von Lichtsignalanlagen in Abhängigkeit von deren Abstand zur Halteposition an Kaphaltestellen von Straßenbahnen Bild 6: Geschwindigkeiten der KFZ an Kaphaltestellen von Straßenbahnen und Bushaltestellen auf der freien Strecke mit und ohne Lichtsignalanlage Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 25 Wissenschaft INFRASTRUKTUR • Bei den Geschwindigkeitsmessungen an Kaphaltestellen sowie Bushaltestellen zeigten sich kaum Unterschiede zwischen den Haltestellentypen. An Haltestellen mit Lichtsignalanlage wurden höhere Geschwindigkeiten ermittelt als an denen ohne Lichtsignalanlage (Bild 6). Zusammenfassung und Empfehlungen Unfälle an Haltestellen sind im Vergleich zum gesamten Unfallgeschehen sehr selten. Im Jahr 2018 repräsentierten polizeilich erfasste Unfälle mit dem Merkmal „Haltestelle“ nur 1,1 % aller Unfälle mit Personenschaden auf deutschen Straßen. Etwa 94 % dieser Unfälle ereigneten sich innerorts. Aus den Ergebnissen der durchgeführten Analysen konnten für jeden Haltestellentyp typische Problemlagen identifiziert und daraus Maßnahmen und Empfehlungen hergeleitet werden, die in Form von Faktenblättern dokumentiert sind (UDV, 2019). Die wesentlichen Empfehlungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Querungshilfen sollten nicht mehr als 20 m von der Halteposition des Busses oder der Straßenbahn entfernt sein (bezogen auf die Position der Fahrzeugfront bzw. des Fahrzeughecks beim Fahrgastwechsel), um eine hohe Akzeptanz zu gewährleisten. Bei einem linienhaften Querungsbedarf sollten linienhafte Maßnahmen zur Sicherung der Querungen vorgesehen werden. • An Bushaltestellen am Fahrbahnrand sollten Radverkehrsanlagen im Seitenraum ausreichend dimensioniert werden, um Konflikte mit zu Fuß Gehenden zu vermeiden. Bei beengten Platzverhältnissen sollte eine Führung im Mischverkehr bevorzugt werden. • An Straßenbahnhaltestellen in Mittellage mit Warteflächen im Seitenraum sind Zeitinseln (Bild 7) als Standardausstattung sinnvoll, um Konflikten und Unfällen (Bild 2) zwischen Kraftfahrzeugen und einbzw. aussteigenden Fahrgästen vorzubeugen. Dabei ist zur Vermeidung von Auffahr- und Fahrunfällen auf die rechtzeitige Erkennbarkeit der Haltestellensituation sowie die rechtzeitige Sichtbarkeit der Signalgeber, insbesondere auch für im Pulk fahrende Kraftfahrzeuge, zu achten. • An Kaphaltestellen für Straßenbahnen ist zur Vermeidung von Stürzen von Radfahrenden beim Überfahren von Gleisen oder Borden eine Führung des Radverkehrs außerhalb des Gleisbereichs anzustreben. Zugleich ist die Führung des Radverkehrs hinsichtlich möglicher Konflikte mit zu Fuß Gehenden oder Fahrgästen sorgfältig zu planen. Eine Anhebung der Radverkehrsführung (angehobene Radfahrbahn) mit Führung des Radverkehrs vor dem Wartebereich kann zielführend sein. Bei der Oberflächengestaltung der Radfahrbahn ist allerdings darauf zu achten, dass keine Vorfahrt von Radfahrenden gegenüber ein- und aussteigenden Fahrgästen suggeriert wird. • Bei Haltestellen mit Seitenbahnsteigen in Mittellage und separaten ÖV-Trassen ist auf eine durchgängige Signalisierung der Querung des besonderen Bahnkörpers zu achten. Darüber hinaus sollten z.B. lange Sperrzeiten für zu Fuß Gehende vor und nach Durchfahrt einer Straßenbahn vermieden werden. • An Straßenbahnhaltestellen in Mittellage mit Seitenbahnsteigen sollte das Parken an nicht signalisierten Querungsstellen unterbunden werden. • Zur Vermeidung von häufig auftretenden Auffahrunfällen bei Busbuchten vor Knotenpunkten mit Lichtsignalanlage kann ein partieller Bussonderfahrstreifen das sichere Ausfahren der Busse aus der Busbucht erleichtern. Dieser kann bei geringen Zahlen rechtsabbiegender Fahrzeuge als Abbiegestreifen genutzt werden. ■ QUELLEN Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), 2007. Baier, R.; Benthaus, D.; Klemps, A.; Schäfer, K.-H.; Maier, R.; Enke, M.; Schüller, H.: „Potenziale zur Verringerung des Unfallgeschehens an Haltestellen des ÖPNV/ ÖPSV“, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit Heft M 190, Bergisch Gladbach, 2007 FGSV 2006. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, FGSV-Nr.: 200, Köln 2006 FGSV 2013. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Empfehlungen für die Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs (EAÖ), FGSV-Nr.: 289, Köln 2013 FGSV 2010. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), FGSV-Nr.: 284, Köln 2010 FGSV 2002. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), FGSV-Nr.: 288, Köln 2002 Unfallforschung der Versicherer (UDV), 2007. Maier, R. et al.: Schlussbericht zum Forschungsprojekt „Sicherheitsgrade von Straßenräumen mit Straßenbahnen“ (nicht veröffentlicht) Unfallforschung der Versicherer (UDV), 2016. Grießbach, A.; Seiler, N.; Brannolte, U.; Plank- Wiedenbeck, U.; Bakaba, J. E.; Ortlepp, J.: Forschungsbericht Nr. 37 „Maßnahmen zur Reduzierung von Straßenbahnunfällen. Berlin, 2016 Unfallforschung der Versicherer (UDV), 2019. Berger, R.; Medicus, M.; Plesker, M Schmotz, M.; Schüller, H.; Bakaba, J. E.: Forschungsbericht Nr. 63 „Verkehrssicherheit an Haltestellen des ÖPNV. Berlin, 2019 Jean Emmanuel Bakaba, Dr.-Ing. Referent Verkehrsinfrastruktur, Unfallforschung der Versicherer, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Berlin e.bakaba@gdv.de Jörg Ortlepp, Dipl.-Ing. Leiter Verkehrsinfrastruktur, Unfallforschung der Versicherer, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Berlin j.ortlepp@gdv.de Bild 7: Straßenbahnhaltestelle mit Zeitinsel Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 26 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Sub-Knoten im transeuropäischen Verkehrsnetz Bedeutung für die Anbindung des Hinterlandes Transeuropäisches Verkehrsnetz, ÖPNV, Erreichbarkeit, Territoriale Kohäsion Den öffentlichen Personennahverkehr in einer Region insgesamt zu stärken und die Erreichbarkeit von Zentralen Orten zu verbessern, ist ein erklärtes Ziel der Regionalplanung. Dabei handelt es sich um Themen wie die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen. Kaum betrachtet wird allerdings die Erreichbarkeit von Zugangspunkten des europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs. Das Interreg-Projekt „SubNodes - Connecting Hinterlands“ hat eine Strategie für Nebenknoten entworfen, die den Blick für die Fläche aus Perspektive der überregionalen Verkehrsplanung schärft. Mathias Wilde B erücksichtigt die Verkehrsplanung die Erreichbarkeit von Hauptknoten des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) aus der Peripherie und damit den Zugang zum schnellen, internationalen Schienenpersonenfernverkehr, fällt dem regionalen ÖPNV eine erweiterte Bedeutung zu. Über die Gewährleistung von Verkehrsdienstleistungen hinaus verweist diese Perspektive auf die Leistungsfähigkeit des ÖPNV in der Region und lenkt den Blick auf Subknoten als Element im Geflecht des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Eine verbesserte Anbindung der Subknoten an einen Hauptknoten des TEN-V wertet einerseits die Region auf, andererseits entfalten die Korridore ihre Wirkung in die Fläche. Wie diese wechselseitige Beziehung für die Raumplanung strategisch gefasst werden können, ist Ziel dieses Beitrages. Transeuropäische Verkehrsnetze Die Europäische Union (EU) hat bereits 1996 die Schaffung hochwertiger Verkehrsinfrastruktur beschlossen. In den Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes von 2013 definiert die EU die Ziele für alle Verkehrsträger und führt unter anderem aus, dass der territoriale Zusammenhalt gestärkt werden soll, und zwar durch „die Anbindung der Verkehrsinfrastrukturen einerseits des Fernverkehrs und andererseits des Regional- und Nahverkehrs.“ [1, S. 8] Eine nahtlose Verbindung zwischen der Infrastruktur des Gesamtnetzes und der Infrastruktur für den Regional- und Nahverkehr soll dieses Ziel erreichen - dafür definiert die EU Städte als Hauptknoten im Verkehrsnetz. Die Bemühungen zum Aufbau des TEN-V konzentrieren sich seither auf die schnellen, internationalen Schienenverkehrswege mit ihren Hauptknoten als zentralen Zugangspunkten. Nachdem der Ausbauzustand vorangeschritten ist, richtet sich der Blick nunmehr verstärkt auf die Fläche und die Bedeutung des TEN-V für das Hinterland. Hierbei stellt sich die Frage, wie die Peripherie - also jene Regionen und Menschen, die nicht unmittelbar im Einzugsbereich eines Hauptknotens liegen - vom hochwertigen Fernverkehr profitieren können. Subknoten - vorgelagerte Zugangspunkte Das Interreg-Projekt „SubNodes - Connecting Hinterlands“ [2] hat eine Strategie für Nebenknoten entworfen, die den Blick für die Fläche aus Perspektive der überregionalen Verkehrsplanung schärft. Die Sub-Nodes-Strategie bedient sich eines gängigen Ansatzes der regionalen Verkehrsplanung und geht von der hierarchischen Gliederung des öffentlichen Verkehrssystems aus, bezieht allerdings konsequent die Anbindung zu einem TEN-V-Hauptzugangsknoten ein. Der Ansatz verweist auf die Bedeutung kleinerer und mittlerer Städte, die, am Rande der TEN-V-Korridore liegend, zu Subknoten in einem erweiterten Einflussbereich von Hauptzugangsknoten weiterentwickelt werden können. Die TEN-V-Leitlinien definieren einen städtischen Knoten als „ein städtisches Gebiet, in dem die Verkehrsinfrastruktur des transeuropäischen Netzes, wie beispielsweise Häfen einschließlich Passagierterminals, Flughäfen, Bahnhöfe, Logistikplattformen und Güterterminals, die innerhalb oder in der Nähe städtischer Gebiete liegen, mit anderen Teilen dieser Infrastruktur und mit der Infrastruktur für den Nah- und Regionalverkehr verbunden ist.“ [1, S. 7] Damit verstehen sich Hauptknoten als direkte Zugangspunkte zum Schienenfernverkehrsnetz. Hauptknoten sind zumeist größere Städte Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 27 Wissenschaft INFRASTRUKTUR entlang der Schienenwege, die regelmäßig im überregionalen Schienenpersonenverkehr bedient werden. Dem folgend, können als Subknoten jene Städte gelten, die sich innerhalb eines erweiterten Einzugsbereich zum Hauptknoten befinden und eine Anbindung der Region an der Hauptknoten mittels hochwertiger Nahverkehrsleistung gewährleisten können. Der Subknoten ist als ein vorgelagerter Zugangspunkt zum TEN-V zu verstehen - in einem idealtypischen Zustand wäre das Geflecht aus Hauptknoten, Subknoten und dem Nahverkehrssystem im Sinne eines „Hub-and-Spoke“-Konzeptes aufzufassen. [vgl. 3] Die Betrachtung von Subknoten erfolgt aus zwei Perspektiven: (a) die Anbindung von Subknoten an die Zugangspunkte der TEN-V-Schiene sowie (b) die Erreichbarkeit des Subknotens aus dessen engerem Einzugsbereich (Bild 1). Verbesserte Anbindung Eine verbesserte Anbindung von Subknoten an das TEN- V dient der Region, und die Korridore entfalten eine Wirkung in die Fläche. Den ÖPNV in einer Region insgesamt zu stärken und die Erreichbarkeit von Zentralen Orten im ÖPNV zu verbessern, ist ein erklärtes Ziel der Raumplanung und hat zunächst auf lokaler Ebene weniger mit der Erreichbarkeit von Zugangspunkten im europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr zu tun. Berücksichtigt die Verkehrsplanung die Erreichbarkeit von Hauptknoten des TEN-V und damit den Zugang zum internationalen Schienenfernverkehr, erhält der ÖPNV eine erweiterte Funktion, der über die Gewährleistung von Verkehrsdienstleistungen für die Bevölkerung hinausgeht. Damit werden Subknoten für die Raumplanung als Elemente im Geflecht des transeuropäischen Verkehrsnetzes greifbar. [4] Kriterien von Subknoten und Abgrenzung von Einzugsgebieten In der Hierarchie der Verkehrsnetze sind Subknoten mehr als regionale Verknüpfungspunkte: Sie ermöglichen den Übergang vom Regionalverkehr aus der Fläche idealerweise zum Schienenpersonenverkehr, der wiederum den Subknoten mit dem Hauptknoten und darüber mit dem Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr verbindet. Die Kriterien, die einen Subknoten auszeichnen, richten sich nach dessen Lage und Vernetzung im regionalen Verkehrssystem sowie dessen Bedeutung für die Region. Folgende Eigenschaften dienen als erste Annäherung zur Bestimmung eines Subknotens (Bild 2): 1. Die Stadt fungiert als ein Zentraler Ort in der Region, ist somit ein regionaler Kern und Anlaufpunkt für die Bevölkerung im Einzugsbereich. 2. Die Stadt verfügt über einen Zugangspunkt zum SPNV, der idealerweise bereits als intermodaler Verknüpfungspunkt ausgebaut ist oder aber zu einem solchen aufgewertet werden kann. 3. Die Verbindungsqualität und die Zuverlässigkeit des ÖPNV sind so ausgestaltet, dass das Angebot sowohl in der Erschließung des Einzugsbereiches als auch in der Verknüpfung zwischen Subknoten und Hauptknoten den Anforderungen einer attraktiven, durchgängigen Reisekette entspricht. Zur Abgrenzung von Subknoten können weitere Kriterien herangezogen werden, wie die Entfernung zum Hauptknoten oder Indikatoren, die sich auf die Eigenschaften des Verkehrssystems und des Knotens an sich beziehen (Bild 2). Bild 1: Zwei Perspektiven: Subknoten-Hub und Subknoten-Fläche Alle Darstellungen: Autor Bild 2: Sub-Knoten - Kriterien und Abgrenzung Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 28 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Die Abgrenzung des Einzugsgebietes kann sich am System der Zentralen Orte oder der administrativen Grenzen orientieren. Sie kann aber auch an einem davon unabhängigen Verflechtungsraum ausgerichtet sein, wie ihn etwa Pendlerverflechtungen aufzeigen. An der sich danach ergebenen funktionalen Subknoten-Raumeinheit richtet sich idealerweise das nachgeordnete Verkehrssystem zur Erschließung der Fläche aus. Überführung in Planungsinstrumente Der hierarchische Planungsansatz und die damit verbundene Abstimmung der Verkehrsdienstleistungen von überregional bedeutsamen Schienenpersonenfernverkehr bis hin zur Flächenerschließung sollte gängige Praxis der Verkehrsentwicklungsplanung sein. Darauf aufbauend, erweitert der Sub-Nodes-Ansatz aus Perspektive der Landesplanung den Blick für die Relevanz nachgeordneter Verkehrsnetze im Zugangsnetz des TEN-V. Allzu oft ist die Abstimmung des regionalen Nahverkehrs mit dem Schienenpersonenfernverkehr auf den Verflechtungsraum des direkten Zugangspunktes beschränkt. In der Fläche stellt sich vermehrt das Problem der Aufrechterhaltung öffentlicher Verkehrsangebote, so dass man sich auf die originären Aufgaben der Nahverkehrsplanung konzentriert. Dieser Dualismus kann überwunden werden, wenn die Knotenentwicklung kleine und mittlere Städte als Subknoten auffasst und sie als vorgelagerte Zugangspunkte aufwertet (vgl. [5]). Umsetzung über die Planungsebenen hinweg Um Raumentwicklung und Verkehrsplanung über die verschiedenen Ebenen zusammenzubringen, beschreiben Perec et al. [6] ein integriertes, kooperatives Vorgehen. Der Ansatz geht davon aus, dass die politischen Ziele auf der jeweils eigenen Planungsebene sich an dem kooperativen Ansatz orientieren. Wesentliche Voraussetzung ist die Durchdringung einer einheitlichen Agenda, welche sich in den jeweiligen Dokumenten zur Regional- und Verkehrsentwicklung wiederfinden (Bild 3). Auch wenn dieser kooperative Planungsansatz zunächst einmal einer verkürzten Darstellung des komplexen Zusammenwirkens der Raumplanung in der EU und auf den Ebenen der Länder wie auch nachgeordneten Gebietskörperschaften gleichkommt, verweist er doch auf die Notwendigkeit, wie über die Ebenen hinweg das Thema der verbesserten Anbindung von Subknoten an den TEN-V in eine Agenda gefasst werden sollte. Damit stellen sich Subknoten in der erweiterten Auffassung der TEN-V-Schiene als kein regionales Thema, das allein von den nachgeordneten Gebietskörperschaften angegangen werden müsste, dar, sondern als ein Baustein in der Realisierung der übergeordneten Ziele wie dem territorialen Zusammenhalt und einer ausgewogeneren Raumentwicklung. [7] Ausblick Die Definition von Subknoten sowie deren verbesserte Anbindung zu den Hauptzugangspunkten des TEN-V erweitern die Einflussbereiche der Korridore in die Peripherie und stärken darüber nicht zuletzt den territorialen Zusammenhalt. Dafür ist es erforderlich, dass die regionale Verkehrsplanung neben ihrer Kernaufgabe, der Sicherung der Daseinsvorsorge, die öffentlichen Verkehrsangebote auch auf die Erschließung des Hauptknotens ausrichtet. Voraussetzung ist, dass der Subknoten als vorgelagerter Zugangspunkt in der Region zum TEN-V verstanden wird. In diesem Sinne ist es erforderlich, öffentliche Verkehrsangebote aufeinander abzustimmen, und zwar zum einen aus dem Erschließungsbereich eines Subknotens, zum anderen zwischen Subknoten und den Hauptknoten des TEN-V. ■ LITERATUR/ ANMERKUNGEN [1] Europäisches Parlament und Rat (Hrsg.) (2013): Verordnung (EU) Nr. 1315/ 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/ 2010/ EU. Amtsblatt der Europäischen Union [2] SubNodes - Connecting the hinterland via sub-nodes to the TEN-T core network, Interreg Central Europe Project, https: / / www.interreg-central.eu/ Content.Node/ subnodes.html [3] Scholl, B.; et al. (2019): Spatial and Transport Development in European Corridors - Example Corridor: Orient/ East-Med, Connecting and Competing in Spaces of European Importance. Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung. (= Position Paper of the ARL) [4] Braun, C.; Perić, A. (2017): Integrated Spatial and Transport Development along European Corridors: A Look through the Lens of Stakeholder Cooperation. In: Schrenk, M., et al. (Hrsg.): Proceedings of 22nd International Conference on Urban Planning, Regional Development and Information Society. Wien. S. 291-299 [5] Lüer, C.; Schürmann, C. (2018): Städtische Knoten im transnationalen Verkehr, Dokumentation des Workshops. Berlin [6] Perić, A. (2016): Integrated Spatial and Transport Development: A Multilevel Perspektive. In: Scholl, B., et al. (Hrsg.): CODE: Athens! Railway and City Development in Athens. Zürich: ETH Zurich. S. 37-47 [7] Grzelakowski, A. (2017): European Added Value of the TEN-T Corridors. Basic Research Needs and Challenges. In: International Journal on Marine Navigation and Safety of Sea Transportation 11, S. 123-128 Mathias Wilde, Prof. Dr. Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Coburg mathias.wilde@hs-coburg.de Bild 3: Einbindung der SubNodes-Strategie in EU Planungsebenen (verändert nach [6, S. 38]) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 29 Im Hafen von Helsinki Peter H. / pixabay Kooperation mit Hanse- Verbünden im Nord-Ostsee- Raum Sicherheitsstrategie für Seehafenhinterlandverkehre durch-Datenumschlag vor Güterumschlag Logistikkooperation, Hanse-Stadt, Seehafenhinterlandverkehr, Nordic Baltic Research Alliance, Hanse Institut für Logistik & Handelsmanagement, Blockchain Internationalisierung und Kooperation zwischen dem Nord-Ostsee-Raum und Zentraleuropa bedeuten gleichzeitig Sicherung derselben. Für externe Schocks anfällige synchromodale Logistikkooperationen können durch etablierte Hanse-Verbünde stabilisiert werden. Mittels blockchainbasierter Datenbanken gelingt Datenumschlag vor Güterumschlag. Handels-, Verkehrs- und Sicherungsaktivitäten, mithin gesamte Wertschöpfungsketten werden durch „dezentrale Zentralisierung“ effizienter und sicherer. Thomas Decker D ie „Blaue Banane“, eine Euro- Region der Sonderklasse mit rund 111 Mio. Einwohnern, ist ein Ballungsraum, dessen Akteure alleine aufgrund ihrer eurozentrierten Lage bereits in hohem Maße miteinander kooperieren können (Bild 1). Dieser Ballungsraum verfügt über überproportional viele zentrale Einrichtungen für Wirtschaft, Wissen, Kapital, Siedlungen, Verkehr und Infrastruktur, inklusive des Rheinischen Reviers und dem Rhein als zentraler Achse. Kooperationsoptionen sind daher überaus vielfältig. Der Raum in Richtung Nord- und Nordosteuropa mit ca. 20 Mio. Einwohnern bietet demgegenüber noch zahlreiche Entwicklungschancen. Der zunehmende Ausbau der Infrastruktur und eine zunehmende Nachfrage nach logistikspezifischen Dienstleistungen erfordern neue Allianzen, die diese Entwicklungen begleiten. Insbesondere bei der Verknüpfung der Transport- und Verkehrssektoren Zentraleuropas mit denen der skandinavischen und baltischen Staaten existiert noch eine Lücke, die es zu schließen gilt (Bild 2). Zunehmende Ziel-, Quell- und Transitverkehre bei allen Verkehrsträgern führen im Nord- und Ostseeraum zu verdichteteren Seehafenhinterlandverkehren, die Ostsee Neue Hanse LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 30 LOGISTIK Neue Hanse gilt inzwischen als EU-Binnenmeer [1]. Darüber hinaus gefährden zunehmende Unsicherheiten internationaler Handelsrouten und Kommunikationskanäle (Logistik-Hub der VR China in Island, 5G/ Huawei usw.) und gleichzeitige Renationalisierungstendenzen (Brexit, Zollschranken etc.) funktionierende Waren- und Informationsaustausche. Diese Entwicklungen legen es daher nahe, den Verbund „Europäische Union“ durch ergänzende Verbünde auf privat-, gesamtwirtschaftlicher sowie transnationaler Ebene zu stärken. Internationalisierung synchromodaler Logistikkooperationen im Nord- Ostsee-Raum durch Hanse-Verbünde Folgende Ansätze zur stärkeren Anbindung des Nord-Ostsee-Raumes an Zentraleuropa befinden sich derzeit im Aufbau: • Integration privater und halbstaatlicher Kooperationen in der Verkehrslogistik mit dem Ziel einer progressiveren Synchromodalisierung, beispielsweise durch die LogCoop GmbH/ Düsseldorf, einer stark wachsenden, inzwischen über 200 Mitglieder starken Kooperation überwiegend mittelständischer Spediteure. • Ergänzung politischer Institutionen durch eine Stärkung historisch gewachsener Handelskooperationen wie z.B. der zunehmend wieder ins Bewusstsein rückenden und teilweise bereits etablierten und anerkannten Hanse-Verbünde. • Unterstützung der Akteure zu beiden vorgenannten Punkten durch evidenzbasierte Forschungsallianzen, z.B. durch „The Nordic Baltic Hanseatic League 2.0“, einer in 2019 initiierten Logistikallianz des Hanse Instituts für Logistik & Handelsmanagement an der RFH University of Applied Sciences Köln. Internationalisierung synchromodaler Logistikkooperationen im Nord-Ostsee-Raum Die Frachtaufkommen steigen auch im Nord-Ostsee-Raum auf allen Verkehrsträgern. Die Verkehrsinfrastrukturen dieser Region Europas haben zwar ihre Limits noch nicht erreicht, eine ähnliche Entwicklung wie im Einzugsgebiet der „Blauen Banane“ ist jedoch absehbar [2]. Bestehende Transportketten sind daher stärker zu vernetzen und flexibler zu gestalten. Dies setzt neuartige Software- und Datenbankstrukturen voraus, die alle Teilhaber des Systems gleichberechtigt und diskriminierungsfrei auf alle Informationen zugreifen lässt. Dazu bedarf es in der Transportbranche neuer Kooperationsmodelle, die ggf. sogar- eine offene Kommunikation von Preisen unter den Transportdienstleistern einfordert. Zwar sind die „goldenen Zeiten“ gebundener Frachttarife seit mehr als einem Vierteljahrhundert vorbei und der Preisdruck anhaltend hoch. Transportkooperationen versprechen jedoch einen Turnaround, da es ihren Kooperativen gelingen könnte, notwendig höhere Frachtpreise auf Verlader und Endverbraucher überzuwälzen. Zudem existieren innerhalb der Transportketten unverändert und teilweise verständliche Ressentiments der Beteiligten untereinander. Das Problem des „Cherry Pickings“ innerhalb der Supply Chains ist allen Spediteuren bekannt und dessen Eindämmung ein unausgesprochenes Ziel in der Konkurrenz um rentable Touren. Die Eindämmung könnte gelingen, und zwar durch Kooperationsmodelle auf Basis blockchaingebundener und diskriminierungsfreier Datenbanken, dies zum Wohle aller Kooperativen. Entsprechende Beispiele gibt es inzwischen, so z.B. im Bereich der Agrogüter-Nährstofflogistik, in dem halbstaatliche Landwirtschaftskammern die Logistikrouten teilweise bereits mitbestimmen [3]. Kooperationen dieser Coleur benötigen einen unabhängigen und neutralen Systemkopf, wie z.B. die LogCoop GmbH/ Düsseldorf, die im Auftrag ihrer Mitglieder bereits entsprechende Dienste anbieten. Eine diskriminierungsfreie Datenbank bedeutet jedenfalls, dass alle verfügbaren Informationen und vor allem Preise jedem Systemmitglied vorliegen. Hier macht es keinen Unterschied, ob das Systemmitglied Fuhrunternehmer, Rail- oder Bargeoperator oder ggf. sogar Verlader wäre. Alle Systemmitglieder kommunizieren offen über London Amsterdam Rotterdam Paris Frankfurt/ M. Stuttgart Düsseldorf Zürich Mailand Genua Madrid Barcelona Marseille Rom München Wien Budapest Hamburg Bremen Leipzig Berlin Warschau Prag Kopenhagen Stockholm Riga Helsinki Bild 1: Die „Blaue Banane“ nach Roger Brunet (1989) ist eine bandförmige europäische Megaregion zwischen Irischer See und Mittelmeer. Eigene Bearbeitung Bild 2: Die Prozesse der Globalisierung haben in den vergangenen Jahrzehnten zur Erweiterung der Verdichtungsgebiete geführt, die Ostsee gilt inzwischen als EU-Binnenmeer [1]. Grafik: C. Ziegler / Trialog Publishers Neue Hanse LOGISTIK ihre operativen Transaktionen und tauschen Frachten nach ihren Fähigkeiten. Jedem Systemmitglied wird für seine Dienstleistung eine angemessene, tarifähnliche Marge vergütet. Internationale und regionale Hanse- Verbünde am Beispiel der Neusser Hanse Seit rund drei Dekaden nimmt die Zahl Hanse-affiner Verbünde zu, etwa der sog. Hanse-Städtebund, das Hanse-Parlament oder auch diverse Hanse-Gesellschaften, die bislang aber zumeist lediglich das historische Erbe der Hanse pflegen. Die Stadt Neuss besaß z.B. seit 1475 das Hanseprivileg, verliehen durch Kaiser Friedrich III. Der Handel zwischen Neuss und den Niederlanden blühte umgehend auf. Selbst nach Skandinavien und in den Ostseeraum reichten die Neusser Handelsbeziehungen. Heute sind die Neuss-Düsseldorfer Häfen mit einem Güterumschlag von rund 16 Millionen Tonnen der drittgrößte Binnenhafen Deutschlands. Um die Vorteile dieser traditionsreichen Hanse-Netzwerke auch in Zukunft nutzen und ausbauen zu können, ist es allerdings notwendig, diese um angewandt forschende Hochschulnetzwerke und im weiteren Verlauf um projektspezifische Plattformen zwischen Deutschland und den skandinavischen Ländern des Nord-und Ostseeraumes zu erweitern. Dass derartige Hanse-Kooperationen, wenn auch zunächst nur im nationalen bzw. regionalen Rahmen, positive Verkehrsverlagerungseffekte erzeugen können, zeigen einschlägige Projekte [4]. Hanse Institut für Logistik & Handelsmanagement an der RFH University of Applied Sciences / Köln Die zwei zuvor thematisierten Lücken werden künftig reduziert durch die bereits initiierte Logistikallianz „The Nordic Baltic Hanseatic League 2.0: Alliance for Sustainable Logistics & Trade Solutions“. