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Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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2020 | Heft 3 September Wie die Corona-Krise das Mobilitätsverhalten ändert Transport und Verkehr Heft 3 | September 2020 72. Jahrgang POLITIK Die „Bleifuß“-Diskussion: Tempolimit auf Autobahnen INFRASTRUKTUR Radverkehr fördern - aber wie? LOGISTIK Resilienz und Nachhaltigkeit im Fokus MOBILITÄT Was bleibt nach der Pandemie? TECHNOLOGIE Wann Elektrofahrzeuge geladen werden INTERNATIONAL TRANSPORTATION Transforming transport - spotlight on innovative solutions www.internationalesverkehrswesen.de GESAMMELTES FACHWISSEN Das Archiv der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen mit ihren Vorgänger-Titeln reicht bis Ausgabe 1|1949 zurück. Sie haben ein Jahres-Abonnement? Dann steht Ihnen auch dieses Archiv zur Verfügung. Durchsuchen Sie Fach- und Wissenschaftsbeiträge ab Jahrgang 2000 nach Stichworten. Greifen Sie direkt auf die PDFs aller Ausgaben ab Jahrgang 2010 zu. Mehr darüber auf: www.internationales-verkehrswesen.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 11.11.2018 18: 32: 23 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 3 Hans-Dietrich Haasis EDITORIAL Rücksicht, Vorsicht, Weitsicht H offmann & Hoffmann sangen 1983 das Lied „Rücksicht“ auf dem Eurovision Song Contest in München. Der Text ist von Volker Lechtenbrink, die Musik stammt von Michael Reinecke. Warum erinnere ich mich an dieses Lied? Nur zu gut passen, natürlich im übertragenen Sinne, die damals ins Rampenlicht gerückten Begriffe zur aktuellen corona-geprägten Lebens- und Wirtschaftssituation: Rücksicht, Nachsicht, Vorsicht, Einsicht, Weitsicht. Sind dieses die Leitideen, welche künftig Mobilitäts- und Logistikstrategien beeinflussen werden? Dieses Heft des Internationales Verkehrswesen ist geprägt durch corona-bezogene Beiträge. Ich bin sicher, man kann diesen jeweils zumindest einen der obigen Begriffe zuordnen. Aber auch auf die anderen Beiträge, etwa zu Tempolimit auf Autobahnen oder zu CO 2 -Emissionen im Seeverkehr, können diese übertragen werden. Seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland im März 2020 ist eines deutlich geworden: Güterverkehr und Logistik sind systemrelevant. Die Resilienz von Versorgungsketten, etwa bei einem Nachfrageeinbruch oder einem politisch angeordneten Abriss von Lieferketten, ist entscheidend für eine auch nur annähernde Aufrechterhaltung der Lebens- und Wirtschaftsbedingungen. Insoweit sind, zumindest aus meiner Sicht, die bisherigen Mobilitäts- und Logistikstrategien zu überdenken, und zwar durchaus im Sinne der genannten Begriffe: Rücksicht. Hier geht es nicht allein um die Einhaltung von Abstandsregeln und das Tragen von Masken, sondern in erster Linie um die Rücksichtnahme auf Partner in der Versorgungskette und am Standort. Eine bewusstere Strategie der gegenseitigen Unterstützung, der Zusammenarbeit in der Kette und der Koopetition zwischen Wettbewerbern kann helfen, Engpässe zu vermeiden und Lieferketten sicherzustellen. Nachsicht. Wir müssen lernen, dass „one hour delivery“ oder „just in time“ nicht die entscheidenden Qualitätskriterien einer logistischen Leistung sind, sondern vielmehr Versorgungsfähigkeit und Versorgungszuverlässigkeit. Fehlbestände können vorkommen, produktionswirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen sind teilweise zeitintensiv. Diese Nachsicht lässt sich von allen Beteiligten üben und akzeptieren, sofern eine qualifizierte und zeitnahe Informationspolitik sowie eine vertrauensvolle und gegenseitig unterstützende Kollaboration in der Versorgungskette sichergestellt sind. Vorsicht. Eine passende Vorbereitung auf künftige Störfälle lässt sich durch ein gutes Maß an Vorsicht gestalten. Hilfreich hierbei sind Frühwarnsysteme im Unternehmen und die Implementierung von versorgungsketten-spezifischen Krisenmanagementsystemen. Ebenfalls sind hier die Anpassung der Bestandspolitik und der Bevorratung insbesondere für kritische Güter zu nennen. Einsicht. Mobilitäts- und Logistiksysteme sind gegenüber Störungen anfällig, seien sie intern durch Kapazitätsengpässe oder extern durch politische Vorgaben veranlasst. Mit dieser Einsicht ist es nun an der Zeit, Maßnahmen zur Erhöhung von Resilienz verfügbar zu haben; also zum Beispiel optionale logistische Versorgungsketten aktivieren oder vorab entwickelte alternative unternehmerische Zukunftsszenarien umsetzen zu können. Ebenfalls bedarf es einer Entscheidungsfolgenabschätzung und damit einer verlässlichen und vor allem frühzeitigen Kommunikation zwischen Politik und Wirtschaft. Weitsicht. Bereits heute ist es wichtig, aus den Erfahrungen der letzten Monate für die Zukunft zu lernen. Dieses bedeutet ohne Zweifel, Forschung für den systemrelevanten Sektor Güterverkehr und Logistik jetzt zu initiieren, sowohl auf staatlicher als auch auf privatwirtschaftlicher Ebene. Unternehmen kann nur empfohlen werden, Forschungsprogramme in Anspruch zu nehmen und die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu forcieren, um die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens für die Zukunft auszubauen. Geben Ihnen diese skizzierten Überlegungen einen Anstoß, Ihre Strategien neu zu denken? Entscheiden Sie selbst. Das Anhören des genannten Liedes hilft, es bleibt im Ohr. Ich wünsche Ihnen hierbei viele gute Ideen, und natürlich viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe von Internationales Verkehrswesen. Herzlich Ihr Hans-Dietrich Haasis Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c., Lehrstuhl für Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 4 POLITIK INFRASTRUKTUR 20 Radverkehrsförderung 3.0 Peter Pez Antje Seidel 24 Vernetztes und kooperatives Off-Street-Parken Alexander Süssemilch Mario Kohlhoff Nic Schwarz LOGISTIK Foto: Pexels/ pixabay SEITE 20 Foto: Markus Distelrath/ pixabay SEITE 72 Foto: Esa-Niemelä/ pixabay SEITE 14 WISSENSCHAFT 65 CO 2 -Ausstoß auf See: Sind genauere Schätzungen möglich? Potentiale eines stichprobenbasierten Modells Clemens Aipperspach Jan Gertheiss Carlos Jahn 72 Systemanalyse für ein Güterverkehrsterminal Anwendung des Model-Based System Engineering im Kontext des Next Generation Train CARGO Gregor Malzacher Marc Ehret Mathias Böhm Andrei Popa 10 Fahrermangel im deutschen Straßengüterverkehr Strukturelle Treiber und verkehrspolitischer Handlungsbedarf Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur 14 Tempolimit auf Autobahnen Eine deutsche Kontroverse seit den 1970er Jahren Bernhard Schlag Michael Heß Photo: Ibob Yang/ pixabay STRATEGIES 28 A study on free-floating carsharing in Europe Hansjörg Fromm Patrick Jochem 31 Heading into “The New Normal” Potential development paths of international logistics networks in the wake of the Coronavirus pandemic Frank Straube Benjamin Nitsche BEST PRACTICE 36 The Perpignan-Figueras high-speed line A great European project that arrived in the middle of a crisis and in an immature environment Petros Papaghiannakis 41 New mobility concepts for rural areas Lessons learnt in the European cooperation project “Peripheral Access” Alexandra Beer SCIENCE & RESEARCH 44 Innovative transport systems Random selection of European Friedrich-List-Prize submissions 62 Environmental effects of the Covid-19 lockdown The example of an EU online convention Matthias Gather Claudia Hille Transforming Transport - Solutions International Transportation Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 5 INHALT September 2020 TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 09 Kurz + Kritisch 19 Bericht aus Brüssel 108 Forum Veranstaltungen Bücher 109 Impressum | Gremien 110 Vorschau | Termine AUSGABE 4 | 2020 98 Lavatory4All Technische Anforderungen an eine barrierefreie Flugzeugtoilette für Menschen mit eingeschränkter Mobilität Marcel Weber Bernhard Rüger Wolfgang Zagler Heidelinde Jelinek-Nigitz Peter Mayer Bernhard Hatzmann Jesús Rodríguez Conde 103 Einflüsse auf das Ladeverhalten von Elektrofahrzeug-Nutzern Florian Grober Andreas Janßen Ferit Küçükay Foto: Iqbal Nuril Anwar/ pixabay SEITE 78 Foto: Stela Di/ pixabay SEITE 98 Aktuelle Themen, Termine und das umfangreiche Archiv finden Sie unter www.internationalesverkehrswesen.de MOBILITÄT 78 Kontaktarme Mobilität an Flughäfen und Bahnhöfen Uwe Clausen Heinrich Frye Katrin Scholz Wolfgang Inninger Harald Sieke Lars Mehrtens Oliver Ditz Nadine Mücklich 84 Ridepooling als ÖPNV- Ergänzung Der Moia-Nachtservice während der Corona-Pandemie Felix Zwick Eva Fraedrich Nadine Kostorz Martin Kagerbauer 89 Mobilität nach der Corona-Krise Die Karten werden neu gemischt - Bestimmungsfaktoren für die Entwicklung der Gesamtmobilität sowie der relativen Wettbewerbsposition der Verkehrsträger Andreas Krämer 94 Mobilität in Zeiten der Pandemie Auswirkungen von Corona auf Einstellungen und Mobilitätsverhalten Claudia Nobis Christine Eisenmann Viktoriya Kolarova Christian Winkler Barbara Lenz Verkehr und Infrastruktur - Stadt - Land - Fluss - Regionen verbinden - Mobilitätsstrategien Mit Mobilitätsmonitor Erscheint am 11. November 2020 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 6 IM FOKUS Klimafreundlicher Wasserstofftransport per Bahn soll Standard werden D er potenziell grüne Energieträger Wasserstoff kann äußerst umweltfreundlich und in deutlich größeren Mengen mit der Bahn als auf der Straße befördert werden. Technisch und rechtlich ist die Anlieferung auf dem Gleis bereits möglich. Bislang fehlt es jedoch im Schienenverkehr an geeigneten Transportbehältern. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von DB Energie, dem Energieversorger der Deutschen Bahn, die im Auftrag der Landesenergieagentur Hessen (LEA) erstellt wurde. Auf dem Taunusnetz der Hessischen Landesbahn GmbH (HLB) sollen ab Ende 2022 Brennstoffzellenzüge des Typs Coradia iLint 54 den Verkehr aufnehmen. Die Betankung mit Wasserstoff soll im Industriepark Höchst erfolgen. Im Hinblick auf eine künftige Wasserstoffwirtschaft muss - vorzugsweise grüner - Wasserstoff nicht nur hergestellt, sondern auch verteilt und ausgeliefert werden. Weil Straßentransport über größere Entfernung keine wirklich nachhaltige Lösung ist, beauftragte die LEA die Studie zum Wasserstofftransport per Eisenbahn. DB Energie untersuchte dazu von November 2019 bis April 2020 mit Partnern aus Industrie, der Verkehrs- und Logistik- Branche, wie der Transport von Druck-Wasserstoff technisch, betrieblich und genehmigungsrechtlich auf der Schiene erfolgen kann. Ausgehend von der bestehenden Wasserstoffquelle im Industriepark Höchst in Frankfurt am Main, wo der Wasserstoff als Nebenprodukt einer Chlor-Alkali-Elektrolyse anfällt, wurde dies an zwei konkreten Strecken im Rhein-Main-Gebiet untersucht und dargestellt. Um die Belieferung neu entstehender Wasserstofftankstellen von der Schiene aus zu einer wirtschaftlich interessanten Option zu machen, empfehlen die Verfasser der Studie ein Pilotprojekt. Ziel soll der klimafreundliche Wasserstofftransport auf der Schiene im Regelbetrieb sein. Wir bei DB Energie nehmen diese Studie zum Anlass, den Aufbau einer Wasserstoff-Logistik auf der Schiene voranzutreiben. Perspektivisch wird Wasserstoff auch als Dieselersatz bei der Bahn immer interessanter. Ein weiterer Schritt auf dem Weg, die DB bis 2050 zum klimaneutralen Konzern zu machen. Die gesamte Studie „Potenzialbeschreibung Wasserstofftransport über das Schienennetz“ ist auf der Webseite der LEA verfügbar. www.lea-hessen.de Foto: Michael Ismar, NPROXX Continental recycelt Sekundärfederungen von Schienenfahrzeugen A lle paar Jahre ist es an der Zeit, Komponenten in Zügen oder Bahnen auszutauschen - auch die Sekundärfederung. Der Neukauf von Ersatzteilen ist für die Betreiber von Schienenfahrzeugen eine kostspielige Angelegenheit. Nun bietet Continental die industrielle Aufarbeitung von Luftfedersystemen an. Refurbishment ist preisgünstiger als Neuteile und zugleich nachhaltig, es schont also Umwelt und Kundenbudget. Bei dieser industriellen Aufarbeitung demontieren die Techniker das bestehende System, prüfen die einzelnen Teile und bewerten die Wiederverwendbarkeit. Auf die noch intakten Systemkomponenten werden ein neuer Luftfederbalg, eine neue MEGI-Zusatzfeder sowie die erforderlichen Anbauteile montiert. Am Ende prüfen Fachleute das komplette Luftfedersystem in einer Prüfmaschine mit mordernster Technologie. Continental gibt eine Gewährleistung auf alle neu verbauten Komponenten und die Systemdichtigkeit geben. Durch die Aufarbeitung ist die Sekundärfederung um 30 bis 60 % schneller verfügbar als ein Neu-System, bei 25 bis 50 % geringeren Kosten. Außerdem lassen sich je nach ursprünglichem Zustand 50 bis 100 kg Metall pro Luftfedersystem wiederverwenden. Durch das Recycling erübrigt sich demnach nicht nur die Entsorgung von Altmetall, sondern auch die Herstellung neuer Stahl- und Aluminiumkomponenten. Pro Luftfedersystem für Schienenfahrzeuge spart die industrielle Aufarbeitung laut Continental mindestens 300 kg CO 2 ein. Das sei vergleichbar mit der Emission eines Flugzeugs auf der Stecke Hannover - London. www.continental-industry.com Foto: Continental Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 7 IM FOKUS InnoTrans-Preview ab September 2020 D ie InnoTrans, pandemiebedingt vom September 2020 auf 27. bis 30. April 2021 verschobene Weltleitmesse für Verkehrstechnik, ermöglicht einen ersten Vorgeschmack auf die Highlights im kommenden Jahr. Bei der digitalen InnoTrans-Preview ab dem 21. September 2020 dreht sich alles um Innovationen in den Segmenten Railway Technology, Railway Infrastructure, Public Transport, Interiors und Tunnel Construction. Zentrale Anlaufstelle ist der InnoTrans Virtual Market Place (VMP), der die Fachmesse als digitale Informations- und Kommunikationsplattform 365 Tage im Jahr begleitet. Nun ermöglicht der VMP verschiedene neue Präsentationen wie etwa Videos, 3D-Fotos, Webinare oder virtuelle Rundgänge durch Züge und Werkshallen. Das neue Angebot wird dem Fachpublikum ab dem 21. September zur Verfügung stehen. Die Expertenrunden zu aktuellen zukunftsrelevanten Mobilitätsthemen haben sich im Rahmen der InnoTrans Convention über die Jahre als internationaler Treffpunkt für Top-Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Verkehr etabliert. Zu den vormals geplanten Terminen am 23. und 24. September 2020 werden das Deutsche Verkehrsforum (DVF) und der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) ihre Dialogforen sowie das International Bus Forum digital anbieten. Die Themen für die Dialogforen (23. September) lauten: „Mobilitätsrevolution 4.0: Auf der Schiene aus der Krise“ (VDB) und „Investitionen planvoll und zügig umsetzen - für ein digitales und erweitertes Schienennetz“ (DVF). Am Folgetag beschäftigt sich das International Bus Forum mit der Frage „In Zukunft elektrisch? Strategien für den e-Bus zwischen Klimaschutz und Spardiktat“. Mehr Informationen online unter www.innotrans.com ALLE ANTRIEBSARTEN 100 % FAHRZEUGVERFÜGBARKEIT Software für die Mobilität von morgen · info @ psitranscom.de Mehr als 1000 Tonnen CO 2 -Einsparung Mit PSIebus ist der emissionsfreie Nahverkehr heute schon Realität. » www.psitranscom.de/ PSIebus Foto: Adobe Stock Internationales Verkehrswesen 2.9.2020 DU PSI Transcom.indd 1 25.07.2020 11: 33: 31 DIN bringt Ladeinfrastruktur-Leitfaden D as Deutsche Institut für Normung (DIN) hat mit der kostenlosen DIN SPEC 91433 eine Orientierungshilfe für Planung, Errichtung und Betrieb von Ladepunkten im öffentlichen Raum veröffentlicht. Damit soll vor allem Kommunen eine Entscheidungshilfe an die Hand gegeben werden, damit diese schnell und nach einheitlichen Regeln beim Aufbau der Ladeinfrastruktur vor Ort agieren können. Das Dokument bietet einen standardisierten Leitfaden zur Suchraum- und Standortidentifizierung sowie Empfehlungen für Melde- und Genehmigungsverfahren in der Ladeinfrastruktur-Planung für batterieelektrische Fahrzeuge. Es gibt einen Überblick über den kompletten Prozess des Aufbaus - von Planung über technische Auslegung bis zum Anschluss des Ladepunktes an das örtliche Stromnetz. Dabei werden die Prozessabläufe und insbesondere die Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteuren im Genehmigungsprozess beschrieben. Wichtige Punkte des Leitfadens neben den Grundlagen - etwa die verschiedenen Anwendungsfälle von Ladeinfrastruktur (Use Cases) - auch die Kosten und die Fördermöglichkeiten von Elektromobilität auf Landes- und Bundesebene, Hinweise für den Betrieb von Ladeinfrastruktur sowie eine Übersicht des Ladeinfrastrukturerrichtungs- und Betriebsprozesses. Ebenso sind Hinweise zur Verkehrssicherungspflicht und der Endabnahme sind enthalten. Download auf DOI: 10.31030/ 3184115 Foto: A. Krebs/ pixabay Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 8 IM FOKUS PyroMar: Schifffahrt künftig umweltfreundlicher? I n den Kraftstoffmarkt für Hochseeschiffe kommt Bewegung: Forschenden des Instituts Fraunhofer Umsicht ist es im Rahmen des Projekts PyroMar gelungen, die gesamte Verfahrenskette zur Produktion biobasierter Beimischkomponenten abzubilden. Jetzt geht es in die Testphase. Schiffe emittieren große Mengen Schwefeldioxid und CO 2 in die Umwelt - weltweit etwa so viel wie der gesamte Ausstoß der Bundesrepublik Deutschland. Seit 2015 dürfen daher Hochseeschiffe innerhalb sogenannter Emission Control Areas (ECAs) wie etwa Nord- und Ostsee, Bereiche der nordamerikanischen Küsten und die Küstengewässer rund um Puerto Rico nur noch mit Kraftstoffen betrieben werden, deren Schwefelanteil bei maximal 0,1 Massenprozent liegt. Außerhalb dieser Zonen gilt ein weltweiter Grenzwert von 0,5 Massenprozent Schwefel. Sogenannte Drop-in-Fuels auf Basis nachhaltiger biogener Rohstoffe könnten das Problem lösen und langfristig erdölbasierte Kraftstoffe zumindest teilweise ersetzen. Noch sind die Biokraftstoffe zwar nicht in den geforderten Mengen zu produzieren. Im Projekt PyroMar soll jedoch die Technologie zur Herstellung dieser Komponenten entwickelt werden. Als Rohstoff dient bisher ungenutzte Biomasse, etwa Stroh, Laub, Heu aus der Landschaftspflege oder Strauchschnitt. Der Vorteil: Im Gegensatz zu gängigen Energiepflanzen wie Raps oder Mais steht diese Biomasse nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Mittels sogenannter ablativer Schnellpyrolyse entsteht im ersten Schritt Pyrolyseöl, dessen saure Komponenten in einem nächsten Schritt mit biobasierten langkettigen Alkoholen verestert werden. So wird eine bestmögliche Mischbarkeit mit fossilen Dieselkraftstoffen bzw. Schweröl erreicht - und das ohne Zugabe von Wasserstoff, der häufig in anderen Biokraftstoffverfahren benötigt wird. Insgesamt lässt sich im Rahmen von PyroMar die gesamte Verfahrenskette zur Produktion biobasierter Beimischkomponenten abbilden. Die Erwartungen der Forschenden an die ersten Motorentests sind groß. Im Kraft- und Schmierstofflabor der Universität Rostock wird aktuell sichergestellt, dass für die biobasierten Beimischkomponenten keine gesonderten Änderungen am Motor notwendig sind. www.umsicht.fraunhofer.de Sonnenschutz für den Asphalt: Nanopartikel gegen Alterung von Straßenbelag A sphaltstraßen halten nicht ewig. Beginnen sie zu altern, bröckeln sie bis zur kompletten Zerstörung der Deckschichten. Grund hierfür ist der Verschleiß des Bindemittels Bitumen vor allem durch Licht, Sauerstoff und Wärme. Wissenschaftler des Instituts für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig wollen nun die UV-Alterungsbeständigkeit von Bitumen mit einem neuen Nanokomposit aus Ton und pyrogener Kieselsäure verbessern. Bitumen setzt sich aus verschiedenen organischen Stoffen - hauptsächlich Kohlenstoff und Wasserstoff - zusammen und wird aus Erdöl gewonnen. Durch höhere Temperaturen und UV-Strahlung oxidieren diese organischen Verbindungen: UV-Strahlung kann die Bindungen der Bitumenmoleküle aufbrechen und freie Radikale erzeugen, die den Alterungsprozess beschleunigen. Deshalb wäre für die Anwendung im Straßenbau ein Bitumen, das durch die Anti- Aging-Materialien Ton und pyrogene Kieselsäure modifiziert wurde, besonders interessant: Die kostengünstigen Nanomaterialien sind harmlos und ungiftig und wirken ähnlich wie ein Sonnenschutzmittel. Die Nanomaterialien können die mechanischen und rheologischen Eigenschaften, also die Elastizität von Bitumen sowie seine Beständigkeit gegen Feuchtigkeitsschäden und Alterung potenziell verbessern. Die Kombination von beiden als Nanokomposit wurde jedoch bisher noch nicht in Asphaltmischungen eingesetzt. www.tu-braunschweig.de/ isbs Blick durchs Rasterelektronenmikroskop Foto: Institut für Straßenwesen/ TU Braunschweig Foto: Ulrike Schümann Aktuelle Meldungen finden Sie im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Gerd Aberle KURZ UND KRITISCH Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 9 Die Zeit der Illusionen ist Vergangenheit D as war 2019: ein Wohlstandsjahr der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Staatliche Überschüsse aus steigenden Steuereinnahmen führten auch für den Mobilitätssektor zu Milliarden Euro Zusagen. LuVF III, Regionalisierungsmittel- und GVFG-Steigerungen, Eigenkapitalerhöhung für die DB AG, Förderprogramme für Klima- und Digitalisierungsmaßnahmen, Absenkung der Trassenentgelte Schienengüterverkehr und vieles mehr. Nun 2020: Corona-bedingt ist die Welt eine andere. Aus der jahrelangen Schwarzen Null des Bundeshaushalts wird eine Verschuldung von 138 Mrd. EUR, Rückzahlung wie und wann? Die Beiträge der EU-Mitgliedsstaaten steigen zur Kompensation fehlender Netto-Zahlungen von UK; Brexit-Kosten; Anstieg des EU-Haushalts 2021 bis 2027 auf 1,05 Billionen EUR; zusätzlich ein umstrittenes Recovery-Programm von 750 Mrd. EUR, sofern das Europäische Parlament den EU-Gipfelbeschlüssen zustimmt. Gleichzeitig sinken die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen drastisch. Täglich werden neue umfängliche Finanzierungswünsche an die Politik gerichtet. Die zukünftigen finanzwirtschaftlichen Spielräume sind auch für den Mobilitätsbereich völlig unsicher. Im Transportbereich bleibt die DB weiterhin das vor allem strukturell bedingt herausragende Sorgenkind. Eine 11 Mrd. EUR Corona-Hilfe des Bundes mit einer erneuten Eigenkapitalerhöhung von 5 Mrd. EUR stößt auf berechtigte wettbewerbspolitische Bedenken hinsichtlich der Benachteiligung der sonstigen Schienenbahnen. 2020 ist auch der Schienenpersonenfernverkehr tief in die Verlustzone geraten. Gründe sind der durch Corona bedingte starke Fahrgastrückgang, aber auch die mehrfachen Preissenkungen. Der verlustreiche Schienengüterverkehr lebt aufgrund des erneuten Vorstandswechsels mit der Hoffnung auf Produktivitätssteigerungen, einen nachhaltigen Nachfrageboom und die Durchsetzungskraft der neuen Chefin. Aber Skepsis bleibt. Medial gepflegt wird der geplante Deutschland-Takt (DT) 2030, so etwa durch eine als „Einstieg“ benannte Verdichtung der ICE- Verbindung Berlin - Hamburg auf stündlich zwei Fahrten je Richtung. Dies ist wenig überzeugend, zumal zentrale Engpässe in den überlasteten Knoten liegen, also den großen Umsteigebahnhöfen. Auch ist immer noch nicht abgesichert, wie für den Güterverkehr im DT die erforderlichen Strecken- und Zeitfenster abgesichert werden. Dies immer vor dem Hintergrund des politischen Drucks, bis 2030 den Marktanteil (letztlich zu Lasten des LKW) von 18,5 auf 25 % (! ) zu steigern. Für den EU-Straßengüterverkehr hat der Verkehrsausschuss des- EU Parlaments das Mobilitätspaket 1 mit Verbesserungen der katastrophalen Situation vieler LKW-Fahrer, vor allem aus Osteuropa, verabschiedet. Es sieht eine Rückkehrpflicht zum „Registrierungsort“ alle acht Wochen sowie Rückreiseberechtigung der Fahrer an deren Wohnort spätestens nach drei Wochen vor. Die Wochenarbeitszeit von max. 45 Stunden darf in den Ruhezeiten nicht mehr im Fahrzeug verbracht werden. Klein-LKW von 2,5 bis 3,5 t GG müssen im grenzüberschreitenden Verkehr digitale Fahrtenschreiber einbauen. Offen bleibt allerdings die Umsetzung dieser Neuregelungen. Die osteuropäischen Staaten kündigten bereits Widerstand und Klagen vor dem EUGH an mit Hinweis auf die Dienstleistungsfreiheit. Und wenn es wirklich zu einer Einführung dieser notwendigen Maßnahmen käme: Wer sollte und könnte eine wirksame Kontrolle ihrer Einhaltung sicherstellen? Die Erfahrungen mit den bestehenden Kabotage-Überprüfungen sind auch für Deutschland weitestgehend enttäuschend. Der durch die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 fast völlig deaktivierte Luftverkehr hat den Netz-Carrier Lufthansa schwerer getroffen als europäische Wettbewerber. Die 9 Mrd. EUR des Bundes zur Insolvenzabwendung mit hoch verzinslichen Krediten sowie einer Staatsbeteiligung von 20,5 % zu einem Preis je Anteil von 2,56-EUR (statt des Börsenkurses von 8 bis 9 EUR) sind eine einzigartige Vorgehensweise. Für nur 300 Mio. EUR konnte der Bund über 20 % des Unternehmens bei gleichzeitig extremer Verwässerung der Anteile der Alteigentümer erzwingen. Immerhin waren bis zur Staatsbeteiligung 87,4 % im Streubesitz, davon viele Kleinanleger. Nach dem Anteilserwerb reduzierte sich der Anteil auf 42,2 %. Hinzu kommt die EU-Kommissionsauflage, Flugrechte in Frankfurt/ M. und München zugunsten von Wettbewerbern aufzugeben. Und „zu schlechter Letzt“: In der jahrzehntelangen Diskussion um eine leistungsfähige Schienenanbindung des im Bau befindlichen Brenner-Tunnels haben im Juli 2020 Landkreis und Stadt Rosenheim sämtliche Trassenalternativen voll umfänglich abgelehnt und sogar generell die Notwendigkeit einer veränderten Zulauftrasse infrage gestellt. Die deutsche Anbindungsmisere im Gotthard- Zulauf Offenburg - Basel lässt traurig grüßen. Desillusion pur. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche POLITIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 10 Fahrermangel im deutschen Straßengüterverkehr - Strukturelle Treiber und verkehrspolitischer Handlungsbedarf Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Diese Stellungnahme soll den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur darin unterstützen, zielführende strukturelle und rechtliche Maßnahmen gegen den wachsenden Mangel an Berufskraftfahrenden zu ergreifen. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung, den vollständigen Text der Stellungnahme und weitere Infos finden Sie mit den Links auf Seite 13. I m Straßengüterverkehr besteht auch bei einer konjunkturbedingten Entschärfung bereits heute in mehreren Ländern Zentral-Europas ein erheblicher Fahrermangel. Für die Zukunft ist in Deutschland mit einer bedeutenden Verschärfung des Problems zu rechnen. Der Fahrermangel hat volkswirtschaftliche Auswirkungen und betrifft nahezu alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. Um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung und der Wirtschaft zu gewährleisten, sind kurz-, mittel- und auch langfristig deutlich mehr Berufskraftfahrer nötig. Der Wissenschaftliche Beirat beim Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur warnt davor, dass sich der LKW-Fahrermangel in Deutschland schon in absehbarer Zeit zu einem großen Problem auch für die Leistungskraft der deutschen Wirtschaft entwickeln kann. Um dies-abzuwenden, ist ein verstärktes politisches Engagement erforderlich. Handlungsbedarf für die deutsche Verkehrspolitik Das Verständnis von Berufskraftfahrern umfasst die Transportkategorien LKW-Nah- und Fernverkehr sowie die Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP). Es betrifft das Führen von Fahrzeugen wie Transportern bis 3,5 Tonnen sowie von LKWs ab 3,5 bis zu 44 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Nachfolgend steht der LKW-Fernverkehr im Mittelpunkt. Das Problem des Fahrermangels kann weder durch technologische Entwicklungen noch durch Verlagerungen auf andere Verkehrsmittel mittelfristig in ausreichendem Maß gelöst werden. Aus umweltpolitischer und insbesondere klimapolitischer Sicht wünscht man sich derzeit einen Rückgang des LKW-Verkehrs und des Gütertransports insgesamt. Dies kollidiert allerdings mit den wirtschaftlichen Entwicklungen, die nach allen Prognosen zu einem Anstieg des Straßengüterverkehrs führen werden. In der Umweltpolitik gilt der Grundsatz einer graduellen und langfristigen Anpassung zugunsten umweltverträglicher Verkehrsmittel, möglichst ohne plötzliche und dramatische Belastungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Um diesen Grundsatz auch beim Güterverkehr umzusetzen, muss das Problem des LKW-Fahrermangels abgemildert werden, selbst wenn mittel- und langfristig eine partielle Güterverkehrsverlagerung weg von der Straße anzustreben ist. Einen gewissen Hebel stellen noch zu realisierende Effizienzsteigerungen in den Bereichen Infrastruktur, Verkehrsmanagement und Logistik dar. Sie ermöglichen kurz- und mittelfristig höhere LKW-Auslastungsgrade und damit einhergehend (bei konstantem Sendungsvolumen) eine etwas reduzierte Anzahl einzusetzender LKWs. Dies trägt zumindest leicht zur Entspannung des Fahrermangels bei. Infrastrukturausbau, verbesserte Planungen sowie optimiertes Straßen-, Verkehrs- und Baustellenmanagement sind somit als Maßnahmen zur Begegnung des Fahrermangels zu sehen und zu fördern. Sie werden das Problem des Fahrermangels aber nicht lösen können. Entlastungen des einheimischen Arbeitsmarktes durch den Einsatz von Fahrpersonal aus dem Ausland bei inländischen Unternehmen sind wichtig, aber nicht beliebig ausweitbar. Die europaweit zunehmende Transportnachfrage bedingt, dass ausländische Fahrer ihren Beruf vermehrt in ihren Heimatländern ausüben. Die Integration von Fahrern aus dem Nicht-EU-Ausland ist in großer Zahl schwierig und unterliegt gesetzlichen Beschränkungen. Erleichterungen für die Anwerbung und Ausbildung ausländischer Arbeitskräfte stellen daher zwar eine wichtige politische Handlungsoption dar, die auch in den folgenden Empfehlungen aufgegriffen wird, doch werden sie allein nicht reichen. Zudem unterliegt ihre Wirksamkeit Risiken, die von Entwicklungen in anderen Ländern beeinflusst werden. Grundsätzlich vertritt der Wissenschaftliche Beirat die Auffassung, dass eine Branche ihre wirtschaftlichen Probleme selbst angehen muss. Dreh- und Angelpunkt für eine Lösung des Problems Fahrermangel sind Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für LKW-Fahrer am Markt. Solche Marktanpassungen finden bereits statt und werden in Zukunft weiter erfolgen. Es besteht aber die Sorge, dass die marktlichen Anpassungsprozesse - wie graduelle Lohnerhöhungen oder Effizienzsteigerungen - ohne verkehrspolitische Flankierung nicht rechtzeitig und in ausreichendem Maße stattfinden werden. Als Folge drohen erhebliche Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 11 Standpunkt POLITIK Anpassungszwänge mit negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsabläufe. Graduelle Marktanpassungen werden durch verschiedene Faktoren erschwert. Dies hat mit der besonderen Situation Deutschlands als wichtiges Ursprungs- und Destinationsland für Güterverkehre einerseits und als zentrales europäisches Transitland andererseits zu tun. Daher ist in Deutschland permanent eine große Anzahl an ausländischen LKWs unterwegs, welche im Rahmen der Kabotage-Regelungen - oder aber deren teilweiser Unterlaufung - eine stets drohende, potenzielle Konkurrenz für die inländischen Transporteure darstellen. Der Markt zeigt offensichtlich eine hohe Wettbewerbsintensität, so dass kaum Spielräume für Preiserhöhungen bestehen. Hinzu kommt, dass die Betreiber schwerer LKWs in der letzten Zeit einem wachsenden Konkurrenzdruck durch eine neuartige Fahrzeugkategorie ausgesetzt sind. Fahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und einer kleinen Schlafkabine über dem Führerhaus sind nach derzeit geltendem Recht von der Mautpflicht befreit und auch den Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten nicht unterworfen. Ferner gelten für diese Fahrzeuge keine Wochenendfahrverbote und keine generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Damit sind diese Fahrzeuge hoch agil einzusetzen und fahren zu sehr niedrigen Grenzkosten, zumal auch sie oft aus Nachbarländern mit niedrigerem Einkommensniveau und Mineralölsteuern kommen, um den deutschen Markt zu bedienen. Der schnell wachsende Marktanteil dieser Fahrzeuge führt zu einem erhöhten Bedarf an Fahrern und oftmals zu erhöhten Emissionen und Straßenbelastungen, selbst bei konstantem Sendungsvolumen. Die inländischen Unternehmen des Schwerlastverkehrs zögern daher mit Preiserhöhungen, da sie unkalkulierbare Marktanteilsverluste gegenüber den Konkurrenten befürchten müssen. Zudem sind auf dem Straßengüterverkehrsmarkt viele Kleinstunternehmen aktiv, die ein bis fünf Fahrzeuge, ein bis zehn Mitarbeitende und geringe Eigenkapitalreserven haben. Bei diesen Marktteilnehmern ist davon auszugehen, dass ihre prekäre Position am Markt kaum Preiserhöhungen erlaubt. Wenn die Transportunternehmen generell den Spielraum für Preiserhöhungen gering einschätzen, dann müssen sie auch gegenüber Kostenerhöhungen zurückhaltend sein. Hinsichtlich des Fahrermangels werden sie daher nur sehr zögerlich Lohnerhöhungen oder mit Zusatzkosten verbundene Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Fahrer anbieten. Es droht eine Verschleppung der notwendigen Anpassungen, die branchenweit zu einer Zuspitzung des Problems des Fahrermangels führen kann. Hinzu kommt, dass Transportunternehmen die Arbeitsbedingungen ihrer Fahrer nur unvollständig kontrollieren können. Auf der Strecke werden die Arbeitsbedingungen insbesondere durch die relative Knappheit von Park- und Übernachtungsmöglichkeiten und die Prozesse bei den Güterterminals beeinträchtigt. Die Verschlechterung der realen Arbeitsbedingungen wird begleitet von der Erosion des ehemals vorteilhaften Berufsbildes. Der Markt steht damit zwar weiterhin in erster Linie selbst in der Verantwortung, die nötigen Anpassungen zu schaffen, braucht dabei aber zumindest temporär verkehrspolitische Unterstützung und wirksame Fördermaßnahmen, um weitreichende negative Folgen abzuwenden. Zudem wird die Nachfrage nach Transportangeboten im Straßengüterverkehr in Deutschland voraussichtlich weiter steigen. Die Zahl der verfügbaren LKW-Fahrer wird gleichzeitig deutlich abnehmen. In der Folge ist mit verstärkten Frachtraumengpässen und sinkendem Service-Level zu rechnen. Die bisherigen Maßnahmen der deutschen Verkehrspolitik reichen keineswegs aus, um dem Problem des Fahrermangels wirksam entgegenzutreten. Zudem fehlt bislang eine Wirkungskontrolle der bisherigen Maßnahmen. Der Verkehrspolitik ist demnach Handlungsbedarf im Sinne wichtiger flankierender Maßnahmen zu attestieren. Impulse und Empfehlungen für verkehrspolitische Maßnahmen Der Wissenschaftliche Beirat skizziert im Folgenden eine systematische, breiter als bisher angelegte Politik zur Linderung des Fahrermangels, die von der Erleichterung des Berufseinstiegs über die Steigerung der Jobattraktivität bis zu einem Marketing für ein positives Berufsbild reicht. Da es jedoch keinen „Königsweg“ zur Lösung des Problems gibt, ist eine Kombination verschiedener Impulse nötig, in die sich die bisher ergriffenen Maßnahmen als Bestandteile oder ausbaufähige Ansätze eingliedern lassen. Die Impulse orientieren sich an den identifizierten Ursachen des Fahrermangels in Deutschland (siehe dazu ausführlicher die Langfassung dieser Stellungnahme) und sind als Anregungen an die Verkehrspolitik zu verstehen. Generell ist zu konstatieren, dass alle beschriebenen Impulse das Potenzial haben, den Fahrermangel zu lindern, darüber hinaus aber auch mit Nebeneffekten verbunden sein können, die bei einer Umsetzung zu bedenken wären. Erleichterungen für den Berufseinstieg Eine erste Klasse an Maßnahmen zielt darauf ab, den Berufseinstieg zu erleichtern, bzw. für bestimmte Personengruppen überhaupt erst zu ermöglichen. Potenzielle Erleichterungen beim Zugang zum Führerschein dürfen dabei nicht zu Lasten der Verkehrssicherheit gehen. Beispiele aus dem Ausland zeigen Potentiale dafür auf, Ausbildungsprozesse zu verschlanken und mit entsprechenden Anreizsystemen zu kombinieren. In diese Richtung geht der Vorschlag, einen (ggf. eingeschränkten) LKW-Führerschein bereits mit 17 Jahren zu ermöglichen. Eine „Jugendlichkeits-Problematik“ - analog zum PKW - wäre in diesem Fall nicht zu erwarten, jedoch müsste altersbedingten körperlichen und geistigen Besonderheiten Rechnung getragen werden (z. B. schnellere Ermüdung im jungen Alter). Die Maßnahme darf nicht Foto: 587679011/ Shutterstock POLITIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 12 als Vorstufe für die Einführung des PKW-Führerscheins mit 17 Jahren missverstanden werden, sondern ist klar als Teil einer Berufsausbildung zu sehen. Anknüpfend an das bereits initiierte Förderprogramm des BMVI ist es unabhängig vom Alter der Kandidaten denkbar, eine finanzielle Förderung des Führerscheinerwerbs oder die Auszahlung eines Bonus vom Staat bei Abschluss einer Fahrerausbildung und anschließender Arbeit im Beruf auszuloben. Auch die Umschulung von Arbeitnehmern mit anderem Hintergrund (Quereinsteiger) kann auf diese Art unterstützt werden. Die Teilnahme an solch einem Programm sollte auch in die Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit münden und nicht nur als Zugang zu einem kostenlosen Führerschein gesehen werden. Auf besonders restriktive Anforderungen ist in dieser Hinsicht allerdings zu verzichten. Es reicht, wenn der Erwerb des geförderten Führerscheins mit einer zeitlich begrenzten „Schnupper-Tätigkeit“ im Fahrerberuf verbunden wird. Die Aufnahme der Tätigkeit muss auch nicht beim ausbildenden Unternehmen erfolgen, um die Förderfähigkeit zu erhalten. Sinnvoll erscheint zudem die Optimierung bzw. Straffung des Qualifikationsprozesses bei unveränderter Qualität der Ausbildung bzw. uneingeschränkter Aufrechterhaltung etablierter und bewährter Anforderungen an die Qualifikation als Berufskraftfahrer. Denkbar ist dabei eine beschleunigte Grundqualifikation durch ein modulares Qualifizierungsprogramm, in dem eine Grundqualifikation für einen leichten Einstieg ebenso enthalten ist wie modulare Vertiefungen (ggf. gefördert) nach Bedarf (Stufenprogramm). Diese Vertiefungen, die in der Regel mit Blick auf die Anforderungen im jeweiligen Unternehmen erfolgen, könnten über eine Bezuschussung für die betroffenen Unternehmen zusätzlich erleichtert werden. Als generelles Beispiel mag hier Österreich dienen, wo ein Programm mit halber Lehrzeit (eineinhalb statt wie bisher drei Jahre Ausbildungszeit) bereits in einigen Landesteilen umgesetzt wurde. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Deutschland sollte die Akquise ausländischer Arbeitnehmer angestrebt und erleichtert werden. Dazu gehören auch Social-Media- Aktivitäten wie etwa Flagship-Programme. Eine Prüfung und ggf. Beseitigung bestehender bürokratischer Hürden, z. B. bei der Anerkennung ausländischer Führerscheine, hält der Wissenschaftliche Beirat für angebracht. Man kann auch über eine stark geförderte Um- oder Nachschulung der Fahrerkenntnisse auf Basis eines ausländischen Führerscheins nachdenken. Um Arbeitnehmer aus dem europäischen Ausland anzuwerben, kann ein kombiniertes Angebot von Fahrerausbildung, Sprachkurs, weiteren Integrationsprogrammen und vorübergehendem Wohnraum aufgesetzt werden. Dies würde ausländischen Arbeitnehmern, die am deutschen Arbeitsmarkt interessiert sind, die Gelegenheit für einen Einstieg geben, dies mit einer Berufsausbildung in einer Branche, die langfristig Arbeitskräftebedarf aufweisen wird, zu verbinden. Solche Programme können speziell auch Flüchtlingen zugänglich gemacht werden, um deren Eingliederung zu fördern. Steigerung der Job-Attraktivität Eine zweite Kategorie von Maßnahmen adressiert die Attraktivität des Kraftfahrerberufs. Dazu gehören übergeordnete Aspekte wie etwa die finanzielle Situation der Arbeitnehmer oder bessere Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auf der Detailebene betrifft dies die konkreten Arbeitsbedingungen der LKW- Fahrer. Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen zielen dabei sowohl auf die Gewinnung potenzieller Interessenten am Fahrerberuf als auch auf die langfristige Bindung bereits für den Beruf gewonnener Fahrer ab. Ein zentraler Aspekt bei der Entscheidung für oder gegen den Kraftfahrerberuf ist zweifellos die Entlohnung. Entsprechend muss es Ziel sein, deutliche Lohnsteigerungen für LKW-Fahrer zu erreichen. Für dieses Bestreben zuträglich könnten gezielte Mautbefreiungen für Unternehmen mit Fahrzeugen sein, die überdurchschnittlich wenige Emissionen ausstoßen. Umgekehrt könnte auch eine Mauterhebung von kleineren LKW (unter 7,5 Tonnen) in Erwägung gezogen werden, die dann entsprechend Spielraum für höhere Margen bei den größeren LKWs schaffen könnte. In die Neugestaltung des LKW-Mautsystems könnte auch eine Anreizsetzung in Verbindung mit der Fahrzeugauslastung einbezogen werden. Die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland würde auch durch die Vermittlung von langfristigem Wohnraum für die Fahrer unterstützt werden. Eine solche Unterstützung von staatlicher Seite kann einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Nationen bedeuten, in denen ein solches Angebot nicht vorhanden ist. Dieser Service kann auch inländischen Arbeitskräften angeboten werden, wenn für sie Umzüge nötig werden. Für inländisches ebenso wie für ausländisches Fahrpersonal wichtig erscheinen Programme zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nicht zu vernachlässigen ist zudem das Weiterbildungsangebot für Fahrer (sowohl mit unmittelbarem Bezug zur Fahrertätigkeit als auch darüber hinaus) sowie die Möglichkeit, derartige Angebote auch wahrzunehmen. Entsprechende Konzepte zur Fahrer-bezogenen Weiterbildung, z. B. durch den Einsatz von mobilen Fahrsimulatoren sowie die Einbindung von Fahrzeug-Herstellern, sind im Ausland bereits zu beobachten (siehe z. B. Volvo Group Australia Driver Academy). Aber auch die zunehmende Digitalisierung, die zweifellos eine Herausforderung für die Branche darstellt, kann im Kontext Weiterbildung als Chance verstanden und aufgegriffen werden nach dem Motto „Digitalisierung verändert den Beruf, schafft ihn aber nicht ab“. Entsprechende Weiterbildungsangebote sowie diesbezügliche Anpassungen in den Ausbildungsprogrammen können zusätzlich geeignet sein, den Beruf für potenzielle Interessenten attraktiver zu machen. Der Verbesserung der Arbeitsbedingungen während der Touren dient eine Förderung für das Aufrüsten von Parkplätzen und Raststätten im Hinblick auf Services wie Zugang zu sanitären Einrichtungen (Dusche/ WC) sowie Verfügbarkeit von Internet oder Bewachung der Fahrzeuge. Dies gilt auch für privat betriebene Stationen. Um neue und größere Raststätten und Parkplätze zu errichten, sollte der Bund die betroffenen Kommunen finanziell kompensieren, so zum Beispiel für eine (verbindlich zu vereinbarende) verstärkte polizeiliche Präsenz bei diesen Anlagen und in ihrem räumlichen Umfeld. Bei sehr großen Anlagen, für deren konkrete Standorte es ausreichende räumliche Flexibilität gibt, könnte der Bund ein Ausschreibungsmodell für die Kommunen mit der Diktion aufsetzen, dass diejenige Kommune, welche die geringsten Kompensationszahlungen fordert, einen Zuschlag für die Errichtung der Anlage mit dem Zuschuss erhält. Die Refinanzierung solcher Bundeszahlungen kann über die LKW-Maut erfolgen. Denn die der LKW-Maut zugrundeliegende Wegekostenrechnung berücksichtigt alle im Zusammenhang mit den Bundesfernstraßen entstehenden Kosten. Dabei werden Kosten von speziell für LKWs eingerichteten Raststätten und Parkplätzen auch voll den LKWs angelastet. In diesem Zusammenhang erscheint auch eine Revision des Fahrpersonalgesetzes in Bezug auf das zwingende Verbringen der wöchentlichen Pausenzeiten außerhalb des Fahrzeuges geboten. Das Bestreben der Bundesregierung, Sozialstandards für die Fahrer schützen, ist zwar prinzipiell zu unterstützen. Jedoch legt die Erfahrung seit Einführung des Gesetzes nahe, dass dessen aktuelle Ausgestaltung von den Fahrern nicht als Schutz, sondern vielmehr als finanzielle Verschlechterung wahrgenommen wird, und damit der Attraktivität des Kraftfahrerberufs abträglich ist. Entsprechend empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat eine mit EU-Recht kompa- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 13 Standpunkt POLITIK tible Neufassung des Gesetzes, sodass längere Pausen mit Übernachtungen im Fahrzeug erlaubt werden, wenn Mindeststandards im Fahrzeug (Kabine) und am Parkplatz (sanitäre Anlagen) erfüllt sind. Zusammen mit den zuvor beschriebenen Anstrengungen für eine Aufrüstung von Parkplätzen und Raststätten sollte sich dann eine Verbesserung der Bedingungen für die Fahrer ergeben. Eine besondere Situation entsteht für die Fahrer an den Rampen von Hubs und Distributionszentren. Be- und Entlade-Slots werden im Vorfeld einzelnen Fahrzeugen zugeteilt, wobei die Algorithmen der Slot-Vergabe sich an optimierten Abläufen in den Hubs und nicht an den Touren der LKWs ausrichten. Das Verpassen eines zugeteilten Slots führt in der Regel dazu, dass ganze Touren zusammenbrechen und zudem empfindliche Strafzahlungen für die Transportunternehmen fällig werden. Entsprechend groß ist der Druck auf die Fahrer, die Slots zu treffen. Die Fahrer planen deshalb Zeitpuffer in der Nähe der Rampen ein, z. B. auf nahe gelegenen Autobahnparkplätzen. Vor den Rampen rücken die LKWs dann schrittweise auf. Dieses Aufrücken gilt als Lenkzeit, obwohl die Fahrzeuge größtenteils stehen. Dieses Gesamt-Phänomen löst einen großen Stressfaktor bei den Fahrern aus. Mit gezielten Fördermaßnahmen kann das BMVI auf die Verbreitung digitaler Instrumente einwirken, welche die Slot-Planung mit der Tourenplanung kombinieren und so den Druck auf die Fahrer reduzieren. Positive Imagebildung des Berufs Eine weitere Kategorie von Maßnahmen zielt auf die öffentliche Wahrnehmung des Berufsbildes Kraftfahrer ab. Hier ist ein breites Spektrum an Maßnahmen denkbar. Anknüpfend an die Arbeitsbedingungen erfahren LKW-Fahrer oftmals keine ausreichende Wertschätzung, insbesondere beim Kundenkontakt an den Be- und Entladestellen sowie in der breiten Öffentlichkeit, etwa in Anbetracht des großen LKW-Aufkommens auf den Autobahnen. Dies kann als Hemmnis bei der Berufswahl wirken. Die verkehrspolitische Förderung von Image-Kampagnen zugunsten der LKW-Fahrer wäre ebenso hilfreich wie die Unterstützung des Auslobens von CSR-orientierten 1 Awards für Unternehmen, die einen besonders fairen und respektvollen Umgang mit LKW-Fahrern pflegen. Weitere denkbare Maßnahmen adressieren das Image der Logistik- und Transportbranche allgemein. Davon profitiert auch das Berufsbild des LKW-Fahrers. Generell notwendig erscheint eine Förderung des Berufsimages durch ein aktiveres Marketing sowohl von Seiten der Arbeitgeber als auch von öffentlicher Seite. Dazu gehört z. B. das Bewerben des Berufs in Schulen, etwa mit Hilfe eines „rollenden Arbeitsplatzes“ einschließlich Demonstrationsmaßnahmen an LKWs. Die beruflichen Möglichkeiten, die sich aus den in Kapitel 2.2 beschriebenen Maßnahmen ergeben, sind mit einer geeigneten Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Es ist davon auszugehen, dass nicht jeder Flottenbetreiber über die Kapazitäten oder Kompetenzen verfügt, die notwendige Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Unterstützung von öffentlicher Seite, z. B. hinsichtlich der strategischen Ausrichtung zur Akquise von Fahrern, ist hier erforderlich. Als besondere Zielgruppe sind Frauen zu fördern. Im Jahr 2017 betrug der Frauenanteil bei sozialversicherungspflichtigen Berufskraftfahrern lediglich 1,7 Prozent. Hier liegt deutliches Potential, auch vor dem Hintergrund technologischer Entwicklungen und der damit verbundenen Reduzierung der Anforderungen an die Körperkraft. Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sind sinnvollerweise auch konkret auf diese Zielgruppe und deren Wünsche und Bedürfnisse zuzuschneiden. Jegliche Imageförderung muss dabei mit Fingerspitzengefühl betrieben werden. Denn eine positivere Darstellung des Berufsbildes darf nicht tatsächliche Maßnahmen zur Behebung von Missständen (siehe auch „Steigerung der Job-Attraktivität“) ersetzen, ansonsten wären sogar konträre Effekte zu befürchten. Fazit zu den Empfehlungen des Wissenschaftlichen-Beirats Nicht zuletzt mit Blick auf die aktuelle Klimadebatte geht es bei verkehrspolitischen Maßnahmen zur Linderung des Fahrermangels keinesfalls darum, einen Modal Shift zugunsten der Straße zu bewirken. Vielmehr sollen die Maßnahmen notwendige Initiativen der Marktakteure flankieren, um die sich abzeichnenden negativen Konsequenzen wie eine Gefährdung der Versorgungssicherheit für die Bevölkerung abzuwenden. Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt der deutschen Verkehrspolitik, Maßnahmen in den Bereichen Erleichterungen für den Berufseinstieg, Steigerung der Jobattraktivität und positive Imagebildung für den Beruf zu ergreifen, die deutlich über die bisher ergriffenen Maßnahmen hinausgehen. Dazu bedarf es einer umfassenden Aufarbeitung der hier unterbreiteten Vorschläge, um mögliche Nebeneffekte vor einer Umsetzung gezielt festzustellen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung legt der Wissenschaftliche Beirat darüber hinaus die Eruierung und Festlegung geeigneter Wirkungskontrollen nahe, die auch auf das Zusammenspiel mit den Initiativen der Marktakteure auszulegen sind. ■ Im Februar 2020 Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Die komplette Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur finden Sie im Web unter www.iv-dok.de/ dok44-2009 Über den Wissenschaftlichen Beirat: www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ G/ wissenschaftlicher-beirat-bmvi.html 1 CSR: Corporate Social Responsibility, Unternehmerische Sozialverantwortung. Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Prof. Dr.-Ing. Hartmut Fricke Dresden Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich Stuttgart Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike Dresden Prof. Dr. Astrid Gühnemann Wien Prof. Dr. Hans-Dietrich Haasis Bremen Prof. Dr. Natalia Kliewer Berlin Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Knorr Speyer Prof. Dr.-Ing. Ullrich Martin Stuttgart Prof. Dr. Kay Mitusch (Vorsitzender) Karlsruhe Prof. Dr. Stefan Oeter Hamburg Prof. Dr. Tibor Petzoldt Dresden Prof. Dr. Gernot Sieg Münster Prof. Dr. Wolfgang Stölzle St. Gallen Prof. Dr.-Ing. Peter Vortisch Karlsruhe Prof. Dr. rer. nat. Hermann Winner Darmstadt POLITIK Tempolimit Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 14 Tempolimit auf Autobahnen Eine deutsche Kontroverse seit den 1970er Jahren Geschwindigkeitsbegrenzung, Bundesautobahn, Deutschland Die Diskussion um ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen (BAB) hat in Deutschland eine völlig andere Entwicklung genommen als in allen anderen vergleichbaren Ländern. Der Beitrag zeichnet diese deutsche Kontroverse für die Zeit seit den 1970er Jahren bis 2020 nach. Daneben werden die Wirkungen von Tempo 130 auf BAB und seine Akzeptanz betrachtet. Bernhard Schlag, Michael Heß G eschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen gelten in allen Ländern Europas, wobei diese nach allgemeinen Tempolimits, fahrzeugbezogenen Tempolimits und streckenbezogenen Tempolimits unterschieden werden. In Deutschland gelten streckenbezogene und fahrzeugbezogene Geschwindigkeitsbegrenzungen, in allen anderen Ländern Europas, die über ein Autobahnnetz verfügen, gelten auch allgemeine Tempolimits (Bild 1). Allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzungen bedeuten, dass auf dem jeweils gesamten Autobahnnetz eines Landes Höchstgeschwindigkeiten vorgegeben sind, die nicht überschritten werden dürfen, die aber streckenbezogen und situativ niedriger festgelegt werden können und durch Verkehrszeichen bzw. Verkehrsbeeinflussungsanlagen sichtbar gemacht werden. Fahrzeugbezogene Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten für LKW über 3,5 t, für PKW und Lieferwagen mit Anhängern, Busse und Motorräder. In einigen Ländern gelten darüber hinaus jahreszeitliche oder tageszeitliche Geschwindigkeitsbegrenzungen, in anderen fahrpraxisbezogenen Tempolimits. Autobahnstrecken mit und ohne Tempolimit in Deutschland Das Autobahnnetz Deutschlands ist insgesamt 12.996 km lang [2]. Rund 25.767 km Autobahn werden in beide Richtungsfahrbahnen gezählt ([3] Stand: 2015). Davon gilt auf: • 18.115 km kein Tempolimit, • 6.035 km ein streckenbezogenes Tempolimit auch unter günstigen Bedingungen, • 1.608 km ein flexibles Tempolimit nur unter ungünstigen Bedingungen ( je nach Verkehrslage, Witterung u. a.). 1 Auf 70,4 % der deutschen Autobahnen gilt demnach keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung, soweit keine kurzfristig wegen Baustellen u. a. angeordnet ist. Auf 23,4 % der BAB gilt hingegen ein streckenbezogenes, situationsunabhängiges Tempolimit (i. d. R. 120 km/ h oder 130 km/ h). Auf 6,2 % der Strecken gilt ein situationsabhängiges Tempolimit (nur unter ungünstigen Bedingungen), siehe auch Bild 2. Entwicklung der Diskussion um Tempo 130 auf Bundesautobahnen (BAB) in Deutschland Die Diskussion um Tempolimits ist etwa so alt wie das Auto selbst. Die erste Geschwindigkeitsbegrenzung wurde bereits 1861 im Vereinigten Königreich Großbritannien eingeführt und entsprach 10 mph (ca. 16-km/ h) auf breiten Stadtstraßen. Wesentlicher Grund für die Einführung von Tempolimits war regelmäßig die mangelnde Sicherheit im Straßenverkehr. Schon ab 1832 wurde im Vereinigten Königreich der Ordnungswidrigkeitentatbestand des „furiosen Fahrens“ geahndet; das erste „Geschwindigkeitsknöllchen“ wurde 1896 ausgestellt [4]. In Deutschland hob die erste „Reichsstraßenverkehrsordnung“ am 8. Mai 1934 alle (damals länderspezifischen) Bestimmungen über Geschwindigkeitsbegrenzungen auf. Im Mai 1939 wurden wegen der Unfallzahlen wieder Begrenzungen eingeführt (für PKW innerorts 60 km/ h, außerorts 100-km/ h, für LKW 40 bzw. 70 km/ h). Nach Kriegsbeginn senkte man die Geschwindigkeiten im Oktober 1939 auf 40 km/ h innerorts, außerorts 80 km/ h für PKW, 60 km/ h für LKW. Die Beschränkung galt auch auf den neuen Reichsautobahnen. 1953 wurden in der Bundesrepublik Deutschland sämtliche Höchstgeschwindigkeiten wieder aufgehoben, auch innerorts. Am 1. September 1957 wurde die Beschränkung auf 50 km/ h für alle Kraftfahrzeuge innerorts wieder eingeführt. Die damalige Debatte verlief zeitweise ähnlich heftig wie die heutigen Diskussionen um Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit inner- Foto: Esa-Niemelä, pixabay Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 15 Tempolimit POLITIK orts oder um ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Die Vorgeschichte prägte diese Diskussion: In Westdeutschland nahm das Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren Fahrt auf, das Auto wurde ein wichtiges Statussymbol. Ende 1952 hob der Deutsche Bundestag das oben genannte Gesetz aus dem Jahr 1939 auf, welches das Tempo in Ortschaften auf 40 km/ h und sonst überall auf 80 km/ h beschränkte. Rückwirkend wurde dies als Maßnahme zum Benzinsparen im Krieg gewertet. In der DDR wurden allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzungen nie aufgehoben. Diskussion und Forschungsergebnisse in den 1970er Jahren Zu Beginn des Jahrzehnts - auf dem Höchststand der Verkehrsunfallzahlen in Deutschland - verloren jedes Jahr mehr als 20.000 Menschen ihr Leben im Straßenverkehr. Seitdem läuft in Deutschland die Diskussion um Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen und Landstraßen mit unterschiedlicher Intensität. 1972 wurde die Einführung einer generellen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/ h für nicht richtungsgetrennte Straßen außerorts („Landstraßen“) ohne in beide Fahrtrichtungen durchgehende Überholfahrstreifen beschlossen. Während der ersten Ölkrise galt zwischen November 1973 und März 1974 zum Zweck der Treibstoffeinsparung in der Bundesrepublik ein generelles Tempolimit von 100 km/ h auch auf Autobahnen. In den 1970er Jahren wurde durch die damals neu gegründete Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ein Großversuch „Tempo 130 auf Autobahnen“ unternommen [5]. Beteiligt waren mehrere Forschungsgruppen, die u. a. Fragen zur Sicherheit, zum Verkehrsablauf und zur Wirtschaftlichkeit eines möglichen Tempolimits beantworten sollten. Zur Prüfung der Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit wurden (westdeutsche) Untersuchungsstrecken mit einer Gesamtlänge von 1.506 km sowie Vergleichstrecken (1.413 km) ausgewählt. Die Vergleichbarkeit der einzelnen Streckenabschnitte sollte dabei unter Beachtung der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke (DTV), der Lage zu den Verdichtungsräumen, der Topografie und dem Ausbauzustand garantiert werden. Verglichen wurden zum einen Abschnitte mit und ohne- Tempolimit und zum anderen in einem Vorher-Nachher-Vergleich Streckenabschnitte, bei denen für jeweils ein Jahr eine Geschwindigkeitsbegrenzung ausgeschildert wurde. Beim ersten Vergleich zwischen (nach obigen Kriterien vergleichbaren) Strecken mit vs. ohne Tempolimit wurden für die Strecken mit Geschwindigkeitsbegrenzung im Vergleich durchweg niedrigere Fahrgeschwindigkeiten gemessen. Zudem sank die Varianz der Geschwindigkeiten und es stellte sich ein homogenerer Verkehrsablauf ein. Die Abschnitte mit einer Höchstgeschwindigkeit wiesen neun bis 11 % weniger Unfälle auf, wobei die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden um 8 % geringer war; die Anzahl der Getöteten und Schwerverletzten sank um 20 bis 23 %. [5] In die Vorher-Nachher-Vergleiche im Rahmen dieses Großversuchs der BASt wurden drei Autobahnabschnitte einbezogen. Auf zwei der Untersuchungsstrecken wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/ h eingerichtet und auf der dritten Strecke eine Beschränkung auf 120 km/ h. Auch hier sanken die Geschwindigkeiten im Vergleich zur Ausgangssituation ohne Tempolimit und es stellte sich ein harmonischerer Verkehrsablauf ein. Es wurden weniger Fahrstreifenwechsel sowie Brems- und Beschleunigungsvorgänge nach Einführung der Maßnahme registriert, was sich auch in der Abnahme von Unfällen im Längsverkehr widerspiegelte. Die Unfallraten sanken um 10 bis 22 % und es ereigneten sich 50 bis 58 % weniger Unfälle mit Getöteten. 1978 wurde als Konsequenz aus den Studien der BASt [5] in Abwägung zwischen UKR TUR TUN SYR SVK SVN SWE RUS ROU PRT POL NOR MLT MKD MNE MDA MAR LTU LBN JOR ITA ISL ISR HUN HRV GRC G IB FRA FIN ESP EST DNK DEU CZE CYP SCG CHE BLR BGR BIH ALB UKR TUR TUN SYR SVK SVN SWE RUS ROU PRT POL NOR MLT MKD MNE MDA MAR LVA LTU JOR ITA ISL ISR IRL HUN HRV GRC G IB G BR FRA FIN ESP EST DNK DEU CZE CYP SCG CHE BLR BGR BEL BIH ALB AND LBN MCO KOS LUX AUT NLD 70,4 % f rei 6,2 % VBA ohne Grundversorgung 2,6% 130 km/ h 120 km/ h 100 km/ h 80 km/ h ≤ 60 km/ h 20,8% Gesamtlänge Richtungsfahrbahnen BAB: 25.767 km Anteile verschiedener Tempolimitregelungen und -höhen auf Bundesautobahnen ohne Arbeitsstellen (Stand 2015) Anteile verschiedener Tempolimitregelungen und -höhen auf Bundesautobahnen ohne Arbeitsstellen (Stand 2015) Verkehrsbeeinf lussungsanlage keine Anzeige eines Tempolimits unter günstigen Verkehrsbedingungen statisches Tempolimit (dauerhaf t oder temporär) Verkehrsbeeinf lussungsanlage Anzeige eines Tempolimits auch unter günstigen Verkehrsbedingungen 4,7 % 7,8 % 5,6 % 2,3 % 0,4 % Bild 1: Tempolimits auf europäischen Autobahnen (siehe auch [1]) Bild 2: Anteile verschiedener Tempolimit-Regelungen auf Bundesautobahnen (Stand 2015, ohne Arbeitsstellen) [3] POLITIK Tempolimit Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 16 den Forschungsergebnissen und anderen Interessen in Deutschland (West) die „Richtgeschwindigkeit 130“ eingeführt. Mit Bezug auf die Veränderung der gefahrenen Geschwindigkeiten erwies sich diese bald als wenig wirksam. Laut einer aktuellen Studie der BASt fuhr in einem vierjährigen Beobachtungszeitraum jedes dritte Fahrzeug (PKW, Motorrad, Lieferwagen) auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung schneller als die Richtgeschwindigkeit von 130 km/ h. Etwa jedes zehnte Fahrzeug fuhr schneller als 150 km/ h [6]. Für Aufregung sorgte 1992 ein Urteil des Bundesgerichtshofes in einem Haftungsfall: „Wird ein Kraftfahrer, der die Richtgeschwindigkeit von 130 km/ h überschritten hat, in einen Unfall verwickelt, so kann er sich nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls (...) berufen, es sei denn, er weist nach, daß es auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/ h zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre“ [7]. Der Nachhall dieses Urteils in der Öffentlichkeit war allerdings nur kurz ([8], Teil 4). Einer der großen Verkehrsrechtskommentare zog als Fazit aus dem BGH-Urteil, dass die RichtgeschwindigkeitsVO im Interesse der Sicherheit angesichts der zunehmenden Dichte auf Autobahnen durch eine verbindliche Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit ersetzt werden sollte ([9], S. 330). Diskussion und Forschungsergebnisse in den 1980er und 1990er Jahren In den 1980er Jahren belegte ein Großversuch in Hessen die Wirkungen eines Tempolimits auf die Unfallzahlen. Von 1984 bis 1987 galt dort auf einigen Autobahnen ein Tempolimit von 100 km/ h. Hierdurch sank die Zahl der Toten und Schwerverletzen um 25 bis 50 % auf den einbezogenen BAB-Abschnitten [10]. Im Mai 1991 schrieb der damalige Abteilungsleiter Straßenverkehr im Bundesverkehrsministerium, Philipp Nau, eine Stellungnahme „Zur Frage allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen“ an den Minister Günther Krause. Mit Bezug auf die 1978 getroffene Entscheidung gegen ein Tempolimit und für eine Richtgeschwindigkeit mahnte er eine erneute politische Diskussion an. Er griff im Wesentlichen die Ergebnisse der BASt-Studien aus 1977 zu den Auswirkungen eines Tempolimits von 120 oder 130 km/ h auf die Verkehrssicherheit, die Umwelt und die Wirtschaft auf und zog die Schlussfolgerung, dass durch ein Tempolimit erhebliche Sicherheitsgewinne erzielt werden könnten. Nach diesem, das Tempolimit für Autobahnen befürwortenden Vorstoß aus seinem Hause hat der Verkehrsminister den zuständigen Abteilungsleiter in den einstweiligen Ruhestand versetzt [11]. Im Juli 1991 wurde in Rheinland-Pfalz das Pilotprojekt „Geschwindigkeitsbeschränkung und Überholverbot für LKW auf der A 61“ auf zwei ausgewählten Strecken (Landesgrenze NRW bis AK Bingen, AK Alzey bis AK Mutterstadt) gestartet. