eJournals

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
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2022 | Heft 2 Mai Das neue Unterwegs: Umweltschonend, zuverlässig und immer kundenorientiert Transport-Strategien Heft 2 | Mai 2022 74. Jahrgang POLITIK Was Öl-Embargo und Treibstoff-Rabatt bewirken können LOGISTIK Kombinierter Verkehr - auch für die Letzte Meile MOBILITÄT Multimodale Mobilität in Deutschland und der Schweiz TECHNOLOGIE Digitalisierung im Mobilitäts- und Transport-Management INTERNATIONAL TRANSPORTATION After pandemic - before autonomous transport www.internationalesverkehrswesen.de GESAMMELTES FACHWISSEN Das Archiv der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen mit ihren Vorgänger-Titeln reicht bis Ausgabe 1|1949 zurück. Sie haben ein Jahres-Abonnement? Dann steht Ihnen auch dieses Archiv zur Verfügung. Durchsuchen Sie Fach- und Wissenschaftsbeiträge ab Jahrgang 2000 nach Stichworten. Greifen Sie direkt auf die PDFs aller Ausgaben ab Jahrgang 2010 zu. Mehr darüber auf: www.internationales-verkehrswesen.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 11.11.2018 18: 32: 23 11.11.2018 18: 32: 23 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 3 Hans-Dietrich Haasis EDITORIAL Kein „Weiter so“: Lieferketten und Transportstrategien neu denken W ährend noch vor wenigen Jahren Lieferketten und Transportstrategien in erster Linie unter den Zielgrößen Zeit und Kosten gestaltet, verbessert und betrieben wurden, lernen wir gerade bitter, dass ein „Weiter so“ bei offen sichtbaren und teilweise vor kurzem noch kaum vorstellbaren Einflüssen auf die Weltwirtschaft nicht möglich sein wird. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist verbunden mit immenser Zerstörung und übergroßer humanitärer Not, vielleicht über Jahre. Aus logistischer Sicht brechen Beschaffungsmärkte weg, verändern sich Lieferketten. Die seit mehr als zwei Jahren vorherrschende Corona-Pandemie führt, wie jüngst unter anderem durch den Lockdown in Shanghai und seine Folgen für den Betrieb des weltweit größten Containerhafens, zum zeitweisen Abbruch von Lieferketten und zu Lieferengpässen. Der seit Jahrzehnten bekannte Klimawandel wird ohne massive Veränderungen in der Energienutzung und in den Lebensstilen weiter zu Wetterextremen führen und das Leben von Generationen bedrohen. Lieferketten und Transportstrategien basieren daher künftig auf alternativen Kraftstoffen und neuen Transportsystemen. Durch neue Internet-basierte Technologien ist die digitale Transformation von Wirtschaftsprozessen und die damit verbundene Veränderung des Informationsaustauschs in Wirtschaft und Gesellschaft nicht aufzuhalten. Zur Sicherstellung der Verlässlichkeit von Lieferketten und Transportstrategien ist es für Unternehmen unerlässlich, nicht in die hierbei zunehmend sichtbare digitale Kluft zu fallen, sondern mit der digitalen Transformation Schritt zu halten. Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zielt, wie auch der noch striktere Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes, auf das Einhalten von Menschenrechten, von Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz. Es schafft ein Instrumentarium, um im globalen Handel entsprechende Standards einzuhalten und zu kontrollieren. Lieferketten und Transportstrategien werden nachhaltiger im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Weit mehr als bislang ist es daher notwendig, die derzeitigen Lieferketten und Transportstrategien unter den Aspekten Resilienz und Verlässlichkeit, Digitalisierung und Automatisierung, Klima und Energie sowie Gesundheit und Menschenrechte wirtschaftlich neu zu denken. Allein das Ausnutzen von Größendegressionseffekten zur Kosteneinsparung oder die Verfügbarkeit von Infrastruktur