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Digitalisierung, Ökologisierung und Sicherung der internationalen Handelsrouten und -netzwerke aller Anrainerstaaten im Nord- und Ostseeraum mit dem Ziel, diese stärker an den zentraleuropäischen Raum anzubinden. Einschlägige Forschungspartner etwa sind: 1. Die Stadt Riga und die Riga Technical University (RTU) 2. Die Stadt Danzig und die Technische Hochschule Danzig (GUT) 3. Die Stadt Danzig und die Universität Danzig 4. Die Stadt Bergen und die Hochschule Bergen (HiB) 5. Die Stadt Hafnarfjördur und die University of Iceland 6. Die Stadt Turku und die Turku AMK University of Applied Sciences 7. Die Stadt Kalmar und die Linnaeus University 8. Die Stadt Venlo und die Fontys Hogeschool Techniek en Logistiek Fazit Internationalisierung und Kooperation zwischen dem Nord-Ostsee-Raum und Zentraleuropa bedeuten gleichzeitig Sicherung derselben. Synchromodale Logistikkooperationen sind allerdings anfällig für exogene Schocks. Etablierte Hanse-Verbünde können dem entgegen wirken durch diskriminierungsfreie Blockchain-Datenbanken und durch neue Forschungsallianzen wie der „Nordic Baltic Hanseatic League 2.0“. Handel, Verkehr und Sicherheit bzw. Sicherung werden für den gesamten Nord-Ostsee- Raum insoweit aus der aktuell globalisierten Einbindung „eine Ebene tiefer“ gesetzt. Diese neue „Dezentrale Vernetzung“ bietet ihren Partnern jenseits der EU die Chance, Datenumschlag noch vor dem Güterumschlag zu realisieren. Die IT-affinen baltischen Staaten des Nord-Ostsee-Raumes bieten dafür beste Voraussetzungen: Mithin eine aussichtsreiche Perspektive, um Verkehrssteuerung und Wertschöpfung wieder dezentraler und damit sicherer zu machen. ■ QUELLEN [1] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (2007): Entwicklung des Seetransportes im Baltischen Raum. www.bund.net/ fileadmin/ user_upload_bund/ publikationen/ mobilitaet/ mobilitaet_seetransporte_baltischer_raum.pdf; Abruf: 20.01.2020 [2] Buss, K.-P. (2018): Branchenanalyse Hafenwirtschaft - Entwicklungslinien des Hafenwettbewerbs und Herausforderungen der öffentlichen Akteure, Hans-Böckler-Stiftung. www.boeckler.de/ pdf/ p_study_hbs_402.pdf (Abruf: 20.01.2020) [3] Decker, T. (2014): Transport von Agrogütern mit Binnenschiffen zur Versorgung von Biomassekraftwerken, Ergebnisbericht zum EURE- GIO-Forschungsprojekt HARRM Neusser Schriften, 1. Jg., (1) 2014 [4] Decker, T.; Kostosz, R. (2016): Untersuchung der Seehafenhinterlandanbindungen entlang einer West-Ost-Schiene zwischen Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt / Brandenburg / Berlin, 20 S., Neusser Schriften, 3. Jg., (1) 2016 Thomas Decker, Prof. Dr. Leiter Hanse Institut für Logistik & Handelsmanagement, Professur für Transport- und Verkehrslogistik, Rheinische Fachhochschule Köln gGmbH, Standort Neuss thomas.decker@rfh-neuss.eu IDEEN FÜR DIE STADT VON MORGEN www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. 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DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Gesund und sicher leben in der Stadt Gesund und sicher leben in der Stadt TranCit drittel hoch.indd 1 31.01.2019 08: 52: 27 Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 32 Innovationen auf der letzten Meile Autonome Fahrzeuge, Blockchain-Technologie, E-Commerce, Lieferdrohnen, Online-Plattformen, Unbemannte Luftfahrzeuge Der chinesische Kunde gilt als recht anspruchsvoll. Daher müssen sich die Online-Händler und -Plattformen auf der letzten Meile einiges einfallen lassen. Entscheidende Innnovationen werden hier überwiegend durch die Internet-Giganten Alibaba und JD.com entwickelt. Dirk Ruppik D as Land der Mitte zählt mehr Internet-Nutzer als jedes andere Land der Erde. Laut Statista nutzten Ende 2018 rund 828,5 Millionen Chinesen das Internet, was sich auch in der großen Verbreitung von Apps niederschlägt. Der Umsatz im E-Commerce betrug 2019 768,4 Mio. EUR. Für 2020 werden 887,4 Mio. EUR erwartet. Laut Prognose wird im Jahr 2024 ein Marktvolumen von 1.159,8 Mio. EUR erreicht. Dies entspricht einem jährlichen Umsatzwachstum von 6,9 % (kumulierte jährliche Wachstumsrate 2020 bis 2024). Gemäß Rakuten-Report „The State of e-Commerce in Asia-Pacific“ (2018) kaufen die meisten jungen Chinesen über ihr Handy ein. Bei den 18bis 24-Jährigen kaufen 98 % mobil ein. Selbst bei den 45bis 54-Jährigen sind es noch 87 %. Lediglich Käufer über 55- Jahren ziehen beim Online-Shopping den PC oder Laptop einem mobilen Gerät vor. Chinesen wollen Convenience Die Schlacht um Marktanteile und Verkäufe wird im Online-Handel auch besonders im Bereich Convenience ausgetragen. Die Käufer wollen möglichst eine Eilzustellung am selben Tag oder zumindest ihr Zeitfenster für die Zustellung selbst wählen. In China werden 70 % aller Pakete am selben Tag ausgeliefert. Da der chinesische Kunde sehr fordernd ist, müssen sich die Online-Händler und -Plattformen auf der letzten Meile einiges einfallen lassen. Entscheidende Innnovationen werden hier überwiegend durch die Internet-Giganten Alibaba und JD.com sowie durch Logistics Solutions Providers entwickelt. Der starke Wettbewerb hat ausgeklügelte und bereits weltweit führende Logistiklösungen hervorgebracht. Online-Offline-Retail-Lösung Sowoh Alibaba als auch JD.com betreiben Offline-Supermarktketten (Hema und 7Fresh), die sie in den letzten Jahren stark ausgebaut haben. Seit 2015 hat Alibaba 150 Hema-Supermärkte in 21 Städten eröffnet, 88 davon allein im Jahr 2018. Bis 2023 will JD.com 1.000 7Fresh-Märkte eröffnen. Beide Supermarktketten fungieren zudem als Fulfillment- und Verteilungs-Zentrum für Online-Bestellungen (überwiegend Lebensmittel) der Kunden. Entscheidend für das ganze Geschäftsmodell ist die jeweilige App, die die Daten der Käufer sammelt und u. a. speziell zugeschnittene Produktvorschläge auf Basis der jeweiligen Kaufhistorie unterbreitet. Für das Tracking der Ware bzw. für den Nachweis der Herkunft wird Blockchain-Technologie genutzt. Cainiao und die letzte Meile Alibaba ist Mehrheitsteilhaber beim Logistik-Netzwerk Cainiao, das 2013 ins Leben gerufen wurde. Generell handelt es sich um eine Zusammenarbeit von Logistikern, die im Bereich Lagerhaltung, Transport bzw. Auslieferung auf der Letzten Meile zusam- Bild 1: Jungfernflug einer JD.com-Lieferdrohne im chinesischen Suqian am 9. November 2016 LOGISTIK China Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 33 China LOGISTIK menarbeiten. Herzstücke sind eine Datenaustausch-Plattform und die über zwei Millionen Auslieferungsfahrer im Netzwerk, die von Firmen wie SF, ZTO and YTO gestellt werden. Der Geschäftsführer der Alibaba Group und Vorsitzende von Cainiaos Smart Logistics Network, Daniel Zhang, sagte laut Retail Technology Innovation Hub: „Nur durch den Aufbau einer digitalen Logistik-Infrastruktur können wir die Industrie voranbringen. Wir werden zusammen mit Partnerunternehmen alle Lagerhäuser, Ausrüstungen, Transportfahrzeuge und Handheld-Geräte der Kommissionierer in das digitale Netzwerk integrieren.“ Über die Internet of Things (IoT)-Plattform können Partnerfirmen und Entwickler Daten austauschen und Kommunikationsprotokolle einführen. Innerhalb von drei Jahren sollen 100 Mio. Smart Devices verbunden werden. Es ist ebenso geplant, das Netzwerk der Pick Up-Stationen von Cainiao Post auf 100.000 Standorte zu erweitern, um die Kosten auf der letzten Meile zu senken. Momentan wird jedes zehnte Paket von Alibabas Taobao und Tmall von Cainiao Post gehandelt. Das Ziel des chinesischen Internetgiganten ist, alle inländischen Paket innerhalb von 24 Stunden und alle internationalen Pakete innerhalb von 72 Stunden zuzustellen. Das Netzwerk nutzt Big Data-Solutions und Künstliche Intelligenz, um Sales und Parcel Forecasting sowie eine intelligente Tourenplanung für 99 % aller Pakete zu gewährleisten. Das Land der Mitte besitzt die höchste Verbreitung von Abholstationen in der Welt (z. B. in Büros, Apartment-Blocks, Universitäten). Die Kurierfirmen SF Express und STO Express betreiben u. a. ein durch andere Firmen offen nutzbares System. Cainiao will zudem eine Milliarde zusätzliche Versendungen pro Jahr durch seine Courier-App „Cainiao Guoguo“ generieren. Durch die intelligente Bereitstellung von Ressourcen mittels Big Data-Analyse werden Pakete durchschnittlich innerhalb einer Stunde abgeholt. Drohnenlieferung in ländlichen Gebieten JD.com hat sich im November 2018 die erste chinesische Lizenz für den Betrieb von Drohnen in der Logistik in ländlichen Gebieten gesichert. Die unbemannten Luftfahrzeuge werden zunächst in Shaanxi, Jiangsu, Hainan, Qinghai, Guangdong, Fujian und Guangxi eingesetzt. Die ländlichen Gebiete sind oft sehr schwer zu erreichen, daher steigert hier der Einsatz von Drohnen die Effizienz enorm. Verwendet werden unterschiedliche Drohnenmodelle mit verschiedenen Nutzlasten. Bis 2020 soll der Online-Handel in den ländlichen Gebieten Chinas auf 296 Mr. USD mit 10 bis 13 Mrd. Paketen steigen. Die E-Commerce-Giganten haben die ruralen Gebiete Chinas ins Visier genommen, da hier noch große Wachstumspotenziale bestehen. Alibabas Taobao und Pinduoduo sind auf dem Land extrem populär. Folgerichtig hat Alibaba eine rurale Initiative mit dem Namen „Rural Taobao“ entwickelt, die sich nach Presseberichten etwa der Hongkonger South China Morning Post (SCMP) oder der halbstaatlichen Webseite alizila.com bis 2021 auf 1.000 Landkreise und 150.000 Dörfer erstrecken soll. Cainiao ist u. a. eine Partnerschaft mit der Beihang Unmanned Aircraft System (Ableger der Universität Beihang) eingegangen, um die bisher weltweit größte Lieferdrohne zu entwickeln. Sie soll eine Nutzlast bis zu einer metrischen Tonne besitzen und ununterbrochene Flüge von bis zu 1.500 km durchführen können. Nutzung fahrerloser Fahrzeuge Während des Coronavirus-Ausbruchs sind autonome Lieferroboter bzw. -fahrzeuge in China aufgrund der Angst vor Ansteckung zu ganz neuen Ehren gekommen. Die Online-Shopping-Plattform für lokale Produkte Meituan Dianping hatte schon im Januar „kontaktlose Lieferung“ mit autonomen Lieferfahrzeugen im Shunyi-Distrikt in Beijing eingeführt. Das Fahrzeug kann 100 kg pro Trip transportieren und rund fünf Bestellungen pro Tour abarbeiten. JD.com nutzte u. a. auch autonome Fahrzeuge für die Lieferung auf der letzten Meile für Krankenhäuser in Wuhan. Der Einsatz dieser Fahrzeuge ist gemäß SCMP auch durch den Fall eines erkrankten Kurierfahrers in Shenzhen sehr populär geworden. Bereits Mitte Mai letzten Jahres hat das chinesische Start-Up Neolix laut Bloomberg mit der weltweit ersten Massenproduktion autonomer Lieferfahrzeuge begonnen. Kunden sind Unternehmen wie JD.com und Huawei. Die Lieferroboter können autonom auf Fuß- und Feldwegen fahren. Auch Alibaba hat schon Mitte 2018 den Lieferroboter „Cainiao G Plus“ auf einer Konferenz vorgestellt. Momentan wird er im intelligenten Logistikpark „Cainiao Chengdu Future Park“ eingesetzt und transportiert dort Pakete zwischen einzelnen Zentren. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 2: Erster behördlich zugelassener Flug durch JD.com in Indonesien Weiterführende Links https: / / global.rakuten.com https: / / global.cainiao.com https: / / retailtechinnovationhub.com Rural Taobao: www.chinadaily.com.cn/ china/ 2017-12/ 03/ content_35179379.htm www.alizila.com/ rural-taobao-to-expand-toa-thousand-counties www.scmp.com/ search/ Rural%20Taobao Fahrerlose Zustellung: Meituan Dianping: www.youtube.com/ watch? v=5wxgQVjDviQ Neolix: http: / / www.neolix.ai Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 34 LOGISTIK Digitalisierung Technologie effektiv für sich nutzen Güterverteilung mit Softwarelösung steuern und Einsparungen generieren Intralogistik, Modernisierung, Automatisierung, digitale Lösung, Mensch und Maschine Immer auf dem aktuellen Stand - das sollte die Devise von Unternehmen aus der Logistikbranche sein. Neue ökonomische Entwicklungen bestimmen den Alltag in den Betrieben aus diesem Bereich - und die Konkurrenz schläft nicht. Das erfordert stetige Verbesserung der eigenen Abläufe, da ansonsten droht, den Anschluss zu verlieren. Am Ende des Tages lautet das Ziel, eine möglichst schnelle und qualitativ hochwertige Prozessabwicklung zu installieren. Energie- und Kostenaufwand gilt es dabei im Auge zu behalten. Intelligente Softwarelösungen schaffen Abhilfe und eröffnen Verbesserungsmöglichkeiten. Rainer Schulz Z eit, Qualität, Flexibilität und Kosten - wichtige Erfolgsfaktoren in der Intralogistik. Neue digitale Möglichkeiten sorgen dafür, dass immer mehr Raum für Optimierungen entsteht. Bereits funktionierende Systeme erhöhen mit Hilfe von innovativer Technologie ihre Leistungsfähigkeit. Ganze Wertschöpfungsketten profitieren heute von Digitalisierung und Automatisierung, da dadurch schnell Marktvorteile entstehen. In Zeiten der Globalisierung und von weltweitem Wettbewerb vergrößert sich zudem der Markt für Güterverteilung fortschreitend. Dazu parallel verlaufend verändert sich das Konsumverhalten der Kunden: Insbesondere E-Commerce steigert das Volumen und führt zu einer erheblichen Erhöhung des Warenein- und -ausgangs. Hinzu kommen Schwierigkeiten wie schlüssiges Retourenmanagement und erhöhte Produktvielfalt, die die Situation in der Branche charakterisieren. Als größte Herausforderung zur effektiven Bewältigung der vorliegenden Lage sehen Unternehmen aus der Logistik neben dem Bereich Energieversorgung die Digitalisierung.[1] Dabei bietet sie viele Vorteile: Beschleunigung von Abläufen, langfristige Kostensenkung und Verminderung der Fehleranfälligkeit gehören zu den Beispielen. Mit Blick auf die Liste wird schnell klar, dass sich mit der digitalen Transformation große Chancen auftun - und dass sie direkt die vier Säulen Zeit, Qualität, Flexibilität und Kosten tangiert. Ein Blick ins Lager Mit der im Betrieb umgesetzten Ablaufzahl steigt auch das Potenzial für mögliche Verbesserungen. Schon kleine Optimierungen legen deswegen den Grundstein für die Entwicklung effizienterer Lagerungs- und Distributionsstrategien und ermöglichen bereits große Ergebnisse. Bei der Gestaltung baut die Branche auf den in der Vergangenheit gemachten Schritten auf - und fängt daher nicht bei null an. Auf dem Weg zum digitalen Lager setzen Unternehmen zum Beispiel auf Warehouse Management Systeme, Sensortechnologien oder elektronische Frachtbegleitdokumente. [1] Um das Ziel der gesteigerten Effizienz zu erreichen und von der eingesetzten Technologie zu profitieren, bedarf es einer intelligenten Vernetzung von Mensch und Maschine. Die jeweilige Aus- Bild 1: Materialflussrechner mit grafischer Darstellung Quelle: sysmat GmbH Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 35 Digitalisierung LOGISTIK gangssituation bestimmt dann darüber, ob die unterschiedlichen Abläufe vollautomatisch, halbautomatisch oder vollständig manuell ablaufen. Zu den möglichen Faktoren zählen etwa Güterbeschaffenheit oder reale beziehungsweise angestrebte Umsatzleistung. Am Ende soll eine effiziente Mischung stehen aus komprimierter Lagerdauer, kurzen Wegen und minimalen Kommissionierzeiten. Allerdings bestehen noch Zweifel, ob die Logistik schon bereit ist für den umfänglichen Wandel. Nur knapp ein Drittel der Unternehmen sieht die Branche auf dem notwendigen Stand. Dagegen schätzt die doppelte Anzahl ihren eigenen Betrieb als up to date ein. [2] Doch welche Umstände sorgen dafür, dass die Situation so aussieht? Abschreckung noch groß Zu den größten Nachteilen, die Unternehmen mit dem Einsatz von digitalen Anwendungen verbinden, gehören Sicherheitsrisiken. Jeder zweite Betrieb hat beispielsweise Angst vor Diebstahl von Geschäftsdaten. Außerdem werden hohe Kosten für Datenschutz und die allgemeine Investition in die Digitalisierung des Unternehmens als echtes Manko gesehen. Auch der Gedanke an den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen zählt zu den Argumenten, die für viele Unternehmen gegen etwaige Lösungen sprechen. [3] Bei diesen Punkten überwiegen bei Entscheidern schnell die vermeintlich negativen Aspekte - gewinnbringender Output fällt schnell hinten über. Dabei ebnet eine koordinierte Kooperation von Mensch und Maschine den Weg für neue Möglichkeiten und trägt zur individuellen Zielerreichung bei. Ein eventuelles Szenario wäre, dass ein Softwaresystem Vorgänge im Lager analysiert und Aufgaben sowie deren Orte den jeweiligen Parteien zuordnet. Machen sich Unternehmen die technischen Gegebenheiten zunutze, zeigt sich darüber hinaus schnell, dass Bedenken wegen der Kosten unangebracht sind. Durch optimierte Prozesse lassen sich neben Zeitgewinnen vor allem monetäre Einsparungen generieren. Betriebe machen Fehler ausfindig und beheben diese - so wie es ohne die Unterstützung einer Software nicht realisierbar gewesen wäre. Grafische Materialflussrechner (siehe Bild 1) stellen hier eine Option dar, indem sie zum Beispiel in automatischen Kleinteillagern die Abläufe steuern. Um besonders effizient zu agieren, besteht die große Herausforderung darin, eine Balance zwischen Automatik und manuellem Betrieb zu ermitteln beziehungsweise zu etablieren. Vorsicht ist geboten Entscheiden sich Unternehmen dafür, ihre bestehende Lösung im Lager zu erweitern beziehungsweise zu modernisieren, sollten sie ihr Vorhaben nicht überstürzen. Beispielsweise beliefern Betriebe aus dem Lager auch ihre eigene Produktion - deswegen muss es während der gesamten Umgestaltung gefüllt bleiben. Läuft die Umstellung auf die neue Software nicht reibungslos und wurde der „Point of no Return“ erreicht, funktioniert ein Zurückstellen auf die alten Systeme nicht mehr. Treten im Zuge der Modernisierung also Probleme auf, die sich nicht effektiv lösen lassen, müssen Unternehmen die Produktion stoppen. Das wiederum kann die Existenz des Betriebs bedrohen. Eine solche Umsetzung darf deswegen kein Forschungsprojekt sein. Auf Modernisierung beziehungsweise Automatisierung ausgerichtete Spezialisten realisieren eine Umstellung dagegen zielgerichtet. Dabei spielt die Testphase die entscheidende Rolle. Diese dauert vielleicht mal etwas länger, aber garantiert dafür auch die letztliche vollumfängliche Funktionsfähigkeit. Insbesondere wenn sich die Ware für die Produktionsversorgung in dem entsprechenden Lager befindet, hängen alle Prozesse von der schlüssigen Umsetzung ab. Aus diesem Grund sollte die wichtige Testphase Bestandteil jeder Modernisierung sein. Hürden überspringen Komplexität und Zeitdruck gehören zu den größten Schwierigkeiten auf dem Weg zu einem optimierten Lager mit effektivem System. Wenn dann bereits eine Vielzahl von Anlagen unterschiedlicher Hersteller zum Einsatz kommt, erhöht sich der Umfang eines solchen Projektes. Zu den wichtigsten Eigenschaften einer Softwarelösung für die Intralogistik zählen flexible Schnittstellen. Damit lassen sich autarke Maschinen verschiedener Hersteller zu einem Gesamtsystem verbinden und Insellösungen abschaffen. Bei der Einführung kommt es besonders auf Fachkompetenz an. Sollen beispielsweise Ein- und Auslagerungsprozesse über eine neue Software gesteuert werden, gilt es jeden Schritt in diesem Zusammenhang vielfach zu wiederholen. Zur Risikominimierung bietet es sich an, dass die Altsysteme bis zur endgültigen Freigabe der neuen Lösung weiterhin eingesetzt werden können. Denn wie bereits oben erwähnt: Passt bei der Umstellung nicht alles, kann eine solche Veränderung durchaus existenzbedrohend für Unternehmen sein. Läuft aber alles reibungslos, gehen viele Vorteile aus einem solchen Projekt hervor. Der Faktor Mensch bleibt dabei dennoch unersetzlich. Ihn zeichnen Eigenschaften wie Flexibilität, Wahrnehmung und vorausschauendes Handeln aus. Automatisierung beispielsweise unterstützt den Menschen und steigert zudem seinen Wertschöpfungsfaktor. Beim Erreichen dieses neuen Niveaus intralogistischer Vernetzung durch Softwarelösungen entsteht zusätzlich ein positiver Nebeneffekt. Denn ökonomische bedingt immer auch ökologische Effizienz. Stößt die Logistikbranche wirtschaftlich sinnvolle Entwicklungen an, verändern sich Transportwege auch nachhaltig oft in positiver Weise. Informationshunger stillen In digitalen Zeiten verlangen Kunden nicht nur schnelle Lieferung, sondern erwarten auch immer, den aktuellen Stand der Sendung abrufen zu können. Um dies zu gewährleisten, muss der Materialfluss entlang der gesamten Supply Chain transparent sein. Neben den Verbrauchern profitieren auch die Unternehmen von dieser Durchsichtigkeit. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Versandbetrieb optimieren und nicht angekommene Waren zum Beispiel verfolgen Verantwortliche einfach nach. Damit dies gelingt, müssen Entscheider schon im eigenen Lager alle Prozesse einsehen und gegebenenfalls anpassen. Kommt es bereits intern zu Komplikationen und laufen Prozesse nicht flüssig ab beziehungsweise lässt sich der Aufenthaltsort der Ware nicht abrufen, verliert die Gesamtverfolgung an Präzision. Heutzutage entscheiden Nuancen darüber, ob Kunden zur Konkurrenz abwandern oder nicht - erfüllen Betriebe die vorgegebenen Anforderungen etwa nur eingeschränkt, trifft dies häufig auf Unverständnis beim Auftraggeber. Der Ursprung von möglichem Erfolg befindet sich also bereits im eigenen Lager. In der Intralogistik liegt demnach eine große Chance zum Erreichen eines Marktvorteils. Verschiedene Unternehmen haben dies inzwischen erkannt. Sie sehen die Steigerung von Service- und Produktqualität sowie die Erhöhung der Kundenzufriedenheit als wichtigste Vorteile im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Diese Punkte bewegen sich sogar auf einem Level mit der angestrebten Vereinfachung der eigenen Prozesse. [3] ■ QUELLEN [1] Digitalisierung der Logistik, bitkom, 2019 [2] Markenführung in der Logistik, Get to the Point (GtP), 2019 [3] Digitalisierungsindex Mittelstand 2019/ 2020, techconsult & Deutsche Telekom AG, 2019 Rainer Schulz Geschäftsführer der sysmat GmbH, Mainhausen info@sysmat.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 36 MOBILITÄT Luftverkehr Luftverkehr in und nach der Coronakrise Zu den Auswirkungen der weltweiten Reisebeschränkungen auf die europäische Airline-Industrie Coronakrise, Luftverkehr, Europäische Airline-Industrie, Konsolidierung, Luftverkehrspolitik, Verstaatlichung, Rettungsaktionen, Resilienz Das Coronavirus hat die gesamte Airline-Industrie in eine Krise gestürzt, die alles übertrifft, was sie in den vergangenen 30 Jahren wegen Golfkrieg, 9/ 11, Vulkanausbrüchen, Finanzkrise und auch regionaler Epidemien durchzustehen hatte. Die Krise trifft die Industrie in einer Phase, in der die Kapazitäten im Markt ohnehin übersetzt und eine weitere Konsolidierung überfällig war. Die aktuelle Krise könnte die Konsolidierung beschleunigen, birgt aber auch die Gefahr, dass durch Rückbesinnung auf nationale Luftverkehrsinteressen die Früchte der Liberalisierung und Integration des europäischen Luftverkehrsmarktes in Gefahr geraten. Christoph Brützel L etzte IATA-Meldungen vom 14.04.2020 rechnen gegenüber 2019 Umsatzeinbußen von 314 Mrd. USD hoch, davon allein 89 Mrd. USD in Europa (Tabelle 1). 