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 130 km/ h. Nach einem Jahr wurde ein Rückgang der Gesamtunfälle um 8 % festgestellt, der Unfälle mit Personenschaden um 11 % und der Unfälle mit Toten und Schwerverletzten um 22 %. Begründet wurde der Erfolg mit einem veränderten Geschwindigkeitsverhalten, das zu einem homogenen Verkehrsfluss geführt hat. Weniger Konflikte beim Überholen bei geringeren Geschwindigkeitsdifferenzen waren die Folge. Die Mehrzahl der PKW- und LKW-Fahrenden hatte zudem kürzere Reisezeiten [12]. Tempobeschränkungen in der DDR und nach der Wiedervereinigung ab 1991 Die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten für PKW betrugen in der DDR innerhalb von Ortschaften 50 km/ h, außerhalb von Ortschaften 80 km/ h und auf Autobahnen 100 km/ h. Im Einigungsvertrag von 1990 wurde vereinbart, dass auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ab dem 1. Januar 1991 grundsätzlich die Regelungen der Straßenverkehrsordnung der Bundesrepublik gelten; für Geschwindigkeitsbegrenzungen wurden jedoch Anpassungsregelungen vorgesehen. Bis Ende des Jahres galt auf Autobahnen für PKW und Motorräder aufgrund des baulichen und sicherheitstechnischen Zustandes der Straßen weiterhin Tempo 100. Ab 1. Januar 1992 wurde auch dort die Richtgeschwindigkeit 130 km/ h eingeführt. Wenig Beachtung fanden dabei Warnungen, dass aufgrund geringer Fahrbahn- und Fahrraumbreiten in Verbindung mit ungenügenden Fahrbahnzuständen, einem veralteten Fahrzeugpark und einem veränderten Mobilitäts- und Fahrverhalten eine Erhöhung des Geschwindigkeitsniveaus zur Erhöhung des Unfallrisikos führen würde ([8], Teil 4). Die Unfallzahlen und die Zahl der Verkehrsopfer erreichten 1991 in den neuen Bundesländern eine dramatische Höhe: Pro 1 Mrd. KFZ-Kilometer wurden insgesamt 53 Menschen getötet (16 in den westlichen Bundesländern), auf Autobahnen wurden je 1 Mrd. KFZ-Kilometer 40 Menschen getötet (sieben in den westlichen Bundesländern). Bei einer Untersuchung der BASt Ende 1990 waren 56 % der befragten Westdeutschen für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, 32 % dagegen (zwölf enthielten sich). In den ostdeutschen Bundesländern waren 73 % für ein Tempolimit auf westdeutschen Autobahnen, 14 % waren für eine freie Geschwindigkeitswahl. Für die „eigenen“ Autobahnen wollten dies nur 4 % der befragten Ostdeutschen, für ein Tempolimit auf ostdeutschen Autobahnen waren 89 % ([8], Teil 4). Diskussion und Forschungsergebnisse ab 2000 Im Jahre 2003 wurde auf einem 63 km langen Abschnitt der BAB 24 in Brandenburg eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130-km/ h angeordnet. Nach Einführung der Maßnahme sank die Anzahl der Unfälle und Verletzten dort um ca. 50 %. Die Zahl der Unfälle (Personen- und schwerwiegende Sachschäden) reduzierte sich nach Einführung der Begrenzung von 654 auf 337 (-48 %) im Dreijahreszeitraum, die Zahl der Verunglückten ging von 838 auf 362 in drei Jahren zurück (-57 %). Zur Eliminierung zeitlicher Effekte auf die Verkehrssicherheit wurden diese und weitere Unfalldaten mit Hilfe von Daten aus vier Vergleichstrecken bereinigt. Anschließend konnten die Unfallkostenraten in Abhängigkeit des Tempolimits und der Fahrstreifenanzahl für Autobahnen Brandenburgs ermittelt werden. Unter Berücksichtigung des Rückgangs auf den Kontrollstrecken ergab sich durch die Einführung des Tempolimits ein Rückgang der Unfallkostenraten auf geschwindigkeitsbegrenzten BAB-Abschnitten um 26,5 % [13]. Am 31. Oktober 2007 stellte die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag den Antrag, „Tempolimit 130 km/ h auf Autobahnen sofort einführen“ [14]. Kurz zuvor hatte sich auch ein SPD-Parteitag in einem Beschluss für ein generelles Tempolimit von 130 km/ h auf BAB ausgesprochen. Dieser Antrag wurde anschließend in sechs Ausschüssen beraten und abschließend am 28. Mai 2008 im Bundestag abgelehnt [15]. Im September 2017 wurde auf einem Abschnitt der BAB 4 zwischen Merzenich und Elsdorf (in beiden Richtungen zwischen Aachen und Köln) nach einer Reihe von Unfällen mit insgesamt neun Getöteten in den vergangenen drei Jahren ein Tempolimit von 130 km/ h eingeführt. Sechs Monate später teilte die Bezirksregierung Köln den Aachener Nachrichten [16] mit, dass das Unfallgeschehen auf diesem Teilstück seither unauffällig sei. Nach Einführung des Tempolimits hat sich dort in den folgenden zwei Jahren kein Unfall mit Todesfolge ereignet. Im Oktober 2019 scheiterten die Grünen im Deutschen Bundestag mit ihrem Antrag zur Einführung von Tempo 130 auf Auto- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 17 Tempolimit POLITIK bahnen [17]. Unterstützt wurden sie dabei lediglich von der Linkspartei. In der Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses hieß es, dass auch die SPD-Fraktion grundsätzlich übereinstimme. Allerdings sei es nicht gelungen, den Koalitionspartner CDU/ CSU zu überzeugen, daher sei eine Zustimmung nicht möglich. Im Februar 2020 scheiterte im Bundesrat ein Vorschlag des Umweltausschusses der Länderkammern, die geplante Änderung der Straßenverkehrsordnung um eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 130 km/ h auf Autobahnen zu ergänzen [18]. Wirkungen eines Tempolimits Der Wissenschaftliche Beirat des BMVBS setzte sich 2010 in einem ausführlichen Gutachten zur Straßenverkehrssicherheit für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf allen Straßentypen ein, weil er bei unbegrenzter Geschwindigkeit auf BAB die folgenden Probleme sah [19]: • Überproportional zunehmende Unfallschwere mit wachsender Aufprallgeschwindigkeit • Mit zunehmender Geschwindigkeit abnehmende Möglichkeit für Reaktionen und Korrekturmanöver bei unvorhergesehenen Ereignissen und damit höhere Risiken für Auffahr- und Folgeunfälle • Höheres Unfallrisiko bei eingeschränkten Sichtverhältnissen (Nebel, Nacht) • Erhöhte Ausbau- und Sicherheitsstandards (Fahrstreifenbreite, Radien, Seitenstreifen etc.) für hohe Entwurfsgeschwindigkeiten und damit Kosten für Investitionen und Unterhaltung • Höherer Energieverbrauch, Schadstoffausstoß und Lärm • Größere Störanfälligkeit, Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Straßen • Geringerer Fahrkomfort und geringeres subjektives Sicherheitsempfinden vor allem älterer und selten fahrender Verkehrsteilnehmender „Vor diesem Hintergrund befürwortet der Wissenschaftliche Beirat mit großer Mehrheit eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf BAB auf 130 km/ h bzw. auf einem-innerhalb der EU zu vereinbarenden einheitlichen Niveau (zumeist derzeit 130-km/ h)“ ([19], S. 178). Im Februar 2019 hat das Magazin „Der Spiegel“ eine Modellrechnung zu den Wirkungen einer generellen Höchstgeschwindigkeit 130 km/ h auf BAB auf die Anzahl der dort tödlich Verunglückten aufgestellt [20]. Danach hätten sich auf deutschen Autobahnen im Jahr 2017 234 tödliche Unfälle mit ca. 268 Todesopfern (pro Unfall mit Todesfolge sterben im Durchschnitt 1,15 Personen) ereignet, wenn überall Tempo 130 gegolten hätte. Tatsächlich wurden in diesem Jahr 409 Todesopfer auf BAB verzeichnet. Nach vorsichtigen Schätzungen könnten durch ein allgemeines Tempolimit von 130- km/ h auf BAB zwischen 80 und 140 Menschenleben pro Jahr gerettet werden. Zusammenfassend lassen sich fünf Wirkungen niedrigerer Geschwindigkeiten auf die Unfallwahrscheinlichkeit und die Unfallschwere festhalten [21]: • Effekt 1: Senkung der mittleren gefahrenen Geschwindigkeiten • Effekt 2: Besonders hohe Fahrgeschwindigkeiten führen systematisch zu einer höheren Varianz der Geschwindigkeiten. In einer Verringerung der Varianz der Geschwindigkeiten liegt deshalb ein wesentlicher Grund für die erhöhte Sicherheit nach Einführung eines Tempolimits. Die Annäherung der Geschwindigkeiten der PKW untereinander sowie von PKW und LKW führt zu einem homogeneren Verkehrsfluss - ein Effekt, der bei zeitweisen Geschwindigkeitsbegrenzungen zu Hochlast-Zeiten (z. B. durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen) bereits häufig und erfolgreich genutzt wird. Bei starker Spreizung der Geschwindigkeiten (z. B. zwischen PKW und LKW) kommt es teilweise zu einer zweigipfligen Verteilung der Geschwindigkeiten, die bei Mischung zu Konflikten führen muss. Der Mittelwert ist dann wenig aussagefähig, vielmehr gibt es einen hohen Mittelwert der Schnellfahrenden und einen vergleichsweise niedrigen der langsamer Fahrenden. • Effekt 3: Höhere Aufprallgeschwindigkeiten, die regelmäßig bei starken Geschwindigkeitsdifferenzen entstehen, führen systematisch zu schwereren Unfallfolgen. Die Gesetze der Physik gelten in jedem Land der Erde. • Effekt 4: Bei niedrigeren Geschwindigkeiten führen auch nicht-geschwindigkeitsbezogene Fehler der Fahrzeugführenden (z. B. mangelnder Abstand, Fehler beim Fahrstreifenwechsel etc.) mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu Unfällen und insbesondere zu schweren Unfallfolgen, da einmal die Unfallschwere physikalisch von der Geschwindigkeit abhängt und zum anderen die Kompensationsleistung des Gesamtsystems höher ist. Eine Fehlerkompensation, für die bei niedrigeren Geschwindigkeiten noch gerade hinreichend Zeit besteht, kann bei sehr hohen Geschwindigkeiten oft nicht mehr gelingen. Die Kompensationsleistung des Gesamtsystems kann durch geringere Fahrgeschwindigkeiten entscheidend verbessert werden. • Effekt 5: Mit Blick auf kritische Ereignisse ist die Resilienz des Systems entscheidend. Bei hoher Fahrzeugdichte führen hohe und zudem unterschiedlich hohe Fahrgeschwindigkeiten zu einer erhöhten Instabilität des Systems. Bei einer solchen Instabilität des Verkehrsflusses kann z. B. schon das plötzliche Bremsen eines Fahrzeugs einen zunächst lokalen und in der Folge sich nach hinten ausbreitenden Stau mit erhöhter Unfallwahrscheinlichkeit erzeugen („Stau aus dem Nichts“). Ein resilientes System ist auf solche Abfolgen vorbereitet. Verringerte und gleichmäßigere Fahrgeschwindigkeiten sind ein wesentlicher Faktor eines resilienten und damit auch in kritischen Situationen nicht instabil werdenden Verkehrssystems. Akzeptanz von Tempo 130 auf BAB Die Akzeptanz in der Bevölkerung Die Mehrheit der befragten Deutschen votierte in aktuellen Befragungen regelmäßig für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen (Stand: Mai 2020). Eine repräsentative persönliche Befragung wurde im Juni 2017 im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) vom Marktforschungsinstitut Ipsos bei 2.000 Personen über 18 Jahren durchgeführt. Über die Hälfte der Autofahrerinnen und Autofahrer (52 %) war der Meinung, dass es in Deutschland ein generelles Tempolimit auf Autobahnen geben sollte. Ebenfalls 52 % aller Befragten gaben an, dass mit einem Tempolimit die Zahl der Verkehrstoten gesenkt werden könnte. Die Ansichten von Männern und Frauen unterschieden sich erheblich: Bei den Frauen befürworteten zwei Drittel der Befragten (67 %) ein Tempolimit, bei den Männern waren lediglich 38 % dafür. Auffällig waren auch die Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Während sich 67 % der Autofahrerinnen und Autofahrer ab 55 Jahren für ein Tempolimit aussprachen und 32 % diese Frage mit Nein beantworteten, waren bei den 18bis 34-Jährigen nur 38 % dafür, 61 % dagegen. Von denjenigen, die ein Tempolimit befürworteten, sprachen sich die meisten (59 %) für Tempo 130 als verbindliche Vorgabe aus-[22]. Befragt man nicht nur die Autofahrenden, sondern die Gesamtbevölkerung, so fällt die Zustimmung zu einem Tempolimit auf BAB regelmäßig noch deutlicher aus. Nach den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage der KfW Research im Jahr 2017 sprachen sich 60 % der Bevölkerung für ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen aus. Bei Männern waren 50 % gegen POLITIK Tempolimit Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 18 die freie Fahrt auf Autobahnen, bei Frauen hingegen 70 %. Die geringste Zustimmungsrate für Tempolimits (35 %) gibt es bei jungen Männern unter 30 Jahren. Im Vergleich zu früheren Umfragen stellt KfW Research eine wachsende Zustimmung für Tempolimits fest. Grundlage der KfW-Analyse zum-Thema „Verkehrswende“ ist die Befragung von rund 2.400 Erwerbspersonen mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI). Die Stichprobe und Ergebnisse sind repräsentativ für die Wohnbevölkerung Deutschlands im Alter von 18 bis 64 Jahren (zitiert nach [23]). In einer am 16. Mai 2018 abgeschlossenen repräsentativen Internetumfrage mit 28.171 Teilnehmenden sprachen sich 39,6 % für ein Tempolimit von 130 km/ h aus, 14,3 % für ein höheres und 14,2 % für ein niedrigeres Tempolimit (meist: 120 km/ h). 30,9 % der Befragten waren gegen ein Tempolimit-[24]. In einem „Politbarometer“ des ZDF am 7.- Februar 2020 sprachen sich 59 % der Befragten für ein Tempolimit von 130 km/ h aus, weitere 6 % waren für ein Limit unterhalb von 130 km/ h. Ein Drittel (33 %) lehnte eine Geschwindigkeitsbegrenzung ab [25]. Die Akzeptanz bei Organisationen Bei fast allen wichtigen Verkehrs- und Verkehrssicherheitsorganisationen hat sich inzwischen (Mai 2020) eine positive Haltung zu Tempo 130 auf deutschen Autobahnen durchgesetzt, die meist auch in der Forderung nach Einführung von Tempo 130 mündet. Dies drückt sich in 2019 und 2020 gefassten Beschlüssen aus, zum Teil finden noch Abstimmungsprozesse auf der Grundlage entsprechender Vorlagen statt: • Allgemeiner Deutscher Automobilclub (ADAC): Mit Stellungnahme vom 09.03.2020 hat der ADAC seine ablehnende Haltung gegen ein Tempolimit aufgegeben: „Wenn die Faktenlage bezüglich der Wirkungen eines Tempolimits unklar und teilweise widersprüchlich ist, ist eine neutrale Position eine logische Konsequenz“ (Gerhard Hillebrand, ADAC Vizepräsident). Der ADAC wünscht eine Studie zu den Wirkungen eines Tempolimits auf BAB. [26] • Automobilclub Europa (ACE): Die 17. ordentliche Hauptversammlung hat am 16.11.2019 entschieden, dass sich der ACE-Vorstand bei Politik und Gesetzgeber dafür einsetzen soll, dass auf bundesdeutschen Autobahnen ein Tempolimit von 130 km/ h eingeführt wird. [27] • Verkehrsclub Deutschland (VCD): Beschluss und Hintergrundpapier vom 26.04.2019 mit der Forderung nach Tempo 120. [28] • Im April 2019 forderte ein Bündnis aus Umweltverbänden, der Verkehrsunfall- Opferhilfe Deutschland (VOD) und der Gewerkschaft der Polizei die Einführung eines generellen Tempolimits von 130 km/ h auf Autobahnen. • Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) „fordert generelle Tempolimits für alle Kfz auf Bundesautobahnen, um die Anzahl an Schwerverletzten und Verkehrsunfalltoten nachhaltig zu reduzieren“ „…nach ausführlicher Prüfung des Willkürverbotes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“. „Es bietet sich aus mehreren Gründen ein generelles Tempolimit auf BAB von 130 km/ h an: Der Wert ist in der Bevölkerung bereits als Autobahn-Richtgeschwindigkeit bekannt und lässt eine höhere Akzeptanz erwarten. Er ist auch das europaweit am weitesten verbreitete Tempolimit.“ [29] ■ Erstveröffentlichung dieses Beitrags im Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2020/ 21, Verlag für Polizeiwissenschaft (Hrsg.: H.W. Möllers und R.C. van Ooyen) 1 Die Summe dieser Zahlen ergibt 25.758 km. Dies weicht geringfügig von der o. g. Angabe von 25.767 km ab. Die jeweiligen Zahlen stammen von der BASt und sind richtig übertragen worden. Eine Begründung für die Abweichung ist nicht erkennbar. QUELLEN [1] EU-Kommission (2018): Fahren ins Ausland - Going Abroad. http: / / ec.europa.eu/ transport/ road_safety/ going_abroad/ search_de. htm, letztes update May 2018 (Aufruf am 12.5.2020). [2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (Hrsg.) (2017): Verkehr in Zahlen 2017/ 2018. Berlin. [3] Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (2017): Tempolimits auf Autobahnen 2015. Schlussbericht zum Arbeitsprogramm-Projekt F1100.6110020. Bergisch Gladbach. (Autoren: Bernhard Kollmus, Hartmut Treichel, Friedhelm Quast). [4] Criminal on the Road (1964): A study of serious motoring offences and those who commit then. Routledge, S. 64, ISBN 0415264162. Auch: https: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Speed_limit [5] Ernst, G. L.; Gleue, A.; Klebelsberg, D.; Lenz, K.; Rothengatter, W.; Wiedemann, R. (Projektgruppe Autobahngeschwindigkeiten) (1977): Auswirkungen einer Richtgeschwindigkeit im Vergleich zu einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/ h auf Autobahnen. Köln, Bundesanstalt für Straßenwesen. [6] Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (2016). Geschwindigkeiten auf Bundesautobahnen in den Jahren 2010 bis 2014. Schlussbericht zum AP-Projekt F1 100.6213001. Bergisch Gladbach. (Autor: Ulrich Löhe). [7] BGH (1992): Urteil vom 17.3.1992 (VIZR 62/ 91). [8] Praxenthaler, H. (1995/ 1996): Geschichte des Straßen- und Verkehrswesens: Die Sache mit der Geschwindigkeit. 4 Teile. Straßenverkehrstechnik 9/ 1995, 428-434; 2/ 1996, 73-81; 10/ 1996, 496-505; Teil 4: 12/ 1996 „Von den 80er Jahren bis in die Gegenwart“, S. 596- 605. [9] Jagusch, H.; Hentschel, P. (1995): Straßenverkehrsrecht. Beck Verlag. München. [10] Durth, W.; et al. (1989): Fahrverhalten und Unfallentwicklung auf hessischen Autobahnen, Untersuchung im Auftrag des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik, Schlussbericht. [11] Klenke, D. (1995): Freier Stau für freie Bürger - Die Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik 1949-1994. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. [12] Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1992): Pilotprojekt Geschwindigkeitsbeschränkung und Überholverbot für Lkw auf der A 61. Bilanz eines Jahres - 1.7.1991 bis 30.6.1992. (Broschüre). [13] Scholz, Th.; Schmallowsky, A.; Wauer, T. (2007): Auswirkungen eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen im Land Brandenburg. Schlothauer & Wauer, Ingenieurgesellschaft, im Auftrag des Landes Brandenburg. [14] Deutscher Bundestag (2007): Drucksache 16/ 6894. [15] Deutscher Bundestag (2008): Drucksache 16/ 9321.. [16] Aachener Nachrichten, 74. Jg., Nr. 81 vom 7. April 2018. [17] Deutscher Bundestag (2019): Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Drucksache 19/ 14000. Berlin. [18] Deutscher Bundesrat. Bundesrat KOMPAKT. TOP 50. (2020), www. bundesrat.de/ DE/ plenum/ bundesrat-kompakt/ 20/ 985/ 985-pk. html? nn=4352766#top-50 (Aufruf am 12.5.2020). [19] Wissenschaftlicher Beirat des BMVBS (2010): Sicherheit zuerst - Möglichkeiten zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland. Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 56, 4, S. 171-194. [20] Spiegel online (2019): Nachricht vom 23. Februar 2019. Datenanalyse. www.spiegel.de/ auto/ aktuell/ tempolimit-koennte-jaehrlichbis-zu-140-todesfaelle-verhindern-a-1254504.html (Aufruf am 12.5.2020). [21] Schlag, B., Lacroix, J., Müller, D., Richter, F., Schuh, K., Becker, U., Heß, M., Rademacher, S., Schmidt, W. (2018): Faktensammlung „Wirkungen eines Tempolimits von 130 km/ h auf Autobahnen“. Im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), Bonn. [22] www.dvr.de/ presse/ informationen/ infografiken/ mehrheit-fuertempolimit-auf-autobahnen_id-4839.html [23] Focus online: www.focus.de/ auto/ news/ umfrage-mehrheit-fuerverkehrswende-deutsche-wollen-tempolimit-und-fahrradwege_ id_7838674.html [24] https: / / civey.com/ umfragen/ generelles-tempolimit-autobahn [25] www.zdf.de/ nachrichten/ heute/ politbarometer-mehrheit-fuertempolimit-100.html (Aufruf am 15.07.2020). [26] ADAC (2020): Tempolimit auf Autobahnen. 09.03.2020. www.adac. de/ verkehr/ standpunkte-studien/ positionen/ tempolimit-autobahn-deutschland (Aufruf am 3.4.2020). [27] ACE (Automobilclub Europa) (2019): ACE-Position zum Tempolimit 130 km/ h auf deutschen Autobahnen. https: / / images.ace.de/ dokumente/ presse/ tempolimit.pdf (Aufruf am 3.4.2020). [28] VCD (Verkehrsclub Deutschland) - Hintergrund (2019): Tempolimit für Verkehrssicherheit und Klimaschutz. Berlin, 26.04.2019. [29] Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. (DVR) (2020): Beschluss des DVR-Vorstands vom 11. Mai 2020, www.dvr.de/ dvr/ beschluesse/ 2020-generelle-tempolimits-auf-bundesautobahnen. html (Aufruf am 12.5.2020). Bernhard Schlag, Prof. Dr. Seniorprofessor für Verkehrspsychologie, TU Dresden schlag@verkehrspsychologiedresden.de Michael Heß, Dipl.-Pädagoge Geschäftsführer MH-Konzept, Alfter hess@mh-konzept.de Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 19 I m Haushalt liegt die Wahrheit, sagen Kenner des EU-Politikbetriebs, und wenn es ums Geld geht, wird in Brüssel häufig sehr lange diskutiert. Der jüngste EU-Gipfel hat hier aber nochmal neue Maßstäbe gesetzt: Vom 17. bis zum Morgen des 21. Juli dauerte es, bevor sich die Staats- und Regierungschefs auf den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 und das Corona-Wiederaufbauprogramm „Next Generation EU“ verständigt hatten. Es war eines der längsten Gipfeltreffen der EU-Geschichte. Und damit sind die Debatten noch nicht beendet. Nach der Sommerpause werden die Abgeordneten des Europäischen Parlaments versuchen, von den Staats- und Regierungschefs vorgesehene Kürzungen beim MFR abzuwenden. Der kann ohne ihre Zustimmung nicht beschlossen werden. Gestritten werden dürfte im Herbst auch über das Verkehrsbudget. Denn „Next Generation EU“ enthält zwar vielversprechende Möglichkeiten, etwa zur Finanzierung klimafreundlicher Antriebstechnologien. Aber niemand weiß derzeit, wie gut die Mittelvergabe aus den neuen Töpfen funktionieren wird und wofür tatsächlich Geld fließt. Sicher ist dagegen, dass zulasten des Wiederaufbauplans bei bewährten Haushaltsinstrumenten wie der Connecting Europe Facility (Cef ) gekürzt werden soll - dem zentralen Fördertopf für Verkehrsprojekte. Welche Wahrheit zeigt der neue mehrjährige Haushaltsrahmen also? Vielleicht die, dass es in der EU immer schwieriger wird, sich zu verständigen, was die wichtigsten, richtungweisenden Investitionen sind, was finanzielle Solidarität bedeutet und wie eine Wirtschaftspolitik aussieht, die allen Mitgliedstaaten faire Entwicklungschancen eröffnet. Von Solidarität und Fairness war viel die Rede in der Diskussion über das Wiederaufbauprogramm. Ebenso beim verkehrspolitischen Top-Thema der vergangenen drei Jahre, dem EU-Gesetzespaket für den Straßengüterverkehr. Das „Mobilitätspaket I“ ist jetzt zwar beschlossen, es gibt einen Kompromiss, einig ist man sich aber nicht. Das Unverständnis zwischen den Befürwortern der neuen Regeln - überwiegend im Westen der EU beheimatet - und den Gegnern - vorwiegend aus dem Osten - scheint sogar immer größer zu werden. Die einen sprechen von Sozialdumping, die anderen von Protektionismus. Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof sind möglich und zum Teil schon angedroht. Doch auch eine höchstrichterliche Entscheidung würde die Gräben zwischen den Streitenden nicht zuschütten. Denn es geht weniger um einen juristischen Streit als um einen wirtschaftspolitischen Grundkonflikt zwischen einem liberalisierten Handel im Binnenmarkt einerseits und Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik andererseits, für die weiter weitgehend die Mitgliedstaaten selbst zuständig sind. Die Wirtschaft in den östlichen EU-Ländern muss sich im offenen Binnenmarkt der Konkurrenz von kapitalstarken ausländischen Unternehmen stellen, etwa aus dem Export-Land Deutschland. Transportunternehmen aus EU- Staaten mit niedrigem Lohnniveau finden es daher höchst unfair, dass sie daran gehindert werden, diesen Wettbewerbsvorteil für den Export ihrer Dienstleistungen zu nutzen - etwa durch Kabotage-Einschränkung und Mindestlohnvorschriften. Sie fühlen sich um wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten betrogen. Auch in Westeuropa gibt es Wirtschaftswissenschaftler, die meinen, solche volkswirtschaftlichen Entwicklungschancen seien wichtig, damit die Handelsbilanzen zwischen den EU-Staaten besser ins Gleichgewicht kommen und die makroökonomischen Ungleichgewichte nicht noch größer werden als sie es schon sind. Klar ist aber auch, dass die EU-Bevölkerung einen Binnenmarkt mit völlig offenem Lohnwettbewerb nicht akzeptieren würde, besonders nicht in den Hochlohnländern. Zu Recht. Arbeitskraft ist eben kein „Produktionsfaktor“ wie andere. Die richtige Balance zwischen Chancen und Schutz ist hier entscheidend, damit EU-Politik akzeptiert wird. Ähnlich sieht es bei der Verteilung von EU-Haushaltsmitteln aus. Finanzschwächere Regionen und Länder brauchen Unterstützung, um die Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden und sich wirtschaftliche Chancen zu erschließen - etwa durch eine bessere Verkehrsinfrastruktur. Dabei dürfen die „abgebenden“ EU-Staaten aber nicht überfordert werden. Je größer die wirtschaftlichen Unterschiede sind, desto größer werden die Konflikte. Das „Wohlstandsversprechen“ der EU für ihre Mitglieder ist eines ihrer attraktivsten Angebote. Sehen die Menschen ihre Hoffnungen aber enttäuscht - ob in Ost oder West - werden sie sich abwenden. Um das zu verhindern, muss die EU mehr für Kohäsion und gegen ein zu starkes wirtschaftliches Gefälle in der EU tun - nicht nur auf dem Markt für Straßengüterverkehr.-- ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Zu große wirtschaftliche Unterschiede in der EU gefährden den Zusammenhalt Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 20 INFRASTRUKTUR Radverkehr Radverkehrsförderung 3.0 Radverkehr, Verkehrsmittelwahl, Stadtverkehr, Verkehrsplanung Barrierefrei, netztransparent, digital - konzeptionelle Folgerungen aus 30 Jahren Beobachtungen und-Forschung (nicht nur) in der Region Lüneburg - Teil 1 Peter Pez, Antje Seidel I m Zuge der Klimawandeldiskussion erfährt der Radverkehr in Deutschland eine zunehmende Beachtung. Nachdem seine Förderung auf kommunaler Ebene bereits seit den 1970er Jahren in den Fokus von Politik und Planung geriet, ist dies mit dem Nationalen Radverkehrsplan seit 2002 [1] auch auf bundespolitischer Ebene der Fall. Trotz dieser förderlichen Entwicklung ist die Diskrepanz zu anderen Ländern, insbesondere den Niederlanden und Dänemark, enorm groß (Bild 1). Dieser Beitrag vertritt die These, dass diese Diskrepanz kaum kleiner wird, wenn nicht neue Strukturen und Vorgehensweisen einer neuen Phase der Radverkehrspolitik Einzug halten. Barrierefreiheit, Netztransparenz und digitale Navigation sind dafür drei herausragende Kernelemente, sie werden in diesem zweiteiligen Betrag erläutert, differenziert und auch ergänzt. Rückblickend lassen sich für die Bundesrepublik Deutschland Stadien der Radverkehrspolitik identifizieren. Für diesen Beitrag mag eine grobe Einteilung der Radverkehrsförderung (RVF) in zwei wesentliche Phasen genügen, aus der die Forderung nach dem Übergang in eine neue, dritte Periode abgeleitet wird. RVF 1.0: Radwegebau als wenig förderliche Separierung Die Anlage von Radwegen verfolgte über Jahrzehnte hinweg ein Separierungsziel - teils mit dem Ziel der Steigerung der Sicherheit des Radfahrens, teils aber auch zur Trennung vom Fortschritt symbolisierenden motorisierten Verkehr zwecks dessen Beschleunigung. Dieses Motiv erhielt mit der Massenmotorisierung, beginnend in den 1950er, boomend seit den 1960er Jahren, Aufschwung, denn der Straßenraum in den Städten wurde schnell zum extrem knappen Gut sowohl für den fließenden als auch ruhenden KFZ-Verkehr. Den „Bremsfaktor“ des langsamen Radfahrers aus dem Fahrbahnareal zu verbannen, Platz zu schaffen für den modernen, motorisierten Verkehr, erwies sich neben der Verlagerung öffentlicher Verkehrsmittel unter die Erdoberfläche als ein wichtiges Instrument damaliger Planungsvorstellungen. Der Ölpreisschock von 1973/ 74 und eine beginnende Diskussion um die Umweltauswirkungen des Verkehrs veränderten die Zielsetzung. Radverkehr galt nicht mehr als überkommene Art der Fortbewegung, die analog zur Entwicklung in Nordamerika bald aus dem Straßenbild verschwinden würde, sondern wurde als stadtadäquate Form der Mobilität erkannt. Das Planungsinstrumentarium änderte sich jedoch nicht. Nach wie vor galt der Bau von Radwegen, also die Separierung vom Auto- und Fußverkehr, als Mittel der Wahl. Dabei galt die bauliche Anlage - häufig noch in der damals vorgeschriebenen Mindestbreite von 1 m - schon als protegierte Form, denn noch bis in die frühen 1980er Jahre hielt sich auch das farbliche Aufmalen von Radwegen auf Gehwegflächen mit weißen Begrenzungslinien und Fahrradpiktogrammen. Förderung des Radverkehrs war dies nicht, denn Konflikte und Risiken mit dem Fußverkehr wurden damit geschürt und die Verbannung hinter Reihen parkender Fahrzeuge entzog die Radfahrer aus dem Sichtfeld des Autoverkehrs mit der Folge zunehmender Risiken im kreuzenden Verkehr an Knotenpunkten, einschließlich Grundstückszufahrten. RVF 2.0: Teil nachhaltiger Stadtentwicklung - auf der Zielebene In vielerlei Hinsicht besitzen seit langem die Niederlande eine verkehrspolitische Vorbildfunktion, indem dort entwickelte Innovationen mit Zeitverzögerung (nicht nur) nach Deutschland diffundieren. So waren die Woonerf (Wohnhöfe) die Vorstufe des verkehrsberuhigten Bereiches, und die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radgegenverkehr sowie die Führung von Radlern auf statt neben der Straße via Radfahr- und Schutzstreifen wurden dort längst erfolgreich angewandt, als man in Deutschland über die Einsatzmöglichkeiten noch stritt. Was neuerdings als Radschnellwege in Deutschland gefordert und gefördert wird, kannte man in den Niederlanden schon in den 1980er Jahren als Velorouten. Immerhin wirkte sich das Vorbild der Nachbarn in vielen Änderungen der deutschen Straßenverkehrsordnung und Planungsrichtlinien aus, sich konzentrierend in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen [3]. Neben Radfahr- und Schutzstreifen betrifft das verkehrliche Anordnungen, kaum ein Verkehrsschild markiert das besser als StVO-Z 1022-10 „Radfahrer frei“. Fußgängerzonen, bisherige Nur-Gehwege, Zu- Bild 1: Bevölkerungsanteile, die das Fahrrad als häufigstes Verkehrsmittel verwenden, in Europa-2014 Quelle: [2] nach Daten der Europäischen Kommission und des Verkehrsclub Österreich 2015 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 21 Radverkehr INFRASTRUKTUR fahrtsverbote, Einbahnstraßen und Abbiegegebote konnten damit für Radfahrer durchlässig gemacht werden. Mitunter fand es auch bei für Nichtmotorisierte durchgängigen Sackgassen Anwendung, häufiger wurde jedoch ein ADFC-Aufkleber verwendet, der in Fortsetzung der Sackgasse einen Geh-/ Radweg andeutete. Seit 2009 ist in der Zeichenverordnung die durchlässige Sackgasse regulär enthalten (StVO-Z 357-50, siehe Bild 2). Dies alles resultierte aus der Erkenntnis in der zweiten Phase seit den 1980er Jahren, dass der Radverkehr erhalten bleibt, wenn flächig-diffuse, automobilaffine Stadtstrukturen wie in Nordamerika vermieden werden. Er ist darüber hinaus regenerationsfähig, wenn er intensiv gefördert wird. Die hohen Anteile des Zweirades am Modal Split fahrradfreundlicher Städte lieferten dafür statistisch und eindrucksvoll erlebbar den Beweis. Verbunden damit war die Anerkennung des Radverkehrs als wichtigem Baustein einer umwelt- und sozialverträglichen Stadtmobilität. Dieser Wandel manifestierte sich sprachlich im Übergang der autoorientierten Generalverkehrszur Verkehrsentwicklungsplanung [4]. Hierzu gehörte formal die Anerkenntnis einer flächigen Radverkehrsförderung [5]. Die Realität sieht jedoch anders aus und dies prägt die aktuellen Defizitstrukturen. Kennzeichnend für die heutige Lage ist eine fortwährende Konzentration auf bauliche Infrastrukturen, gestützt durch die Förderpolitiken von Bund und Ländern. Auf kommunaler Ebene scheint - nicht nur im Verkehrsbereich - ein permanenter Wettbewerb um Fördermittel zu bestehen. Nicht nur zwischen den Kommunen, sondern mehr noch innerhalb der Verwaltungen sind Verwaltungsmitarbeiter von der Spitze bis zur planungsausführenden Ebene in hohem Maße um die Definition von Projekten bemüht, die sich für Förderzuschüsse eignen. Dies sind neben größeren Radabstellanlagen vor allem Radwege und besondere Knotenpunktlösungen mit der Folge einer räumlichen Fixierung auf die Radverkehrsführung entlang stark befahrener Straßen. Fördermittelakquise als quantifizierbarer Leistungsmaßstab der Mitarbeiter ist auch für die kommunale Politik wichtig, denn diese fordert angesichts knapper eigener Kassen die Verwaltung auf, Förderoptionen für die Aufgabenerledigung maximal auszuschöpfen. Für die Radverkehrspolitik ist das mittlerweile eher schädlich, denn Anträge und Mittelbewirtschaftung binden Arbeitszeit und damit Planungskapazitäten in erheblichem Umfang. Zudem sehen Förderungen immer Eigenanteile vor, die nicht selten den schmalen kommunalen Radverkehrsetat absorbieren. Damit setzt sich die Bau-Politik der ersten Entwicklungsphase nahtlos fort. Es sind aber nicht nur finanzielle Rahmenbedingungen, die diese Konzentration auf teure Infrastrukturen fördern, sondern wohl auch Effekte der Ausbildungssozialisation. Die Befähigung zur textlichen und zeichnerischen Lösung komplexer baulicher Aufgaben unter Einhaltung von Regelwerkmaßen besitzt in der Verkehrsplanung einen nachvollziehbar großen Stellenwert. Die Beschäftigung mit der Vielzahl kleiner, vermeintlich vernachlässigbarer Mängel in der Fläche, die dem Radler täglich das Fortkommen erschweren, werden jedoch nicht oder kaum thematisiert und gelten als Sisyphusarbeit, die keine Lorbeeren einbringt. Die Bereitschaft, sich mit Bordsteinkantenabsenkungen, Schieberillen/ -rampen an Treppen oder Beschilderungsänderungen zu befassen, fällt dementsprechend gering aus. Ob jedoch die Fixierung auf bauliche Infrastrukturen eine bessere Mittel-Wirkungsrelation aufweist, müsste längst kritisch hinterfragt werden. Der schlichte Umstand, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele Bordsteinradwege gebaut wurden, wo sie tatsächlich benötigt werden, senkt den Grenznutzen weiterer Projekte. Und wenn, wie im Fall Lüneburgs, ein noch passabler Radweg einer Grundrenovierung zugeführt werden soll, weil vor allem reichlich Fördermittel in Aussicht stehen [6], ist der Zugewinn an Nutzen für den Radverkehr sehr fraglich. Demgegenüber könnten vielfach schon kleinere Korrekturen beispielsweise in der Oberflächenbeschaffenheit, der verkehrsrechtlichen Erlaubnis der Durchfahrt und der Beseitigung von physischen Hindernissen (Umlaufsperren und Steckpfosten, die eine Durchfahrt mit Lastenfahrrädern oder Anhängern erschweren bis unmöglich machen) ausreichen, um deutlich günstigere Radverkehrsbedingungen in der Fläche zu schaffen. RVF 3.0 - Elemente: Flächendeckende Netzdurchlässigkeit, Barrierefreiheit Ein wesentliches Merkmal einer an Elementarbelangen des Radverkehrs orientierten Förderung muss daher die Herstellung flächendeckender Netzdurchlässigkeit und Barrierefreiheit sein. Nur so kann man einerseits der hohen Umwegeempfindlichkeit gerecht werden, die dem Einsatz der Körperkraft zur Fortbewegung geschuldet ist, andererseits dem Umstand, dass sich potenzielle Ziele überall im Nahraum befinden. Letzteres kontrastiert jedoch mit der üblichen Planung mittels Wunschliniennetzen. Hierbei werden zwischen Hauptquellbereichen (Wohngebiete) und Hauptzielorten (z. B. Ausbildungsstätten, Gewerbegebiete, Ortszentrum) Ideallinien definiert und anschließend auf das reale Wegenetz umgelegt. Diese Methodik ist mit dem aus der KFZ-Verkehrsplanung stammenden Bündelungsprinzip verwandt, welches der Freihaltung der Wohnbereiche von Durchgangsverkehr dient. Positiv ist zwar für den Radverkehr die Konzentration von Investitionen auf hoch frequentierte Verkehrsbeziehungen, was eine gute Mittel-Zweck-Relation verspricht, aber es gibt zwei erhebliche Nachteile: Nachteil 1: Nahraummobilität innerhalb von Wohnquartieren und Stadtteilen findet durch die Hauptlinienorientierung selbst nach jahrzehntelanger Radverkehrsplanung keine Beachtung. Viele eher diffus verlaufende Wegebeziehungen zu Mitschülern, Kollegen, Bekannten, dem Bäckerladen, Kiosk oder Briefkasten des Quartiers, der Grundschule, Kirche oder Sportstätte des Stadtteiles und vieles mehr kommen nie in den dringend benötigten Genuss einer Wegeverbesserung, weil es nicht gelingt (und an Hauptverkehrsstraßen wohl niemals gelingen wird), die Priorität genießenden Radwegemagistralen auf ein zufriedenstellendes Qualitätsniveau zu bringen. Die reale, städtische Diffusität des Radverkehrs wird durch die Wunschlinienplanung systembedingt ignoriert, was vor allem denjenigen zum Nachteil gereicht, die zu den Nicht- oder Teilerwerbstätigen gehören, die verstärkt Haushalts-, Familienversorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnehmen und damit oft vielfältigere, aber kürzere Aktionsradien als one-way-radelnde Vollerwerbstätige aufweisen. Es ist angebracht, Bild 2: Verkehrszeichen 357-50 weist seit 2009 auf eine für Radverkehr und Fußgänger durchlässige Sackgasse hin. Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 22 INFRASTRUKTUR Radverkehr hier von einer „gender gap“ der Radverkehrsplanung zu sprechen. Nachteil 2: In der Verkehrsumlegungspraxis werden Hauptverkehrsstraßen mit ihren begleitenden Radwegen allein schon durch ihre dominante Hervorhebung in Plänen vorschnell als Leitlinien auch des Radverkehrs proklamiert. Gerade für längere Strecken erweisen sich solche Wege jedoch häufig als unsicher (wegen vieler KFZ-Querungen an Zufahrten und Knotenpunkten), unattraktiv (weil lärmbelastet) und langsam (da gesäumt mit Lichtsignalanlagen sowie Tempobremsungen durch kreuzenden Verkehr und diverse Hindernisse). Abseitige Strecken über Nebenstraßen, Park-/ Wald- und Feldwege sowie straßenverbindende (Geh-)Wege bieten sich dem hingegen als Alternativen an, werden prinzipiell auch genutzt, jedoch häufig in Unkenntnis der Routenverläufe mangels Wegweisung von vielen Radlern (wenn überhaupt) erst nach längerer Wohnzeit am Ort entdeckt. Wenn dann noch, wie im untersuchten Fallbeispiel Lüneburg, „Radcityrouten“ nur entlang von Hauptverkehrsstraßen ausgewiesen werden, erfüllt sich die Prophezeiung, dass auch Radler Hauptverkehrsstraßen als vermeintlich schnell und komfortabel präferieren, quasi von selbst und zusätzlich wird Autofahrern suggeriert, es gäbe keine schnelleren und schöneren Wege als die, die sie bereits mit dem PKW befahren. Bündelungsprinzip und Wunschlinienplanung sind deshalb mittelfristig keine geeignete Grundlage für Radverkehrsplanung, weil sie die Kriterien schnellen, sicheren und komfortablen Radverkehrs nicht hinreichend flächendeckend identifizieren bzw. umsetzen. Wie groß die Defizite sind, zeigen Erhebungsergebnisse einer 2018 in Lüneburg (78.000 Einwohner) und sieben Vorortgemeinden (zusammen 32.600 Einwohner) durchgeführten Analyse verkehrsrechtlicher und physischer Hindernisse: Zufahrtsverbote, Nur-Gehwegschilder, Einbahnstraßen und Abbiegegebote, nicht als durchlässig gekennzeichnete Sackgassen, Umlaufsperren/ Steckpfosten, die mit dem Lastenrad kaum noch gequert werden können, und weitere „Stolperfallen“ addierten sich zu insgesamt 492 Mängeln, die in Meldeblättern textlich, kartografisch und fotografisch dokumentiert wurden. 70,7 % davon entfielen auf die Kernstadt, 29,3 % auf den suburbanen Raum (Tabelle 1), was den Einwohnerproportionen fast bis auf die Nachkommastelle entspricht. Freilich werden insbesondere die ordnungsrechtlichen Schilderhemmnisse von Radlern längst nicht immer akzeptiert, sie nehmen sich als legitim empfundene, aber de jure illegale Nutzungsrechte heraus. Dieses zahlreich zu sehende Verhalten wird durch die Vermeidung sachlich unnötiger Geschwindigkeitsnachteile gerechtfertigt. Empirisch ist dem zuzustimmen, wie Reisezeitexperimentdaten für Lüneburg (und auch für Hamburg) 2012 zeigten. Der Attraktivitätsbereich von Radlern mit „strikter Verkehrsregelakzeptanz“ differiert gegenüber Kollegen mit „Normalverhalten“ in Relation zum PKW bereits spürbar, bei den Pedelec-Nutzern eklatant (Bild 3). Dessen ungeachtet sorgt formal regelwidriges Verhalten von Radfahrern bei Fußgängern und Autofahrern sowie in vielen Diskussionen von Politik, Planung und Polizei für Verdruss und trägt nicht wenig zu einer skeptischen bis verurteilenden Haltung bei. Die eigentlich auch nicht wenigen sich rechtskonform verhaltenden Radler fallen dabei nicht entlastend auf, weil sie meist präventiv die genannten Hindernisse auf anderen Strecken umfahren. Für beide Gruppen besteht Handlungsbedarf: Rechtstreuen Radfahrern sollten die möglichen komfortablen Abkürzungen eröffnet werden, und die Überführung bislang illegalen Verhaltens (ohne Gefährdungen/ Belästigungen Anderer) in die Legalität durch Umbeschilderungen verbessert das Radverkehrsklima durch entfallende Anlässe für Ärgernisse. So einfach und aus Kostenperspektive gar verlockend billig diese Option erscheint, in der Politik- und Planungspraxis dominiert Lethargie. Erschütternd prägnant drückte das 2005 ein Lüneburger Lokalpolitiker aus: „Warum müssen wir uns die Mühe machen, das zu ändern. Die Radler fahren doch sowieso, wie sie wollen.“ Netztransparenz analog und digital Wege abseits der Hauptverkehrsstraßen besitzen eine hohe raumästhetische Qualität, weshalb für den regionalpolitischen Kontext der Begriff der „Radschönrouten“ geprägt wurde. Er erweist sich in Vorträgen und Diskussionen immer wieder als besonders plakativ, assoziiert doch das Wort schon einen zentralen Aspekt. Obwohl es im Lüneburger Raum ein sehr dichtes, geradezu spinnwebartiges Netz solcher Wege gibt, sind lediglich drei davon per Wegweisung beschildert (Bild 4). Einer davon trägt die Bezeichnung „Radnebenroute“ in Abgrenzung zum Radweg entlang der Landesstraße 216. Diese Begrifflichkeit repräsentiert nicht das besondere Qualitätsmerkmal von attraktiver und lärmfreier Umgebung, assoziiert vielmehr nachteilige Umwege. Das trifft weder im besagten Fall zu, noch wären Umwege automatisch ein Wesensmerkmal der Radschönrouten. Diese verlaufen viel- Nicht für den Radverkehr flexibilisierte Nicht gekennzeichnete, durchlässige Sackgassen Umlaufsperren, zu enge Steckpfosten/ Poller Bordsteine Treppen Andere Einbahnstraßen Zufahrtsverbote Abbiegegebote Nur- Gehwege Lüneburg 39 30 21 47 79 47 27 12 46 Vororte 1 15 1 1 69 35 5 0 17 Tabelle 1: Netzmängel im Raum Lüneburg 2018 Reisezeitexperiment Lüneburg 2012 Reisezeitexperiment Lüneburg 2012 0,142/ 0143 km Pedelec/ Fuß 0,153/ 0,162 km Rad/ Fuß 0,162 k Bild 3: Reisezeiten in Differenzierung strikter Verkehrsregelakzeptanz (gestrichelte) und Normalverhalten (durchgezogene Linien) im nichtmotorisierten Verkehr in Lüneburg Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 23 Radverkehr INFRASTRUKTUR mehr oftmals direkter als die städtisch ausgeschilderten Wege, sind allemal wesentlich ampelärmer und damit nicht selten schneller befahrbar. Sie eignen sich deshalb keineswegs nur für den Freizeit-, sondern explizit auch für den Alltagsverkehr, in Abhängigkeit von der Beleuchtungssituation würden sie sich also als (weitere) Hauptrouten empfehlen. Ein anderer, in der Literatur zu findender Begriff der „Grünwege“ geht zwar assoziativ in die richtige Richtung, aber gar zu viele Nebenstraßenwege im urbanen Raum sind nicht als Zonen üppigen Begleitgrüns anzusprechen. Unabhängig von der Frage einer adäquaten Begrifflichkeit: Die fehlende Wegweisung erschwert das Finden dieser attraktiven Strecken, das gilt vor allem für Neubürger. Nach eigenen Berechnungen liegt die Zahl neuer Haushalte durch Zu-/ Fortzüge in der Universitätsstadt bei 9 % (96-Zu-, 84 Fortzüge pro 1.000 Ew. [7] jährlich. Auch in den Vororten sind Mieterwechsel häufig. Das bedeutet: Neben einem Grundstock langjähriger Bewohner von ca. 30 bis 40 % gibt es eine hohe Fluktuation mit Wohnzeitspannen von meist deutlich unter zehn Jahren, sodass die Angleichung der „mental maps“, also der subjektiven Vorstellungen über die Raumstrukturen an die realen Wegeangebote, nur unvollständig gelingt. Der Oberbürgermeister von Lüneburg meinte 2017 in einem kurzen Gespräch: „Die Lüneburger kennen die Wege doch.“ Eine solche Sichtweise verkennt nicht nur die hohe Wohnsitzmobilität, sondern zusätzlich den Umstand, dass sich der Fahrradverkehr nicht nur aus Ortsansässigen, sondern auch aus vielen Vorortbewohnern mit geringeren Stadtwegekenntnissen generiert. Die systematische Unterschätzung der Bedeutung einer Anpassung von Mental Maps an das gegebene - d. h. im Vergleich zu den meisten Mental Maps real deutlich bessere - Wegeangebot im diffusen Kurz- und Mittelstreckenverkehr per Fahrrad ist daher ein weiterer Problemfaktor auf dem Weg zu einer nutzeradäquaten Radverkehrsförderung. In diesem Sinne reicht auch die oben geforderte Barrierefreiheit via ordnungsrechtlicher Öffnung von Straßen- und Wegeverbindungen sowie Beseitigung überflüssiger Hindernisse nicht aus. Hinzukommen muss eine disperse, der Flächenerschließung genügende Ausschilderung von Radialstrecken zu Ortszentren und verkehrsstarken Zielorten sowie die Ausweisung von Tangentialstrecken zwischen Stadtteilen, Gewerbegebieten und Einzeleinrichtungen, beispielsweise Schulen, außerhalb der Zentrallagen. Zusätzlich wäre die kartografische Visualisierung über Radstadtpläne und Radlerkarten für den Stadt-Umland-Bereich anzuraten. Die dritte kommunikative Ebene weist den Weg von der analogen in die digitale Welt (und zurück): app-gesteuerte Navigation via Smartphone. Dies wird Teil 2 dieses Beitrages in der November-Ausgabe von Internationales Verkehrswesen weiter ausführen. ■ QUELLEN: [1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen 2002: Nationaler Radverkehrsplan 2002-2012. FahrRad! Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Deutschland. Berlin, Köln Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2012: Nationaler Radverkehrsplan 2020. Den Radverkehr gemeinsam weiterentwickeln. Berlin [2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2015: Fahrradportal. www.nationaler-radverkehrsplan.de/ de/ aktuell/ nachrichten/ im-eu-vergleich-nur-im-mittelfeld [3] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: 1982: Empfehlungen für Planung, Entwurf und Betrieb von Radverkehrsanlagen. Köln 1996: Empfehlungen für Radverkehrsanlagen - ERA 95. Köln 2010: Empfehlungen für Radverkehrsanlagen - ERA 2010. Köln [4] Pez, P. (1997): Zufußgehen und Radfahren. Auf dem Weg zu einer „Dritten Verkehrsplangeneration“. RaumPlanung, 79, S. 258-266, hier: S. 258-259 [5] Schon der erste Satz im ersten Kapitel der ERA 95 lautete (S. 7): „Einrichtungen für den Radverkehr sollen das Radfahren flächendeckend sicher und attraktiv machen.“ [6] Stüwe, U. (2018): Teures Pflaster für Radler. Der Bund der Steuerzahl kritisiert die veranschlagten Kosten für den geplanten Neubau des Radwegs an der Uelzener Straße. Landeszeitung 22.5.2018, S. 3 [7] Bertelsmann Stiftung 2017: Demographiebericht. Ein Baustein des Wegweisers Kommune. Lüneburg (im Landkreis Lüneburg). Download : www.wegweiser-kommune.de ; abgerufen am 26.2.2020 Peter Pez, Apl. Prof. Dr. Institut für Stadt- und Kulturraumforschung, Leuphana Universität Lüneburg pez@uni.leuphana.de Antje Seidel, Dr. Institut für Ethik und Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung, Leuphana Universität Lüneburg antje.seidel@uni.leuphana.de Bild 4: Radcity- und Radschönrouten für Lüneburg und seinen suburbanen Bereich Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 24 INFRASTRUKTUR Smart Parking Vernetztes und kooperatives Off-Street-Parken Smart Parking, cITS, WLANp, Vernetztes Fahren, Daten- und Bezahlplattform Praxiseinsatz von Digitalisierungs- und Connectivity-Lösungen für das automatisierte Valet Parking im-Förderprojekt SynCoPark. Alexander Süssemilch, Mario Kohlhoff, Nic Schwarz D ie Etablierung eines ganzheitlichen Ökosystems Mobilität erfordert eine Vernetzung von Fahrzeug und Infrastruktur durch übergreifende und leicht zu integrierende Software-Schnittstellen und Standards, um unterschiedliche nutzerzentrierte Lösungen umzusetzen. Am Beispiel des Off-Street-Parkens werden im Folgenden Praxiserfahrungen aufgezeigt, wie ein Smart-Parking-System verschiedene Stakeholder durch eine Software-Plattform für den Datenaustausch, Bezahlprozesse sowie den automotive Connectivity-Standard ITS-G5 (WLANp) verbindet. Digitale Transformation von Mobilitätsdienstleistungen durch die Kombination von Infrastruktur und Fahrzeug Allein in Deutschland erzeugt der Parksuchverkehr Kosten in Höhe von 40 Mrd. EUR jährlich [1]. Ein Wunsch nach mehr nutzbarer Fläche und weniger Verkehr in Innenstädten wächst in der Bevölkerung stark. Gleichzeitig fahren viele Autofahrer ungern in Parkhäuser, da der Prozess wenig Kundenkomfort bietet und die Kostenstruktur meist nicht transparent ist. Parkhausbetreibern werden derzeit zudem wenige Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme von ihren klassischen Zulieferern angeboten. Die Daten- und Bezahlplattform trive. park vereinfacht dieses Dilemma durch Digitalisierung der Prozesse des Off-Street- Parkens. Nutzer können bereits vor Fahrtantritt per App ausgewählte Parktickets und spezielle Park-Angebote buchen. Die Angebote reichen dabei vom klassischen Kurzparker-Ticket mit minutengenauer Abrechnung über Tagestickets mit unterschiedlicher Dauer bis hin zu spezifischen Vergünstigungen wie einer Shopping-Pauschale mit hohen Rabatten. Die ebenfalls per App ablaufende Schrankenöffnung ermöglicht dynamische Szenarien. Damit kann trive.park kurzfristig mit geringem Aufwand für erste Meilensteine der Digitalisierung für Parkhausbetreiber sorgen und mittelfristig weitere Szenarien in der Mobilitätsbranche wie das Buchen von E-Ladesäulen, vernetzte Mobilitätsketten und automatisiertes Einparken ermöglichen. Vernetztes und kooperatives Automated Valet Parking mit Cloud- und Connectivity-Lösungen Automatisiertes Off-Street-Parking, auch Automated Valet Parking (AVP) genannt, ist nur durch ein vernetztes und kooperatives Zusammenwirken unterschiedlichster Partner möglich. Die Integration von Mobility- Service-Providern, den Fahrzeugentwicklern und der Vielzahl an Parkhausbetreibern erfordert ein solches digitales Management-System für die Abwicklung der Park-Prozesse. Zudem ist ein permanenter Austausch aller relevanter Daten durch innovative Car2X-Kommunikation und skalierbaren Backend-Systemen notwendig. Dabei hat trive.me die Verantwortung für alle Cloud- und Connectivity-Inhalte und adaptiert das Knowhow aus der trive. park-Plattform für den AVP-Prozess. Über ein Backend-System werden alle relevanten Partner verbunden, welches als zentrale Daten- und Bezahlplattform dient. Dort werden alle notwendigen Daten zur Abwicklung eines AVP-Prozesses gespeichert und über Car2X-Technologien dem Fahrzeug kommuniziert. Eine besondere Rolle dabei spielt die offline-fähige Kommunikation zwischen Fahrzeug und Parkhaus über den cITS-Standard ITS-G5. ITS-G5 als Möglichkeit für die V2X-Kommunikation ITS-G5 ist ein Standard für die Fahrzeugvernetzung, der auf dem WLAN Standard IEEE 802.11p, oder auch WLANp genannt, beruht. WLANp ist seit 2010 eine vom Normungsinstitut IEEE genehmigte Änderung des klassischen WLAN IEEE 802.11. Es definiert Verbesserungen, die benötigt werden, um Intelligent Transport Systems (ITS)- Anwendungen zu unterstützen [4]. Dadurch können Fahrzeuge sowohl untereinander, Bild 1: trive.park ist eine Buchungsplattform für digitale Parkhaus- Angebote und -Services. Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 25 Smart Parking INFRASTRUKTUR als auch mit ihrer Umwelt vernetzt werden, um miteinander kommunizieren zu können. Über einige hundert Meter Entfernung können somit Fahrzeuginformationen wie Position, Geschwindigkeit oder Fahrtroute ausgetauscht werden, um zum Beispiel die Fahrer frühzeitig über potenzielle Gefahrensituationen im Straßenverkehr zu informieren. Dazu wird das 5,9-GHz-Frequenzband verwendet, das speziell für die Car-to-X-Kommunikation reserviert wurde. Car2X-Kommunikation im Parkhaus Nicht nur im Straßenverkehr sondern auch im Parkhaus kann die Car2X-Kommunikation eine wichtige Rolle einnehmen. Im bearbeiteten Use Case AVP müssen Connectivity-Funktionen möglichst für Parkhausbetreiber und Fahrzeughersteller unabhängig ausführbar sein. Dafür muss der genutzte Standard für diese Kommunikation jedoch einige Voraussetzungen erfüllen, um in diesem Anwendungsgebiet relevant zu sein, siehe auch Bild 2. Neben der Voraussetzung einer großen Reichweite zur effizienten Nutzung des Standards spielen geringe Latenzen und hohe Zuverlässigkeit eine wichtige Rolle. Besonders für Fahrzeuge in Parkhäusern ist es wichtig, dass die cloudbasierenden Services ohne Internetverbindung funktionieren. Das ist mit den ITS-G5 gegeben, welcher sich daher besonders für diesen Use Case eignet. Kommunikation zwischen zwei ITS-Stationen Die Kommunikation erfordert, dass jedes Fahrzeug eine sogenannte On-Board-Unit (OBU) besitzt und in der Infrastruktur Road-Side-Units integriert sind. OBUs und RSUs sind von ihren Spezifikationen nahezu identisch, die RSU besitzt zusätzlich einen Ethernet Anschluss, um backendbasierende Services realisieren zu können. Die grundlegende Kommunikation erfolgt automatisch durch Broadcasting von bestimmten Nachrichten, wie: • Cooperative Awareness Messages (CAM), die permanent z. B. Position, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung teilt. • Service Announcement Extended Messages (SAEM), die zusätzlich von der RSU verwendet werden können, um auf spezielle Infrastruktur Services hinzuweisen. Beispiel: Smart Car Park in Nähe Anhand dieser CAMs kann außerdem die Entfernung zwischen den ITS-Stationen berechnet werden. Fällt diese unter ein definiertes Limit, dass für eine stabile Verbindung nötig ist, kann die OBU im Fahrzeug auf die SAEM der RSU reagieren. Somit kann ein Verbindungsaufbau ermöglicht werden, um über diese Verbindung Nachrichten und Daten auszutauschen. Diese wird beispielsweise benötigt, um Funktionen des beschriebenen Smart Parking Use Case, wie das Ticket-Ziehen oder Schranke-Öffnen, zu realisieren. Der initiale Verbindungsaufbau ist in Bild 3 dargestellt. Neu an diesem Verfahren: Peer-to-Peer-Verbindung für verschlüsselten Nachrichtenaustausch Die Besonderheit an dem im Förderprojekt entwickelten Prozess besteht darin, dass eine direkte Peer-to-Peer-Verbindung über IPv6 zwischen der On-Board-Unit und der Road-Side-Unit aufgebaut wird. Ohne diese Verbindung, bei einer standardmäßigen Nutzung von Broadcast-Nachrichten, wären auch nutzerbezogene und sensible Daten 71710_HM_AZ_Container_Internationales_Verkehrswesen_102x297 • FOGRA 39 • CMYK • bs | DU: 04.08.2020 Inland 10. - 12. 11. 2020, Frankfurt am Main Say hy to Hypermotion. hypermotion.com/ teilnehmen Containern das Sprechen beibringen? Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 26 INFRASTRUKTUR Smart Parking für alle Car2X-Teilnehmer in der Umgebung sichtbar gewesen. In Bild 2 ist die Funktion „Überprüfung der Zugangsberechtigung zum Parkhaus und Schrankenöffnung“ exemplarisch für eine Kommunikation mit dem Backend dargestellt. Nach erfolgreichem Verbindungsaufbau wird im weiteren die MAC-Adresse der On- Board-Unit and die Road-Side-Unit geschickt. Darüber ist das System in der Lage, das Fahrzeug zu identifizieren, um z. B. eine Zugangsberechtigung an der Einfahrt im Backend prüfen zu können. Dazu sendet die RSU http-requests an das Backend, welches im vorliegenden System nach erfolgreicher Prüfung ein Signal zur Öffnung an die ebenfalls digitalisierte Schranke sendet. Nachdem der beschriebene Use Case des vernetzten AVP umgesetzt wurde, wird er nun im weiteren Verlauf des Förderprojektes auf die Tiefgarage der Elbphilharmonie in Hamburg übertragen. Das Projekt dient dort dann als eines der Anker-Projekte des ITS-Weltkongresses 2021 in Hamburg. Potentiale für die weitere Entwicklung Volkswagen hat bereits die nötige Kern- Technologie zur Unterstützung dieses Standards serienmäßig im Golf 8 integriert. Die serientaugliche Umsetzung der entwickelten Funktionen erfordert jedoch weitere Entwicklungen im Bereich der Standardisierung zur Verbreitung von cITS-Applikationen. Innerhalb des Projekts konnte die standardkonforme Anwendbarkeit nachgewiesen werden, jedoch benötigen verschiedene Funktionen eine spezifische cITS-Applikation, um die vorgegebenen Kommunikations-Nachrichten anwendungsfall-spezifisch zu erweitern. Denkbar ist daher ein eigener cITS- Appstore, auf dem Entwickler ihre Anwendung veröffentlichen können. Infrastrukturbetreiber sowie Fahrzeughersteller können diesen dann nutzen, um cITS-Apps zu installieren und auf die Anwendbarkeit der Funktionen transparent hinzuweisen. Dadurch kann eine schnelle Verbreitung von Infrastruktur-Services erreicht werden. Bei einer größeren Verbreitung von Mobilitätsdienstleistungen über den cITS- Standard ist ein weiterer wichtiger Faktor die nutzerorientierte Identifikation zwischen OBU und RSU. Während im beschriebenen Projekt die MAC-Adresse dazu dient, das Fahrzeug zu identifizieren, wird im Kontext der Shared Mobility ein neues Verfahren benötigt. Ein Ansatz dazu ist, mit Unterstützung von Distributed Ledger- Technologien wie IOTA eine anonymisierte Nutzung über einen dezentralisierten Account und verifiable Credentials zu ermöglichen. Die zuletzt beschriebenen Entwicklungspotentiale zielen darauf ab, dass unterschiedlichste Märkte möglichst einfach und transparent vernetzte und kooperative Mobilitätsdienstleistungen im Internet of Things abbilden können. ■ QUELLEN [1] Cookson, G. (2017): Smart Parking - A Silver Bullet for Parking Pain. http: / / inrix.com/ blog/ 2017/ 07/ parkingsurvey (Abruf: 07.11.2019) [2] www.internationales-verkehrswesen.de/ forschungsparkhaus-fuer-autonomes-parken (Abruf: 28.07.2020) [3] www.syncopark.de (Abruf: 28.07.2020) [4] www.elektronik-kompendium.de/ sites/ net/ 2407231.htm (Abruf: 28.07.2020) Bild 3: Kommunikation zwischen den ITS-Stations (OBU und RSU) Bild 2: Kommunikationsaufbau zum Backend über Ethernet-Anschluss der-RSU Mario Kohlhoff, Software-Entwicklung, EDAG Engineering, Fulda kohlhoff@trive.me Nic Schwarz, Software-Entwicklung, EDAG Engineering, Fulda info@trive.me Alexander Süssemilch, Product Owner Smart Parking, EDAG Engineering, Fulda suessemilch@trive.me ? ? ? ? ? ? ? ? ? INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 27 STRATEGIES 28 A study on free-floating carsharing in Europe 31 Heading into “The New Normal” BEST PRACTICE 36 The Perpignan-Figueras high-speed line 41 New mobility concepts for rural areas SCIENCE & RESEARCH 44 15 th European Friedrich-List-Prize - a selection 62 Environmental effects of the Covid-19 lockdown International Transportation Special Edition 2 l September 2020 Volume 72 www.international-transportation.com Transforming Transport - Solutions INTERNATIONAL Strategies Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 28 A study on free-floating carsharing in Europe Carsharing, Private vehicle holding, Modal shift How many carsharing users sell their vehicle, how many users suppressed a vehicle purchase? This article outlines the impacts of car2go and DriveNow on modal shift, vehicle owner-ship, vehicle kilometers travelled, and CO 2 emissions in 11 European cities. Hansjörg Fromm, Patrick Jochem C arsharing is an important segment of the sharing economy. The sharing economy strives for more efficient use of resources with positive economic, social, and environmental impacts [1]. In a new culture of nonownership, people increasingly prefer temporary access to resources over permanent ownership of resources. In Europe, the number of carsharing users has grown from 200,000 in 2006 to 6.76 million in 2018 [2] and is expected to increase to 15.6 million through to 2020 [3]. Free-floating carsharing, i. e. carsharing that allows pick-up and return of a car anywhere within a specified area in a city, has been on the market for more than 10 years. It is mainly provided by automotive and rental car companies. After a decade of operation and user experience, an evaluation seems appropriate. Car2Go and DriveNow, who merged into Share Now in 2019, are the largest carsharing operators in the world. They are serving over 3 million users, even if they closed their North American operations in late 2019. Share Now commissioned a study to identify the impact of carsharing on vehicle holdings, modal shift, vehicle kilometers traveled, and greenhouse gas emissions. The study was conducted in 2018 (Car2go) and 2019 (DriveNow). It is based on a survey among car2go and DriveNow customers, now customers of Share Now, in 11 European cities. The complete report can be found on our KIT website [4]. A previous study was performed by the University of California, Berkeley, for 5 North American cities in 2016 [5]. Over 10,000 carsharing users regularly using the service participated in the European online survey. We ensured representativeness of the respondents [4]. In the survey, participants were asked detailed questions on how the availability of car2go or DriveNow changed their travel behavior and vehicle ownership. Besides questions regarding the personal demographics of the participants (gender, age, income, education level), a group of questions centered around their change in travel behavior (e. g. trips overall, carpooling) and mode choice (e.g. use of taxis and public transportation). Another group of questions concerned the change in vehicle holdings. Impacts on vehicle holdings To study the impact on private vehicle holdings, participants were asked to specify how many and which cars they had owned before and after subscribing to the carsharing services and if they had sold or acquired cars within this time period. They were asked if they had attributed the sale or acquisition entirely or partially to the services provided by car2go or DriveNow. These answers allow us to determine the absolute number of sold vehicles and the percentage of participants who sold a vehicle. The number of acquired cars that the participants attributed to the carsharing service is negligible. There is a significant other effect of the availability of carsharing: people forego or postpone the acquisition of a car which they otherwise would have purchased. In order to estimate the number of suppressed vehicle purchases, we asked the hypothetical question “Would you acquire a car if car2go or DriveNow disappeared from your region? ”. If the answer is “yes” and this is not simply the replacement of a previously sold car, then we count this as a suppression of a vehicle. Other than the response concerning a vehicle sale, the response concerning vehicle suppression is not verifiable. Nevertheless, we handle the respondents’ information on suppressed vehicles in the same way as we handle the information on sold vehicles although the latter is more reliable. Figure 1: Percentage of participants who sold a vehicle and percentage of participants who suppressed a vehicle purchase Strategies INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 29 Figure 1 presents, for each individual city, the percentage of participants who sold a vehicle and the percentage of participants who suppressed a vehicle purchase. Assuming sample representativeness, these percentages can be applied to the overall population of regular car2go and DriveNow users. This gives us an estimate of the total numbers of sold and suppressed vehicles in each city. Table 1 shows the estimates of sold and suppressed vehicles in absolute numbers and on a per-carsharing-vehicle basis. According to our study, between 3.6 % and 16.1 % of the regular carsharing users in the individual cities claimed to have sold a vehicle due to the carsharing service. Between 13.3 % and 40.7 % claimed to have suppressed the purchase of a vehicle. This would amount to 18,948 vehicles sold and 62,900 vehicles suppressed across all cities. Berlin and Hamburg stand out with 4,616 resp. 3,100 vehicles sold and 11,834 resp. 11,020 vehicles suppressed. Per carsharing vehicle, between 2.1 and 5.3 vehicles have been sold in the individual cities and between 7.8 and 18.6 vehicles have been suppressed. We asked the participants for the reasons why they sold a car. For most participants, one reason was to save costs by getting rid of a car. In Berlin, Vienna, Hamburg, and Helsinki, many participants stated that good public transportation infrastructure was important for their decision. In these cities, a comparably high percentage of sold vehicles can be observed. Other reasons indicated by car2go and DriveNow users are: carsharing sufficiently fulfills their mobility needs, carsharing addresses the scarcity