reichen nicht mehr aus, Lieferketten und Transportstrategien für die nächsten Jahre sicher betreiben zu können. Entscheidungsträger in Unternehmen sind gut beraten, rechtzeitig alternative Lösungen in Projektteams durch jeweils antizipierte Unternehmensentwicklungen erarbeiten zu lassen. Methoden aus der Innovationsforschung sind hierbei gut einsetzbar, etwa das Konzept des Design Thinking. Die verlässliche, aber flexible Verfügbarkeit von Transport- und Lagerkapazitäten, von einsetzbarem Personal, von sicheren Daten und Informationen, von erneuerbaren Energieträgern, von Finanzierungsquellen und von Beschaffungsmärkten ist für eine Versorgungssicherheit entscheidend. Eine gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit in der Lieferkette und sogar eine Koopetition zwischen Wettbewerbern kann unterstützen, Lieferketten sicherzustellen, Engpässe zu vermeiden und Transportstrategien zuverlässig zu gestalten. Anregungen dazu finden Sie unter anderem in der vorliegenden Ausgabe von Internationales Verkehrswesen. Ich-wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. Herzlich Ihr Hans-Dietrich Haasis Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c., Lehrstuhl für Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 4 THEMEN, SCHLAGWORTE, AUTOREN, … Schlagen Sie einfach nach: Fach- und Wissenschafts-Artikel aus Internationales Verkehrswesen finden Sie-ab dem Jahr 2000 online in der Beitragsübersicht - auf der Archiv-Seite im Web. www.internationales-verkehrswesen.de/ archiv POLITIK INFRASTRUKTUR 16 Gleisbaumaschinen: Fossilfrei in die Zukunft Martina Zeiner Matthias Landgraf 18 Den idealen Standort für Weigh In Motion finden Strukturelle Straßenanalyse von Kistler für optimale WIM- Leistung LOGISTIK Foto: Kistler SEITE 18 Foto: Shutterstock SEITE 26 Foto: Worksite Ltd. / Unsplash SEITE 12 12 Mögliche Maßnahmen zur Senkung der Ölimporte aus Russland und Auswirkungen eines Treibstoff-Rabatts Niklas Sieber Claus Doll Clemens Brauer Jonathan Köhler Michael Krail Luisa Sievers 20 Mega-Schiffe - Mega-Trugschluss? Inwieweit ist ein weiteres Größenwachstum der Ultra Large Container Ships aus Betreibersicht noch sinnvoll? Ulrich Malchow 23 KV-Radar - Stärkung des Kombinierten Verkehrs Delphi-Studie zur Maßnahmenermittlung und -bewertung zur Förderung des KV in Deutschland Ralf Elbert Michael Gleser 32 Ökonomische Analyse eines kombinierten Personen- und Gütertransports Verbindung von Transportroboter und Shuttle für eine autonome Transportlösung Sandra Tjaden Heike Flämig Matthias Grote Marko Thiel WISSENSCHAFT 26 GIS-basierte Modellierung der Letzten Meile Kennwerte des KEP-Segments und Potenziale von Bündelungsansätzen nach chinesischem Vorbild in Berlin Jan Kuchhäuser Marian Schlott Tim Holthaus Andre Thiemermann Bild: University of Győr 37 After pandemic - before autonomous transport European Friedrich List Award for young transport researchers, 20th European Transport Congress, and 12th Conference on Transport Sciences in Győr 38 Models for optimizing parallel public transport services Between and within parallel domestic (long-distance and regional) public transport services András Lakatos 41 Design of transport infrastructure considering sustainability criteria in selected German regions Stefan Schomaker 43 Effects of travel time VMS on-urban traffic Attitudes to travel times displayed on variable message signs and effect on route choice Renáta Bordás INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 5 INHALT Mai 2022 Aktuelle Themen, Termine und das umfangreiche Archiv finden Sie unter www.internationales-verkehrswesen.de TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Standpunkt 06 Im Fokus 11 Bericht aus Brüssel 80 Forum Veranstaltungen 82 Impressum | Gremien AUSGABE 