1 Diese Berechnungen gehen davon aus, dass die internationalen Reisebeschränkungen für drei Monate aufrechterhalten werden und dass sich im Nachgang nur allmählich erholen, so dass auch im 4. Quartal 2020 nur die Hälfte der abgebauten Kapazitäten wieder im Markt sein werden. Von den Umsatzeinbußen dürften, grob gerechnet, nach Abzug der Passagier- und flugabhängigen (variablen) Kosten und Maßnahmen zur Personalkostensenkung je nach Geschäftsmodell nahezu 50 % auf das Ergebnis durchschlagen. Der Rest verteilt sich als Umsatzeinbußen auf die Lieferanten, wie Treibstoffverkäufer, Flughäfen, Flugsicherung, Bodendienstleister etc. und auf Lohneinbußen der Mitarbeiter. Setzt man somit den erwarteten Verlust für 2020 bei 45-Mrd.-USD an, so wären damit alle in den letzten zehn Jahren erwirtschafteten Gewinne aufgezehrt (Bild 1). Die Krise überleben - wie und wer? Bereits in den vergangenen Jahren ist die Industrie durch einen Konsolidierungstrend gekennzeichnet. Allein im Jahr 2019 mussten 20 europäische Airlines den Betrieb einstellen, unter ihnen so bekannte Marken wie Germania, Flybmi, Wow Air, Thomas Cook, Aigle Azur und Adria Airways, aber auch Nischen-Player, wie Small Planet und Private Air und kleine Regionalflieger, wie Skywork. Die Krise wird die Spreu noch deutlicher vom Weizen trennen. Bereits der Hauch der Corona-Krise blies Air Italy und Flybe das Leben aus und Condor, die geglaubt hatte, sich unter die Fittiche der staatlichen polnischen Lot-Obergesellschaft gerettet zu haben, muss nun erneut um Staatshilfen verhandeln, um die Krise zu überleben. Besonders hart betroffen sind die Fluggesellschaften, die mangels Eigenkapital und Kreditwürdigkeit ihre Flotten geleast haben und daher jeden Monat die fälligen Raten zahlen müssen, auch wenn die Flugzeuge am Boden stehen. Für eine mehr oder weniger neue Boeing 737 oder A320 fallen je nach Ausstattung täglich 10.000 EUR an, für eine A320 Neo deutlich mehr. Wenn in der gegenwärtigen Krise diese Raten für Neugeschäfte auch schlagartig in den Boden sinken, so hilft dies denjenigen nicht, die ihre Verträge noch zu Zeiten geschlossen haben, als der Markt noch ausgewogen war. Da erweist es sich inzwischen als Glücksfall für die Airline-Industrie, wenn die bestellten Boeing 737 Max nicht auf dem eigenen Hof, sondern auf dem von Boeing stehen. Unter diesem Aspekt gehört TUI zu den Profiteuren, sie muss aber auch so schon für den Großteil ihrer Flotte Leasingraten zahlen, wobei die Airlines in der Gruppe nur einen Bruchteil der Gesamterlöse und Ausgaben verursachen. Unter den europäischen Netz-Carriern ist der Lufthansa-Konzern, der seine Flugzeuge fast durchgängig im Eigentum hat, am besten aufgestellt (Bild 2). Während auch Turkish Airlines den weitaus größten Teil ihrer Flugzeuge auf der eigenen Bilanz als Vermögensbestandteil ausweist, ist bei der IAG und der Air France-KLM-Gruppe der Anteil der Leasing-Flotte bereits deutlich höher. Region (Verkehrsursprung) Passagierkilometer Veränderung 2020 vs. 2019 (Mrd.) Erlöse Passagierverkehr Veränderung 2020 vs. 2019 (Mrd. USD) Asien-Pazifik - 50 % - 113 Nordamerika - 36 % - 64 Europa - 55 % - 89 Mittlerer Osten - 51 % - 24 Afrika - 51 % - 6 Lateinamerika - 49 % - 18 Gesamt - 48 % -314 Tabelle 1: Hochgerechte Umsatzeinbußen gegenüber dem Vorjahr (Quelle: IATA) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 37 Luftverkehr MOBILITÄT Die beiden großen Low-Cost-Airlines, Ryanair und Easyjet, haben nur einen geringen Teil ihrer Flotte geleast, Wizz Air hingegen fast alle. Man sollte also meinen, dass Wizz Air, der zudem bereits im Vorfeld von Corona ihr wichtigster Investor, die Indigo- Gruppe, von der Fahne zu springen drohte, besonders exponiert sei. Natürlich verursachen auch Flugzeuge im Eigentum laufende Finanzierungslasten, allerdings nur in dem Umfang, wie sie fremdfinanziert sind. Außerdem sind Finanzierungen über langfristige Kredite oder Schuldverschreibungen im Hinblick auf den Tilgungsanteil der Bedienung liquiditätsschonender gestaltbar und nötigenfalls verhandelbar. Dennoch gibt der Verschuldungsgrad bzw. die Eigenkapitalquote zusätzlichen Aufschluss über die Substanz, von der die Airlines zehren können, bevor sie in die Überschuldung rutschen. Seit 2019 sind nicht nur die vertraglich vereinbarten Lasten aus Finanzierungsleasing, sondern auch die aus operativen Leasingverträgen nach internationalen Buchführungsgrundsätzen (IFRS 16) in der Bilanz zu passivieren. In Bild 3 sind diese Vertragslasten auch für die Gesellschaften berücksichtigt, für die noch keine Jahresabschlüsse für 2019 verfügbar sind. Sowohl beim Fremdkapital als auch beim Gesamt sind lediglich die zinspflichtigen Verbindlichkeiten berücksichtigt. Alitalia, Condor, Corendon und LOT veröffentlichen keine Jahresabschlüsse, so dass Sie im Vergleich unberücksichtigt bleiben. Die Auswertung zeigt, dass Easyjet, Ryanair und der LH-Konzern auch unter dem Aspekt der Finanzverschuldung in einer relativ komfortablen Situation sind. Die IAG rückt hingegen in die Nähe des hinteren Drittels, Norwegian fast an das Ende der Skala vor die tschechische CSA. Wizzair hingegen rückt deutlich auf. Neben der Finanzierungsstruktur spielen allerdings auch die Liquiditätsreserven eine bedeutende Rolle, wenn es ums Durchhalten geht. Airlines stehen die regelmäßig im Voraus kassierten Ticketerlöse gemeinhin revolvierend als langfristige Finanzierungsquelle zur Verfügung. Die aber gilt es jetzt zurückzuerstatten und auch Lieferantenverbindlichkeiten müssen beglichen werden, ohne dass hierfür Cash flow aus dem stillstehenden Geschäft zur Verfügung stünde. In der Graphik ist daher ergänzend das sog. Net Working Capital (NWC), der Überschuss der liquiden Mittel und des sonstigen Umlaufvermögens über die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Diesbezüglich sind die Netzcarrier besonders exponiert, da gerade auf der Langstrecke die Vorausbuchungsfristen eher lang sind, und TUI, weil im Konzern neben die Vorauszahlungen für Tickets zusätzlich die vereinnahmten Vorauszahlungen für Pauschalreisen gemeinhin zur Deckung der laufenden Zahlungsverpflichtungen zur Verfügung stehen. Eine kürzlich vom CAPA Centre for Aviation durchgeführte Analyse 2 gibt weiteren Aufschluss zur Zahlungsfähigkeit großer europäischer Fluggesellschaften. Bild 4 zeigt die Liquiditätsreserven, bestehend aus Bar-Mitteln und, soweit veröffentlicht, nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien. Hier kann WIZZ Air mit sehr beruhigenden Polstern aufwarten. Diese Polster hatte man zwar eigentlich aufgebaut, um bis 2026 mehr als 320 Airbus A320 Neo kaufen und finanzieren zu können und damit zugleich die bisher geleaste Flotte abzulösen, im Moment aber befreit es die Gesellschaft Bild 1: Gewinn und Verlust der europäischen Airline-Industrie Bild 2: Eigentumsverhältnisse bei den Flotten europäischer Airline- Konzerne Bild 3: Finanzierungsstruktur europäischer Airline-Konzerne, Stand 31.12.2019 Bild 4: Liquiditätsreserven großer europäischer Fluggesellschaften Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 38 MOBILITÄT Luftverkehr von akuten Ängsten, in der Corona-Krise zahlungsunfähig zu werden. Auch unter dem Aspekt der Liquiditätsreserven müssen die Gläubiger von Ryanair und Easyjet nicht um die Zahlungsfähigkeit ihrer Schuldner bangen. Die TUI-Gruppe hielt zuletzt bei einem Gesamtumsatz von fast 19 Mrd. EUR liquide Mittel in Höhe von rund 1,75 Mrd. EUR vor. In der Grafik würde sie mit 35 Tagen am unteren Ende zwischen SAS und Norwegian ausgewiesen. Im Kerngeschäft werden die laufenden Zahlungen an die Hotels und sonstigen Touristik-Dienstleister regelmäßig aus dem Cash flow der aktuellen Vorauszahlungen bedient. Derzeit gehen aber nur noch wenige Neubuchungen ein und die Vorauszahlungen für Frühjahrsbuchungen werden zurückgefordert. Der Reiseveranstalter steht somit von allen Seiten unter massivem Liquiditätsdruck. Da ist es wenig- überraschend, dass die Bundesregierung- kurzfristig beispringen muss und bereits einen Rettungskredit in Höhe von 1,8-Mrd.-EUR zugesagt hat 3 . Condor diskutiert mit der Bundesregierung über eine vorübergehende Verstaatlichung um Zeit zu gewinnen, nachdem die polnische Holding-Gesellschaft der LOT selbst in der Krise und vom Kauf zurückgetreten ist 4 . Die Lufthansa-Gruppe hält zwar im Verhältnis zum Umsatz deutlich weniger Liquidität in der Kasse vor, kann aber bei einer komfortablen Eigenkapitalquote durchaus noch Liquidität mobilisieren. SAS und insbesondere Norwegian hingegen könnte der Atem sehr bald ausgehen und so ist es nicht erstaunlich, dass bei den jüngsten Meldungen zu Bereitschaftserklärungen von Regierungen neben Italien, wo Alitalia am Rande der Insolvenz operiert, die skandinavischen Gesellschaften in den Schlagzeilen prominent auftauchen: • Alitalia, ohnehin dauerhaft in der Verlustzone, soll im Zuge einer staatlichen Finanzspritze von 600 Mio. EUR aus der italienischen Staatskasse wieder verstaatlicht werden. • SAS wurde von ihren Gesellschaftern (dänischer und schwedischer Staat: zusammen annähernd 30 %) schon im März Garantien in Höhe von 3 Mrd. SEK (rund 270 Mio. EUR) Soforthilfe zugesagt 5 . • Auch Braathens Regional, Wideroe, DAT und der erst 2019 gegründete ACMI- Operator Great Dane Airlines setzen auf Finanzspritzen des schwedischen und dänischen Staates 6 . • Norwegian ruft in der Folge ebenfalls um staatliche Hilfen, um tausende von Arbeitsplätzen, ihre Infrastruktur- und Serviceleister und ihren volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsbeitrag zu retten. Der norwegische Staat, bei SAS aus dem Gesellschafterkreis geschieden, hat 6- Mrd. NOK Kreditgarantien zugesagt 7 . (Quelle CH-Aviation, 19.03.) Aber auch anderenorts wurde bereits Unterstützung signalisiert: Air France-KLM verhandelt mit ihren staatlichen Gesellschaftern (Frankreich, Niederlande; je 14 %) über Garantien in Höhe von 6 Mrd. EUR. Die Regierungen denken in diesem Zusammenhang auch darüber nach, den Konzern, wenn notwendig im Interesse der Aufrechterhaltung der jeweils nationalen Luftverkehrsindustrie wieder zu verstaatlichen 8 . Easyjet Switzerland ruft nach Nothilfen des Schweizer Staats und kann auf Zusagen hoffen 9 . Der Lufthansa-Konzern fordert nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz das nachhaltige öffentliche Interesse ein, die Airlines der Gruppe als Rückgrat der nationalen Luftverkehrswirtschaft und der Anbindung an das globale Luftverkehrsnetz zu erhalten. Carsten Spohr gab anlässlich der Bilanzveröffentlichung und in einem Spiegel-Interview zu Protokoll, dass er sich keine Sorgen mache, ob und dass der Konzern überleben würde 10 . Er rechne aber damit, dass im Nachgang der Corona-Krise der wertige Teil der Nachfrage nachhaltig auf niedrigerem Niveau verbliebe und auch der Lufthansa-Konzern seine Kapazitäten werde reduzieren müssen. Schrumpfen aber ist für börsennotierte Unternehmen mit dem Anspruch, ständig profitabel zu wachsen, um „Shareholder Value“ zu schaffen, keine Strategie im Sinne ihrer meist institutionellen Anleger. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Diskussion um eine Rückverstaatlichung der europäischen Airline-Industrie geradezu folgerichtig. Nachhaltige Kapazitätsreduktion erfordert Opfer Die Krise trifft die europäische Airline-Industrie zu einer Zeit, in der die Kapazitäten im Markt ohnehin so intensiv der Nachfrage vorauseilen, dass Tickets teils zu Preisen verramscht werden, die gar unter den Grenzkosten liegen, die ihr Verkauf verursacht. Zu den Begründungszusammenhängen verweist der Verfasser auf seine kürzliche Veröffentlichung zur politischen Begrenzung des Klimaschadens durch den Luftverkehr 11 . Auch im Gemeinwohlinteresse scheint es also geboten, das Angebot nachhaltig auf ein niedrigeres Niveau zurückzuentwickeln. Das Dilemma besteht allerdings darin, dass in der nach wettbewerblichen Grundsätzen organisierten Airline-Industrie zwar aktuell jeder Wettbewerber diesem Erfordernis zustimmen wird, ihm aber selbst keinesfalls freiwillig folgen will, sondern daraufsetzt, dass hierzu Wettbewerber ausscheiden, wie es die Gesetze der Marktwirtschaft eben vorsehen. Auch der Lufthansa-Vorsitzende wird, wenn er weiterhin private Kapitalgeber befriedigen soll, nach der Krise und Schließung der ohnehin unter dem Aspekt der Tarifkonditionen für das fliegende Personal unwirtschaftlichen Germanwings-Betriebes das Feld nur teilweise räumen, nachdem er die Heimatmärkte in Deutschland, der Schweiz und Österreich bisher recht erfolgreich vor dem Eindringen lästiger Wettbewerber bewahren konnte. Kapazitätsreduktion setzt demnach Konkurse voraus oder aber doch zumindest, dass selbständig nicht überlebensfähige Airlines in Airline-Konzerne integriert werden, um an deren Marktposition und Substanz partizipieren zu können. Die aktuellen Meldungen weisen statt auf Krisenbewältigung im Sinne einer erforderlichen Konsolidierung der Industrie allerdings in eine andere Richtung. Die allenthalben erwogene Wieder-Verstaatlichung der Airlines könnte dazu führen, dass die Konsolidierung möglicherweise durch nationale Eigeninteressen konterkariert wird. Nationale Interessen versus Open-Skies Hier offenbart sich ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen europäischen und nationalen Interessen in der Luftverkehrspolitik: Mit der als „Open Skies“ bezeichneten Liberalisierung der Verkehrsrechte wurde innerhalb der sogenannten European Common Aviation Area (ECAA) ein integrierter internationaler Markt geschaffen, in dem Fluggesellschaften ungeachtet ihrer nationalen Registrierung paneuropäisch agieren können. Damit wurde das in weiten Teilen der Welt noch heute bestehende Junktim zwischen nationalen Luftverkehrsinteressen und nationalen Fluggesellschaften aufgelöst. Noch heute gilt außerhalb der Open Skies das Gebot, dass Verkehrsrechte zwischen Ländern nur an Fluggesellschaften designiert werden dürfen, die in den beiden Ländern registriert sind und sich in oberster Gesellschaftsebene im qualifizierten Mehrheitseigentum nationaler natürlicher Personen befinden müssen. Folgerichtig entstanden nicht nur europaweit agierende private Fluggesellschaften, wie etwa Ryanair, Easyjet und Wizz Air, sondern die vorher fast durchgängig im öffentlichen nationalen Eigentum befindlichen Netzfluggesellschaften wurden aus dem nationalen öffentlichen Eigentum und Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 39 Luftverkehr MOBILITÄT damit auch der nationalen Pflicht privatisiert. Anlässlich der 9/ 11-Krise und der globalen Finanzkrise zeigte sich allerdings, dass die ehemals nationalen Netzfluggesellschaften nicht alle den Herausforderungen des europäischen Marktes und Wettbewerbs gewachsen waren. Teilweise führte dies zur Integration dieser Airlines in europäische Airline-Konzerne, teilweise aber waren die nationalen Fluggesellschaften auch so marode, dass sie tatsächlich in Konkurs gingen (Olympic, Malev) oder aber entgegen den europäischen Richtlinien nachhaltig mit dem Tropf nationaler öffentlicher Kassen erhalten blieben (Alitalia). Um in den entstehenden internationalen Airline-Konzernen jenseits des in der European Common Aviation Area (ECAA) vereinten Luftraums unverändert nationale Verkehrsrechte ausüben zu können, wurden, beispielsweise durch Zwischenschalten nationalen Gemeinwohlinteressen verpflichteter Stiftungen, juristische Konstruktionen geschaffen, die bei politischem Wohlwollen aller Beteiligten in den bilateralen Abkommen mit Drittländern Akzeptanz finden. In vielen horizontalen Abkommen der EU mit Drittländern konnte auch der Vorbehalt „nationales Eigentum“ durch „EU-Eigentum“ ersetzt werden, auch dies ein Signal, dass der internationale Luftverkehr vom nationalen zum europäischen Gesamtinteresse umdefiniert wurde. Die oben beschriebene Rückbesinnung auf nationale Interessen bei der Überwindung der Folgen der Corona-Krise reiht sich nun denkwürdiger Weise in die auch an anderer Stelle erkennbare Umkehr vom europäischen zum nationalen Denken und Handeln ein. Im gegebenen Zusammenhang ist aber sowohl ein Beharren als auch eine Rückbesinnung auf autonome nationale Luftverkehrsinteressen offensichtlich nicht nur systemwidrig, sondern auch wenig hilfreich. Am Beispiel Alitalia sollten alle gelernt haben, dass es nicht nachhaltig wirkt, nicht wettbewerbsfähige Marktteilnehmer durch Finanzspritzen zu intubieren. Konsolidierung ist Voraussetzung nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit Wenn aus anderen nationalen Interessen, zum Beispiel der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, nicht wettbewerbsfähige Airlines gerettet werden sollen, so sollte es doch gleichzeitig mit dem klaren Ziel einhergehen, diese Airlines in einen wettbewerbsfähigen Konzernverbund einzubringen. Für die verbliebenen nationalen Netzcarrier (zum Beispiel TAP, Lot, SAS, Finnair) ist dieser Verbund sinnvollerweise der jeweils tragende europäische Airline-Konzern der drei globalen Allianzen, in denen sie sich ohnehin bereits angenähert haben. Die entstehenden drei Allianz-Konzerne sollten bei dem so entstehenden Oligopol allerdings erkennbar ihre an nationale Marken erinnernde Namensgebung aufgeben, wie es bei der International Airline Group (IAG) bereits der Fall ist. Statt eines Lufthansa-Konzerns sollte es also zu einem „European Stars“ Airline-Konzern kommen, an dessen Kapital sich auch die derzeitigen Gesellschafter von SAS, LOT und TAP beteiligen können, wenn sie meinen, ihre politischen Interessen auf Gesellschafterebene vertreten können zu müssen. Die entstehenden drei Netzcarrier-Konzerne werden neben ihren Drehkreuzen auch eine kritische Masse dezentraler Direktflugverbindungen zusammenführen, um gegenüber den paneuropäisch agierenden Low-Cost Carriern nachhaltig wettbewerbsfähig aufgestellt zu sein. Der Kern dieser europaweit agierenden Fluggesellschaften ist mit Eurowings, Vueling und weiteren, den drei bestehenden europäischen Airline- Konzernen schon angegliederten Punkt-zu- Punkt-Fluggesellschaften bereits angelegt. Neben diesen Konzernen bleibt Platz für einige Low-Cost-Carrier mit Schwerpunkt im Privatreisemarkt, namentlich Ryanair, Easyjet und Wizz Air, die in diesem Bereich auch auf Dauer genügen, um das Preisniveau auf einem Level zu halten, dass breiten Schichten der Bevölkerung die Flexibilität zu touristischen und sonstigen Reisen über Distanzen erlaubt, die man sinnvollerweise nicht mit Bodenverkehrsmitteln überwinden kann. Darüber hinaus gibt es im Luftverkehr nur Platz für Betriebe, die Teil eines touristischen Konzerns wie beispielsweise TUI sind, der durch Bündelung von Pauschalreisen ihre Beschäftigung sichert. Da die großen Player im Markt kleineren Airlines im Übrigen keine Nischen belassen, in denen Einzelkämpfer selbstständig überleben können, werden sich alle sonstigen Mitspieler als sogenannte „Capacity Provider“ für Aircraft, Crew, Maintenance & Insurance (ACMI-Betriebe) aufstellen müssen. Die Fremdvergabe des Flugbetriebs, die im ehemals von selbständigen Gesellschaften betriebenen Regionalflugverkehr bereits heute als Standard gilt 12 , ist zugleich der Hoffnungsträger für zahlreiche Regionalflughäfen, wenn es um mehr als Turnarounds geht 13 . Hier können die Capacity Provider Dienste für die am Markt agierenden Airlines bereitstellen, da die Nachfrage selbst großen Anbietern, zumal in Konkurrenz, nicht genügt, um dort dauerhaft eigene Kapazitäten zu stationieren. Mit einer solchen Struktur würde der europäische Markt eine Entwicklung nachvollziehen, die der US-amerikanische Markt bereits hinter sich gebracht hat. Es wäre nicht das erste Mal. ■ 1 IATA: COVID-19 - Updates Impact Assessment, 14.04.2020, www.iata.org/ en/ iata-repository/ publications/ economicreports/ covid-fourth-impact-assessment/ 2 CAPA Centre for Aviation: Wizz Air & Ryanair lead Europe on liquidity for COVID-19, 18.03.2020, https: / / centreforaviation.com/ analysis/ reports/ wizz-air--ryanair-lead-europeon-liquidity-for-covid-19-517608 3 O.V. TUI bekommt Milliardenkredit; Tagesschau.de, 08.04.2020, https: / / www.tagesschau.de/ wirtschaft/ tuikredit-103.html 4 RAVELBOOK: Übernahme geplatzt - wird Condor jetzt verstaatlicht? , 14.04.2020, www.travelbook.de/ airlines/ condor-uebernahme-geplatzt 5 Nikel, D.: Denmark, Sweden Governments Offer SAS $302 Million Backing Over Coronavirus Crisis; FORBES, 18.03.2020; https: / / www.forbes.com/ sites/ davidnikel/ 2020/ 03/ 18/ denmark-sweden-governments-offer-financial-supportto-sas-over-coronavirus-crisis/ #369173919b47 6 vgl. ebenda 7 Klesty, V.: Norwegian Air gets lifeline but it may not be enough, Reuters, 20.03.2020, www.reuters.com/ article/ ushealth-coronavirus-norwegianair-stock/ norwegian-airgets-lifeline-but-it-may-not-be-enough-idUSKBN2171VT 8 Fros, L., Deutsch, A.: Air France-KLM in talks on multibillion euro state-backed loan package; Reuters, 03.04.2020, www.reuters.com/ article/ us-health-coronavirus-airfrance-bailout/ exclusive-air-france-klm-in-talks-onmultibillion-euro-state-backed-loan-package-idUSKBN- 21L16F 9 O.V.: EasyJet Switzerland seeks state aid as virus empties skies; SWIswissinf.ch, 31.03.2020, www.swissinfo.ch/ eng/ covid-19_easyjet-switzerland-seeks-state-aid-as-virusempties-skies/ 45657490 10 Deckstein, D., Müller, U.: „Deswegen werden wir länger durchhalten“, Interview über die Corona-Folgen, DER SPIE- GEL, 27.03.2020, www.spiegel.de/ wirtschaft/ unternehmen/ lufthansa-chef-carsten-spohr-deswegen-werdenwir-laenger-durchhalten-a-00000000-0002-0001- 0000-000170213688 11 Brützel, C.: Zur politischen Begrenzung des Klimaschadens durch den Luftverkehr, airliners.de 14.09.2019, www.airliners.de/ einfluesse-besteuerungs-szenarien-aviationmanagement/ 51841? utm_campaign=readmore&utm_ medium=articlebox&utm_source=air 12 Brützel, C.: Fremdvergabe des Flugbetriebs: Problem oder Lösung? , airliners.de; 30.03.2016, www.airliners.de/ diefremdvergabe-flugbetriebs-problem-loesung-aviationmanagement/ 38219 13 egl. ebenda und Brützel, C.: Regionalflughäfen ohne Netz. In: Internationales Verkehrswesen (70), Heft 2, Juni 2018, S. 74-76 Christoph Brützel, Prof. Dr. Aviation Management Department, IUBH International University Bad Honnef c.bruetzel@iubh.