of parking space within the cities, and carsharing contributes to environmental protection. From a demographic point of view, candidates for selling their car or not purchasing a car are especially young people with a relatively high educational background and people who live in small households. This confirms insights from previous studies [6]. Impacts on modal shift Carsharing has a considerable impact on the participants’ choice of other transportation modes. Participants were asked to what extent they had changed their use of urban rail, bus, taxi, intercity rail, bicycles, and motorcycles, and whether they had changed their walking habits. There is a general trend that carsharing users reduce the use of taxis and - to a lower extent - the use of urban rail and busses. Only a few participants report that they have increased the use of public transportation. This means that some participants complement the use of carsharing with other transportation modes, while other participants substitute other transportation modes by carsharing. Table 2 shows the respective numbers exemplarily for Berlin on the left. The results for other cities show noticeable differences in magnitude, even if the general trends are largely the same [4]. This behavioral change is certainly influenced by several factors, such as the individual mobility demand of the participant within the geography, the structure of the public transportation network, and the question if the participant has reduced private vehicles. While the first two factors are difficult to grasp, the latter is known from the participant’s survey response. To assess the impact of private vehicle reduction on modal shift, we separately evaluated the subgroup of users who have sold a car. The results are remarkable. Of the participants who have sold a car, a higher percentage increases the use of public transportation and a lower percentage reduces the use of public transportation. Additionally, a higher percentage of these participants increases the use of bicycles and the quantity of walking. For example in Berlin (table 2 on the right), the share of participants who increased the use of urban rail grows from 9.7 % to 31.8 %, if we consider the subgroup of users who have sold a car. For intercity rail, the percentage increases from 9.9 % to 32%, for bus from 7.1 % to 21.3 %, for bicycle from 13.9 % to 39.8 %, for walking from 16.1 % to 28.8 %. Even if the percentage of participants who sold a car is still moderate (3.6 % to 16.1 % for the different cities, cf. figure 1), the removal leads to considerable reductions of private vehicle kilometers traveled. The relatively high mode shift percentages of participants who sold a car indicate where these saved kilometers might have gone: to public transportation in combination with walking and biking. Impacts on vehicle kilometers traveled The numbers of vehicles sold and suppressed allow us to estimate the impact of carsharing on vehicle kilometers traveled (VKT). From the responses of the participants, neither the VKT of a sold vehicle nor the VKT of a not purchased vehicle can be directly determined. Therefore, we make assumptions for both cases. If participants sold a vehicle, we assume that they sold the vehicle with the lowest VKT in their ownership and count this VKT as a reduction. For a suppressed vehicle purchase, we base our VKT estimate on the average VKT of all participant-owned vehicles in the corresponding city. Our conservative scenario assumes that the suppressed vehicle would have been used with 20 % of this average VKT, and our optimistic scenario assumes that the suppressed vehicle would have been used with 80 % of this average VKT. As a replacement of their private cars, customers will now use - together with other transportation modes - carsharing vehicles. Therefore, the VKT reduced by sold and suppressed vehicles must be netted with the VKT that customers drive with carsharing vehicles. The VKT estimates for sold vehicles are roughly around 12,000 kilometers per year, the VKT estimates for suppressed vehicles roughly between 2,000 (conservative) and 14,000 (optimistic) kilometers per year. This leads to annual VKT reductions e. g. for Helsinki between 9.7 (conservative) and 21.3 (optimistic) million kilometers and for Berlin between 95.1 (conservative) and 190,7 (optimistic) million kilometers. Estimation of total vehicles sold Vehicles sold per SHARE NOW vehicle Estimation of total vehicles suppressed Vehicles suppressed per SHARE NOW vehicle Amsterdam 1.060 3,2 3.340 10,2 Berlin 4.616 4,4 11.834 11,4 Brussels 1.512 5,3 1.481 8,6 Copenhagen 1.367 3,2 6.835 18,6 Hamburg 3.100 3,8 11.020 13,4 Helsinki 424 2,9 1.212 9,0 Lisbon 425 2,1 2.009 10,4 London 868 2,4 3.629 13,3 Madrid 954 2,1 3.846 8,4 Rome 2.388 3,8 8.953 14,4 Vienna 2.234 3,2 5.356 7,8 Table 1: Estimates of sold and suppressed vehicles in absolute numbers and per-carsharingvehicle INTERNATIONAL Strategies Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 30 Impacts on CO 2 emissions The impact on CO 2 emissions is a direct consequence of the VKT reductions. VKT reductions are transformed into CO 2 emission reductions by multiplying them with the official emission factors (g CO 2 per km) for the individual countries obtained from the Eurostat database [7]. Since sold vehicles are reported to be approximately 10 years old, we took the average emission factors for newly registered vehicles in 2008/ 2009. For suppressed vehicles, we used the 2016/ 2017 factors. According to the International Council on Clean Transportation (ICCT), real use phase emissions are on average 40 % higher than the officially reported testing cycle emissions (NEDC) [8]. Therefore, we added 40 % to the Eurostat emissions in our calculations. To obtain the net reduction of CO 2 emissions induced by the carsharing service, we had to balance the emission reductions caused by reduced and suppressed private vehicles with the emission increase caused by the carsharing fleet. For fleet vehicle emissions, we used model-specific factors of the actual fleet, again with the 40 % adjustment as described above. Table 3 shows, for each individual city, the net CO 2 emission reductions in absolute numbers and on a per-carsharingvehicle basis. They range between 1,737 and 17,865 tons/ year for the conservative scenario and between 4,233 and 34,864 tons/ year in the optimistic scenario. Netted CO 2 emission reductions per Share Now vehicle are between 8.7 and 17.2 tons/ year in the conservative scenario and between 21.1 and 33.5 tons/ year in the optimistic scenario. Conclusion After free-floating carsharing offerings have been available in major European cities for more than 10 years, positive impacts on vehicle holdings, modal shift, and CO 2 emission reductions can be observed. Although only a moderate percentage of car2go and DriveNow users have sold a vehicle or suppressed the purchase of a vehicle, the reductions in private vehicle holdings sum up to a considerable number. As a consequence, each fleet vehicle of the carsharing service turns out to remove a multiple of private vehicles. This frees up space in the streets (roadside parking) and parking lots of the cities. and fosters public transportation as a complement to carsharing. Removal of private cars leads to VKT reductions measured in tens or hundreds of millions of kilometers in each city, and, as a consequence, to CO 2 emission reductions in thousands of tons per year. The willingness of carsharing users to sell a car depends on many factors. One factor is certainly the coverage, performance, and ease of use of the public transportation system in the city and its surroundings. Another factor is the diminishing desire for car ownership with its associated fixed costs. But above all, we could observe that the willingness to sell a car increases with the time that the carsharing system has been in operation in the particular city. Therefore, it can be expected that in the coming years the trend to reduce private vehicles with its positive effects will continue. ■ LITERATURE [1] Martin, C. J. (2016): The sharing economy: A pathway to sustainability or a nightmarish form of neoliberal capitalism? . In Ecological economics, 121, pp. 149-159 [2] Shaheen, S. and Cohen, A. (2020): Innovative Mobility: Carsharing Outlook Carsharing Market Overview, Analysis, And Trends [3] Deloitte (2017): Car Sharing in Europe. Business Models, National Variations and Upcoming Disruptions [4] Fromm, H.; Ewald, L.; Frankenhauser, D.; Ensslen, A.; Jochem, P. (2019): A Study on Free-floating Carsharing in Europe: Impacts of car2go and DriveNow on modal shift, vehicle owner-ship, vehicle kilometers travelled, and CO 2 emissions in 11 European cities, Working Paper Series in Production and Energy 36, doi: 10.5445/ IR/ 1000104216, https: / / publikationen.bibliothek.kit.edu/ 1000104216/ 51584214 [5] Martin, E. and Shaheen, S. (2016): Impacts of car2go on vehicle ownership, modal shift, vehicle miles traveled, and greenhouse gas emissions. Working Paper [6] Schmöller, S.; Weikl, S.; Müller, J.; Bogenberger, K. (2015): Empirical analysis of free-floating carsharing usage: The Munich and Berlin case. Transportation Research Part C: Emerging Technologies, 56: 34-51 [7] Eurostat (2018). [online] Available at: http: / / ec.europa.eu/ eurostat/ tgm/ table.do? tab=table&plugin=1&language=en&pcode=t2020_ rk330 [8] Tietge, U.; Zacharov, N.; Mock, P.; Franco, V.; German, J.; Bandivadekar, A.; Ligterink, N.; Lambrecht, U. (2015): From laboratory to road - a 2015 update of official and “real-world” fuel consumption and CO 2 values for passenger cars in Europe, ICCT White Paper Hansjörg Fromm, Prof. Dr.-Ing. Honorary Professor at the Karlsruhe Service Research Institute (KSRI), Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Karlsruhe (DE) hansjoerg.fromm@kit.edu Patrick Jochem, PD Dr. rer. pol. Lecturer at the Institute for Industrial Production (IIP), Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Karlsruhe (DE) jochem@kit.edu Table 2: Modal shift due to carsharing for all participants and participants who sold a car (Berlin) All Participants Participants who sold a car Increased use No change Decreased use Increased use No change Decreased use Taxi 3,8 % 24,8 % 71,4 % 8,3 % 27,3 % 64,4 % Urban Rail 9,7 % 54,2 % 36,1 % 31,8 % 40,2 % 28,0 % Bus 7,1 % 58,6 % 34,3 % 21,3 % 50,0 % 28,7 % Intercity Rail 9,9 % 85,5 % 4,6 % 32,0 % 61,5 % 6,6 % Bicycle 13,5 % 70,4 % 16,1 % 39,8 % 54,2 % 5,9 % Walking 16,1 % 67,8 % 16,1 % 28,8 % 62,3 % 8,9 % Reduced CO 2 emissions due to SHARE NOW in tons per year (conservative - optimistic scenario) Estimation of total vehicles sold Reduced CO 2 emissions per SHARE NOW vehicle in tons per year (conservative - optimistic scenario) Amsterdam 4,887 - 10,126 14.9 - 30.9 Berlin 17,865 - 34,864 17.2 - 33.5 Brussels 4,343 - 6,423 15.2 - 22.5 Copenhagen 5,857 - 14,915 13.7 - 34.9 Hamburg 11,877 - 27,570 14.5 - 33.6 Helsinki 1,744 - 3,492 11.8 - 23.7 Lisbon 1,737 - 4,233 8.7 - 21.1 London 3,571 - 7,730 10.0 - 21.6 Madrid 4,087 - 9,074 8.9 - 19.9 Rome 7,878 - 18,550 12.7 - 29.8 Vienna 6,604 - 14,013 9.6 - 20.3 Table 3: Net CO 2 emission reductions due to Share Now in absolute numbers and on a percarsharing-vehicle basis Strategies INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 31 Heading into “The New Normal” Potential development paths of international logistics networks in the wake of the Coronavirus pandemic Coronavirus, Covid-19, International logistics networks, Risk, Volatility, Focus group The Coronavirus crisis is putting international logistics networks to the test and it is already clear that the crisis is relentlessly exposing problems that international logistics networks must change as a result of the crisis. This article aims to reveal future developments in international logistics networks and discuss potential development paths. On the basis of a structured discussion with 23 logistics managers and a follow-up survey among them, current challenges and possible solutions were identified and theses on potential developments of international logistics networks were evaluated. This revealed that digitalization and the automation of processes have top priority for efficient risk and volatility management. In addition, there are tendencies toward more localized, agile logistics networks, which, with the aim of greater resilience, may also generate higher costs than those seen before the crisis. Frank Straube, Benjamin Nitsche T he logistics world is changing. Most manufacturing companies have faced serious disruptions in their logistics networks over recent months and, even if most companies are back in operation, constantly changing dynamics and extreme volatility are “The New Normal.” What, at the beginning of 2020, appeared to be a regional problem affecting the supply side of most companies that were sourcing from China is now a global pandemic and almost every company is feeling the effects of this crisis in some way. Although most industries are being negatively affected, some will benefit from the situation. On the one hand, old and aging business models are in jeopardy; on the other hand, the crisis also provides huge opportunities for new ideas and business models. However you frame it, change is inevitable in most industries, and logistics networks are about to change accordingly. However, how they will change is highly uncertain. The only thing that is clear is that the crisis is also acting like a burning glass for logistics networks. Inefficient processes are being clearly revealed, as are networks that have been overoptimized to minimize costs, and now problems that were already Photo: Dimitri Houtteman/ Unsplash INTERNATIONAL Strategies INTERNATIONAL Strategies Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 32 known in many places before the crisis, but had not been clearly addressed, are more likely to become apparent. Even if the crisis can be overcome quickly, it is already clear that, for many companies, it has become an important trigger for changes in logistics, though most are still unsure how to react. To contribute to this discussion, the Competence Center for International Logistics Networks, funded by the Kuehne Foundation, at the Chair of Logistics at the Berlin University of Technology conducted an initial focus group workshop with industry experts at the end of May 2020. Further discussions are ongoing. The focus group consisted of logistics managers from multiple manufacturing industries (automotive, consumer goods, electronics, and others) as well as logistics service providers. Participants had an average professional working experience in logistics of 16 years and the majority held senior management positions in logistics (department manager or higher). To initiate structured discussions, each participant was asked to present the current challenges the international logistics network of his or her company is dealing with and how they are seeking to address those challenges in the short and long term. Based on this input, the authors of this articles synthesized the challenges and strategies presented using the logistics design areas strategy, network, processes, technology, and people to outline the status quo. In addition, to contribute to the discussion on future development paths of logistics networks after the crisis, the authors synthesized 20 theses on potential developments within the aforementioned logistics design areas based on the focus group discussion. Subsequently, those theses were assessed by the same group of experts through a postworkshop questionnaire. The status quo of challenges and strategies, as well as first indications on future development paths of international logistics networks, are outlined in the following discussion. Challenges and consequences for international logistics networks As stated previously, companies’ logistics networks are challenged by the crisis across multiple phases, including the strategy, network, process, technology, and people levels. Figure 1 summarizes the challenges identified through the focus group discussions. From a strategic point of view, logistics managers feel a need for change on various levels. Current sourcing strategies, as well as past developments toward costoptimized logistics networks, are currently being discussed more critically than ever before. However, the current uncertainty about future developments is a major hindrance to managers, which is why there is a danger that they will focus on firefighting to tackle acute sub-problems to ensure security of supply and will postpone strategically important decisions. There is a risk that even long-planned strategic initiatives and investments may be withdrawn in the course of massive cost-saving initiatives. On a network-level, experts reported that disruptions and high volatility have to be considered as “The New Normal” and current networks are, in general, unable to meet the flexibility requirements of such a crisis. To react promptly, real-time transparency on locations of goods, available capacities, and so on, throughout the entire logistics network, are necessary, but often cannot be ensured. This problem existed long before the Coronavirus crisis, but has now becomes more prominent. In addition, the global transport market is prone to a new type of volatility. Air freight is experiencing strong demand but, owing to limited (passenger) flights, this theoretical demand cannot be covered, and the total freight volume is much lower compared with last year. At the same time, sea freight volumes have decreased and Europe’s road transportation market is expecting a reduction of at least 4.8 % and, in a worst-case scenario, up to 17 % [1]. On a process level, restructuring of operational, labor-intense processes to comply with hygiene standards was one of the major priorities at the beginning of the crisis; most • Globalization and sourcing strategies (low-cost countries) have to be reconsidered • Danger of withdrawal of long-term logistics initiatives (e.g. sustainability and CSR initiatives) • Restructuring of some business model needed (some are more prone to crises than others) • High uncertainty on future developments dampens the ability to make strategic decisions timely • Logistics networks not able to meet flexibility requirements of crisis (e.g. due to off shoring) • Network disruptions and volatility are “The New Normal” • Real-time data transparency would be necessary but is not available (e.g. locations, available capacities) • Increasing transport lead times globally and decreased supply from hot zone countries (e.g. Italy, Spain, China) • Demand peak in air freight but limited capacities (due to limited passenger flights) • Demand increase for rail related transport between China and Europe possible • Demand decrease for traditional transport modes (road and sea freight) • E-commerce structures are not built for current boom but delivery has to be secured • Increased inventory stocks lead to the risk of a warehouse collapses Strategy • Labor-intensive processes often take longer and must be reconsidered due to hygiene standards • Process errors become more obvious (need for process standardization and automation) • Collapse in demand leads to low capacity utilization for most manufacturers • Demand increase in certain industries cannot be covered by current processes • Predictive systems reach their limits (demand planning, ETA predictions etc.) • IT-infrastructure (national, company-level and network-level) not build for new requirements (i.e. boom in home office) • Digitalization on all phases become inevitable Challenges & Consequences • Staff shortage in some industries (e.g. stationary and online retail) but excess staff in most industries • Protection of employees from getting infected • Fear of loss of employment can inhibit performance of employees Network Process Technology People Figure 1: Coronarelated challenges and consequences for international logistics networks Strategies INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 33 companies adapted to the situation quickly, although a reduction in process efficiency has been reported. Nevertheless, especially in reacting as quickly as possible to constantly changing network requirements, the dependence on people’s actions quickly became obvious. In order to increase the speed of reaction, reduce dependency on people, and thus be able to establish security of supply more quickly, participants often stressed the need for process automation as one of the core future challenges. From a technological point of view, the crisis stressed once again that there is an urgent need for digitalization of logistics networks. This digital transformation has often been identified as one of the major challenges for future logistics managers [2,- 3], but the core problems that occur on the pathway of digitalization seem to remain the same in the wake of the crisis. IT infrastructure within companies, and also across companies on an international level, has reached its limits. However, even predictive algorithms that were previously considered intelligent must be adapted to match the new environmental conditions in a new age of volatility. Regardless of the decisions that have to be made at different levels, there are always people who have to deal with the changed situation. In this area in particular, the crisis has already shown that a stronger focus on employees and their needs is necessary. In an age of increasing work from home, growing process automation, and declining sales in many industries, social issues are increasingly coming to the fore; issues that are quickly forgotten in times of economic upswing. Keeping employee satisfaction high in these difficult times is challenging, but necessary, in order not to lose performance in the long term. Current strategies dealing with the Coronavirus crisis To tackle the challenges arising from the pandemic, companies reacted very fast in adjusting their processes and networks to the current needs. Figure 2 outlines the shortand long-term strategies implemented by participants of the expert panel. In the short term, companies participating in the discussions did very well in setting up cross-functional crisis teams that met on a daily basis with master planners and constantly evaluated the situation, implemented contingency plans, and reevaluated and adjusted forecasts more often. Timely reactions were key to success and, while fighting for backup supply and transport capacity (especially air freight capacity), most companies switched from pure costthinking to availability-thinking to ensure security of supply. While doing so, some participants implemented supplier risk towers in the short term by using automated supplier surveys that provided them with up-to-date criticality scores for their supplier portfolios, thereby enabling them to manage the crisis more efficiently. However, such a crisis can increase the possibility of overreacting to signals and overriding network partners. Participants mutually agreed that trust in their network partners and joint collaboration with their logistics service providers play vital roles in managing crises in general. As good as companies have been at adapting to the new circumstances in the short term, they are currently finding it difficult to adopt long-term strategies and make decisions today for the long-term design of their international logistics networks. This is, of course, also due to the fact that future developments are highly uncertain. However, some developments can no longer be denied today, and companies will be forced to think about what level of structural flexibility should be achieved in their logistics networks. This includes decisions on offshoring rates in low-cost countries, or whether there should be a long-term attempt to relocalize value creation toward highly automated suppliers in industrialized countries. In addition, there is already evidence of an increased drive towards digitalization and automation, which were considered important previously but have • Decide on level of flexibility in logistics needed (trends towards more supplier and carrier alternatives) • Corporate decision on off shoring and nearshoring rates • Create synergies in strategic initiatives (e.g. combine network redesign with sustainability initiatives) • Decide on the “human factor” in decision making and level of automation Strategy Short-term Mid & Long-term • Enable structural flexibility through multi sourcing (materials & transport capacities)  trend towards more decentralized network structures • Reduce network complexity • Increased outsourcing of logistics activities (potentials for LSP) • Facilitation of nearshoring if possible • Turning away from stock-less JIT supply approaches possible Network • Have trust in network partners, trouble-shooting can make it worse • Fight for backup supply and transport capacities • Increase in safety stock levels if supply is possible • Supplier Risk Tower (up to date supplier assessment with vulnerability scores) with automated supplier survey • Short-term switch from cost-thinking to availabilitythinking (taking air freight over other modes of transport) • Risk mitigation jointly with 3PL • Establishment of logistics crisis plans and processes for the future Process • Daily cross-functional crisis team meetings and calls with master planners to develop and implement contingency plans • Adjustment of workflows / digitalization of processes • Increased frequency of forecasting and demand planning intervals • Reduced lot sizes • Defining a catalogue of measures for a safe restart of production and logistics • Roll-out of automation approaches to support monitoring and logistics planning (e.g. through multi agent systems) • Development of early alert systems following AI approaches Technology • Learn from crisis data to improve forecasting algorithms • interdisciplinary training in companies in order to broaden the areas of application of employees • Think about home office as a long-term alternative People • Enable home office opportunities • Short-time work & reinvented shift-systems • Lateral cooperation to increase employee utilization (e.g. Aldi/ McDonalds example) Figure 2: Short and midor long-term strategies dealing with the Coronavirus crisis INTERNATIONAL Strategies Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 34 become more pressing in the wake of the crisis. To contribute to these decisions, the authors drew up theses on future developments in international logistics networks in the course of the crisis on the basis of the discussions held; these were subsequently evaluated by the expert panel. Future development paths of international logistics networks Following the discussions with logistics managers, 20 theses on potential future developments of international logistics networks were formulated and assessed by the same group of experts through a questionnaire. Figure 3 presents excerpts from the most strongly agreed theses. It can be observed that the need for digitalization of logistics networks will be pushed because of the Coronavirus pandemic. This will include, in particular, the need for process automation in order to gain partial independence from personnel; however, increasing speed of reaction to a constantly changing environment has also been rated as a top trend that will be further pushed by the crisis. In addition, other technological advancements, such as intelligent ETA predictions, are seen as major success factor of future logistics networks. As stated with regard to current challenges, it has been confirmed that problems with digitalizing international logistics networks will remain the same (e.g., data access and accuracy) and could be even harder to solve. However, technological solutions are available on the market that could be able to tackle challenges arising from the crisis, although companies are struggling to achieve the appropriate task-technology fit. Moreover, the role of logistics within manufacturing companies seems to have been strengthened owing to the crisis which can be seen as a positive development from the participants’ point of view. However, although the role of logistics is strengthened, most companies struggle to determine the future role and goals of logistics. Managers stressed that it must be decided at an early stage whether, based on the lessons of the crisis, international logistics networks should plan to become more resilient and agile, or whether they should position themselves as efficient and cost-optimal, but less reactive. Without a decision on future goal parameters, adjustments of logistics networks are not possible. Nevertheless, based on the discussions and theses assessments, a slight tendency toward more agile and resilient networks, that are allowed to cost more, can be observed; this is also in line with other expert-based studies in the field of logistics [4]. Most participants are currently evaluating localization/ nearshoring opportunities or, at least, dual/ multisourcing options. A move away from singlesourcing models is likely, although the future is still highly uncertain at that stage. Nevertheless, it should also be mentioned that there are currently no signs that the megatrend of globalization will be completely reversed in the coming years because of the crisis. As the number of experts participating in this questionnaire is relatively low, this has to be understood as a first indi- ADDITIONAL WEBSITE LINKS The research results of the Competence Center for International Logistics Networks on this and other topics related to international logistics networks can be found online in the freely accessible logistics planning tool TUB Logistics Navigator (https: / / navigator. logistik.tu-berlin.de/ ). Additional information about the Coronavirus crisis and its effects on logistics can be found on the website of the Covid-19 expert network of Turku University (https: / / sites.utu. fi/ covid-supply-chains/ visiting-experts/ ), initiated by Prof. Lauri Ojala, where new articles are regularly published in the field of logistics by, among others, the Chair of Logistics of the TU Berlin. 5"66 7"66 2"66 8"66 9"66 : "66 ; "66 5 7 2 8 9 : ; < = 56 55 Figure 3: Extract of most strongly agreed theses on future developments of international logistics networks after the Corona pandemic Strategies INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 35 cation of potential future developments; more in-depth investigations are necessary to draw more reliable conclusions from it. Summary of fields of action and outlook From our investigations into current developments in international logistics networks because of the Coronavirus crisis, four main field of action are proposed that manufacturers should focus on to prepare their logistics networks appropriately. These are: (1) digitalization and automation, (2) risk and volatility management, (3) visibility, and (4) sustainability. Digitalization and automation are hot topics in the wake of the crisis and need to be tackled now. To react as fast as possible in comparable situations in the future, companies need to think about ways to automate important decision-making processes to gain speed of reaction and partial independence from personnel. Pathways of digitalization in logistics have been investigated in the past [2], but it is possible that these development paths will be completely redesigned in the course of the crisis and that developments may gain even more momentum. In conjunction with that, risk and volatility management needs to reconsidered. This includes, on the one hand, logistics network redesign and a potential shift to more localized and resilient logistics networks, and, on the other hand, target-oriented use of already existing tools and, if necessary, development of new ones to facilitate fast processes for timely reactions. For example, to manage volatility efficiently, previous research developed an approach that enables manufacturers to perform a case-based evaluation of the current state of volatility in a logistics network [5]. Those approaches are necessary as managing volatility is a complex task that requires crossfunctional management approaches [6]. Also relating to managing risks and maintaining reactiveness, machine learning approaches to enable smart ETA predictions in intermodal transport chains have been developed recently, but need to be challenged with respect to new environments [7, 8]. Achieving and maintaining upto-date visibility of increasingly complex network structures, even over several tiers of the logistics network, while ensuring data accuracy and availability, is certainly one of the basic requirements in managing risks and volatility in a timely fashion. Although the crisis has given rise to the risk that longterm strategic sustainability initiatives will be withdrawn under strong cost pressure, the crisis actually offers an equivalent opportunity to implement a holistic approach to sustainability that also gives greater weight to employee satisfaction and other social factors and to move away from a purely short-term cost perspective. ■ REFERENCES [1] Transport Intelligence (2020): European Road Freight Market Sizing 2020: Covid-19 Impact Analysis, p. 7 [2] Straube (Ed.); Junge, A.L.; Verhoeven, P.; Reipert, J. and Mansfeld, M. 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Internationales Verkehrswesen, Vol. 70 No. 4, pp. 71-75 Frank Straube, Prof. Dr. Head of Chair of Logistics, Technische Universität Berlin straube@logistik.tu-berlin.de Benjamin Nitsche, Dr. Project Team, Chair of Logistics, Technische Universität Berlin nitsche@logistik.tu-berlin.de Annual Conference of the Association for European Transport 09-11 SEPTEMBER,2020 An even greater opportunity to participate @EuTransportConf #ETC2020Online www.aetransport.org AET European Transport Conference (ETC) ETC is going online: book your place now! 2020 has presented worldwide challenges with Covid-19 impacting lives both immediately and for the foreseeable future. Managing the health and welfare of the population returning to normality, combined with economic effects and changes to travel patterns, will all be up for discussion this year’s European Transport Conference. 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Delivered into commercial service in December 2010, it arrived in the middle of a global financial crisis and in an immature and incomplete railway environment. The situation is improving, but the line is still underutilized. Perspectives are good, but efforts are necessary, both on the infrastructure side, operators’ and on the authorities’ side, to set up regional trains. Petros Papaghiannakis T he history of the Perpignan- Figueras high-speed line stretches back in 1994. The Corfu’ (June 1994) and Essen (December 1994) European Councils endorse a list of 14 TEN-T priority projects, drawn up by a group chaired by then Commission Vice-President Henning Christophersen. Perpignan-Figueras high-speed railway line was included into this list. In addition to the environmental benefits, the socioeconomic expectations of a Perpignan-Figueras high-speed line were numerous for both passengers and freight: significant trans-Pyrenean capacity increase and drastic reduction in travelling times, boosting economic development across the Iberian Peninsula, facilitating rail-traffic between Spain and rest of Europe without gauge changes. Nevertheless, at the same time as the birth of the project, several conditions began to be met that several years later, will prevent it from developing upon its delivery to service. Indeed, at that time (1994) there was no mention of the international gauge Mediterranean corridor in Spain, yet absolutely vital. The line was seen in a radial logic along a high-speed axis Madrid-Barcelona-Perpignan, but not in its global context with a Barcelona-Tarragona-Valencia-Algeciras axis along the Mediterranean coast. One year later, on 10 October 1995, in the frame of the “Madrid Agreement”, French and Spanish governments agreed to create a new line between Perpignan (France) and Figueras (Spain). This would become the prime rail link between the two countries on the Mediterranean side, in addition to the existing conventional line close to the Mediterranean coast with the gauge-change border crossing at Cerbère-Portbou. The project would be realised under a Concession scheme, with mixed financing public-private, including design, construction, operation and maintenance. A binational Intergovernmental Commission was set up to promote the project. The first international Tender was declared unsuccessful due to the impossibility to reach an agreement with the final Bid- Photo: LFP INTERNATIONAL Best Practice Best Practice INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 37 der. Subsequently to the second Tender (2003), the Joint Venture consisting of Eiffage and ACS/ Dragados was declared successful bidder. It is important to underline that traffic forecasts were conservative, if not cautious. This was a decisive point for the choice by the two States of the winner of the tender. TP Ferro Concesionaria S.A. was born as an ad-hoc Company and became the Concessionaire of the project. In the meantime, in 2003 following recommendations from the Karel Van Miert TEN-T workgroup, the EU Commission compiled a list of 30 priority projects to be launched before 2010 - unfortunately, still no mention about the Mediterranean corridor in Spain. The Concession Agreement was signed on 17 February 2004. It provided for five years of design and construction and fortyeight years of operations and maintenance. In round figures, the almost EUR 1,15 billion project finance was mixed and consisted of: • own equity covering about 10 % of the costs • external loans of the Concessionaire covering roughly 40 % of the costs • public subsidy covering about 50 % of the costs, out of which half of it was financed by the European Union, while France and Spain financed a quarter portion each The return on equity and loans’ amortization was planned to be achieved through toll revenues generated by the trains’ traffic. In a European level, on December 2005, the Loyola De Palacio TEN-T workgroup report made no mention about the Mediterranean corridor in Spain, despite the Concession Agreement was signed 1.5 years earlier thus ignoring strong demands of Spanish regional authorities. Obviously, still nobody in the EU had understood that the Perpignan-Figueras line had no chances of success without the Mediterranean Corridor and that both projects were vital one to each other. In this regard, it is interesting to read Mr. Josep Vicent Boira Maiques’ article dated 2006 1 , which describes the work and the efforts that were necessary from the Spanish local stakeholders, so that the Mediterranean Corridor is integrated in the TEN-T. Project finance closed on February 2005 with a pool of five major international banks. Following financial closing, the debt was syndicated with a group of another additional international financial institutions. At a first stage, project finance was achieved from 2005 to 2015. This period was called “Miniperm”. During this period, the Concessionaire had no reimbursement to do towards the Lenders, the project was re-evaluated in order to re-finance it up to the Concession end. In 2015 was beginning the re-finance for 24 years and the amortization of the debt that was supposed to finalize in 2039. The construction works began on February 2005. The infrastructure included a great amount of civil-work structure. Double track, one 8,3 km double-tube tunnel known as the “Perthus Tunnel” (see figure 1 ), two false tunnels, ten long viaducts (some of them above 600 m) of a total aggregated length of 3.000 m, one flyover for the travel side inversion (see figure 2), 14 railway bridges, 11 road bridges, 9 overpasses and 61 hydraulic and drainage works, retaining walls etc. Civil engineering and earthworks for open-air sections were completed on time by late 2007. The “Perthus Tunnel” was constructed using two tunnel boring machines (TBM). Unexpected geological conditions accounted for several extra months needed for tunnel completion and additional workforce (2 or 3 daily running shifts) to comply with the contractual schedule. Infrastructure completed perfectly-on time Despite the above, the works including testing and commissioning of the line were finally completed on 17 February 2009, perfectly on time, exactly five years after the Concession Agreement signature. Figure 1: Southern tunnel portal Source: LFP Figure 2: Northern “Perthus Tunnel” portal with flyover (background) Source: LFP INTERNATIONAL Best Practice Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 38 In terms of design, the line and the Tunnel are fully compliant with the Technical Specifications of Interoperability. The line consists of two 5 km connecting tracks to the French conventional network operated at 160 km/ h and 44 km of double track operated at 300 km/ h. The alignment is designed for up to 350 km/ h operations. The track has 1.435 mm standard gauge. It is electrified by means of 25 kV AC-50 Hz overhead line. The safety system is ERTMS levels 1 and 2. However, only ERTMS level 1 has been tested and delivered to service. ERTMS level 2 is installed but not in function: it will be activated and delivered to service upon States’ request. The line is used by both passenger and freight trains (see figure 3). The capability for mixed-traffic is materialized by far less severe gradients than those of lines dedicated to high-speed trains. The stiffest gradient is limited to 18 ‰ and only along two short sections preceded by descents. The longest gradient is 10.9 ‰ stiff and 6,400 m long at the Perthus base Tunnel, that connects France and Spain below the Pyreneans. The cant is limited to a maximum value of 135 mm to allow unrestricted operation of freight trains. The maximum axle load is 22.5 t/ axle, whereas the gages allow the operation of wide and high freight trains gage, as well as rolling motorway (piggyback) trains. Simultaneous operation and crossings between high-speed and freight trains are done with no restrictions, while five sidings between Perpignan and Barcelona Port make possible the overtaking between trains. Nevertheless, despite the quality and performance of the infrastructure, several problems started popping up as of 2009. Due to construction delays in the southbound section from Figueras to Barcelona, the line remained fully operational but with no traffic during 22 months, from 17 February 2009 to 19 December 2010. This first difficulty actually foreshadowed a series of others that, six years later, led the Concessionaire to liquidation in September 2016. At a first stage, the line was set into commercial service in December 2010, with only two daily roundtrips of high-speed TGV trains between Paris and Figueras. Once in Figueras Vilafant station, passengers had to get off the train and get in another commuter train until Barcelona, through the conventional line. These temporary operations lasted two years until the delivery to commercial service of the Figueras-Barcelona high-speed line. Full operations in the entire section Perpignan-Figueras-Barcelona started in December 2012. Since the very beginning of the operations, it appeared that traffic was far below the forecasts, even though they were supposed to be conservative. High-speed trains traffic was consisting of only 4 (winter) to 7 (summer) daily roundtrips, far below public expectations. Several causes for this: • Strong competition from low-cost flights, long-distance buses and car-sharing • Lack of attractiveness of the rail offer: - mainly focusing to tourists journeys, not adapted to commuters and regional travellers - high prices - insufficient frequency (cadence): for example with 1 daily roundtrip between Barcelona, Toulouse, Marseille and Lyon, it was impossible to make a roundtrip in the same day, thus making necessary to spend one night in a hotel - inadequate schedules such as afternoon arrivals that had no interest for professional travellers • And to a lesser extent, long travel time given due to the fact that the Montpellier-Perpignan high-speed rail link was still not built Regional traffic situation was even worse: it never began! Despite explicit mentions into the Public Interest Inquiry (“DUP”), the two Regions, in their capacity of Public Regional Transport Authorities, were slow to react. None of the benefits for the regional population put forward in the Public Interest Inquiry was achieved. Table 1 compares the passenger trains foreseen in the Public Interest Inquiry, with the real situation. It is a pity, especially considering that all unrealized services are with economically powerful cities and covering distances of 400 to 700 km, the preferred distance of high-speed trains. Finally, with only 2 to 3 daily roundtrips, the situation of the freight traffic was difficult as well, but not for the same reasons. Demand was very high, but freight mainly suffered from the lack of international gauge network in Spain, along the Mediterranean coast towards Tarragona and Valencia and the associated capillary network to the ports, factories and logistics centres. In other words, the lack of the Mediterranean Corridor. International gauge tracks still extend today only down to Barcelona Port connecting Can Tunis and Morrot terminals. In other words, international gauge trains still have no possibillity to reach dozens of freight generators in Spain. Fortunately, this situation is now improving rapidly and this problem should be resolved by 2022 to 2023. Finally, thanks to strong pressure from numerous Spanish stakeholders since 2004 (Regional governments, Ports, Trade Chambers, Transporters’ associations), Mediterra- Figure 3: Freight train on a viaduct Source: LFP Public Interest Inquiry Real situation Barcelona - Toulouse Yes Done partially (only in summer time) Barcelona- Paris Yes Yes (2 to 4 roundtrips/ day) Barcelona- Brussels Yes Not done Barcelona- Marseille Yes Yes (1 roundtrip/ day) Barcelona- Lyon Yes Yes (1 roundtrip/ day) Barcelona- Genéve - Zürich Yes Not done Barcelona- Milano Yes Not done Barcelona- Nice, Côte d’Azur Yes Not done Table 1: Passenger trains foreseen compared to the real situation Best Practice INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 39 M A R M E D I T E R R Á N E O ALICANTE VALENCIA CASTELLÓN TARRAGONA MURCIA CARTAGENA Sagunto La Encina N BARCELONA PALMA DE MALLORCA Castellbisbal Martorell St. Vicenç de Calders Nudo Perafort Xàtiva Pulpí Vera Los Arejos Níjar Almussafes GIRONA CORREDOR MEDITERRÁNEO ESTADO ACTUAL - FEBRERO 2020 MÁLAGA ALGECIRAS Loja Bobadilla / Antequera Ronda GRANADA Mollet MADRID - CUENCA MADRID - ALBACETE Monforte del Cid ELCHE LEYENDA ANCHO DE VÍA ESTADO VÍA ANCHO UIC VÍA ANCHO IBÉRICO VÍA ANCHO MIXTO FASE DE EXPLOTACIÓN FASE DE EJECUCIÓN FASE DE PROYECTO Vandellós Moixent NODO PRINCIPAL El Reguerón Riquelme Vila-seca Figueres - Vilafant NODO SECUNDARIO SEVILLA CÓRDOBA Alcazar de San Juan MADRID ZARAGOZA Le Perthus Portbou Cerbère ALMERÍA Situation as of Feb.2020 Figure 4: Present situation vs. scheduled buildout Source: Spanish Ministry of Transport, Mobility and Urban Agenda Final Situation INTERNATIONAL Best Practice Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 40 nean Corridor was included in the Trans- European network in 2011 under then Commissioner Siim Kallas and appeared as such in Regulations (EU) 1315/ 2013 and 1316/ 2013. The founding stone of the Mediterranean Corridor in Spain Looking into it with perspective, the founding stone of the Mediterranean Corridor in Spain was placed 17 years after the Perpignan-Figueras line! This problem caused one collateral damage: given the lack of international gauge network in Spain, the operators postponed their investments for interoperable multisystem locomotives. Therefore, since 2010 and up to now (2020) still only one operator provides traction services for freight, using few retrofitted locomotives removed from passengers’ services between Madrid and Seville. Designed for 200 km/ h passengers’ trains operating into Spain, although powerful, these locomotives suffer from technical limitations that require operating them in multiple unit (double locomotive) when entering in France, thus increasing the transport costs offered to customers. Macroeconomic and structural factors also heavily contributed to slowdown traffic development and deeply modified railways landscape. The economic and financial crisis that began in 2008 affected significantly in terms of demand of goods and mobility of people and subsequently passenger and freight traffic in Europe. Nevertheless, this was not the only consequence: • The States had less financial resources and were no longer able to finance development of infrastructures, despite having programmed and announced them • The national Railway Undertakings RENFE and SNCF were subject to very strong financial pressure to limit their deficit and therefore decided to drastically reduce passenger rail services for cost reasons Indeed, there has been a sharp change in the commercial strategy for high-speed transport services of the national railway operators. For profitability reasons and subject to strong financial pressure, these companies severely limited their offer of highspeed trains. In other words, contrary to the situation that was prevailing in the 2000’ decade, the priorities of the national railway companies changed radically from 2012. Faced with intense competition from other modes of transport and strong financial pressures, they were no longer in position to offer a plethora of high-speed services that became too expensive and decided to concentrate their offer on the most heavily frequented services. Economic failure of the Concession? In summary, Perpignan-Figueras highspeed line was imagined “independent” from the Mediterranean Corridor, it arrived in the middle of a worldwide crisis and while railway environment was still immature from all points of view. All conditions were met to lead to the economic failure of the Concession. In the meantime, between 2010 and 2015, several banks, sold their portion of the Concessionaire’ debt to Hedge Funds. In 2015, Hedge Funds were holding the majority of TP Ferro’ (Concessionaire) debt. In 2015, at the time of the beginning of the re-finance process, it became obvious that the debt could not be re-financed under the initial conditions anticipated in the 2005’ finance closing. The traffics recorded on the line for both passengers and goods trains, were respectively less than 25% and less than 10% of the anticipated traffic in the Concession financial model. The financial model was robust and able to absorb deterioration of its parameters: slow ramp-ups, traffic fluctuation, inflation, delays of the international gauge infrastructures in Spain, rolling stock homologating delays, regulatory issues, ERTMS deployment delays, etc. But in this case, there was a deep and simultaneous deterioration of all the parameters of the Concession. In March 2015, the Concessionaire TP Ferro entered into an administration process and started an intensive work to find a commonly acceptable solution by all involved parties: Shareholders, Lenders and States (Spain and France). Several refinance scenarios and mechanisms were proposed by TP Ferro, but unfortunately none of those prospered. Facing the impossibility to reach an agreement, Girona’s Mercantile Court had no other choice than ordering TP Ferro’s liquidation in September 2016. Finally, on December 20th 2016, the operation of the line was entrusted to Línea Figueras Perpignan S.A. or “LFP”, a joint subsidiary of the two historical infrastructure managers, SNCF Réseau and ADIF. All the staff and management was maintained unchanged. An Operating Agreement was signed for 4 years between LFP and the two States. This Convention will be extended until December 2022. Today (2020), LFP is still operating the line according to the best practices. Its operations performance is very high, while the costs are kept at a very reasonable level. What about the future? The perspectives for the future are positive. With reference to the 2020 situation, highspeed traffic should increase by 40 % until 2026, while freight traffic (see figure 3) should be multiplied by 4 and even more. However, LFP intends remaining humble and modest, indeed, there is no big feat multiplying by several times a traffic that is currently very low. Of course, these perspectives are conditioned by the completion of the international gauge network in Spain, along the Mediterranean coast. Fortunately, since 2013 Spain is putting huge efforts on the Mediterranean Corridor, works are progressing rapidly and completion is getting closer every day. No official completion deadlines are available, especially given the covid-19 recent pandemic consequences in Spain and all around the world. According to the author’s estimate, works in the section between Castellbisbal (Barcelona area) and Tarragona would be competed in late 2022 with a delivery to service expected in 2023, while the section from Tarragona to Valencia would be completed by 2024 (see figure-4). The main challenge for the coming years will be the regional passenger trains for which a strong commitment from Regional and National authorities and Operators is necessary in order to establish new services responding to the regional and “commuters” demand. A proven solution would be to create a binational Joint Promoter whose mission would be to define the general mobility patterns for the inhabitants of the Regions and above all implement such new services. This Promoter would include all stakeholders: Regions (Catalonia and Occitanie) and Operators (SNCF and RENFE) as decision makers, with Infrastructure Managers as technical support (LFP; SNCF Réseau and ADIF). This type of mechanism called “Léman Express” was put in place successfully between France and Switzerland. In conclusion, the future looks bright - but a lot of work still needs to be done. ■ 1 available on https: / / ddd.uab.cat/ pub/ prmb/ 18883621n44/ 18883621n44p44.pdf Petros Papaghiannakis General Manager and Chief Operations Officer (COO), Línea Figueras Perpignan S.A., Llers/ Girona (ES) ppapaghiannakis@lfpperthus.com Best Practice INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 41 New mobility concepts for rural areas Lessons learnt in the European cooperation project “Peripheral Access” Interreg, Rural areas, Mobility, Public transport, Europe, Cooperation European border regions, peri-urban and rural areas suffer from an undersupply of adequate local public transport. The consequences are manifold: high individual traffic, air pollution and reduced mobility for disadvantaged groups. Numerous initiatives, including transnational European cooperation projects, are developing and testing solutions for this at the local level. When applied consistently and expanded further, they can achieve great success on a small scale - if political support is available. The partners in the EU project Peripheral Access have approached this in different ways. Alexandra Beer H ow can rural and remote regions in Central Europe become better connected to public transport? Peripheral Access 1 has been working on this issue for the past three years under the leadership of the German Association for Housing, Urban and Spatial Development (Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V.). The project was supported by the Interreg B programme “Central Europe”. Thematically, the project focus was on the support of intermodality and infrastructure in the participating regions, the use of intelligent communication technologies and innovative cooperation and marketing approaches. As the project came to an end in May 2020, the nine partners from Slovenia, Italy, Austria, Poland, Czech Republic, Hungary and Germany presented the results of their local pilot activities 2 . The measures range from the improvement of existing transport systems to the complete redevelopment of previously unserved areas. All “peripheral” categories are represented among the participating regions: border regions, suburban regions and rural areas. In a detailed evaluation report 3 the partners assessed the project as a whole with regard to the thematic priorities and at the same time analysed the processes and results of the individual pilot projects. Based on this, they developed further political recommendations for action. With these two levels, the report should help disseminate the project results and thus make it easier for other regions and municipalities to implement similar measures. Transfer point set up outside Graz in Austria Among the innovations established by the regions during the project period is the establishment of a transfer point between different modes of transport (“multimodal node”) in the area surrounding the Austrian city of Graz. The project partner Regional Management Metropolitan Area of Styria (Regionalmanagement Steirischer Zentralraum) transferred the “tim” system, which has already been successfully established in inner city locations and combines car sharing of e-vehicles with parking facilities, taxi stands and bike sharing, to the nearby municipality of Hart bei Graz. There, it was further developed as “Regiotim” and adapted to local requirements. In addition to a charging station and the purchase of an e-car, the regional management installed covered bicycle parking and storage facilities (see figure 1). The area around a public bus stop in the centre of Hart bei Graz was converted into an attractive multimodal hub. The measures are intended to contribute to reducing the dependence of citizens on their own cars in the long term. The first “Regiotim” node also marks the beginning of an expansion of the system to the entire region. The pilot project provided valuable know-how regard- Figure 1: “Regiotim” in Hart near Graz, Austria. Source: Verkehrplus INTERNATIONAL Best Practice Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 42 ing equipment and technical implementation. The additional locations envisaged will be able to benefit directly from this knowledge. Vogtland region wants to attract more passengers to the Elster Valley Railway Line The authority for local public transport Vogtland (Verkehrsverbund Vogtland) had set itself the goal of better marketing the Elster Valley Railway Line, which is particularly attractive for tourists and runs from Thuringia via Saxony in Germany to the Czech town of Cheb, and to make better use of passenger capacities through leisure traffic. To this end, the project partner commissioned a trilingual tourist guidance system with various information options. The framework of the guidance system is the story of the giant “Voglar”. Travellers will find his footprints in the form of floor stickers at selected platforms and other points along the route (figure 2). Interested parties scan the QR codes depicted on the footprints with a mobile device to learn more about local tourist attractions or to access timetables and other information. The offer is supplemented by an augmented reality app, which introduces visitors to the imaginary “World of the Giant Voglar”. The project partner first conducted surveys on user requirements and carried out test rides with focus groups. The results led to a mixture of static and digital solutions and helped to optimise the marketing approach. The transport authority hopes that this will lead to an increase in the number of journeys in the medium term. Since the guidance system is managed via a central website and additional footprint stickers with QR codes can be positioned cost-effectively and easily, it can be extended to the entire transport network if required. However, this is connected with high financial investments which cannot be covered by the surrounding communities - this would have to be enabled by follow-up projects or other support measures. Call a Smartbus for a ride through the Trieste region The aim of the pilot project in the Italian region Friuli-Venezia Giulia was to improve the accessibility of the sparsely populated karst plateau north of the city of Trieste on the border with Slovenia. The local transport company Trieste Trasporti developed an innovative on-demand service: with the support of Venice International University VIU, they tested the “Smartbus” for several months as a supplement to regular bus services (figure 3). Two vehicles on two routes operated daily between 9: 00 and 21: 00 as booked by passengers. The service administration ran on an IT platform installed specifically for the pilot. One bus served a route with 68 stops, the other even covered 199 stops. Newspaper articles, funny YouTube videos and other activities were used to present the service to the public. The experiences in the Veneto region highlight the importance of a proactive, coordinating role of the public sector. It also became clear that, despite existing synergies, the current legal framework for crossborder public transport between Italy and Slovenia remains subject to many restrictions. The catchment areas of central towns in border regions usually extend to several countries. Therefore, there is still a lot of potential to create suitable mobility offers for visitors and commuters alike and thus also for reducing emissions from individual transport. Diverse package of measures in the South Moravian border region The main objective of the Czech pilot activities was to improve public transport in peripheral areas in a sustainable way - for daily commuters and for tourists. The project partner Kordis JKM, coordinator of the integrated transport system of the South Moravian region, therefore focused on the introduction of new bus services with bicycle transport (“Cyclobus”, see figure 4) as well as cross-border transport services for tourists. Extensive public relations work with information stands, flyers, special train rides and many other activities supported the pilot projects. The measures are already having an effect: new seasonal bus connections from the centre of the Brno region to the Podyjí/ Thaya Valley National Park as well as other year-round cross-border bus services have been set up and were very well received. Moreover, the long-standing efforts for South Moravian tickets to be recognised on trains between Znojmo in the Czech Republic and Retz in Austria have finally been successful. Regularly and extensively involving the population was crucial for these results, as the locals know most about the actual transport needs in the region. Figure 3: The “Smartbus” as an innovative on-demand service in Trieste, Italy Source: Trieste Trasporti Figure 2: “Floorgraphic” as part of the marketing measures in the Vogtland region Source: Verkehrsverbund Vogtland Figure 4: The “Cyclobus” takes cyclists to their destination in the South Moravian border region (CZ/ AT) Source: Kordis JMK Best Practice INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 43 Big plans for the Polish region of Lubin In the Polish municipality of Lubin, the largest transport hub in the district is to be built in the near future, linking local, national and international means of transport. Implementation will cost around 95 million euros and will take several years. Within the framework of Peripheral Access, the Powiat Lubiński (district administration of Lubin) developed the first concept for this transport hub and carried out marketing measures and a multi-channel participation process alongside each other. Design guidelines for the construction of a necessary tunnel were developed, which form the basis for the subsequent financing of railway infrastructure (figure 5). After completing this phase, a very stable economic and political situation and good cooperation on many levels are necessary for the ongoing progress of the project. With its broad-based citizen participation, the administration saw great interest and acceptance for the project in the region. It therefore hopes that the plans once adopted will also be continued by future political successors and the institutions and companies involved. Implementation of regional action plans in Slovenia and Hungary Some partners from Slovenia and Hungary, who did not carry out their own pilot projects, implemented other measures instead. These were identified, among other ideas, in a status quo analysis and an action plan during the first phase of the cooperation project. For example, the regional development agency of the Ljubljana region (RRA LUR Regionalna razvojna agencija Ljubljanske urbane regije) selected the most suitable option after evaluating possible on-demand services: In areas without public transport, a taxi or bus is offered to take passengers to the nearest railway station. In cooperation with Ljubljana passenger transport and the municipality of the suburban municipality of Škofljica, this offer was tested with e-cars. The city of Balassagyarmat, Hungary, has set itself the long-term goals of offering a better passenger transport service and creating a network of cycle paths. As an accompanying measure, the project partner KTI Institute of Transport Sciences (KTI Közlekedéstudományi Intézet Nonprofit Korlátolt Felelősségű Társaság) organised a “Road Safety Day” as part of Peripheral Access. During this event, local residents, especially school children, were informed about ongoing cycling projects and were able to increase their knowledge of road traffic regulations with the future cycling infrastructure in mind (figure 6). Major challenges remain for peripheral areas Peripheral Access has shown that pilot projects can produce innovative ideas and that urban solutions can be transferred to the surrounding area - if they are carefully adapted to the respective environment. All partner regions have achieved improvements in rural public transport. However, the pilot examples also clearly highlight the deficits that still exist: Many peripheral areas in Europe are still not adequately connected to public transport. This is not only a technical challenge: rather, strong political and financial support, for example for new cross-border public transport systems, is needed, especially at EU level. Otherwise, regions and countries will continue to give priority to internal transport connections within their own countries, thus further encouraging the departure of young qualified people from border regions. Peripheral Access shows: Innovative mobility solutions have also only partially found their way into suburban and rural areas. However, local stakeholders need to show more initiative and courage to trial and provide such complementary systems. Political commitment and additional financial resources required Good solutions for attractive mobility offers in rural areas are not available for free. This requires more than just pilot projects: It requires a clear commitment to local public transport. Sufficient financial resources must be made available for this at national and EU level. Against the background of the current discussion on air quality, public transport is increasingly being seen again as the most effective and environmentally friendly means of transporting large numbers of people compared to private cars. But the focus of strategies and investments is often too much on urban agglomerations. More needs to be done at all levels of government to ensure that such successful pilot projects can be widely disseminated and that appropriate rural strategies are put in place that provide long-term guidance and facilitate cooperation. ■ 1 Further information is available on the project homepage: www.interreg-central.eu/ Content.Node/ Peripheral- Access.html 2 The partner organisations as well as the project results are presented in a series of “factsheets” and are available at the following link: www.interreg-central.eu/ Content. Node/ Press-and-Communication-Kit-Fact-Sheets.zip 3 The evaluation report is available at the following link: www.interreg-central.eu/ Content.Node/ Peripheral- Access-Evaluation-report-w-cover.pdf Alexandra Beer, Dipl.