3 | 2022 61 Mit Geodaten die Mobilität der-Zukunft gestalten Ansätze für nachhaltiges und kundenorientiertes Mobilitäts- und Transport-Management Jens Wille 64 Zertifizierung von automobilen GNSS-Empfängern unter realen Bedingungen Bestimmung von Fahrzeug- Referenztrajektorien anhand simultan aufgenommener, hochpräziser Luftbildaufnahmen Franz Kurz Paulo Mendes Hartmut Runge Veronika Gstaiger 69 Künstliche Intelligenz in der Binnenschifffahrt Steigerung der Zuverlässigkeit von Binnenschifftransporten durch datenbasierte Ankunftszeitprognosen Peter Poschmann Manuel Weinke Frank Straube Jan Kliewer Fynn Gerhardt WISSENSCHAFT 74 Verbindungsbezogene Angebotsqualität der RIN im Öffentlichen Verkehr Eine GTFS-gestützte Alternative zur Bewertung der Angebotsqualität Marian Schlott Tim Holthaus Foto: Ernesto Velázquez / pixabay SEITE 50 Foto: Ubilabs SEITE 61 MOBILITÄT 46 Mobilitätsmonitor Nr. 14 - Mai 2022 Fahrgastentwicklung im ÖPNV sowie Sharing-Angebot in Städten und Umlandgemeinden Christian Scherf, Mareike Bösl, Julian Emmerich, Andreas Knie, Rafael Oehme, Lisa Ruhrort, Wolfgang Schade, Tabea Schmidt, Marcel Streif 50 Potenzialanalyse vernetzter multimodaler Mobilität in der Schweiz Verlagerungswirkungen, Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrades sowie Reduktion Organisationsaufwand für Reisende im ÖV Ueli Haefeli Frank Bruns Tobias Arnold Ralph Straumann 54 Aktuell und automatisch Nachfragedaten für eine flexiblere ÖPNV-Planung Antje-Mareike Dietrich Jochen Sauer WISSENSCHAFT 56 Fahrerloses Fahren auf der Straße und der Schiene Analyse der unterschiedlichen Ziele des fahrerlosen Fahrens beim Straßen- und Schienenverkehr Albrecht Morast Nils Nießen Multimodal und nachhaltig - Straße, Schiene, Wasser, Luft - Verkehrsnetze - Strukturen Special: International Transportation Erscheint am 1. September 2022 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 6 IM FOKUS Haifa mit neuer Seilbahn zur Universität I n Haifa können täglich rund 20.000 Studenten und Pendler mit einer Seilbahn zur Universität fahren. Die neue 10er-Gondelbahn „Rakavlit“ führt vom zentral gelegenen Bahn- und Busterminal HaMiFratz zum Technion, dem größten Forschungszentrum Israels, und weiter bis zum Campus der Universität Haifa. Die neue Seilbahn ist die erste urbane Gondelbahn in Israel und integrierter Bestandteil des öffentlichen Verkehrsnetzes. Sie umfasst sechs Stationen - zu Beginn werden drei davon als Ein- und Ausstiegsstationen genutzt. Die Fahrgäste legen die etwa vier Kilometer lange Strecke hoch auf den Mount Carmel in knapp 20 Minuten zurück - ohne Stau und mit einzigartigem Ausblick auf das Meer. Mit der Seilbahn ergeben sich Zeitersparnisse von bis zu 25 Minuten je Richtung, sie ist von morgens bis abends bis zu 19 Stunden in Betrieb. Die Talstation der Seilbahn ist Teil des multimodalen Verkehrsknotenpunkts „HaMiFratz“. Lokalbusse, Fernbusse, der Busschnellverkehr (BRT) „Metronit“ sowie Züge kommen hier zusammen. Bis 2018 wurde HaMiFratz mit dem Ziel modernisiert, den Betrieb effektiver zu gestalten und Umsteigevorgänge für die Fahrgäste zu vereinfachen. Die Seilbahn ist integrierter Bestandteil des städtischen ÖPNV und ein weiterer Schritt in Richtung multimodales, barrierefreies Verkehrssystem in Haifa. Die Fahrgäste können also mit ihrem ÖV-Ticket auch Seilbahn fahren. Der Moblitätshub HaMiFratz bietet den Fahrgästen nicht nur multimodale Verkehrsangebote mit Bahn, Bus und Seilbahn, auch eines der größten Einkaufszentren von Haifa, die meist Cinemall genannte „Lev Hamifratz Mall“, ist hier zu finden. Haifa hat die Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel schon früh entdeckt. Die Standseilbahn Carmelit-Haifa wurde ursprünglich bereits in den 1950er-Jahren erbaut und 2018 nach