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 40 Mobilitätsmonitor Nr. 10 - März 2020 Stadt- und Straßenbahn, Shared Mobility, Taxi und Funkmietwagen, Einzugsraum des ÖPNV WZB und M-Five erstellen ein Monitoring zum Personenverkehr in Deutschland. Im Fokus stehen Indikatoren einer Verkehrswende, u. a. im Hinblick auf die Reduktion privater Pkw-Nutzung sowie die Nachfrage nach geteilten und öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Fokus dieser Ausgabe steht die Entwicklung von Stadt- und Straßenbahnen am Beispiel deutscher Großstädte. Zudem wird die Marktdynamik im Bereich geteilter Fahrzeuge („Sharing“) anhand einer Erhebung der Flottengröße dargestellt sowie das Mietwagen- und Taxiangebot untersucht. Abschließend werden am Beispiel der Stadt Frankfurt a. M. Einzugsgebiete des schienengebundenen Nahverkehrs zu Fuß und per Rad mittels Isochronen analysiert. Die Erhebungen wurden vor Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland abgeschlossen. Diesbezügliche Effekte sind nicht abgebildet. Weitere Inhalte unter: www.internationales-verkehrswesen.de/ der-mobilitaetsmonitor Christian Scherf, Andreas Knie, Theresa Pfaff, Lisa Ruhrort, Wolfgang Schade, Marcel Streif Stadt- und Straßenbahnentwicklung Seit der Jahrtausendwende ist von einer Renaissance der Stadt- und Straßenbahn die Rede. Vielerorts werden die Streckennetze erweitert. Die Fahrzeuge haben eine deutlich höhere Beförderungskapazität als Busse und gelten daher als zentraler Baustein des urbanen Nahverkehrs. In den betrachteten Städten hat abgesehen von Hamburg 1 jede Stadt ein Stadtund/ oder Straßenbahnnetz (Bild 1). Stadtbahnen haben gegenüber Straßenbahnen besondere Merkmale, u. a. einen separaten Gleiskörper und eine größere Unabhängigkeit vom Straßenverkehr. Andere Eigenschaften ähneln sich: Rechtlich gilt z. B. dieselbe Bau- und Betriebsordnung. Im Folgenden werden beide Systeme betrachtet. Bild 2 zeigt die Entwicklung der Streckenlänge 2 - d. h. ohne Mehrfachzählung aufgrund von Gleis- oder Linienführung - geteilt durch die Bevölkerungszahl von 2004 bis 2018. Die Länge des Streckennetzes ist neben Faktoren wie Fahrzeuge, Taktung oder Erreichbarkeit ein zentraler Aspekt der Bedienqualität. Die Auswertung ergab, dass die absolute Streckenlänge insgesamt gestiegen ist. Zusammen maßen alle Netze 2004 ca. 878 km ggü. 907 km im Jahr 2018. Der Ausbau war in München (+10,8 km), der Rückbau in Leipzig (-6,5-km) am stärksten. In allen Städten außer Essen (-1 %) wuchs die Bevölkerung im selben Zeitraum, durchschnittlich um ca. 10 % (Legende Bild 2). Dadurch stagnierte oder sank die Netzlänge pro 1.000 Einwohner: im Schnitt von ca. 157 m (2004) auf ca. 143 m (2018). In Leipzig ist dies besonders ausgeprägt. Die Einwohnerzahl wuchs hier um 18%, während die Netzlänge von ca. 150 km auf ca. 143 km sank (Bild 3). Auffällig ist die Ähnlichkeit der relativen Netzlänge zwischen Berlin und München. Trotz abweichender Einwohnerzahl, Bevölkerungsentwicklung und absoluter Netzlänge kommen konstant ca. 55 m Straßenbahnnetz auf 1.000 Einwohner. Foto: Pascal König / Pixabay DER MOBILITÄTSMONITOR Der Mobilitätsmonitor ist eine gemeinsame Reihe des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und der M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics. Wir danken Robin Coenen - Visual Intelligence & Communication für die grafische Umsetzung und der Fachzeitschrift Internationales Verkehrswesen für die Veröffentlichung. Die Erhebungen erfolgten nach den Standards des wissenschaftlichen Arbeitens, dennoch kann keine Gewähr für die Genauigkeit und Vergleichbarkeit übernommen werden. Dies gilt insbesondere für Daten Dritter. Bei lückenhaften Datenlagen wurden zum Teil Mittel- und Schätzwerte gebildet, so dass die Ergebnisse als Näherungen zu verstehen sind. MOBILITÄT Mobilitätsmonitor Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 41 Mobilitätsmonitor MOBILITÄT Entwicklung der Fahrzeugzahlen im Bereich Shared-Mobility Damit Alternativen zum Privat-PKW attraktiv werden können, braucht es ein vielfältiges Angebot. Bild 4 zeigt die Entwicklung der Angebotslandschaft der Shared Mobility in acht Städten von Mai 2018 bis März 2020. Besonders in Berlin, München, Köln und Frankfurt a. M. ist ein starkes Wachstum der Gesamtflotte zu sehen. Dies geht vor allem auf das Sharing von E-Scootern zurück, dessen Fahrzeugzahl sich in diesen Städten vervielfacht hat: Allein in Berlin sind bis zu ca. 15.000 solcher Kleinstfahrzeuge im Einsatz, womit die Gesamtzahl der Kurzzeitvermietfahrzeuge hier auf ca. 40.000 wächst. Auch in Essen sind seit Ende 2019 mehrere E-Scooter-Anbieter aktiv. In Hamburg ist die E-Scooter-Flotte durch den saisonbedingten Winterbetrieb kleiner als 2019. Leipzig ist die einzige betrachtete Stadt ohne E-Scootersharing, was als Effekt der dortigen Bedingungen für potentielle Anbieter interpretiert werden kann. 3 Neben der dynamischen Entwicklung im E-Scootersharing zeigt sich in Berlin, Hamburg und München ein Wachstum der Carsharing-Flotten (u. a. durch Markteintritte, wie z. B. von SIXT share und WeShare in Berlin), während sich im Bikesharing in allen Städten zwischen September 2019 und März 2020 kaum Veränderung zeigt. Zahlenmäßig weniger bedeutsam ist das Segment des Rollersharing, zumal mit der Geschäftsaufgabe von Coup im Winter 2019/ 20 die Flotte reduziert wurde. Die dünnen schwarzen Balkenabschnitte markieren die kleinen Flotten der Ridepooling-Angebote MOIA (Hamburg), CleverShuttle (Berlin, München, Leipzig), Berlkönig (Berlin) und IOKI (Hamburg und Frankfurt a. M.). Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den anderen Angeboten nicht um Vermietfahrzeuge, sondern um Fahrdienste mit Fahrer. Bild 5 zeigt die Entwicklung der Fahrzeugzahlen im Sharing- Markt summiert über alle Städte. Dies verdeutlicht den steilen Anstieg der E-Scooter-Zahl seit Mitte 2019. Der Carsharing-Markt zeigt im Zeitverlauf ein deutlich langsameres, aber kontinuierliches Wachstum, während der Bikesharing-Markt über die vier Zeitpunkte hinweg auf hohem Niveau ohne klaren Trend schwankt. Insgesamt ergibt die zeitliche Betrachtung ein gemischtes Bild. Der Markteintritt der E-Scooter-Anbieter hat die Gesamtzahl der öffentlich verfügbaren Fahrzeuge beträchtlich gesteigert. Wenn Sharing-Angebote aber perspektivisch einen Massenmarkt erreichen sollen, ist vermutlich auch in den anderen Sparten eine stärkere Dynamik erforderlich. Anzahl der Taxis und Funkmietwagen Der Markteintritt neuer Wettbewerber im Funkmietwagenmarkt - insbesondere der Plattform Uber - trägt dazu bei, dass die Rolle dieser Dienstleistung für eine nachhaltige Mobilität bundesweit kont- Bild 1: Merkmale von Stadt- und Straßenbahnen in acht Städten (Quelle: Angaben d. Anbieter, Dorsch 2019: 55ff., OSM; Recherche: C. Scherf, M. Streif; Grafik: R. Coenen) Berlin Art Straßenbahn Betreiber Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Haltestellen* 383 Netzlänge* 212 km Fahrzeuge 365** Leipzig Art Straßenbahn Betreiber Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) Haltestellen* 226 Netzlänge* 151 km Fahrzeuge 300** Stuttgart Art Stadtbahn Betreiber Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) Haltestellen* 183 Netzlänge* 125 km Fahrzeuge 204** München Art Straßenbahn Betreiber Münchener Verkehrsgesellschaft (MVG) Haltestellen* 162 Netzlänge* 88 km Fahrzeuge 126** Essen Art Stadt- & Straßenbahn Betreiber Ruhrbahn Haltestellen* 131 Netzlänge* 88 km Fahrzeuge 186** Köln Art Stadtbahn Betreiber Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) Haltestellen* 173 Netzlänge* 152 km Fahrzeuge 382** Frankfurt Art Straßen- & Stadtbahn (»U-Bahn«) Betreiber SW Verkehrsgesell. Frankfurt a. M. (VGF) Haltestellen* 234 Netzlänge* 145 km Fahrzeuge 381** *OSM-Daten, innerhalb Stadtgrenzen, Haltestellen ungeachtet Fahrtrichtung, Streckenlänge inkl. Betriebsstrecken etc. **Zählweise abhängig vom Fahrzeugtyp (u.a. Doppel- und Mehrtriebfahrzeuge sowie Beiwagen), Näherungswerte Hamburg Art: Stadtbahn (Planung eingestellt) Übersicht der Stadt- und Straßenbahnen in ausgewählten deutschen Städten © WZB / M-F ive Leipzig (+ 18% Bev.) Stuttgart ( +7% Bev.) Frankfurt a. M. ( +16% Bev.) Durchschnitt (+10% Bev.) Köln ( +12% Bev.) Essen ( -1% Bev.) München ( +18% Bev.) Berlin ( +8% Bev.) 100 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 200 300 400 0 Netzlänge der Stadt- & Straßenbahnen pro 1.000 Einwohner (in Meter) © WZB / M-Five Bild 2: Länge der Stadt- und Straßenbahnnetze pro 1.000 Einwohner von 2004 bis 2018 sowie Bevölkerungsveränderung in Prozent (Quelle: Destatis 2020, VDV 2004ff.; Recherche: C.-Scherf; Grafik: R. Coenen) 100 200 300 400 500 600 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 100 200 300 400 500 600 Einwohner in 1.000 Streckenlänge in km Bevölkerungs- & Netzentwicklung am Beispiel der Straßenbahn Leipzig © WZB / M-Five Bild 3: Bevölkerungs- und Streckenentwicklung der Straßenbahn Leipzig von 2004 bis 2018; weitere Grafiken online unter www.iv-dok.de/ 2005-mm10.pdf (Quelle: Destatis 2020, VDV 2004ff.; Recherche: C.-Scherf; Grafik: R. Coenen) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 42 MOBILITÄT Mobilitätsmonitor rovers diskutiert wird. Im Vergleich der Taxi- und Mietwagenzahl gruppieren sich die Städte grob in zwei Klassen: In Berlin, Hamburg, München und Frankfurt a. M. kommen auf 1.000 Einwohner ca. zwei Taxis. In Köln, Stuttgart, Essen und Leipzig liegt dieser Wert hingegen nur bei ca. einem Taxi. 5 Das Angebot von Funkmietwagen war hingegen bisher eher ein Nischenmarkt. Bild 6 zeigt jedoch, dass sich in Berlin die Zahl der Funkmietwagen zwischen 2017 und 2019 fast verdoppelt hat, während die Taxizahl seit 2015 stagniert. Eine Ursache ist die Marktexpansion der Plattform Uber, die in Deutschland Fahrten zwischen Mietwagenfirmen vermittelt. 6 Einzugsgebiet des ÖPNV per Rad und zu Fuß Abschließend illustrieren wir die Erreichbarkeit des schienengebundenen ÖPNV mittels Isochronen, d. h. Linien gleicher Zeit. Bild- 7 zeigt die Stadtfläche von Frankfurt a. M. mit den Nahverkehrsbahnen. 7 Die farbigen Flächen um die Haltestellen (Punkte) zeigen, welche Räume von der Haltestelle aus in zehn Minuten zu Fuß und in drei bzw. sechs Minuten per Fahrrad erreichbar sind. Die Berechnung der Entfernungen erfolgt mit ORS-Tools und OSM-Daten. 8 Der Vergleich zeigt, dass sich links die Einzugsbereiche des Fuß- und Radverkehrs weitgehend decken (braune Flächen). Rechts wird sichtbar, dass sich das Einzugsgebiet des Netzes auf deutlich mehr Teile des Stadtgebiets - bebaute wie unbebaute - ausweitet, wenn sich die Radfahrzeit verdoppelt. Die Vergrößerung zeigt die Stationen Nordwestzentrum und Römerstadt. Erstere liegt im gleichnamigen Einkaufszentrum, das als Insellösung gebaut wurde und von einer mehrspurigen Straße umschlossen ist. Die Wege in und um das Zentrum sind in OSM mit dem Typ footway oder pedestrian kategorisiert. Auf diesen Verbindungen wird davon ausgegangen, dass Fahrradfahrer sich gleichschnell wie Fußgänger bewegen. Daher reicht die dreiminütige Rad-Isochrone deutlich weniger weit als die zehnminütige Fuß- Isochrone. Erst jenseits des Zentrums und der Ringstraße rechnet OSM mit der maximalen Radgeschwindigkeit. Ähnlich verhält es sich bei der Station Römerstadt, die oberirdisch in der Mitte zweier Straßen liegt. Treppen verbinden Bahnsteige und eine höher gelegene Straße. Die Ausdehnung der dreiminütigen Rad-Isochrone ist auch hier deutlich kleiner als die der Fußgänger, da die Strecke von der Station zu weiterführenden Wegen zunächst auf die nördliche und südliche Richtung beschränkt ist. Die Steigungen bzw. Treppen verlangsamen die Radgeschwindigkeit, da OSM sie ungeachtet etwaiger Aufzüge zu footway zählt. Fazit Die betrachteten Indikatoren loten die Entwicklung und Potentiale von Alternativen zum privaten PKW-Verkehr in Städten aus. Dabei zeigt sich ein gemischtes Bild. Obwohl die Stadt- und Straßenbahnnetze absolut in vielen Städten ausgeweitet wurden, hat sich die Streckenlänge pro Einwohner seit 2004 nicht vergrößert. Um nicht nur mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten, sondern auch eine weitere Verlagerung von PKW-Fahrten auf den ÖPNV zu erreichen, könnte ein deutlich stärkerer Ausbau des Schienennetzes notwendig werden. Auch im Bereich der Shared Mobility ist die Dynamik unklar: Zwar sorgen die E- Scooter für ein gestiegenes Gesamtangebot, andere Segmente wie das Bikesharing sind aber stagnierend oder rückläufig. Um den 0 10 20 30 40 50 Entwicklung nach Sharing-Sparten (in Tausend) Carsharing 2 1 3 4 2 1 3 4 Bikesharing E-Scootersharing Ridepooling 2 = Sept. 2018 1 = Mai 2018 3 = Sept. 2019 4 = März 2020 2 1 3 4 2 1 3 4 2 1 3 4 © WZB / M-Five Rollersharing Taxis Funkmietwagen Stand: * 31.12. , ** 30.09. Taxis und Funkmietwagen mit Fahrer (in Tausend) 2010* 2012* 2011* 2014* 2013* 2016* 2017* 2019** 2015* 2018* 1 0 2 3 5 4 6 7 8 9 © WZB / M-Five Bild 6: Zahl der Taxis und Funkmietwagen in Berlin von 2010 bis 2019; weitere Grafik online unter www.iv-dok.de/ 2005-mm10.pdf (Quelle: Schleicher 2019, Recherche: T. Pfaff, Grafik: R. Coenen) Bild 4: Zahl 4 der Sharing-Fahrzeuge pro Stadt von 2018 bis 2020 (Quelle: Angaben d. Anbieter, bcs 2019, Tack et al. 2019/ 20; Recherche: T. Pfaff, C.-Scherf; Grafik: R. Coenen) Berlin Hamburg München Köln Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 5 0 10 15 20 25 30 35 40 45 Stuttgart Essen Leipzig 5 0 10 15 Frankfurt a. M. Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Mai 2018 Sept. 2018 Sept. 2019 März 2020 Sharing-Fahrzeuge im Mai und September 2018, September 2019 sowie März 2020 (in Tausend) © WZB / M-Five Carsharing (inkl. Peer-to-Peer-Carsharing) E-Scootersharing Ridepooling Rollersharing Bikesharing Bild 5: Zahl der Fahrzeuge pro Sharing-Sparte von 2018 bis 2020 (Quelle: Angaben d. Anbieter, bcs 2019, Tack et al. 2019/ 20; Recherche: T. Pfaff, C. Scherf; Grafik: R.-Coenen) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 43 Mobilitätsmonitor MOBILITÄT Markt zu stabilisieren und Sharing-Angebote langfristig als Baustein eines multioptionalen Verkehrssystems zu etablieren, müssten die Angebote gezielt unterstützt und zugleich die Bedingungen für die Nutzung des Privat-PKW in Städten verändert werden - z. B. durch höhere Kosten für das Abstellen von privaten PKW im Vergleich zu Sharing-Autos, oder aber durch die Umwidmung von Parkplätzen zu Stellflächen für Bike- und Scootersharing. Im Bereich der Personenbeförderung zeigen sich am Beispiel Berlin deutliche Effekte des Markteintritts von Uber auf den Funkmietwagenbestand. Das Einzugsgebiet des ÖPNV hängt mit der Erreichbarkeit seiner Stationen zusammen. Die Betrachtung der Isochronen ergab Hinweise auf das Potential des Fahrrads - oder auch z. B. von E- Scootern - als Zubringer auf der „letzten Meile“ zur Vergrößerung des Einzugsgebiets im schienengebundenen ÖPNV. Kontakt WZB: lisa.ruhrort@wzb.eu M-Five: christian.scherf@m-five.de ■ 1 Auch in Hamburg war bis 2010 eine Stadtbahn geplant. 2 Es kann Abweichungen zw. Stadt- und Gesamtnetzlänge geben, wenn das Netz über die Stadtgrenze hinausreicht oder Betriebsstrecken unterschiedlich gezählt werden. Daher wurden die Angaben des VDV mit den Längen nach OpenStreetMap im Stadtgebiet abgeglichen. Die Abweichungen sind bei keiner Stadt größer als max. +/ - 16%. 3 Siehe www.leipzig.de/ umwelt-und-verkehr/ unterwegs-in-leipzig/ e-scooter (Zugriff 25.03.2020). 4 Die Erhebungszeitpunkte der Daten für Bild 4 weichen leicht ab. Die Sharing-Flotten unterliegen konjunkturellen und saisonalen Schwankungen. Entscheidungen einzelner Anbieter rufen erhebliche Änderungen hervor. Zudem veröffentlichen nicht alle Anbieter Fahrzeugzahlen. 5 Zu beachten ist allerdings, dass der Taximarkt ein stark regulierter Markt ist. In allen Städten bis auf Berlin und Hamburg wird die Taxizahl nicht nur durch die Nachfrage beeinflusst, sondern ist über die Vergabe einer begrenzten Anzahl von Konzessionen gedeckelt. 6 Auch der Markt für Funkmietwagen ist reguliert. Das Gesetz begrenzt aber nicht die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge. 7 Diese umfassen im Wesentlichen die S-Bahn, Straßenbahn und Stadtbahn (dort „U-Bahn“ genannt). 8 Die Berechnung erfolgt mithilfe des ORS-Tool Plugins für QGis bzw. openrouteservice.org. Dazu wird auf frei zugänglichen Daten aus OpenStreetMap zurückgegriffen. Fußgängern wird eine feste Geschwindigkeit von 5 km/ h unterstellt. Dabei sind Strecken je nach hinterlegtem Wegtyp (z. B. highway) zugänglich oder nicht zugänglich. Fahrräder bewegen sich mit einer Höchstgeschwindigkeit von 18 km/ h, welche sich allerdings abhängig vom Wegtyp, von der Steigung (steepness) und dem Untergrund (surface) ändert. QUELLEN bcs (2019): CarSharing-Städteranking 2019. Bundesverband CarSharing, online: https: / / carsharing.de/ alles-ueber-carsharing/ carsharing-zahlen/ carsharing-staedteranking-2019 (Zugriff 06.04.2020) Destatis (2020): Bevölkerung - Kreise, Stichtag. Statistisches Bundesamt. Online: https: / / www-genesis.destatis. de (Zugriff 28.03.2020) Dorsch M. (2019): Öffentlicher Personennahverkehr. München: UVK Schleicher Y. (2019): Schwammige Antworten des Berliner Senats. Taxi-Times, online: https: / / www.taxi-times. com/ schwammige-antworten-des-berliner-senats/ (Zugriff 27.03.2020) Tack A., Klein A., Bock B. (2019/ 20): E-Scooter in Deutschland - Ein datenbasierter Debattenbeitrag. Civity Management Consultants, online: http: / / scooters.civity.de/ (Zugriff 27.03.2020) VDV (2004 ff.): VDV-Statistik. Versch. Jg., Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, online: https: / / www.vdv. de/ statistik-jahresbericht.aspx (Zugriff 27.03.2020) Frühere Ausgaben des Mobilitätsmonitors • Monitor Nr. 9 - November 2019 • Monitor Nr. 8 - Mai 2019 • Monitor Nr. 7 - November 2018 stehen auf www.internationales-verkehrswesen.de/ der-mobilitaetsmonitor zur Verfügung Einzugsgebiet des ÖPNV in Frankfurt a. M. Fußweg 10 min (Isochrone) bebaute Flächen Schienennetz ÖPNV-Haltestellen (ohne Bushaltestellen) Radweg 3 min (Isochrone) Radweg Fußweg & Radweg 6 min (Isochrone) Nordwestzentrum Frankfurt Airport Frankfurt Airport Römerstadt © WZB / M-Five Bild 7: Isochronen für zehnminütige Fußwege und drei- (l.) bzw. sechsminütige (r.) Radwege um Bahnhaltestellen in Frankfurt a. M. (Quelle: OSM 8 , Recherche: M. Streif, Grafik: R. Coenen) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 44 MOBILITÄT Wissenschaft Pedelecs im Verleih Nutzerprofile und Anforderungen an Zweiräder Mikromobilität, Pedelec, Lasten-Pedelec, Urbanes Pedelec-Verleihsystem Seit fast fünf Jahren existiert in Hannover das öffentliche Pedelec-Verleihsystem Peds- Blitz. Ziel ist es u.a., ein stadtweites Verleihsystem, insbesondere mit Lastenrädern, zu initiieren. Hierdurch soll der Radverkehrsanteil am Modal Split in der Landeshauptstadt erhöht werden. Weiterhin sollen Möglichkeiten geschaffen werden, Transporte von Kindern, Haustieren und Lasten auch ohne Auto durchführen zu können. Ein weiteres Ziel ist die Ergänzung des ÖPNV. In dieser Abhandlung werden einige sozialwissenschaftliche Faktoren und technische Anforderungen, die ein Pedelec im Verleihbetrieb haben sollte, aufgezeigt. Ingo Wöhler, Thomas Othmar, Christian Harstrick D as heute noch auf Kohlenstoff basierte globale Wirtschaftsmodell gefährdet die Stabilität des Klimas und somit die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen. Fossile Brennstoffe müssen deshalb in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts durch regenerative Energieträger ersetzt werden [1]. Insbesondere bei der urbanen Mobilität spielen zukünftig Klein- und Kleinstfahrzeuge eine immer größere Rolle. Aus dem Transportsektor und hierbei überwiegend aus dem Straßenverkehr stammen immerhin 20 % der globalen energiebezogenen Kohlendioxid- Emissionen [2]. Die Mobilitätswende fordert - auch zum Schutz des Klimas - ein Umdenken, deshalb müssen schnell und effektiv neue Lösungen gefunden werden. Sharing-Systeme mit entsprechenden (Elektro-) Fahrzeugen werden zukünftig eine dominante Rolle spielen. Ebenfalls ein signifikanter Anstieg von geeigneten Fahrzeugen ist im Logistik- und Transportsektor zu erwarten. Das „Schaufenster Elektromobilität“, ein vom Bund beschlossenes Regierungsprogramm, sollte die Kompetenzen für die Bereiche Elektrofahrzeug, Ladeinfrastruktur und elektromobile Aktivitäten aufzeigen und innovative Lösungen erarbeiten. In diesem Rahmen wurde in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover das öffentliche Pedelec-Verleihsystem PedsBlitz aufgebaut und seit September 2015 betrieben. Insgesamt sind über 70 Elektrofahrräder im Verleih und werden gegenwärtig an 13 Stationen im Stadtgebiet vermietet (Bild- 1). Das Besondere an diesem System in Hannover ist, dass neben normalen Pedelecs eine große Anzahl unterschiedlicher Lastenpedelec-Typen zum Einsatz kommen [3]. Es ist geplant, die Flotte zeitnah noch zu erweitern und flächendeckend im gesamten Stadtgebiet anzubieten. Lastenfahrräder eignen sich in Verleihsystemen vor allem für Kunden, für die sich die Anschaffung bei nur gelegentlichem Transportbedarf auf Grund der relativ hohen Kosten nicht rentieren würde. Zukünftig wird deshalb auch die Bedeutung von Lastenpedelecs in öffentlichen Verleihsystemen zunehmen. Gründe dafür sind: • viele Transporte sind mit dem Rad möglich • umweltfreundliche Fahrzeuge • geringer Platzbedarf • ideales Werbemittel für Unternehmen • gut für Gesundheit und Wohlbefinden Für den urbanen Warentransport eignen sich Lastenpedelecs zudem als Zugfahrzeuge. Mit einem entsprechend ausgestatteten Anhänger mit eigenem Elektroantrieb können sogar schwerere Lasten bis zu einem Gewicht von ca. 800 kg befördert werden. Die Nutzbarkeit kann durch modulare Aufbauten für unterschiedliche Anwendungsbereiche optimiert werden. Denkbar ist hierbei auch eine Ausstattung mit Verladesystemen, beispielsweise auf Schienen, für die Verschiebung von Waren aus Lieferwagen auf Anhänger und umgekehrt. Sozialwissenschaftliche Faktoren wurden für das hannoversche Verleihsystem ermittelt, um nutzerspezifische Anforderungen an die Leih-Pedelecs zu eruieren. Hierdurch sollen geeignete Elektrofahrrad-Typen identifiziert werden, um den Nutzenden eine adäquate Modellvielfalt bieten zu können. Des Weiteren werden die technischen Anforderungen an die Pedelecs bzw. Lastenpedelecs im Verleihbetrieb formuliert. Das Pedelec muss technischen und wirtschaftlichen Anforderungen für Anschaffung und Betrieb erfüllen. Ein städtischer Pedelec-Verleih wird jedoch immer auf öffentliche Zuschüsse angewiesen sein. Umfragen unter den Nutzenden in Hannover haben ergeben, dass die Bürger im Durchschnitt 7,37 EUR pro Tag für ein Leih-Pedelec bezahlen würden. Im touristischen Bereich hingegen können deutlich höhere Mietgebühren erzielt werden. Als Verleihfahrzeuge kommen bei PedsBlitz der i: SY Stadtflitzer und drei unterschiedliche Lastenpedelec- Modelle zum Einsatz: das Winora eLoad Bäckerrad, das PfauTec und das i: SY Car: go Transportrad [3, 4]. Das Bäckerrad verfügt vorn und hinten über jeweils eine Box, das Pfau Tec bietet eine ebene Ladefläche für größere Transporte und das i: SY Car: go hat eine wetterfeste Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 45 Wissenschaft MOBILITÄT Holzkiste mit klappbarer Sitzbank und Sicherheitsgurten. Sozialwissenschaftliche Faktoren Der VCD Landesverband Niedersachsen hat die Kunden seiner Verleihstationen im Pedelec Café an der Hochschule Hannover, in den Freizeitheimen, Stadtteilzentren und bei den Wohnungsunternehmen eingehend befragt, um nutzerspezifische Anforderungen zu ermitteln. Herkunft Die Pedelecs, die vom VCD an verschiedenen Stationen betreut werden, werden wie beabsichtigt fast ausnahmslos von Bürgern der Landeshauptstadt Hannover genutzt. 91 % wohnen in Hannover, lediglich 6 % kommen aus der Region. Ein geringer Prozentsatz von 3 % sind Kunden, die aus überregionalen Gebieten kommen und sich aus touristischen oder geschäftlichen Gründen in Hannover aufhalten. Die Pedelec-Nutzer aus Hannover stammen mehrheitlich aus Quartieren und Stadtteilen in räumlicher Nähe zu diesen Verleihstationen. Diese Kunden schätzen die Möglichkeit, die Elektrofahrräder wohnortnah und unkompliziert ausleihen zu können. Vor diesem Hintergrund konnten im Rahmen des VCD- Projekts „Wohnen leitet Mobilität“ auch Wohnungsunternehmen für die Einrichtung von Verleihstationen zur Förderung einer umweltfreundlichen Mobilität gewonnen werden. Im Gegensatz dazu steht an den PedsBlitz- Stationen der anderen beiden Betreiber am Hauptbahnhof und in der Innenstadt die touristische Nutzung mehr im Vordergrund. Nutzung Die Pedelecs werden von den Hannoveranern zu jeweils 23 % zu Fahrten zum Einkaufen und zum Arbeitsplatz genutzt, 19 % sind Fahrten in die Innenstadt, und für Freizeitaktivitäten werden die Elektroräder zu 35 % eingesetzt [5]. Einige Mieter haben ihr Mobilitätsverhalten bereits geändert und zunehmend Autofahrten durch Nutzung eines Pedelecs bzw. Lastenpedelecs ersetzt. Eine Recherche des VCD hat ergeben, dass Lastenräder zu 81 % für Einkäufe und zu 38 % auch für den Transport sperriger Gegenstände genutzt werden. 