-Ing. (FH) Project Coordinator, German Association for Housing, Urban and Spatial Development, Berlin (DE) a.beer@deutscher-verband.org Figure 5: Rendering of the planned transport interchange in Lubin, Poland Source: Powiat Lubiński Figure 6: “Road Safety Day” in the city of Balassagyarmat, Hungary Source: KTI Közlekedéstudományi Intézet Nonprofit Korlátolt Felelősségű Társaság INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 44 Electrification of road freight transport Potentials and challenges of catenary guided systems for distribution system operators Electric road system, Distribution system operator, Catenary hybrid truck, Electrification scenario, Road freight transport electrification, Electric vehicle The intention of the European Union in mitigating emissions within the road freight transport sector is currently benefitting the general notion of electrification. Technological solutions like catenary hybrid trucks (CHT) are containing direct implications for the energy system. Therefore, the role of the distribution system operator (DSO), which primarily acts as a “fuel” supplier and integrator of systems within an existing system, is particularly noteworthy. To uncover its future systemic tasks it is necessary to determine the strategic potentials and challenges of catenary guided systems (CGS) for DSOs. Adrian Gunter T he intention of the European Union and its member states in mitigating emissions, which can be attributed to the road freight transport sector, is currently benefitting the general notion of electrification. Countries feel impelled to test electrified drive concepts in order to comply with climate targets set. The technolog- Innovative transport systems For the 15 th consecutive time the European Platform of Transport Sciences - EPTS - awards the “European Friedrich-List-Prize”. The prize, dedicated to young transport researchers, is named to honour the extraordinary contributions of Friedrich List, the visionary of transport in Europe of the 19th century, being a distinguished economist and respected transport scientist committed to the European idea. The European Friedrich-List-Prize is awarded for out-standing scientific papers in each of the categories Doctorate paper and Diploma paper, addressing topics in the transport field within a European context. In 2020 in total 12 scientific works have been nominated and evaluated. The award will be conferred during the 18th European Transport Congress in Rostock, Germany, on 13 October 2020. The results will be introduced on the website www.international-transportation.com and in “International Transportation - Collection 2020” (October issue). In the following you find a random selection of this year’s submissions summarized in drafts. Rostock Photo: Julia Boldt/ pixabay European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 45 ical options for transport electrification, which are macroeconomically feasible and cope with new and existing regulations, e.g. (EU) 2019/ 1242, are yet to be finally determined. Due to their high energy demand, electric high-duty vehicles such as long-haul trucks may require another source of energy beyond batteries. This could be achieved with range extenders or roadside (catenary) solutions for continuous charging, as it is currently demonstrated in so-called Electric Road Systems (ERS) in countries like Sweden, Italy, and Germany. The roadside electrification of the road-freight transport sector via catenary hybrid trucks (CHT) - conductive power transfer through an overhead line-infrastructure (OL-I) extended with an internal combustion engine, battery storage, or fuel cell - contains direct implications for the energy system. In the interaction between the transport and energy sectors, the role of the distribution system operator (DSO) is particularly noteworthy. At the present stage, DSOs can already be perceived as a centric institution for the distribution of “fuels” for private battery electric vehicles (BEVs), as well as their integration into the existing distribution network structure. Concerning the application of a catenary guided system (CGS), however, the identification of load-based implications, the development and dimensioning of grid infrastructures, as well as the integration of mobile loads have yet not been fully covered. Furthermore, the structural parameters and regulatory conditions, which are crucial for the precise definition of the market design and the associated roles of actors, are not ultimately defined. Objective Until now, the evaluation of the CGS within studies is predominantly directed towards economical, ecological, and technical assessments of CHTs in comparison with its technological alternatives. Existing energy-economic evaluations of CGS are primarily based on key figures such as additional energy consumption, load profiles, and regional distribution of loads. However, there are currently no dedicated studies regarding the direct implications of a CGS for DSOs, which are assessing the associated strategic potentials and challenges. Accordingly, the leading question was investigated: Which factors in a catenary guided environment are relevant to establish scenarios in order to determine the strategic potentials and challenges for DSOs with horizon 2030? Methods The classification of a CGS within the sphere of DSOs was based on the findings of extensive literature research, compared and reassessed with the appraisals of governmental and non-governmental representatives of the German energy sector within the technical, regulatory, and commercial departments. Specifically, a three-stage procedure was pursued to determine relevant factors with a political and regulatory, economic, and technological scope. In Stage 1) “Data sources and data collection”, primary and secondary data were collected in the form of literature research, expert interviews, and discussion groups. Altogether, 17 interviews were conducted, which were deductively and inductively categorized and qualitatively und quantitively classified with the MAXQDA software. The gathered potential influencing factors were deductively attributed to socio-ecological, technical, economic, and political (STEP) perspectives and further reduced to relevant influencing factors via an internal factor assessment. In Stage 2) “Development of scenarios”, the further reduction of influencing factors into key factors was based on the application of an influence matrix, enabling their deductive categorization into superordinate categories. Subsequently, a delimitation and attribution of associated descriptors (characterization of key factors) and quantitative development paths (meta-analysis) were made. Based on the identified key factors, descrip- Figure 1: Categorization of the identified key factors and their descriptors Source: own visualization INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 46 tors, and development paths, four heterogeneous scenarios were developed. In Stage 3) “Evaluation of the scenarios”, the different scenarios were compared and individually assessed based on a four-step procedure, comprising entrepreneurial evaluation and normative characterization methods. Results In the following, references are made to the findings that have been obtained in the course of empirical research and the analysis of the scenarios. Findings of the empirical research In absolute numbers, 32 potential influencing factors were identified, which have allowed a preliminary quantitative assessment. Accordingly, the political-regulatory aspects were highly relevant, accounting for 63 %. This can be explained by the fact that the technical (19 %) and economic (18 %) factors - regarding CGS - are subject to strong influences, combining merely minor implications (active/ passive ratio) on superordinated aspects. Through the application of a strategic early warning indicator system for DSOs, the number of factors could be further reduced to 20. In the further development process, 13 key factors were identified and assigned to the existing categories, allowing the development of four different scenarios and their key differentiators (parentheses), which are outlined in figure 1. Surrounding factors and external factors are reflecting the political and regulatory objectives, which are connected to the controlled implementation of energy transformation measures. The electrification of longhaul traffic, so far, has been influenced or even dominated by political and regulatory factors. With a high quantity, the German government’s climate targets were named as the decisive key factor. In this connection, the associated structural implications in the context of the energy industry and its potential of influence as well as the digitalization of the energy system in the context of network-related services were highlighted. Also, the acceptance for infrastructure projects was underlined, which should be communicated as a leverage effect to reduce emissions. Therefore, policy measures such as CO 2 -pricing or funding regimes (financing of OL-I) were identified as necessary instruments, mainly due to their regulating characteristics, as well as the influence on the ramp-up of electrified passenger and road-freight vehicles, which in return are crucial in raising the potentials of energy efficiency in the transport sector. Consuming factors were primarily identified based on developments in the areas of technology, volume, and structure of transport, as well as energy efficiency. Subsequently, the originating efficiency targets for the transport sector were regarded as essential to reduce the increased traffic volume and structure and thus the demand for conventional primary energy sources. Producing factors, which are based on the energy transition objectives and the regulatory frameworks, are considering the structures and capacities of renewable and conventional powerplants, as well as the development of storage technologies. Findings of the scenario analysis The adoption of the aforementioned factors and their translation into scenarios allows the identification of potentials and challenges for DSOs, which are explained in table 1. In the assessment of the scenarios, it was found that the potentials for regulated DSOs in the current market run-up (cf. Reference Scenario 2030) are severely limited by political and regulatory factors. This can be substantiated with the currently undetermined market design - regulated or market-based - the specification of operator models, the absence of dedicated billing models, and the associated financial structures of the OL-I, as well as the strong focus on battery-electric trucks. In this respect, the potential for DSOs can be identified in the acquisition of knowledge in the framework of closed projects, due to state-side financing and subsidies for the Photo: Siemens Mobility European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 47 Scenarios Potentials Challenges Reference Scenario 2030 • Risk-free acquisition (financial) of competences in the field of technical management (maintenance, inspection) of OL-I • Practical investigation of load effects on the upstream network infrastructure and integration into network operation management • Continuing regulatory uncertainties regarding the type of network (currently customer installation), lack of technical standards • New technology field (OL-I) requires the acquisition of competence (workload of employees) Conservative Scenario 2030 • Transfer of gained knowledge (planning and consulting) from pilot projects to OL-I projects in other relevant European countries (e.g., Italy, Hungary or Poland) • Loss of systemic relevance to upstream grid operators (TSOs) due to stagnating RES expansion, loss of conventional power plant capacities and the procurement of services on the European capacity market Compliance Scenario 2030 • Extension of the technical management by commercial aspects (measurement and billing) as a service provider • Development of the service sector (establishment of OL-I) • The high commitment of human and financial resources with high financial risk (advance payment for the development of OL-I) • Planning, approval and acceptance risks; availability of operating resources (substations, etc.) Decarbonization Scenario 2030 • Acquisition of new concessions in the form of OL-I (compensation for expiring ones); expansion of the existing business area • Financing security through the application of the grid usage fee system (interest on capital employed) • New requirements for the integrated network planning of OL-I and the upstream distribution network • High investment and operating costs; submission to the regulatory regime (disclosure, cost review, etc.) Table 1: Potentials and challenges of the analyzed scenarios provision of services for the upstream infrastructure. Furthermore, the measurement of load and travel profiles could provide insights to DSOs, on how future grid expansions are to be dimensioned and planned accordingly. In principle, the existing capability profile can be used within this framework, which creates room for comprehensive integration of CGS into the network operation and management. In the context of a politically motivated market rampup of OL-I (cf. Decarbonization Scenario 2030), the participatory framework for DSOs would redefine itself. This is because the OL-I operator would then be determined in a bidding procedure based on tenders (marketbased) or in the form of a concession (regulated). Potentials would arise here primarily for the regulated area, which could operate outside its traditional network area with the construction and operation of OL-I. Nevertheless, regulatory authorities would have to decide on the legal form of the OL-I to determine the general framework and, therefore, its refinancing instruments. As an example, network fees could be mentioned here: It should be discussed whether higher returns can be generated from the participation in OL-I than in the existing network business so that the regulated DSO can operate in an economically sensible manner. Challenges can be identified in high leading times for system relevant infrastructure components, like transformer substations, limiting the possibility to react adequately to the ramp-up of OL-I. In this respect, integrated planning will be indispensable, which will potentially lead to a new and possibly greater complexity in the process of network planning. Accordingly, increased CAPEX and OPEX of OL-I and network infrastructure must be considered, which must be disclosed to regulators (publication of network charges) with the obligation to raise efficiencies. On this basis, there are risks in determining the right network charges to work cost-efficiently, but also to make the system interesting for consumers (CHTs). The lack of experience in measuring and billing of mobile loads, amplified by the division of the measuring mode (substation and CHT), are further increasing the complexity of reporting obligations to upstream network operators. Furthermore, it can be assumed that with the establishment of the infrastructure, a new focus will be put on the operators of infrastructures, as these are now daily visible in the form of OL-I. Conclusion In conclusion, it can be stated that the Decarbonization Scenario 2030 offers by far the highest potentials but also the highest challenges for DSOs. In the interest of the technological ramp-up, the economic compatibility, and the high level of complexity currently associated, it would be advisable to refrain from doing so at this stage. Within current pilot projects, DSOs might rather focus on the intelligence of the future OL-I and its control possibilities, which is strongly dependent on the regulatory framework, the degree of digitization, and social acceptance. For a realistic conclusion, the application of realistic operating phases is necessary to make the effects measurable outside the methodology. In the process of a further analysis, an extended cost analysis would have to be carried out, taking the individual threshold values and calculation rates into account. Nevertheless, the identified factors can form a common basis for European distribution system operators - as common European rules are in effect - thus allowing the framework of the scenarios to be adapted to individual conditions. ■ Adrian Gunter Student, Nuertingen-Geislingen University (HfWU), Nuertingen (DE) adrian_gunter@t-online.de INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 48 Costs of operational hindrances Reduction of railway system costs by means of a holistic approach Railways, Infrastructure, Operation, System view In a globalized world mobility is a necessity for economic growth and a satisfied population. There are different possible transport modes, each with advantages and disadvantages compared to the others. The railway system stands for environmentally friendly transport for goods and passengers. To achieve future environmental requirements, it is necessary to maximise the performance of the railway system in a micro-economic term. A good way to ensure this is to reduce costs by finding a global cost optimum for the whole railway sector by assessing infrastructure and operational costs together. Markus Loidolt A consideration of all system costs of the railway system also includes the costs arising from unavailability. To assess the costs of unavailability it is necessary to include costs of all organizations involved. Looking at the organizational structure of a completely liberalised railway system, there are at least three large players [1]: The infrastructure manager (IM), railway undertakings for passengers (RU Passenger) and railway undertakings for freights (RU freight). Almost all additional costs of unavailability, such as additional operating costs, negative market reactions and penalties, are borne by the railway undertakings, the IM has hardly any additional costs to bear. Unfortunately, there are many scenarios in which the IM causes operational disruptions, but the subsequent costs must be borne by the RU. In this case, the costs of unavailability are external costs for the originator. Without any further regulations there are no incentives for the IM to reduce these costs, because doing so means higher costs for the own organization. Considering the total system costs, however, a cost optimization can only be achieved, if the IM includes external costs in its planning activities. As an illustrative example, the interactions between maintenance and permanent slow orders: One goal of an IM is to keep the costs of maintenance as low as possible. In a liberalized railway system and the resulting separate budget situation, the IM has the opportunity to save maintenance money by simply not carrying out maintenance tasks. The consequential costs, for example a disturbed railway operation due to permanent slow orders, must be borne by the RUs and are therefore outside the IMs budget. However, in the system’s view this leads to significantly higher costs, as the additional operational costs exceed the “savings” in maintenance. In extreme cases, the railway loses its justification for existence, weakened by permanent slow orders. Taking the costs of non-availability into account, ÖBB evaluated on strategic level that permanent slow orders are not a system compliant option, at least for the core network. [2] To guarantee the consideration of the costs of unavailability into the decision process of the IM, two conditions must be met: 1. Costs of unavailability must be assessed and monetised and 2. The costs must be included in the IM cash flow. Monetised costs of unavailability With the calculation scheme for costs of operational hindrances (CoH) [2], a tried and tested evaluation model for unavailability costs already exists at ÖBB. This is used for the development of strategies (speed restrictions, length of construction section, day work vs. night work, etc.) [3]. Table 1 is showing all negative cost effects that are included in the CoH system and the respective monetary valuation. Since the system has been in use since the 1990s (the underlying cost rates are updated annually), it can be considered stable. However, some boundary conditions have changed since the implementation, these should be integrated into the system as an update. For example, energy charging for trains in Austria has changed considerably since then. Soon, energy charging will be sharp for all trains, which means that the energy actually consumed is/ will be charged (in the 1990s, energy was charged at average cost rates). This kind of energy calculation means that a change in driving characteristics due to disturbances (e.g. slow orders) has a direct impact on the energy costs of the train ride. So, because of the new energy charging scheme, the energy consumption should be separately included into CoH for a more accurate cost representation. Nevertheless, the actual CoH- Positions considered Monetary evaluation delays and follow up delays • variable staff costs • variable costs of rolling stock - time based train rerouting • variable staff costs • variable costs of rolling stock additional trains • full costs of train operaton (without dep.) addtiional bus services • full costs of bus operaton (without dep.) additional shunting costs • variable staff costs additional operating costs • variable staff costs cancelling of trains • abolition of variable train costs • train parking costs negatibe market reaction • less customers, fee-repayments other costs • specifics Table 1: Negative cost effects included in the CoH system and the respective monetary valuation European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 49 system is a cost-based model to assess unavailability at a reasonable cost level. The unavailability can therefore be assessed in monetary terms. However, for these costs to be considered in day-to-day planning activities, they must be included in the IMs cash flow. Otherwise they are dismissed as nonexpenditure costs, which is understandable from the point of view of the IM. However, from a system perspective, these costs must be taken into account, so that the costs of the railway system, and not just the costs of the IM, can be optimised. Performance Regime In order to make the railway system more attractive, the EU laid the legal basis for the performance regime (PR) with Article 11 in Directive 2001/ 14/ EC and Article 35 in Directive 2012/ 34/ EC. Quote from Article 35(1) of Directive 2012/ 34/ EC [4]: “Infrastructure charging schemes shall encourage railway undertakings and the infrastructure manager to minimise disruption and improve the performance of the railway network through a performance scheme. This scheme may include penalties for actions which disrupt the operation of the network, compensation for undertakings which suffer from disruption and bonuses that reward better-than-planned performance.” This EU directive must be transposed into national law by all member states of the European Union. The basic principle of the performance regime can be summarised as “organizations causing delays must pay penalties” and/ or “organizations that perform well receive discounts”. The infrastructure usage fee is used for billing. As in a liberalised railway system Track Access Charges (TACs) are the only link between IMs and RUs, the PR could be more than just an incentive for punctuality, but also a planning tool for the IM, leading to decisions that suit the system best. However, this only applies, if the cost rates of the performance regime are cost-based and not fixed for political reasons. As described above, CoH are exactly such cost-based cost rates. A comparison of the monetary evaluation of delay minutes of different PRs of the member states with ÖBB’s CoH, carried out in the course of the master thesis “Costs of Operational Hindrances”, leads to two conclusions: 1. There are big differences regarding the cost levels of the different PRs 2. The cost level of CoH is very well in line with the trend of PRs. While some IMs seem to have calibrated their PRs very well and have integrated the costs actually incurred by delays as a cost rate for evaluation (the extent to which this allocation has actually taken place is another matter), other schemes have obviously integrated cost rates according to political or any other interests. If the cost rates are too low, the incentive for punctuality is hardly achieved; as a planning tool for IM, PR is definitely not suitable in this case. The consequences of cost-based cost rates Since the majority of the monetary consequences of unavailability are borne by the RU, while the IM has hardly any additional costs, a common cost rate for both parties is not plausible. Rather, a cost-based definition must lead to two different cost rates, a very low one for the RU and a higher rate for the IM. If the IM causes a delay for example, it needs to compensate the additional expenses of the RU (high cost rates). If a RU causes a delay, it must bear most of the consequential costs anyway, in addition it must compensate the low additional costs of the IM (low cost rates). Additional arrangements must be made, if one RU is to blame for the delays of another RU. It is possible for the IM and RU to cancel the contract, as they are in a contractual relationship through the infrastructure usage charge. However, two independent RUs do not necessary share a common contractual basis. In order to counteract this problem, the idea of the so-called “star model” [5] was presented in one European state. This can serve as a model for other states. In the schematic model shown in figure 1, the IM, as the only party guaranteed to have a contractual relationship with all RUs, acts as an intermediary. The IM increases the costs for the RU1 causing the delay by the consequential costs of the additional operational expenditure of RU2, RU3 and RU4. This is calculated from the cost rates, which are generally charged, if the IM is at fault, as the RUs concerned also must bear these high consequential costs. The TACs of the RUs concerned will be reduced in total by the additional amount paid by RU1 as penalty payment. This means that the IM does not incur any costs nor is there an increase in budget. Summary In order to meet future requirements in both mobility and environmental terms, it is necessary to minimise the costs of the railway system and thus strengthen the position of the sector. Savings, such as investments in lower quality components or postponing maintenance measures, are only a short-sighted solution, which ultimately lead to higher costs. A far more sustainable method is to find a global cost optimum between infrastructure and operating costs by considering both cost positions when making decisions, which requires a monetary assessment of unavailability. The CoH calculation scheme acts as a cost-based model for this assessment. Using the calculation scheme developed in 2006 by the Institute for Railway and Transport Economics in cooperation with the Austrian Federal Railways, the costs resulting from Figure 1: The idea of the so-called “star model” [5] INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 50 operational consequences can be calculated in dependence of the train type. For these costs to be considered in planning activities, they must also appear in the cash flow of the planning organization and not just disappear in a vacuum as so-called non-output-related costs. Even if these costs often occur in another organization, they form a relevant cost position and thus weaken the railway system. The performance regime, introduced by the EU legislation to reduce delays, is one way of capturing the costs of unavailability and can therefore be a planning tool for proper decisions. However, this planning tool only leads to system compliant decisions, if the rates meet the occurring costs in average. This condition can be fulfilled with CoH. They can serve as a good basis for a performance regime that provides incentives that benefit the railway system. Since an actual implementation of the presented concept leads to lower overall costs in the railway system, but increases the expenditure of the IM, an implementation can only go along with changes in the financing of the railway system. ■ REFERENCES [1] Marschnig, St. (2016): iTAC - innovative Track Access Charges, Graz University of Technology [2] ÖVG Band 55 - Spezial, Fahrweginstandhaltung auf Basis von Life-Cycle-Cost Berechnungen, 2002/ 08 [2] Veit, P.; Petri, K. (2008): Betriebserschwerniskosten - ein Baustein zur Systemoptimierung; ZEVrail Heft 5 [3] Marschnig, St.; Veit, P. (2010): Optimierte Einheitskosten - Sperrpausendauer und Baustellenlänge; ZEVrail Heft 10 [4] Directive 2012/ 34/ EC of the European Parliament and of the Council of the European Union; Official Journal of the European Union - 21. November 2012 [5] Office of Rail and Road, Performance Regime, April 2019 Markus Loidolt, Dipl.-Ing University Project Assistant, Institute of Railway Engineering and Transport Economy, Graz University of Technology, Graz (AT) markus.loidolt@tugraz.at Network traffic anomaly detection in IoT IoT, DDoS, Network anomaly, Machine learning, Logitboost, Cybersecurity The development of a public, packet-oriented communication network (Internet network), accompanied by an increase in the number of users and information and communication (IC) services, has also increased the amount of data transferred. Data stored, processed, and transmitted through the IC system is often the target of illegitimate users whose goal is to gain unauthorized access or to prevent legitimate users from accessing IC system resources. This results in an increase in the need for research in the field of IC protection in recent decades. Ivan Cvitić T he goal of protecting an IC system is to achieve and maintain the required level of basic security principles. The basic principles of security are presented by the CIA model, which embraces the integrity, confidentiality, and availability of IC resources. The availability principle is defined as the probability that the requested service (or other IC system resource) will be available to a legitimate user at the required time. There are several factors to impact the availability of IC resources negatively. They can be classified according to the source of these factors with the steadily increasing trend over the last ten years is network-oriented Distributed Denial of Service (DDoS) attack, or DDoS traffic as a means of conducting attacks and generating network traffic anomaly. Network traffic anomaly detection is a dynamic and broad area of research. Any network traffic pattern that deviates from the sample of a previously defined profile of legitimate (normal) traffic and has the potential to disrupt the normal operation of the IC is considered an anomaly. The legitimate traffic profile is defined by the values of traffic features recorded over a period of time in which the traffic generating terminal device is not security compromised and operates in the manner defined by the manufacturer. The root causes of network traffic anomalies may be related to performance or IC system security. One of the growing causes of securityrelated network traffic anomalies is DDoS attacks. This type of attack utilizes a number of compromised terminal devices to generate legitimate, DDoS traffic to the destination. The consequences of DDoS attacks are the degradation of quality or complete unavailability of IC services to legitimate users. The emergence of the Internet of Things (IoT) concept as a new direction of technological development and a new communication paradigm that brings together billions of new devices connected to the Internet, creates a new space of security vulnerabilities that can be exploited for unauthorized and malicious activities. The continuous growth in the number of such devices, their inadequate protection and the ability to generate traffic on the network, makes them ideal candidates for the creation of a botnet network to generate DDoS traffic of unprecedented traffic intensity. The concept of a smart home as one of the fastest-growing application areas of European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 51 the IoT concept is becoming one of the most heterogeneous application areas in terms of the number of IoT devices manufacturers. Such devices are often delivered with minimal or no protection, and their security is also reduced by the ease of use required by end-users. Those users often do not have the adequate level of knowledge required to install and operate such devices. All of the above listed smart home devices are among the most vulnerable to many security threats, emphasizing the use of such devices to generate DDoS traffic. The concept of IoT offers numerous benefits in different fields of application, but from the point of security view, it also highlights many challenges that need to be adequately addressed. Research within this doctoral thesis considers the smart home environment as one of the fastest-growing application areas within the IoT concept. Devices within this environment have many limitations and disadvantages that make them potential generators of DDoS traffic. According to predictions, by the end of 2020, approximately 31 billion IoT devices will exist globally, and 75 billion till 2025. In this case, 41 %, or 12.86 billion IoT devices will be installed within the concept of a smart home (SH). The limitations of IoT devices in general, and thus SHIoT (smart home IoT) devices, are described in the previous researches, covering hardware constraints, high autonomy requirements, and low cost of production, which reduces the ability to implement advanced security methods and increases the risk of numerous threats. Traffic generated by SHIoT devices or MTC (Machine Type Communication) traffic is different from traffic generated through conventional devices, HTC (Human Type Communication) traffic. Although SHIoT devices are characterized by heterogeneity, MTC traffic is homogeneous in contrast to HTC traffic, which means that devices of the same or similar purpose behave approximately equally, that is, generate traffic of similar characteristics. The identified shortcomings of previous research, such as taking into account of SHIoT traffic features when detecting DDoS traffic, the consideration of classes of SHIoT devices that generate roughly equal values of traffic features, and the number of devices used in the study, will be sought to be remedied by planned research. The importance of this research is also evident through the increasing number of research and projects in this field. An example of this is the project called Mitigating IoT-Based Distributed Denial Of Service (DDoS), implemented by NIST (National Institute of Standards and Technology) and NCCoE (National Cybersecurity Center of Excellence), which addresses the issue of generating DDoS traffic through an IoT device. Trough research within this doctoral thesis, the laboratory environment of the smart home was formed and shown in figure 1. Such an environment is comprised of a variety of SHIoT devices, along with an accompanying communications infrastructure and softwarehardware platform that enables traffic collection and data set to be applied in later stages of research and development of network traffic anomaly detection models. In addition to the primary data collected through the process described above, the research also included secondary data, encompassing a greater variety of SHIoT devices. The reason for this is the heterogeneity of devices that can exist in the observed environment. A total of 41 devices in a smart home environment were used for this doctoral research. According to statistics, there are differences in the estimation of the average Figure 1: Smart home laboratory environment INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 52 number of SHIoT devices per household that has a certain form of smart home implemented. These estimates range from 6.53 to 14 SHoT devices per household. In the Republic of Croatia, smart home representation is still low, and telecom operators are assuming the role of smart home providers through the offering of end-user SHIoT devices. For example, Iskon Internet service provider offers customers the option of purchasing a smart home package that makes four SHIoT devices, while telecom operator A1 provides users with the ability to deploy a total of five SHIoT devices in a smart home environment. Despite mentioned, this research sought to achieve the greatest possible variety of SHIoT devices due to the need to define device classes based on the characteristics of the traffic generated. Therefore, the number of devices used is higher than the current statistical estimate of the average value of SHIoT devices per smart home in the Republic of Croatia and worldwide. The work of the developed model of detection of illegitimate DDoS traffic takes place in two stages. The first phase is a prerequisite for the later detection of DDoS traffic in the second phase of operation and implies the classification of the SHIoT device based on the generated traffic flow. One of the basic metrics that indicate model performance is classification accuracy and kappa statistics. According to the classification accuracy, all models show high performance, which means that based on the observed flow, they can determine with high accuracy whether the traffic flow is the result of legitimate device communication or the device generates DDoS traffic. Research has shown that it is possible to define device classes based on the variation of the received and sent traffic ratio, and it is possible to classify devices into defined classes based on the traffic flow features such devices generate. Finally, depending on the affiliation of an individual device to a defined class, it is possible to determine whether the traffic flow that the device generates is an anomaly in the form of DDoS traffic or legitimate traffic. The research carried within this doctoral dissertation is of significant importance for the development of the research area since it considers the challenges of the fastgrowing and omnipresent IoT concept. This concept represents a new paradigm of the application of information and communication technologies and services where the devices in such an environment may become generators of network traffic anomalies and cyber-attacks. Previous research very rarely took into consideration such an environment during the research of network traffic anomalies detection in spite of the fact that the cyber-attack generators, such as DDoS, in the last five years have been the devices under the IoT concept. Accordingly, the focus of network traffic anomalies detection research in the IoT concept represents an important step also for future research of this area and highlighting the importance of anomalies detection in such an environment, which is showing a strong growing tendency. The possibility of applying the results of this research in practice is seen from the aspect of several stakeholders such as the end-user, Internet service provider (telecom operator) and device manufacturer, and service provider in smart IoT environments. From the aspect of the user as a smart home stakeholder, the need is emphasized for the devices to function in the way planned by the manufacturer, i.e., that all the device functionalities are available in the requested time. The generation of DDoS traffic can also cause unplanned behavior of the device that generates such traffic, which may reduce its functionalities or make the device fully inaccessible. Therefore, it is in the interest of the user to make timely detection of the unwanted behavior of the device, which enables activities that follow the detection. The generation of DDoS traffic by means of a large number of IoT devices in the smart home environment may negatively impact also the network and the server infrastructure of the telecom operator. Since telecom operators are often also the smart home service providers, it is in their interest to timely detect unauthorized behavior of the device in order to protect their own network infrastructure. The manufacturers of such devices have to ensure proper operation of the devices in order to increase the satisfaction of the users and the market expansion. They will ensure this by timely detection of the unauthorized operation of the device that will make it possible for them to respond to the unwanted events and to ensure the desired level of user satisfaction. ■ Ivan Cvitić, Ph.D. Assistant, Faculty of Transport and Traffic Sciences, Department of Information and Communication Traffic, University of Zagreb (HR) ivan.cvitic@fpz.unizg.hr Photo: Social Cut/ Unsplash Transforming Transport - at a glance Taken together in a spanning compilation: International Transportation - Collection 2020 presents the complete range of this year’s English contributions with the topic “Transforming Transport” plus additional articles in the sections • Strategies • Best Practice • Products & Solutions • Science & Research “International Transportation - Collection 2020” comes as an e-journal only - ready for desktop computers as well as mobile devices. Publishing date is 12 October 2020. For further information see the website: www.international-transportation.com European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 53 Innovative transport systems and mobility services Integrating autonomous vehicles into the public transport system Altering transport system, Autonomous vehicle, Integration, Mobility service, System engineering The developments of infocommunication and vehicle technology have altered the passenger transport system and given way to the emergence of innovative mobility services. During a Ph.D. research, the author focused on this alteration. The altering transport system, the planning and operational processes of new mobility services, the impacts of mobility services based on autonomous vehicles, as well as the automation opportunities of planning and operational functions were examined from the viewpoint of transportation engineering. Dávid Földes T echnical innovations, such as automation, have facilitated sustainable mobility developments (e.g. transitional mobility services, such as car-sharing, which blur the borderlines between private and public transport). The objective of such developments is the efficient management of resources as well as complying with user preferences. Automation can enhance operational efficiency and traveller’s comfort. An automated system operates on clearly defined algorithms; an autonomous system is able to make decisions using its cognitive and self-learning abilities. As a result of technological developments, a smart mobility system can be introduced, which combines human knowledge, intelligence, and decision-making processes. Data and information have become key to decision-making. Consequently, the transport system can be considered as a special information system. A systematic revealing of elements and connections is required. Studies in automation focus on the control and traffic issues of Autonomous Vehicles (AVs) [1]. However, passenger handling, operation, and maintenance can also be automatized [2]. Placing AVs into a wider-approach within the passenger transport system has moderately been emphasized so far. Albeit transport modes are altering, new methods are required for planning, organizing and operating transport. A new type of mobility service based on small capacity AVs emerges, which is shared, on-demand and accessible only with advance ordering via a mobile application [3, 4]. Mobility becomes more and more a pre-planned activity requiring proactiveness from the travellers. Human skills, the traveller’s decision-making processes, and behaviour are also altering. Accordingly, the development of innovative information management methods and services supporting decisionmaking is required. Therefore, the objectives of the research were to model AV-based transport systems on an urban scale, as well as mobility and information services, moreover, to elaborate system planning principles and evaluation methods. The focus was placed both on the operation and the traveller. Since the object of transport is the traveller, revealing expectations towards new mobility services is especially important. If the travellers’ expectations are met, the adoption of new technology can be enhanced. This summary briefly summarizes the most relevant results of the research, namely the model of smart mobility, the alteration in mobility services, the information system model for the planning and operation of AVbased services and the complex automation levels. Methods The methods applied during the research are as follows. A special method for analysing and modelling information systems was developed and implemented, which reveals structural and operational relationships in different resolutions (break-ups). Furthermore, relational data modelling was used for the elaboration of the database structure for the operation of AV-based mobility service. Multicriteria analysis, which is appropriate for complex systems, was used to model the smart mobility system. Weighted Sum Model was applied to determine automation levels. In order to obtain the right conclusions about the expectations towards AV-based mobility service, preferences were collected by a questionnaire survey. The connections between data groups were examined to determine the impact of each data group on each other. Both deductive and inductive logic was applied to draw conclusions. Results Smart mobility New transport-related developments should be integrated into a system. This is called smart mobility, which is a decisive sub-system of the smart city; it realizes physical relationships between other sub-systems. It includes human knowledge, intelligence and a mechanism of decision-making applying information and communication technologies cooperating in transport infrastructure, in vehicles, and by travellers. The smart traveller is one of the smart mobility sub-systems and covers pedestrians, bikers, passengers and drivers as well. The structural and operational model of the smart mobility system focusing on the information management of the traveller was defined. The author found that the information management of a machine and a human are sim- INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 54 ilar. The machine system can be developed according to the revealed attributes of human information management. Consequently, information management can be supported and even replaced by an adapted info-communication technology. Alteration in mobility services Based on the literature review and situation analysis, the author identified the alteration in transport modes (see in figure 1). The envisioned future modes were depicted in terms of the number of passengers per vehicle and flexibility. Flexibility is a complex indicator depending on several aspects (e.g. spatial accessibility). Transitional transport modes and, even more, the majority of private car use can be replaced by a shared, on-demand mobility service based on small capacity AVs accessible only with advance ordering via a mobile application. The types and the characteristics of this service were defined. Among others, a rather flexible door-to-door type and a slightly less flexible feeder type linked to a high capacity line were also distinguished. The feeder type may run on a fix route or according to a fix timetable. As the capacity of the built infrastructure is limited, travel demands can be served efficiently by shared and feeder mobility services. As AV-based mobility services are in an initial phase, the research elaborated on the structural and operational model of shared AV. The conclusion of the subresearch is that autonomy is a relative concept, since the coordination of several centres with different functions is required to plan, control and operate AV-based mobility services. That is why the integrated mobility management centre organizational unit was introduced with its defined tasks (e.g. management of operational data in an integrated database). There are several expected impacts of shared AV; the impact fields were identified, and a model was developed to calculate the alteration in modal share. Stated preferences are used as input data by the model. It was found that private car use could be significantly reduced by the introduction of a flexible, shared, AV-based mobility service. Planning and operation of AV-based mobility services The planning and operation of shared AV require new methods. The aspects that cause alteration in conventional methods are as follows: • more complex system structure, • new and unknown technology, • dynamism of the data and • travellers’ expectations towards more adaptive and sustainable service. Travelers should also perform existing tasks in a novel way or should solve new tasks as well (e.g. ordering, boarding, payment). The role of personnel is reduced, and the driver’s requirement can be ignored. New solutions are to be applied both in operation (e.g. charging) and in passenger handling (e.g. information provision). Functions with major alterations are realtime demand-capacity assignment, vehicle run planning, customized information services and vehicle charging. The information system model was defined for the planning and operation of shared AV. Considering travellers’ expectations is particularly important as the developments of such services are at an early stage. Accordingly, to define the model, the author determined the input data groups resulted from preferences and elaborated on the data collection method (questionnaire survey). It was found that travellers’ socio-demographic and mobility habits influence expectations towards the mobility service based on AVs. Automation levels The calculation method of complex automation levels was determined for road-based mobility services. Control functions, service planning and management, as well as passenger-handling functions were considered. Four levels of automation were distinguished. Applying the method, the automation level of a mobility service can be described in a general and simplified way using only one value (table 1). Figure 1: Alteration in transport modes o. name description the entity which makes decisions and executes 1 automation All processes are executed by humans. The human has full responsibility, there is no direct machine support. human 2 machine assistance Decision-making is supported by the machine. However, the role of a human is significant. human aided by machine 3 partial automation A significant part of the processes is executed by the machine. The personnel monitor the processes. mostly machine with human confirmation 4 full automation Processes are completely operated by the machine. The personnel attend only as a supervisor machine Table 1: Complex automation levels European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 55 Automation impacts on the required human abilities. To determine the aggregated ability alteration, an assessment method was developed. The method considers every sub-function for the entire ride. It was found that the required human cognitive capability, all in all, decreases significantly as the consequence of automation and machine support, whereas requirements towards human abilities related to smartphone use rise. Conclusion The main contributions of this research were the developed models of smart mobility. Moreover, it was revealed and analysed the characteristics of smart traveller’s information management and shared AV mobility service. Furthermore, it was elaborated on the information system model for planning and operating shared AV. In addition, complex automation levels for road-based mobility services were determined, and the alteration in required human abilities analysed. The results can contribute to facilitating and preparing the alteration of the transport system and the integration of AV-based services. They were already included in the curricula of subjects at Budapest University of Technology and Economics.The most relevant key findings are as follows: • Information management can be supported and even replaced by info-communication technology. • Autonomy is a relative concept; coordination of several centres with different functions are required. • According to travellers’ preferences, private car use could be significantly reduced by the introduction of shared AV. • Less human thinking is required because of machine support. Moreover, the human can be replaced in certain functions by the machine. As automation technology is relatively new, experience is available neither from operators nor from travellers. Objective is to continue the development of evaluation methods for mobility services. The evaluation covers service quality, flexibility, features of integrity and automation, as well as customization. The research will continue in order to develop information services for supporting travellers’ decision-making and also to develop AV-based mobility services. ■ Special thanks to Csaba Csiszár, Ph.D. for providing guidance and feedback throughout the research as the supervisor. REFERENCES [1] Szalay, Zs.; Nyerges, Á.; Hamar, Z., Hesz, M. (2017): Technical Specification Methodology for an Automotive Proving Ground Dedicated to Connected and Automated Vehicles. Periodica Polytechnica Transportation Engineering, vol. 45, no. 3, pp. 168-174. [2] Chen, T.D.; Kockelman, K.M.; Hanna, J.P. (2016): Operations of a shared, autonomous, electric vehicle fleet: Implications of vehicle & charging infrastructure decisions. Transportation Research Part A: Policy and Practice, vol. 94, pp. 243-254 [3] Bansal, P.; Kockelman, K. M.; Singh, A. (2016): Assessing public opinions of and interest in new vehicle technologies: An Austin perspective. Transportation Research Part C: Emerging Technologies, vol. 67, pp. 1-14 [4] Winter, K.; Cats, O.; Correia, G.; van Arem, B. (2016): Designing an Automated Demand- Responsive Transport System: Fleet Size and Performance Analysis for the Case of a Campus-Train Station Service. TRB 95th Annual Meeting Compendium of Papers Dávid Földes, Ph.D. Research associate, Department of Transport Technology and Economics, Faculty of Transportation Engineering and Vehicle Engineering, Budapest University of Technology and Economics foldes.david@mail.bme.hu Creation of mobility packages based on the MaaS-concept Mobility as a Service, Carsharing, Transport mode, Mobility solution Urban mobility issues have impact on citizens’ quality of life and the overall sustainability of cities. Mobility as a Service (MaaS) is a new paradigm, which enables the increase of efficiency in passenger transportation networks. MaaS will integrate transport modes and mobility solutions with the emergence of new technologies. Kerényi Tamás I n today’s world there is a shift from rural areas to cities, where urbanization will have a significant impact on the way we travel around. Mobility issues will have impact on citizens’ quality of life and the overall sustainability of cities. It is necessary to improve the conditions of sustainable travel through development of vehicle technology, infrastructure and intelligent transportation systems, but also changes in travel behaviour are necessary in order to reduce private car dependency and the share of trips made with individual vehicles [1]. By introducing various solutions practitioners tried to change the habits of travelers to choose alternative modes of transport instead of their private cars. An intervention option is to motivate travellers through rewards and punishments, which are translated in the field of transportation to congestion charges, taxes and parking fees [2]. Encouragement is INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 56 another type of intervention, where providing free public transportation passes is a suitable example [3]. In recent years another trend, the sharing economy and collaborative consumption is expanding in many industries. In transportation the number of car-sharing users is growing rapidly. While about 1,000 cities worldwide have a bike-sharing program today, ride-sharing services has expanded similarly. Using these new technologies the need arises to introduce new types of services in transportation [4]. Furthermore the digitalization has opened up new opportunities, which has enabled the development of some new mobility services, like multimodal travel information services, where travelers can choose between a high variety of different services and options. These services are usually limited to providing route planning and real time information [5]. Mobility as a Service (MaaS) is a new paradigm, which enables the increase of efficiency in passenger transportation networks. It is a solution that combines a number of services and provides a platform, where the intermodal journey planning and payment are integrated [6]. However it is an issue to predict user demand for these services, which requires modeling to support long term strategic decisions [7]. Furthermore it should be considered that the changes in mobility have shifted the role of public authorities, as they are providing the mobility services. Exploring of new operational models of mobility services is a challenge [8]. It is clear that the MaaS concept has to solve the problem of providing suitable mobility packages for the users, but MaaS research and development is still at an early stage and far from a definitely mature concept. More importantly there is a lack of knowledge, how the plans should be created and what local aspects could be taken into account. When creating a package, it is essential to specify what kind of transportation modes are included, to what extent the specific modes should be offered and what circumstances may have an effect on the package structure. In general the users can be offered by three types of monthly packages: fixed number of usage, flexible travels and unlimited option. The fixed package is predefined by the service provider and the traveler may choose only specific days of travel and pay by single usage, e.g. using car-sharing service on a chosen day. In case of the flexible option the traveler can customize the usage service to a limited extent, e.g. using 10 days of bike-sharing service within 30 days. The unlimited option covers a typical package for a predefined time of usage, when the service is available without any limitations, e.g. public transport monthly pass. Background MaaS is a new approach that will integrate transport modes and mobility solutions with the emergence of new technologies. The concept includes several until now separately handled services, such as planning, booking, payment and ticketing. Already in 2011 in an UITP position paper the association has forecasted that combining various transport modes, as car-sharing, taxi, shared taxis, bicycle and bike-sharing, car-pooling, demandresponsive transport can complement classic public transport [9]. The first definition appeared in 2014 by Hietanen: “A mobility distribution model in which customer’s major transportation needs are met over one interface and are offered by a service provider” [10]. This paradigm shift softens boundaries between different transportation modes with new services constantly being added. It offers travelers easy, flexible, reliable and sustainable choices solving urban mobility issues. Several implementations of different levels of MaaS services are present, which were designed by public and private operators [11]. One of the first MaaS concepts was realized by MaaS Global in Finland. The packages contain mobility services, offers personalized bundles for journeys and provide value added services. However, realizing such a service is complicated, and it can only be successful, if user needs are mapped and suitable mobility packages are provided, which reflect the real usage requirements. Method The purpose of the paper was to produce mobility packages. These packages support the efficient realization and support user demand based usage of the MaaS concept. Combining different services into one package is based on the idea that users value more grouped packages than individual items [12]. In order to perform the combination a method was elaborated, which takes into account city specific aspects and special features of transportation modes (figure 1). We have defined the most relevant modes of transport, which may be included in the mobility packages: public transport, bike-sharing, car-sharing and taxi. To each mode a level of package is selected based on different features. The features are combined from specific aspects, separately for each transportation mode. In order to analyze city characteristics those aspects were chosen, which represent relevant features in a city when considering mobility choices and are publicly available from different sources. The aspects are considered as quantifiable characteristics of cities. First the Figure 1: Steps of mobility package creation process European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 57 general climate of cities is characterized by the sunshine hours and rainfall. Then financial information was collected, the average monthly salary, cost of living, public transport pass price and taxi tariffs. Specific indexes were also considered to receive information about the situation of transportation in the cities (traffic index, travel time index, PT satisfaction). The modal split of transportation modes were received from two different sources. The size of the agglomeration was compared to the size of the city, while the density of the city was captured, so that the number of commuters and citizens can be considered. Environmental awareness of the citizens was measured based on the amount of waste and commitment to climate change. Finally the median age and male/ female ratio was collected, so that general sociodemographic features can be defined. Mobility packages In order to create the mobility packages, the package levels were assigned to the predefined definitions and the final suggested packages were established regarding the different transportation modes (table 1). Thus suitable mobility packages were created for each selected city considering local aspects and user needs. Of course these packages are general ones, and cities should offer some bigger and smaller packages of specific transportation modes in order to fulfill all user requirements. As this method considers aggregated data, it may be used as a starting point when designing mobility packages. In order to design better packages, further and more detailed data acquisition, household surveys, stakeholder interviews and other information sources would be necessary. As a final result for example in Brussels a limited public transport package is suggested with 10 days of usage within a month, with one hour of bike-sharing within a day, and three hours and 20 km of taxi. In Budapest unlimited public transport would be suitable with three hours of bike-sharing, no car-sharing and pay-as-you-go taxi. Vienna is another typical example with unlimited public transport usage, unlimited bike-sharing, three hours of car-sharing and 10 km taxi. Conclusion The aim of this paper was to create mobility packages based on local characteristics of cities. 