einem Brand runderneuert. Sie verläuft komplett unterirdisch und wird deshalb auch gerne als Haifas U- Bahn bezeichnet. Die 1,8 Kilometer lange Anlage hat insgesamt sechs Stationen, auch sie ist Teil des städtischen Verkehrsnetzes und in den Tarifverbund integriert. www.doppelmayr.com Foto: Doppelmayr Garaventa Reformieren Mietmodelle der Elektromobilität den KFZ-Markt? O b Kurzzeitmiete, Sharing, Langzeitmiete oder Abonnement - die Mietmodelle der Elektromobilität werden nach Ansicht des Bundesverbandes eMobilität e.V. (BEM) auf Dauer den KFZ-Markt reformieren. Schon heute setzen viele Hersteller auf Leasing-Angebote. Im Jahr 2021 wurden nach Angaben des Statischen Bundesamtes rund 36 Prozent aller privaten PKW in Deutschland per Kredit oder Leasing finanziert. Bei Neuwagen beträgt der Finanzierungsanteil etwa 46 Prozent, bei Gebrauchtwagen ca. 27 Prozent. Immer mehr Firmen entwickeln ihre Geschäftsmodelle weg vom Besitz hin zur Miete: Hersteller, Energieanbieter oder Autovermieter - die Elektromobilität belebt den Mobilitätsmarkt. Das bekräftigt BEM-Präsident Kurt Sigl: „Wer sich nicht mehr um Kauf, Versicherung, Energiekosten und Reparaturen kümmern will, erlebt mit Mietmodellen der Elektromobilität eine völlig neue Service-Kategorie, welche die bisherige Fahrzeugnutzung deutlich in Frage stellen wird.“ Auch BEM-Mitglied Starcar, einer der größten Autovermieter in Deutschland, investiert in die Vermietung elektrischer Fahrzeuge. Diese können insbesondere für die schnelle Verfügbarkeit online gebucht werden; im Paket sind dann jeweils eine Ladekarte und auch die Ladekosten enthalten. „Als Teil der Autovermieterbranche sind wir mehr als bereit, den Ausbau von Elektromobilität mitzugestalten. Dafür bedarf es jedoch in Sachen Anschaffung und vor allem Betrieb der Fahrzeuge einer anfänglichen, aber umfassenden Unterstützung seitens der Politik“, sagte Sören Wohler, Geschäftsführer bei Starcar GmbH Kraftfahrzeugvermietung, und verwies auf die hohen CO 2 - Einsparungen sowie den hohen Marketing- Effekt der eFahrzeuge auf bisherige Verbrenner-Auto-Nutzer. www.bem-ev.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 7 IM FOKUS PendelLabor: Perspektiven des Pendelns erforscht D er Pendelverkehr in Deutschland ging im Zuge der Corona-Pandemie deutlich zurück. Doch mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht könnte sich der ursprüngliche Trend fortsetzen: Das Pendelaufkommen hatte sich zuletzt stetig erhöht. Wie eine nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität zwischen Wohn- und Arbeitsort zukünftig aussehen kann, wird im Forschungsprojekt „PendelLabor“ am Beispiel der Region Frankfurt Rhein-Main untersucht. Das Projektteam unter der Leitung des ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung hat einen Report erstellt, der den Forschungsstand und Perspektiven zum Pendeln zusammenfasst. Der Report ist in der ISOE-Publikationsreihe „Materialien Soziale Ökologie“ erschienen. Das Forschungsteam aus Forschung und Praxis hat die Datenlage zur Pendelmobilität für die Region Frankfurt und Umland ausgewertet und einen Forschungsansatz entwickelt, der es - auch für andere Regionen - ermöglicht, Pendeln ganzheitlich zu betrachten und die komplexen Wegeketten, Aktivitäten und Motive der Pendelnden zu erfassen. Die Publikation stellt auch Szenarien für mögliche Entwicklungen vor. Die Forschenden haben hierfür eine weitreichende Literaturrecherche und Experten-Workshops durchgeführt. Der Ansatz, den das Autorenteam verfolgt, geht davon aus, dass Pendeln weit mehr ist, als die herkömmliche Definition suggeriert. Demnach gelten lediglich Beschäftigte, die für ihren Arbeitsweg zwischen Wohnung und Arbeitsort die Grenze der Wohngemeinde überschreiten, als pendelnd. Bei dieser