27 % transportieren Kinder oder Tiere und 15 % nehmen es für berufliche Fahrten [6]. Lastenpedelecs werden also sehr vielfältig eingesetzt, jedoch überwiegen gegenwärtig deutlich die Fahrten für Besorgungen. Bild 1: Standorte der PedsBlitz- Verleihstationen in Hannover. Station 4 ist das Pedelec- Café an der Hochschule Hannover mit der größten Modellvielfalt. Die Stationen 10 und 11 sind Standorte bei Unternehmen der Wohnungswirtschaft, die im Zuge des VCD-Projekts „Wohnen leitet Mobilität“ eingerichtet wurden. Hier werden ausschließlich Lastenpedelecs an Quartiersbewohner vermietet. Landeshauptstadt Hannover, Flächennutzungsplanung, Stand: Juli 2019 Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 46 MOBILITÄT Wissenschaft Umgang mit den Pedelecs Generell kann festgestellt werden, dass die im Verleih eingesetzten Pedelecs wenig schadensanfällig sind und von den Kunden überwiegend recht pfleglich behandelt werden. Oftmals werden die Räder sehr sauber und zum Teil gereinigt zurückgebracht, dies vermutlich auch deshalb, weil die Lastenräder kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Ein Problem gab es mit den Lenkgestängen der Lastenpedelecs. Da sie recht exponiert vom Fahrzeugrahmen montiert waren, kam es leicht zu Kollisionen mit Gegenständen wie Gartenzäunen, Pfosten oder anderen Hindernissen. Ein Hersteller hat aber gleich auf dieses Problem reagiert, und beim nachfolgenden Modell wurde die Führung des Lenkgestänges näher an den Vorderrahmen gelegt. Bei den i: SY Stadtflitzern kommt es durch die Leichtigkeit und Schnelligkeit dieser Fahrräder sowie falsches Nutzen der Gangschaltung zu einer größeren Belastung der Ketten. Auffallend sind zudem die signifikant häufigen Reifenschäden an den Bäckerrädern, die Überladungen und zu geringem Reifendruck geschuldet sind. Fahrleistung Die Fahrleistungen sind stark abhängig vom Pedelec- Typ. Beispielsweise sind die in diese Untersuchungen eingeflossenen Winora eLoad Bäckerräder durchschnittlich 1.394 km/ Jahr gefahren, die berücksichtigten PfauTec Transporträder hingegen lediglich 770 km/ Jahr. Der Grund liegt zum einen darin, dass sich die Bäckerräder, die vorne und hinten kleinere Transportboxen aufweisen und somit zu den Lastenrädern zählen, wie ein normales Pedelec fahren lassen. Da diese Räder im Gegensatz zu den i: SY Stadtflitzern im PedsBlitz-System kostenfrei ausgeliehen werden können, weichen zudem viele Kunden auf diesen Pedelec-Typ aus. Auch die Bauart der Lastenräder scheint einen Einfluss auf die Kilometerleistungen zu haben: Während die Pfau Tec Lastenräder über eine große Ladefläche verfügen, sind die i: SY Car: go Lastenpedelecs mit einer geräumigen Transportkiste mit optionaler Sitzbank ausgestattet und verfügen im Vergleich der beiden Modelle über ein Vielfaches an Kilometerleistung. Die Fahrleistungen sind auf die vielfältigeren Einsatzmöglichkeiten zurückzuführen, denn diese Lastenpedelecs eignen sich auch für den alltäglichen sicheren Transport von Kindern und Haustieren auch über größere Distanzen. Durch den Einsatz von Lastenpedelecs werden zahlreiche Autofahrten substituiert. Unterstützungsmodi Aus langjährigen Untersuchungen im hannoverschen PedsBlitz-Verleihbetrieb wird ersichtlich, dass alle Unterstützungsstufen bei den Pedelecs zum Einsatz kommen [5]. Im Rahmen geführter Touren und Sprechstunden mit Testfahrten wurde beobachtet, dass vor allem unerfahrene Pedelec-Nutzer auf mehrere Unterstützungsstufen zurückgreifen. Erfahrene Kunden, die im Umgang mit den Elektrofahrrädern geübt sind und die Fahreigenschaften auch bei höheren Geschwindigkeiten kennen, wählen in der Regel den höchsten Modus. Die Lastenräder werden wegen ihres hohen Gewichts aus Fahrzeug und Transportlast ohnehin bevorzugt mit höheren Unterstützungsstufen gefahren. Verleih der Pedelecs nach Geschlecht und Institution Es ist auffällig, dass an den Standorten, die der VCD betreut, 59 % der Nutzenden männlich und lediglich 31 % weiblich sind (Bild 2). Das gilt sowohl am Hochschulstandort im Pedelec-Café als auch in den wohnortnahen Standorten wie den Freizeitheimen, Wohnungsunternehmen und Familientreffs. Institutionen - Freiberufler, Gewerbetreibende, kommunale Einrichtungen etc. - waren unter den Mietenden nur mit 10 % vertreten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Angebot bei den Institutionen entweder noch nicht hinreichend bekannt ist oder noch Vorbehalte gegenüber dem Lastentransport mit Pedelecs vorhanden sind (Handling). Erschwerend kommt hinzu, dass sich noch keine PedsBlitz-Verleihstationen in Gewerbegebieten befinden. Bei einer Ausweitung des städtischen Lastenpedelec-Verleihs sollen diese Standorte Berücksichtigung finden. Verleih der Pedelecs nach Altersstruktur Die Gruppe der Altersstufe von 41 bis 60 Jahren ist mit 44 % am stärksten vertreten (Bild 3). Mieter zwischen 21 und 40 Jahren sind mit 32 % und Nutzer zwischen 61 bis 80 Jahren mit 22 % am Pedelec-Verleih beteiligt. Bei der letzten Gruppe fällt deutlich auf, dass die Vermietzahlen mit zunehmendem Alter verständlicherweise deutlich abnehmen. Ganz auffällig ist, dass der typische Mieter an den VCD-Verleihstationen heute männlich und zwischen 40 und 60 Jahren alt ist. Diese Verleihstruktur wird sich in den nächsten Jahren, wenn Pedelecs und Lastenpedelecs noch stärker in die Alltagsmobilität eindringen, jedoch noch deutlich verändern, wenn junge Bild 2: Verleih der Pedelecs nach Geschlecht und Institution (n = 738) Bild 3: Verleih der Pedelecs nach Alter (n = 738) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 47 Wissenschaft MOBILITÄT Menschen ihre bestehenden Vorurteile abbauen. Gegenwärtig fällt sehr stark auf, dass Menschen bis 20 Jahren den Pedelec-Verleih in Hannover so gut wie gar nicht in Anspruch nehmen. Nur 2 % aller Mieter sind jünger als 20 Jahre, und Pedelecs darf man im hannoverschen Verleih ab 15 Jahren fahren [3]. Diagnostik Pedelecs in einem öffentlichen Verleihsystem müssen für die Sicherstellung der technischen Einsatzfähigkeit einer intensiven Ausgabe- und Rücknahmekontrolle unterzogen werden. So kann sichergestellt werden, dass alle Mängel schon bei der Entstehung erkannt werden. Zur Dokumentation wird ein Kontrollprotokoll verwendet, um den Zustand der Fahrzeugkomponenten zu bewerten. Hierdurch wird identifiziert, ob der Fehler durch Verschleiß, Überlastung oder Kundenfehlbedienung entstanden ist. Aus der Auswertung können Anforderungen an ein Pedelec im Verleihbetrieb abgeleitet werden. Wartung Es ist ganz wichtig, dass bei der Wartung von Elektrofahrrädern ein hinreichendes Augenmerk auf die elektrischen Komponenten gelegt wird. Insbesondere die Kontakte an den Akkus und den Displays sind von Oxidation und Verschmutzung betroffen. Nur so kann der Ausfall der Antriebseinheit vermieden werden. Für einen öffentlichen Verleihbetrieb müssen aufgrund der höheren Anforderungen erweiterte Wartungspläne erstellt und eingehalten werden. Schäden an der elektrischen Anlage durch unsachgemäßen Umgang können durch die verdeckte Verlegung der Leitungen verhindert werden. Dies sollte insbesondere bei Pedelecs in öffentlichen Verleihsystemen selbstverständlich sein. Die Optimierung der Antriebs- und Kraftübertragungseinheit stellt einen größeren finanziellen Aufwand dar. Lastenpedelecs werden daher häufig mit derselben Antriebseinheit ausgestattet wie herkömmliche Pedelecs, was bei der stärkeren Belastung durch den Transport von Gütern zu Ausfällen führen kann. Gleiches gilt für die Schaltungseinheit. Durch die Unterstützung durch den Elektromotor fahren die Nutzer oftmals in höheren Gängen an. Diese Verhaltensweise führt aber auch hier zu einem erhöhten Verschleiß von Kette und Schaltung und führt bei zusätzlich mangelhafter Wartung zu einem vorzeitigen Defekt. Diesen Schäden kann mit der Verwendung automatisierter Schaltungen vorgebeugt werden, die zudem einen höheren Fahrkomfort ermöglichen. Die derzeit verfügbaren Bremsanlagen eignen sich häufig nicht für den Einsatz an Pedelecs, da sie aufgrund der stärkeren Beanspruchung einem höheren Verschleiß unterliegen. Empfehlenswert sind Scheibenbremsen, da bei diesen Systemen bei Deformierungen der Felgen keine Beeinträchtigung der Bremsleistung entsteht. Reifenschäden können durch die Verwendung verschiedener Pannenschutzsysteme und deren regelmäßiger Kontrolle auf ein Minimum reduziert werden. Fazit Die langjährigen Erfahrungen aus dem PedsBlitz-Verleihsystem zeigen Anforderungen auf, die oftmals unterschätzt und nicht ausreichend berücksichtigt werden: • Wartungsbedarf der elektrischen Systeme beachten • Auslegung der Antriebseinheit und der Kraftübertragung für den Lastentransport • Die technischen Komponenten müssen den Belastungsniveaus bei Lastenpedelecs entsprechen. • Optimales Ausnutzen des Ladevolumens • Einhaltung der Förderrichtlinien für öffentliche Zuschüsse bedenken • Lastenpedelecs sollten über Fahrtrichtungsanzeiger und Rückspiegel verfügen. Das öffentliche Pedelec-Verleihsystem in Hannover soll unter Vorbehalt der Zustimmung durch Verwaltung und Politik kurzfristig auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden, wobei der Schwerpunkt ausnahmslos auf Lastenpedelecs gelegt werden wird. Hierdurch werden ÖPNV und Mobilitätsverhalten generell in Hannover umweltfreundlicher und nachhaltiger. Die Hauptstadt der Lastenräder ist derzeit Kopenhagen. Dort verfügt jede vierte Familie mit Kindern über ein Transportfahrrad. Hannover ist unwesentlich kleiner als Kopenhagen, in Kopenhagen fahren aber ca. 40.000 Transportfahrräder. [7] ■ LITERATUR [1] Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen (2011): Welt im Wandel Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, WBGU Berlin [2] World Resources Institute - Climate Analysis Indicator Tool (2011): The CAIT Climate Analysis Indicator Tool, Washington, DC [3] Landeshauptstadt Hannover FB Planen und Stadtentwicklung (2017): PedsBlitz Pedelec- Verleih, Hannover [4] www.pedsblitz.de, gelesen am 24.03.2020 [5] Hepp, H.; Diekmann, M.; Friedrichs, H. C.; Othmar, T.; Wöhler, I.; Harstrick, C. (2020): Nutzungsparameter für Pedelecs im städtischen Verleih. In: Internationales Verkehrswesen (72) Heft 1; S. 76-79 [6] VCD (2018): Lasten auf die Räder, fairkehr 2/ 2018; S. 22 [7] VCD (2019): Die Hauptstadt der Lastenräder, fairkehr 3/ 2019; S. 21 Wir danken der Landeshauptstadt Hannover Fachbereich Planen und Stadtentwicklung für die finanzielle Unterstützung während der PedsBlitz-Projektlaufzeit. Frau Goerzig-Swierzy und Herrn Clausnitzer danken wir für die kollegiale Zusammenarbeit. Thomas Othmar, B. Eng. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Konstruktionselemente, Mechatronik und Elektromobilität, Hochschule Hannover thomas.othmar@hs-hannover.de Ingo Wöhler, Dr. rer. nat., Dr. forest. VCD Landesverband Niedersachsen, Hannover ingo.woehler@vcd-niedersachsen.org Christian Harstrick, Dipl. Sozialwiss. VCD Landesverband Niedersachsen, Hannover christian.harstrick@vcd-niedersachsen.org Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 48 MOBILITÄT Wissenschaft Tackling innovation barriers An empirical investigation for sustainable transport services Mobility-as-a-Service, Curiosity, Innovation barriers, Sustainability, Moderated mediation Whilst there is lots of work on innovation adoption, their barriers often fall short but might be as crucial for the final consumer decision. This study investigates curiosity and its consequences for active or passive innovation barriers on the way towards adoption of a smart mobility service. Curiosity is of interest here as it can function as driver towards striving for novelties. An online sample was drawn (n = 308), based on which a moderated mediation model was analysed. It is found that curiosity enhances the evaluation of the service as well as its perceived usefulness and convenience. Konstantin Krauss I n order to reach the greenhouse gas reduction targets in the transport sector, new and more sustainable mobility services need to be established and, more importantly, used [1]. It is the aim of this study to investigate whether curiosity as a driver towards thinking in new ways and striving for novel events can help to reduce active and passive innovation barriers regarding the usage of more sustainable passenger transport services. In order to answer this question, an empirical study was conducted in Germany, in which n = 308 subjects were exposed to a fictional smart mobility service. The moderated mediation model estimated with PROCESS [2] shows that curiosity increases the evaluation, the perceived usefulness and the perceived convenience of the service. Thus, curiosity is not able to tackle passive innovation resistance but is well able to decrease active innovation resistance. Introduction One of the most important and recent domains driven by innovative developments is the mobility industry [3]. Therefore, innovation behavior of potential consumers is critical for this industry. This is particularly important with respect to the global climate targets [1; 4]. Although curiosity is said to stimulate exploratory behavior [5], it is very rarely discussed within innovation adoption of new mobility services. The high failure rates of innovations in general - around 40 % [6] - makes it even more necessary to discuss potential factors facilitating innovation adoption behavior. This study shall hence shed further light on the potential role of curiosity towards diffusion of smart mobility by taking an innovation resistance approach [7]. An innovation is defined as „[…] an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption“. Thereby it does not matter whether this idea is technically new or certain measures define it as new. [8] Curiosity can be considered as desire that motivates subjects to strive for events that are new or uncertain [9]. Following the definition of an innovation, curiosity might affect the innovation adoption process. Due to the urgency of reducing emissions from transport, sustainability is taken as focus of the advertisement and tested against a neutral focus. In this case, sustainability is understood as the environmental aspects of the triple-bottom line [10]. With respect to the adoption behavior of consumers towards new products or services, innovation resistance particularly focuses on utilizing knowledge about the psychology of resistance in order to develop and promote innovations [7]. This resistance is of critical importance for innovation research because it might hinder consumers in adopting the innovation. Yet, literature about curiosity with respect to innovation resistance in transport is very scarce. Answering the question whether curiosity might mitigate this resistance could be highly beneficial for the society’s path towards more sustainable transport. Smart mobility services (e.g. Whim, Trafi) can be described as a new generation of more intelligent transportation systems and are consequently frequently innovative [11]. Their proposition is defined as a form of mobility that is energy-efficient, low-emission, safe, convenient, affordable and used by traffic participants in an intelligent way [12]. Moreover, it is said to decrease traffic congestion and increase transfer speed [13]. By combining various types of transportation, traditional and new ones, smart mobility is a system of intermodal nexus [12]. Theoretical Background Curiosity Curiosity is a feeling of deficiency, arising in a subject from paying focalized attention to a gap in knowledge [14]. The gap itself should be manageable for the subject in order to generate curiosity [14; 15]. “The genesis of cu- PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 18.02.2020 Endfassung: 30.04.2020 Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 49 Wissenschaft MOBILITÄT riosity” is the subject’s transition of focus from “[…] what is known to […] what is not known”. At this point, the information-gap theory predicts the subject to experience an abrupt increase in curiosity. [14] Since the realization of the information-gap induces an aversive feeling of deficiency, the subject is willing to search for information that will close this gap, which makes this process pleasurable. Thus, the specific information that closes the information-gap, and hence satisfies curiosity, functions as reward to influence motivation and learning [16]. The focus on the information aiming to generate curiosity in an advertisement, i.e. on specific features or benefits of the product, is the “curiosity trigger” [15]. With respect to the information-gap, the curiosity trigger functions as goal in order to discover the specific information required to close the gap. Curiosity can furthermore be classified as “desire to change and novelty” [14]. Moreover, it is understood as an “intense desire” striving for “novel, challenging, and uncertain events” [9]. It is furthermore stated that curiosity motivates operating and also thinking in new ways. This exploratory character of curiosity is further conceptualized in the “Optimal Stimulation/ Dual Process Theory of Exploratory Behavior”. Here, curiosity is considered to stimulate exploratory behavior via an “emotional-motivational system”. [5] It could be shown that increased curiosity leads to higher probabilities of innovation adoption [17]. However, the authors measured adoption directly and did not pay particular attention to innovation resistance. Following these theoretical considerations, the information-gap may induce curiosity, which in turn might influence exploratory behavior and, thus, innovation barriers. Hence, in this functional framework, curiosity might function as mediator between the informationgap and innovation resistance. With respect to additional product information, the specific product goal works as frame for processing and, hence, organizing the information [18; 15]. Innovation Adoption Behavior of Consumers Adoption of an innovation means making full use of an innovation [8]. Not adopting an innovation can be explained by the concept of innovation resistance. This term was introduced due to a “pro-change bias” in innovation research. Innovation resistance describes the behavior of subjects resisting change and consequently innovations. [7] In order to shed further light on this, the most recent concept of active and passive innovation resistance is applied here [19]. Active innovation resistance refers to characteristics of the innovation. It is intentional due to unfavorable appraisal of the innovation and can thus be found in the persuasion stage of the process of innovation adoption. Passive innovation resistance refers to the imposed changes due to an innovation. This resistance is subject-specific and stems from personal propensities to resist changes and situational factors, which determine the subject’s satisfaction with the current status quo. Hence, it can be found in the knowledge stage of the innovation adoption process. [8] Regarding passive innovation barriers, two factors are of importance: Resistance to change [20] and desirability of control [21; 19]. The former is described as multi-dimensional factor and defined as a subject’s “tendency to resist or avoid making changes” [20]. This resistance reflects a general devaluation of change as well as an aversive perception of change across diverse contexts. Desirability of control is defined as personally exerting control over the subject‘s surroundings [22]. In the persuasion stage of innovation adoption, attitudes are formed, which are either favorable or unfavorable towards the innovation [8]. Attitudes are the subject’s beliefs about a certain object, which predispose its actions and are relatively stable. In this stage, the consumer selects messages and decides about the interpretation of the received information. Consequently, the consumer develops a perception of the innovation, which is selective due to the evaluated decisions concerning messages and their interpretations. This requires forward planning in order to evaluate expected consequences regarding advantages and disadvantages of the innovation. Hence, in the persuasion stage, active innovation resistance plays an important role if consumers evaluate the innovation as negative [19]. Thus, product features, their evaluations and corresponding attitudes towards the innovation are crucial in this stage. The evaluation of product features is measured in terms of how favorable or unfavorable the innovation is to the consumer and is explicitly referred to as active innovation resistance [23]. Perceived usefulness is the perceived likelihood that the product or service creates a benefit for the consumer in performing a particular task [24]. Additionally, complexity refers to how difficult an innovation is to understand and use [23]. Moreover, convenience of a service is understood as the perceptions of consumers towards the time and effort related to buying or using a service [25]. Lastly, perceived risk is another innovation characteristic, which might jeopardize the probability of rewards from the innovation [26]. Condensing the theories and factors outlined above, it is hypothesized that H1: Curiosity will mediate the effect of the information-gap on the active innovation resistance and on the passive innovation resistance. H 2 : With higher magnitudes of curiosity, the active and passive innovation resistance is reduced. These hypotheses are to be tested using a moderated mediation analysis. Survey and Results Survey Design For this study a 2 x 2 full-factorial between-subjects design was applied (information-gap: moderate vs. high x curiosity trigger: sustainability vs. neutral). This design allows controlling and isolating each manipulation effect separately [27]. Data collection took place online in March 2018 with the sample being recruited via German mailing lists and social media channels. The service used in this study was a fictional one in order to exclude direct branding effects from existing services. In principle, it was designed in the way Whim or Trafi work: The user enters origin and destination, subsequently the platform offers routes with various modes of transport to choose and all required tickets are booked with the price being a flat one per month. The information-gap functioned as curiosity cue and was designed as two-stage factor (moderate vs. high) in a two-stage procedure: In the first stage of the procedure, subjects were exposed to the advertisement including a moderate or high information-gap (figure 1 exemplarily Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 50 MOBILITÄT Wissenschaft shows the high-gap condition). Note that the participants did know they saw an advertisement about a new service but explicitly did not know which kind of service this was until they got to see the resolution, which built the second stage (figure 2). The curiosity trigger was a two-stage factor as well: The sustainability focus referred to the potential of decreasing one’s ecological footprint by using this service compared to owning a private car whereas the neutral focus referred to describing the service as new way towards flexibility. Due to the survey design, one participant either saw advertisements with the sustainability focus or with the neutral focus. The study material was pretested with minor changes being made in accordance to these results. Results The survey includes n = 308 subjects with the different experimental groups being structurally equal as could be tested using χ 2-tests as well as one-factorial ANOVAs. Furthermore, manipulation checks revealed that all manipulations were successful. Requirements for the subsequent analyses were checked by having no missing data and applying Mahalanobis distances [28]. Results from the moderated mediation model estimated with PROCESS [2] and 5,000 bootstrapping samples can be retrieved from figure 3. It depicts the moderated mediation effects of information-gap on the dependent variables via the mediator curiosity for the neutral curiosity trigger. The coefficients of the regressions are indicated by b. In addition, the conditional indirect effects of the information-gap on the respective dependent variable via curiosity as mediator are shown (indicated by B). All moderated mediation models on the innovation barrier variables are highly significant (p < 0.001 throughout). A partial moderated mediation [29] can be found for the evaluation of • the service (B = -0.14; standard error [SE] = 0.05; 95 % bootstrap confidence interval [CI] = [-0.25; -0.04]), • perceived usefulness (B = -0.20; SE = 0.09; 95 % bootstrap CI = [-0.40; -0.05]), • and perceived convenience (B = -0.15; SE = 0.07; 95 % bootstrap CI = [-0.30; -0.03]), given the neutral curiosity trigger. Thus, significant moderated mediation effects could be shown for three active but none passive innovation barriers. Consequently, curiosity does have an impact on innovation resistance concerning the characteristics of the innovation, which results in a partial confirmation of H1. When analyzing the regression coefficients of curiosity on the respective innovation barriers (figure 3), the direction of the effects can be evaluated. For the three active innovation barriers that showed a significant moderated mediation effect, the coefficients are positive and significant throughout: for the evaluation of the service b = 0.15 (p<0.01), for perceived usefulness b = 0.22 (p<0.01) and for perceived convenience b = 0.17 (p<0.05). Hence, relatively higher magnitudes of curiosity result in higher evaluations of the service, higher perceived usefulness and higher perceived convenience. The higher values in these three factors transform into reduced active innovation resistance. Consequently, as with H1, H 2 can be partially confirmed. Regarding innovation behavior of consumers, the results show that curiosity is not able to affect imposed changes an innovation might bring about, i.e. passive innovation resistance. These subject-specific barriers seem to be fostered within the personal propensities in such a way that makes them hard to be influenced by curiosity. However, when consumers evaluate the innovation, curiosity does affect the evaluation results. This makes curiosity a particularly important factor for advertising innovative mobility services within the persuasion stage of the innovation-decision process [8]. Limitations With respect to generalizability of the study results, limitations have to be critically observed. The sample was drawn by using an online survey, which might make a self-selection bias present in the data [30]. Object of the study was a smart mobility service, which was supplied as an app. This combination might have contradicting effects: On the one hand, a sample drawn online for an appbased mobility service might strengthen the results of the study. On the other hand, the online survey and the service in the form of an app might increase limitation regarding generalizability as it excludes not online-affine subjects by the sampling-procedure and the service. Furthermore, the service was designed as unlimited usage mobility service. This might not reflect the use case for consumers who do not travel regularly or frequently. They might be more interested in a service that offers distinct packages for different users with respect to distance travelled or transportation modes used, and consequently Figure 1: Stimulus material example with sustainability focus and high informationgap - curiosity-inducing advertisement (first-stage) Figure 2: Stimulus material example with sustainability focus - resolution advertisement (second-stage) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 51 Wissenschaft MOBILITÄT different prices. The design of the advertisements was evaluated as slightly negative by subjects, which could have also influenced assessment of the service and resulting active and passive innovation resistance. Conclusion It is found that curiosity positively influences certain active innovation resistance but does not so with passive innovation resistance regarding a new mobility service. Hence, curiosity functions as accelerator towards active innovation acceptance in this case. As the persuasion stage is also accountable for attitude formation towards the service, curiosity can be seen as actuator for developing more positive attitudes towards a new way of mobility. These results offer possibilities to derive guidance for practitioners as well as for future research. For new and sustainable mobility solutions to get used by passengers, curiosity can play a crucial role. By increasing curiosity, it could be shown that active innovation barriers can be significantly reduced, which makes it more probable that passengers really use these mobility services. This might be one step towards reducing greenhouse gas emissions from transport. This is because it might cause passengers to not use a private car but shared mobility solutions instead, which shifts the modal split in a productive direction. Future research on smart mobility could also investigate the privacy factor, which might also function as innovation barrier. Moreover, passive innovation resistance could be investigated in more detail by applying more personality-based behavior theories such as the OCEAN model. ■ REFERENCES [1] EEA, 2018. Greenhouse gas emissions from transport. European Environment Agency. 