17 aspects were chosen, which represent cities. When creating the packages the following transport modes were considered: public transport, bike-sharing, car-sharing and taxi. The aspects were grouped to features, when considering different modes of transportation. As a result the characteristics of 15 European cities were collected and features were assigned, thus the combination of packages was suggested to each city. MaaS Global is the world’s first mobility as a service (MaaS) operator leading the change in how the world moves in the future. Whim app makes smart travelling easy by incorporating all transportation modes available - from public transport to taxi rides, car rental to city bikes and more into one service. Among the researched cities Helsinki is the only one where the traveler can choose from created mobility packages, so the results can be compared. For regular travelers Whim provides the following: unlimited local public transport, 30 min city bike, car rental just EUR 49 and taxi rides within a 5-km radius. The contents of the two packages are very similar, public transport is the same, bike-sharing and taxi is same but, in our package provides more 1 hour and 10 km. Whim has car rental service and in the research has carsharing service which cannot be properly compared. ■ REFERENCES [1] Graham-Rowe, E.; Skippon, S.; Gardner, B.; Abraham, C. (2011): Can we reduce car use and, if so, how? A review of available evidence, Transportation Research Part A, Vol. 45, pp. 401-418 [2] Karlsson, M. I. C.; Sochor, J.; Strömberg, H. (2016): Developing the ‘Service’ in Mobility as a Service: experiences from a field trial of an innovative travel brokerage, Transportation Research Procedia, Vol. 14, pp. 3265-3273 Taxi Car-sharing Bike-sharing Public Transport Brussels 20 km free per month unlimited pay-as-you-go 20 days per month Prague 20 km free per month one hour free per day pay-as-you-go 20 days per month Hamburg free 20 km free per month one hour free per day one hour free per day 20 days per month Athens 10 km free per month three hours free per day pay-as-you-go 20 days per month Budapest 10 km free per month one hour free per day pay-as-you-go 20 days per month Bucharest 10 km free per month one hour free per day pay-as-you-go 20 days per month Warsaw 20 km free per month one hour free per day pay-as-you-go 20 days per month Oslo 10 km free per month pay-as-you-go pay-as-you-go 20 days per month Sofia 10 km free per month one hour free per day pay-as-you-go 20 days per month Stockholm pay-as-you-go pay-as-you-go one hour free per day 20 days per month Glasgow 20 km free per month three hours free per day pay-as-you-go 20 days per month Wien 20 km free per month one hour free per day pay-as-you-go 20 days per month Copenhagen 10 km free per month pay-as-you-go unlimited 20 days per month Helsinki 10 km free per month one hour free per day one hour free per day 20 days per month Turin 50 km free per month unlimited pay-as-you-go 20 days per month Table 1: Complex automation levels INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 58 [3] Cats, O.; Susilo, Y. O.; Reimal, T. (2017): The prospects of fare-free public transport: evidence from Tallinn, Transportation, Vol. 44, Issue 5., pp. 1083-1104 [4] Jittrapirom, P.; Caiati, V.; Feneri, A-M. Ebrahimigharehbaghi, S.; Alonso-González, M. J.; Narayan, J. (2017): Mobility as a Service: A Critical Review of Definitions, Assessments of Schemes, and Key Challenges, Urban Planning, Vol. 2, Issue 2, pp. 13-25 [5] Esztergár-Kiss, D.; Csiszár, Cs. (2015): Evaluation of multimodal journey planners and definition of service levels, International Journal of Intelligent Transportation Systems Research, Springer, September 2015, Vol 13, Issue 3, pp 154-165. DOI 10.1007/ s13177-014- 0093-0 [6] Kamargianni, M.; Li ,W.; Matyas, M.; Schäfer, A. (2016): A Critical Review of New Mobility Services for Urban Transport, Transportation Research Procedia, Vol. 14, pp. 3294-3303 [7] Meurs, H.; Timmermans, H. (2017): Mobility as a Service as a Multi-Sided Market: Challenges for Modeling, 96th Transportation Research Board (TRB) Annual Meeting, Washington, United States, 8-12 January 2017 [8] Li Y., Voege T. (2017): Mobility as a Service (MaaS): Challenges of Implementation and Policy Required, Journal of Transportation Technologies, Vol. 7, Issue 2., pp. 95-106 [9] UITP (2011): Becoming a Real Mobility Provider Combined Mobility, position paper, www.uitp.org/ sites/ default/ files/ cck-focus-papers-files/ FPComMob-en.pdf [10] Hietanen, S. (2014): “Mobility as a Service” - The new transport model? , Eurotransport, Vol. 12, Issue 2, pp. 2-4 [11] Sochor, J.; Arby, H.; Karlsson, M. (2017): The topology of Mobility as a Service: A tool for understanding effects on business and society, user behavior, and technological requirements, 24th World Congress on Intelligent Transportation Systems, Montreal, Canada, 2017. October 29 - November 2 [12] Enoch, M. (2012): Sustainable Transport, Mobility Management and Travel Plans, Routledge, Taylor & Francis Group Ltd Kerényi Tamás Transport Development Junior Project Manager, BFK Budapest Development Center Nonprofit Ltd., Budapest (HU) kerenyi.tamas@icloud.com Non-probability recruitment strategies for innovative smartphone-based travel surveys Survey, Travel behaviour, Non-probability sampling, GPS, App Pros and cons of non-probability sampling are varied: Cost-effective techniques enable targeting specific population groups, flexibly reacting to changes in sample structures, and increasing participant motivation. Yet representativeness is frequently doubted when the principles of probability samplings are violated. In the City of Dresden, a travel survey was conducted using a tracking app called TravelVu. This article assesses the performance of both broad-based and individually tailored recruitment strategies, accessing different resources (e.g., news, social media, local ads, printed materials). Johannes Weber, Stefan Hubrich, Rico Wittwer, Regine Gerike A n important basis for urban and transport planning are (household) travel surveys. They provide information on how a transport system with all its interacting modes is currently used and, when repeatedly conducted, which trends are emerging over time. One of the main challenges facing large-scale travel surveys is the fact that response rates are declining — this can be observed in Germany and beyond. Consequently, risks of selectivity as well as costs and efforts for obtaining high-quality data increase [1]. In addition, innovative tools such as smartphone apps have been coming to the foreground which create new possibilities for data collection via GPS-tracking. Unlike previous data-collecting methods, tracking apps collect data in real time, lowering the overall respondent burden and offering quality framework for a longitudinal survey design [2, 3]. In light of growing interest in new data-collection methods and their integration into traditional survey designs for enhancing data content, a further question arises: Do more targeted sampling and recruitment strategies exist for obtaining adequate sample sizes within an acceptable quality and cost range? Non-probability samples offer various promising approaches such as in-street recruitment, distribution within workplaces, and the use of social media; yet they also entail challenges regarding systematic sample losses, representativeness, and sample bias [4]. Compared to other fields of research, there is minimal experience in applying such non-probability sample methods to traditional travel surveys [4]. Following up on this, the thesis - submitted to the European Friedrich-List-Prize 2020 - conducted a major travel survey in the City of Dresden (managed and supervised by the TU Dresden), with a digital travel survey app called TravelVu and a non-probability recruitment concept. The goal was to learn about the performance and effects of different recruitment approaches in terms of sampling composition, costs and survey response. Embedded in a research co-project named “Travelviewer - data for lowcarbon sustainable transport systems” financed by EIT Climate-KIC, specific travel surveys were conducted in three other European sites, demonstrating the use of TravelVu and testing new means of recruitment. Non-probability sampling in market and public opinion research Particularly in market and public opinion research, nonprobability sampling has the critical advantage of producing cost and expense savings in comparison to regis- European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 59 ter-based sampling. However, certain sample biases may occur as this method does not apply assumptions of probability theory and sampling errors [5]. Non-probability sampling allows for a less-restricted selection of participants, often removing the need for a sampling frame, such as a register of residents. However, this means that the probability of each case being chosen from a target population is not known (it may even be zero). There are five common non-probability sampling methods according to type of selection, likelihood of representativeness, extent of sample control, and overall cost and effort [6, 7]: • Quota: Sampling based on various quota variables, assuming their variability is the same as in the population • Purposive: Sampling by using personal judgement to select cases that will best enable to meet the research objectives • Snowball: Sampling by asking one respondent to establish contact with other potential (hard-to-reach) respondents • Self-Selection: Sampling by allowing each case to identify its interest to take part in the survey - often a crowdsourced task with mutual benefit (see also [8]) • Convenience: Sampling by haphazardly selecting those cases that are easiest to obtain Recruitment concept for an app-based travel-survey Developed by the Swedish company Trivector, TravelVu enables users to GPS-track their everyday movements and activities in a personal timeline. Learning algorithms suggest modes of transport and types of activity that can be traced in an interactive map. Travel characteristics can be adapted with several editing functions available through the app. For survey data, each travel day must be confirmed. Additionally, gamified pushmessages motivate users to correct their data. In doing so, participants receive a summary of their trips in distance and time. The desired sample target for this study was 1,000 individuals, selected from all relevant population groups within Dresden. From 14 Oct. to 24 Nov. 2019, anyone predominantly located in the city could participate. Due to legal regulations, respondents had to be 18 years or older. Potential participants were asked to answer an inapp questionnaire on socio-demographic attributes and to record their travel behaviour for at least seven days. The survey was called “Dresden in Bewegung” (Dresden in Motion), promoted with “Towards climatefriendly urban transport by app”, encouraging the contribution to a unique data basis for a better and more sustainable urban transport in the future. A non-probability sampling approach was used with a two-stage design, combining various sampling techniques: • First, haphazard sampling was used to reach the advised overall sample size, including mainly crowdsourcing and convenience sampling as well as techniques like snowball sampling. • Second, during the dynamic sampling phase, systematic selection was used to address specific, underrepresented groups and to minimise the risk of skewness. This was mainly a combination of purposive sampling and quota sampling as a comprehensive method for sample monitoring (age, gender, and post codes). As a part of the recruitment concept, resources were-accessed for spreading the survey via various communication channels. With aspects of participant motivation and technical support included, a broad-based and individually tailored recruitment concept was formed: Project Webpage: Available in German and English, this page provided information on how to participate as well as details on how to use the app and contact the technical support. Press Releases: In cooperation with the TU Dresden and the City of Dresden, two press releases were issued, to which several news media outlets responded (crowdsourcing). Social Media: A Facebook project page was set up to attract new participants as well as inform and motivate active ones through video posts explaining functions of the app, notices on the support, or posts on survey progress (crowdsourcing). These were shared by various persons, institutions, an action group (snowball sampling), and distributed throughout Facebook groups (convenience sampling). In the second survey stage, Facebook and Instagram ads were applied (purposive sampling) to target underrepresented groups regarding age and city districts. Local Media: A short promotional ad was shown on screens inside the Dresden tramcars, which was additionally broadcasted on an online TV channel (convenience sampling). Project Ambassadors: Two external supporters in particular contributed to the distribution (crowdsourcing): The City of Dresden spread the survey via its company mobility management e-mail list; the survey was also put on the Department of Transport Planning website. The TU Dresden utilised two student e-mail circulars and the monthly student newsletter to spread the survey. Both supporters also promoted the survey on their own social media channels. Printed Material: Posters were hung at specific points in the city, and brochures and post cards were displayed and handed out in the city centre as well as at the weekly market. The elderly were primarily targeted during this process (convenience & purposive sampling). In the second phase, these were additionally distributed to mailboxes along randomly selected routes in underrepresented districts (quota sampling and random route). Results During the course of the survey, there was a certain dropout of participants: 1,032 persons joined the survey, of which 941 answered the background questionnaire and 871 respondents recorded their trip information. By confirming travel days, a net sample of 618 participants contributed with travel behaviour data. With only 30 percent further dropout, those that remained collected data from seven days or more. This resulted in nearly 8,500 confirmed travel days, with an average of 13.7 days corrected by the participants, corresponding to a median of 10 days. INTERNATIONAL European Friedrich-List-Prize Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 60 For analysis, only the data from participants living inside the city (by post codes from the questionnaire) was used; this makes it possible to draw comparisons on register data. Figure 1 shows the distribution of age, gender as well as across the city’s districts: The sample consists of a higher share of young and a clearly low share of elderly people compared to the city’s register data from September 2019. However, users are more evenly distributed across the ten city districts. Regarding gender distribution, men are overrepresented to some extent. Participants also stated how they were made aware of the survey, which makes it possible to assess the recruitment process itself. The access modes most often mentioned were the TU Dresden e-mail circulars (42 %), followed by news (14 %), and Facebook (10 %), but also word-of-mouth advertising was referred to quite often (9 %). Social media ads and print distributions had observable precise and group-specific effects, especially through random routes. Platforms such as Instagram and Twitter as well as the ads shown in the tramcars were mentioned the least. When calculating the cost effectiveness of the recruitment, costs were related to the number of net participants (see figure 2). With reference to the net sample of n = 618, a cost of EUR 14.73 per participant was calculated. This is about a quarter less costly when compared to “Mobility in Cities - SrV” (a traditional cross-sectional household travel survey in Germany) with about EUR 20.50 per person in 2018. By correlating the net participants to specific access modes, it is apparent that ambassador-based recruitment was the most cost-effective and the distribution of printed material was the least of all. Discussion and Conclusion Some recruitment instruments such as the e-mail circulars showed very strong and specific survey success, though they also presented challenges in terms of addressing missing groups. Thus, effects to specific groups need to be considered, and better-performing alternatives should be tested in the future. The question remains if smartphone-based tracking, combined with non-probability sample recruitment, is a suitable survey method for elderly people - at least for Germany in 2020. In future applications, possible solutions could be, e.g., specifically confining the population to be addressed, providing additional “traditional” survey modes, or offering intensive support for elderly people during recruitment and data collection, eventually supplemented by a random sample. In conclusion, sample representativeness is a core quality criterion of traditional (household) travel surveys and a necessary prerequisite for making this data applicable for practical transport modelling and planning. This issue needs to be at least critically discussed and reflected towards the objectives of a travel survey. However, even if non-probability sampling strategies risk the potential for bias, they bring valuable advantages to recruitment in terms of flexibility, reactivity, and cost years 40% 50% 60% 50% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Dresden Sample Reference Population Male Female 8% 15% 5% 3% 2% 13% 4% 10% 26% 15% 11% 9% 9% 5% 6% 16% 7% 10% 10% 15% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 37% 47% 12% 4% 10% 36% 22% 32% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 18-24 25-44 45-59 60+ Figure 1: Dresden net sample composition compared to register data from September 2019 Register Data: [9, 10] European Friedrich-List-Prize INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 61 effectiveness, and may increase overall participant motivation — especially in combination with a user-friendly and appealing app design. As an area of future research, comparability of mobility patterns gathered by traditional (household) travel surveys and GPS-based data collections needs to be studied in more detail. ■ REFERENCES [1] Hubrich, S. and Wittwer, R. (2017): Effects of Improvements to Survey Methods on Data Quality and Precision - Methodological Insights into the 10th Wave of the Cross-Sectional Household Survey ”Mobility in Cities - SrV”. Transportation Research Procedia. Shanghai, pp. 2276-2286. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.trpro.2017.05.436 [2] Verzosa, N.; Greaves, S. and Ellison, R. (2017): Smartphone-Based Travel Surveys: A Review. Working Paper. Retrieved from https: / / ses.library.usyd.edu.au/ handle/ 2123/ 19540 [3] He, S.; Wang, Z. and Leung, Y. (2017): Applying Mobile Phone Data to Travel Behaviour Research: A Literature Review. Travel Behaviour and Society. https: / / doi.org/ 10.1016/ j. tbs.2017.02.005 [4] Kuhnimhof, T.; Bradley, M. and Anderson, R.S. 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Head of Chair, Chair of Integrated Transport Planning and Traffic Engineering, TU Dresden (DE) regine.gerike@tu-dresden.de Costs (including related working hours) Amount Subtotal Costs per Participant Netted by Access Mode Press Releases 161.00 € 1.63 € Writing and Coordinating with Ambassadors Social Media 1,640.00 € 22.47 € Facebook Page Setup, Creating Posts and Ads Ads in Local Media 380.00 € 76.00 € Public Transport TV Ambassadors 81.00 € 0.22 € Preparing Material for e.g. E-mail Circulars Printed Material 3,120.00 € 183.53 € Post Cards: Design, Display & Random-Route Distribution 4.000 1,300.00 € Brochures: Design, Display & Random-Route Distribution 2.000 1,150.00 € Posters: Design & display 100 670.00 € Project Webpage 661.00 € Setup and Maintenance Non-recruitment working hours translated to costs 3,060.00 € 10-week period (preparation phase: 4 weeks; data collection: 6 weeks) Total 9,105.00 € Total Costs per Net Participant n = 618 14.73 € Figure 2: Calculation of survey costs including respective working hours 18 th European Transport Congress (ETC) in-Rostock T he European Platform of Transport Sciences - EPTS Foundation e.V. - invites to the 18th European Transport Congress (ETC), which will be held in Rostock-Warnemünde, Germany, from 12-14 October 2020. The topic of the congress: “Innovative transport systems in European logistic networks - chances for non-metropolitan regions” All presentations will be held in English or German, with simultaneous translations. Contacts, conference program, and registration are available at www.epts.eu/ etc2020. Please register until 30.09.20 (online only). “We are looking forward to meeting you in Rostock” INTERNATIONAL Science & Research Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 62 Environmental effects of the Covid-19 lockdown The example of an EU online convention Virtual meeting, Transport modes, Environment budget Travel restrictions and curfews due to Covid-19 have motivated mobility researchers around the world to consider the impact of the lockdown for the population, the transport system and particular modes of transport as well as for different transport branches. With the help of activity journals, the authors of this report analysed how daily behaviour and everyday mobility have changed through the curfews, especially for the group of students. The following article highlights briefly which reliefs can arise due to these changes in travel activities, both for the global environment and the individual budget. This shall be demonstrated by the example of an online convention, a virtual meeting among experts, as part of a long-planned and digitally realised closing event of an EU-Project. Matthias Gather, Claudia Hille I n course of the Interreg Project “Sub- Nodes”, which deals with the improvement of the regional accessibility by establishing secondary transport hubs (= subnodes) in specific regions, a big closing event was planned in Brussels in July 2020 with representatives of the European Union, the several project partners and also numerous external guests. Due to the travel restrictions, it was decided to realise this event as an online convention on 26 May 2020. In this online convention 91 attendants from 14 different countries participated (figure 1). With Brussels as a virtual venue, more than 100,000 passenger-kilometers (Pkm) of transport performance was saved for all outward and return journeys (table 1). Assuming that travel distances of more than 500 km linear distance are flown, 86,000 km traveled on airplanes were calculated. The remaining journeys were spread equally to car and railway travels, which resulted in 10,900 km covered on each mode of transportation, respectively (with a calculated detour factor of 1.3 respectively towards the calculated linear distance). Next, saved greenhouse gas emissions (GHG) were calculated. Besides carbon dioxide emissions, the emissions contain other greenhouse gases as well as volatile carbon monoxides, hydrocarbons, nitric oxides and particles. The underlying emission factors are based on values given by the German Environment Agency (2018) and amount in total to around 20 tons. Another underlying assumption was that participants with a single travel distance of more than 200 km (linear distance) would have booked an overnight stay at a hotel in Brussels. Using values by the Institute for Applied Ecology (2013) further 1,150 kg GHG-emissions were saved by not needing accommodation. Altogether, almost 23 tons of GHG-emissions were avoided with the online-convention. With the aid of comparative studies, CO 2 -emissions for the realisation of the online-event were also calculated and amounted in a little more than 50 kg for all 91 participants. Finally, directly saved travel and accommodation expenses were calculated. The costs for accommodation were computed Photo: J.C. Gellidon / Unsplash Science & Research INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 63 based on the refundable expenses according to the German Travel Expenses Act (BRKG). For the calculation of travel costs, several assumptions have been made. For the expenses of a car trip, the defined rate of 0.30 EUR/ km in the BRKG was considered. For train journeys, the average fare by the German Rail (DB) was taken as a basis, amounting to 0.20 EUR/ km. For flights, 0.30 EUR/ km was used as well. Yet, it has to be noted that fares for flight tickets vary greatly depending on connection and airline. Using the values above, saved travel costs amount to 30,000 EUR, and saved accommodation costs around 9,000 EUR. In total, more than 40,000 EUR direct travel and accommodation expenses were saved (table 2). All in all, the calculations displayed here can of course only be a rudimentary calculation to give an example on the extent expenditures were reduced in the course of the lockdown. On the cost side, the time required for arrival and departure could have also been included. On the benefit side, it needs to be questioned if the benefit of an online convention is comparable to a physical meeting with all project partners and participants. Also, it needs to be considered whether more than 90 participants from all over Europe would have traveled to Brussels in person, or how many persons canceled the planned participation due to the online character. Nevertheless, numerous participants attended the event and that participation has been evaluated as interesting and worthwhile. The objectives could be reached with minimal expenditure for the individual budget as well as for the global environment. Saved distance Greenhouse gases Carbon monoxide Volatile Hydrocarbon Nitric oxides Particles km kg Railway, long-distance travel Calculation basis for emissions (g/ Pkm) 32 0.02 0.00 0.04 0.001 Sum 10,866.70 347.73 0.22 0.00 0.43 0.01 Car Calculation basis for emissions (g/ Pkm) 147 1.00 0.14 0.43 0.007 Sum 10,866.70 1,597.40 10.87 1.52 4.67 0.08 Airplane Calculation basis for emissions (g/ Pkm) 230 0.48 0.13 1.01 0.014 Sum 86,108.00 19,804.84 41.33 11.19 86.97 1.21 Accommodation Calculation basis (kg CO 2 -eq./ overnight stay) 67 Overnight stays 17,2 Sum 1,152.40 Total 107,841.40 22,902.38 52.42 12.72 92.08 1.29 Table 1: Calculation of the emissions balance of the SubNodes-Online-Convention (Source: own calculation) Figure 1: Saved travels due to the EU online convention on “Regional Mobility beyond TEN-T” INTERNATIONAL Science & Research Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 64 However, EU-projects greatly and significantly depend on the personal exchange between all project partners. The dialogue strengthens the intercultural competence of all partners and also the European cohesion. A virtual convention can indeed make a knowledge transfer among each other possible, but also informal exchange and the possibility for networking are crucial for conferences. The complete conversion to virtual conventions can, therefore, be no sustainable model for future projects of European cooperation. The presented example still showed how such an online event can be successful and what kind of reliefs can be reached. The potential saving effects lead to the question of how online formats could be used and supported stronger in the future. In the light of the global climate crisis, a simple “business as usual” approach after the coronavirus pandemic seems hardly possible. In fact, in times of the lockdowns became apparent which opportunities the digitalisation offers regarding the reduction of CO 2 -emissions. ■ REFERENCES DNR - Deutscher Klimaschutzring (eds.) (2019): Digitalisierung. Neue Hoffnung oder dunkle Bedrohung. Infografik. In: MOVUM. Debattenmagazin der Umweltbewegung. Berlin Hille, Claudia; Gather, Matthias (2020): Mobilität und Zeitverwendung in Zeiten von Covid-19. Ergebnisse einer empirischen Erhebung mittels Aktivitätentagebüchern. Berichte des Instituts Verkehr und Raum, Band 28, Erfurt Öko-Institut e.V. (eds.) (2013): Vergleichende Klimabilanz von Motorcaravanreisen - heute & morgen. Darmstadt SubNodes - Interreg Central Europe (2017-2020). www.interreg-central. eu/ Content.Node/ subnodes.html Umweltbundesamt (2018): Emissionsdaten - Emissionen im Personenverkehr. www.umweltbundesamt.de/ themen/ verkehr-laerm/ emis sionsdaten#verkehrsmittelvergleich_personenverkehr (access: 23 June 2020) Matthias Gather, Prof. Dr. Transport policy and regional planning, Erfurt University of Applied Sciences matthias.gather@fh-erfurt.de Claudia Hille Transport policy and regional planning, Erfurt University of Applied Sciences claudia.hille@fh-erfurt.de Saved distance km Saved travel costs EUR Railway, long-distance travel Calculation basis for costs (EUR/ Pkm) 0.20 EUR Sum 10,866.70 2,173.34 EUR Car Calculation basis for costs (EUR/ Pkm) 0.30 EUR Sum 10,866.70 3,260.01 EUR Airplane Calculation basis for costs (EUR/ Pkm) 0.30 EUR Sum 86,108.00 25,832.40 EUR Saved accommodation Calculation basis for costs per overnight stay 67 overnight stays 135 EUR Sum 9.045 EUR Total 40,310.75 EUR Table 2: Calculation of monetary costs (own calculation) FACE THE CHALLENGES OF MOBILITY Founded in 1949 - bound forward to face the challenges of tomorrow‘s mobility: With an editorial board of renowned scientists and an advisory board of directors, CEOs and managers from all transport industry areas, »Internationales Verkehrswesen« and »International Transportation« - the worldwide distributed English-language edition - rank as leading cross-system transport journals in Europe for both academic research and practical application. Rail and road, air transport and waterway traffic — »International Transportation« and »Internationales Verkehrswesen« stimulate a worldwide interdisciplinary discussion of the numerous defiances in mobility, transport, and logistics. The magazines are targeted at planners and decision makers in municipalities, communities, public authorities and transportation companies, at engineers, scientists and students. With peer-reviewed scientific articles and technical contributions the magazines keep readers abreast of background conditions, current trends and future prospects - such as digitalization, automation, and the increasing challenges of urban traffic. Read more about the magazines and the subscription conditions: www.internationales-verkehrswesen.de www.international-transportation.com INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN AND INTERNATIONAL TR ANSPORTATION »Internationales Verkehrswesen« and »International Transportation« are published by Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, D-Baiersbronn IV_Image_halb_quer.indd 1 31.01.2020 14: 40: 12 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 65 Wissenschaft LOGISTIK CO 2 -Ausstoß auf See: Sind genauere Schätzungen möglich? Potentiale eines stichproben-basierten Modells Seeverkehr, CO 2 -Emissionen, Treibstoffverbrauch, Antrieb, Prognosemodell, Berichtspflicht Die internationale Schifffahrt verursacht durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe aktuellen Hochrechnungen zufolge 2 bis 3 % der globalen Treibhausgas-Emissionen. Bisherige Schätzungen basieren jedoch weitgehend auf Annahmen, nur eingeschränkt auf echten Verbrauchsdaten. EU und IMO wollen dies durch neue Berichtspflichten für Schiffsbetreiber ändern. Der Beitrag zeigt in kompakter Form Möglichkeiten, wie bereits anhand kleiner Stichproben die Verbräuche der Hauptmaschinen von Frachtschiffen zuverlässiger als bisher abgeschätzt bzw. Angaben auf Plausibilität geprüft werden können. Die ausführliche Langfassung der Arbeit ist über einen Web-Link auf Seite 71 verfügbar. Clemens Aipperspach, Jan Gertheiss, Carlos Jahn W arentransport im internationalen Seeverkehr verursacht deutlich weniger spezifische CO 2 -Emissionen als im Straßen- und Flugverkehr [1]. Dennoch wird intensiv nach Reduktionsmöglichkeiten gesucht, denn rund 90 % des Welthandels greift auf Schiffe als Transportmittel in mindestens einem Teil der Wertschöpfungskette zurück [2]. Auf der 72. Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC) im April 2018 beschloss die International Maritime Organization (IMO) eine 50-%-ige Reduktion des absoluten maritimen CO 2 -Ausstoßes bis 2050 (gegenüber 2008) als Ziel ihrer Treibhausgas-Strategie [3]. Ein Meilenstein: Quantitative Emissionsminderungsziele für den maritimen Sektor waren weder im Kyoto-Protokoll 1997 noch im Paris Agreement 2015 definiert worden. Erkenntnisse über absolute Treibhausgasemissionen der internationalen Schifffahrt basieren aber weitgehend auf Schätzungen, deren Ergebnisse sich je nach Annahmengerüst wesentlich unterscheiden können [2, 4] (siehe auch Vergleich der Top-down- und Bottom-up-Methode in der Langfassung der Arbeit 1 ). Eine differenzierte und zuverlässige Erfassung tatsächlicher Emissionen - zu denen neben Handelsschiffen auch Fischerei-, Marinesowie Fähr-/ Passagier- und Freizeitschiffe beitragen - ist daher Voraussetzung für die Definition konkreter Schritte zur Einsparung von CO 2 -Emissionen. Im Folgenden werden zunächst aktuelle Vorschriften zur Datenerfassung und Problemstellung bei Ermittlung bzw. Überprüfung der Emissionen aus Sicht verschiedener Akteure skizziert. Aufbauend auf der Identifikation relevanter Einflussgrößen für den Treibstoff-Verbrauch wird ein neues stichproben-basiertes Schätzmodell vorgestellt und mit bisherigen Modellen verglichen, die Emissionen von Schiffen auf der Grundlage gängiger Annahmen herleiten. Neben einer Bewertung der Schätzergebnisse befasst sich der Beitrag damit, für welche Schiffs- und Routentypen der neue Ansatz anwendbar ist und inwiefern er für verschiedene Interessensgruppen von Nutzen sein kann. Hintergrund und Problematik der Emissionsermittlung Neue Vorschriften zur Datenerfassung Mit IMO, EU sowie einzelnen Nationalstaaten existieren konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen, die bislang unzureichend harmonisiert sind [5, 6]. Vor kurzem wurden folgende Berichtspflichten eingeführt: 1. Die EU-Kommission erließ die sog. Monitoring, Reporting and Verification (MRV) Regulation. Demnach müssen seit 01.01.2018 alle Schiffe mit >5.000 BRZ für jeden Reiseabschnitt von, zu oder zwischen EU-Häfen Daten zu den tatsächlichen Emissionen und zur Transportleistung erheben und jährlich an eine EU- Datenbank melden. Eine jährliche Zusammenfassung der CO 2 -Emissionsdaten jedes Schiffes wird auf einer Website der EU-Kommission veröffentlicht [7, 8]. Verfahren zur Datensammlung, -übermittlung und -veri- PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 02.04.2020 Endfassung: 22.07.2020 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 66 LOGISTIK Wissenschaft fikation sind klar definiert. Darüber, wie verlässlich die übermittelten Werte sind, ist bisher wenig bekannt. Ein umfassender Ersatz von Schätzungen globaler Emissionen können die gesammelten Daten aufgrund ihrer regionalen Beschränkung nicht sein [9]. 2. Die IMO beschloss auf der 70. Sitzung des MEPC 2016 die Einführung eines verpflichtenden Fuel Oil Data Collection System (DCS) ebenfalls für alle Schiffe mit >5.000 BRZ. Ab 01.01.2019 sind für jeden Reiseabschnitt eines Schiffes Daten zu Treibstoff-Verbrauch, zurückgelegter Distanz und Fahrtdauer (keine Ladungsdaten) zu erfassen. Diese werden jährlich an die Flaggenstaat-Administrationen übermittelt, von diesen überprüft und in eine zentrale IMO-Datenbank eingespeist. Die Vorschrift ist global gültig. Verbrauchsbzw. Emissionsdaten der weltweiten Flotte werden ab 2020 jährlich in aggregierter Form veröffentlicht, Verbräuche aber nicht einzelnen Schiffen zuzuordnen sein. Die weitgehend digitalisierte Datenübermittlung bedeutet indes nicht, dass Verbrauchsdaten an Bord immer vollautomatisch richtig erfasst und unverfälscht versendet werden. „[…] Identifying and eliminating data errors are major concerns for the effective implementation of MRV“ [10]. Unklar ist, wie zuverlässig die Plausibilität der Berichtsdaten geprüft werden kann. Bedenken werden auch von Vertretern europäischer Reedereien und Logistikdienstleister geäußert [11]. Es wird z. T. befürchtet, dass Flaggenstaaten - oder von ihnen beauftragte Authorized Organizations - verschiedene Standards für Datenprüfungen anwenden, also ein Level Playing Field nicht gewährleistet ist. Auch hilft zumindest das DCS Importeuren, Speditionen oder Großhändlern kaum: Diese haben Interesse daran, die CO 2 -Emissionen des konkreten von ihnen in Anspruch genommenen Transportwegs zu erfahren, ohne sich auf die kaum standardisierten bzw. überprüfbaren „CO 2 -Rechner“ auf Websites globaler Schifffahrtsunternehmen verlassen zu müssen [12]. Wegen der Aggregierung der veröffentlichten Daten wird diesem Interesse im neu eingeführten DCS nicht entsprochen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob der vielfach kritisierte große Aufwand für Erhebung, Übermittlung, Prüfung und Auswertung sämtlicher Treibstoffverbräuche aller Reisen [13] überhaupt notwendig ist - oder maritime Treibhausgase auch durch ein auf Stichproben gestütztes Schätzmodell ausreichend genau zu ermitteln wären. Kernproblem: Schätzung bei limitierter Datenverfügbarkeit Reedereien und Charterer kennen den Treibstoffverbrauch ihrer eigenen Flotte, der mit bis zu 50 % den größten Teil der Schiffsbetriebskosten ausmacht [14] und auch Gegenstand von Charterverträgen ist. Sie überwachen ihn immer systematischer; komplexe Auswertungs- und Simulationsinstrumente unterstützen die Steuerung eines möglichst flexiblen, effizienten und umweltfreundlichen Schiffsbetriebs [15]. Doch basieren diese Instrumente auf Betriebsdaten, die von Außenstehenden weder erfasst noch überprüft werden können. Berechnungsmodelle, die auf Annahmen zurückgreifen (müssen), liefern dagegen oft Ergebnisse, die unzureichend empirisch fundiert oder zu undifferenziert sind: „The impact […] on global GHG emissions is difficult to assess […] without empirical evidence. So far such evidence has been only partially available“ [16] (vgl. auch Langfassung 1 ). Nur vereinzelt wurden Emissionsschätzungen veröffentlicht, die auf Messungen „echter“ Treibstoffverbräuche beruhen. Meist sind Untersuchungsumfang oder -zeitraum begrenzt und ermöglichen keine solide statistische Ableitung allgemeiner Schätzmodelle (vgl. z. B. [17] und Langfassung). Entsprechend variieren die Angaben zu durchschnittlichen spezifischen Emissionen (beispielhaft für Kühlschiffe: 67,1 g CO 2 / tkm in [18], 23,7-g CO 2 / tkm in [19]). Dieser Beitrag widmet sich daher im Kern der Frage: Wie könnte ein Näherungsmodell aussehen, das • trotz begrenzter Verfügbarkeit echter Betriebsdaten gute Abschätzungen liefert, • sich damit als Kontrollinstrument oder sogar als Ersatz für die o. g. Berichtsdaten eignet und • für die genannten Zielgruppen (IMO/ EU sowie z. B. Importeure und Speditionen) einfach anwendbar ist? Er geht dabei nur auf den von Hauptmaschinen verursachten CO 2 -Ausstoß ein, der bei den meisten Schiffstypen ein Mehrfaches der Emissionen von Hilfsmaschinen und Kesseln ausmacht. Anwendung einer stichproben-basierten Schätzmethode Einflussgrößen Bei der Verbrennung von Alkanen als Treibstoff in Motoren reagieren die in den Kohlenwasserstoffen gebundenen CH 2 -Gruppen mit Sauerstoff aus der Verbrennungsluft zu Kohlendioxid. Hieraus lassen sich recht exakte Treibstoffverbrauch / CO 2 -Emissionen Hauptmaschine Gewählte Geschwindigkeit Tiefgang, Trimm Rumpf Strömung, Welle, Wind Ström.widerstand / (Teil-)Last Antrieb Nenndaten / Spezif . Verbrauch Verwendeter Brennstoff Masse Ladung Wetter Gewählte Route / Reiseabschnitte Rumpfform (Wartungs-)Zustand Propeller Propellerform (Wartungs-)Zustand (Wartungs-)Zustand Hauptmaschine Betriebs-Parameter Design-Parameter Externe Parameter Bild 1: Mögliche Einflussfaktoren für die spezifischen Emissionen der Hauptmaschine eines Handelsschiffes Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 67 Wissenschaft LOGISTIK Emissionsfaktoren zur Umrechnung von Treibstoffverbrauch in CO 2 -Emissionen ableiten: 3,114 kg/ kg für Schweröle (HFO, IFO-180/ 380) und 3,206 kg/ kg für Dieselöle (MDO, MGO) [2]. Diese sind weitgehend unabhängig vom Schwefelanteil oder anderen Eigenschaften der Treibstoffe. Doch welche Parameter beeinflussen den Treibstoff- Verbrauch? Grundsätzlich können solche, die durch technische Eigenschaften (Spezifikationen) des Schiffs bzw. verbauter Komponenten festgelegt sind („Design- Parameter“), von operationalen (Einfluss des Schiffsbetriebs) und externen (von außen auf das Schiff einwirkenden) unterschieden werden. Teilweise beeinflussen sich die Parameter auch gegenseitig. Zur Identifizierung der relevantesten Einflussgrößen - die idealerweise auch öffentlich verfügbar sind - konnten echte Betriebsdaten einer aus zwölf Kühlschiffen bestehenden Flotte von insgesamt 769 Rundreisen mit knapp 5.600 einzelnen Reiseabschnitten gesammelt und ausgewertet werden. Die Schiffe gehören zu drei Klassen (im Folgenden zur Anonymisierung mit „L“, „C“ und „S“ abgekürzt) mit jeweils vier baugleichen Schwesterschiffen; neben dem eigentlichen (gekühlten) Laderaum verfügen sie jeweils über 100 bis 200 zusätzliche Kühlcontainer-Stellplätze an Deck (für Details zu Eigenschaften der Schiffe siehe Langfassung). Regressionsanalysen für die spezifischen Hauptmaschinen-Emissionen (g CO 2 / km) als Zielvariable ergaben zwei signifikante und relevante Regressoren: die Durchschnittsgeschwindigkeit als metrische Variable (mit Exponent 2) sowie den Reiseabschnitt - d. h. die durch einen Abfahrts- und einen Zielhafen bezeichnete Teilstrecke - als nominalskalierte Variable. Modelle Nach der Identifikation der beiden relevantesten Einflussgrößen mittels Regression ist für die skizzierte Fragestellung interessant, inwiefern sich Schätzergebnisse eines neuartigen, auf geringer Anzahl Stichproben fußenden Prognosemodells von bisherigen, annahmen-basierten Methoden unterscheiden. Hierzu wurden zunächst drei Modelle definiert, die auf gängigen Annahmen von Frachtschiffen beruhen: 1. Schätzung durch Näherungsgleichung allein auf Basis der Schiffsgröße (für verschiedene Schiffstypen) 2. Schätzung auf Basis gängiger Annahmen zu Kennwerten wie Betriebszeit, Antriebsleistung, spezifischem Verbrauch und durchschnittlicher Geschwindigkeit 3. Schätzung auf Basis von Annahmen zu den o. g. Kennwerten und Integration echter (AIS-)Reisedaten Die Modelle 2 und 3 bilden in den jeweiligen Sub- Modellen a) bis d) verschiedene in der Literatur beschriebene Detaillierungsgrade in Annahmengerüst und Berechnungsansatz ab (Berücksichtigung von Schiffstyp, -größe und/ oder konkreten Spezifikationen); Details sind der Langfassung zu entnehmen. In Abgrenzung dazu basiert ein viertes Modell auf der Entwicklung eines einfachen Algorithmus‘ zur Prognose des Treibstoffverbrauchs durch Regression anhand weniger Trainingsdaten (Stichproben). Es wird also simuliert, dass für ein bis drei Rundreisen eines Schiffes jeweils Reiseabschnitte, Durchschnittsgeschwindigkeiten (oder Distanzen) und Treibstoffverbräuche erhoben werden - unabhängig von den o. a. Berichtspflichten. Dabei wurde u. a. eine einfache lineare Modellierung sowie die sog. Random Forest-Funktion der Programmierumgebung R verwendet [20]. Methodik des Modellvergleichs Die gesamten gesammelten Betriebsdaten (siehe oben) wurden zunächst anhand der Schiffsklassen in drei Teildatensätze unterteilt. Reisen mit sehr selten befahrenen Abschnitten wurden ausgeschlossen. Jede in einem der Teildatensätze enthaltene Rundreise wurde je einmal als „Haupt-Trainingsreise“ festgelegt. Um im 4. Modell auch die Ziehung von zwei bzw. drei Stichproben simulieren zu können, wurden jeder Haupt-Trainingsreise per Zufallsauswahl zwei weitere Trainingsreisen aus dem Teildatensatz hinzugefügt, die jeweils verbleibenden Rundreisen als „Testreisen“ definiert. Insgesamt ergaben sich so 253 Haupt-Trainingsreisen für die Klasse L, 175 für die Klasse C und 98 für die Klasse S mit je zwei weiteren dazugehörenden Trainingsreisen sowie eine bis 86 Testreisen. Zunächst wurden die Modelle 1 bis 3 auf jeden einzelnen Testdatensatz angewendet und ihre Prognosegüte ermittelt. Je nachdem, ob beim 4. Modell die Ziehung von einer, zwei oder drei Stichproben simuliert werden sollte, wurde der Algorithmus in jedem Durchlauf anhand des aus ein, zwei oder drei Trainingsreisen bestehenden Trainingsdatensatzes gebildet und dann auf denselben Testdatensatz (die zur jeweiligen Haupt- Trainingsreise gehörenden Testreisen) angewendet. So arbeiteten alle Modelle mit denselben, zufällig ausgewählten Testdaten. Ergebnisse Ein Vergleich der Modelle ist durch Beurteilung ihrer Prognosegüte möglich. Bild 2 und Bild 3 zeigen die für jedes Modell und jede Klasse in einem Boxplot dargestellte Verteilung der Ergebnisse aller Durchläufe (prognostizierter Treibstoffverbrauch) durch folgende Parameter: • Relative Abweichung (BIAS, auch „Verzerrung“ genannt): Dieser Prozentwert erlaubt Aussagen u. a. darüber, ob ein Modell über- oder unterschätzt (Erwartungstreue). • Wurzel der mittleren Fehlerquadratsumme (RMSE), angegeben in der Einheit der untersuchten Verteilung (hier also Tonnen Treibstoff): Diese - immer positive - Maßzahl für die Genauigkeit einer Schätzung ist die Wurzel der mittleren quadrierten Differenz zwischen Schätz- und echten Werten. Auf der vertikalen Achse sind die (Sub-)Modelle aufgetragen, wobei die erste Ziffer das Modell, der folgende Buchstabe das Sub-Modell kennzeichnet. IM (Including Manoeuvring) bedeutet, dass die Geschwindigkeit über die gesamte Strecke zwischen zwei Häfen gemittelt wurde, während bei OGSP (Over Ground Sea Passage) die Revierfahrt für die Geschwindigkeit unberücksichtigt blieb. Im oberen Teil der Grafiken sind die annahmen-basierten Modelle 1 bis 3 dargestellt (mit nach unten hin wachsendem Komplexitätsgrad). Die unteren zwei Blöcke zeigen die Ergebnisse des auf linearer Regression (LM) Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 68 LOGISTIK Wissenschaft bzw. Random Forest-Regression (RF) beruhenden stichproben-basierten Modells, wobei die zweite Ziffer in der Bezeichnung die Anzahl der als Trainingsdaten verwendeten Rundreisen (Stichproben) anzeigt. Die jeweils drei farblich unterschiedenen Boxplots beschreiben die für die Schiffsklassen L, C und S gefundenen Abweichungen. Die farbig gedruckten Zahlen geben die Mediane der Abweichungen (Lage der Mitte eines Boxplots) an. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen annahmen- und stichproben-basierter Schätzungen ist deutlich: Das 1. Modell basiert auf einem sehr simplen Ansatz und liefert dafür überraschend geringe Abweichungen im Bereich von bis zu ca. ±15 %. Werden allerdings als Näherung statt der Parameter für RoRo-Schiffe diejenigen für den Typ „Containerschiff“ gewählt (hier ebenso denkbar), sind die Abweichungen sehr groß. Das 2. Modell liefert in keiner Variante eine für alle drei untersuchten Klassen erwartungstreue Schätzung. Auch ist kein Zusammenhang zwischen Komplexitätsgrad des Modells und Prognosegüte erkennbar. Der Eingang echter Reisedaten im 3. Modell verbessert die Prognosegüte insgesamt nicht. In den Modellvarianten b) und c) führt die Verknüpfung Schiffstyp-spezifischer Annahmen mit echten Reisedaten zu extremen Überschätzungen. Der Grund für die verhältnismäßig schlechte Prognosegüte der annahmen-basierten Modelle liegt insbeson- Bild 2: Verteilung der Schätzergebnisse aller Durchläufe (relative Abweichung Treibstoffverbrauch in %) im Modellvergleich; links neben den Boxplots stehen die jeweiligen Medianwerte. -50 0 50 100 150 1 2a 2b 2c 2d1 2d2 3a.IM 3a.OGSP 3b.IM 3b.OGSP 3c.IM 3c.OGSP 3d1.IM 3d1.OGSP 3d2.IM 3d2.OGSP 4LM_1.IM 4LM_1.OGSP 4LM_2.IM 4LM_2.OGSP 4LM_3.IM 4LM_3.OGSP 4RF_1.IM 4RF_1.OGSP 4RF_2.IM 4RF_2.OGSP 4RF_3.IM 4RF_3.OGSP -50 0 50 100 150 -50 0 50 100 150 -0.1 15.6 -8.8 -18.1 -21.1 -35.7 20.2 15.8 -5.6 -2.6 30.6 -7.8 -11.3 -5.8 -6.5 -30.4 -20.9 -16.4 -23 -37.4 -24.7 -6.4 -23.4 -14.9 98.7 61.5 94.3 141.4 97.5 119.6 60.9 81.9 89.7 95.4 123 114.4 -7.9 -8.3 14.9 9.4 14.1 32.7 -27.7 -22.9 2.7 -14.2 -4.5 18.6 0.3 -0.2 -0.2 0.3 -0.2 -0.2 -0.2 -0.1 1.1 0.2 -0.5 0 -0.3 -1 0 0 -1.3 1.3 2.9 3.8 3.3 3 4.1 2.5 3.4 5.4 4.8 3.5 4.2 5.2 4 5.6 5.8 3.7 5 5.8 Nur Größe Annahmenbasiert ohne Reisedaten Annahmenbasiert plus Reisedaten (Einfluss Geschwindigkeit) Lineare Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. 'Random Forest'-Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. Klasse L Klasse C Klasse S % BIAS Schätzmodell 0 200 400 600 800 1000 1200 1 2a 2b 2c 2d1 2d2 3a.IM 3a.OGSP 3b.IM 3b.OGSP 3c.IM 3c.OGSP 3d1.IM 3d1.OGSP 3d2.IM 3d2.OGSP 4LM_1.IM 4LM_1.OGSP 4LM_2.IM 4LM_2.OGSP 4LM_3.IM 4LM_3.OGSP 4RF_1.IM 4RF_1.OGSP 4RF_2.IM 4RF_2.OGSP 4RF_3.IM 4RF_3.OGSP 0 200 400 600 800 1000 1200 0 200 400 600 800 1000 1200 42.8 137.2 115 136.7 178.7 361.5 150.9 139.7 93.6 46.1 250.2 108.1 91.6 72.7 99.4 222 174.7 179.8 165.1 312.6 258.2 60.5 206.9 164.4 702 483.1 942.5 1016 840.2 1189.5 435 638.6 897.5 686.9 1046.2 1138.4 69.4 134.4 173.4 78.9 132.4 334.2 197.3 192.1 91.8 108.7 87.2 200.5 49.9 69.6 90.8 49.9 69.6 90.8 55.9 82.7 95.1 54.3 87.7 103.6 46.5 62.1 86.7 43.3 66 92.4 54.2 74.5 98.3 54.8 71.2 92.7 50.8 75.6 93.5 49.3 68.9 90.8 51.5 76 96.1 47.6 67.1 94.8 Nur Größe Annahmenbasiert ohne Reisedaten Annahmenbasiert plus Reisedaten (Einfluss Geschwindigkeit) Lineare Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. 'Random Forest'-Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. Klasse L Klasse C Klasse S RMSE [t] Schätzmodell Bild 3: Schätzergebnisse aller Durchläufe (RMSE des Treibstoffverbrauchs in [t]) im Modellvergleich; rechts neben den Boxplots sind die jeweiligen Medianwerte eingetragen. Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 69 Wissenschaft LOGISTIK dere darin, dass im tatsächlichen Betrieb der untersuchten Flotte a) die Betriebszeiten der Hauptmaschinen länger, b) ihre Antriebsleistung größer, c) der durchschnittliche Teillastfaktor niedriger, d) der spezifische Treibstoffverbrauch höher, e) die Schiffe im Mittel schneller sind als die Literaturwerte für diesen Schiffstyp ausweisen; auch weicht der tatsächliche spezifische Treibstoffverbrauch teilweise stark von den Hersteller- Spezifikationen ab. Das 4. Modell erzielt insbesondere bei linearer Regression trotz der sehr kleinen Zahl an Stichproben und Variablen überraschend gute Ergebnisse: Die Schätzungen sind näherungsweise erwartungstreu mit relativen Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Treibstoffverbrauch je Rundreise fast ausschließlich im Bereich von +/ - 15 %. Insgesamt ist die Variante, die auf einfacher linearer Regression beruht, aufgrund der weniger verzerrten Schätzung geeigneter. Kaum relevant ist, ob für die Berechnung der Durchschnittsgeschwindigkeit die Revierfahrt ausgeklammert wird oder nicht Dieses Ergebnis ist wie folgt erklärbar: Zum einen sind die Schätzungen im 4. Modell unabhängig von Verfügbarkeit und Güte gewählter Annahmen zu Schiffen. Zum anderen werden durch die Stichprobe(n) indirekt zahlreiche, von außen kaum messbare Einflussgrößen berücksichtigt (routenspezifische Einflüsse etwa durch Heranziehen der befahrenen Reiseabschnitte als kategoriale Variablen). Eine detailliertere Einschätzung der Ergebnisse und Nutzbarkeit von Literaturwerten ist der Langfassung zu entnehmen. Einordnung der Erkenntnisse und Ausblick Die Untersuchung zeigt deutlich die Grenzen annahmen-basierter Schätzungen. Konkret lassen sich drei wichtige Erkenntnisse dazu festhalten: 1. Annahmen zu technischen und betrieblichen Charakteristika, die der Fachliteratur als „typisch“ für bestimmte Schiffstypen zu entnehmen sind, können im Einzelfall deutlich von der Realität abweichen. Dasselbe gilt für Herstellerangaben oder für spezifische Nennverbräuche von Hauptmaschinen. 2. Zwar ist denkbar, dass sich die Abweichungen im Rahmen globaler Emissionsschätzungen für den gesamten maritimen Sektor (teilweise) ausgleichen. Für die zuverlässige Herleitung von Emissionen einzelner Transportrouten bzw. Schiffe sind sie aber nicht geeignet - und dementsprechend auch nicht zur Plausibilitätskontrolle der im Rahmen neuer Berichtspflichten an IMO und EU übermittelten Daten. 3. Dass Modelle desto bessere Schätzungen liefern, je differenzierter und komplexer die Annahmen sind bzw. je mehr echte Reisedaten (AIS) berücksichtigt werden, kann nicht bestätigt werden. Eine klare Verbesserung hinsichtlich Verzerrung und Streuung der Schätzergebnisse liefert für die untersuchten Schiffe der vorgestellte stichproben-basierte Ansatz. Er beruht allein auf a) der Auswertung echter Verbrauchsdaten mindestens einer Rundreise als Stichprobe, b) der Schätzung des Treibstoffverbrauchs zukünftiger Reisen auf Basis dieser Auswertung und öffentlich verfügbarer Reisedaten. Auch wenn nur eine einzige Stichprobe gezogen wird, liegt die Abweichung zwischen geschätztem und echtem Hauptmaschinenverbrauch bei ca. 50 bis 60 % aller Reisen innerhalb eines Toleranzbereiches von nur ± 5 %, bei > 95 % der Rundreisen innerhalb von ± 15 %. Können drei unabhängige Rundreisen als Stichproben herangezogen werden, weichen die Ergebnisse für 65 bis 80 % aller geschätzten Reisen ( je nach Klasse) um maximal ± 5 % von den echten Werten ab, und für 95 % aller Reisen um höchstens ca. ± 11 bis 12 %. Abweichungen von über 20 % bzw. 15 % sind bei einer bzw. drei Stichproben praktisch ausgeschlossen (Bild 4). Da die Schätzungen durchgehend erwartungstreu sind, scheint das skizzierte Modell selbst bei nur einer zufällig gezogenen Stichprobe je Schiffsklasse und Reiseroute gut geeignet zum Abbau von Unsicherheiten in 0 5 10 15 20 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 %BIAS Betrag Anteil Verteilung der Ergebnisse: Prognosegüte (BIAS in %) Modell mit linearer Regression (inkl. Manövr.) | 1 Stichprobe Klasse L Klasse C Klasse S 0 5 10 15 20 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 %BIAS Betrag Anteil Verteilung der Ergebnisse: Prognosegüte (BIAS in %) Modell mit linearer Regression (inkl. Manövr.) | 3 Stichproben Klasse L Klasse C Klasse S Bild 4: Verteilungsfunktionen der Schätzergebnisse (betragsmäßige relative Abweichung des echten vom geschätzten Treibstoffverbrauch in %) beim Modell mit linearer Regression Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 70 LOGISTIK Wissenschaft der Quantifizierung globaler Emissionen - bei gleichzeitig begrenztem, kalkulierbarem Erhebungsaufwand. Der Ansatz ist verhältnismäßig einfach in der Handhabung: Anhand der Stichprobe(n) ist eine schlichte lineare Regression durchzuführen, wobei der Treibstoffverbrauch pro Streckeneinheit die Zielgröße und die befahrenen Reiseabschnitte sowie die durchschnittlichen Geschwindigkeiten die einzigen Einflussgrößen sind. Der dafür benötigte Rechenaufwand ist extrem gering. Wurden auf diese Weise die Koeffizienten der linearen Gleichung bestimmt, sind die Verbräuche zukünftiger Reisen einfach zu ermitteln, indem die jeweiligen Reiseabschnitte und Durchschnittsgeschwindigkeiten in die Gleichung eingegeben und mit der zurückgelegten Strecke multipliziert werden (die Anwendung von Statistik-Software ist unnötig). Folgende weitere Schlüsse lassen sich aus der Untersuchung ziehen: • Als relevante Regressoren für die Auswertung der Stichproben - und gleichzeitig als Input-Parameter für die späteren Schätzungen - muss nur der Reiseabschnitt mit der zurückgelegte Strecke und Fahrzeit herangezogen werden. Beide sind in AIS-Datenbanken heute öffentlich verfügbar. • Bei nur ein bis zwei Stichproben stellte sich selbst die Einbindung der Geschwindigkeit als Regressor als unnötig heraus, d. h. das Modell kann dann ohne Qualitätsverlust noch weiter vereinfacht werden. • Schätzungen, die auf einer einfachen linearen Regression des spezifischen Treibstoffverbrauchs aufbauen, sind kaum verzerrt und komplexeren Methoden wie dem Random Forest-Verfahren damit vorzuziehen. • Nicht nötig ist die gesonderte Betrachtung baugleicher Schwesterschiffe innerhalb eines Linienverkehrs. Anwendbarkeit des stichproben-basierten Modells für weitere Schiffstypen Die Bedeutung der Containerschiffe nimmt gerade im Kühltransport weiter zu, und der Transport in Kühlschiffen „wandelt sich daher von der Spezialzur Nischenschifffahrt“ [21]. Es stellt sich die Frage, ob die dargestellten Auswertungsergebnisse und das darauf aufbauende Prognosemodell anwendbar ist für a) andere Schiffe desselben Typs (Kühlschiffe mit Kühlcontainerstellplätzen an Deck) sowie b) andere Schiffstypen und -größen. Alle zwölf hier betrachteten Kühlschiffe gehören zu den größten und neuesten ihrer Kategorie. Das Verhältnis von installierter Hauptmaschinenleistung, Tragfähigkeit und Ladekapazität kann als repräsentativ für die Kühlschiffsflotte angesehen werden [2]. Die Ladekapazität der untersuchten Schiffe entspricht ca. 570 bis 810 der bei Containerschiffen gängigen TEU-Äquivalente (Annahme: 25 t Ladung je 40-Fuß-Container). Gemäß [2] gehören 59 % aller Containerschiffe zur Größenklasse von bis zu 3.000 TEU (geschätzter Anteil von 50 % auch noch im Jahr 2050), darunter zahlreiche Schiffe mit 500 bis 1.000 TEU. Konstruktive Eigenschaften, die unabhängig von der Größe des Schiffes den Verbrauch der Hauptmaschinen bestimmen - etwa die Rumpfform -, dürften sich bei Kühl- und Containerschiffen strukturell kaum unterscheiden. Auch das im vorliegenden Fall untersuchte Fahrtprofil ist durchaus typisch für den Betrieb von Containerschiffen bei Linienreedern. Die ermittelten Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren und Verbrauch gelten daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für Containerschiffe. Aufgrund des schlichten statistischen Modelldesigns, das keinerlei schiffsspezifische technische Kennwerte erfordert, ist zu vermuten, dass das Modell auch für weitere Schiffstypen geeignet ist. Das trifft insbesondere auf solche mit vergleichbaren Fahrtprofilen (Rundreisen mit mehreren Häfen) zu, also z. B. Linienverkehre von Container- oder RoRo-Schiffen. Wegen des großen Einflusses des Reiseabschnitts als kategorialer Variable ist das Modell dennoch auch auf anderen globalen Handelsrouten mit verschiedenen Strömungs-, Wellen- und Windverhältnissen zu testen. Vermutlich ungeeignet ist es für die Trampschifffahrt (typisch für z. B. Massengutfrachter), wo die Routen bzw. Anlaufhäfen ständig wechseln und das Ziehen weniger Stichproben für eine repräsentative Rundreise nicht möglich ist, sowie für Zweipunktverkehre, da der Reiseabschnitt hier nicht variiert. Außerhalb der Handelsschifffahrt scheint das Modell generell auch z. B. für Kreuzfahrtschiffe geeignet, die Linien mit festen Routen bzw. sich wiederholenden Reiseabschnitten befahren. Allerdings kommen Routenänderungen, unregelmäßige Geschwindigkeiten bzw. Verlangsamung oder Stopps auf See hier ggf. häufiger vor; dies könnte zur Verzerrung von Schätzungen führen, die auf nur sehr wenigen Rundreisen als Stichproben beruhen. Auch spielt der Verbrauch der Hilfsmaschinen (für den Hotelbetrieb), den dieser Beitrag nicht behandelt, bei Kreuzfahrtschiffen eine viel größere Rolle als bei Handelsschiffen. In jedem Fall ist analog ein stichproben-basiertes Modell für die Schätzung der Verbräuche von Hilfsmaschinen auf Fracht- und Passagierschiffen noch gesondert zu entwickeln. Nutzen für verschiedene Akteure Sollte das vorgestellte Schätzmodell an weiteren Schiffstypen und Handelsrouten erfolgreich getestet werden, ergeben sich mögliche Vorteile für unterschiedliche Interessensgruppen: • Internationale Institutionen (IMO/ EU) Zur Plausibilitätskontrolle insbesondere der seit Anfang 2019 an die IMO zu berichtenden Verbrauchsdaten ist der Ansatz vielversprechend: Werden z. B. für drei Rundreisen einer Reiseroute und Schiffsklasse Daten erhoben (unabhängig von den berichteten Werten) und daran das Schätzmodell „trainiert“, empfiehlt sich eine Überprüfung der Berichtsdaten in dem Fall, dass > 10 % der gemeldeten Verbrauchswerte um > 10 % von den Schätzwerten abweichen. Dann liegt nach den vorliegenden Erkenntnissen ein Hinweis auf einen systematischen Fehler bei Dateneingabe oder -übermittlung vor. Es bietet sich also die Möglichkeit einer effektiven und mit begrenztem Aufwand durchführbaren Überprüfung der übermittelten Verbrauchsbzw. Emissionsdaten - und damit u. a. einer Verbesserung der Hochrechnung globaler Emissionen). Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 71 Wissenschaft LOGISTIK • Schifffahrtsunternehmen Für den Fall, dass es im Laufe der o. g. Plausibilitätskontrolle nur geringfügige Abweichungen geben sollte, wäre denkbar, diejenigen Schiffsbetreiber von den Berichtspflichten zu befreien, bei denen die auf Basis der Stichproben geschätzten Daten nicht auffällig von den gemeldeten abweichen. Das Modell könnte mittelfristig also die aktuellen Emissionsberichte ggf. ersetzen. Bedenken wegen der Veröffentlichung vertraulicher Daten und des Zusatzaufwands für das Berichtswesen - gerade angesichts der nach wie vor nicht absehbaren Vereinheitlichung von EU MRV und IMO DCS - würde abgeholfen: Je Linienverkehr und Schiff bzw. Klasse müssten Verbrauchsdaten nur von einem Bruchteil aller Rundreisen offengelegt werden. Ob die skizzierten geringen Abweichungen der auf Stichproben zurückgehenden Schätzwerte von echten Verbräuchen tolerabel sind, ist hier eine Abwägungsfrage. • „Dritte“ wie z.B. Spediteure oder Importeure/ Großhändler Sie erhalten durch den neuen Ansatz Zugang zu deutlich realitätsnäheren Informationen über CO 2 -Emissionen der von ihnen beauftragen Seetransporte, sofern diese regelmäßig mit demselben Linienverkehr abgewickelt werden und für mindestens eine Rundreise die „echten“ Verbrauchswerte des/ der eingesetzten Schiffe(s) eingeholt werden können. Die einfache Anwendbarkeit des (linearen) stichproben-basierten Modells ist für diese Gruppe ein weiterer Vorteil gegenüber annahmen-basierten Ansätzen, die die Kenntnis aktueller Literaturwerte voraussetzen. ■ 1 Die ausführliche Fassung dieses Beitrages ist verfügbar unter www.iv-dok.de/ dok44-2010.pdf LITERATUR [1] Europäisches Parlament (2019): CO 2 -Emissionen von Autos: Zahlen und Fakten. URL: http: / / www.europarl.europa.eu/ news/ de/ headlines/ society/ 20190313STO31218/ co2emissionen-von-autos-zahlen-und-fakten-infografik/ . 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Leiter Institut für Maritime Logistik, Technische Universität Hamburg; Leiter Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen carlos.jahn@tuhh.de Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 72 Systemanalyse für ein Güterverkehrsterminal Anwendung des Model-Based System Engineering im Kontext des Next Generation Train CARGO Güterumschlag, Automatisierung, Intermodalität, Schienengüterverkehr, Innovation Um trotz steigender Verkehrsnachfrage zur Erfüllung der internationalen Klimaschutzziele beitragen zu können, entwickelt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. mit dem Next Generation Train CARGO ein holistisches Güterverkehrskonzept mit der Schiene als zentralem Transportmodus. Die für dieses Konzept erforderliche Umschlagsinfrastruktur ist jedoch noch nicht im Detail konzipiert worden. Nachfolgend wird ein modellbasierter Systems Engineering-Ansatz für die nähere Analyse und Spezifikation eines intermodalen Güterterminals sowie deren Resultate vorgestellt. Gregor Malzacher, Marc Ehret, Mathias Böhm, Andrei Popa D amit sowohl die Ziele der Europäischen Union (EU) [1] als auch die Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten im Rahmen des Pariser Abkommens [2] zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen erfüllt werden können, besteht unter anderem die Absicht, bei steigendem Verkehrsbedarf bis 2030 mindestens 30 % des gesamten Straßengüterverkehrsaufkommens innerhalb der EU auf andere, energieeffizientere Verkehrsträger, vor allem die Schiene, zu verlagern [3]. Bisher konnte jedoch über einen langen Zeitraum keine signifikante Verkehrsverlagerung beobachtet werden [4]. Im Hinblick auf den Güterverkehrsmarkt wird erwartet, dass der Großteil des zukünftigen Wachstums in Europa durch den vermehrten Transport von Low Density - High Value (LDHV) Gütern generiert wird [5]. Charakteristisch hierfür sind kleine, unregelmäßige Aufkommensgrößen mit dispersen Quelle-Ziel- Relationen, welche einen zuverlässigen, schnellen und flexiblen Versand erfordern [6], was im Schienengüterverkehr durch das Produktionssystem des Einzelwagenladungsverkehrs abgebildet wird [7]. In der EU werden diese Gutgruppen derzeit hauptsächlich auf der Straße transportiert [8]. Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene erfordert Konzepte, die einen wettbewerbsfähigen Transport ermöglichen [9]. Aus dieser Motivation entwickelt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem Next Generation Train CARGO (NGT CARGO) ein hoch automatisiertes und flexibles Fahrzeug- und Logistikkonzept. Der ganzheitliche Ansatz dieses Konzepts bildet die kom- Foto: Markus Distelrath / pixabay LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 73 Wissenschaft LOGISTIK plette intermodale Lieferkette der Güter vom Versender bis zum Empfänger ab und beinhaltet neue Technologien, die einen hohen Automatisierungsgrad beim Umschlag, Rangieren und Transport ermöglichen [10, 11]. Da die meisten potentiellen Versender und Empfänger über keinen eigenen Gleisanschluss verfügen, stellt die Möglichkeit von intermodalen Operationen zur Abdeckung der ersten und/ oder letzten Meile auf der Straße ein erfolgsentscheidendes Schlüsselelement dar [12]. Dies erfordert Umschlageinrichtungen, wie z. B. Terminals, die den Güterumschlag zwischen der Schiene und anderen Verkehrsträgern ermöglichen [13, 14]. Die Terminalgestaltung erfordert die Identifikation und Ableitung der entsprechenden Anforderungen basierend auf einer gründlichen Analyse des betrieblichen Kontextes-[15]. Ziel dieses Beitrags ist die Darstellung der Anwendung der Methodik des Model-Based Systems Engineering (MBSE) zur Analyse des Systemkontextes und Ableitung der Anforderungen und Systemfunktionen eines intermodalen Güterterminals für das NGT CARGO Logistikkonzept. Das MBSE schlägt ein strukturiertes Vorgehen für die Systemanalyse vor, um das Terminal auf der Grundlage der Bedürfnisse der wesentlichen Stakeholder zu spezifizieren. Durch die Verwendung formalisierter Modelle werden komplexe Systemzusammenhänge erkannt und visualisiert. Darüber hinaus ermöglichen die Modelle eine konsistente Dokumentation der Analyseergebnisse und dienen als Ausgangspunkt für den anschließenden physikalischen Entwurf des Terminals. Die Anwendung der Methodik der MBSE wird aktuell in der Entwicklung von Eisenbahnfahrzeugen erprobt [16]. Model-Based System Engineering (MBSE) Systems Engineering (SE) ist ein interdisziplinärer und holistischer Ansatz, der darauf abzielt, die zunehmende Komplexität technischer Systeme im Rahmen ihrer Gestaltung zu beherrschen [17]. Dadurch sollen Schwachstellen bereits in der Entwicklungsphase erkannt werden, was eine klare, konsistente und transparente Dokumentation der Systemspezifikation während des gesamten Lebenszyklus erfordert. Die MBSE-Methodik schlägt für diese Aufgabe die Anwendung formalisierter Systemmodelle vor, anstatt unterschiedliche Informationen in verschiedenen Dokumenten zu pflegen und vorzuhalten. Die Hauptziele dieses Ansatzes sind nach [17] eine Verbesserung der Kommunikation, die Erhöhung der Fähigkeit zur Verwaltung der Systemkomplexität sowie eine Steigerung der Qualität und ein verbessertes Wissensmanagement. Es existieren verschiedene Methoden, Tools und Sprachen zur Umsetzung der modellbasierten Systementwicklung. In dieser Arbeit wird der Cameo Systems Modeler von MagicDraw genutzt, der auf der Systemmodellierungssprache SysML basiert, einer standardisierten objektorientierten Sprache zur Beschreibung von Systemspezifikationen. Die gewählte Methode ist an den SYSMOD-Prozess angelehnt und wird detailliert in [18] beschrieben. Die grundlegenden Schritte der gewählten Methodik sind die Systemanalyse und der Systementwurf. Der in dieser Arbeit durchgeführte Analyseprozess wird in folgende Teilschritte gegliedert: • Spezifizieren der Systemidee und des Systemkontextes • Stakeholder- und Anforderungsanalyse • Anwendungsfall-Analyse Während des darauffolgenden Entwurfsprozesses werden die Systemstruktur und ihre Subsysteme durch Anwendung eines Top-Down-Ansatzes auf der Grundlage der Analyseergebnisse spezifiziert. Dazu gehört die Verifikation jeder Systemebene hinsichtlich der spezifizierten Anforderungen. Systemanalyse Die Entwicklung der Systemidee stellt den Einstieg in die Systemanalyse dar. In diesem Schritt werden die übergeordneten Ziele des Systems definiert und der Kontext Bild 1: System Kontext des Terminals Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 74 LOGISTIK Wissenschaft des Systems analysiert. Ein wesentliches Ziel des NGT CARGO-Konzepts ist der Transport von LDHV-Gütern auf der Schiene, unter Nutzung der vorhandenen Eisenbahnschieneninfrastruktur. Hierbei besteht die Hauptaufgabe des Terminals darin, die NGT CARGO-Fahrzeuge in bestehende und zukünftige Logistikketten für diese Art von Transporten zu integrieren. Aufgrund der hohen Anforderungen an Transportzeiten, Zuverlässigkeit und Kosten ist ein effektiver Umschlag zwischen den NGT CARGO-Fahrzeugen und anderen Verkehrsträgern unerlässlich. Durch die Analyse des Systemkontextes wurden eine Vielzahl an Akteuren und externen Systemen erkannt, die aktiv oder passiv mit dem Terminal interagieren. Das Terminal stellt die Schnittstelle von vier verschiedenen Kategorien von externen Systemen dar. Dabei handelt es sich um 1) Logistiksysteme, 2) Infrastruktursysteme, 3) andere Verkehrsträger oder zukünftige Transportsysteme, z. B. Seilbahnen oder Drohnen und 4) Produktionssysteme. Bei den Akteuren (symbolisch dargestellt als Strichmännchen) handelt es sich im Wesentlichen um Nutzer und Betreiber, die für den Güterumschlag mit verschiedenen Verkehrsträgern verantwortlich sind, wie z. B. Eisenbahnunternehmen oder Spediteure. Die einzelnen Verbindungslinien stellen jeweils Interaktionen zwischen dem Terminal sowie den externen Systemen oder Akteuren dar, die in Abhängigkeit von entsprechenden Ein- und Ausgängen Hinweise auf die erforderlichen Schnittstellen geben, z. B. den Austausch von datenbasierten Informationen zwischen dem Terminal und Logistikmanagementsystemen (Bild 1). Die Kontextanalyse stellt im Weiteren die Grundlage für die Identifikation der Stakeholder dar. Neben den Akteuren werden auch Personen oder Institutionen identifiziert, die generell von dem Terminal betroffen sind. Dazu gehören u.a. auch die Öffentlichkeit und die Entwickler selbst. Die wichtigsten Stakeholderkategorien sind: • Nutzer und Betreiber (Hauptakteure): - Verlader von potentiellen Gütern - Logistik-Dienstleister - Spediteur und Frachtführer (Straße, Schiene, andere) - Terminal- und Infrastrukturbetreiber (Straße, Schiene, Energie, Kommunikation) • Öffentlichkeit: - Genehmigungsbehörden, Kommunen, Anwohner - Verbände und Organisationen und Vereinigungen • Entwickler: - Forschung und Konzeptentwurf - Planungs- und Entwicklungsunternehmen sowie Subsystementwickler Jede Kategorie ist in weitere Unterkategorien unterteilt. Zur Übersichtlichkeit werden in der Liste nur die höchsten Ebenen dargestellt. Die Anforderungsanalyse beginnt mit der Erhebung der zentralen Bedürfnisse der identifizierten Stakeholder. Dazu wurden Literaturrecherchen und Interviews mit Vertretern der verschiedenen Kategorien durchgeführt, wobei sich auf die Hauptakteure (Nutzer und Betreiber) konzentriert wurde, die in erster Linie das Konzept des Terminals beeinflussen. Anschließend wurden diese Bedürfnisse in Stakeholder-Anforderungen übersetzt. Diese werden in die Systemanforderungen für das Terminal überführt, indem sie den Kategorien Funktion, Nutzbarkeit, Zuverlässigkeit, Leistung, physische und wirtschaftliche Anforderungen zugeordnet werden [18]. In Bezug auf den Transport von potentiellen Gütern, die vom NGT CARGO transportiert werden sollen, wurde bestätigt, dass die Grundbedürfnisse der Verlader übereinstimmen (dazu zählen: Zuverlässigkeit, Flexibilität, Planbarkeit, kurze Transportzeiten, Kosten und sorgfältige Handhabung). Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch ein breites Spektrum an güterspezifischen Anforderungen, die deren Handhabung, Behandlung und logistische Prozesse definieren. Im Gegensatz zu den anderen identifizierten, potenziellen Gütern unterliegen land- und forstwirtschaftliche Produkte, Lebensmittel, Getränke und Pharmazeutika strengen Anforderungen hinsichtlich der Einhaltung der Kühlkette. Die Anforderungen sind wiederum abhängig von der Art des Gutes. Z. B. wird für Obst und Gemüse nach [19] eine Transporttemperatur von 3 °C bis 12 °C gefordert. Dies erfordert unterschiedliche temperaturgeführte Lager- und Umschlagsbereiche im Terminal. Um Diebstahl, Zugriff und Austausch durch Dritte zu verhindern, müssen die Lager- und Umschlagbereiche von Arzneimitteln zusätzlich mit Zugangskontroll- und Alarmsystemen ausgestattet werden [20]. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass sich die Ladeeinheiten der potenziellen Güter in Abmessungen und Gewicht deutlich unterscheiden, insbesondere bei Sammelgut. Dies führt zu unterschiedlichen Funktions- und Nutzungsanforderungen an den Umschlag und die Lagerung der Güter und damit an den Automatisierungsgrad im Terminal. Mit Ausnahme der Güter, die in festen Ladeeinheiten wie Pakete oder Getränke auf Paletten transportiert wird, stellt sich heraus, dass die Prozesse in den derzeitigen Logistikterminals meist manuell durchgeführt und nur durch halbautomatische Ladetechnik und Verfolgungssysteme unterstützt werden. Die Ergebnisse legen nahe, diese Komplexität dadurch zu reduzieren, dass entweder die Liste der potenziellen Güter die im Terminal umgeschlagen werden, reduziert oder das Terminal in bestimmte Bereiche getrennt wird, so dass ähnliche Güter mit derselben Technologie und ähnlichem Automatisierungsgrad umgeschlagen werden können. Da sich Logistikdienstleister teilweise auf bestimmte Gutarten konzentrieren, existieren derzeit verschiedene Logistiknetzwerke für den Transport, z. B. Kurier-, Express- und Paketdienste und Stückgut. Mangels konkurrenzfähiger Angebote der Eisenbahnverkehrsunternehmen für KEP und Stückgut bzw. LDHV-Güter werden fast ausschließlich Straßenfahrzeuge als Transportmittel genutzt. Die Lage der bestehenden Terminals ist daher an die Straßeninfrastruktur angepasst und für die Be- und Entladung von Straßenfahrzeugen ausgelegt. Damit der Hochgeschwindigkeits-Schienengüterverkehr ein Teil der Logistikkette in diesen Netzen werden kann, z. B. der Hauptlauf, ist die Erreichbarkeit der Terminals für potentielle Spediteure ein wichtiges Kriteri- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 75 Wissenschaft LOGISTIK um. Darüber hinaus sind die Anforderungen an die Umschlagzeiten der potentiellen Güter im Vergleich zu heutigen Güterzügen extrem kurz und stark abhängig vom Logistiknetzwerk. Auf der Grundlage von Interviews mit Akteuren der Logistikbranche wird davon ausgegangen, dass auf Grund der Übernachtzustellung in Deutschland eine Umschlagszeit am Terminal von weniger als einer Stunde erforderlich ist. Durch die begrenzte Kapazität und die engen Zeitpläne im Eisenbahnbetrieb für die gemischten Strecken und den Hochgeschwindigkeitsverkehr [21] wird deutlich, dass die im Terminal stattfindenden Prozesse sehr strukturiert und effizient sein müssen. Dies erfordert die Planung der ein- und ausgehenden Fahrzeuge, die Zuweisung und Reservierung von Umschlagflächen für alle Fahrzeuge, die entsprechende Abschätzung von Umschlagzeiten und Lagerflächen sowie zuverlässige Verfolgungs- und Sortierprozesse. Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse lassen erkennen, wie potenzielle Logistikketten mit der Schiene als zentralem Transportmodus auf der Grundlage der derzeitigen Transportnetze für diese Art von Gütern gestaltet werden können. Dazu gehören auch vertiefende Untersuchungen zur Optimierung der Standorte für die Terminals. Insgesamt wurden 50 Top-Level-Anforderungen identifiziert und in dem entwickelten Systemmodell dokumentiert. Die spezifischen Leistungsanforderungen, wie z. B. die Umschlags- und Lagerzeiten und -mengen, konnten nicht allgemein definiert werden, da sie stark von den jeweiligen Transportbeziehungen abhängen. Eine mögliche Lösung ist ein modularer Aufbau des Terminals, der auf die geforderten Leistungsanforderungen skaliert werden kann. In der anschließenden Anwendungsfall-Analyse werden die funktionalen Anforderungen detailliert, um die wesentlichen Funktionen des Terminals zu spezifizieren. Ein Anwendungsfall beschreibt eine bestimmte Aufgabe, die von einem System bereitgestellt wird und bezieht sich auf einen oder mehrere Stakeholder. Insgesamt wurden 23 wesentliche Anwendungsfälle identifiziert, welche mit der Be- und Entladung von Straßen- und Schienenfahrzeugen, dem Management von Güterströmen sowie dem Rangieren von Schienenfahrzeugen im Terminal im Zusammenhang stehen. Bild 2 zeigt exemplarisch einige dieser Anwendungsfälle. Durch den systematischen Analyseprozess ergibt sich ein strukturierter Überblick über die einzelnen Aufgaben die vom Terminal ausgeführt werden müssen und identifiziert redundante Funktionen. Diese Analyse schärft das gemeinsame Verständnis für das Terminal, indem die Hauptfunktionen gruppiert und visualisiert werden. Dabei können missverständliche Anforderungen und fehlende Spezifikationen frühzeitig erkannt werden. Anschließend werden die einzelnen Schritte, die für jeden Anwendungsfall durchgeführt werden müssen, durch die Implementierung entsprechender Aktivitäten im Systemmodell spezifiziert. Diese Aktivitäten beschreiben definierte Abläufe und können Objekte enthalten, die generiert, weitergegeben werden oder einbzw. austreten. Dabei handelt es sich unter anderem um physische Objekte, wie Ladeeinheiten, Fahrzeuge oder Bild 3: Aktivitätsdiagramm „Eingehende Frachtströme planen“ Bild 2: Anwendungsfall-Diagramm für den Terminal-Operator Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 76 LOGISTIK Wissenschaft Bild 4: Aktivitätsdiagramm zur Beschreibung der grundlegenden Systemprozesse auch Daten. Exemplarisch ist in Bild 3 die Aktivität, die den Anwendungsfall „Eingehende Frachtströme planen“ spezifiziert, dargestellt. Im übergeordneten Aktivitätsdiagramm werden die im Terminal stattfindenden Systemprozesse der obersten Ebene strukturiert und visualisiert (Bild 4). Hierbei werden die Anwendungsfälle durch entsprechende Aktivitäten abgebildet. Es können Bereiche erkannt werden, in denen spezifische Aktivitäten und Anwendungsfälle stark miteinander verbunden sind. Der zentrale Teil des Diagramms umfasst das interne Management und die Verfahren, die sich um die Handhabung, Sortierung und Lagerung der Güter kümmern. Es wird deutlich, dass für die Koordination dieser internen Terminalprozesse eine Vielzahl von Informationsflüssen notwendig ist. Auf der linken Seite sind Prozesse gebündelt, die sich mit der Be- und Entladung von Straßenfahrzeugen befassen, während auf der rechten Seite Aktivitäten im Zusammenhang mit Eisenbahnfahrzeugen stattfinden. Das Aktivitätsdiagramm kann als eine Art funktionale Architektur betrachtet werden, die die wesentlichen Systemfunktionen durch Objektflüsse strukturiert und miteinander verbindet. Somit wird die technologieunabhängige Beschreibung des Terminals ermöglicht, was den letzten Schritt dieser Systemanalyse darstellt. Zusammenfassung und Ausblick Mit Hilfe der MBSE-Methodik konnten die komplexen Zusammenhänge in einem Logistikterminal für den Hochgeschwindigkeitsgüterverkehr am Beispiel des NGT Cargo durchdrungen und systematisiert dargestellt werden. Die durchgeführte Kontextanalyse erfasst die Systemabhängigkeiten in Lieferketten und ordnet das Terminal darin ein, wodurch unterschiedliche Perspektiven auf das Terminal hervortreten. Die Analyse hob zudem die Vielfalt der potenziellen Nutzer und Betreiber hervor, darunter Verlader, Logistikdienstleister, Eisenbahn- und Infrastrukturunternehmen sowie Spediteure und Transporteure anderer Verkehrsträger. Der Austausch mit Vertretern von Logistikdienstleistern verdeutlichte die Komplexität der gegenwärtigen Logistikketten, die u. a. LDHV-Güter transportieren. Anschließend wurden die Bedürfnisse der potentiellen Hauptnutzer und Betreiber abgeleitet und in funktionale Anforderungen überführt. Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 77 Wissenschaft LOGISTIK Es zeigte sich, dass die Integration eines intermodalen Terminals zur Verlagerung des Hauptlaufs von der Straße auf die Schiene mit hohen Anforderungen an Erreichbarkeit, Umschlagszeiten, Kosten und Zuverlässigkeit des Terminals verbunden ist. Insbesondere Sammelgüter und LDHV-Sendungen im Business-to-Business- Bereich sind in Bezug auf Masse und Handling-Anforderungen nicht standardisiert und zeichnen sich durch eine große Varianz aus. Dies erschwert die Ableitung von standardisierten Umschlagtechnologien sowie die Möglichkeiten zum automatisierten Handling. Insgesamt wurden 50 Top-Level-Anforderungen abgeleitet, die das Terminal spezifizieren. Aufgrund der Vielfalt der Stakeholder musste jedoch die Anzahl der Interviews für die dargestellte Analyse eingeschränkt werden, so dass nur mit einer relevanten Auswahl von Vertretern in Kontakt getreten wurde, um in die Diskussionen über zukünftige Transportsysteme zu gehen. Die Ergebnisse der Methodik der Anforderungsanalyse hängen demnach stark von der individuellen Expertise und Anzahl der befragten Stakeholder ab. Durch die Anwendungsfallanalyse wurden die funktionalen Anforderungen verfeinert und Widersprüche aufgedeckt. Dabei wurden die funktionalen Anforderungen in konkrete Anwendungsfälle überführt und 23 Hauptaufgaben identifiziert, die im Terminal ablaufen. Durch die Verknüpfung dieser Aufgaben wurde ein Aktivitätsdiagram abgeleitet, welches eine technologieunabhängige Spezifikation des Terminals darstellt. Ausgehend von dieser Beschreibung sollen in weiteren Untersuchungen physikalische Elemente identifiziert werden, die die entsprechenden Aktivitäten realisieren. Dabei werden die funktionalen Anforderungen in eine physische Architektur des Terminals umgesetzt. Neben Lösungen für den Güterumschlag stellt die (Zwischen)Lagerung der unterschiedlichen Güter (insbesondere unter Berücksichtigung der Temperaturführung) einen weiteren Forschungsschwerpunkt dar. Zur Verifizierung des physikalischen Entwurfs auf der Grundlage der identifizierten Leistungsanforderungen sollen Simulationsmodelle entwickelt werden, wodurch das Systemverhalten hinsichtlich des Materialflusses und/ oder technischen Abläufe berechnet werden können. ■ LITERATUR [1] European Commission (2012 ): Energy Roadmap 2050. Luxembourg. [2] United Nations Framework Convention on Climate Change (2015): Adoption of the Paris Agreement. 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Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, Forschungsfeld Fahrzeugarchitekturen und Leichtbaukonzepte, Stuttgart gregor.malzacher@dlr.de Andrei Popa, Dipl.-Wirtsch.-Ing (FH), M.A. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr, Abteilung Flughafenforschung, Braunschweig andrei.popa@dlr.de Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 78 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie Kontaktarme Mobilität an Flughäfen und Bahnhöfen Analyse der Prozesskette am Beispiel der Flugreise vor dem Hintergrund gestiegener Infektionsrisiken Flughafen, öffentlicher Verkehr, Bahnhof, Passenger Journey, Reisekette, Terminal, Hygiene, Coronavirus Im Zuge der Covid-19-Pandemie wurden in vielen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen neue Regelungen zur Minimierung von Infektionsrisiken getroffen. Im Personenverkehr ist die komplette Reisekette zu betrachten. Als Referenz werden deshalb die An- und Abreise per ÖV und deren intermodale Verknüpfung mit dem Luftverkehr gewählt. Damit sollen hier sowohl die unterschiedlichen Bedingungen und Lösungsansätze als auch die mögliche Übertragbarkeit von Erkenntnissen und Maßnahmen zwischen Flughäfen und Bahnhöfen aufgezeigt und diskutiert werden. Uwe Clausen, Heinrich Frye, Katrin Scholz, Wolfgang Inninger, Harald Sieke, Lars Mehrtens, Oliver Ditz, Nadine Mücklich F lughäfen und Bahnhöfe sind unverzichtbare Elemente multimodaler Reiseketten. Die Covid- 19-Pandemie hat das Mobilitätsverhalten signifikant verändert. Dort wo oft eine große Anzahl von Menschen zusammenkommt, ist das Risiko der Übertragung des Virus SARS-CoV-2 erhöht. Wenn sich viele Reisende in Fahr- oder Flugzeugen befinden oder dicht beieinander in geschlossenen Räumen aufhalten, treffen mehrere der vom Robert-Koch-Institut genannten Risikofaktoren zu [1]. Reisekette und Motivation In einem internen Projekt des Fraunhofer- Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) 1 haben die Autoren dieses Beitrages potentielle Maßnahmen entlang der Reisekette von bzw. zu Flughäfen mit zu- und abgehendem Passagierverkehr, insbesondere Bahnverkehr, aufgezeigt. Vor dem Hintergrund des Projektziels wurden Zusammenhänge einer aus viraler Sicht sicheren Mobilität im Hinblick auf Wirkung, Wirtschaftlichkeit und Effizienz analysiert (Bild-1). Stand von Wissenschaft und Technik Zusätzlich zu Gesetzen, Richtlinien und offiziellen Anleitungen wie z. B. die Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) [2], dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) [3], sowie Informationen der Europäischen Kommission und des Robert-Koch Instituts (RKI) [4], existieren im Kontext von Logistik und Mobilität relevante Studien zu Katastrophenlogistik, Resilienz und Health Care sowie zur Ausbreitung und zu generellen Maßnahmen bei Pandemien diverse Übersichtsstudien. Szenarien beziehen sich auf Notfallversorgungsketten unter Annahme konventioneller gesetzlicher Maßnahmen [5]. Grundlagenarbeiten zur spezifischen Rolle von Flughäfen bei der Übertragung von Infektionen sind von 2012 bis 2018 zu verzeichnen [6]. Neben der Lokalisierung potentieller Infektionspunkte werden Kontrollprinzipien und Desinfektion thematisiert. Trotz weltweit standardisierter Luftverkehrsprozesse sind die epidemiologischen Maßnahmen lokal und national unterschiedlich [6]. Nach massiven Rückgängen im 1. Halbjahr 2020 entwickeln verschiedene Akteure individuelle Strategiepläne zum „Wiederhochfahren des Luftverkehrs“. Diese berücksichtigen Leitlinien der WHO und behördliche Vorgaben, die sich bedingt durch neue Erkenntnisse über das Virus, durch „Lessons-Learned“ im Verkehr, in der Wirtschaft und Wissenschaft sowie den starken Wunsch, Mobilität und wirtschaftliche Tätigkeit wieder zu ermöglichen, in dynamischen Veränderungsprozessen befinden. Es wurden sowohl von der internationalen zivilen Luftfahrtorganisation (ICAO) [7], der europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) [8], der internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA [9], und dem internationalen Dachverband der Flughäfen (ACI) [10] relevante Handlungsempfehlungen herausgegeben, die u. a. Empfehlungen für Flughäfen bezüglich Zugangsbeschränkungen enthalten oder zusätzliche Hygienemaßnahmen, Abstandsregeln, Warteschlangenreduktion, die Minimierung der Oberflächenkontakte oder elektronische Alternativen zur Prozessoptimierung im Sinne der Kontaktvermeidung thematisieren. Leitlinien zum Gesundheitsschutz nutzen bewährte Methoden des Sicherheits- und Qualitätsmanagements im Luftverkehr-[8]. Quellen, Reglementierungen und Sicherheitskonzepte, die Pandemien und insbesondere Covid-19 betreffen, liegen für Flughäfen detaillierter und umfassender als für Bahnhöfe und den öffentlichen Verkehr vor. Bild 1: Inhalt und Zielsetzung Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 79 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT Für Bahnhöfe und Anlagen sowie Verkehrsmittel des ÖV liegen Sicherheits-, Brandschutz- und Notfallkonzepte vor, die hauptsächlich der Evakuierungsplanung und Fluchtwegberechnung dienen und Werte zu maximalen Personendichten enthalten [11- 14]. Zudem veröffentlicht der VDV aktuelle Hygieneregeln, Merkblätter für Mitarbeiter und Fahrgäste im ÖPNV, Empfehlungen und Stellungnahmen für ihre Mitglieder bezüglich der Pandemie [15]. Abgrenzung des Untersuchungsfelds Das Untersuchungsfeld der Studie umfasst grundsätzlich Flughäfen, Bahnhöfe, deren Anbindung untereinander und die Zugänge des öffentlichen wie des Individualverkehrs. Einzelhandel und Gastronomie spielen besonders an Flughäfen und Bahnhöfen eine große Rolle, werden aber hier nur mit Bezug auf die Reisekette betrachtet. Für Untersuchungen zur kontaktarmen Mobilität an Flughäfen wird die Reisekette einschließlich der An- und Abreise betrachtet und ein besonderes Augenmerk auf die intermodale Verknüpfung von Luftverkehr und An- und Abreise mit der Bahn gelegt. Bei der Übertragbarkeit von Erkenntnissen und Maßnahmen von Flughäfen auf Bahnhöfe (oder umgekehrt) sind dabei Unterschiede bei verschiedenen Prozessen, aber auch aufgrund unterschiedlicher Funktionalitäten, Zugänge, der Lage im Netz, den Grundrissen und bei spezifischen Planungsparametern zu beachten. Der Fokus bei den Untersuchungen liegt auf Personenbahnhöfen und den für Passagiere zugänglichen Teilen von Flughäfen. Für die Maßnahmenentwicklung sind besonders die Prozesse vor und während der Reise, in den Flughafenarealen, auf Bahnhofsgeländen sowie deren Zu- und Abflüsse relevant. Untersucht wird vor allem, ob und wie stark sich die Abstands- und Hygienemaßnahmen und der steigende Flächenbedarf bei begrenztem Areal prozessverzögernd auf die Leistungsfähigkeit der Reisekette auswirken. Lösungsansätze Flughafen Die kritischen Bereiche und Lösungsansätze an Flughäfen werden nachfolgend entlang der Reisekette vorgestellt, die mit der Vorbereitung der Reise bis zum Abflug beginnt und mit der Rückreise nach Landung endet (vgl. Bild 2). Der Reiseabschnitt Flughafen wurde gewählt, um mögliche Maßnahmen in einem komplexen aber auch weitgehend standardisierten und im Detail reglementierten Umfeld zum Vergleich und als mögliche Muster für den ÖV aufzuzeigen. Abstandsregeln Die zentralen Maßnahmen an Flughäfen zur Vermeidung von Infektionen sind die Maskenpflicht und Abstandsvorgaben. Diese sind nicht unabhängig voneinander. Die Maske ist zwingend, wenn der Abstand aufgrund räumlicher Gegebenheiten und der Prozesse nicht eingehalten werden kann. Abstandsvorgaben berücksichtigen, dass eine Maskenpflicht besteht. Bereits vor der Corona-Pandemie waren die Abfertigungsprozesse immer wieder in den Spitzenzeiten hoch ausgelastet, so dass regelmäßig Verzögerungen und Warteschlangen auftraten. Davon betroffen sind vor allem Check-in, Gepäckaufgabe, Sicherheits- und Passkontrollen sowie das Ein- und Aussteigen. Neu eingeführte Abstandsregelungen sowohl seitlich als auch in der Tiefe der Wartebereiche bewirken, dass die für Spitzen zur Verfügung stehenden Flächen weniger effizient genutzt werden können (vgl. Bild 3). Zugangsbegrenzung Flughafenterminals sind öffentlich zugänglich. Trotzdem kann es die Einhaltung der Abstandsregeln erfordern, die Anzahl der Personen in Terminalbereichen zu beschränken. Hierfür sind die Personendichte bzw. -anzahl zu erfassen und entsprechende Informationen oder regulierende Freigaben vorzugeben. Oder es kann der Zutritt auf Passagiere und Flughafenpersonal beschränkt werden. Wenn Temperaturkontrollen angeordnet werden, sollten diese sowohl für Passagiere als auch für Flughafenmitarbeiter vor Eintritt ins Terminal durchgeführt werden. Wege und Flächen Innerhalb der Terminals wird eine Passagierführung angestrebt, die die physische Distanzierung maximiert und das Kreuzen Bild 2: Reisekette Flughafen Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 80 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie von ein- und ausreisenden Passagierströmen sowie von Warteschlangen vermeidet. Kurzfristig ist dies durch entsprechende Bodenmarkierungen und Tensatoren umsetzbar, wobei zur Kontrolle und Aufsicht zusätzliches Personal eingesetzt wird. Mittelfristig wird es möglich sein, über Sensorik eine effiziente Warteschlangensteuerung und eine angepasste Passagierflusssteuerung zu realisieren, die Passagiere auslastungsabhängig mittels Information per App und Monitor durch die Abfertigungsbereiche routet. So kann eine gleichmäßige Auslastung der Abfertigungsbereiche und eine Verkürzung der Warteschlangen erzielt werden, um unkontrollierte gedrängte Situationen am überlaufenden Schlangenende zu verhindern [16]. Check-in/ Gepäckaufgabe Für Check-in und Gepäckaufgabe gibt es bereits ausgereifte und kontaktminimierende Self-Service-Lösungen wie der Online- Check in, Self-Check-in- und Bag-Drop Automaten. Statt über Touchscreens sollen die neuen Generationen der Automaten zudem berührungslos bedient werden können. Auf die zu bevorzugende Nutzung muss verstärkt im Terminal aber auch vor Antritt der Reise hingewiesen werden. NFC-Technologien und QR-Codes bieten die Möglichkeit, bei Selbstbedienungskonzepten auf die Eingabe per Touchscreen zu verzichten und stattdessen per App oder Browser die Eingabe auf dem eigenen mobilen Endgerät durchzuführen. Der konsequente Einsatz von Electronic Bag-Tags ermöglicht es, einen Großteil des Gepäckabgabeprozesses bereits vor der Anreise zum Flughafen durchzuführen und somit die Abfertigungszeiten am Schalter bzw. am Automaten je Passagier weiter zu verkürzen und kontaktärmer zu gestalten. Personell besetzte Schalter sollten nur als letztes Mittel genutzt werden, um die Gefährdung von Mitarbeitern durch hohe Interaktionshäufigkeit mit Passagieren und untereinander zu minimieren. Die Schalter sind außerdem mit durchsichtigem Spuckschutz versehen. Security Sicherheitskontrollen zählen zu den größten Engpässen, da zur Einhaltung der Abstandsregeln in dem bestehenden Aufbau nicht alle Kontrollstellen gleichzeitig nutzbar sind. Für Passagiere stellen Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle oft einen Stressfaktor dar. Mittelfristig kann der Einsatz von CT-Scannern von Vorteil sein, da ein Auspacken der Flüssigkeiten und elektronischer Geräte entfällt. Mithilfe von Sensoren, welche die Auslastung einer Warteschlange erkennen, kann eine dynamische Öffnung und Schließung zusätzlicher Sicherheitskontrollstellen ausgelöst bzw. Passagiere zu weniger ausgelasteten Sicherheitskontrollstellen gelenkt werden. Die Information wird über Monitore angezeigt. Zusätzlich ist es möglich, diese Informationen in Flughafen- und ÖPNV-Planer-Apps anzuzeigen und in die Routenplanung zu integrieren. So können Passagiere bereits vor Abfahrt zu Hause längere Wartezeiten einplanen und im Flughafen direkt die schnellste Sicherheitskontrolle ansteuern. Grenzkontrolle Abflug Für die Ausreisekontrolle sind mit der automatisierten Passkontrolle (APC) bereits biometrische Verfahren und Technologien im Einsatz, welche automatisiert einen hohen Durchsatz unter Einhaltung der Abstandsregeln gewährleisten. Bei personellen Kontrollen ist das Kontrollpersonal durch Scheiben geschützt. Die abstandsgerechte Zuführung ist per Tensatoren zu steuern. Retail Einzelhandel und Gastronomie sind für Flughafenbetreiber wirtschaftlich wichtig. Individuelle Hygienekonzepte ermöglichen einen Betrieb nach den jeweiligen Vorgaben. Der Einsatz von Sensorik zur Zugangsbegrenzung kann auch hier effizient die Einhaltung der zulässigen Auslastung der Flächen sicherstellen. Boarding Der Boarding-Prozess ist ein weiterer Engpass, wobei Boarding-Verfahren grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaften liegen. Boardingkonzepte sind zu bevorzugen, bei denen sich die Wege der Passagiere möglichst auch im Flugzeug wenig kreuzen. Mögliche Verfahren des Gate- Boarding sind: • Boarding nach Sitzreihen von hinten nach vorne • Boarding nach Fenster - Mitte - Gang • Kombination mit „Walk-Boarding“ für den hinteren Teil des Flugzeugs Der Einsteigeprozess selbst kann per Self-Boarding erfolgen. Um die seitlichen Abstände einhalten zu können, sind entweder QBC’s (Quick Boarding Counter) zu deaktivieren, die Schlangen versetzt zueinander aufzustellen oder die Spuren durch Scheiben zu trennen. „Passenger Education“ mit konsequenter Umsetzung des Boardingkonzeptes kann helfen, um unnötige Schlangenbildungen zu vermeiden. Problematischer ist Remote-Boarding, bei dem Passagiere mittels Bussen zum Flugzeug gebracht werden. Dies betrifft sowohl die Reihenfolgethematik als auch die Abstände in Bussen. Ankunft Nach Ankunft eines Fluges sind entsprechend der Passagiergruppen die Verfahren des De-Boarding einzusetzen. Um eine zu hohe Auslastung der Flächen bei der Gepäckausgabe zu vermeiden, ist ein verzögertes De-Boarding für Passagiere mit aufgegebenem Gepäck eine wirksame Lösung. Damit wird erreicht, dass die Passagiere weniger Zeit am Gepäckausgabeband verbringen. Grenzkontrolle Ankunft Für die Einreisekontrolle werden die Verfahren und Technologien wie bei der Ausreisekontrolle eingesetzt. Ergänzend sind abhängig von Nationalität und Herkunft spezifische Kontrollen und gegebenenfalls Gesundheitschecks oder Datenerfassungen notwendig. Digitalisierung Die Einführung oder verstärkte Nutzung von digitalen Anwendungen ist nicht nur ein Vorteil im Falle des längeren Aufrechterhaltens der Maßnahmen oder einer zweiten Welle. Der technologische Fortschritt Bild 3: Schlangenführung per Tensatoren, die seitlichen Abstand sicherstellen Foto: Lars Mehrtens / Fraunhofer IML Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 81 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT und die damit erzielbare Transparenz und Effizienz liefern langfristig einen Mehrwert für die Flughafenbetreiber für die Verbesserung der Prozesse und der Infrastruktur. Lösungsansätze Bahnhöfe und ÖV In der Prozessbetrachtung entlang der Reisekette im zu- und abgehenden Bahnverkehr wurden die folgenden kritischen Bereiche und Lösungsansätze in Bahnhöfen identifiziert. Wege und Flächen In den Kreuzungsbereichen von Warteflächen und Hauptachsen, die von den ankommenden und abfahrenden Fahrgästen genutzt werden, ist es schwer, die Abstandsregeln einzuhalten, da hier Fußgängerströme in kurzer Zeit direkt aufeinandertreffen. Eindeutige Wegeführungen, klare Kennzeichnung von Flächen am Boden und das Begrenzen der Aufenthalte von Personen ohne Fahrtabsicht/ Fahrwunsch können hier Abhilfe schaffen. Zugangsbegrenzung Grundsätzlich ist es für die Einhaltung der Abstandsregeln hilfreich, die Anzahl der Personen im Bahnhofsareal zu begrenzen. Der Zutritt sollte auf Fahrgäste und Zugbzw. Bahnhofspersonal begrenzt werden. Abholer und Personen ohne Beförderungsabsicht sollen sich außerhalb des Bahnhofsareals aufhalten. Angebote der Gastronomie und des Verkaufs sollten falls erforderlich entsprechend des jeweiligen Flächenangebots begrenzt werden. Trennung Ströme Das Aufeinandertreffen von aussteigenden und wartenden Fahrgästen auf Bahnsteigen ist kritisch, da die Flächen zwischen den Bahngleisen abhängig vom Fahrgastaufkommen mit Umsetzung der Abstandsregelungen knapp werden oder nicht ausreichen. Eine zeitliche Trennung der Ströme ist nicht sinnvoll, da sie zu verlängerten Standzeiten der Verkehrsmittel führt. Zur Anwendung kommen deshalb nur räumlich trennende Maßnahmen wie z. B. Bodenmarkierungen für eindeutige und richtungsgenaue kreuzungsfreie Wegeführung, die Kennzeichnung von Wartebereichen, Abstandsflächenmarkierungen in den Wartezonen auf den Bahnsteigen oder auch Apps zur Trennung der Fußgängerströme. Füllungsgrad Vor Betreten der Bahnsteige sollen Informationen hinsichtlich Füllungsgrad der Züge, Wagenreihung, Verspätungen und organisatorische Maßnahmen gegeben werden. Aktuelle Informationen zur prognostizierten Auslastung von Zügen und Wagen, aber auch Bussen, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen, können über Displays an den einzelnen Wagen bzw. Einheiten aber auch per Apps mitgeteilt werden. Notwendig sind hierzu Digitalisierungsmaßnahmen wie z. B. die Erfassung der Personendichte über Bildauswertung oder Apps, Prognose des Fahrgastaufkommens und Informationsweiterleitung in Echtzeit. Kontaktlose Reisekette Maßnahmen zur kontaktarmen oder -freien Mobilität sind berührungsloses Bezahlen, automatisches Öffnen und Schließen der Türen an Haltestellen, kontaktlose Ticketkontrolle, Onlineverkauf von Tickets mit Sitzplatzvergabe nicht nur im Fernverkehr. Kontaktlose Check-in-/ Check-out-Systeme wären ideal, erfordern aber hohe Umrüstungsaufwände. In Ein- und Ausgangsbereichen sind sensorgesteuerte Türen manuellen Türen vorzuziehen. Bei den meisten Lösungen wird nicht nur die Ansteckungsgefahr durch Berührung vermieden, sondern auch der Durchsatz erhöht. Masken Aufgrund von Enge- und Stresssituationen insbesondere für Umsteiger auf Anschlusszüge an Bahnhöfen ist davon auszugehen, dass nicht immer und in allen Bereichen die Abstandsregeln von 1,5 m einzuhalten sind. Deshalb ist neben der Handhygiene und dem Einhalten von Husten- und Niesregeln das Tragen einer geeigneten Mund- und Nasenbedeckung im gesamten Bahnhofsareal auch bei Einhaltung der Abstandsregeln verpflichtend [15, 17]. Entsprechend dem aktuellen wissenschaftlichen Stand hinsichtlich der Übertragung des Coronavirus sind die Maßnahmen und Vorgaben laufend anzupassen [18, 19]. Aufgrund nicht ausreichender Flächen in Bahnhöfen sollten im Falle notwendig werdender Gesundheitschecks der Fahrgäste und Mitarbeiter diese generell vor dem Bahnhof vorgesehen werden. Sollten wissenschaftliche Studien eindeutige Hinweise für eine erfolgreiche Immunisierung von Covid-19-Patienten oder Geimpften geben, ist eine Trennung der Ströme ausgewiesen immunisierter Fahrgäste von nicht immunisierten Risikogruppen denkbar, als Gesundheitsschutzmaßnahme und für höhere Durchsätze. Öffentliche Verkehrsmittel im Zu- und Abfluss Bus Im Busverkehr wurden sehr schnell nach Ausbruch der Pandemie Schutzmaßnahmen für Fahrer bspw. mittels Plexiglasscheiben eingeführt und das Einsteigen von vorne nach hinten verlegt. Der zunächst eingeschränkte Ticketverkauf wurde inzwischen ebenso wie die Ticketkontrolle wieder voll eingeführt. Alle Fahrgäste müssen im Bus und während des Ein- und Ausstiegs eine wirksame Mund- und Nasenbedeckung tragen. Eine Durchlüftung des Innenraums ist regelmäßig vorzusehen, falls erforderlich ist entsprechende Klimaanlagentechnik einzusetzen bzw. nachzurüsten. Die regelmäßige Reinigung und Desinfizierung der Innenräume, der Flächen sowie der Haltestangen soll in kurzen Intervallen erfolgen. Dies beeinträchtigt jedoch die Prozesszeiten. Um Abstandsregeln an den Haltestellen einhalten zu können, sind dezentrale Wartebereiche je Buslinie denkbar, die entsprechend mit Hinweisschildern gekennzeichnet sind. Um Nachfragespitzen bei verlängerten und zusätzlichen Prozesszeiten bedienen zu können, sind der Einsatz von Verkehrsmitteln mit höheren Beförderungskapazitäten, Taktverdichtungen und der Bedarf zusätzlicher Beförderungsmittel zu prüfen. Zug In Zügen sollen Vorgaben zu Abstands- und Hygieneschutzregeln sowie der Pflicht, Mund- und Nasenbedeckung zu tragen, gut erkennbar angebracht werden. Das Tragen der Mund- und Nasenbedeckung ist während der gesamten Fahrt verpflichtend, da die Einhaltung der Abstandsregeln durch die Breite des Fahrgastinnenraums und der Durchgänge kaum konsequent umzusetzen ist. Möglichkeiten des Kaufs von Masken, auch über Automaten, sollten im Bahnhofsbereich aber auch in den Zügen angeboten werden. Das Personal soll kontinuierlich die Umsetzung der Regelungen in den Zügen kontrollieren und notfalls mithilfe der Ordnungsbehörden ahnden. Sanitäre Einrichtungen, Türdrücker, Haltestangen, Griffe und Türöffner sind in Zügen ausreichend oft zu reinigen, desinfizieren und durchlüften. Zur eigenen Verwendung durch die Fahrgäste sollen Reinigungs- und Desinfektionsmittel bereitgestellt und regelmäßig aufgefüllt werden. Reservierung/ Begrenzung der Auslastung Um bei höherer Nachfrage die Abstandsregeln einhalten zu können, ist eine Reduzierung der Fahrgäste durch Begrenzung der verkauften Tickets möglich, in Fernzügen mit Sitzplatzreservierung. Ansteigende Beförderungsnachfrage erfordert erhöhte Beförderungskapazitäten, also zusätzliche Wagen oder Zugteile. Echtzeitbasierte Apps oder Anzeigen zur prognostizierten Auslas- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 82 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie tung an den jeweiligen Wagen von außen gut erkennbar, helfen, eine gleichmäßige Auslastung über alle Wagen zu erreichen, und bieten Fahrgästen der Risikogruppen die Möglichkeit, auf weniger stark nachgefragte Züge oder Verkehrsmittel umzusteigen. Statt Speisewagen können Getränke und Speisen vom Servicepersonal verpackt am Sitzplatz verkauft werden. Online-Bestellungen zum Sitzplatz und kontaktlose Bezahlung wären alternativ oder ergänzend möglich. Der kontaktlose Komfort-Check- In, der bereits in allen ICE in Deutschland angeboten wird, sollte auf alle Zugangebote ausgeweitet werden. Alternativ sind in EC, IC und Regionalzügen kontaktfreie Ticketkontrollmöglichkeiten anzubieten. Straßenbahn/ U- und S-Bahn In Straßenbahnen sowie U- und S-Bahnen ist auf Abstands- und Hygieneregeln hinzuweisen. Klar gekennzeichnete Ein- und Ausstiegsregeln sowie Desinfektionsmittel in den Einstiegsbereichen helfen, diese umzusetzen. Da jedoch aufgrund von Nachfragespitzen und Stresssituationen in Pendlerzeiten die Abstandsregeln nicht immer strikt eingehalten werden können, ist das Tragen der Mund- und Nasebedeckung während des Ein- und Ausstiegs und der gesamten Fahrzeit Pflicht. Regelmäßige Kontrollen unterstützen die Einhaltung. Die planerische maximale Stehplatzdichte von vier Personen je Quadratmeter im ÖPNV [20, 21, 22] sollte zudem auf Grundlage der jetzigen wissenschaftlichen Erkenntnisse für Pandemiezeiten zwingend überdacht werden. Kontaktlose An- und Abreise Kontaktlose Ticketautomaten und kontaktarme bis hin zu kontaktfreien Kontrollprozessen, digitale Fahrgasterfassung und Prognose, elektronische Tickets mit Zugangskontrolle a la Oyster Card (GB) [23] mit digitaler Abbuchung des Fahrpreises entsprechend der Ein- und Ausstiegsstelle sind nur einige denkbare und erforderliche Digitalisierungslösungen, die dringend und zügig umgesetzt werden sollten, um nachhaltig den Service im öffentlichen Verkehr zu verbessern und zukünftig für Pandemiesituationen besser gerüstet zu sein. Diskussion und Fazit Die Umsetzung von Hygienemaßnahmen, Spuckschutz, die Nutzung von Mund- und Nasenbedeckung, Vermeidung von zu geringen Abständen sowie erhöhte Reinigungszyklen in öffentlichen Verkehrsmitteln und öffentlich genutzten Räumen, die einen erhöhten Personendurchsatz haben, sind wichtig und finden grundsätzlich Akzeptanz. Beobachtungen zeigen, dass die Akzeptanz von digitalisierten Prozessen im Flugverkehr insgesamt höher ist als in öffentlichen Räumen und anderen Bereichen der Mobilität. Das Interesse und die Akzeptanz sinnvoller und sicherer Lösungen werden erhöht, wenn die Notwendigkeit transparent und deutlich wird. Abstandsregelungen von 1,5 m sind im öffentlichen Verkehr, beispielsweise in vielen Verkehrsmitteln des Regionalverkehrs, in S- und U-Bahnen sowie bei Umsteigesituationen auf den Bahnsteigen, auf Treppen oder in teilweise engen Durchgängen nicht einzuhalten. Kapazität, Durchsatz und Flächenbedarf Vergleicht man die durchschnittlichen Flächenwerte, welche die IATA in ihrem ADRM [24] empfiehlt, mit Flächenanforderungen, die durch die 1,5-m-Abstandsregel entstehen würden, besteht im Schnitt ein annähernd doppelter Flächenbedarf 2 . Im ÖV sind die Planungswerte der Personendichte je Quadratmeter insbesondere zu stark nachgefragten Zeiten deutlich höher als an Flughäfen. Anstelle einer Abstandsregel wurde frühzeitig in Deutschland der Mund-Nasenschutz verpflichtend gemacht, denn benötigte Flächen wären rechnerisch besonders gestiegen und die Kapazität verfügbarer Transportgefäße stark gesunken. Einen großen Prozessengpass am Flughafen stellt die Sicherheitskontrolle dar. Hier rechnet beispielsweise der Flughafen München mit einer Reduktion des Durchsatzes von bis zu 30 %. Derartige Änderungen des Durchsatzes der Prozesse sind im ÖPNV nicht zu erwarten, da aufwändige Sicherheits- und Grenzkontrollen, wie sie am Flughafen durchgeführt werden, hier nicht vorhanden sind. Nur der Ein- und Ausstieg bei kurzen Haltezeiten kann auch beim ÖPNV kritisch sein. Die Angst vor Ansteckung durch Bedienung der Fahrkartenautomaten könnte mehr Nutzer zum Kauf digitaler Fahrkarten bewegen, was Warteschlangen an Fahrkartenautomaten verringern würde. Nicht alle Flughäfen werden den erhöhten Prozessaufwand durch zusätzliche Abfertigungskapazitäten und Flächen für Wartebereiche ausgleichen können. Ein Lösungsansatz, vorhandene Flächen besser zu nutzen kann hier das „Digital Queuing“ [25] sein und eine optimale Auslastung aller Warteschlangen durch entsprechende Verteilung und Zuweisung. Insgesamt ist in der Folge zu befürchten, dass bei geringeren Durchsatzzahlen der Fahrgäste und Passagiere die Ticketpreise entsprechend steigen müssten, um zusätzliche Maßnahmen und geringere Auslastungen rentabel zu machen. Dies würde voraussichtlich die Nachfrage im ÖV, aber auch im kommerziellen Luftverkehr senken. Die Folge wäre ein veränderter Modal Split zugunsten des Individualverkehrs, welcher wiederum neue Herausforderungen für die heute teilweise schon überlastete Verkehrsinfrastruktur bedeuten würde und natürlich auch für die Feinstaub- und CO 2 -Belastung in urbanen Räumen. Motivation zur Digitalisierung Die kurzbis mittelfristige Umsetzung kontaktarmer Mobilität durch Digitalisierung und Optimierung der Prozesse kann als essenzielle Aufgabe für den ÖV und den Luftverkehr aufgegriffen werden. Die Änderungen in der Arbeitswelt zugunsten von verstärktem Home-Office für relevante Branchen und Arbeitsplätze sowie ein verändertes Reiseverhalten müssen erschwerend berücksichtigt werden, um auch zu- Bild 4: Positivbeispiele für allgemein verständliche Hinweise zur Abstandhaltung in Bahnhöfen Foto: Lars Mehrtens / Fraunhofer IML Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 83 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT künftig eine leistungsfähige und bezahlbare Mobilität zu erhalten. Die Trennung und Einbahnstraßenführung von Ein- und Aussteigern ist an Bahnhöfen nur eingeschränkt möglich. Weitere Analysen, um die Begegnung und ggf. Kreuzung der Fußgängerströme zu vermeiden, wären von baulichen Gegebenheiten abhängig und für den Einzelfall durchzuführen. Die aufgezeigten Lösungsansätze, insbesondere mithilfe der Digitalisierung, sind für Interessengruppen übergreifend zu testen und ggf. weiterzuentwickeln. Zusätzlich sind die Ergebnisse der aktuell sowohl im ÖV als auch an Flughäfen laufenden Tests innovativer Technologien für Hygiene und Desinfektion zu verfolgen [26, 27]. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass für identifizierbare kritische Bereiche eine überschaubare Menge von Maßnahmen zu berücksichtigen und konsequent umzusetzen ist. Derzeit sind dies das Tragen von Mund-Nasenbedeckungen, die Ermöglichung von Abständen zwischen Reisenden und „kontaktarme Wegeführung“, digitale Lösungen und die Automatisierung von Prozessen, angepasste Hygienemaßnahmen sowie gezielte Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter. Zusätzlicher Aufwand in Zeiten rückläufiger Einnahmen von Verkehrsunternehmen und eingeschränkte Machbarkeit einiger Ideen bergen hohes Konfliktpotential. In den kritischen Bereichen kann eine Senkung von Kapazität und Durchsatz, nicht zuletzt durch Erhöhung von Prozesszeiten und geringer mögliche Auslastung, die Folge sein. Die systematische Analyse und gezielte Platzierung von Maßnahmen bei Unterstützung durch innovative Technologien sind notwendiger denn je, um Sicherheit und den Gesundheitsschutz, Mobilität und Wirtschaftlichkeit in Balance zu halten. ■ 1 Das Projekt „Kontaktarme Mobilität“ wird im Rahmen von „Fraunhofer vs. Corona“ (Nr. 600011) gefördert. 2 Statische Modell-Berechnungen; nicht berücksichtigt sind mildernde Faktoren wie z. B. geringere Abstände für Familien und Gruppen etc. oder nicht benötigte Abstände zu Wänden; tatsächliche Werte sind niedriger zu schätzen. LITERATUR [1] Robert Koch Institut (2020): Empfehlungen des Robert Koch Instituts (RKI) zur Bewertung von Großveranstaltungen. Internet: www.bmi.bund.de/ SharedDocs/ artikel/ handlungsempfehlungencorona-rki.html, Abruf: 23.06.2020 [2] Weltgesundheitsorganisation (WHO): Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005). Internet: www.who.int/ ihr/ publications/ 9789241596664/ en, Abruf: 15.07.2020 Heinrich Frye, Dr.-Ing. Aviation Logistics, Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Frankfurt am Main heinrich.frye@iml.fraunhofer.de Lars Mehrtens, B.Sc. Aviation Logistics, Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Frankfurt am Main lars.mehrtens@iml.fraunhofer.de Katrin Scholz, Dipl.-Ing. Verkehrsplanung und Mobilität, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Prien am Chiemsee katrin.scholz@iml.fraunhofer.de Oliver Ditz, M.Sc. Aviation Logistics, Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Frankfurt am Main oliver.ditz@iml.fraunhofer.de Wolfgang Inninger, Dipl. Wirt.-Ing. Leiter Projektzentrum Verkehr, Mobilität und Umwelt, Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Prien am Chiemsee wolfgang.inninger@iml.fraunhofer.de Nadine Mücklich, M.Sc. Aviation Logistics, Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Frankfurt am Main nadine.muecklich@iml.fraunhofer.de Uwe Clausen, Prof. Dr.-Ing. Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) & Institut für Transportlogistik (ITL), Technische Universität Dortmund uwe.clausen@iml.fraunhofer.de Harald Sieke, Dr.-Ing. Abteilungsleiter Aviation Logistics, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Frankfurt am Main harald.sieke@iml.fraunhofer.de [3] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2000): Infektionsschutzgesetz. Internet: http: / / www.gesetze-im-internet. de/ ifsg/ index.html, Abruf: 14.07.2020 [4] Robert Koch Institut (10.7.2020): SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19). Internet: https: / / www.rki.de/ DE/ C o n t e n t / I n f A Z / N / N e u a r t i g e s _ C o r o n a v i r u s / S t e c k b r i e f. html#doc13776792bodyText1, Abruf: 14.07.2020 [5] Deutscher Bundestag: Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012: Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“. Internet: https: / / dipbt.bundestag.de/ dip21/ btd/ 17/ 120/ 1712051.pdf [6] EU FP7 PANDHUB Projekt (2017): PANDHUB: Prevention and Management of High Threat Pathogen Incidents in Transport Hubs. Internet: http: / / pandhub-fp7-security.eu/ , Abruf: 14.07.2020 [7] ICAO (2020): CART Report - Executive Summary. Internet: https: / / www.icao.int/ covid/ cart/ Pages/ CART-Report-Executive-Summary. aspx, Abruf 14.07.2020 [8] EASA, ECDC (30.6.2020): Covid-19 Aviation Health Safety Protocol - Operational guidelines for the management of air passengers and aviation personnel in relation to the Covid-19 pandemic, Issue No: 02. Internet: https: / / www.easa.europa.eu/ document-library/ general-publications/ covid-19-aviation-health-safety-protocol, Abruf: 14.07.2020 [9] International Air Transport Association (IATA): Covid-19: Resources for Airlines & Air Transport Professionals. Internet: https: / / www.iata. org/ en/ programs/ covid-19-resources-guidelines/ : Abruf: 14.07.2020 [10] ACI Airports Council International (2020): Industry information on Covid-19. Internet: https: / / aci.aero/ about-aci/ priorities/ health/ covid-19/ , Abruf: 14.07.2020 [11] Schäfer, C., Künzer, L., Zinke, R. (2013): Integration und Modellierung von menschlichen Faktoren für die Evakuierung von U-Bahn-Systemen. In: Proceedings of the INFORMATIK 2013. Koblenz [12] Müller, K. (2009): Handbuch Evakuierung. Maßnahmen im Brand- und Katastrophenfall. (Hrsg.: Erich Schmidt Verlag) [13] Predtetschenski, W. M., Milinski, I. A. (1971): Personenströme in Gebäuden. (Hrsg.: Verlagsgesellschaft Rudolf Müller), Berlin [14] Schreyer, J. (2003): Notfallszenarien für Tunnelanlagen des ÖPNV. In: Blennemann, F. (Hrsg.: Tunnel - Lebensadern der mobilen Gesellschaft. Vorträge der STUVA-Jahrestagung 2003 in Dortmund). Gütersloh: Bauverlag (Forschung und Praxis, U-Verkehr und unterirdisches Bauen, 40), S.121-128 [15] VDV (2020): Coronavirus: Informationen für Mitglieder über die Auswirkungen auf den ÖPNV und den Eisenbahnverkehr. Internet: https: / / www.vdv.de/ coronavirus-informationen-ueber-die-auswirkungen-auf-den-oepnv.aspx, Abruf: 14.07.2020 [16] Hänseler, F. (2020): How to Monitor and Ensure ‘Physical Distancing’in Crowded Spaces. Internet: https: / / www.xovis.com/ fileadmin/ dam/ documents/ Xovis-whitepaper-physical-distancing-final.pdf, Abruf: 14.07.2020 [17] Robert Koch Institut (2020): Infektionsschutzmaßnahmen (Stand: 3.7.2020). Internet: https: / / www.rki.de/ SharedDocs/ FAQ/ NCOV2019/ FAQ_Liste_Infektionsschutz.html, Abruf: 06.07.2020 [18] Troko, J., Myles, P., Gibson, J., Hashim, A. 