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Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe konstantin.krauss@isi.fraunhofer.de Information-gap (moderate vs. high) Curiosity R 2 =0.37; MSE=1.43; F(12,295)=16.96; p<0.001 Curiosity trigger (neutral) Evaluation of service 1 B=-0.14; SE=0.05; 95% bootstrap CI=[-0.25; -0.04] Usefulness 2 B=-0.20; SE=0.09; 95% bootstrap CI=[-0.40; -0.05] Complexity 3 B=-0.09; SE=0.06; 95% bootstrap CI=[-0.22; 0.03] Convenience 4 B=-0.15; SE=0.07; 95% bootstrap CI=[-0.30; -0.03] Risk 5 B=-0.07; SE=0.07; 95% bootstrap CI=[-0.23; 0.05] Resistance to change 6 B=-0.05; SE=0.05; 95% bootstrap CI=[-0.14; 0.04] Desirability of control 7 B=0.02; SE=0.05; 95% bootstrap CI=[-0.08; 0.13] b = -0.91 *** b = 0.22 ** b = 0.49 * b = 0.10 b = -0.10 b = 0.17 * b = 0.31 * b = 0.02 b = 0.08 b = 0.06 b = 0.05 b = 0.43 ** b = -0.02 b = 0.15 ** b = 0.41 *** n=308 * p<0.05; ** p<0.01; *** p<0.001 b = 0.66 * Figure 3: Results from moderated mediation analysis of curiosity on active and passive innovation resistance 1 R 2 = 0.35; MSE = 0.85; F(11,296) = 13.88; p < 0.001 2 R 2 = 0.34; MSE = 2.54; F(11,296) = 17.46; p < 0.001 3 R 2 = 0.10; MSE = 1.49; F(11,296) = 3.09; p < 0.001 4 R 2 = 0.33; MSE = 1.87; F(11,296) = 14.07; p < 0.001 5 R 2 = 0.10; MSE = 2.20; F(11,296) = 3.61; p < 0.001 6 R 2 = 0.29; MSE = 1.05; F(11,296) = 13.20; p < 0.001 7 R 2 = 0.14; MSE = 1.19; F(11,296) = 4.21; F < 0.001 Moderation model: R 2 = 0.38; MSE = 1.42; F(14,287) = 14.49; p < 0.001) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 52 Digitalisierungshürden bei-KMU schlau überwinden Hectronic als Lösungsanbieter für Parkraum- und Tankstellenmanagement setzt auf Data Analytics Digitalsierung, Data Analytics, KMU, Smart Data, Big Data, Tankinhalts-Management Digitalisierungsprojekte sind für große Unternehmen längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Trotz nachgewiesener (Wettbewerbs-) Vorteile sind kleine und mittlere Unternehmen aber oft noch zurückhaltend, wenn es um das Anstoßen und Umsetzen von Digitalisierungsvorhaben geht. Häufig fehlen ihnen Knowhow und Ressourcen, um den richtigen Zugang zu finden. Aber: Mit externer Hilfe können sie das eigene Potential erschließen und gewinnbringende Projekte initiieren. So geschehen bei der Hectronic GmbH, einem Lösungsanbieter für das Parkraum- und Tankstellenmanagement. Andreas Wierse V erfügen wirklich nur große Unternehmen über das erforderliche Datenvolumen, um erfolgreiche Digitalisierungsprojekte umzusetzen? Das ist ein Irrglaube, denn auch wenn die Begrifflichkeit „Big Data“ es suggeriert, ist nicht allein die Menge der Daten entscheidend. Auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) besitzen ausreichend Daten, die in Kombination mit weiteren externen Daten oder Informationen gewinnbringend sein können. Die Daten müssen lediglich eine gewisse Qualität und Varianz aufweisen. Sie sind zum Beispiel interessant, wenn sich Muster oder Verbindungen in ihnen erkennen lassen, die Erkenntnisse für die Prozessoptimierung liefern. Bei Smart-Data-Analysen geht es deshalb nicht nur um die mittels IT erfassten Datenmengen, sondern auch um die Zusammenführung mit weiteren Informationen - wie etwa die Erfahrungswerte von Technikern oder die Materialbeschaffenheit. Auf diese Weise können auch KMU aus ihren kleineren Datenmengen wertvolle Erkenntnisse ziehen und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Neutrale und kostenfreie Beratung Problematisch für KMU: Ob, wann und wie Big-/ Smart-Data-Technologien für das eigene Unternehmen lohnenswert sind, können sie oft schlecht einschätzen. Intern verfügen KMU selten über das erforderliche Fachwissen und/ oder die notwendigen Ressourcen - und bleiben so lieber auf vertrautem Terrain, anstatt Digitalisierungsvorhaben anzustoßen. Externe Unterstützung kann helfen, derartige Hürden zu überwinden und den Weg für die Digitalisierung zu ebnen. Mittlerweile existieren in den einzelnen Bundesländern zahlreiche Initiativen, Förderprogramme und Kompetenzzentren, die den ansässigen Unternehmen bei Bedarf Standortvorteile bieten - auch beim Einsatz von Industrie 4.0-Technologien. So berät beispielsweise das Smart Data Solution Center Baden-Württemberg (SDSC- BW, www.sdsc-bw.de) neutral und unabhängig zu Smart-Data-Technologien, mit finanzieller Unterstützung durch das Landesmi- Foto: Hectronic TECHNOLOGIE Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 53 Digitalisierung TECHNOLOGIE nisterium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK). 2014 von der Stuttgarter Sicos BW GmbH und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gestartet, bietet das Solution Center insbesondere eine kostenfreie Potentialanalyse. Diese Analyse wird von den Data-Analytics-Experten des KIT durchgeführt (Bild 1) und erlaubt den Unternehmen einen ersten Einblick in die Welt der Datenanalyse; sie lernen dabei erste Smart-Data-Technologien kennen und können anschließend besser einschätzen, wie sich Big und Smart Data auch in ihrem Unternehmensumfeld einsetzen lassen. Einzige Voraussetzung hierfür: Das interessierte Unternehmen muss die Daten zusammenstellen, den Experten übergeben und interne Anwendungsexperten für den Austausch mit den Data-Analytics-Experten benennen. Auf Basis der Analyse-Ergebnisse geben die SDSC-BW-Experten dann Handlungsempfehlungen hinsichtlich weiterer konkreter Schritte, benennen mögliche Einsatzfelder und stehen - wo erforderlich - als Begleiter bei der Umsetzung eines tiefergehenden Projekts zur Verfügung. Dass dies funktioniert, zeigt das Beispiel der Hectronic GmbH, die ein gemeinsames Projekt mit dem SDSC-BW durchgeführt hat. Praxisbeispiel: Hectronic GmbH Die Hectronic GmbH mit Hauptsitz im süddeutschen Bonndorf hat sich auf die Entwicklung intelligenter Systemlösungen für die Bereiche Parkraum-, Tankstellen- und Tankinhalts-Management spezialisiert. Die smarten Software-Lösungen des Mittelständlers ergänzen die bewährten Hardware-Komponenten und eröffnen neue Möglichkeiten hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Die intelligenten und aufeinander abgestimmten Hectronic-Systemlösungen für das Tankinhalts-Management ermöglichen beispielsweise die Überwachung der Tankfüllstände oder den Schutz der Lagertanks vor Leerlauf oder Überfüllung. Innerhalb der Systemlösungen werden viele verschiedene Sensordaten, wie beispielsweise Füllstand, Temperatur oder Druck (Dichte), aufgenommen. Für die Potentialanalyse mit dem SDSC-BW stellte Hectronic die Sensordaten verschiedener Füllmedien (Diesel, Benzin, E10) über einen Zeitraum von mehreren Monaten zur Verfügung. Die Motivation dahinter: Werden beim Auffüllen von Lagertanks zwei Medienarten, beispielsweise Diesel und Benzin, versehentlich vermischt, entsteht dem Tankstellenbetreiber ein großer Schaden. Aber auch andere Verunreinigungen, wie zum Beispiel Wasserablagerungen in den Tanks, müssen unter Qualitätsgesichtspunkten möglichst früh erkannt werden. Solide Informationen über den Zustand des eingelagerten Mediums sind von entsprechend großem Wert. Die Smart-Data-Analyse sollte deshalb Aufschluss geben, inwiefern eine Aussage über verschiedene Verunreinigungen auf der gegebenen Datenbasis möglich ist. Dazu mussten physikalische Abhängigkeiten (wie Verwirbelungen bei Betankungs- und Entleerungsvorgängen) sowie mögliche Vermischungen der Medien berücksichtigt werden. Darüber hinaus war von Interesse, inwieweit die aufgenommenen Messgrößen mit äußeren Einflüssen, wie beispielsweise der Temperatur, zusammenhängen. Das Vorgehen: Im Rahmen der Potentialanalyse verglichen die Experten des SDSC- BW die Datenqualität der verschiedenen Sensordaten untereinander. Auf Grundlage der am besten verwertbaren Daten überprüften sie dann die korrekte Kalibrierung der Füllstandniveaus bei Nutzung der neuen Sensorgeneration. Im Anschluss fertigte das Team ein Modell an, das die Abhängigkeit der Messgrößen von statistischen Störgrößen (wie Temperaturgradienten) eliminiert. Mithilfe des umfassend gewonnenen Datenverständnisses entwickelten die Experten auf Basis dieses Modells dann eine Methode, die den Typ des Füllmediums zuverlässig über die Sensordaten bestimmen kann. Die Potentialanalyse brachte in diesem Beispielfall zwei wesentliche Fortschritte: Zum einen gelang es dem Expertenteam des SDSC-BW, den Qualitätsindex, der die Reinheit und Qualität des Mediums misst, statistisch robuster zu machen. Zum anderen entwickelte es eine Methode, mit deren Hilfe eine Verunreinigung des Füllmediums bereits zu einem am Markt einzigartig frühen Zeitpunkt erfasst werden kann. Diese Methode kann zu einem zuverlässigen Frühwarnsystem ausgebaut werden, das der neuen Sensorgeneration von Hectronic einen entscheidenden, datengetriebenen Verkaufsvorteil schafft. Anliegen von Hectronic ist es nun, die Arbeit des SDSC-BW nachzuvollziehen und auf einer breiteren Datenbasis eigenständig nachzubauen. Außerdem möchte das Unternehmen in einem Folgeprojekt ein Frühwarnsystem für Medienverunreinigungen entwickeln - mit dem Ziel, Tankstellen künftig früher als bisher möglich vor einer möglichen Verunreinigung ihrer Lagertanks zu warnen. Internes Knowhow aufbauen Projekte wie dieses zeigen, dass es sich für KMU lohnt, Digitalisierungsvorhaben in Angriff zu nehmen. KMU sollten deshalb - unabhängig von möglicher externer Unterstützung - (auch) das notwendige interne Knowhow auf- und ausbauen. Rund um das Thema Data Analytics gibt es inzwischen zahlreiche KMU-spezifische Weiterbildungsprogramme, wie beispielsweise das Projekt „Data Literacy und Data Science für den Mittelstand“ oder das Projekt „Digital Mountains“. • Projekt „Data Literacy und Data Science für den Mittelstand: Weiterbildung und Qualifizierung“ Das Projekt (www.dataakademie.de) stärkt die Kompetenzen kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Erfassung und Auswertung massiver Datenmengen. Im Rahmen des Projekts gibt es zahlreiche praxisbezogene Schulungs- und Qualifizierungsangebote; bald auch in einem Blended-Learning-Format. • Projekt „Digital Mountains“ Dieses Projekt (www.digital-mountainshub.de) begleitet Gründer und Entscheider aus Industrie, Gesundheits-, Bildungssowie Feuerwehr- und Rettungswesen bei der digitalen Transformation ihres Unternehmens oder Bereiches. Im Rahmen des Handlungsfelds „Aus- und Weiterbildung“ bereitet es Beschäftigte auf die notwendigen Veränderungen vor; konkret vermittelt das KIT Wissen aus den Bereichen Data Analytics und Künstliche Intelligenz (KI). Externe Hilfestellung und zielgruppengerechte Weiterbildungsprogramme (bestenfalls die Kombination aus beidem) ebnen KMU den Weg, um eigene Digitalisierungsvorhaben zu entwickeln und umzusetzen - und von den entsprechenden Wettbewerbsvorteilen zu profitieren. ■ Andreas Wierse, Dr. Geschäftsführer Sicos BW GmbH, Stuttgart info@sicos-bw.de Bild 1: Zusammenschluss von Rechnern mit heterogenen Architekturen zu einem Verbund: Für den Benutzer stellt sich dieser Verbund wie ein einziger Superrechner dar. Foto: Forschungszentrum Karlsruhe Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 54 TECHNOLOGIE Künstliche Intelligenz Greift China bei KI nach der Führung? Das Rennen um die Vormachtstellung bei Künstlicher Intelligenz Vernetzte Fahrzeuge, Intelligente Service-Roboter, Erkennungssysteme China will bis 2030 im Bereich Künstliche Intelligenz führend werden. Gründe dafür sind wirtschaftliche und nationale Sicherheitsinteressen. Aufgrund der (noch) geringen Löhne hat das Land riesige Vorteile gegenüber Wettbewerbern wie den USA. Bereits jetzt stellt der Export von KI-Überwachungstechnologie eine Herausforderung dar. Dirk Ruppik B ereits im Jahr 2017 hat der chinesische Staatsrat den Next Generation Artificial Intelligence Development Plan veröffentlicht. Er skizziert den Weg Chinas zum ersten globalen Innovationszentrum für Künstliche Intelligenz (KI) in 2030. Die KI-Kernindustrie soll dann laut dem amerikanischen Time Magazin einen Wert von 148 Milliarden US-Dollar erreichen, zugehörige Industriebereiche den zehnfachen Wert. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte im gleichen Jahr: „Wer auch immer der Technologieführer in diesem Bereich wird, wird die Welt regieren.“ Der Direktor des Digital and Cyberspace Policy Program beim Rat für ausländische Beziehungen in New York nennt die bedeutenden wirtschaftlichen und nationalen Sicherheitsinteressen als Gründe für die extreme Motivation Chinas, Technologieführer in KI zu werden. „Der Nahe Osten besitzt enorm viel Öl, China dagegen kann das globale Zentrum für KI-Daten werden“, sagte Sheng Hua, Geschäftsführer der Mengdong Technology Ltd., der für Firmen wie Baidu, JD.com und Alibaba arbeitet. Gemäß dem Unternehmen hat China aufgrund der geringen Löhne riesige Vorteile gegenüber Wettbewerbern wie den USA. Das Land besitzt bereits seit 2018 eine Schule für KI, die von der University of the Chinese Academy of Sciences (UCAS) ins Leben gerufen wurde. Auch KI-Lehrbücher für Schüler werden bereits in Schulen ausgehändigt. Im Wissenschafts- und Technologiepark Bainiaohe Digital Town 50 km von der Hauptstadt von Guizhou Guiyang arbeiten unablässig hunderte Berufsschul- Studenten, um Fotos zu kennzeichnen und Sprache zu analysieren. Die generierten Daten werden dann für Projekte im Bereich Gesichts- und Spracherkennung sowie autonomen Fahren genutzt. Auch Mengdong ist in der digitalen Stadt beheimatet. Im berg- und wasserkraftreichen Guiyang befinden sich die Datenzentren und -server der drei größten Telekomunternehmen sowie Foxconn und Apple. Foto: Pete Linforth/ pixabay TECHNOLOGIE Künstliche Intelligenz Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 55 Künstliche Intelligenz TECHNOLOGIE Strategie: Next Generation Artificial Intelligence Development Plan Im „Next Generation Artificial Intelligence Development Plan“ werden auch die Herausforderungen bei der Entwicklung von KI genannt: „Die Unsicherheiten bei der Entwicklung von KI bringen neue Herausforderungen. KI ist eine umwälzende Technologie, die die Regierungsgeschäfte, wirtschaftliche Sicherheit sowie soziale Stabilität und selbst die Weltordnungspolitik beeinflussen kann. Dies kann zu Problemen bei der Veränderung der Beschäftigungsstruktur führen, die Gesetzgebung und Sozialethik beeinflussen, die Privatsphäre verletzen und die internationalen Beziehungen herausfordern. Während wir energisch KI entwickeln, müssen wir großen Wert auf die Vermeidung von möglichen Sicherheitsrisiken legen, die Vorsorge verstärken, die Risiken minimieren und die sichere, verlässliche und kontrollierte Entwicklung der Technologie gewährleisten.“ Die Regierung des Landes der Mitte erwartet, dass Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereits in 2020 auf dem gleichen Niveau wie führenden KI-Länder - namentlich die USA - sein werden. Schon fünf Jahre später sollen große Durchbrüche bei ausgewählten KI-Technologien erreicht werden. Diese sollen den Antrieb für die wirtschaftliche Transformation liefern. Im Finalstadium in 2030 will China das weltweit führende KI-Innovationszentrum sein, wodurch die eigene Rolle als wirtschaftliche Großmacht gestärkt werden soll. Im „Three-Year Action Plan for Promoting Development of a New Generation Artificial Intelligence Industry (2018-2020)“ werden laut New America (Washington) die Maßnahmen in diesem Zeitraum genauer beschrieben. Zunächst soll die Entwicklung intelligenter Produkte wie vernetzte Fahrzeuge, intelligente Service-Roboter und Videobild-Erkennungssysteme vorangetrieben werden. Bei den „Kerngrundlagen“ sollen technologische Durchbrüche im Bereich Netzwerk-Chips, intelligente Fertigung und 5G-Internet erreicht werden. Der gesamte Bereich wird durch das Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) beaufsichtigt. Der Plan fokussiert im Kern auf die tiefgehende Integration von IT und Fertigungstechnologie in Verbindung mit neuartiger KI-Technik, um China schnell in einer Großmacht im Bereich Fertigung und Internet zu transformieren. Muss die Welt Chinas KI-Dominanz fürchten? Tom Mitchell, Professor für Computer Science an der Carnegie Mellon University, meint, dass die USA zwar mehr Erfahrung beim Aufbau von Technologieunternehmen hat, doch China bei KI-Anwendungen, die auf Big Data basieren, vorne liegt . Wenn das Land z. B. entscheidet, landesweit medizinische Daten zu erheben, dann wird das umgehend durchgeführt. In den USA und anderen Ländern entstehen sofort Bedenken wegen der Privatsphäre. Die Trump-Regierung hat laut BBC News als Antwort auf „unfaire Methoden“, Zölle auf chinesische Produkte im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar erhoben. Darauf sind die chinesischen Investitionen in den USA in 2018 auf das niedrigste Niveau seit 2011 gefallen und betrugen nur 4,8 Mrd. USD (4,3 Mrd. EUR). Währenddessen sank das US-Investment in China um eine Milliarde auf 13 Mrd. USD (11,7 Mrd. EUR). Hochkarätige chinesische Firmen wie das Versicherungsunternehmen Anbang und die Kai-Fu Lee‘s Sinovation Ventures haben ihre US-Dependancen verkleinert. Huawei und ZTE verzeichneten aufgrund des US-Banns große Verluste. Sowohl amerikanische Universitäten als auch Unternehmen sind vorsichtiger geworden und überdenken ihre Beziehungen zu China. Prof. Mitchell denkt, dass Entscheidungsträger zwischen AI-Applikationen unterscheiden müssen, die einen gegenseitigen Gewinn darstellen, und Anwendungen, die wirklich konfliktbelastet sind, wie z. B. im Militärbereich. Der US-Beamte Dr. Christopher Ashley Ford, Assistant Secretary Bureau of International Security and Nonproliferation, hält die chinesischen Technologie-Unternehmen faktisch für Instrumente der Kommunistischen Partei. Diese sind mittlerweile tief in das Pekinger System der Unterdrückung im Lande verstrickt und entwickeln zunehmend weltweite aggressive strategische Ambitionen. Export von KI-Überwachungstechnologie Ende Dezember berichtete die Nikkei Asian Review, dass chinesische Unternehmen laut einem Bericht der Carnegie Endowment for International Peace intelligente Überwachungstechnologie in über 60 Länder exportiert haben darunter der Iran, Myanmar, Venezuela, Zimbabwe und andere Länder mit schlechten Menschenrechtsbilanzen. Im Carnegie-Bericht wird das Land der Mitte als weltweiter Treiber für „autoritäre Technologie“ bezeichnet. Autoritäre Regime könnten die Technologie nutzen, um ihre Macht auszuweiten und auch Daten ins Land zurückzusenden. Firmen wie Huawei, Hikvision, Dahua und ZTE lieferten die Überwachungstechnologie in 63 Länder. 36 dieser Länder sind Teil des chinesischen „One Belt, One Road (OBOR)“-Projekts. Huawei Technologies Co. als eines der führenden Unternehmen bei 5G-Technologie ist für den Export von KI-unterstützter Überwachungstechnologie in mindestens 50 Länder verantwortlich. Allerdings sind auch andere Länder am Export dieser Technologie beteiligt, so z. B. die Firma NEC aus Japan. Dieses Unternehmen lieferte die Überwachungstechnologie in 14 Länder, die amerikanische IBM Corp. in elf Länder. Und auch Frankreich, Deutschland und Israel spielen eine große Rolle in der Ausbreitung dieser Technologie. ■ Mobile World Congress. Foto: Huawei Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 56 Intelligente Park platzsuche mit Machine Learning Ein Konzept für die Verringerung des innerstädtischen Parksuchverkehrs Computersimulation, Geodaten, Geomarketing, Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Parkplatzsuche, Wahrscheinlichkeit Besonders in Innenstadtgebieten ist die Parkplatzsuche sehr zeitaufwendig, und je länger sie dauert, desto schädlicher wird sie für die Umwelt. In Spitzenzeiten beträgt der Parksuchverkehr in den Innenstädten geschätzt bis zu einem Drittel des eigentlichen Verkehrs. Wie lässt sich die Parkplatzsuche also effizienter gestalten? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS haben zusammen mit Partnern in dem Forschungsprojekt „Geiser“ daran gearbeitet, Geo- und Sensordaten für Anwendungen des Alltags besser nutzbar zu machen. Alexander Kister W ie lässt sich der Parksuchverkehr in den Innenstädten reduzieren? Ideen und Ansätze dazu gibt es schon länger - etwa mit Sensoren, die am Ort messen, ob ein Parkplatz belegt oder frei ist. Autofahrer könnten diese Daten abfragen und gezielt zu einem freien Parkplatz in der Nähe ihres Ziels navigieren. 1 Allerdings wären Aufbau und Instandhaltung eines solchen flächendeckenden Parkplatzsensoren-Netzwerkes mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Wissenschaftler*innen des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und ihre Partner haben in dem Forschungsprojekt „Geiser“ (siehe Infobox) daran gearbeitet, Geo- und Sensordaten für Anwendungen des Alltags besser nutzbar zu machen. Dabei wurde in Kooperation mit dem Unterneh- Foto: Mabel Amber / pixabay.de TECHNOLOGIE Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 57 Wissenschaft TECHNOLOGIE men TomTom der Prototyp eines intelligenten Parkassistenten entwickelt, der auch ohne Sensoren vorhersagen kann, wo und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein freier Parkplatz zu finden sein wird. Im Gegensatz zu anderen Lösungen wird hier keine zusätzliche Hardware benötigt: Der Assistent kann perspektivisch in Navigationsgeräte integriert oder via Smartphone genutzt werden. Dank Verfahren des maschinellen Lernens lernt der Assistent kontinuierlich hinzu und wird, auch wenn anfangs nur wenige Daten vorliegen, mit der Zeit immer zuverlässiger. Dieser Parkplatz ist zu 96 Prozent frei! Ortsansässige Fahrer finden in der Regel schneller einen Parkplatz als ortsfremde Fahrer. Das zeigt, dass die Beobachtung der üblichen Parksituation in einer bestimmten Region hilfreich für die Parkplatzsuche ist. Dieses Erfahrungswissen soll für den smarten Parkassistenten genutzt werden. Ziel ist es, ein Computersystem zu entwickeln, das in der Lage ist, Vorhersagen darüber zu treffen, ob in einem Straßenabschnitt ein Parkplatz frei sein wird oder nicht. Vorhersagen mit Hilfe eines Computers zu treffen, ist die wesentliche Aufgabe des Maschinellen Lernens, weshalb auch der „Geiser“-Prototyp diese Technologie nutzt. 2 Die initiale Schätzung als Anfangspunkt Welche Beobachtungen über die Parkplatzbelegung lassen sich also als Grundlage für das maschinelle Lernsystem verwenden? Auf den ersten Blick erscheinen die Fahrwege der Nutzer von Navigationssystemen als gute Quelle. In der Praxis zeigt sich aber, dass das Navigationssystem häufig vor Erreichen des Parkplatzes ausgeschaltet wird - und die Daten folglich gar nicht zur Verfügung stehen. Wesentlicher Grund ist die wiederholt freundliche, aber nervtötende Aufforderung des Systems, man möge bitte umkehren („Wenn möglich, bitte wenden“). Bisher erkennen die Systeme nämlich nicht, dass der Fahrer auf Parkplatzsuche ist. Der im Forschungsprojekt entwickelte Ansatz kann die Möglichkeiten der Navigationssysteme ergänzen oder erweitern: Auf Basis einer initialen Schätzung wird ein Parkplatz-Assistent erstellt, der seine Vorhersagequalitäten im Laufe der Nutzung stetig verbessert. Die Aufgaben des Parkassistenten sollen sein: 1. Den Nutzer in kürzester Zeit so nah wie möglich an sein Ziel bringen 2. Ständig bessere Schätzungen der Parkwahrscheinlichkeiten lernen Zwischen diesen beiden Zielen besteht jedoch ein grundsätzlicher Konflikt: Um Ziel 2 (ständig dazulernen) zu erreichen, müsste der Assistent den Autofahrer gezielt in solchen Straßen suchen lassen, für die nur wenige Beobachtungen vorliegen - selbst dann, wenn sein Algorithmus sich schon relativ sicher ist, dass in der Nähe des Ziels ein Parkplatz frei ist. Der Assistent würde damit Ziel 1 zuwiderhandeln. Um dieses Problem zu vermeiden, wählt der Algorithmus einen Mittelweg. Zufälle berücksichtigen Für Autofahrer erscheint die Parkplatzsuche häufig wie ein Glückspiel. Selbst in Gegenden mit vielen Parkplätzen kann man Pech haben und keinen freien Platz finden. Diese Zufälligkeit muss bei der Konzeption eines Parkassistenten berücksichtigt werden. Gleichzeitig gibt es aber zu manchen Straßen auch ein spezifisches Vorwissen: Zum Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Stadtautobahn parken zu können, sehr gering, weil am Straßenrand von Autobahnen in der Regel keine Parkplätze existieren. Die drei Komponenten des Parkassistenten Der Parkassistent kann als aktives lernendes System in Navigationsgeräte oder Smartphones implementiert werden. Er hat im wesentlichen drei interagierende Komponenten: den Speicher, den Aktor und den Lernalgorithmus. Der Speicher Im Speicher befindet sich das Wissen des Systems. Um die Zufälligkeit der Parkplatzbelegung zu berücksichtigen, wird das Wissen durch die Parameter eines probabilistischen Modells repräsentiert. Dieses Modell nimmt an, dass die Wahrscheinlichkeit, in einem gegebenen Straßenabschnitt zu einer gegebenen Tageszeit parken zu können, zwar unbekannt, aber (zumindest für einen längeren Zeitraum) fix ist. Liegen genügend Erkenntnisse - also Beobachtungen von Parkversuchen für einen Straßenabschnitt in einem bestimmten Zeitraum - vor, kann die Parkwahrscheinlichkeit durch die Häufigkeit der Parkerfolge abgeschätzt werden. Doch in der Regel liegen zu wenige Beobachtungen vor. Um auch in einem solchen Fall eine Aussage treffen zu können, bietet sich das Bayesian Framework an (siehe Infobox). So ist es möglich, einer Straße nicht nur einen einzigen Schätzwert für die Parkwahrscheinlichkeit zuzuordnen: Das System kann Wahrscheinlichkeiten, die plausibler erscheinen als andere, auch höher gewichten. 3 HINTERGRUND Bayesian Framework - Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten Im Bayesian Framework wird das Wissen über unbekannte Größen nicht durch einen einzigen Schätzwert, sondern durch eine Gewichtung aller möglichen Ausprägungen der Größe dargestellt. Diese Gewichtung, die im Rahmen des Frameworks üblicherweise als Dichte bezeichnet wird, wird vom Lernalgorithmus abhängig von den bisher gemachten Beobachtungen berechnet: Je mehr Beobachtungen vorliegen, desto stärker konzentriert sich die Dichte auf einen Wert, und je weniger Punkte vorliegen, desto größer ist die Varianz der zur Dichte gehörenden Verteilung. Der Lernalgorithmus, der dieses leistet, ergibt sich aus dem Satz von Bayes. Die Dichte selbst ist durch zwei Parameter repräsentiert und diese Parameter repräsentieren das Wissen des lernenden Systems. [3] HINTERGRUND Forschungsprojekt „Geiser“ Das Projekt „Geiser“ wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und im Jahr 2019 abgeschlossen. In dem Konsortium aus Großunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen wurde eine offene, cloudbasierte Plattform zur Akquise, Transformation, Speicherung, Integration, Qualitätssicherung, Verarbeitung und Auslieferung von auf Geo- und Sensordaten basierenden Diensten entwickelt. Die beteiligten Partner waren USU Software AG, Universität Leipzig, YellowMap AG, metaphacts GmbH, Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und TomTom. www.projekt-geiser.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 58 TECHNOLOGIE Wissenschaft Das System integriert also immer neue Beobachtungen in seinen Wissensstand. Es muss jedoch am Anfang, wenn noch keine (eigenen) Beobachtungen vorliegen, einen initialen Wissensstand vorweisen. Dieses initiale Wissen wird auch Vorwissen genannt und kann sehr konkret sein, wie im obigen Beispiel der Stadtautobahn, oder sehr vage. Das Vorwissen ist dann „am vagsten“, wenn jede Parkwahrscheinlichkeit von 0 bis 1 mit gleicher Wahrscheinlichkeit in Frage kommt (dies entspricht der Dichte der Uniformenverteilung über [0,1]). Um Vorwissen für den Parkassistenten zu finden, lohnt es sich, sich noch einmal in die Situation eines ortsfremden Fahrers zu versetzen: Der ortsfremde Fahrer kann das Wissen, das er in anderen Städten gesammelt hat, auf die unbekannte Stadt übertragen, so ist etwa die Parkplatzsuche in dicht bebauten Wohngebieten nach Feierabend in der Regel schwer. Um das Vorwissen des Parkplatzassistenten zu definieren, verwenden wir daher die Distanzen zu Points of Interest (POIs), um eine Straße zu charakterisieren. Die POIs werden in einer Ontologie erfasst, und mit Hilfe eines probabilistischen Modells wird eine initiale Dichte über die Parkwahrscheinlichkeiten errechnet. Der Aktor Der Aktor hat die Aufgabe, dem Nutzer auf Basis des aktuellen Wissensstands eine Suchroute vorzuschlagen. Die Definition dieses Aktors beeinflusst entscheidend, inwieweit die obigen zwei Ziele erreicht werden. Der Aktor nutzt das Prinzip des Thomson Sampling, um einen Ausgleich zwischen den obigen zwei Zielen zu erreichen. Das Thomson Sampling ist eine besondere Art, das Wissen, das unser Assistent als Dichten über mögliche Parkwahrscheinlichkeiten modelliert, zu verwenden: Bevor der Aktor eine Aktion ausführt, wird von jeder Dichte über die Parkwahrscheinlichkeiten ein Sample gezogen. Dieses Sample ergibt eine Straßenkarte mit möglichen Parkwahrscheinlichkeiten. Der Aktor verwendet nun die vom Sampler erzeugte Karte, um darauf eine Parkplatzsuchroute zu berechnen. Der Lernalgorithmus Der Lernalgorithmus verwendet die beim Befolgen der vom Aktor vorgeschlagenen Suchroute gemachten Beobachtungen, um die im Speicher befindliche Information zu ergänzen. Um zu verstehen, wie der Ausgleich zwischen den oben genannten Zielen 1 und 2 geschieht, stellen wir uns vor, dass der Aktor den Sampler nicht nur einmal, sondern zweimal anfragt. Liegt im Speicher schon viel Wissen über den Kartenausschnitt vor, werden sich die vom Sampler erzeugten Karten kaum unterscheiden; liegt wenig Wissen vor, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die erzeugten Karten stark unterscheiden. Das bedeutet: Unterscheiden sich die Karten sehr wenig, werden sich die Suchrouten kaum unterscheiden; unterscheiden sie sich stark, ergeben sich sehr unterschiedliche Suchrouten. Im Anwendungsfall wird vom Sampler nur eine einzige Karte erzeugt, und der Aktor empfiehlt dem Fahrer die gemäß dieser Karte optimale Suchroute. Hält der Fahrer an und parkt, werden die während der Suche gemachten Beobachtungen mithilfe eines Lernalgorithmus in das probabilistische Modell des Speichers integriert. Computersimulation mit zwei Versuchsanordnungen In einer Computersimulation wird ein Teil des Berliner Prenzlauer Bergs als Testgebiet definiert. Da es keine Daten über die tatsächlichen Parkwahrscheinlichkeiten gibt, werden diese mit einem geeigneten Verfahren ausgelost. Dazu wird der ungünstigste Fall hinsichtlich des Vorwissens betrachtet, nämlich der, dass es kein konkretes Wissen gibt. Für den Versuch wird angenommen, dass im Testgebiet 50 Parkplatzsuchen durchgeführt werden. Während dieser 50 Versuche wird das Wissen über die Parkwahrscheinlichkeiten immer weiter aktualisiert. Jede Suche wird durch ihren Ausgangspunkt und ihren Zielpunkt bestimmt. Da in der Simulation nur ein Kartenausschnitt betrachtet wurde, befinden sich die Ausgangspunkte auf den Straßen am Rande des Gebiets und die Zielpunkte innerhalb des Gebiets. Dabei werden zwei Versuchsanordnungen betrachtet: 1. Eine Suche wird mehrmals durchgeführt, d. h. ein Fahrer versucht mehrmals, von einem fixen Ausgangspunkt zu einem fixen Ziel zu fahren. 2. Für jede der 50 Suchen werden ein anderer Ausgangspunkt und ein anderes Ziel ausgelost. In den Versuchsanordnungen sind zwei Größen von Interesse: Suchdauer und Wissensstand, wobei die erste Versuchsanordnung verwendet wird, um die Suchdauer zu untersuchen, da bei zufälliger Wahl von Start und Ziel die Suchdauern schon allein aufgrund dieser Parameter schwanken. Die Suchdauer setzt sich zusammen aus der Fahrdauer und dem anschließenden Fußweg. Diese Suchdauer ist selbst bei Kenntnis der tatsächlichen Parkwahrscheinlichkeiten zufällig. Es ist also interessant, wie lange die Suche im Mittel dauert. Um den Lernfortschritt zu untersuchen, werden diese Größen als Funktionen der Versuchsanzahl betrachtet. Bild 1 zeigt, dass mit steigender Versuchsanzahl die mittlere Suchdauer sinkt. Der Vergleich zwischen dem Median und dem Mittel der Suchdauer zeigt, dass an- Bild 1: Mittlere Suchdauer, abhängig von der Anzahl der Parkversuche (wobei Start und Ziel über alle 50 Versuche fix sind) Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 59 Wissenschaft TECHNOLOGIE fangs der Mittelwert sehr stark von Ausreißern, d. h. außergewöhnlich langen Suchen, beeinflusst wird. Bei der zweiten Versuchsanordnung wird der Wissenszuwachs betrachtet. Hier wird die Varianz der Verteilungen über die Parkwahrscheinlichkeiten als das Maß für Wissen verwendet. Je kleiner diese Varianz ist, desto sicherer ist sich der Algorithmus. Bild 2 zeigt Statistiken über die Varianz der Parkwahrscheinlichkeiten. Die Gesamtheit, auf die sich diese Statistiken beziehen, sind alle Straßenabschnitte des Testgebiets. Mit zunehmender Versuchszahl sinkt die Varianz, was bedeutet, dass das Wissen wächst. Besonders interessant sind hier die Quantile: Das 50-Prozent- Quantil ist der Varianzwert, für den eine Hälfte der Straßen eine größere Varianz und die andere Hälfte eine kleinere Varianz besitzt. Die niedrigeren Quantile sinken mit der Anzahl der Parkversuche, wobei das 25-Prozent- Quantil schneller sinkt als das 50-Prozent-Quantil. Ausblick Damit KI-Systeme zuverlässig funktionieren, werden viele und vor allem qualitativ hochwertige Daten benötigt. In vielen Situationen liegen aber nicht genug Daten vor. Im „Geiser“-Projekt wurde eine Lösung erarbeitet, die es KI-Systemen ermöglicht, auch mit kleinen Datenmengen anwendungstaugliche Ergebnisse zu produzieren. Dabei steht das maschinelle Lernen im Fokus: So kann der intelligente Parkassistent trotz geringer Datengrundlage seine Prognosen zu wahrscheinlich freien Parkplätzen fortlaufend verbessern. Je länger der Assistent im Einsatz ist, desto zuverlässiger wird er. Dieser Ansatz ist innovativ, weil er in allen Szenarien zum Einsatz kommen kann, in denen es zwar an historischen Daten mangelt, es aber möglich ist, in der Einsatzzeit Daten zu sammeln. ■ 1 „In Spitzenzeiten beträgt der Parksuchverkehr in den Innenstädten bis zu einem Drittel des eigentlichen Verkehrs, also ein Drittel der Autofahrer fahren nur herum, weil sie einen Parkplatz suchen.“ Prof. Dr. Barbara Lenz in: Schmickler, Marion (2019): Jedes dritte Auto auf Parkplatzsuche. Tagesschau 23.03.2019. www.tagesschau.de/ inland/ verkehrswende-interview-101.html (Abruf am 14.04.2020) 2 In der Publikation „Prediction Machines“ [1] wird der Begriff „Vorhersage“ knapp als das Auffüllen von Wissenslücken definiert. Eine Vorhersage beruht also immer auf bestehendem Wissen, das verwendet wird, um noch nicht gemachte Beobachtungen vorherzusagen. Das bereits bestehende Wissen liegt in der Regel schon als Datensatz vor. 3 Matt Taddy, Vice President of Economic Technology and Chief Economist for North America bei Amazon, beschreibt die Fähigkeit, kontinuierlich Daten zu erzeugen und von diesen zu lernen, als eine wesentliche Eigenschaft von KI-Systemen: „Beyond ML and domain structure, the third pillar of AI is data generation. I’m using the term ‘generation’ here, instead of a more passive term like ‘collection’, to highlight that AI systems require an active strategy to keep a steady stream of new and useful information flowing into the composite learning algorithms”. [2] LITERATUR [1] Agrawal, Ajay; Gans, Joshua; Goldfarb, Avi (2018): Prediction machines: the simple economics of artificial intelligence. Harvard Business Press [2] Taddy, Matt (2018): The technological elements of artificial intelligence. No. w24301. National Bureau of Economic Research [3] Mehr zum Satz von Bayes: de.wikipedia.org/ wiki/ Satz_von_Bayes Alexander Kister, Dr. Data Scientist, Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, Sankt Augustin alexander.kister@iais.fraunhofer.de WEITERBILDUNG ONLINE Datenanalyse und Maschinelles Lernen Als Teil der größten Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa ist das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS mit Sitz in Sankt Augustin bei Bonn eines der führenden Wissenschaftsinstitute auf den Gebieten Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen und Big Data in Deutschland und Europa. Zum Schulungsangebot des Fraunhofer IAIS gehört die Weiterbildung zum „Data Scientist“. Die einbis zweitägigen interaktiven Online-Schulungen mit maximal zwölf Teilnehmenden erlauben es, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Weitere Informationen unter: www.iais.fraunhofer.de/ online-datascientist Bild 2: Statistiken (bezogen auf das Versuchsgebiet) über die Varianz der Straßen Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 60 TECHNOLOGIE Interview „Ich glaube nicht an eine absolute Digitalisierung“ An der Digitalisierung auch im Verkehrsbereich scheint kein Weg vorbei zu führen, und doch ist sie ein echtes Ja-aber-Thema. Das zeigt sich einmal mehr an der Diskussion um die sogenannte Corona-App, die mithilfe von Bewegungsdaten warnen soll, wenn positiv getestete Menschen in der Nähe sind. Wer kann aber vorhersagen, ob die zunehmende Digitalisierung fast unmerklich unseren Alltag bestimmt? Lassen sich die Auswirkungen auf Gesellschaft und Privatheit überhaupt realistisch einschätzen? Fragen von Eberhard Buhl an den Informatiker Prof. Dr. Edy Portmann, der am Human-Centered Interaction Science and Technology (IST) Institut der Universität Freiburg im Üechtland in der Schweiz lehrt. Herr Prof. Portmann, Mobilität gilt als Grundrecht. Doch die gewohnte, eher intuitive Weise des Unterwegsseins stößt vor allem zur Rushhour in Städten oft an ihre Grenzen. Die Digitalisierung des Verkehrs soll es richten. Werden wir also unsere Mobilität von morgen Algorithmen überlassen müssen? Edy Portmann: Schauen Sie, ich bin ein Smart-City-Forscher, der die Menschen ins Zentrum der Digitalisierung unserer Städte sowie Regionen stellen will. Dazu gestalten mein Team und ich am Human-IST Institut der Universität Freiburg in der Schweiz transdisziplinär unsere „komplexe Zukunft mit intelligenten Maschinen“, wie es Joichi Ito in seinem Manifest „Resisting Reduction“ aufzeigt. Transdisziplinär bedeutet hier, dass wir unter Einbezug der Wirtschaft, der Öffentlichen Hand sowie der Gesellschaft, über akademische Disziplinen wie beispielsweise Psychologie, Soziologie sowie Design und Technik hinausgehen. Und um das zu tun, greifen wir vielfach auf naturinspirierte Methoden und Modelle zurück. Unsere Natur liefert uns nämlich ein wunderbares Modell eines komplexen, adaptiven Systems. Ein erstes Verständnis für solch komplexe adaptive Systeme wurde im Santa Fe Institute von John Holland und Murray Gell- Mann entwickelt. Es sollte als Paradigma für die Gestaltung künstlicher, naturinspirierter Intelligenz und somit smarter Städte und Regionen dienen, die unter anderem auf urbanen Daten und maschinellem Lernen aufbauen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Im Jahr 2015 prognostizierte „The Guardian“, dass wir 2020 zu permanenten Rücksitzfahrern werden. Das Jahr ist hier, aber die selbstfahrenden Autos sind es - noch - nicht. Sie können heute ein Auto kaufen, das automatisch für Sie bremst, Ihnen hilft Ihre Spur zu halten oder eines, dessen Autopilot hauptsächlich das Fahren auf der Autobahn beherrscht. Alternativloses Überlassen der Mobilität sähe anders aus - nicht wahr? Alternativlos muss vielleicht nicht sein, dass aber ein Algorithmus in manchen Dingen, etwa Reaktionsschnelligkeit, den Menschen um Längen schlägt, erscheint ja unstrittig. Welche Vorteile können uns real daraus erwachsen - und müssen es auch, um das Vertrauen menschlicher Nutzer zu erlangen? Im Jahre 1987 entwickelte Ernst Dickmanns an der Universität der Bundeswehr in München das erste selbstfahrende Auto. Es konnte auf einer normalen Straße mit 90 Kilometern pro Stunde fahren. Seither sind mehr als 30 Jahre verflossen und dabei hat sich in der Algorithmik viel getan, aber selbstfahrende Autos sind - noch - nicht wirklich da. Trotz sehr großer Anstrengungen namhafter Automobilbauer sind vollständig autonome Autos immer noch außer Reichweite. Und das liegt wohl nicht nur an den Algorithmen sowie deren Sicherheit, Präzision oder Effizienz, sondern an der Akzeptanz durch die Menschen. Neben dem Potenzial von Künstlicher Intelligenz, die laut Rolf Pfeifer mehr ist als nur Algorithmik, stellt sich nämlich immer die Frage, ob wir diese Technologien auch wollen. Als Bankomaten aufkamen, lehnten viele von uns diese noch ab; heute geht es nicht mehr ohne sie. Sie wurden zur Gewohnheit, weil wir über die Zeit lernten, diesen Maschinen zu vertrauen. Die Macht der Gewohnheit prägt nämlich unseren Alltag - sei es unsere Arbeit, das Konsumverhalten oder den Kontakt mit anderen Menschen. Ob das Maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz im Mobilitätseinsatz auch gelingt, wird die Zeit zeigen. Unabhängig davon ist es wohl keine schlechte Idee, sich mit dieser neuen Mobilität zu beschäftigen. Denn wer frühzeitig mit ihr Erfahrungen sammelt, wird wohl auch von dieser profitieren. Und wer kann einem so digitalisierten Verkehrsumfeld unter dem Strich wirklich profitieren? Das ist eine schwierige Frage, denn sie hängt mit der Technikakzeptanz der Menschen zusammen. Aber wie kriegt man diese Akzeptanz hin? An meinem Institut beschäftigen wir uns auch damit, möglichst alle zu Nutznießern der Digitalisierung zu machen. Unseres Erachtens braucht es dazu eine ganzheitliche, transdisziplinäre Herangehensweise. So brauchen wir womöglich neue Erfolgsbeteiligungsmodelle wie Louis Kelso‘s „Employee Stock Ownership Pläne“ (ESOP). Diese Modelle ermöglichen auch Mitarbeitenden Eigentumsrechte. Indem wir in der Digitalisierung das Kapital „demokratisieren“, können wir allen Menschen neue Perspektiven geben und diese so von der Technik überzeugen. In Zukunft sollten wir wohl alle Mitmenschen am Erfolg neuer Verkehrslösungen beteiligen, sonst sind Widerstände vorprogrammiert. Als Beispiel: Sie fahren für mein Taxiunternehmen und ich komme mit der - aus Ihrer Sicht „dummen“ - Idee, autonome Autos anzuschaffen. Sie sehen den Nutzen dieser Technologie - noch - nicht und nehmen diese als Bedrohung wahr. Sind Sie aber am Unternehmen mit Aktien am Erfolg beteiligt, ist diese Idee - aus Ihrer Sicht - plötzlich nicht mehr so dumm, denn Sie verdienen nun nicht bloß einen Lohn, sondern verdienen auch an den selbstfahrenden Autos. Und wenn Sie smart sind und das Bedürfnis Ihrer Kundschaft nach menschlicher Interaktion erfassen, dann mixen Sie nun im Fond Ihres Taxis Cocktails und verdienen so zusätzlich. So könnten ESOP-Modelle helfen, unser Kapital zu demokratisieren und dadurch alle am Erfolg zu beteiligen. Dies kann uns die Angst vor der Digitalisierung nehmen. Ich hoffe deshalb sehr, dass wir solche Modelle ausloten, um uns dementsprechend alle zu Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 61 Interview TECHNOLOGIE künftigen Nutznießern des digitalisierten Verkehrs zu machen. In so einem Umfeld werden wir uns dabei vermutlich in „smarten“ Ökosystemen immer stärker von Einzelkämpfern zu Teamplayern verändern. Spätestens hier kommt ja die Datenfrage ins Spiel: In Produktion und Logistik ist es oft schon üblich, Bauteile oder Sendungen mittels Sensoren zu tracken und die gesamte Lieferkette transparent zu machen. Das erscheint sinnvoll, sobald aber personalisierte Daten mit ins Spiel kommen, etwa bei Bestellungen oder gar Gesundheitsdaten, erscheint Vorsicht geboten. Lässt sich überhaupt hinreichend klären, wer solche Daten besitzt oder besitzen darf und wer das Sammeln, Analysieren und Nutzen kontrollieren soll? Moderne Dienste und Produkte sammeln Unmengen von Daten, was Shoshana Zuboff als Überwachungskapitalismus bezeichnet. Sie stört sich an der Kollision mit Werten wie Freiheit, Demokratie und Privatsphäre. Laut Jaron Lanier und Glen Weyl kann die Vormacht dieser Art des Kapitalismus aber überwunden werden. Dazu sollten wir die heutigen Überwachungskapitalisten für ihre - gegenwärtig noch - Gratisdienste bezahlen, sie uns aber im Gegenzug für die Verwendung unserer Daten. Gegenwärtig werden ihre Dienste und Produkte nämlich von Drittfirmen finanziert, die wir nicht kennen, die uns aber manipulieren. Das hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Märkte, sondern auch auf unsere Demokratie, da diese Firmen anhand unserer Daten nicht nur uns sehr gut kennen, sondern laut Lanier, Weyl und Zuboff auch immer mehr versuchen, uns - etwa mit Maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz - zu steuern. In ihrem Entwurf einer digitalen Gesellschaft schreiben Lanier und Weyl, dass wir „alle Urheberrechte unserer persönlichen Daten, die es ja tatsächlich nur gibt, weil es uns gibt, besitzen sollten“. Um diesen Entwurf umzusetzen, schlagen sie vor, Intermediäre zu schaffen, die sich vermittelnd um unsere Datenangelegenheiten kümmern, und denen wir vertrauen können. Ich stehe hinter diesem originellen Entwurf, in welchem in Europa etwa öffentliche Infrastrukturanbieter als Intermediäre dienen könnten, welche die Privatheit unserer Daten regulatorisch berücksichtigen. Dieser könnte dann auch mit ESOP-Varianten kombiniert werden. Das wäre doch ein neuer, digitaler Leistungsauftrag für die Post und Co. - oder nicht? Jedenfalls klingt die Idee nach dem Königsweg zu vollkommener Sicherheit, aber ist dieses Versprechen - wiederum dank Künstlicher Intelligenz - überhaupt erfüllbar? Seit den alten Griechen, die perfekte Quadrate und vollkommene Kreise mathematisch darlegten, ist der Westen auf der Suche nach hundertprozentiger Sicherheit. Doch leider gibt es dies nicht und das Versprechen ist so nicht erfüllbar. Aber zum Glück gibt es Alternativen aus dem Osten. So stehen beispielsweise das japanische Wabi-Sabi-Konzept, das von der Schönheit des Imperfekten, Unvollkommenen und Vergänglichen ausgeht, und das taoistische Yin-Yang-Konzept, das eine gleichwertige und symbiotische Dynamik sowohl in uns wie auch in unserem Universum betont, im Kontrast zu unserem westlichen Denken. Wir sollten also besser damit beginnen, von KI-Systemen, die mittels Autonomie intelligent werden, zu sprechen. Statt unsere analogen Gehirne mit perfekter Technologie zu vergleichen, sollten wir besser künstliche Intelligenzen in spe nach diesen imperfekt und approximativ arbeitenden Denkapparaten schaffen. Das wäre nicht nur natürlicher, sondern auch ehrlicher. Angenommen, das schaffen wir. Sind autonom intelligente KI-Systeme uns dann generell „wohlgesonnen“, also objektiv? Mit anderen Worten: Wie lang wird es wohl dauern, bis der Mensch die KI in seinem Sinne korrumpieren wird, um mehr Macht oder wirtschaftliche Vorteile zu gewinnen? Bereits heutige Künstliche Intelligenz ist befangen. Ein Beispiel: „Falsche Freunde“ bei LinkedIn, die ihre Schulden nicht oder zu spät begleichen, könnten Ihnen selbst einen Kredit verunmöglichen. Dank Maschinellem Lernen ordnet die KI von LinkedIn Sie nämlich möglicherweise der Klasse „kreditunwürdig“ zu. Da das vermeintliche Gratismodell unserer Überwachungskapitalisten aus dem Silicon Valley, zu denen ich hier LinkedIn einfach einmal dazuzähle, auf Verkauf gelernter Modelle an Dritte - die Ihnen nicht bekannt sind - basiert, besteht die Möglichkeit, dass auch