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Internet: https: / / www. visitbritainshop.com/ deutschland/ london-visitor-oyster-card/ ? gclid= CjwKCAjwr7X4BRA4EiwAUXjbt51KCcRLLE-kR2LnB3bRnWm6Jw5sEvyQZ8pzy4KwQZGeGsuCsbttMBoCPFUQAvD_BwE, Abruf: 14.07.2020 [24] IATA (2020): Airport Development Reference Manual (ADRM). Internet: https: / / www.iata.org/ en/ publications/ store/ airport-development-reference-manual/ , Abruf: 14.07.2020 [25] DELTA (16.01.2020): Fly Delta App - Delta launches virtual queuing to let customers know when their seat - not just their flight - is boarding. Internet: https: / / news.delta.com/ delta-launches-virtualqueuing-let-customers-know-when-their-seat-not-just-theirflight-boarding, Abruf: 24.06.2020 [26] DB (24.6.2020): „Hygienekonzept der Deutschen Bahn“, DB Sachgebietsleitung Reisemanagement. [27] Flughafen München GmbH: Innovative Technik für Hygiene, FMG Strategische Planung Infrastruktur - Geschäftsbereich Aviation Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 84 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie Ridepooling als ÖPNV-Ergänzung Der Moia-Nachtservice während der Corona-Pandemie Ridepooling, Corona-Pandemie, Mobilitätsverhalten, ÖPNV, Public Private Partnership Der vorliegende Beitrag zeigt am Beispiel des „Moia On-Demand Ridepooling-Services“ auf, wie sich Verkehrsnachfrage und -angebot während der Corona-Pandemie veränderten. Die Studie liefert Erkenntnisse, die in konkrete Handlungsempfehlungen für Anbieter und Kommunen übersetzt wurden. Es wird diskutiert, wie künftige Kooperationen zwischen öffentlichen Aufgabenträgern und privaten Anbietern ausgestaltet sein sollten, um verkehrliche Angebote zu schaffen, die einen Mehrwert hinsichtlich Flexibilität und Komfort für NutzerInnen sowie der Reduktion des motorisierten Individualverkehrs bieten. Felix Zwick, Eva Fraedrich, Nadine Kostorz, Martin Kagerbauer D ie Corona-Pandemie hat unsere Mobilität über einen Zeitraum von vielen Wochen in teilweise extremem Ausmaß beeinflusst; Verkehrsverhalten wie auch Angebotsstrukturen im Personenverkehr erfuhren deutliche Veränderungen, als das öffentliche Leben zwischen Mitte März und Ende Mai 2020 bundesweit nahezu zum Stillstand kam. Während mit der Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mittlerweile auch das Verkehrsaufkommen wieder gestiegen ist, sind die Diskussionen um möglicherweise langfristige Implikationen im System der Mobilität noch in vollem Gange. Prominente Themen sind unter anderem die wirtschaftlichen Folgen für bestimmte Mobilitätsbranchen, wie die Automobilindustrie oder Anbieter im öffentlichen Fern- und Nahverkehr, und mögliche Maßnahmen zur Milderung ökonomischer Negativeffekte (vgl. [1, 2]). Außerdem wird spekuliert, ob langfristige Veränderungen des Verkehrsverhaltens zu erwarten sind, beispielsweise durch eine Verlagerung der Nachfrage auf den Individualverkehr - hauptsächlich PKW und Rad - bei gleichzeitiger Abnahme der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. [3-6]). Auch die Folgen für Anbieter im Bereich der geteilten und bedarfsgerechten Mobilität sind Bestandteil der aktuellen Diskussionen; während hier einige die Pandemie als Chance sehen, „dass der Markt nach der Krise sogar besser werden könnte“ (Barbara Lenz in [7]), prognostizieren andere gar, dass „On-Demand-Shuttles und Carsharing- Anbieter [...] Corona nicht überleben“ werden (Andreas Knie in [8]). Gemeinsam ist vielen dieser Diskussionen, dass sie aktuell Unsicherheiten und Spekulationen unterliegen und dass Herausforderungen in Bezug auf Nachfrage- und Angebotsstrukturen wie auch die einzelnen Verkehrsträger bzw. Mobilitätsformen oftmals eher isoliert voneinander betrachtet werden. Daneben sind durch die und während der Pandemie neue Kooperationsformen entstanden, die mit flexiblen und innovativen Lösungsansätzen auf die plötzlichen Veränderungen im Verkehrsbereich reagiert haben. Die gemeinsame Angebotsbereitstellung während der Nachtzeit der Stadt Hamburg - bzw. ihres Verkehrsverbunds HVV - mit Mobilitäts- und Taxidienstleistern ist ein Beispiel dafür, wie Städte und Anbieter während der Krise in Kooperation ein Verkehrsangebot sicherstellen, das effizient und flexibel ist. Daraus lassen sich auch für die Zukunft Erkenntnisse ableiten, wie „klassische“ öffentliche und bedarfsgerechte Verkehre sinnvoll verzahnt werden können. Derzeit wird mit der Lockerung der pandemie-bedingten Maßnahmen vielerorts eine weitere Zunahme des motorisierten Individualverkehrs befürchtet (vgl. [9, 10]). Gleichzeitig ist bereits abzusehen, dass voraussichtlich bis mindestens zur zweiten Jahreshälfte 2021 mit wiederkehrenden Einschränkungen durch erneute (lokale) Infektionswellen mit damit verbundenen starken Schwankungen bei Verkehrsangebot und -nachfrage zu rechnen ist (vgl. [4]). Vor diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je für Kommunen und deren Verkehrsanbieter, attraktive Alternativen zum Privat-PKW im bestehenden Verkehrssystem zu etablieren, die außerdem größere Flexibilität auf der Nutzungswie auch der Angebotsseite bieten. Die Stadt Hamburg hat dieses Potenzial erkannt und möchte als Gastgeber des nächsten ITS- Weltkongress mit seiner ITS-Strategie die Chancen der Digitalisierung aktiv ergreifen. Das Themenfeld „Mobility as a Service (MaaS)“ ist darin als ein Handlungsfeld festgelegt, um alternative Mobilitätsangebote zu fördern und damit wiederum den ÖPNV als „Rückgrat der Mobilität“ zu stärken. Der vorliegende Beitrag setzt hier an und nimmt den Zusammenhang zwischen Verkehrsnachfrage und Verkehrsangebot während der Corona-Pandemie am Beispiel des Moia On-Demand Ridepooling-Services in den Blick, um einerseits aufzuzeigen, wie verkehrliche Anbieter auf die Herausforderungen in dieser Zeit reagieren. Vor diesem Hintergrund soll insbesondere die Rolle von Ridepooling als neues, bedarfsgerechtes Verkehrsangebot in Hinblick auf eine sinnvolle Ergänzung des ÖPNV diskutiert und daraus erste Implikationen für die Zukunft abgeleitet werden. Andererseits wird über eine empirische Studie ein Teil der realisierten Verkehrsnachfrage in Hamburg zur Zeit der örtlich geltenden Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus [11] erfasst. Die Untersuchung zeigt, wer Ridepooling während des nächtlichen Angebots nutzte, aus welchen Gründen die VerkehrsteilnehmerInnen unterwegs waren und wie sich ihr Verhalten aber auch ihre Einstellungen im Verlauf der Monate April und Mai 2020 sowie im Vergleich zum regulären Betrieb entwickelten. Die Ergebnisse wur- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 85 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT den sowohl mit Resultaten aus einer umfangreichen Befragung vor der Corona-Pandemie zur Ridepooling-Nutzung als auch mit allgemeinen Daten zur bundesweit größten Befragung zur Alltagsmobilität [12] in Beziehung gesetzt. Angebots- und Untersuchungsdesign Um während der Corona-Pandemie und der damit verbundenen verkehrlichen Herausforderungen das Angebot zu stärken, beauftragte die Stadt Hamburg verschiedene Mobilitätsanbieter. Der Ridepooling-Dienst Moia und das Taxengewerbe (selbstständige Unternehmer, Uber und Free Now) beteiligten sich mit je 100 Fahrzeugen an den Maßnahmen des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV), mit denen zwischen dem 1. April und dem 24. Mai 2020 ein zusätzliches Nachtangebot im gesamten Hamburger Stadtgebiet ergänzend zu Schnellbahn- und Buslinien geschaffen wurde. VerkehrsteilnehmerInnen, die z. B. aus beruflichen Gründen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen waren, konnten den Moia-Service im Rahmen des HVV-Tarifs ohne Zusatzkosten täglich zwischen 0 und 6 Uhr zu Sonderkonditionen nutzen. Ohne ein HVV- Ticket kostete der Service pauschal 4 EUR. Die Buchung erfolgte in der regulären Moia-App. Während der Zeit des Zusatzangebots wurde eine Online-Befragung mit 1.977 Personen (1.827 nach Bereinigung) durchgeführt, die zwischen dem 1. April und dem 24.- Mai 2020 das nächtliche Ridepooling- Angebot von Moia nutzten. Alle NutzerInnen erhielten im Anschluss an ihre Fahrten eine personalisierte E-Mail mit der Bitte um Teilnahme an der etwa fünfminütigen Umfrage - eine Teilnahme war dabei nur einmalig möglich. Die Befragung umfasste Soziodemografie, Nutzungsverhalten und spezifische Einstellungen der NutzerInnen und wurde zusätzlich mit pseudonymisierten Buchungs- und Fahrtdaten der Personen fusioniert 1 . Ergänzend wurden aggregierte Buchungsdaten in die Analyse miteinbezogen, um einen gesamtheitlichen Überblick über den Moia-Nachtservice zu erhalten. Um zu einigen ausgewählten Aspekten des Nutzungsverhaltens vor der Corona- Pandemie Vergleiche herstellen zu können, wurden außerdem Ergebnisse aus einer noch laufenden Langzeitstudie - der „Moia Begleitforschung“ - zu den Implikationen von Ridepooling auf das städtische Verkehrssystem ergänzt. In der Studie wurden Ende 2019 über 11.000 Moia-NutzerInnen sowie Nicht-NutzerInnen in einer umfangreichen Mobilitätserhebung befragt. Weitere Vergleiche wurden über die größte bundesdeutsche Verkehrserhebung [12] ergänzt. Ergebnisse Allgemeine Kennzahlen zum Moia-Nachtservice Insgesamt wurden über den gesamten Zeitraum, in der das ergänzende Angebot bestand (1. April bis 24. Mai 2020), bei einer konstanten Flottengröße von 100 Moia- Fahrzeugen in etwa 60.000 Fahrten durchgeführt und dabei knapp 70.000 Personen befördert, viele auch mehrfach. Obwohl die Bündelung von Fahrten (das sogenannte Pooling) auf maximal zwei Personen aus unterschiedlichen Buchungen begrenzt war, wurden knapp 34.000 (ca. 59 %) Fahrten gepoolt. Während diese Quote im April noch bei 46 % lag, stieg sie im Mai auf 69 %. Im zeitlichen Verlauf zeigt sich eine deutliche Zunahme der Anzahl an beförderten Personen (siehe Bild 1). Haben in der Woche vom 6. bis 12. April etwa 6.000 Personen den Nachtservice genutzt, so waren es zwischen 18. bis 24. Mai bereits 12.000. Eine ähnliche Entwicklung einer allmählichen Zunahme der alltäglichen Mobilität und des Verkehrs insgesamt im April und Mai konnte auch in anderen Erhebungen festgestellt werden (vgl. [13, 5, 14, 15]). Aufgrund der konstanten, unveränderbaren Flottengröße von max. 100 Fahrzeugen und der steigenden Nachfrage kam es insbesondere in den letzten Wochen des Angebots zu spürbaren Kapazitätsengpässen. Das bedeutet, dass es zu den per App angemeldeten Fahrtwünschen keine passenden oder verfügbaren Fahrzeuge mehr gab und der Fahrtwunsch nicht befriedigt werden konnte. Die Nachfrage nach Moia-Fahrten war im Durchschnitt in den Zeiträumen zwischen 0 und 2 Uhr sowie ab 5 Uhr am höchsten und nahm im Verlauf einer jeden Woche Richtung Wochenende hin konstant zu. Diese auf Tageszeit und Wochentag bezogenen Ganglinien entsprechen im Wesentlichen den Nutzungszeiten im Regulärbetrieb vor der Pandemie zur gleichen Zeit nachts. Bei einem Großteil der Fahrten (86 %) befanden sich Start und Ziel innerhalb des regulären Moia-Bediengebiets (siehe Bild 2). Größere Nachfragecluster außerhalb dieser Gegend gab es außerdem in den dicht besiedelten Gebieten Wilhelmsburg, Harburg und Bergedorf. Immerhin 9 % der Befragten gaben an, ihren Moia-Weg auch noch mit einem anderen Verkehrsmittel kombiniert zu haben - hauptsächlich mit Bus und Bahn. Dies ist insofern beachtlich, als dass der Service im gesamten Hamburger Stadtgebiet zur Verfügung stand und 97 % der Befragten angegeben haben, ihren Hauptwohnsitz innerhalb der Stadtgrenzen zu haben. Eine Analyse der räumlichen Verteilung der kombinierten Wege ergab, dass besonders viele am Hamburger Hauptbahnhof starteten. Dies lässt den Schluss auf eine Kombination mit dem schienengebundenen Nah- und Fernverkehr zu. Darüber hinaus endete ein relevanter Anteil der Wege am Fähranleger Teufelsbrück. Von dort fährt eine Fähre zum Airbus-Gelände. 14 15 16 17 18 19 20 21 Kalenderwoche 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 Anzahl Fahrten M D M D F S S Wochentag 0 2000 4000 6000 8000 10000 Anzahl Fahrten 0 1 2 3 4 5 6 Tagesstunde 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 Anzahl Fahrten Bild 1: Übersicht über die Fahrten je Woche, Wochentag und Tagesstunde Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 86 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie Die NutzerInnen des Moia-Nachtservices Mit einem Anteil von 45 % Frauen ist das Geschlecht der Befragten in etwa gleich verteilt und entspricht darüber hinaus sowohl der Verteilung der NutzerInnen, die Ende des Jahres 2019 bei der großen Umfrage im Rahmen der Begleitforschung ermittelt wurde (45 %), als auch in etwa der Hamburger Gesamtbevölkerung (49 %) [12]. Das durchschnittliche Alter der befragten Personen liegt mit 32 Jahren allerdings deutlich unterhalb des Durchschnittsalters von Moia-NutzerInnen in der Zeit vor der Pandemie (41 Jahre) und spiegelt sich gleichzeitig auch im beruflichen Status wieder: 21 % der Befragten befinden sich in der Ausbildung (z. B. als Studierende), während dies wiederum nur für 5 % der Befragten aus der Umfrage vor Corona zutrifft. Auf die Frage, wie die Teilnehmenden vom Nachtservice erfahren haben, gaben 51 % den Moia-Newsletter oder die Moia- App an, 27 % wurden von FreundInnen oder KollegInnen informiert, aber nur 8 % über Social Media und 7 % über den Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Allerdings waren unter den 1.827 Befragten etwa 87 % auch schon vor dem Start des Nachtservice bei Moia registriert; und unter allen ca. 17.000 Nachtservice-NutzerInnen betrug der Anteil der BestandskundInnen 76 %. Gefragt nach ihren Mobilitätswerkzeugen gaben 74 % der Personen an, über eine ÖV-Zeitkarte zu verfügen, 33 % können auf einen PKW zugreifen und 52 % besitzen ein Fahrrad. Auch hier bestehen deutliche Unterschiede zu den Angaben von Moia-KundInnen vor der Pandemie: hier haben 45 % eine Zeitkarte, 72 % können jederzeit über einen PKW verfügen und 80 % besitzen ein Fahrrad. 7 % der BefragungsteilnehmerInnen berichteten, dass sie den Weg für ihre letzte Fahrt ansonsten gar nicht zurückgelegt hätten, wenn der Moia-Nachtservice nicht zur Verfügung gestanden hätte. Der Anteil dieser induzierten Wege lag laut der Ergebnisse der Befragung von Ende 2019 im regulären Betrieb bei nur 1 %. Die zusätzlichen Wege während des Nachtservices wurden zu 75 % für freizeitbezogene Fahrten und überwiegend in den ersten Stunden nach Mitternacht unternommen. Wegezwecke Die Frage nach dem Wegezweck dient dem- Verständnis, wieso Personen während der Corona-Pandemie und zu Zeiten der umfangreichen Ausgangsbeschränkungen nachts unterwegs waren. Im gesamten Zeitraum der Befragung haben 61 % der Befragten angegeben, entweder zu oder von FreundInnen/ Familie oder Freizeitangelegenheiten gefahren zu sein, während 34 % den Weg von der oder zur Arbeit bzw. von/ zu einer geschäftlichen Angelegenheit als Grund des Unterwegsseins nannten. Da sich die Angabe in der Befragung nur auf die jeweils letzte Fahrt einer Person bezieht, lässt dieses Ergebnis noch wenig Rückschlüsse auf die Verteilung von Wegezwecken über alle Fahrten zu. Befragte, die angaben, zuletzt eine arbeitsbezogene Fahrt gemacht zu haben, haben den Nachtservice durchschnittlich 7,7 Mal genutzt. Demgegenüber haben Personen, die angaben, zuletzt freizeitbedingt unterwegs gewesen zu sein, durchschnittlich lediglich 2,9 Fahrten durchgeführt. Daher kann angenommen werden, dass der Anteil der arbeitsbezogenen Wege insgesamt den der freizeitbezogenen Wege deutlich übersteigt. Vor allem der Anteil der arbeitsbezogenen Fahrten liegt im Vergleich zum Ergebnis aus der Befragung Ende 2019 zum regulären Servicebetrieb deutlich höher - dort verteilen sich knapp 20 % der Fahrten auf arbeitsbedingte Wegezwecke. Im Nachtservice zeigt sich eine deutliche Zunahme der freizeitbezogenen Fahrten über die Zeit, was wiederum auf eine Veränderung bzw. ,Normalisierung‘ des Mobilitätsverhaltens schließen lässt, siehe oben. Während im April noch 53 % der Befragten angaben, zu Freizeitzwecken unterwegs zu sein, waren es im Mai bereits 73 % (siehe Bild 3). Bild 4 zeigt, für welchen Wegezweck die Befragten zu welchen Tageszeiten und Wochtentagen jeweils unterwegs waren. So haben mehr als 60 % aller Befragten, die einen arbeitsbezogenen Wegezweck angaben, den Service nach 4 Uhr genutzt. Freizeitbezogene Fahrten fanden dagegen überwiegend in den ersten Stunden nach Mitternacht statt. Während sich die arbeitsbezogenen Fahrten, mit Ausnahme einer überraschenden Nachfragespitze am Donnerstag, relativ gleichmäßig über die gesamte Woche ver- Bild 2: Räumliche Verteilung der Nachtservicefahrten, in schwarz die Landesgrenze Hamburgs und Bediengebiet des Nachtservices, in rot das reguläre Moia-Bediengebiet. Hintergrundkarte: © 2011-2020 Esri und seine Lizenzgeber April n = 1.090 Mai n = 737 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anteil Nennungen 42% 22% 53% 73% Arbeitsbezogen Freizeitbezogen Sonstige Bild 3: Anteil der angegebenen Wegezwecke für die Monate April und Mai Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 87 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT teilen, finden die meisten freizeitbezogenen Wege zwischen Freitag und Sonntag statt. Berufsgruppen Um zu verstehen, welche Berufsgruppen nachts besonders häufig unterwegs waren und dabei das Moia-Angebot nutzten, wurden die Befragten gebeten, sich einer Berufsgruppe zuzuordnen [16]. Die Zuordnung aller Befragten, die einen arbeits- oder freizeitbezogenen Wegezweck angegeben haben, zu einer Berufsgruppe ist in Bild 5 dargestellt. Es zeigt sich, dass der Anteil der Berufsgruppen aus den Bereichen Gesundheit/ Soziales, Verkehr/ Logistik und Sicherheit/ Militär an den arbeitsbezogenen Wegen mehr als doppelt so hoch ist als ihr Anteil an den freizeitbezogenen Wegen. Auch eine manuelle, stichprobenhafte Auswertung von Freitextfeldern zeigt deutlich, dass Menschen, die nachts zu Arbeitszwecken unterwegs waren, zu einem großen Teil in Pflegeberufen oder im Beförderungssektor (z. B. als BusfahrerIn) beschäftigt sind. Einstellungsbezogene Fragen In der Umfrage wurden die Teilnehmenden gebeten, unterschiedliche Aussagen zu ihrem Mobilitätsverhalten und -empfinden während der Corona-Pandemie auf einer Skala von „trifft voll zu“ bis „trifft gar nicht zu“ zu bewerten. Bild 6 zeigt die durchschnittliche Bewertung der Aussagen. 2 Im zeitlichen Verlauf von nur wenigen Wochen erfuhren einige der Aussagen eine zumindest leichte Veränderung. Insbesondere die Verschiebungen bei den Aussagen zur selbst wahrgenommenen Veränderung des Mobilitätsverhaltens sowie zur Akzeptanz der öffentlichen Verkehrsmittel (im Vergleich zu Moia) lassen vermuten, dass sich nach einer Phase von drastischen Einschränkungen, die sich insbesondere auch auf die Bewegungsfreiheit der Menschen auswirkte, langsam wieder eine Phase der Normalisierung eingestellt hat. Die Maskenpflicht, die ab dem 27. April auch im Moia-Fahrzeug galt, war offensichtlich kein Hindernis für die Befragten - insgesamt stimmten 85 % der Aussage, die Maskenpflicht wäre ein Grund, den Service nicht zu nutzen, nicht oder eher nicht zu (in der Abbildung nicht dargestellt). Diskussion Ein wesentliches Merkmal von bedarfsgerechten Mobilitätsangeboten liegt, wie der Name schon sagt, in einer Orientierung des Serviceangebots am Bedarf bzw. an der tatsächlichen Nachfrage sowie einer schnellen und flexiblen Anpassung. Im vorliegenden Beispiel der Kooperation zwischen der Stadt Hamburg und Moia hat sich gezeigt, dass die starre Begrenzung der Flottengröße auf 100 Fahrzeuge in Kombination mit dem stetigen Anstieg der Nachfrage mit der Zeit zu einer Verschlechterung der Servicequalität insgesamt führte, weil zunehmend Fahrtanfragen abgelehnt werden mussten. Hier sollten bedarfsgerechte Angebote künftig eine ihrer Stärken einsetzen und z. B. Flottengrößen schnell und flexibel anpassen können. Die Auswertungen zeigen auch, dass Ridepooling ein klares Potenzial für intermodale Wege aufweist. Im Nachtservice wurde knapp jeder zehnte berichtete Weg noch mit einem anderen Verkehrsmittel kombiniert, wobei der reale Anteil sogar noch deutlich höher liegen könnte, wenn man annimmt, dass solche Wege häufig Arbeitsbzw. Pendelwege sind, bei denen der Anteil an kombinierten Wegen im Hamburger Durchschnitt insgesamt höher - bei 27 % - liegt [12]. Weil die Servicezeiten im nächtlichen Angebot auf zwischen 0 und 6- Uhr beschränkt waren, sind außerdem, so die Annahme, auch einige Arbeitswege, insbesondere für Beschäftigte in Pflegeberufen, „verloren“ gegangen. Über Auswertungen von Freitextfeldern in der Befragung sowie auf Nachfrage bei den Hamburger Kliniken konnte ermittelt werden, dass eine Nachtschicht üblicherweise um 6: 30-Uhr endet. Auch hier wäre eine größere Flexibilität mindestens im Sinne der NutzerInnen des Angebots wünschenswert gewesen. Auch in Bezug auf die Ausgestaltung des Bediengebiets ist das Thema der Flexibilität relevant und sollte daher künftig stärker berücksichtigt werden. Eine überwältigende Mehrheit der erfassten Fahrten fand in den zentrumsnahen Gegenden von Hamburg statt. Das kann als Hinweis darauf gelesen werden, dass eine Erweiterung von Bediengebieten bedarfsgerechter Mobilitätsangebote bis an die Ränder einer Stadt möglicherweise derzeit noch auf verhältnismäßig geringe Nachfrage trifft. Begleitende Untersuchungen von Buchungswie auch empirischen Daten können hier wiederum wichtige Hinweise liefern, ob und wie sich solche Nachfragemuster verändern, um dann wiederum evidenzbasiert und schnell Anpassungen vornehmen zu können. Grundsätzlich ergänzen sich Ridepooling-Dienste und ÖV nicht nur in Corona-Zeiten gut, da sich die Spitzen der Ganglinien beider nicht überlappen, sondern eher gegenläufig sind. Die Auswertung der Angaben zu den Kommunikationskanälen, auf denen zum nächtlichen Angebot informiert wurde, zeigt einen starken Überhang zu Ungunsten des HVV: Die Tatsache, dass nur 7 % der Befragten angaben, auf diesem Kommunikationskanal über den Service informiert worden zu sein, zeigt ein deutliches Potenzial auf. Vor diesem Hintergrund scheint es für künftige Kooperationen zwischen unterschiedlichen Anbietern wichtig zu sein, gemeinsame Kommunikationsstrategien sowie deren Umsetzung anzustreben. Eine solche Kommunikation kann darüber hin- 0 1 2 3 4 5 6 Angefangene Tagesstunde 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% Anteil Nennungen innerhalb des Wegezwecks M D M D F S S Wochentag 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% Arbeitsbezogen (n=614) Freizeitbezogen (n=1,109) Sonstige (n=104) Bild 4: Verteilung von Fahrten nach Wegezweck im Stunden- (links) und im Wochenverlauf (rechts) Arbeitsbezogen n = 614 Freizeitbezogen n = 1.109 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anteil Nennungen 25% 12% 14% 24% 16% 7% 5% 11% 10% 11% 7% 3% 22% 30% Sonstiges Sicherheit, Militär Verwaltung, Betriebswirtschaft, Buchhaltung, Recht Wissenschaft, Medien, Kultur Verkehr & Logistik Kaufm. Dienstleistungen, Handel & Vertrieb, Tourismus Gesundheit, Soziales Bild 5: Anteil von unterschiedlichen Berufsgruppen für arbeits- und freizeitbezogene Wege Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 88 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie aus helfen, Nachfragen zu steuern bzw. zu regulieren. So hätte im vorliegenden Beispiel eine Bewerbung des Angebots in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, etc. möglicherweise auch zu einer noch höheren Nachfrage in diesem Bereich geführt. Über die Analyse von empirischen und Buchungsdaten zum Ridepooling-Nachtangebot konnten Erkenntnisse generiert werden, die in konkrete Handlungsempfehlungen für Anbieter und Kommunen übersetzt wurden. Solche Empfehlungen können erste Hinweise liefern, wie künftig ähnliche Kooperationen zwischen öffentlichen Aufgabenträgern und privaten (Ridepooling-) Anbietern ausgestaltet sein müssen, um verkehrliche Angebote zu schaffen, die einen Mehrwert hinsichtlich Flexibilität und Komfort für NutzerInnen sowie der Reduktion des motorisierten Individualverkehrs bieten. Vor allem in Zeiten, in denen die Nachfrage insgesamt nicht hoch und der Öffentliche Verkehr mit großem Angebot (Bahnen und große Busse) eher schwach besetzt ist, kann eine Kombination mit On-Demand-Diensten ökonomisch und ökologisch sinnvoll sein. In Gebieten mit niedrigen Nachfragemengen ergänzen diese Angebote den Öffentlichen Verkehr und können so helfen, den privaten PKW-Besitz zu reduzieren. Auch die über die Befragung ermittelte auffällig geringe Verfügbarkeit von Mobilitätswerkzeugen (z. B. Rad oder PKW) der NutzerInnen des Moia-Services zu Zeiten der Pandemie zeigt, dass Verkehrsverbünde durch Kooperation mit Ridepooling-Anbietern der Daseinsvorsorge verstärkt nachkommen können. Aufgrund eines möglicherweise erhöhten Infektionsrisikos in vollbesetzen Massenverkehrsmitteln sowie der Herausforderung von evtl. wiederkehrenden Infektionswellen über einen längeren Zeitraum ist es wichtig, VerkehrsteilnehmerInnen ohne Alternative zum ÖPNV eine weitere Form der Mobilität zu bieten. ■ 1 Für dieses Vorgehen wurde eine Erklärung aufgesetzt, in denen die Befragten Hinweise zum Datenschutz erhielten und anschließend ihr Einverständnis erklären mussten, bevor sie mit der Befragung starten konnten. 2 Die fünfstufige Skala ist auf der Abbildung nicht zur Gänze abgebildet, sondern beginnt stattdessen in der Mitte bei „Weder noch“. LITERATUR [1] Balser, M.; Bauchmüller, M.; Beisel, K. (2020): EU: Bis zu 100 Milliarden für Mobilitätssektor. Süddeutsche Zeitung. Online verfügbar unter www.sueddeutsche.de/ politik/ eu-konjunkturprogramm-corona-krise-automobilindustrie-1.4913344 [2] Götz, S. (2020): Corona-Krise: Hilfe in Milliardenhöhe für die Deutsche Bahn geplant. ZEIT ONLINE. Online verfügbar unter www.zeit. de/ mobilitaet/ 2020-05/ corona-krise-deutsche-bahn-eigenkapitalerhoehung-wirtschaftliche-folgen [3] Eisenmann, C.; Kolarova, V.; Nobis, C.; Winkler, C; Lenz, B. (2020): DLR-Befragung: Wie verändert Corona unsere Mobilität? Verkehrsmittelnutzung, Einkaufs-, Arbeits- und Reiseverhalten. DLR Institut für Verkehrsforschung. Online verfügbar unter https: / / verkehrsforschung.dlr.de/ de/ news/ dlr-befragung-wie-veraendert-corona-unsere-mobilitaet [4] Richert, J.; Cobián Martin, I.; Schrader, S. (2020): Wie kann es nach “Corona” weitergehen? Strategien für den ÖPNV zur Rückgewinnung von Fahrgästen bei vorerst unklarer Risikolage. Der Nahverkehr. Ausg. 6/ 2020. S. 20-22. [5] Follmer, R.; Leppler, D. (2020): Alles anders oder nicht? Unsere Alltagsmobilität in der Zeit von Ausgangsbeschränkung oder Quarantäne. Ausgabe 3. Infas und Motiontag. Online verfügbar unter www. infas.de/ fileadmin/ user_upload/ infas_mobility_CoronaTracking_ Nr.03_20200513.pdf [6] Gehrs, B.; Tiemann, M. (2020): Städtische Mobilität nach Corona: Auto-Kollaps oder Fahrrad-Boom? Online verfügbar unter www. greenpeace.de/ sites/ www.greenpeace.de/ files/ publications/ s02871_es_gp_mobilitaet_radverkehr_studie_5_20_fin.pdf [7] „mal angenommen“ - Tagesschau Podcast (2020): Wie Corona Mobilität verändern könnte. Ausgabe vom 07.05.2020. Online verfügbar unter www.tagesschau.de/ multimedia/ podcasts/ malangenommen-corona-mobilitaet-101.html [8] NahverkehrHamburg (2020): Mobilitätsforscher: „On-Demand- Shuttles und Carsharing-Anbieter werden Corona nicht überleben“. Ausgabe vom 25.03.2020. Online verfügbar unter www.nahverkehrhamburg.de/ mobilitaetsforscher-on-demand-shuttles-undcarsharing-anbieter-werden-corona-nicht-ueberleben-14526/ [9] Hägler, M. (2020): Mobilität in der Corona-Krise: Der Keim fährt mit. Süddeutsche Zeitung. Online verfügbar unter www.sueddeuts c h e . d e / w i r t s c h a f t/ m o b i l i t a e t-ve r k e h r s we n d e c o ro n a - 1.4914992? reduced=true [10] Hübner, I. (2020): Nach der Coronakrise: Deutsche fahren lieber mit dem Auto als mit den Öffis. Elektronik automotive. Online verfügbar unter www.elektroniknet.de/ elektronik-automotive/ sonstiges/ deutsche-fahren-lieber-mit-dem-auto-als-mit-den-oeffis-176510. html [11] Hamburger Senatskanzlei (2020): Corona. Allgemeinverfügungen und Verordnungen. Online verfügbar unter www.hamburg.de/ allgemeinverfuegungen/ [12] Infas, DLR, IVT und infas 360 (2018): Mobilität in Deutschland (im Auftrag des BMVI) [13] Apple Maps (2020): Mobility Trends Reports. Change in routing requests since 13 January 2020. Online verfügbar unter www.apple. com/ covid19/ mobility [14] Google (2020): COVID-19 Community Mobility Reports. Online verfügbar unter www.google.com/ covid19/ mobility/ [15] Molloy, J. (2020): MOBIS: COVID-19. Mobilitätsverhalten in der Schweiz. Coronavirus-Studie. ETH Zürich und Universität Basel. Online verfügbar unter https: / / ivtmobis.ethz.ch/ mobis/ covid19/ [16] Bundesagentur für Arbeit. Statistik (2013): Klassifikation der Berufe. Systematik und Verzeichnisse der KldB 2010. Online verfügbar unter https: / / statistik.arbeitsagentur.de/ nn_10414/ Statischer-Content/ Grundlagen/ Klassifikationen/ Klassifikation-der-Berufe/ KldB2010/ Systematik-Verzeichnisse/ Systematik-Verzeichnisse.html Eva Fraedrich, Dr. rer nat. MOIA GmbH, Berlin eva.fraedrich@moia.io Nadine Kostorz, M.Sc. Institut für Verkehrswesen, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe nadine.kostorz@kit.edu Felix Zwick, M.Sc. MOIA GmbH, Hamburg felix.zwick@moia.io Martin Kagerbauer, Dr.-Ing. Institut für Verkehrswesen, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe martin.kagerbauer@kit.edu Weder noch Trifft eher zu Trifft voll zu Es ist für mich in Ordnung, dass andere Fahrgäste mit mir befördert werden können. MOIA ist für mich hygienisch eine gute Mobilitätsoption. Im MOIA Fahrzeug fühle ich mich in Zeiten der Corona-Pandemie besser geschützt als in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Mein Mobilitätsverhalten hat sich durch die Corona-Pandemie verändert. April (n=1.043) Mai (n=711) Bild 6: Durchschnittliche Einstellungen zu mobilitätsbezogenen Aussagen Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 89 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT Mobilität nach der Corona-Krise Die Karten werden neu gemischt - Bestimmungsfaktoren für die Entwicklung der Gesamtmobilität sowie der relativen Wettbewerbsposition der Verkehrsträger Covid-19, Verkehrsmittelwahl, Gesamtmobilität, Homeoffice, Nachhaltigkeit Durch die Corona-Krise sind nachhaltige Wirkungen auf den Modal Split und die Entwicklung der Mobilität auf längeren Strecken zu erwarten. Aktuell ist die grundsätzlich starke Habitualisierung der Verkehrsmittelwahl teilweise aufgehoben. Dies betrifft die wesentlichen Reisezwecke wie Urlaubs-/ Besuchs-, Pendler- und Geschäftsreisen. Gerade durch die in der Krise veranlassten kurzfristigen Veränderungen in der Organisation der Arbeit (Homeoffice, Videokonferenzen etc.) sind längerfristige Konsequenzen für die Mobilität erwartbar, die weit über die Zeit einer Impfstoff-Entwicklung hinausgehen. Andreas Krämer A nders als viele Krisen vorher hat die gegenwärtige Corona-Krise gleich nahezu alle Bereiche der Gesellschaft stark tangiert. Für wenige Wochen stand die Welt fast still, die Mobilität war radikal beeinträchtigt: Laut einer Studie des ADAC (Befragung Ende März 2020) hat sich der Anteil an Personen, die an jedem Werktag zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz fahren, von 66 auf 32 % halbiert [1]. Nach Auswertungen des Navigationsdienstleisters TomTom lag der Autoverkehr in europäischen Metropolen wie Paris Mitte März 2020 bei weniger als 20 % des Vergleichswertes aus dem Januar [2]. Der Flugverkehr kam in Deutschland fast vollständig zum Erliegen (im Mai 2020 lag das Passagieraufkommen der Lufthansa nur bei 1 % des Vorjahreswertes [3]). Reisen mit dem Fernbus wurden ab Mitte März komplett eingestellt [4]. Der Bahnfernverkehr blieb in Deutschland weitestgehend intakt, allerdings lagen die Fahrgastzahlen auf einem extrem niedrigen Niveau. Die Sehnsucht nach Normalisierung Mittlerweile befindet sich der Mobilitätsmarkt in einer „Hochlauf-Phase“. Dabei wird allerdings immer deutlicher, dass es ein Zurück zur Normalsituation in wenigen Monaten nicht geben wird. Außerdem stellt sich die Frage, welche Abhängigkeiten sich zwischen Lebensbereichen wie Einkauf, Soziales, Arbeit, Finanzen etc. und der Reisetätigkeit ergeben, wobei die mittelfristigen Effekte durch eine veränderte Arbeitswelt („New Work“) nur eine Facette darstellen [5]. Basis der nachfolgenden Betrachtungen sind empirische Ergebnisse der gemeinsam von der exeo Strategic Consulting AG und der Rogator AG durchgeführten Studie „OpinionTRAIN“, die Meinungen und Werte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Schweden untersucht [6]. Gegenstand der Befragung ist ein breites Themenspektrum, welches auch die coronabedingten Implikationen beleuchtet. Durchgeführt wurde die Studie als Online-Erhebung (ca. 2.500 Interviews, 18 bis 80 Jahre), basierend auf einer Teilnehmerrekrutierung über ein Online- Access-Panel (Anfang Mai 2020). Mittels differenzierter Gewichtung unter Einbeziehung unterschiedlicher Sekundärdaten wird die Repräsentativität sichergestellt. Mobilitätsmarkt: Corona-bedingter Nachfrage-Shift und Trendumkehr PKW: Vor der Krise stark attackiert - jetzt mit „neuem Schwung“ Bezüglich der einzelnen Verkehrsträger haben sich in den letzten Jahren nicht nur Tendenzen der Monopolisierung verstärkt, im Prinzip wurden die Verkehrsträger auch durch übergreifende Trends unterschiedlich tangiert. Besonders negativ betroffen war vor der Corona-Krise der PKW. Nicht nur die Klimadiskussion (inkl. Diskussion um neue Antriebstechnologien) wirkte negativ, auch die medienwirksame Durchsetzung von Dieselfahrverboten in deutschen Städten [7] sowie die fortwährende Diskussion einer autofreien Gesellschaft [8]. Allerdings entwickelte sich der Problemfall Auto dann zum „großen Krisengewinner“ [9], der eine angstfreie Mobilität in der Wohlfühlzone garantiert [9, 10]. Die untersuchten Zielländer (mit Ausnahme von Schweden) lassen einen klaren Attraktivitätsgewinn des PKW in der Corona-Krise erkennen (Bild 1). So geben in Deutschland, Österreich und in der Schweiz im Mittel mehr Befragte an, nach Aufhebung der Krisenbeschränkung häufiger den PKW zu benutzen als Befragte, die eine Einschränkung sehen. Auch die Bewertung der Attraktivität des PKW nach Ende der Krise zeigt im Vergleich der Verkehrsträger ein sehr hohes Niveau (beste Bewertungen ergeben sich für Deutschland und Österreich). Im Saldo der Veränderungen zeigen sich negative Effekte für den Personenlinienverkehr (Bahn, Flugzeug und Fernbus), d. h. die Befragten gehen tendenziell eher von einer Senkung der Nutzungsintensität aus. Die Bewertung der Bahn und des Flugzeugs erreicht in der Schweiz im Mittel das höchste Niveau, während der PKW eine vergleichsweise schlechte Bewertung erhält [11]. Bahn und Fernbus: Vorerst Ende der Dynamik Während sich der Markt für Reisen mit dem Fernbus insbesondere in den Jahren 2013 bis 2016 positiv entwickelte und da- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 90 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie nach eher stagnierte [12], feierte die Deutsche Bahn zuletzt Fahrgastrekorde. Gleichzeitig setzte sich das Management ehrgeizige Ziele (Verdopplung der Fahrgäste bis 2030). Während der Betrieb der Fernbusse zwischen März und Mai 2020 komplett eingestellt war, blieb das Angebot der DB relativ stabil (mit Ausnahme von Auslandsverbindungen) bestehen, allerdings mit einem extrem niedrigen Auslastungsgrad. Werden die Anteile für die erwartete häufigere oder seltenere Nutzung der Bahn für unterschiedliche Zielgruppen der Bahn gegenübergestellt und saldiert, so zeigt sich das Risiko einer nachhaltig verringerten Nutzung in nahezu alle Teilgruppen (auch in strategisch wichtigen Segmenten wie Vielfahrern oder jüngeren Reisenden mit tendenziell höherer Bahnaffinität). Die Maßnahmen zur Verringerung des Ansteckungsrisikos sind unterschiedlich. Während beispielsweise die Deutsche Bahn die in 2019 eingeführte Auslastungsanzeige verändert hat und den potenziellen Ticketkäufern damit eine Hilfestellung bei der Zugauswahl bereitstellt, kommuniziert Bla- BlaBus, nur jeden zweiten Sitzplatz zum Verkauf anzubieten. Flugreisen: Besonders große Probleme zu erwarten Für den Flugverkehr zeigen sich gleich mehrere marktseitige Probleme in Kombination. In Deutschland gehen 26 % der Befragten von einer Reduzierung der Flugreisen aus, nur 2 % von einer Erhöhung (Studie ADAC aus dem März 2020 mit korrespondierenden Anteilen von 24 % bzw. 7 %) [1]. Die im Rahmen einer offenen Frage ermittelten Gründe für die Reduzierung der Flugreisen sind zum einem erwartungsgemäß durch Covid-19 bestimmt (Bild 2). So macht der Faktor Kontaktangst/ Anste- Bild 1: Verkehrsmittel bei Reisen ab 50 km: Erwartete Nutzungsveränderung und Bewertung der Attraktivität nach Aufhebungen der Corona-Krisenbeschränkungen Quelle: exeo/ Rogator Bild 2: Erwartete Veränderung der Flugnutzung in Deutschland nach Aufhebungen der Corona-Krisenbeschränkungen und deren Bestimmungsgründe Quelle: exeo/ Rogator Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 91 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT ckungsrisiko etwa 29 % der Nennungen aus. Auch der zweite Faktor im Ranking ist vornehmlich krisenbedingt: Etwa 27 % der Nennungen entfallen auf einen geringeren Bedarf. Immerhin 22 % der Nennungen betreffen negative Umweltwirkungen des Fliegens, ein Kritikpunkt, der sich bereits vor der Krise verfestigt hatte und offenbar auch die Corona-Krise überdauert [13]. Auch in der Airline-Industrie sind die konkreten Maßnahmen zur Verringerung des Ansteckungsrisikos eher uneinheitlich. Häufig wird auf die Effizienz der Klimaanlagen an Bord verwiesen, eine freiwillige Begrenzung der Anzahl der verkauften Sitzplätze je Flug steht überwiegend nicht im Vordergrund. Anders bei Delta Airlines, die ab Juli 2020 im Unterschied zu den Rivalen United und American Airlines den mittleren Sitz in Dreierreihen zum Infektionsschutz freihalten [14]. Die zukünftige Entwicklung der Gesamtmobilität Die tiefgreifenden und vielfältigen Wirkungen von Covid-19 führen dazu, dass nicht nur einzelne Mobilitätssegmente betroffen sind, sondern fast alle. Daher sollen die Fahrzwecke Pendeln (21 %), Geschäftsreisen (20 %) und private Besuchs- und Urlaubsreisen (39 %) getrennt diskutiert werden. Pendlerverkehr: Starke Auswirkungen durch die „Zukunft der Arbeit“ erwartet Zentrale Frage zur Abschätzung des Volumens an Pendlerreisen ist, inwieweit sich die Veränderungen der Arbeitswelt, z. B. die Arbeit im Homeoffice als nachhaltig herausstellen und mittelfristig Bestand haben werden. Die Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie bis Anfang Juli 2020 verdeutlichen, dass zwar der Anteil der Beschäftigten, die komplett im Homeoffice tätig sind, seit Mai 2020 rückläufig ist, der Anteil aus kompletter und teilweiser Tätigkeit vom Homeoffice allerdings nur leicht sinkt (3. bis 5. Juli 2020 im Durchschnitt 26 % vs. ca. 28 bis 29 % im Mai und Juni 2020) [15]. Trotz methodischer Unterschiede belegen auch andere Studien - wie die des Fraunhofer-Instituts - eine stärkere Digitalisierung der Arbeitswelt: 42 % der Unternehmen gaben an, dass sie künftig das unternehmensseitige Angebot, im Homeoffice zu arbeiten, ausweiten möchten, 44 % sind noch unentschieden [16]. Auch die eigene Studie OpinionTRAIN bestätigt, dass die Veränderung der Arbeitswelt als eine besonders tiefgreifende Folge der Corona-Krise eingeschätzt wird. So sehen 42 % der deutschen Befragten größere Veränderungen beim Thema Arbeit, immerhin 23 % beim Thema Mobilität (Bild-3). Die Auswertung der offenen Nennungen unterstreicht auch die Abhängigkeiten zwischen beiden Bereichen. 47 % der Nennungen zum Thema Arbeit betreffen eine erwartete Reduzierung der Arbeitsplätze, 20 % eine stärkere Nutzung des Homeoffice als Arbeitsplatz und 14 % eine Reduzierung des Arbeitsvolumens (inkl. mehr Teil- und Kurzarbeit). Mit der Einführung des 20-Fahrten-Tickets hat der DB Fernverkehr z. B. tariflich auf einen höheren Flexibilitätsanspruch von Pendlern reagiert und bietet damit eine Alternative zur klassischen Streckenzeitkarte an. Top-Themen in Sachen veränderte Mobilität sind eine Reduzierung des Reisevolumens (21 %), Einschränkungen im Reisekomfort durch Covid-19 (19 %) und eine tendenziell verstärkte PKW-Nutzung (9 %). Geschäftsreisen: Videokonferenzen mit Substitutionseffekten In der Vergangenheit hat sich insbesondere die Anzahl von Geschäftsreisen in deutschen Unternehmen positiv entwickelt und ist von 145 Mio. (2009) auf 190 Mio. (2018) angewachsen [17]. Auch das Umweltbundesamt bestätigt diesen Trend und weist einen Anstieg des Anteils der Geschäftsreisen an allen Fahrten von 2003 (12,5 %) auf 20 % (2017) aus [18]. Die weitere Entwicklung ist stark davon abhängig, inwieweit sich z. B. eine verstärkte Arbeit über Videokonferenzsysteme manifestiert. Unternehmen und Mitarbeiter haben in der Krise gelernt, dass die bisher eher punktuell genutzten Systeme für einen dauerhaften Einsatz geeignet sind [19]. Damit sind nachhaltige Verhaltensänderungen erwartbar, welche Geschäftsreisen (unternehmensinterne Veranstaltungen, Messe- oder Kongressbesuche, Kundenevents, Weiterbildungen etc.) in Teilen substituieren, selbst wenn in absehbarer Zeit die Virusgefahr eliminiert wird. Studien belegen, dass über 90 % der Unternehmen - motiviert durch die Pandemie - vermehrt Web- oder Videokonferenzen nutzen sowie Mitarbeiter- und Einstellungsgespräche überwiegend digital führen [16]. So resümiert die Wirtschaftspsychologin Katharina Lochner: „Einen Rückfall auf die ,Vor-Corona-Zeit‘ wird es nicht geben“ [20]. Private Urlaubs- und Besuchsreisen: Es fehlt der Wohlfühl-Faktor Auch Verbraucher, die private Urlaubs- und Besuchsreisen planen, überlegen sich, auf welche Reisen gegebenenfalls verzichtet werden kann. Soll eine Reise stattfinden, stellt sich die Frage, ob das gewohnte Verkehrsmittel genutzt wird. Hier spielen aktu- Bild 3: Erwartete nachhaltige Veränderungen in den Bereichen Arbeit und Mobilität und Top-Themen der offenen Nennungen Quelle: exeo / Rogator Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 92 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie ell weniger die Bestimmungsgründe wie Kosten, Reisezeit und Komfort eine Rolle als vielmehr das subjektive Ansteckungsrisiko und die Ängste der Reisenden vor größeren Menschenmengen. Die grundsätzlich starke Habitualisierung der Verkehrsmittelwahl ist auch hier teilweise aufgehoben [21]. Vor diesem Hintergrund ist weniger entscheidend, wie groß das objektive Infektionsrisiko während der Reise im Flugzeug oder in der Bahn ist (wenn führende Virologen ausführen, dass man sich beim Reisen mit Bahn oder Flugzeug wegen der Aerosole eher weniger Sorgen machen muss [22], oder wenn Luftdynamik-Experten über die Unterschiede der Klimaanlagen im Zug und Flieger philosophieren [23]). Eher verlassen sich die Reiseentscheider unter den aktuellen Rahmenbedingungen auf ihr eigenes - subjektives - Bauchgefühl, geprägt durch die Existenzängste mit Ausbruch der Pandemie. Bild 4 fasst die diskutierten Aspekte zusammen und zeigt, dass einerseits bedingt durch Corona eine Reduzierung des Reisevolumens erwartbar ist, die alle betrachteten Teilsegmente (wenn auch nicht gleich stark) betrifft. Anderseits hat sich die relative Wettbewerbsstellung der Verkehrsträger verändert. So ist der Personenlinienverkehr aktuell negativ betroffen. Dies ist umso stärker der Fall, je höher der Auslastungsgrad vor der Corona-Krise lag. Bei beiden Dimensionen liegen unterschiedliche Treiber vor, die eine Prognose erschweren. Ausblick Die aktuellen Rahmenbedingungen beinhalten grundsätzlich schwierige Herausforderungen für die Verkehrsmittel in der Personenlinienbeförderung (Bahn, Bus und Flugzeug). Trotzdem ergeben sich für die beteiligten Unternehmen auch Möglichkeiten, von der Krisensituation zu profitieren. Dies wird davon abhängig sein, inwieweit die Anbieter ein schlüssiges und überzeugendes Konzept vorlegen, das ein sicheres Reisen nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv gewährleistet. Im wahren Sinne des Wortes „werden die Karten im Verkehrsmarkt neu gemischt“ [24]. Bei anhaltender Krise kann dies auch bedeuten, dass die Geschäftsmodelle (Bahn, Fernbus, Flugzeug) grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen. So wurde in der Vergangenheit in der Auslastungserhöhung eine zentrale Kennziffer gesehen, die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsunternehmen zu sichern. Während der Bahnfernverkehr seine Durchschnittswerte in den letzten Jahren stark erhöhen konnte, aber letztendlich „nur“ ein Niveau von unter 60 % erreichte (ca. 30 % im Juli 2020), lagen die Vergleichswerte bei den Airlines vor der Krise eher bei 85 % (2019) [25]. Low-Cost- Airlines wie Ryanair erreichten in den Sommermonaten vor Covid-19 fast 100 % Auslastung. Hohe Durchschnittsauslastungen sind Voraussetzung für niedrige Preise und geringe operative Kosten je Fluggast [26]. Werden statt annähernder Vollauslastung der Kapazitäten im Flugbetrieb nur Auslastungen von 60 bis 70 % erreicht, ist die Rentabilität des Businessmodells komplett in Frage gestellt. ■ LITERATUR [1] Meyer, H. (2020): Corona und Mobilität: Mehr Homeoffice, weniger Berufsverkehr. Onlineartikel vom 08.04.2020, www.adac.de/ verkehr/ standpunkte-studien/ mobilitaets-trends/ corona-mobilitaet, letzter Zugriff 17.07.2020. [2] Dambeck, H.; Tack, A. (2020): Verkehr und Coronakrise Die Welt kommt zum Stillstand, Der Spiegel v. 25.03.2020, Download unter www.spiegel.de/ wirtschaft/ corona-krise-massive-rueckgaengeim-flug-schiffs-und-autoverkehr-a-c859587d-6ca6-439b-a420f0583741170c [3] NTV.de (2020): „Größte Krise aller Zeiten“ Lufthansa hat 99 Prozent weniger Passagiere, Bericht v. 22.05.2020; Download unter https: / / www.n-tv.de/ wirtschaft/ Lufthansa-hat-99-Prozent-weniger-Passagiere-article21797903.html? 1 [4] Sueddeutsche.de (2020): Mehrere Fernbusunternehmen stellen ab Mittwoch Betrieb ein. Bericht v. 17.03.2020; Download unter https: / / www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/ verkehr-mehrere-fernbusunternehmen-stellen-ab-mittwoch-betrieb-ein-dpa.urn-newsml-dpacom-20090101-200317-99-362643 [5] Umbs, C. (2020): Arbeiten nach Corona: Ist Homeoffice das Modell der Zukunft? Wirtschaftsinformatik & Management, 1-3. [6] Krämer, A.; Hercher, J. (2020): „Trotz unterschiedlicher Maßnahmen: Breite Unterstützung für die europäischen Regierungen in der Corona-Krise“, OpinionTRAIN: Rogator/ exeo untersuchen veränderte Einstellungen und Werte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Schweden, Bonn, 20.05.2020. AT A GLANCE The corona crisis is expected to have a lasting effect on the modal split and the development of mobility over longer distances. At present, the fundamentally strong habitualisation of the choice of transport mode has been partially eliminated. This also affects the main travel purposes such as holiday/ visit, commuting and business trips. Especially due to the changes in the organisation of work (home office, video conferencing etc.), consequences for mobility can be expected that go far beyond the time of an available vaccine. Bild 4: Marktentwicklung (Reisen ab 50-km Entfernung) und relative Wettbewerbsstellung der Verkehrsträger Quelle: exeo 2. Dezember 2020, Hotel Adlon Berlin Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 2020 Heimat - vernetzt, sozial, modern Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 93 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT [7] Krämer, A.; Bongaerts, R.; Baake, J.-W. (2018): Dieselfahrverbote in Großstädten. Hilft ein kostenloser ÖPNV? Rahmenbedingungen, Abhängigkeiten und die Perspektive der Menschen im Stadtverkehr. Der Nahverkehr, 36 (10), S. 36-41. [8] Baehler, D. (2019): Weshalb und wie autofrei leben - und was braucht es dafür? mobilogisch! , S. 1-4. [9] Friesecke, F. (2020). Stadtplanung und Raumentwicklung in Zeiten vor und nach Corona. ZfV-Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, 145 (3), S. 144-149. [10] DLR (2020): Wie verändert Corona unsere Mobilität? 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Meldung vom 14.7.2020, Download am 17.7.2020 unter https: / / de.reuters.com/ article/ virus-usa-airlines-idDEKCN24F1JH? utm_medium=40digest.intl. rank&utm_source=email&utm_content=&utm_campaign=campaign [14] Reuters (2020): „Erschütternde“ Zahlen durch Corona bei US-Airline Delta v. 14.7.2020, Download am 6.8.2020 unter https: / / de.reuters. com/ article/ virus-usa-airlines-idDEKCN24F1JH [15] Universität Mannheim (2020): Mannheimer Corona-Studie; täglicher Ergebnisbericht 10.07.2020; Download am 15.07.2020 unter https: / / www.uni-mannheim.de/ media/ Einrichtungen/ gip/ Corona_ Studie/ 10-07-2020_Ergebnistabellen_zum_Tagesbericht.pdf [16] Bös, N. (2020): Corona treibt die Digitalisierung. FAZ online v. 09.07.2020, Download am 10.07.2020 unter https: / / www.faz.net/ aktuell/ karriere-hochschule/ buero-co/ homeoffice-und-videokonferenzen-corona-treibt-die-digitalisierung-16853684.html [17] Statista Research Department (2020): Anzahl der Geschäftsreisen von deutschen Unternehmen bis 2018, veröffentlicht am 29.06.2020. [18] UBA (2020): Fahrleistungen, Verkehrsaufwand und „Modal Split“, aktualisiert am 14.02.2020, Download am 19.7.2020 unter https: / / www. umweltbundesamt.de/ daten/ verkehr/ fahrleistungen-verkehrsaufwand-modal-split#fahrleistung-im-personen-und-guterverkehr [19] Müller, B.; Lalive, R.; Lavanchy, M. (2020): Corona beschleunigt Digitalisierung der Arbeit. Die Volkswirtschaft, H. 6/ 2020, S. 15-17. [20] Feichtmeier, F. 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Andreas Krämer, Prof. Dr. Professor für Pricing und Customer Value Management, University of Applied Sciences Europe, Fachbereich Wirtschaft, lserlohn; Vorstand exeo Strategic Consulting AG, Bonn andreas.kraemer@exeo-consulting.com 2. Dezember 2020, Hotel Adlon Berlin Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 2020 Heimat - vernetzt, sozial, modern Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 94 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie Mobilität in Zeiten der Pandemie Auswirkungen von Corona auf Einstellungen und Mobilitätsverhalten Mobilitätsverhalten, Corona, Mobilitätserhebung, Multimodalität Um die Ausbreitung des Corona-Virus zu bremsen, wurden in Deutschland ab März 2020 zahlreiche Schutzmaßnahmen ergriffen. Unser Alltag hat sich dadurch erheblich verändert. Neben den kurzfristigen Auswirkungen der Pandemie auf das Mobilitätsverhalten stellt sich Wissenschaft und Praxis die Frage nach den mittel- und langfristig Effekten. Eine repräsentative Panelbefragung des DLR-Institut für Verkehrsforschung zeigt: Während der öffentliche Verkehr an Boden verliert, nimmt die Bedeutung individueller Verkehrsmittel, insbesondere des privaten PKW, zu. Claudia Nobis, Christine Eisenmann, Viktoriya Kolarova, Christian Winkler, Barbara Lenz D as Jahr 2020 ist weltweit durch die Corona-Pandemie geprägt. In Deutschland haben Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus von Mitte März an für mehrere Wochen das wirtschaftliche und öffentliche Leben auf ein Minimum reduziert. Die anschließende Phase der vorsichtigen Lockerungen hat zu Teilen eine Rückkehr zur Normalität ermöglicht. Von einem Alltagsleben wie in der Zeit vor Corona sind wir auch heute noch weit entfernt. Je länger dieser Ausnahmezustand anhält, umso tiefer prägen sich die in dieser Zeit erprobten Verhaltensweisen ein und beeinflussen durch den Aufbau neuer Routinen das zukünftige Verhalten. Dies gilt auch und gerade für das Mobilitätsverhalten. Die Auswertung von Mobilfunkdaten zeigt, dass das Verkehrsaufkommen in Deutschland im Laufe der zweiten und vor allem der dritten Märzwoche stark abgenommen hat [1]. Wesentliche Gründe hierfür waren die corona-bedingten Schließungen von Schulen, Kindergärten und Universitäten, die je nach Bundesland verhängten Kontakt- und Ausgangssperren, die von vielen Arbeitgebern forcierte Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice sowie die weltweiten Reisewarnungen, Grenzschließungen und Aufforderung der Bundesregierung auf unnötige Aktivitäten und Reisen zu verzichten. Zum Zeitpunkt des tiefsten Lockdowns Ende März war ein Rückgang des Wegeaufkommens um 40 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. In den folgenden Wochen ist das Verkehrsaufkommen nach und nach wieder angestiegen. Anfang Juni wurde das Ausgangsniveau der Zeit vor dem Lockdown erreicht [1]. Mobilfunkdaten können mengenmäßige Effekte im Verkehr abbilden. Sie sagen jedoch nichts über die dahinterstehenden Personengruppen und deren Beweggründe aus. Begleitende Erhebungen sind daher von hoher Bedeutung. Weltweit durchgeführte Studien, z. B. [2-8] adressieren bisher vor allem die Zeit während des Lockdowns. In dieser Phase mussten die Menschen in kürzester Zeit mit drastischen Verhaltensänderungen auf die zur Eindämmung des Corona-Virus verhängten Maßnahmen reagieren. Die Reduktion des Verkehrs ging dabei viel weiter, als die Wissenschaft dies ohne Ausnahmesituation unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten je gefordert hätte [9]. Durch die Krise ausgelöste neue Verhaltensweisen bergen gleichermaßen Chancen wie Risiken für das Gelingen der Verkehrswende. Dem Ausprobieren umweltfreundlicher Verkehrsmittel, allen voran dem Fahrrad, von ansonsten nur schwer dafür zu gewinnenden Personengruppen und dem Verzicht auf physische Wege, z. B. durch Homeoffice, steht die Verlagerung von öffentlich genutzten zu individuell genutzten Verkehrsmitteln gegenüber. Um die langfristigen Auswirkungen der Krise auf die Verkehrsnachfrage zu verstehen, gilt es daher zwei Fragen zu beantworten: • Wie hat sich das Mobilitätsverhalten während des Lockdowns verändert, und welche Erfahrungen haben die Menschen dabei gemacht? • Welche dieser Verhaltensweisen setzen sich auch nach der Phase des Lockdowns fort? Datengrundlage Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen hat das DLR-Institut für Verkehrsforschung die Panel-Studie „Mobilität in Krisenzeiten“ konzipiert. Ziel der Studie ist es, dieselben Personen zu drei verschiedenen Zeitpunkten zu befragen, um die Veränderungen auf individueller Ebene zu messen. Ab der zweiten Erhebung wird der Ausfall von wiederholt befragten Personen durch die Aufnahme neuer Probanden ausgeglichen. Auf diese Weise können neben Längsschnittjeweils auch repräsentative Querschnittsanalysen der Einzelerhebungen durchgeführt werden. Die erste Welle der Befragung war in der Woche vor Ostern (6.-10. April 2020) im Feld. Zu diesem Zeitpunkt galten in Deutschland die strengsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Die Verkehrsnachfrage lag weit unter dem sonst üblichen Niveau [1]. Die zweite Welle wurde vom 29. Juni bis 8. Juli 2020 durchgeführt. In beiden Fällen wurden 1.000 Personen über das Access Panel des Erhebungsinstituts Kantar GmbH im Rahmen einer Online-Erhebung befragt. Die zweite Welle setzt sich aus 566 Wiederholern und 434 neu angeworbenen Probanden zusammen. Themen der Befragungen sind die Verkehrsmittelwahl und die Mobilität auf Einkaufs-, Freizeit- und Arbeitswegen vor der Pandemie und zum jeweiligen Erhebungs- Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 95 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT zeitpunkt sowie private und dienstliche Reisen, Einstellungen und persönliche Strategien im Umgang mit der Krise. Die dritte Erhebung soll im Herbst 2020 stattfinden. Bildung von Modalgruppen Schwerpunkt der hier vorgestellten Ergebnisse sind der Vergleich des Mobilitätsverhaltens vor der Verbreitung des Corona- Virus, während der Phase des Lockdowns sowie zum Zeitpunkt weitgehender Lockerungen Ende Juni/ Anfang Juli. Die Analyse erfolgt anhand der Einteilung von Personen auf Basis der von ihnen im Verlauf einer Woche genutzten Verkehrsmittel in Modalgruppen. Personen, die nur eines der drei Verkehrsmittel Auto, Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel (ÖV) nutzen, sind monomodal. Personen, die zwei oder alle drei der genannten Verkehrsmittel nutzen, sind multimodal. In Summe können drei monomodale und vier multimodale Personengruppen unterschieden werden. Wege zu Fuß werden bei der Einteilung nicht berücksichtigt, damit die Anzahl der Modalgruppen überschaubar bleibt. Zudem legen sehr viele Menschen im Verlauf einer Woche Wege zu Fuß zurück, sodass sich diese Wege weniger gut als differenzierendes Merkmal eignen [10]. Wenn von monomodalem Verhalten gesprochen wird, bezieht sich dies im Nachfolgenden lediglich auf die der Einteilung zugrundeliegenden Verkehrsmittel. Mit den Modalgruppen können sowohl die Verkehrsmittelwahl und das damit verbundene Mobilitätsverhalten als auch die intrapersonelle Variabilität des Mobilitätsverhaltens abgebildet werden [10]. Im Gegensatz zu Wegetagebüchern hält sich der Aufwand der Probanden bei der Erhebung in Grenzen. Während die generelle Nutzung der Verkehrsmittel auch retrospektiv für die Zeit vor Corona beantwortet werden kann, können Wegetagebücher nur mit geringem Abstand zum Stichtag sinnvoll ausgefüllt werden. Verkehrsmittelnutzung vor und während der Corona-Pandemie In Bild 1 ist die Verteilung der Modalgruppen vor Corona, während der tiefsten Phase des Lockdowns und nach Einführung von Lockerungen Ende Juni/ Anfang Juli dargestellt. Zu allen drei Zeitpunkten fällt die Gruppe der monomodalen Autofahrer mit Abstand am größten aus. Ihr Anteil variiert jedoch deutlich. Zwei Drittel aller Befragten haben sich in der Woche vor Ostern ausschließlich mit dem Auto fortbewegt. Vor der Krise traf dies nur auf die Hälfte der Befragten zu. Die ausschließliche Nutzung des Fahrrads ist generell eine seltene Verhaltensweise. Vor der Krise haben nur 6 % der Befragten dieser Gruppe angehört. Das Fahrrad wurde zu diesem Zeitpunkt im Verlauf einer Woche vor allem in Kombination mit anderen Verkehrsmitteln genutzt, allen voran dem Auto. In der Krise steigt die Bedeutung der monomodalen Nutzung des Fahrrads jedoch um die Hälfte an. Die Nutzung in Kombination mit dem Auto nimmt dagegen-ab. Demgegenüber sinken die Anteile aller Modalgruppen mit ÖV-Nutzung. Öffentliche Verkehrsmittel sind damit der große Verlierer der Krise. Dies gilt auch für die Zeit nach dem Lockdown. Entspricht das Bild Ende Juni/ Anfang Juli bereits zu weiten Teilen wieder dem der Zeit vor Corona, so gilt dies nicht für den ÖV. Das Auto wird nun wieder deutlich seltener als ausschließliches Verkehrsmittel genutzt. Der Anteil dieser Gruppe liegt zum zweiten Erhebungszeitpunkt aber immer noch fünf Prozentpunkte über dem Wert vor der Krise. Die Gruppen mit Fahrradnutzung weichen dagegen nur noch minimal vom Ausgangsniveau ab. Verhaltensänderung auf individueller Ebene Betrachtungen auf individueller Ebene zeigen bei welchen Modalgruppen es während des Lockdowns zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens gekommen ist. Das Ausmaß der Veränderung variiert dabei erheblich zwischen den Gruppen (siehe Bild 2). Monomodale Personen weisen eine prinzipiell höhere Konstanz in ihrer Verkehrsmittelnutzung auf. Dies gilt vor allem für die Autofahrer: 90 % der monomodalen Autofahrer bleiben ihrer ausschließlichen Nutzung des PKW auch in der Krise treu. Selbst bei den monomodalen ÖV-Nutzern trifft dies noch auf 46 % der Personen zu. Dagegen haben die meisten multimodalen Personen ihr Verhalten während des Lockdowns angepasst. Ihre Strategie ist unabhängig von der konkreten Gruppe die gleiche: Sie nutzen nur noch eines der normalerweise im Alltag genutzten Verkehrsmittel. Viele der Multimodalen werden so zu monomodalen Autofahrern. Ein hoher Anteil der Personen, die ihren Alltag normalerweise mit Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln bestreiten, ist nur noch mit dem Fahrrad unterwegs. Hier dürften zwei Aspekte zusammen kommen. Angesichts des höheren Infektionsrisikos in öffentlichen Verkehrsmitteln wird dem sichereren Verkehrsmittel Fahrrad der Vorzug gegeben. Öffentliche Verkehrsmittel kommen bei multimodalen Personen vor allem auf dem Weg zur Arbeit oder zur Ausbildungsstätte zum Einsatz [10]. Diese Wege sind während des Lockdowns zu großen Teilen entfallen. Bei monomodalen Personen, die ihr Verhalten während des Lockdowns geändert haben, kommen andere Verhaltensweisen zum Tragen: Vielfach wird keines der drei Verkehrsmittel genutzt. Sie schränken ihre Mobilität damit stärker ein als multimodale Personen und sind entweder gar nicht oder nur zu Fuß unterwegs. Dieser Mangel an Alternativen mag erklären, warum die Gruppe der ÖV-Nutzer zu großen Teilen an ihrem angestammten Verkehrsmittel trotz höheren Infektionsrisikos festhält. Generell zeigt dies, dass auch in der Krisensituation nicht ohne weiteres neue Verkehrsmittel in den Alltag eingebaut werden. Es kommt vielmehr zur Variation bereits genutzter Verkehrsmitteloptionen. Bild 1: Anteil der Modalgruppen vor, während und im Anschluss an den Lockdown Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 96 MOBILITÄT Covid-19-Pandemie Änderung des Verkehrsaufkommens Mobilfunkdaten legen nahe, dass das Verkehrsaufkommen zum Zeitpunkt der zweiten Erhebung bereits weitgehend das Niveau vor der Pandemie erreicht hat. Die individuelle Wahrnehmung der Erhebungsteilnehmer ist eine andere. 43 % der Befragten haben in der zweiten Erhebung angegeben, dass sie im Vergleich zu der Zeit vor der Ausbreitung des Corona-Virus weniger oder viel weniger Wege zurücklegen (siehe Bild 3). Von diesem Rückgang sind vor allem die öffentlichen Verkehrsmittel betroffen. Die Hälfte aller Befragten berichtet, mit diesen seltener oder viel seltener als vor der Krise unterwegs zu sein. Die anderen Verkehrsmittel werden dagegen weit überwiegend genauso oft genutzt. Von der Krise profitiert hat nur das Zufußgehen: 22 % der Personen geben bei der zweiten Befragung an, nun mehr Wege zu Fuß zurückzulegen, lediglich 13 % berichten einen Rückgang. Beim Fahrrad und Auto als Fahrer besteht genau das umgekehrte Verhältnis. Trotz Ansturms in den Fahrradläden und des vor allem in den Städten teilweise hohen Fahrradaufkommens hat der generelle Rückgang der Mobilität bei vielen auch die Anzahl der Fahrradwege reduziert. Auswirkungen der Krise auf Einstellungen gegenüber Verkehrsmodi Um auch den emotionalen Aspekt der Verkehrsmittelwahl zu beleuchten, wurden die Probanden zu beiden Erhebungszeitpunkten befragt, wie wohl sie sich aktuell fühlen bzw. fühlen würden, wenn sie ein bestimmtes Verkehrsmittel nutzen (Bild 4). Dabei zeigt sich: Der privat genutzte PKW weist gegenüber anderen Verkehrsmitteln einen deutlichen Wohlfühlfaktor auf. Fast alle Befragten geben an, sich im Auto genauso wohl oder wohler zu fühlen als vor der Krise. Auch das Fahrrad schneidet bei dieser Bewertung gut ab. Zu den großen Verlierern gehören alle öffentlichen Verkehrsmittel. Ob Nahverkehr, Fernverkehr, Carsharing oder Flugzeug: Mit ihrer Nutzung wird in der aktuellen Situation ein Unwohlsein verbunden, das Anfang April noch stärker ausgeprägt war als Ende Juni/ Anfang Juli. Das Unbehagen in Zusammenhang mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich ausgeprägt. Frauen sehen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in der aktuellen Situation kritischer als Männer, besonders unwohl fühlen sich zudem junge Personen und Städter. Dies sind genau die Gruppen, die im normalen Alltag häufig öffentliche Verkehrsmittel nutzen. So zeigt sich auch: Wer viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, verbindet mit ihnen in der aktuellen Situation ein größeres Unbehagen. Lediglich bei Carsharing ergibt sich ein anderes Bild: Die wenigen in der Studie enthaltenen Carsharing- Mitglieder geben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger an, sich im Carsharing-Fahrzeug wohler zu fühlen. Das Carsharing-Fahrzeug wird in der aktuellen Situation ein höheres Maß an Sicherheit bieten als der von dieser Gruppe vielfach genutzte ÖV. Zu höheren Nutzungszahlen führt dies allerdings nicht. Die Carsharing- Branche kämpft genauso wie der öffentliche Verkehr mit dem Einbruch der Nutzungszahlen und Umsatzeinbußen. Auswirkung der Krise auf den PKW-Besitz Bei der An- und Abschaffung eines Autos handelt es sich um eine dem Verkehrsverhalten vorgelagerte Entscheidung, die sich langfristig auf die zur Verfügung stehenden Mobilitätsoptionen und damit das Mobilitätsverhalten auswirkt. Personen aus Haushalten ohne Auto weisen ein grundlegend anderes Mobilitätsverhalten auf als Personen mit Auto. Die Analyse zeigt: Während der akuten Phase des Lockdowns haben 32 % der Personen ohne PKW im Haushalt ein Auto vermisst. Zum Zeitpunkt der zweiten Erhebung hat sich dieser Wert auf 20 % reduziert. Vermisst wird das Auto besonders oft von jungen Menschen, Personen in Stadtregionen und etwas häufiger von Frauen als von Männern, also den weniger gut mit PKW ausgestatteten Bevölkerungsgruppen. Zu beiden Erhebungszeitpunkten denken 6 % aller Personen ohne Auto im Haushalt über die Anschaffung eines PKW nach. Corona spielt hierbei eine maßgebliche Rolle. Auch wenn es von der Überlegung einen Bild 2: Verkehrsmittelnutzung während des Lockdowns in Abhängigkeit der Alltagsmobilität vor Corona Bild 3: Subjektive Wahrnehmung der Mobilität nach dem Lockdown im Vergleich zum Alltag vor Corona Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 97 Covid-19-Pandemie MOBILITÄT PKW anzuschaffen bis zum letztendlichen Kauf ein weiter Weg ist: Die Krise hat das Potenzial, auch die Langfristentscheidungen über den Besitz von Verkehrsmitteln zu beeinflussen. Mögliche langfristige Auswirkungen Die Pandemie wird uns auch weiterhin begleiten. Die genauen Auswirkungen hängen maßgeblich von ihrer weiteren Entwicklung ab und der Frage, ob erneut die Notwendigkeit besteht, die derzeit geltenden Einschränkungen wieder zu verschärfen. Eines zeichnet sich jedoch bereits jetzt ab: Ein „Wie davor“ wird es nicht geben. Die Frage ist vielmehr, wie die neue Normalität aussieht und ob die positiven Impulse des durch die Krise ausgelösten, in der Form nie dagewesenen „Verhaltensexperiments“ aufgegriffen werden. Zu der positiven Seite der Krise für den Verkehr zählt der Popularitätsgewinn der aktiven Verkehrsmodi Radfahren und Zufußgehen. Im urbanen Raum wurde diese Entwicklung ohne großen bürokratischen Aufwand durch das Entstehen von z.B. Popup-Radwegen unterstützt. In der Krise haben viele Menschen zum ersten Mal im Homeoffice gearbeitet. Dienstliche Termine wurden in die digitale Welt verlegt. Hier können neue Modelle der Arbeitsorganisation entstehen, die langfristig zu einer teilweisen Einsparung von Arbeits- und Dienstwegen führen können. Zu der Schattenseite der Krise zählt die Rückbesinnung auf individuelle, weniger nachhaltige Verkehrsmittel. Das eigene Auto geht als deutlicher Gewinner aus der Krise hervor, der öffentliche Verkehr als Verlierer. Auch nachhaltige Mobilitätskonzepte wie Carsharing wurden in der Krise geschwächt. Der Weg zur Verkehrswende ist dadurch weiter geworden. Für ihr Gelingen ist ein starker ÖV als Rückgrat des Verkehrs unabdingbar. Hierauf sollte in Zukunft ein deutliches Augenmerk gelegt werden. ■ LITERATUR [1] Schlosser, F.; Maier, B. F.; Hinrichs, D.; Zachariae, A., Brockmann., D. (2020): COVID-19 lockdown induces structural changes in mobility networks - Implication for mitigating disease dynamics. arXiv preprint: 2007.01583v2 [2] Axhausen, K. W. (2020): The impact of COVID19 on Swiss travel. Internet access. Webinar: Automation and COVID-19: on the impacts of new and persistent determinants of travel behaviour (TRAIL and TU Delft webinar 2020). IVT, ETH Zurich [3] Circella, G. (2020): The COVID-19 Pandemic: What does it means for Mobility? What are the temporary vs. longer-term impacts? Webinar: UC Davis Institute of Transport Studies, 3 Revolutions Programm [4] Mohammadian, A. K.; Shabanpour, R.; Shamshiripour, A., Rahmi, E. (2020): How much will COVID-19 affect travel behavior? Webinar: The National Academie of Science, engineering, medicine. Transport Research Board [5] Askitas, N., Tatsiramos, K., Verheyden, B. (2020): Lockdown strategies, mobility patterns and covid-19. arXiv preprint: 2006.00531 [6] Kraemer, M. U., Yang, C.