Ihre Hausbank diese KI-Modelle gekauft hat und anhand dieser Entscheidungen trifft. Ergo: Die in den Diensten dieser „Kapitalisten“ - aber auch des chinesischen Sozialkreditsystems, das Wohlverhalten belohnt - stehende KI will nicht für Sie, sondern für ihre Eigner Vorteile erlangen. Darum braucht es meines Erachtens erklärbare Künstliche Intelligenz sowie interaktives Maschinelles Lernen, das den Menschen ins Zentrum stellt. Diese kollaborativen Methoden beziehen den Menschen in den Lernprozess der KI mit ein und erhöhen so unter anderem die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit dieser Systeme. Solche emergenten Technologien werden es uns erlauben, erkannte Falschdaten in einer Interaktion mit der KI zu korrigieren. Das verhindert zwar nicht vollumfänglich, dass boshafte Menschen KI-Systeme korrumpieren, aber zumindest bedeutet es einen Schritt nach vorne in die richtige Richtung. Mit Blick auf menschzentrierte Systeme entwickeln wir an unserem Human-IST Institut gemeinsam mit öffentlichen Infrastrukturanbietern solche „demokratischeren“ KI-Systeme. Kann denn angesichts der schieren Datenfülle - Big Data mal als Schlagwort - überhaupt jemand außer vielleicht dem Programmierer erkennen, ob Al- Prof. Dr. sc. inf. Edy Portmann … … ist Professor für Informatik und Förderprofessor der Schweizerischen Post am Human- IST Institut der Universität Freiburg (CH). Zu seinen transdisziplinären Forschungsschwerpunkten zählt das Thema Cognitive Computing sowie die Anwendung dessen auf Städte. Er studierte Wirtschaftsinformatik, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre und promovierte in Informatik. Er war u.a. bei Swisscom, PwC und EY tätig. Zudem forschte er an den Universitäten Singapur, Berkeley und Bern. edy.portmann@unifr.ch Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 62 TECHNOLOGIE Interview gorithmen fehlerhaft oder manipuliert sind, ob Daten missbraucht werden? Oder wird das Versprechen von höherer Sicherheit und Transparenz nicht schon durch die Datenflut ad absurdum geführt? Das kann meines Erachtens niemand vollständig garantieren. Es gibt allerdings approximative Methoden, beispielsweise aus der Spieltheorie, die ein allmähliches Herantasten an die sinnbildlichen Asymptoten von Optimierung, Sicherheit und Transparenz erlauben. Herbert Simon zeigte auf, dass man Faustregeln brauchen könnte, um in einer unsicheren Welt an Entscheidungen herangehen zu können. Das erlaubt, nach Ergebnissen, die „gut genug“ sind, Ausschau zu halten. Unsere Städte und Regionen vertrauen immer mehr auf Daten, die als Grundlage eines Maschinellen Lernens dienen. Aber das komplexe, adaptive Stadtsystem -respektive jenes unserer Regionen - ist nicht durch Daten, Maschinelles Lernen oder Künstliche Intelligenz alleine fassbar. Es gilt auch hier, gegen Reduzierung einzutreten. Und wie ich zuvor bereits feststellte, benötigen wir dazu wohl ein naturinspiriertes Update unserer technischen Systeme. Für Nachhaltigkeit gegenüber uns sowie unserer Umwelt braucht es meines Erachtens eine naturinspirierte Mathematik, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaft, die mit Vagheit und Unsicherheit umgehen kann und dadurch den Bau autonomer Organismen erlaubt. Unsere Systeme sollten meiner Meinung nach nicht mit traditionellen, quantitativen und analytischen Techniken alleine untersucht werden. Mit zunehmender Komplexität nimmt nämlich unsere Fähigkeit, präzise und dennoch bedeutende Aussagen machen zu können, so stark ab, dass sich Präzision und Relevanz gegenseitig ausschließen. Ihre im Raum stehende Frage lässt keine belastbaren Abwägungen mehr zu, insofern sie nur auf traditioneller Datenanalyse beruhen. Jede exakte, quantitative Analyse menschlicher Systeme ist mit Vorsicht zu genießen, denn hohe Komplexität ist unvereinbar mit absoluter Ja-Nein- Präzision. Daher können wir wohl immer weniger feststellen, ob ein Algorithmus fehlerhaft oder manipuliert worden ist, oder ob Daten missbraucht wurden. Es gibt ja auch die Gegenströmung. Einige Wissenschaftler wollen „Menschen so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen“ und autonom intelligenter werdenden Systemen das Feld komplett überlassen. Koppeln wir damit die digital-abstrakte Welt ab von einer analog-physischen Welt, die der Mensch „begreifen“ kann? Auch das ist eine schwierige Frage, die ich nicht abschließend beantworten kann. Aus der Sicht eines angewandten Philosophen könnte man sagen, dass sich die selbstfahrenden Autos erst einmal im hektischen Verkehr moderner Stadtwelten behaupten sollen. Die Frage, die hier Luciano Floridi stellt, ist, ob wir die künftigen Städte und Regionen für autonome Autos optimieren wollen. Er veranschaulicht dies am Beispiel mit dem roombafreundlichen Wohnzimmer, in dem man die Couch gewechselt hat, damit der Staubsaugerroboter nun auch unter dem Sofa saugen kann. Wenn man aber die Städte und Regionen nicht für autonomes Fahren optimiert, gibt es meines Erachtens noch offene Fragen, die vor der flächendeckenden Einführung beantwortet werden müssen. Wie erkennt das Auto den Kontext beziehungsweise die Semantik seiner Umgebung? Wie macht es den Unterschied zwischen einem in die Straße hängenden Blatt einer Pflanze und dem in die Fahrbahn springenden Kind aus? Wann bremst es? Immer? Ein selbstfahrendes Auto erkennt höchstens eine Ampel als Auslöser einer Aktion - und das ist sein Problem. Es nimmt die Umwelt nur durch ein Guckloch wahr, wir Menschen aber spüren diese, nehmen sie mit all unseren fünf Sinnen wahr. Die Komplexität dieser Sensorik geht einvernehmlich mit der Komplexität unseres Gehirns einher. Um das zu erforschen, sollten wir also als Metapher eben besser „analoge elektronische Organismen“ als „Digitaltechnologie“ verwenden. In jedem Fall besteht doch aber die Möglichkeit, dass wir am Ende sehenden Auges und ohne Widerstand eine wesentliche Errungenschaft westlicher Gesellschaften freiwillig aus der Hand geben: unsere Entscheidungsfreiheit … … hoffentlich nicht. Ich bin der starken Überzeugung, dass Europa hier aufstehen und den Humanismus verteidigen sollte. Wir Europäer entwickelten nach der Aufklärung Demokratien und föderale Strukturen, die es besonders in Zeiten der Digitalisierung und Maschinenintelligenz zu verteidigen gilt. Wir sollten uns mit frischen Ideen zum einen dem Überwachungskapitalismus und zum anderen dem chinesischen Sozialkreditsystem widersetzen. Hubert Österle charakterisiert solche Ideen als Basis seines „Life Engineering“. Generell sollten wir den Menschen und dessen Glück wohl - wieder - ins Zentrum unserer Entwicklungen stellen und nicht etwa Daten, Maschinelles Lernen oder Künstliche Intelligenz. Es geht doch vielmehr darum, dass wir in unserer europäischen Antwort einen Weg aufzeigen können, wie wir Menschen und Computer so miteinander verbinden, dass sie sich gemeinsam intelligenter verhalten, als es jemals ein Mensch, eine Gruppe oder ein Computer getan hat. Wir sollten zu „mehr Lebensqualität dank maschineller Intelligenz“ finden, wie es Österle formuliert. Gibt es aus heutiger Sicht überhaupt noch Alternativen zur „alternativlosen Digitalisierung“ unserer Welt - oder sind hoch zivilisierte Gesellschaften womöglich längst nicht mehr „analog“ organisierbar? Wie ich bereits darlegte, glaube ich nicht an eine absolute Digitalisierung. Diese steht heute noch oftmals für eine reduzierende Denkweise unserer westlichen Gesellschaft. Wir werden im Verlauf der Zeit feststellen, wo uns die Digitalisierung und in ihr ruhende KI-Systeme tatsächlich Mehrwert bringen - und wo nicht. Eventuell ist dabei das Analog das neue Digital. In der Künstlichen Intelligenz sehe ich nämlich die Nachhaltigkeitsbestrebungen gefährdet. Denn um starke KI-Systeme mit menschenähnlicher Intelligenz mittels heutiger Herangehensweisen zu bauen, benötigen wir wohl zu viel Energie. Wo unser Gehirn etwa 20 Watt Energie braucht, brauchen Supercomputer oftmals das Tausendfache. Ich glaube, hier müssen wir in Anbetracht endlicher Ressourcen zwingend auf eine naturinspirierte Herangehensweise umschwenken. Letzten Sommer etwa verbrachte ich in Ecuador, wo ich das „Sumak Kawsay“-Prinzip der indigenen Bevölkerung mit dem Hintergedanken einer Übertragung in unsere Smart Cities erforschte. Als zentrales Prinzip dieser Denkweise, welche Anknüpfungspunkte zu unserem westlichen Modell einer nachhaltigen Entwicklung hat, kennzeichnet dieses nämlich einen suffizienteren Weg zwischen kalifornischem Überwachungskapitalismus und chinesischem Sozialkreditsystem. Es zielt, grob gesagt, auf materielle, soziale und spirituelle Zufriedenheit aller Mitglieder einer Gemeinschaft, jedoch nicht auf Kosten anderer und nicht auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen. Sumak Kawsay kann, wie es etwa in der ecuadorianischen Verfassung heißt, als „Zusammenleben in Vielfalt und Harmonie mit der Natur“ interpretiert werden. Wenn es uns gelingt, unser von den Griechen geerbtes Binärdenken zu einem Denken in naturinspirierte Organismen weiterzuentwickeln, so glaube ich, sollte diese indigene Denkweise auch in unseren intelligenten Städten und Regionen und deren Verkehr angewandt werden können. ■ Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 63 Veranstaltungen FORUM „Stockholm Deklaration“ zur Straßenverkehrssicherheit Rückblick: „Third Global Ministerial Conference on Road Safety” in Stockholm, 19.-20.02.2020 A m 19. und 20. Februar dieses Jahres fand in der schwedischen Hauptstadt Stockholm die „Third Global Ministerial Conference on Road Safety” (Dritte Globale Regierungs-Konferenz zur Straßenverkehrssicherheit) statt. Das Motto lautete „Achieving Global Goals 2030” (Erreichung globaler Ziele bis zum Jahr 2030). Gastgeber war das Land Schweden, in Person repräsentiert durch König Carl XVI. Gustav. Teilnehmer waren 1.700 Vertreter nationaler, regionaler und subregionaler Regierungs- und Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) sowie des Privaten Sektors aus rd. 140 Nationen [1]. Die beiden Vorgänger-Konferenzen fanden auf Einladung der Regierung der Russischen Föderation im Jahr 2009 in Moskau sowie der brasilianischen Regierung im Jahr 2015 in Brasilia statt. Beide Konferenzen kulminierten in „Deklarationen“, die nach den jeweiligen Gastgeber-Städten benannt wurden; so auch in diesem Jahr. In der „Stockholm Declaration“ wurden die Vorgeschichte, der Hintergrund, der Ansatz und die Ergebnisse der Veranstaltung zusammengefasst. Die Deklaration besteht aus einem Vorspann in Form von 23 Paragrafen sowie 18 Beschlusspunkten; sie schließt mit der Einladung an die Generalversammlung der Vereinten Nationen, Gegenstand und Inhalt der Deklaration zu unterstützen. Besonders bemerkenswert an der „Stockholm Deklaration“ sind der komplexe Zusammenhang, in den das Thema Straßenverkehrssicherheit gestellt wird, sowie die entsprechend komplexen Lösungsansätze. Hervorzuheben ist diesbezüglich insbesondere die enge Verflechtung mit • den „Sustainable Development Goals“ SDGs (Ziele für nachhaltige Entwicklung), die am 25. 09. 2015 auf dem „Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung“ [2] von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet worden sind, sowie • den Ergebnissen der Pariser Gipfelkonferenz zum globalen Klimaschutz [3]. Das wird schon anhand weniger ausgewählter Passagen aus der Deklaration deutlich. Zunächst eine Auswahl aus der Einleitung: • Es wird die Bedeutsamkeit der Intensivierung der internationalen und multilateralen Kooperation hinsichtlich der Erreichung der Ziele einer gesundheitsrelevanten nachhaltigen Entwicklung bestätigt und bekräftigt, und zwar mit Fokus auf die Ziele zur globalen Straßenverkehrssicherheit. • Begrüßt werden die UN-Resolutionen zur Integration von Straßenverkehrssicherheit mit anderen Politik-Bereichen, insbesondere solchen, die in Verbindung stehen mit den Zielen bezüglich der Klima-Aktivitäten, der Geschlechter- Gleichheit, der Gesundheit, qualitätvoller Erziehung, reduzierter Ungleichheit, nachhaltiger Städte und Gemeinden, Infrastruktur und verantwortungsvollem Konsum zum wechselseitigen Nutzen für-alle. • Bestätigt werden die Erkenntnisse aus der Dekade 2011 bis 2020 hinsichtlich der Aktionen im Sinne der Straßenverkehrssicherheit wie etwa „Safe System Approach“ und „Vision Zero“ (Null Tote im Straßenverkehr), langfristige und nachhaltige Lösungen, die auf nationaler Ebene die sektorübergreifende Kooperation verstärken, wozu die Beteiligung von NGOs und Zivilgesellschaft ebenso gehört wie die relevanter Unternehmen und Industrien, die Beiträge zur sozialen und ökonomischen Entwicklung der Länder leisten und diese beeinflussen. • Es wird die große Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass bei Straßenverkehrsunfällen jährlich mehr als 1,35 Millionen Menschen getötet werden, von denen über 90 % auf Länder mit geringem bis mittleren durchschnittlichen Einkommensverhältnissen entfallen, dass solche Unfälle der Hauptgrund für Foto: Mikael Ullén Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 64 FORUM Veranstaltungen den Tod von Kindern und jungen Erwachsenen in den Altersklassen von fünf bis 29 Jahren sind und dass die mehr als 500 Millionen im Zeitraum von 2021 bis 2030 erwarteten Verkehrstoten eine Krise darstellen, deren Vermeidung in der nächsten Dekade ein stärkeres politisches Engagement, mehr Führung und intensivere Aktionen auf allen Ebenen erfordert. • Betont wird der signifikante Einfluss von Straßenverkehrsunfällen auf Kinder und Jugendliche und die Wichtigkeit, deren Bedürfnisse und die anderer besonders verletzlicher Bevölkerungsgruppen wie etwa älterer Menschen und Personen mit Behinderungen stärker in den Fokus zu nehmen. • Es wird anerkannt, dass die überwiegende Mehrzahl der Todesfälle im Straßenverkehr verhindert werden kann und dass moderne Fahrzeug-Sicherheitstechnologien zu den effizientesten aller Sicherheitssysteme im Straßenverkehr gehören. • Anerkannt wird auch die gemeinsame Verantwortung von Systementwicklern und Verkehrsteilnehmern auf dem Weg zu einer Welt, die frei ist von tödlichen Verkehrsunfällen und schweren Verletzungen im Straßenverkehr, dass aber die Beschäftigung mit Sicherheit im Straßenverkehr eine vielfältige Kooperation von öffentlichem und privatem Sektor, von Akademikern, Berufsorganisationen, NGOs und Medien erfordert. Auch aus den Beschlüssen seien beispielhaft einige Kernforderungen genannt: Straßenverkehrsunfälle reduzieren Die Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, zur Reduzierung der tödlichen Straßenverkehrsunfälle um mindestens 50% in der Zeitspanne 2020 bis 2030 beizutragen - für alle Gruppen von Verkehrsteilnehmern, aber speziell für die besonders verletzlichen wie etwa Fußgänger, Fahrradfahrer, Motorradfahrer und Nutzer des ÖPNV. Straßenverkehrssicherheit integrieren Straßenverkehrssicherheit ist als ein integriertes Element der Flächennutzung, der Straßen- und Verkehrssystem-Planung und der Reglementierung einzubinden. Dies sollte geschehen durch die Verstärkung institutioneller Kapazitäten betreffend Verkehrssicherheits-Gesetzgebung und deren Durchsetzung, die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit, der Infrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs, der Nachsorge bei Verkehrsunfallfolgen und der Datenverfügbarkeit. Geschwindigkeitsregelung Es soll eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das Geschwindigkeitsmanagement erfolgen, einschließlich einer Verstärkung der rechtlichen Durchsetzung, um Geschwindigkeitsüberschreitungen vorzubeugen sowie eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 30 km/ h in solchen Gebieten vorzuschreiben, in denen es eine häufige und geplante Mischung von verletzlichen Straßennutzern und Automobilen gibt - ausgenommen solche Gebiete, in denen es überzeugende Beweise dafür gibt, dass höhere Geschwindigkeiten sicher sind. Einfluss von Geschwindigkeitsreduzierungen Es wird anerkannt, dass Bemühungen um Geschwindigkeitsreduzierungen einen vorteilhaften Einfluss auf die Luftqualität und den Klimawandel haben und von zentraler Bedeutung für die Reduzierung von Todesfällen und schweren Verletzungen im Straßenverkehr sind. Sicherheitsstandards Es soll sicher gestellt werden, dass alle Fahrzeuge, die ab 2030 fertiggestellt und am Markt verkauft werden, angemessene Sicherheitsstandards aufweisen. Kommunikation Die Wichtigkeit von Datenerhebungen und der Berichterstattung über die Fortschritte im Hinblick auf die Erreichung der gemeinsamen Ziele wird hervorgehoben. Die Deklaration wurde von allen teilnehmenden Delegationen unterzeichnet - mit Ausnahme der Vertretung der Regierung der Vereinigten Staaten. Die Begründung der Ablehnung stand vor allem in Zusammenhang mit der Zurücknahme der Zustimmung zum Pariser Klimaschutzabkommen durch die aktuelle Administration und der Verknüpfung mit Komplexen, die ihrer Ansicht nach keine Relevanz für die Straßenverkehrssicherheit hätten [4]. In der Berichterstattung über die Konferenz wird unter anderem darauf verwiesen, dass diese nicht zuletzt deshalb so zeit- und ortsgerecht gewesen sei, weil die skandinavischen Hauptstädte Oslo und Helsinki im Jahr 2019 erstmals keine bei Verkehrsunfällen getöteten Fußgänger und Radfahrer zu verzeichnen hatten - bei durchschnittlich 40 jährlichen Todesfällen noch in den 1970er Jahren. Das sei im wesentlichen dem Verzicht auf Straßenparkplätze, der Verbreiterung der Fuß- und Radwege und einer dramatischen Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeiten zu verdanken - zumal Menschen, die keine Autos benutzen, generell die Hälfte der Todesfälle ausmachen [5]. Die Empfehlungen in der „Stockholm Deklaration“ würden in vieler Hinsicht die Aktionen in Oslo und Helsinki widerspiegeln, einschließlich der qualitätvollen medizinischen Unterstützung der Schwerverletzten und der Familien der Opfer. Verwiesen wird schließlich auch darauf, dass die Deklaration eine enge Verbindung zwischen dem Schutz verletzlicher Straßennutzer und der Reduzierung der CO 2 -Emissionen herstellt: „Wandlung zu sichereren, saubereren, energieeffizienteren und bezahlbareren Verkehrsformen sowie die Förderung physischer Aktivitäten, wie Gehen und Radfahren, sowie die Integration dieser Formen mit der Nutzung von ÖPNV, um Nachhaltigkeit zu erreichen.“ [5] Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen in Deutschland sind nicht zuletzt zwei Punkte aus der „Stockholm Deklaration“ bemerkenswert: • Die Betonung der Wichtigkeit umfassender drastischer Geschwindigkeitsbeschränkungen - sowohl aus Gründen der Verkehrssicherheit als auch des Klimaschutzes. Das steht unter anderem im Widerspruch zu der von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer regelmäßig vertretenen Position. • Die Bedeutung höherer Automatisierungsstufen von Fahrerassistenz-Systemen wird zwar angesprochen, es wird jedoch darauf verzichtet, eine Zukunft des „autonomen Fahrens“ im Straßenverkehrs als Perspektive im Sinne der Straßenverkehrssicherheit zu benennen bzw. einzufordern. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Politik in Deutschland auf allen Ebenen an der „Stockholm Deklaration“ orientieren würde. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags war nicht einmal im Internet-Auftritt des Bundesverkehrsministeriums ein Hinweis darauf zu finden. ■ QUELLEN [1] Stockholm Declaration; www.roadsafetysweden.com/ Stockholm Declaration [2] Wikipedia: Ziele für Nachhaltige Entwicklung; Stand 21. April 2020 [3] Europäische Kommission: Pariser Übereinkommen; www.europa. eu/ clima [4] Reid, C.: U.S. Only Nation To Dissociate From Global Declaration On Preventing Road Deaths; Beta, 23. Februar 2020 [5] Walker, A.: 140 countries pledged to eliminate traffic deaths. The U.S. did not; curbed, 25. Februar 2020 Dr.-Ing. Andreas Kossak Kossak Forschung und Beratung, Hamburg drkossak@aol.com Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 65 Erscheint im 72. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag und Redaktion Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22 | D-72270 Baiersbronn Tel. +49 7449 91386.36 Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 7449 91386.43 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de Korrektorat: Ulla Grosch Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de dispo@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 57 vom 01.01.2020 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr mit International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist sechs Wochen vor Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Jahres-Bezugsgebühren Inland: Print EUR 212,00 / eJournal EUR 202,00 (inkl. MWSt.) Ausland: Print EUR 217,00 / eJournal EUR 207,00 (exkl. VAT) Einzelheft: EUR 37,00 (inkl. MWSt.) + Versand Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print-Ausgabe oder eJournal mit dem Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Qubus Media GmbH, Hannover Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild „Artificial Intelligence“ | Shutterstock Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Baiersbronn-Buhlbach ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Strategische Planung und Koordination" Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Sebastian Belz Dipl.-Ing., Generalsekretär EPTS Foundation; Geschäftsführer econex verkehrsconsult GmbH, Wuppertal Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ben Möbius Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Florian Eck Dr., stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Geschäftsführer, traffiQ, Frankfurt am Main (DE) Ottmar Gast Dr., Vorsitzender des Beirats der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Detlev K. Suchanek Gesellschafter-Geschäftsführer, PMC Media House GmbH, Hamburg Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Martin Hauschild Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Verkehr und Umfeld; Leiter Verkehrstechnik & Verkehrsmanagement BMW Group, München Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender der Logistik- Initiative Hamburg (LIHH), Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Jan Ninnemann Prof. Dr., Studiengangsleiter Logistics Management, Hamburg School of Business Administration; Präsident der DVWG, Hamburg Detlef Zukunft Dr., Programmdirektion Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 66 Liebe Leserinnen und Leser, gewissermaßen mitten im Flug wurde die globalisierte Wirtschaft von der Corona-Krise getroffen. Der Lockdown fast überall auf der Welt und in der Folge massive Verwerfungen bei Industrie, Dienstleistungsbetrieben und vor allem der Tourismusbranche haben vielfach zu heftigen Reaktionen geführt - dabei aber gezeigt, dass in Krisen auch Chancen verborgen sind. Auch die vorliegende Ausgabe von Internationales Verkehrswesen ist davon berührt: Vorgesehene Artikel mussten entfallen, aktuelle neue Aspekte rückten in den Fokus. Und ich bin sicher, dass bis zum September-Heft 3/ 2020 viele jetzt ungewohnte Abläufe reibungslos klappen. Dann stehen Beiträge zum Thema Transport und Verkehr auf dem Plan, die sich speziell mit globalen, digitalen und vor allem nachhaltigen Lösungen beschäftigen. Und auch in International Transportationn mit Thema Transforming Transport - Solutions wird es um solche innovativen Lösungsansätze gehen. Das englische Special ist- wieder Bestandteil der regulären deutschsprachigen Ausgabe, die am 3.- September erscheinen wird. Und wie immer sind Sie herzlich eingeladen, Ihr Expertenwissen mit unseren Lesern zu teilen. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter TERMINE + VERANSTALTUNGEN 20.05.2020 bis 02.09.2020 VORSCHAU | TERMINE Keine Messen, keine Events - keine Termine. Wegen der pandemiebedingten Veranstaltungs-Absagen im ersten Halbjahr 2020 finden Sie aktuelle Messetermine derzeit nur auf der Webseite: www. internationales-verkehrswesen.de Foto: Pexels / pixabay Meine/ Unsere Daten:  Herr  Frau  Firma/ ... Titel, Vorname, Name Firma/ ... Abteilung Straße + Nr. PLZ, Ort, Land Telefon Telefax E-Mail-Adresse Umsatzsteuer-ID-Nr. (sofern vorhanden) Ihr Bestellzeichen (sofern vorhanden)  Das Widerrufsrecht (s.rechts) habe ich zur Kenntnis genommen.  Die AGB als Vertragsbestandteil habe ich gelesen und akzeptiert. Sie können beim Verlag angefordert oder unter www.trialog-publishers.de als PDF heruntergeladen werden. WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« mit »International Transportation« erscheint bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog-publishers.de ... und keine Ausgabe verpassen! Ich wähle: JahresAbo als gedruckte Ausgabe inkl. Online-Archiv  Inland, Jahresbezugspreis EUR 212,- (inkl. MwSt. und Versand)  Ausland, Jahresbezugspreis EUR 217,- (mit VAT-Nr. exkl. MwSt., inkl. 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