-H., Gutierrez, B., Wu, C.-H., Klein, B., Pigott, D. M., Du Plessis, L., Faria, N. R., Li, R., Hanage, W. P. (2020): The effect of human mobility and control measures on the COVID-19 epidemic in China. Science, 368, 493-497 [7] De Vos, J. (2020): The effect of COVID-19 and subsequent social distancing on travel behavior. Transportation Research Interdisciplinary Perspectives, 100121 [8] De Haas, M., Faber, R., Hamersma, M. (2020): How COVID-19 and the Dutch ‘intelligent lockdown’ change activities, work and travel behaviour: Evidence from longitudinal data in the Netherlands. Transportation Research Interdisciplinary Perspectives, 100150 [9] Becker, S. (2020): Ist die Coronakrise gut für die Verkehrswende? Interview, www.bmbf.de/ de/ ist-die-coronakrise-gut-fuer-dieverkehrswende-11561.html [10] Nobis, C. (2014): Multimodale Vielfalt: Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Dissertation, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II, Humboldt-Universität zu Berlin Claudia Nobis, Dr. rer. nat. Gruppenleiterin „Mobilitätsverhalten“, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin claudia.nobis@dlr.de Christine Eisenmann, Dr.-Ing. Gruppenleiterin „Transformation der Automobilität“, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin christine.eisenmann@dlr.de Christian Winkler, Dr.-Ing. Abteilungsleiter „Personenverkehr“, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin christian.winkler@dlr.de Barbara Lenz, Prof. Dr. rer. nat. Institutsleiterin, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin barbara.lenz@dlr.de Viktoriya Kolarova, M. Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin viktoriya.kolarova@dlr.de Bild 4: Das subjektive Empfinden bei Nutzung eines Verkehrsmittels während und nach dem Lockdown Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 98 Lavatory4All Technische Anforderungen an eine barrierefreie Flugzeugtoilette für Menschen mit eingeschränkter Mobilität Anforderungen im Luftverkehr, Öffentliche Verkehrsmittel, Flugzeugtoilette, Mobilitätseinschränkung, Universal-Design, Usability Die Benutzung von Flugzeugtoiletten ist für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oft nur bedingt oder gar nicht möglich. Vor allem im Kurz- und Mittelstreckenverkehr sind Flugzeugtoiletten im Regelfall nicht barrierefrei, da zugunsten einer ökonomischen Effizienz der Platz für Toiletten limitiert ist. In Großraumflugzeugen sind zwar als barrierefrei bezeichnete Toiletten vorhanden, doch die erfüllen die Anforderungen im Sinne des Universal-Designs nicht vollumfänglich. Das Projekt Lavatory4All zielte darauf ab, Lösungen für barrierefreie Flugzeugtoiletten zu entwickeln, die sowohl die Anforderungen von betroffenen Menschen erfüllen als auch für Luftverkehr betreibende Unternehmen akzeptabel sind. Marcel Weber, Bernhard Rüger, Wolfgang Zagler, Heidelinde Jelinek-Nigitz, Peter Mayer, Bernhard Hatzmann, Jesús Rodríguez Conde L aut dem aktuellen globalen Bericht der Weltgesundheitsorganisation und der Weltbank in New York leben insgesamt eine Milliarde Menschen (15 Prozent der Gesamtbevölkerung) mit einer dauerhaften Beeinträchtigung und haben somit unmittelbare Mobilitätsprobleme, das ist statistisch betrachtet jeder siebte Mensch weltweit. Es ist anzunehmen, dass die Zahl der Menschen mit Beeinträchtigungen in den nächsten Jahren zunimmt, was sich unter anderem auch mit dem rasch verstärkenden demografischen Wandel begründen lässt 1 . Unter Menschen mit eingeschränkter Mobilität werden Gruppen verstanden, welche eine körperliche Einschränkung haben, eine Einschränkung der Sinne, eine Sprach- oder Sprecheinschränkung, psychische Einschränkung oder eine Lerneinschränkung aufweisen. Diese Gruppen umfassen somit nicht nur Menschen mit eindeutig motorischen Einschränkungen, wie z. B. Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer, sondern insbesondere auch ältere Menschen mit altersbedingten physischen (Gebrechlichkeit) und/ oder Sinneseinschränkungen. Mobilitätseingeschränkt sind auch kleinwüchsige oder groß gewachsene Menschen, Menschen mit Säuglingen oder Kleinkindern. Mobilitätseinschränkungen sind nicht nur von permanenter Natur, sondern können auch aufgrund eines Unfalls oder einer nicht-chronischen Erkrankung temporär in Erscheinung treten - wobei Menschen mit temporärer Einschränkung aufgrund der für sie ungewohnten Situation oftmals mit noch größeren Herausforderungen konfrontiert werden. Aufgrund dieser Einschränkungsarten sind Menschen kaum in der Lage, am gesellschaftlichen Leben umfassend teilzunehmen, da sie durch die Mobilitätseinschränkung kaum ihren Lebensraum optimal nutzen können. Ein Grund, weshalb auf internationaler und nationaler Ebene der barrierefreie öffentliche Verkehr immer mehr an Bedeutung gewinnt - so auch im Flugverkehr. Foto: Stela Di / pixabay TECHNOLOGIE Flugverkehr Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 99 Flugverkehr TECHNOLOGIE Barrierefreiheit im Flugverkehr bedeutet nicht nur die physische Zugänglichkeit der Flugzeugkabine und Ausstattung, sondern auch eine kontrastreiche Gestaltung verschiedener Kabinenbereiche sowie Informationsvermittlung in einer verständlichen Sprache unter der Zuhilfenahme von allgemeinen und internationalen Piktogrammen. Ein besonderes Defizit von barrierefreien Kabinenbereichen besteht unter anderem gegenwärtig bei den Toiletten. Abhängig von der Art der Mobilitätseinschränkung, gibt es unterschiedliche und oft widersprüchliche Anforderungen an die Ausführung von Toiletten, um deren Gebrauch zu ermöglichen, die jedoch oft technischen Möglichkeiten im Flugzeugbau beziehungsweise der ökonomischen Effizienz von Luftfahrt betreibenden Unternehmen entgegensteht. Aus Sichtweise der ökonomischen Effizienz muss der Platz in einer Flugzeugkabine bestmöglich genutzt werden, was einer, oftmals erforderlichen und durch terrestrische Baunormen geforderten, großzügigen Gestaltung von Toiletten widerspricht. Des weiteren werden an jegliches Flugzeuginterieur hohe Anforderungen an das Material hinsichtlich der erforderlichen Festigkeit und gleichzeitig hinsichtlich der geforderten Gewichtsminimierung gestellt. Aus einem vorhergehenden Sondierungsprojekt (Cabin4All - Barrierefreie Flugzeugkabine), in dem die generellen Anforderungen mobilitätseingeschränkter Menschen im Flugverkehr tiefgehend untersucht wurden, ist bekannt, dass die richtige Gestaltung von Flugzeugtoiletten in mehrfacher Hinsicht eine große Herausforderung darstellt, die gegenwärtig vollumfänglich nicht gelöst ist. Flugzeugtoiletten entsprechen nicht den allgemeingültigen Standards hinsichtlich Barrierefreiheit, wie diese beispielsweise im Bauwesen oder in Eisenbahnwaggons umgesetzt sind. Neben verhältnismäßig einfach umsetzbaren Maßnahmen, wie z. B. für seheingeschränkte Menschen, stellen vor allem die Anforderungen von Passagieren mit Geheinschränkungen, die auf die Nutzung eines Bordrollstuhls angewiesen sind, große und bis dato ungelöste Herausforderungen dar. Bedingt durch bereits geltende oder aktuell in Ausarbeitung befindliche nationale und internationale Gesetze und Regulierungen zur Diskriminierungsfreiheit ist jedoch zu erwarten, dass in wenigen Jahren auch im Flugverkehr verschärfte Anforderungen an die Barrierefreiheit gestellt werden. Barrierefreie Flugzeugtoiletten müssen aus einer ganzheitlichen Sicht heraus gestaltet werden, damit sie den unterschiedlichsten Anforderungen von allen Menschen, ungeachtet einer möglichen Einschränkung, tatsächlich entsprechen (Forschung nach den Prinzipien des Universal Designs, des Design-for-All und des Partizipatorischen Designs). Gleichzeitig müssen die barrierefreien Flugzeugtoiletten aber auch den hohen Anforderungen der Luftfahrt hinsichtlich der bestmöglichen Platznutzung, der Sicherheit der geforderten Materialien und des geringstmöglichen Gewichtes entsprechen. Zentrales Ziel des Projektes war es, vor diesem Hintergrund zu erforschen, ob und wie Toiletten für Flugzeuge, unter Berücksichtigung aller genannten Einschränkungen, barrierefrei gestaltet werden können (Bild 1). Im Sinne einer wahren Innovation, die zukünftig einen wesentlichen Beitrag zur gleichzeitigen Effizienz- und Nutzensteigerung liefern soll, lag das Forschungsinteresse hauptsächlich an einer Forcierung eines komplett überdachten Flugzeugtoilettensystems. Grund ist auch, dass die üblichen Designvorschläge auf bereits bekannten Systemen basieren, deren Fortführung nicht zwingend die beste Lösung darstellt. Regelerstellung für barrierefreie Flugzeugtoiletten als notwendige Grundlage Im Flugverkehr existieren eine Reihe kostenloser Serviceleistungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, welche von der Abholung vom Eingangsbereich, Unterstützung beim Check-in und beim Zollverfahren bis hin zum Bording in das Flugzeug reichen können. Auch bei der Gestaltung von Flughafengebäuden (z. B. Rampen, Aufzüge, etc.) werden die Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Menschen berücksichtigt. Das großzügige Angebot für mobilitätseingeschränkte Menschen endet jedoch nach dem Bording im Flugzeug und dem Betreten der Flugzeugkabine selbst. Die Auslegung der Fluggastkabinen von in der EU zugelassenen Luftfahrtzeugen unterliegt der europäischen Zertifizierung durch die European Aviation Safety Agency (EASA). Nicht aus der EU stammende Luftfahrzeuge werden von der jeweiligen nationalen Behörde zertifiziert. An Bord europäischer Fluglinien werden selten Rollstühle zur Verfügung gestellt, welche für viele mobilitätseingeschränkte Menschen eine Grundvoraussetzung zur Erreichung der Toiletten darstellen, wohingegen dies nach US-Recht für Luftfahrzeuge mit mehr als 60 Sitzplätzen bereits vorgeschrieben ist. Im Bereich Eisenbahn ist die Einbeziehung von Aspekten der Barrierefreiheit in die Gestaltung von Infrastruktur und Fahrzeugen seit längerer Zeit Realität und in vielen Bereichen gesetzlich vorgeschrieben. Die VO (EU) 1300/ 2014 über die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität bezüglich der Zugänglichkeiten des Eisenbahnsystems der Union für Menschen mit physischen und kognitiven Einschränkungen (abgekürzt TSI PRM) sorgt dafür, dass Bild 1: Evaluierungsschritte Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 100 TECHNOLOGIE Flugverkehr europaweite einheitliche Qualitätsstandards für barrierefreies Reisen gelten. Neue Fahrzeuge müssen somit der geltenden Fassung der TSI PRM entsprechen, welche unter anderem auch das Vorhandensein und die Ausstattung einer barrierefreien Toilette klar regelt. In der Luftfahrt gibt es gegenwärtig keine einheitliche Regelung in Form von Normen oder Vorschriften, welche die Gestaltung und Ausstattung von barrierefreien Toiletten festlegt. Es fehlt in Gänze der Universal Design-Denkansatz und führt oft zu Konflikten, mobilitätseingeschränkte Menschen eine Flugreise nicht nur zu ermöglichen, sondern auch angenehm zu gestalten. Keine erwägenswerten Lösungen von Toiletten-Systemen aus anderen Bereichen Parallel zu der Recherche über bereits im Einsatz befindliche barrierefreie Flugzeugtoiletten, wurden auch Toiletten-Systeme außerhalb von Flugzeugkabinen - wie im Eisenbahnverkehr, in der Schifffahrt, im Busverkehr sowie im Bauwesen - analysiert, um von gegebenenfalls ähnlichen Herausforderungen beziehungsweise von bereits umgesetzten Lösungen lernen zu können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es nur sehr wenige Systeme in Flugzeugen, die zum einen barrierefrei sind und zum anderen gleichzeitig die Privatsphäre und den Komfort von mobilitätseingeschränkten Menschen wahren. Es existieren zwar Teilansätze zu Toiletten-Systemen aus anderen Bereichen, wie bereits angeführt, welche auch in kleineren Flugzeugen eingesetzt werden, allerdings fehlt auch da in Gänze ein vollumfänglich barrierefreies Angebot. Aufgrund der komplexen Bauvorschriften von Flugzeugen und vielseitiger Anforderungen von mobilitätseingeschränkten Menschen an barrierefreie Toiletten müssen technische Rahmenbedingungen schon von Anfang an eingehalten werden, da im Nachtrag nur sehr schwer nachadjustiert werden kann. Die Grundlage für die Baunormen von Linienflugzeugen bildet die EASA Zulassungsvorschrift Certification Spezification and Acceptable Means of Compliance for Large Aeroplanes, auch CS 25 genannt. Der darin enthaltene Auszug Subpart D - Design and Construction gibt ebenso, wie die teilweise zur Verfügung stehenden ETSO, Auskunft über die Ausführungsregularien der Kabinenausstattung. Da darin nicht viele Bauvorschriften bezüglich der Flugzeugtoilette niedergeschrieben sind, bietet sich hier die Möglichkeit, die behindertengerechte WC-Anlage sehr innovativ zu gestalten. Dies muss auch der Fall sein, um vollständige Barrierefreiheit zu gewährleisten, da die bisherigen Konzepte nicht ansatzweise den Anforderungen eines mobilitätseingeschränkten Fluggastes entsprechen und großer Nachholbedarf besteht. Dabei sind wesentliche Rahmenbedingungen in der Flugzeugkabine zu beachten, wie • Platzbedarf (bedingt durch den intensiven Wettbewerb, dem Luftfahrt betreibende Unternehmen ausgesetzt sind, zählt für eine ökonomische Effizienz ein Maximum an anzubietenden Sitzplätzen - zu Lasten verfügbarer Flächen z. B. für barrierefreie Toiletten), • Gewicht (unter Berücksichtigung des Flugzeuggesamtgewichtes fallen ca. zwei Liter Kerosin pro 10.000 km für jedes zusätzliche Kilogramm für Ladung an, Mehrgewicht wirkt sich somit ökonomisch sowie auch ökologisch nachteilig aus) und die • Sicherheitsanforderungen (Regularien für die Materialsicherheit, Anforderungen der Brandbeständigkeit etc.). Design for All durch benutzungszentrierte Evaluierung Für das Erstellen technischer Lösungsvorschläge für eine barrierefreie Flugzeugtoilette wurden im Rahmen des Forschungsprojektes vordergründig die sozialen Verhaltensweisen und Interaktionen kognitiv und physisch eingeschränkter Menschen als empirische Untersuchung an einem Demonstrationsmodell herangezogen. Vor allem durch die Erkenntnisse, wie die Testpersonen den Transfer und die Nutzung des innovativen Toilettensystems durchführten, konnte ein technischer und wirtschaftlicher Mehrwert in Machbarkeit und Umsetzbarkeit gewonnen werden. Dafür kamen im Laufe der empirischen Untersuchungen drei unterschiedliche Evaluierungsvarianten zum Einsatz, welche in Gänze alle funktionalen Anforderungen berücksichtigen sollten. Als Evaluierungsvarianten wurden hierbei die Feedback-Methode, der Usability-Test sowie die Fragebogen-Methode herangezogen. Bei der Feedback-Methode stand hauptsächlich das mündlich kommunikative Vorgehen im Mittelpunkt, wobei im Evaluierungszeitraum die Testpersonen aufgefordert waren, jeglichen Gedanken oder das Erlebte vokal oder durch Gebärdensprache zu kommunizieren. Der Vorteil lag darin, situationsabhängige kritische und auch bewertende Aussagen der Testpersonen parallel zum Usability-Test zu gewinnen. Wobei der Usability-Test darauf abzielte, anhand einer annähernd realen Nutzung des innovativen Toilettensystems pro und contra der Funktionalitäten zu ermitteln. Begleitet wurde der Usability-Test von einem strukturierten Ablaufplan, welcher die Vergleichbarkeit der Ergebnisinterpretation erhöht. Im Anschluss des Usability-Tests wurden noch mittels der Fragebogen-Methode die subjektiven Einstellungen und persönlichen Erfahrungen seitens der Testperson erhoben. Durch den zusätzlichen Einsatz der quantitativen Erhebungsmethode konnten Informationen gewonnen werden, welche mittels der qualitativen Erhebungsmethode nicht erhoben werden konnten. Der Fragebogen wurde in einer strukturierten Form, mit teilweise geschlossenen Antwortmöglichkeiten (durch Bewertung auf einer Skala im Schulnotensystem) und teilweise mit offenen Antwortmöglichkeiten (durch zusätzlich angebrachte freie Anmerkungsfelder) den Testpersonen vorgelegt. Trotz der sich aus den Evaluierungen ergebenden Lösun- Bild 2: Computersimuliertes Demonstrationsmodell Grafiken: FACC Operations GmbH Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 101 Flugverkehr TECHNOLOGIE gen für Lang-, Mittel- und Kurzstreckenflugzeuge, konzentrierte sich das weitere Vorgehen auf die Mittel- und Kurzstreckenflugzeuge. Diese Entscheidung wurde im Laufe der Projektbearbeitung getroffen, um eine möglichst hohe Detaillierungstiefe in der Systemkonzeption zu erreichen. Des weiteren besteht durch diese Herangehensweise die Gewissheit, dass, wenn alle ausgewählten, priorisierten und wirtschaftlich umsetzbaren Komponenten in eine von mobilitätseingeschränkten Menschen nutzbare Toilette für Kurzstreckenflugzeuge integriert werden können, eine Umsetzung für Langstreckenflugzeuge ohne weitere Probleme übernommen werden kann. Integration individueller Anforderungen der Barrierefreiheit in den Entwicklungsprozess Die benutzungszentrierte Evaluierung an einem Demonstrationsmodell (Bild 2) hat in vielerlei Hinsicht gezeigt, wie wichtig auf der einen Seite eine Verbesserung der Servicekomponenten sowie der technischen Ausstattungselemente ist, welchen großen Mehrwert auf der anderen Seite eine Implementierung einer einheitlichen Regelung in Form von Normen oder Vorschriften für die Gestaltung und Ausstattung von barrierefreien Flugzeugtoiletten haben kann. Anhand der Evaluierungserkenntnisse lassen sich somit folgende Anwendungsbereiche festlegen. Auffinden der Flugzeugtoilette Der Weg zur Toilette sollte unter Zuhilfenahme von Orientierungshilfen allgemeinverständlich markiert werden. Alle im Flugzeug installierten Toilettensysteme sind an der Außenseite der Tür mit einer deutlichen Beschriftung zu versehen, welche auf eine barrierefreie Toilette hinweist. Dabei ist die Beschriftung in einem hohen Kontrast sowie in einer taktilen Ausführung auszuführen, wobei die Beschriftung eine Höhe von 30 mm nicht unterschreiten sollte. Türsystem Die Tür sollte nicht nach innen aufgehen, leicht zu öffnen sein und eine lichte Durchgangsbreite von mindestens 450 mm aufweisen. Dabei ist die Tür in einer gewinkelten Form auszuführen, welche sich in Richtung Gang öffnen lässt und als Sichtschutz den Gang vollständig schließt (Bild 3). Zusätzlich soll es ermöglicht werden, die gegenüberliegende Türzarge als schwenkbare Seitenwand auszuführen, um mehr Platz für assistierende Menschen zu erhalten. Bei einer geöffneten Winkeltür sollte eine Schließeinrichtung vorgesehen werden, die ein Durchpendeln oder durch Turbulenzen hervorgerufenes Schließen verhindert. Beschläge an der Tür (Türschnallen außen und innen, Verriegelungsschieber, etc.) sollten in einer angemessenen Formgebung mit ausreichendem Formschluss und Leichtigkeit in der Bedienung ausgeführt werden. Dabei sollte ein sternförmiger Griff nicht unter 50 mm im Durchmesser und eine Türschnalle nicht unter 100 mm in der Länge ausgeführt werden. Drehkopfbeschläge mit glatter Struktur sind zu vermeiden. Beschläge an der Tür sollten mindestens bei einer Höhe von 850 mm ausgeführt werden und eine Höhe von 1.000 mm nicht übersteigen. Bei den Türen ist sicherzustellen, dass diese durch einen Griff auch zugezogen werden kann. Die Länge des Griffes sollte mindestens 150 mm betragen. Die Beschläge sollten in Bezug auf das Türblatt in einem entsprechenden Kontrast ausgeführt werden. Halte- und Stützgriffe Die Halte- und Stützgriffe innerhalb der Flugzeugtoilette sollten mindestens in vierfacher Ausführung zur Verfügung stehen, wobei sich diese in zwei senkrechte und in zwei waagerechte Halte- und Stützgriffe einteilen sollten. Ein Halte- und Stützgriff sollte eine verstellbare Eigenschaft aufweisen, um den Transfer sowie die Nutzung des Waschtisches zu erleichtern. Dabei ist eine leichte Griffigkeit aller Halte- und Stützgriffe durch eine Auflagefläche aller Finger sicherzustellen und sollten einen runden Querschnitt aufweisen. Die optimale Höhe der Halte- und Stützgriffe liegt für den Transfer bei 600 mm bis 1.500 mm und sollte einen Durchmesser von mindestens 40 mm nicht unterschreiten. Die Halte- und Stützgriffe sollten in Bezug auf das Türblatt in einem entsprechenden Kontrast ausgeführt werden. WC-Raum Die WC-Räume müssen eine lichte Breite von mindestens 928 mm, eine lichte Höhe von mindestens 2.017 mm und eine lichte Tiefe von mindestens 1.162 mm aufweisen. Scharfe Kanten an den Deckelrändern der Toilette sollten vermieden werden, damit ein notwendiges Anlehnen bei der Nutzung möglich ist. Die Toilette selbst sollte symmetrisch zwischen linker und rechter Wand positioniert werden, um Bewegungsfläche, wie z. B. Pendelbewegungen beim Be- und Entkleiden, sicherzustellen. Die Höhe des Toilettensitzes sollte mit mindestens 460 mm gestaltet werden und für Kinder sowie kleinwüchsige Menschen eine Fußstütze aufweisen. Es wird empfohlen, eine zweite WC-Brille vorzusehen, um eine unterschiedliche Sitzhöhe zu ermöglichen. Beide WC-Brillen sollten dabei vom gesamten Umfang die gleiche Breite her aufweisen. Um den Transfer und die Ausrichtung der Person zu erleichtern, wird zum einen eine kreisrunde und drehbare WC-Brille und zum anderen ein motorisches Öffnen und Schließen empfohlen. Sitz und Brille sollten eine kontrastreiche Farbgebung aufweisen. Empfohlen wird auch eine Desinfektionsmöglichkeit für WC-Brille und Hände unmittelbar in der Nähe, um die Hygiene vor allem beim Transfer zu gewährleisten. Empfohlen wird ein automatisches Spülen beim Schließen des Deckels oder beim Verlassen der Toilette. Waschtisch Für eine barrierefreie Nutzung des Waschtisches sind eine Unterfahrbarkeit des Apparates mit den Fußteilen des Rollstuhles von mindestens 200 mm und eine Höhe von mindestens 300 mm sicherzustellen. Dazu Bild 3: Computersimulierte Anfahrt Grafiken: FACC Operations GmbH Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 102 TECHNOLOGIE Flugverkehr sollte bei der technischen Umsetzung darauf geachtet werden, dass die Wasserarmaturen näher zur Toilette und auch schwenkbar gestaltet werden. Vor allem für sehbeeinträchtigte Menschen ist kontrastreiche Farbgebung der Armaturen notwendig, verchromte Armaturen sollten vermieden werden. Die Armaturen sollten mit Sensoren ausgestattet werden, um bei motorischer Einschränkung die Bedienung zu gewährleisten. Zusätzlich wird eine ausziehbare Waschtisch-Handbrause empfohlen, um den Reinigungsprozess zu vereinfachen. Die Bedienungselemente beim Waschtisch sollten höher als 1000 mm liegen (Bild 4). Spiegel Der Spiegel sollte eine lichte Breite von mindestens 600 mm sowie eine lichte Höhe von mindestens 540 mm aufweisen. Von einem verstellbaren Kippspiegel ist abzusehen, stattdessen ist ein Spiegel in hoch und tief gesetzter Position auszuführen. Der Spiegel in tief gesetzter Position kann, je nach technischer Ausführung und Design, an der Türinnenseite ausgeführt werden. Wickeltisch Der Wickeltisch sollte eine Nutzungsmöglichkeit für Säuglinge sowie für Kleinkinder mit variabler Vergrößerung der Liegefläche aufweisen und in einer Höhe von mindestens 850 mm angebracht sein. Um Verletzungen beim Betreten der Toilette vorzubeugen, ist bei der technischen Ausführung des Wickeltisches eine automatische Aufrichtvorrichtung vorzusehen. Bedienelemente Für die Bedienelemente wie Spülung, Schalter, Taster etc. ist eine taktil wahrnehmbare und kontrastreiche Form auszuführen. Die Bedienelemente sollten dabei in einer Höhe zwischen 850 mm bis 1.300 mm angebracht-werden, wobei die optimale Höhe bei 1.000- mm beträgt. Empfohlen werden beleuchtete Bedienelemente mit zusätzlicher Anbringung von Blindenschrift. Es sind Bedienelemente, welche als Notruf oder Service vorgesehen sind, zusätzlich auch in der Nähe des Bodens vorzusehen. Experimentelle Entwicklung unumgänglich Für eine detaillierte Darstellung aller Evaluierungsergebnisse kann auf einen ausführlichen Evaluationsbericht mit einer umfangreichen Bewertung von insgesamt 103 erarbeiteten Verbesserungsvorschlägen für barrierefreie Flugzeugtoiletten hingewiesen werden. Die vorangestellten Erkenntnisse sind aus einem ausführlichen Evaluationsbericht im Wesentlichen zusammengefasst und repräsentieren die Mindestanforderungen einer barrierefreien Flugzeugtoilette. Es ist anzumerken, dass durch die Evaluierungsergebnisse im erstellten Systementwurf zwar bereits die konkreten Anforderungen der mobilitätseingeschränkten Menschen berücksichtigt werden konnten, aber noch nicht alle Bedürfnisse vollumfänglich abdecken. Das liegt daran, dass im Projekt selber keine experimentelle Entwicklung durchgeführt werden konnte, um schlussendlich an einer technischen Entwicklung alle tatsächlichen Bedürfnisse zu komplettieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Großteil der angeführten Themeninhalte lediglich um Empfehlungen oder Regularien ohne rechtswirksamen juristischen und gesetzlichen Hintergrund sowie undeutlich formulierte Vorschriften mit sehr großem Interpretationsspielraum handelt, diese aber durchaus als Grundlagen an barrierefreie Flugzeugtoiletten in die Regelerstellung mit aufgenommen werden können. Forschungskonsortium widmete sich über drei Jahre diesem Thema Die hier dargestellten inhaltlich interpretierten empirischen Datenerhebungsergebnisse stammen aus Forschungstätigkeiten der Institutionen netwiss OG, Technische Universität Wien, FH Joanneum, Rodlauer Consulting GmbH, FACC AG sowie RAL- TEC - Research Group for Assisted Living Technologie und wurden im Förderprogramm „Take Off“ durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Innovation und Technologie sowie der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert. ■ 1 World Health Organization (Hrsg.): World report on disability 2011, Page 261-262, Geneva Bernhard Rüger, Dipl.-Ing. Dr. techn. Projektassistent, Technische Universität Wien; Geschäftsführer netwiss OG, Wien (AT) bernhard.rueger@netwiss.at Wolfgang Zagler, Dipl.-Ing. Dr. techn. em. Ao. Univ. Prof. TU Wien (AT) zw.fortec@zaglers.at Marcel Weber, Dipl.-Ing., B.Sc. Projektassistent, Institut für Verkehrswissenschaften, Technische Universität Wien (AT) marcel.weber@tuwien.ac.at Peter Mayer, Dipl.-Ing. Senior Scientist, Institute of Visual Computing and Human-Centered Technology, Technische Universität Wien (AT) peter.mayer@tuwien.ac.at Bernhard Hatzmann Director Qualificiation Engineering, FACC Operations GmbH, Ried im Innkreis (AT) B.Hatzmann@facc.com Heidelinde Jelinek-Nigitz Mag.rer.soc.oec Aviation Management, Institut Luftfahrt/ Aviation, Department of Engineering, FH Joanneum, Graz (AT) heidelinde.jelinek-nigitz@ fh-joanneum.at Jesús Rodríguez Conde, M.Sc., Dipl.-Ing. (FH) Digitalization Specialist, FACC Operations GmbH, Ried im Innkreis (AT) J.RodriguezConde@facc.com Bild 4: Demonstrationsmodell Grafiken: FACC Operations GmbH Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 103 Elektromobilität TECHNOLOGIE Einflüsse auf das Ladeverhalten von Elektrofahrzeug-Nutzern Elektromobilität, Ladehäufigkeit, Ladedauer, Felddatenanalyse, Kundenanforderungen Das Verkehrswesen in Deutschland befindet sich derzeit in einer bedeutenden Transformation zur Elektromobilität. Im Gegensatz zu konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bestehen jedoch wenige Erfahrungen, wie Elektrofahrzeuge in der Praxis tatsächlich genutzt werden. Dies gilt insbesondere für das bei Verbrennerfahrzeugen nicht erforderliche Aufladen der Hochvoltbatterie. Informationen über das reale Ladeverhalten im Kundenbetrieb sind dennoch unerlässlich zur Anforderungsableitung für Fahrzeughersteller und Infrastrukturplaner. Auf Basis von Felddaten der Volkswagen AG wird untersucht, welche Einflüsse auf Ladehäufigkeiten sowie -dauern durch Antriebskonzept, Fahrzeugmodell, Reichweite und Markt bestehen. Florian Grober, Andreas Janßen, Ferit Küçükay D ie Einhaltung der durch die Europäische Union verschärften Flottengrenzwerte für CO 2 - Emissionen stellt die deutschen Automobilhersteller vor große Herausforderungen. Ein wesentliches Instrument zur Verminderung des Treibhausgasausstoßes ist der verstärkte Absatz von Elektrofahrzeugen. Deren massentaugliche Entwicklung wird daher aktuell mit großem Einsatz verfolgt. Der fundamentale Wandel in der Antriebsart beinhaltet jedoch die Exploration eines Technologiefeldes, welches derzeit noch großen Forschungsbedarf aufweist. Neben einer Verbesserung der zur Verfügung stehenden Technik an sich muss auch das Kunden-Nutzungsverhalten im realen Betrieb näher untersucht werden (siehe beispielsweise [1, 2]). Durch die veränderte Motorcharakteristik, die Bremsenergierückgewinnung, (derzeit noch) geringere Reichweiten sowie die Abhängigkeit von der Ladepunktverfügbarkeit ist hierbei ein Wandel gegenüber der Nutzung von konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu erwarten. Insbesondere das Laden der Hochvoltbatterie kann nicht mit dem Füllen des Kraftstofftanks verglichen werden, sodass in Bezug darauf keine bestehenden Erfahrungen sinnvoll übertragbar sind. Dennoch werden sowohl zur Fahrzeugauslegung bzw. -dimensionierung durch den Hersteller als auch zur Planung der öffentlichen Infrastruktur Informationen über Ladehäufigkeit und -dauer benötigt. Beide Werte können je nach Nutzungsart und Gewohnheiten der Kunden stark variieren. Inwiefern dabei auch die Eigenschaften des verwendeten Elektrofahrzeugs bzw. des Einsatzlandes eine Rolle spielen, soll im Nachfolgenden näher beleuchtet werden. Dazu erfolgt eine Analyse von Felddaten aus dem realen Kundenbetrieb. Vorgehen Im Fokus der Betrachtung stehen mehrere schon über einen längeren Zeitraum auf dem Markt befindliche Elektrofahrzeuge der Volkswagen AG. Als Plug-In Hybrid Electric Vehicle (PHEV) werden der Passat GTE sowie der Golf GTE herangezogen und als Battery Electric Vehicle (BEV) dienen zwei Generationen des e-Golf, welche unterschiedliche Nennreichweiten von 190 bzw. 300 km (nach NEFZ-Verbrauchszyklus) aufweisen (zur Unterscheidung sind die Nennreichweiten im Folgenden jeweils in die Bezeichnung aufgenommen). Tabelle 1 vergleicht die Eigenschaften der untersuchten Fahrzeuge, wobei die elektrische Nennreichweite nach dem inzwischen nicht mehr gebräuchlichen „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) angegeben ist, um konsistent zu bleiben. Als Datenquelle für die Untersuchung wird eine Zählfunktion im Lademanager- Steuergerät der genannten Fahrzeuge verwendet, welche kontinuierlich die Anzahl und Zeit der durchgeführten Ladevorgänge aufsummiert. Im Rahmen einer Kampagne wurden die Daten bei einer jeweils dreibis vierstelligen Zahl von Fahrzeugen datenschutzkonform in Volkswagen-Partnerwerkstätten in ganz Deutschland ausgelesen. Zum Vergleich wurde selbiges für e-Golf 190 in Norwegen durchgeführt, da dieses Land durch seinen engagierten Wane-Golf 190 e-Golf 300 Golf GTE Passat GTE Typ BEV-Kompaktwagen PHEV-Kompaktwagen PHEV-Kombi/ Limousine Markteinführung Juli 2014 Mai 2017 Okt. 2014 Sept. 2015 Batterie Brutto Energieinhalt 24,2 kWh 35,8 kWh 8,8 kWh 9,9 kWh Elektrische Nennreichweite NEFZ ~190 km ~300 km ~49 km ~50 km Maximale Ladeleistung AC: 3,6 kW DC: 40 kW AC: 7,2 kW DC: 40 kW AC: 3,6 kW AC: 3,6 kW Motorleistung 85 kW 100 kW 150 kW Syst., 75 kW Elektr. 160 kW Syst., 85 kW Elektr. Tabelle 1: Eigenschaften der untersuchten Fahrzeuge Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 104 TECHNOLOGIE Elektromobilität del zur Elektromobilität einen hohen Anteil an Elektrofahrzeugen aufweist und daher für nähere Untersuchungen von Interesse ist. Dieses Vorgehen zur Erhebung von Felddaten hat sich in jüngerer Vergangenheit in der deutschen Automobilindustrie etabliert, wie diverse Veröffentlichungen zeigen [3 ,4, 5, 6, 7]. Aufgrund des großen Stichprobenumfangs ist eine gute Repräsentativität gegeben. Die Schichtung der Stichprobe nach demografischen Gesichtspunkten kann aufgrund von Datenschutzanforderungen nicht aufgelöst werden. Sie entspricht der Schichtung der Kunden der Partnerwerkstätten und somit unter Annahme eines regelmäßigen Werkstattbesuchs näherungsweise den Volkswagen-Elektrofahrzeugkunden in Deutschland bzw. Norwegen. Die inhaltliche Datenqualität ist hoch, da eine objektive Zählung über die vollständige Fahrzeuglebensdauer erfolgt. Damit die Daten ein repräsentatives Nutzungsverhalten beschreiben, werden nur Fahrzeuge betrachtet, die bereits mindestens 1.000 km zurückgelegt und eine Nutzungsdauer von einem halben Jahr überschritten haben. Die für die Filterung benötigten Werte sind aus dem Stand des Kilometerzählers bei der Erfassung sowie der Zeitdifferenz zwischen Erstzulassung und Datenerhebung bekannt. Um die unterschiedlich großen Stichprobenumfänge der verschiedenen Fahrzeugmodelle sinnvoll vergleichen zu können, wird im Folgenden die kumulierte empirische Wahrscheinlichkeitsverteilung als Darstellungsform verwendet [8]. Sie zeigt auf der Abszisse die aufsteigend sortierten Beobachtungsmerkmale und auf der Ordinate den kumulierten Wahrscheinlichkeitsbereich von 0 bis 1. Zur Berechnung der kumulierten Wahrscheinlichkeit p jedes Fahrzeugs werden dessen Sortierindex i sowie der Stichprobenumfang n in die Rossow-Formel (1) eingesetzt [9]: p i i n ( ) = ⋅ − ⋅ + 3 1 3 1 (1) Aus dem entstehendem Diagramm lassen sich einfach die Perzentile ermitteln, beispielsweise der Median bei 50 %. Die betrachteten Fahrzeugarten sind so gewählt, dass sich durch paarweisen Vergleich Untersuchungsmöglichkeiten für vier potentielle Einflussgrößen bei ansonsten weitestgehend ähnlichen Eigenschaften ergeben: • Antriebskonzept (BEV oder PHEV): e-Golf versus Golf GTE • Fahrzeugmodell: Golf GTE versus Passat GTE • Reichweite: e-Golf 190 versus e-Golf 300 • Markt bzw. Infrastruktur: e-Golf 190 in Deutschland versus Norwegen Aus Gründen der Geheimhaltung ist die Abszisse jeweils ohne Angabe der absoluten Werte dargestellt. Jahreslaufleistung Als Vorbetrachtung zeigt Bild 1 die Verteilungen der durchschnittlichen Jahreslaufleistung als Quotient aus Kilometerzähler und Einsatzdauer. Bereits hier sind deutliche Unterschiede erkennbar, die mit der jeweiligen Tauglichkeit als Langstreckenfahrzeug begründet werden können: So eignen sich aufgrund der schnelleren Tankbarkeit sowie der größeren Systemleistung PHEV besser als BEV, aufgrund des Komforts Kombis (Passat GTE) besser als Kompaktwagen (Golf GTE) und aufgrund der Vermeidung von Ladepausen BEV mit hoher Reichweite besser als solche mit niedriger. Zudem zeigt sich eine Marktabhängigkeit dadurch, dass der e-Golf 190 in Norwegen deutlich intensiver genutzt wird als beide e-Golf-Generationen in Deutschland. Dies ist auf die norwegische Politik und Infrastruktur zurückzuführen, welche Elektrofahrzeuge besonders begünstigt. Beispielsweise gab es laut Angaben des European Alternative Fuels Observatory (EAFO), welches im Auftrag der EU-Kommission Daten über Elektromobilität in Europa sammelt, gegen Ende des Jahres 2019 in Norwegen pro 100 km Autobahn 655 Schnellladestationen über 22 kW. In Deutschland waren es hingegen nur 47, sodass sich ein BEV hier schlechter für Langstrecken verwenden lässt [10]. Dabei ist anzumerken, dass das deutsche Autobahnnetz mit 13.009 km Gesamtlänge eine wesentlich größere Ausdehnung als das norwegische (523 km) aufweist. Ladehäufigkeit pro Kilometer In Bild 2 sind die kumulierten empirischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Anzahl an externen Ladezyklen pro Kilometer je Fahrzeug dargestellt. Extern meint in diesem Fall, dass die Energie von einem Ladepunkt und nicht durch Rekuperation zugeführt wird. Ein Ladezyklus bedeutet dabei nicht zwangsläufig die volle Aufladung der Batterie, sondern die Abfolge des Einsteckens und Entfernens des Ladekabels, wobei zwischenzeitig ein Strom fließen muss. Gleich- und Wechselstromladungen wurden zusammengefasst, wobei die beiden PHEV- Modelle nur für letztere eingerichtet sind. Im Vergleich von PHEV (Golf GTE) und BEV (e-Golf ) zeigen die Verteilungen qualitativ unterschiedliche Verläufe. Diese lassen sich durch das nutzerindividuelle Verhältnis zwischen verbrennerischem und elektrischem Fahren bei den PHEV erklären. Im Bereich niedriger kumulierter Wahrscheinlichkeiten gibt es offenbar Kunden, die nur sehr selten die Batterie aufladen und überwiegend im Hybridmodus fahren. Im Gegensatz dazu benötigt ein BEV im Betrieb eine gewisse Zahl an Ladungen, ansonsten könnte das Fahrzeug nicht bewegt werden. Bei den hohen Perzentilen ist der gegenteilige Fall ersichtlich: Hierbei handelt es sich um Kunden, die ihr PHEV nahezu ausschließlich elektrisch nutzen und es aufgrund der kleineren Batteriereichweite (50-km statt 190 bzw. 300 km) deutlich häufiger laden müssen als ein BEV. Obwohl sie die gleiche elektrische Nennreichweite von 50 km aufweisen, weichen die Verteilungen der beiden PHEV-Modelle erheblich voneinander ab. Die in Bild 1 festgestellte bevorzugte Nutzung des Passat GTE als Langstreckenfahrzeug schlägt sich in deutlich geringeren Ladeanzahlen nieder. Indem häufiger Strecken oberhalb der elektrischen Reichweite zurückgelegt werden, erhöht sich der Anteil des verbrennerischen Fahrens. Zudem gibt es seltener Bild 1: Vergleich Jahreslaufleistung Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 105 Elektromobilität TECHNOLOGIE Standphasen, in denen die Batterie sicherheitshalber aufgeladen werden kann, selbst wenn sie noch nicht vollständig entleert ist. Gemessen am Median liegt die Verteilungskurve des e-Golf 300 um etwa 30 % unterhalb der des e-Golf 190. Somit führt die vergrößerte Reichweite dazu, dass seltener geladen wird, wobei sich das rechnerische Potential von 58 % (300 zu 190 km) nicht proportional überträgt. Bei den hohen Perzentilen verlaufen die beiden Verteilungen wieder immer dichter beieinander. Dabei handelt es sich um Kunden, die ungeachtet der Notwendigkeit jede Chance zum Laden wahrnehmen, sodass die Nennreichweite unerheblich wird. Motive dafür könnten Angst vor dem Liegenbleiben, bevorzugte Parkmöglichkeiten für ladende Elektrofahrzeuge oder eine Ladepflicht bei Rückgabe in einen Carsharing-Pool sein. Sofern es keine wesentlichen regulatorischen oder infrastrukturellen Veränderungen gibt, ist davon auszugehen, dass sich diese extreme Ladehäufigkeit auch bei künftigen Fahrzeugen mit vergrößerter Reichweite einstellen wird. Eine Marktabhängigkeit zeigt sich beim Vergleich des e-Golf 190 in Norwegen und Deutschland. Während die Verteilungen in den unteren Perzentilen noch recht nah beieinander verlaufen, wird die Ladehäufigkeit bei den norwegischen Fahrzeugen zunehmend geringer. Bei ersteren handelt es sich um Kunden, welche die Batterie vor einer Ladung generell möglichst weit entleeren. Eine Marktabhängigkeit wäre für diese Gruppe nur in Ländern zu erwarten, deren Infrastruktur nicht genug ausgebaut ist, ein solches Verhalten zu ermöglichen. Bei den darüber liegenden Perzentilen ist ersichtlich, dass die norwegischen Kunden entweder einen sparsameren Fahrstil aufweisen oder größere Ladehübe haben, da sie mit weniger Ladungen die gleiche Kilometerzahl zurücklegen. Für ersteres spricht das in Norwegen geltende Tempolimit von 80- km/ h. Allerdings steht dem entgegen, dass aufgrund des kälteren Klimas auch eine häufigere Nutzung der Heizung als Nebenverbraucher zu erwarten ist. Bezüglich größerer Ladehübe lässt sich annehmen, dass die Norweger erfahrener in Bezug auf Elektromobilität sind und daher keine so ausgeprägte Reichweitenangst haben wie die Deutschen. Zudem war das Laden in Norwegen aufgrund der dortigen niedrigen Strompreise noch bis 2019 an vielen öffentlichen Ladepunkten kostenlos [11, 12]. Dementsprechend kann es günstiger gewesen sein, statt regelmäßig zu Hause aufzuladen, bei entsprechend weit entleerter Batterie eine öffentliche Ladesäule aufzusuchen. Das kostenlose Laden wurde beispielsweise in Oslo abgeschafft, da es aufgrund der immensen Förderung inzwischen zu viele Elektrofahrzeuge und zu wenig Parkplätze mit Lademöglichkeit gibt [12] (zum Vergleich: gegen Ende des Jahres 2019 gab es in Deutschland sieben Elektrofahrzeuge pro öffentlichem Ladepunkt, während dies in Norwegen 24 waren [10]). Diese Entwicklung, welche zu einer größeren Konkurrenz und teilweise zu Wartezeiten an den Ladepunkten führt [13], hat wahrscheinlich zur Folge, dass nur geladen wird, wenn wirklich der Bedarf dazu besteht. Ladehäufigkeit im Fahrzeugleben Für die Fahrzeugauslegung ist vor allem relevant, die Ladehäufigkeit bezogen auf das komplette Produktleben zu betrachten, beispielweise um die Lastwechsel-Anforderungen für die Dauerhaltbarkeit der beteiligten mechanischen oder elektronischen Komponenten festzulegen. Der Lebenszyklus wird sowohl durch die zurückgelegten Kilometer als auch durch das erreichte Alter begrenzt. Für die Extrapolation findet daher das Überschreiten einer definierten Ziellaufleistung oder -nutzungsdauer Berücksichtigung − je nachdem welches Ereignis zuerst eintritt. Bild 3 zeigt die kumulierten empirischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Gesamt-Ladeanzahl innerhalb des erwarteten Fahrzeuglebens. Das PHEV Golf GTE wird auf Lebensdauer betrachtet oberhalb des 15 %-Perzentils deutlich häufiger aufgeladen als das BEV e-Golf. Dieser Unterschied zu Bild 2 legt den Schluss nahe, dass PHEV-Kunden mit geringer Ladehäufigkeit pro Kilometer aufgrund von primärer verbrennerischer Nutzung im Gegenzug eine größere Jahresfahrleistung aufweisen und ihre Gesamt- Ladeanzahl dadurch erhöhen. Dies ist plausibel, da bei Langstreckenfahrten mit der verhältnismäßig kleinen Batterie häufige Ladepausen unkomfortabel sind, sodass bevorzugt der Verbrennungsmotor eingesetzt wird. Selbiges zeigt sich auch im Vergleich der Fahrzeugmodelle Golf GTE und Passat GTE: Letzterer legt zwar mehr Jahreskilometer zurück, wird dabei aber offenbar öfter verbrennerisch betrieben, sodass die Ladehäufigkeit im Fahrzeugleben geringer bleibt. Die Verteilungen von e-Golf 190 und e-Golf 300 liegen sehr dicht beieinander. Aufgrund der vergrößerten Reichweite wäre zu erwarten gewesen, dass die neue Generation weniger Ladungen benötigt. Dieser Effekt wird aber bei Betrachtung des Fahrzeuglebens durch die größere Jahreslaufleistung des e-Golf 300, welche einen gesteigerten Ladebedarf verursacht, kompensiert. Diese intensivere Nutzung dient auch zur Erklärung der größeren Ladehäufigkeiten in Norwegen, die zwar pro Kilometer betrachtet unterhalb von denen in Deutschland liegen, sie bei Bezug auf das Fahrzeugleben jedoch deutlich übersteigen. Ladedauer pro Ladung Die vorhandenen Felddaten erlauben durch Bilden des Quotienten aus Gesamtladedauer und -häufigkeit die Ermittlung der durchschnittlichen Zeit pro Ladevorgang je Fahrzeug. Die Ergebnisse sind Bild 4 zu entnehmen. Die Ladedauer beschreibt dabei den Zeitraum, in dem tatsächlich ein extern zugeführter Stromfluss besteht. Gleich- und Wechselstromladen sind wieder zusammengefasst. Zunächst ist festzustellen, dass die PHEV kürzere Dauern pro Ladung aufweisen als die BEV. Zwar ist für erstere kein schnelles Gleichstromladen möglich, aber die kleinere Batterie lässt sich wesentlich zügiger füllen. Auffällig ist weiterhin, dass der Golf Bild 2: Vergleich Ladehäufigkeit pro Kilometer Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 106 TECHNOLOGIE Elektromobilität GTE trotz ähnlicher Batteriekapazität geringere Dauern pro Ladung aufweist als der Passat GTE. Folglich wird für ihn auch jeweils weniger Ladehub erzielt. Dies entspricht den bereits beschriebenen Erklärungsansätzen, dass beim Passat GTE als Langstreckenfahrzeug häufig die Batterie komplett leer gefahren und erst später wieder voll aufgeladen wird, während der Golf GTE als Stadtfahrzeug öfter die Möglichkeit für kurze Nachladungen hat. Bis zum 70-%-Perzentil ähneln sich die Verläufe der beiden e-Golf-Generationen weitgehend, sodass hier kein wesentlicher Einfluss der BEV-Reichweite ersichtlich wird. Aufgrund der größeren Batterie wäre zu erwarten gewesen, dass der e-Golf 300 generell längere Ladezeiten aufweist. Dies wird jedoch dadurch kompensiert, dass er die doppelte maximale AC-Ladeleistung aufweist und dadurch mit größerer Geschwindigkeit wieder aufgefüllt werden kann. Weiterhin geht bei differenzierterer Auswertung aus den Nutzungsdaten hervor (hier aus Platzgründen nicht dargestellt), dass der neue e-Golf häufiger die Möglichkeit des schnelleren Gleichstromladens nutzt. Darüber hinaus ist zudem denkbar, dass die Kunden ihr Ladeverhalten primär anhand ihrer Gewohnheiten (z. B. tägliche Ladung nach der Rückkehr von der Arbeit) ausrichten und daher die höhere Reichweite nicht ausschöpfen. Oberhalb des 70-%-Perzentils nimmt die Dauer pro Ladung für den e-Golf 300 deutlich zu. Hierbei handelt es sich höchstwahrscheinlich um diejenigen Kunden, die ihre Batterie stets weitestgehend komplett entleeren und dann mit geringer Ladeleistung (z. B. an einer haushaltsüblichen Steckdose) wieder befüllen, sodass sich die größere Batteriekapazität auswirkt. Im Vergleich zu den BEV in Deutschland sind die Zeiten pro Ladung des e-Golf 190 in Norwegen deutlich größer. Bis zum 85-%-Perzentil übertreffen sie sogar die des e-Golf 300 mit der höheren Reichweite. Als Ursache sind einerseits die bereits begründeten größeren Ladehübe anzuführen. Weitere potentielle Einflussgröße kann die Ladegeschwindigkeit sein, da es in Norwegen nur etwa halb so viele Schnellladestationen wie in Deutschland gibt [10]. Aus den erhobenen Nutzungsdaten ist ersichtlich, dass in beiden Ländern etwa drei Viertel der Kunden die Möglichkeit des Gleichstromladens nur sehr selten benutzen. Bei den übrigen Kunden sind sowohl die Häufigkeit als auch die Dauer in Deutschland größer. Dies verringert somit bei einem Teil der Fahrzeuge die mittlere Ladedauer. Fazit Die Untersuchungen zeigen den bedeutsamen Wert von Felddaten für den Erkenntnisgewinn bezüglich des Nutzerverhaltens. Durch die erzielbaren großen Stichprobenumfänge wird eine sehr gute Repräsentativität erzielt, welche es erlaubt, die kumulierten empirischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen aufzutragen. Anhand derer können speziell in den Randbereichen bestimmte Kundengruppen identifiziert werden, die infolge ihres extremen Verhaltens für die Auslegung besonders relevant sind. Die Unterschiede im Ladeverhalten aufgrund der mittels paarweiser Vergleiche untersuchten Einflussgrößen lassen sich plausibel erklären. Anhand der Felddaten sind diese Vermutungen im Ergebnis nachweis- und quantifizierbar. Sie eröffnen Möglichkeiten für Erkenntnisse bezüglich der Ladeinfrastrukturplanung: Beispielsweise ist ersichtlich, dass der Median der mittleren Dauer pro Ladung für das BEV e-Golf ungefähr doppelt so hoch ausfällt wie für das PHEV Golf GTE. Entsprechend wird der Ladepunkt länger blockiert. Bei der Pla- Bild 3: Vergleich Ladehäufigkeit im Fahrzeugleben Bild 4: Vergleich mittlere Zeit pro Ladung AT A GLANCE For the emerging trend of electric mobility, there is still little experience concerning the vehicle usage during practical customer operation. To improve the definition of requirements, Volkswagen AG carried out an extensive campaign to collect field data regarding the charging behavior of real customers in Germany and Norway. The Passat GTE and the Golf GTE as plug-in hybrid electric vehicles (PHEV) and two generations of the e-Golf with different nominal ranges as battery electric vehicles (BEV) are examined. By contrasting the cumulative empirical probability distributions of the charging frequencies and durations, the influences from drive concept (BEV/ PHEV), range, vehicle model and market become evident. The comparison shows that the charging behavior varies depending on the vehicle as well as the market characteristics. Plausible potential reasons can be found to explain the differences. Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 107 Elektromobilität TECHNOLOGIE nung des Bedarfs für den weiteren Ausbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur ist somit von großer Relevanz, zu welchen Anteilen sich der erwartete Nutzerkreis aus BEV und PHEV zusammensetzt. Bei erkennbarer Unabhängigkeit von einer Einflussgröße lassen sich gegebenenfalls Prognosen für zukünftige Fahrzeuge entwickeln. Diese Information bietet der kundengerechten Auslegung in der Automobilindustrie einen erheblichen Mehrwert. Beispielsweise seien die nahezu ähnlichen Verteilungen der Ladehäufigkeit innerhalb des Lebenszyklus von BEV unterschiedlicher Reichweite genannt, anhand derer Rückschlüsse auf neuartige Fahrzeuge mit noch größerer Batteriekapazität gezogen werden können. ■ LITERATUR [1] Held, M. et al. (2016): Abschlussbericht: Bewertung der Praxistauglichkeit und Umweltwirkungen von Elektrofahrzeugen. Nationale Organisation Wasserstoff-und Brennstoffzellentechnologie (NOW), Berlin [2] Krug, S. et al. (2018): Elektromobilität vor Ort − Ergebnisbericht des Zentralen Datenmonitorings des Förderprogramms Elektromobilität vor Ort des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra- Ferit Küçükay, Prof. Dr.-Ing. Direktor des Instituts für Fahrzeugtechnik, TU Braunschweig Florian Grober, M.Sc. Doktorand auf dem Gebiet Auslegung und Lastannahme, Technische Entwicklung der Volkswagen AG, Wolfsburg florian.grober@volkswagen.de Andreas Janßen, Dr.-Ing. Fachreferent, Technische Sonderanalyse der Qualitätssicherung, Volkswagen AG, Wolfsburg struktur. Nationale Organisation Wasserstoff-und Brennstoffzellentechnologie (NOW), Berlin [3] Pötter, K.; Till, R.; Horst, M. (2010): Kundenrelevante Betriebslasten - Neue Werkzeuge zur Ermittlung von Fahrzeuglasten im Kundenbetrieb. In: DVM-Bericht Nr. 137, München [4] Karspeck, T. (2011): Eine gesamthafte Methodik zur flächendeckenden Erfassung und Auswertung von Fahrzeugbetriebsdaten realer Kunden für die Automobilentwicklung. Dissertation, Dresden [5] Grober, F.; Janßen, A.; Küçükay, F. (2019): Bedarfsgerechte Lastannahme für Fahrzeugbauteile auf Basis von Kunden-Felddaten. In: DVM-Bericht Nr. 146, Wolfsburg [6] Grupp, B.; Salber, S.; Haug, A. 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DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 Stadt und Energie URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN UUR Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Vielschichtigkeit von Informationsströmen Smart Cities | Automatisierung | Mobilfunk | Urbane Mobilität | Datenmanagement | Krisenkommunikation 3 · 2017 Urbane Kommunikation URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Angri ssicherheit · Betriebssicherheit · gefühlte Sicherheit IT-Security | Kritische Infrastrukturen | Notfallkommunikation | Kaskadene ekte | Vulnerabilität | Resilienz 4 · 2017 Sicherheit im Stadtraum URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Was macht Städte smart? Soft Data | IT-Security | Klimaresilienz | Energieplanung | Emotionen | Human Smart City | Megatrends 1 · 2018 Die intelligente Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN DAS FACHMAGAZIN ZUM URBANEN WANDEL www.transforming-cities.de TranCit für IV.indd 1 27.05.2018 15: 22: 39 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 108 Foto: Shutterstock FORUM Veranstaltungen | Bücher Wettbewerb und Gemeinwohl im Öffentlichen Personenverkehr Rückblick: 3. Leipziger Gespräche zum Verkehrsmarktrecht am 22.11.2019 D er Öffentliche Personenverkehr (ÖPV), historisch in Anlehnung an Ernst Forsthoff als Aufgabe der Daseinsvorsorge verstanden, erfuhr insbesondere unter europarechtlichem Einfluss eine Öffnung für den Wettbewerb. Während die grundlegende Ausrichtung des ÖPV an den Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung dabei nicht in Frage gestellt wurde, erfolgte die Bestimmung des Verhältnisses von Gemeinwohl und Wettbewerb, das letztlich in der konkreten Ausgestaltung des ÖPV-Rechts seinen Niederschlag findet, im Laufe der Zeit mit unterschiedlicher Nuancierung. Wie die aktuelle Diskussion um die Verkehrswende zeigt, befindet sich dieses Verständnis derzeit abermals im Wandel. Unter Betonung der staatlichen Verantwortlichkeit für den ÖPV tritt im Zusammenhang mit der Forderung eines ökologischen Personenverkehrs auch der Gedanke eines in erster Linie am Gemeinwohl ausgerichteten ÖPV in den Vordergrund. Ausdruck findet dieser in der politischen Debatte um eine Ausweitung und Verbilligung der Verkehrsangebote der Eisenbahnen sowie um die Einführung eines „Deutschlandtakts“ ebenso wie in der Zurückdrängung eigenwirtschaftlicher Verkehre im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und deren Ersetzung durch Verkehrsbestellungen. Zur Diskussion der dadurch angestoßenen Frage nach einer Neubestimmung des Verhältnisses von Wettbewerb und Gemeinwohl (auch) aus juristischer Perspektive hatten Prof. Dr. Hubertus Gersdorf (Universität Leipzig) und Prof. Dr. Matthias Knauff, LL.M. Eur. (Friedrich-Schiller-Universität Jena) am 22. November 2019 zu den 3. Leipziger Gesprächen zum Verkehrsmarktrecht eingeladen. Sie lesen den ausführlichen Veranstaltungsbericht im Web unter www.iv-dok.de/ dok44-2011.pdf. Kontakt zur Forschungsstelle: verkehrsmarktrecht@uni-jena.de AEG / ERegG - Der neue Kommentar zum- Schienenverkehr Kühling / Otte AEG / ERegG Verlag C.H.BECK, 2020, XXXII, 1719 S., Leinen 349,00 EUR ISBN 978-3-406-71324-8 D er neue große Kommentar erläutert das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) und das Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG), also die beiden zentralen, für den Verkehr auf der Schiene geltenden Gesetze. Das AEG dient der Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Eisenbahn und eines attraktiven Verkehrsangebots auf der Schiene sowie der Wahrung der Interessen der Verbraucher im Eisenbahnmarkt. Mit dem ERegG soll dagegen der Wettbewerb der Eisenbahnunternehmen untereinander weiter gestärkt werden. Davon erhofft sich der Gesetzgeber eine weitere Effizienzsteigerung auf dem Eisenbahnsektor. Der neue Kommentar erläutert beide Gesetzeswerke umfassend und auf die Bedürfnisse der Praxis zugeschnitten. Berücksichtigt sind alle wichtigen Gesetzesänderungen bis zum März 2020. Zielgruppe des Kommentars sind Eisenbahnunternehmen, Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder sowie Rechtsanwälte und Richter. www.beck-shop.de Intermodal in die Zukunft Wolfgang Siebenpfeiffer (Hrsg.) Mobilität der Zukunft - Intermodale Verkehrskonzepte Hardcover, vorauss. 99,99 EUR Erscheint im September D ieses Fachbuch beschäftigt sich mit der Verkehrswende, durch die neue Mobilitätskonzepte immer mehr in den Blick der Öffentlichkeit rücken. Dabei gilt es alle gesellschaftlichen Kreise in die sich abzeichnenden Veränderungsprozesse mit einzubeziehen. Daher versucht dieses Kompendium aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Interessenslagen eine Vorstellung darüber zu vermitteln, vor welchen Herausforderungen eine zukunftsfähige Mobilität steht. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf dem Straßenverkehr. Mit 39 Beiträgen von mehr als 50 Autoren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltungen, Forschungseinrichtungen und Verbänden ist ein Gesamtwerk entstanden, das der Orientierung dienen und die Komplexität dieses Themas verständlich machen soll. Dankenswerterweise ist es dem Autorenkreis gelungen, die schwierigen Fragestellungen so darzustellen, dass sie nicht nur Experten auf diesem Fachgebiet nützt, sondern sich auch einer interessierten Öffentlichkeit erschließt. In vielen Beiträgen kommt angesichts des globalen Klimawandels und der notwendigen Emissionsreduzierungen des Verkehrs zum Ausdruck, dass die diskutierten Maßnahmen zur Vermeidung von Belastungen einen Kraftakt auslösen und die Gesellschaft dadurch herausgefordert wird. Umso mehr kann eine fundierte und zielorientierte Faktenlage dazu beitragen, die angesprochenen Vorschläge und Aufgaben im Sinne einer erfolgreichen und nachhaltigen Mobilitätsstrategie voranzutreiben. www.springer.com/ shop Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 109 Erscheint im 72. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag und Redaktion Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22 | D-72270 Baiersbronn Tel. +49 7449 91386.36 Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 7449 91386.43 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de Korrektorat: Ulla Grosch Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de dispo@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 57 vom 01.01.2020 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr mit International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist sechs Wochen vor Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Jahres-Bezugsgebühren Inland: Print EUR 212,00 / eJournal EUR 202,00 (inkl. MWSt.) Ausland: Print EUR 217,00 / eJournal EUR 207,00 (exkl. VAT) Einzelheft: EUR 37,00 (inkl. MWSt.) + Versand Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print-Ausgabe oder eJournal mit dem Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Qubus Media GmbH, Hannover Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild U.S. Postal Service in N.Y. | Norbert Kundrak/ Unsplash Titel S. 27: Qingdao ropeway | Ibob Yang/ pixabay Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Baiersbronn-Buhlbach ISSN 0020-9511 IMPRESSUM | GREMIEN Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Strategische Planung und Koordination, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Sebastian Belz Dipl.-Ing., Generalsekretär EPTS Foundation; Geschäftsführer econex verkehrsconsult GmbH, Wuppertal Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Ben Möbius Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), Berlin Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Florian Eck Dr., Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Geschäftsführer, traffiQ, Frankfurt am Main (DE) Ottmar Gast Dr., Vorsitzender des Beirats der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Detlev K. Suchanek Gesellschafter-Geschäftsführer, PMC Media House GmbH, Hamburg Erich Staake Dipl.-Kfm., Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Martin Hauschild Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Verkehr und Umfeld; Leiter Verkehrstechnik & Verkehrsmanagement BMW Group, München Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., wissenschaftlicher Leiter der ÖVG und Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender der Logistik- Initiative Hamburg (LIHH), Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Ralf Nagel Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Jan Ninnemann Prof. Dr., Studiengangsleiter Logistics Management, Hamburg School of Business Administration; Präsident der DVWG, Hamburg Detlef Zukunft Dr., Programmdirektion Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 110 Liebe Leserinnen und Leser, noch im Frühjahr schien es so, als ließe sich die Covid-19-Infektionswelle durch straffe Hygienemaßnahmen und einen temporären Lockdown gut in den Griff bekommen. Welche massiven Auswirkungen auch auf Transport und Verkehr die vergangenen Monate jedoch hatten und welche Verschiebungen das zeitigte, zeichnen viele Beiträge dieser Ausgabe von Internationales Verkehrswesen deutlich nach. Das Heft enthält wieder ein internationales Special. Im Oktober, gewissermaßen als Sammelband mit allen dieses Jahr erschienenen plus weiteren englischen Artikeln, kommt zusätzlich die International Transportation - Collection 2020. Sie wird als eJournal sowie im Online-Archiv verfügbar sein - mehr dazu auf der Webseite. Das November-Heft ist dann wieder deutschsprachig. Dort wollen wir uns in Beiträgen zum Thema Verkehr und Infrastruktur mit dem Verhältnis zwischen den Regionen beschäftigen - alles unter dem Motto „Stadt - Land - Fluss“. Dass damit ein genauerer Blick auf zielgenaue Mobilitätsstrategien verbunden ist, versteht sich von selbst. Ausgabe 4/ 2020 wird am 11. November erscheinen. Wie immer sind Sie herzlich eingeladen, Ihr Expertenwissen mit unseren Lesern zu teilen. Ihr Eberhard Buhl Redaktionsleiter TERMINE + VERANSTALTUNGEN 02.09.2020 bis 11.11.2020 VORSCHAU | TERMINE Was, wann wo ...? Weiterhin ist unklar, welche angekündigten oder pandemiebedingt verschobenen Termine in den kommenden Monaten wirklich stattfinden können. Daher finden Sie eine laufend aktualisierte Terminübersicht derzeit nur auf der Webseite: www. internationales-verkehrswesen.de Foto: Pexels / pixabay Meine/ Unsere Daten:  Herr  Frau  Firma/ ... Titel, Vorname, Name Firma/ ... Abteilung Straße + Nr. PLZ, Ort, Land Telefon Telefax E-Mail-Adresse Umsatzsteuer-ID-Nr. (sofern vorhanden) Ihr Bestellzeichen (sofern vorhanden)  Das Widerrufsrecht (s.rechts) habe ich zur Kenntnis genommen.  Die AGB als Vertragsbestandteil habe ich gelesen und akzeptiert. Sie können beim Verlag angefordert oder unter www.trialog-publishers.de als PDF heruntergeladen werden. WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« mit »International Transportation« erscheint bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog-publishers.de ... und keine Ausgabe verpassen! Ich wähle: JahresAbo als gedruckte Ausgabe inkl. Online-Archiv  Inland, Jahresbezugspreis EUR 212,- (inkl. MwSt. und Versand)  Ausland, Jahresbezugspreis EUR 217,- (mit VAT-Nr. exkl. MwSt., inkl. Versand) WIDERRUFSRECHT (s. § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) Der Vertrag kann unter den in der Widerrufsbelehrung angegebenen Voraussetzungen innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail, www.trialog-publishers.de/ Widerrufsformular.pdf) widerrufen werden bei: Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Leserservice Internationales Verkehrswesen, Schliffkopfstraße 22, 72270 Baiersbronn-Buhlbach, Fax: +49 (0)7449 91386 37, E-Mail: office@trialog.de LAUFZEIT UND KÜNDIGUNG (s. 3 § der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) Der Bezugszeitraum beträgt mindestens ein Jahr ab Rechnungsdatum. Wenn Sie das Magazin nach der Abonnement-Laufzeit nicht weiter beziehen möchten, teilen Sie dies dem Leserservice (Kontaktdaten s.o.) spätestens 6 Wochen vor Ende des Bezugszeitraums mit. Ohne rechtzeitige Kündigung verlängert sich ein bestehendes Abonnement automatisch um ein weiteres Jahr. Die Annahmeverweigerung von Lieferungen gilt nicht als Kündigung. Für das StudiAbo gilt: Ohne Vorlage einer aktuellen Studienbescheinigung wird der jeweils gültige, reguläre Jahresabonnementpreis berechnet. Datum Unterschrift Abo-Bestellung bitte senden an: Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Leserservice Internationales Verkehrswesen Schliffkopfstraße 22, 72270 Baiersbronn-Buhlbach, GERMANY Fax: +49 (0)7449 91386 37, E-Mail: service@trialog.de Ja, ich will Internationales Verkehrswesen regelmäßig lesen! JahresAbo als eJournal inkl. Online-Archiv  Inland, Jahresbezugspreis EUR 202,- (inkl. MwSt.)  Ausland, Jahresbezugspreis EUR 207,- (mit VAT-Nr. exkl. MwSt.) Das Jahres-Abonnement umfasst Print-Ausgabe oder eJournal plus Archivzugang (via Webseite). Vertriebsanzeige IV_2020.indd 1 31.01.2020 14: 16: 55 2020 | Heft 3 September