Engführung der Definition werden Selbstständige, Beamte, Schüler und Studierende jedoch nicht berücksichtigt. Zudem fallen Wege, die innerhalb einer Gemeinde verlaufen, nicht unter diese Definition. Dies bilde das Geschehen vor allem in Großstädten aus Sicht der Mobilitätsexpertinnen und Mobilitätsexperten unzureichend ab. Für nachhaltige Lösungsansätze, die die Verkehrswende weiter voranbringen, sei ein vollständiges Bild von der komplexen Pendelmobilität notwendig. Der integrierte Blick auf die verschiedenen Einflüsse auf das Pendeln und die Wirkungen, die davon ausgehen, ermöglicht es den Forschenden, Zusammenhänge zwischen Pendelverkehr, Individuum und Haushalt, Erwerbsarbeit und Unternehmen sowie Siedlungs- und Raumstruktur zu ermitteln. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um passende Maßnahmen für Pendler, Kommunen und Unternehmen zu entwickeln und Pendeln künftig sozial- und umweltverträglicher zu gestalten. Im transdisziplinären Forschungsprojekt PendelLabor werden solche Maßnahmen in einem nächsten Schritt auf der Grundlage von sozialempirischen Ergebnissen in einem Realexperiment entwickelt. ww.isoe-publikationen.de Foto: MentatDgt / Pexels Wasserstoff-Großprojekt mit 600 MW in Schweden D ie Projektgesellschaft Storgrundet Offshore AB der Windpark-Entwicklungsgesellschaft WPD und der französische Full- Service-Anbieter von grünem Wasserstoff Lhyfe installieren gemeinsam eine 600 MW- Wasserstoff-Produktionsanlage in Schweden. In Zukunft können vor Ort so täglich bis zu 240 t Grüner Wasserstoff produziert werden, die Anwendung in der Industrie als auch im Verkehrssektor finden sollen. Die Anlage soll ab 2025 im Zuge mehrerer Projektphasen errichtet werden und gehört nach Fertigstellung zu einer der größten Wasserstoff-Produktionsstätten Europas. Um die energieintensiven Branchen in Europa in der Umstellung auf klimafreundliche und heimische Energieversorgung zu unterstützen, setzen beide Unternehmen auf 100% Grünen Wasserstoff. Die Produktionsanlage wird in unmittelbarer Nähe zum Offshore-Windpark Storgrundet im Industriegebiet der Gemeinde Söderhamm, rund 250 km nördlich der Hauptstadt Stockholm, errichtet, die installierte Leistung des Windparks soll künftig auf 1 GW ausgebaut werden. Eine Direktverbindung der Wasserstoff-Produktion zum Windpark gewährleistet so den Bezug ausschließlich erneuerbarer Energie. „Die Bedingungen in Schweden sind optimal“, sagt Luc Graré, Head of International Business von Lhyfe. „Die sehr guten Windverhältnisse sowie die ehrgeizigen Klimaziele des Landes bieten sehr gute Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Projekts. Die Zusammenarbeit mit WPD und die Anbindung an das Windprojekt Storgrundet schaffen großes Potenzial für die Dekarbonisierung entsprechender Industrien und des Verkehrssektors. Unsere Projektbeteiligungen in den nordischen Ländern setzen ein ambitioniertes Zeichen an diese wachsende Wasserstoffbranche und gehen so mit gutem Beispiel voran.“ Die enorme Leistung des Windparks verhilft den Projektpartnern außerdem dazu, das Kostenniveau des Grünen Wasserstoffs langfristig zu senken. Interessant ist dies vor allem für alle Abnehmer, die in der unmittelbaren Umgebung des Projektes niedergelassen sind. Zudem bietet das Großprojekt das Potenzial, an das Nordic Hydrogen Backbone angebunden zu werden. WPD, 1996 in Bremen gegründet, ist weltweit agierender Entwickler und Betreiber von Windparks und Solarprojekten. Lhyfe bietet eine große Vielzahl an Projektbeteiligungen in ganz Europa. Das Unternehmen nahm 2021 die weltweit erste Wasserstoff-Produktionsanlage in Betrieb, die durch eine Direktanbindung an Onshore- Windenergie Grünen Wasserstoff in industriellem Maßstab herstellt. www.wpd.de, www.lhyfe.com Foto: Maria Kray / pixabay Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 8 IM FOKUS KI-Lösung zur automatisierten Echtzeit-Erkennung von-Cyber-Angriffen T rotz hoher Anforderungen im Rahmen gesetzlicher Vorgaben wie dem IT-Sicherheitsgesetz oder der Einführung von IT- Sicherheits -Mana g ements y stemen (ISMS) bleiben Energieversorger - und damit auch die von sicherer Energieversorgung abhängigen Betriebe und Kommunen - im Fokus von Cyber-Angriffen. Besonders sensibel sind dabei die für einen sicheren Netzbetrieb zuständigen Netzleitwarten. In ihnen werden täglich tausende Daten und Messwerte analysiert, daraus kritische Betriebssituationen erkannt und entsprechende Schalt- und Regelvorgänge abgeleitet. Verschafft sich ein Angreifer hier von außen Zugriff und werden z.B. Messwerte absichtlich manipuliert, kann das zu falschen Schalthandlungen bis hin zum Blackout als Worst-Case-Szenario führen. Für einen sicheren Netzbetrieb sind daher neue Ansätze notwendig, die automatisiert und in Echtzeit sämtliche Netzwerk- und Prozessinformationen zwischen Netz- und Leitsystem überwachen und auf Manipulationen prüfen. Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekt „Digital-Twin-zentrische Dienste und Applikationen für den dynamischen Betrieb und den Schutz des zukünftigen Energieversorgungssystems“ (HyLITE) haben Forschende des Fraunhofer IOSB-AST nun eine passende Lösung entwickelt. Das Ergebnis ist eine KI-unterstützte, intelligente Überwachungslösung für Netzleitsysteme, welche zunächst das Normalverhalten auf Mess- und Kommunikationsebene automatisch anlernt. Die Software kann dabei nicht nur die aktuelle Betriebssituation sowie technische Ausfälle oder Störungen, sondern auch Anomalien in den Messwerten bzw. im Datenverkehr zwischen elektrischem Netz und Leitsystem erkennen. Damit ist eine ganzheitliche Überwachung des Netzbetriebs und der eingesetzten Kommunikationsmittel für den verantwortlichen Operator in Echtzeit möglich. Der Zugang erfolgt über eine webbasierte Echtzeitvisualisierung, die einen schnellen Überblick über die KI-gestützte Anomaliebewertungen ermöglicht. Die KI-Lösung soll nun potenziellen Kunden zur Integration in den Netzbetrieb zur Verfügung gestellt werden. www.iosb-ast.fraunhofer.de Rangierbahnhof München-Nord: Zugbildungsanlage wird erneuert D ie Anlagen des 1991 in Betrieb genommenen Rangierbahnhofs München- Nord sind veraltet und wartungsintensiv und sollen nun modernisiert werden. Im Rahmen einer Ingenieurgemeinschaft übernimmt Sweco bei dem Projekt die Leistungen der Bauüberwachung. Diese umfasst die leitende Bauüberwachung der Gesamtmaßnahme, die Bauüberwachung in den Bereichen des Oberbaus sowie des konstruktiven Ingenieurbaus, die Schweißüberwachung sowie in einem anderen Los die Bauüberwachung der Leit- und Sicherungstechnik. Neben der technischen Erneuerung soll auch die Optimierung des Ablaufbetriebes im Fokus stehen. Am Münchner Rangierbahnhof findet der Güterwagen-Umschlag für ganz Südbayern statt. Die Güterwagen werden hier zu Zügen zusammengestellt und fahren anschließend unter anderem nach Österreich oder Italien. Auch Güterzüge aus den deutschen Seehäfen fahren den Bahnhof an. Um die Verfügbarkeit sicherzustellen und die Instandhaltungskosten zu minimieren, müssen sowohl die Ablaufsteuerung als auch die Rangiertechnik erneuert werden. Mithilfe der sogenannten Laufzielbremsung wird außerdem die Wirtschaftlichkeit und Rangierqualität des rangiertechnischen Verfahrens auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Gleichzeitig erfolgt die Erneuerung des kompletten Oberbaus der Richtungsgruppen 2 bis 4. Das Gefälle der Gleisanlagen wird vereinheitlicht und angepasst. Zusätzlich werden abgängige Weichen erneuert. Um Synergieeffekte zu nutzen, werden die Maßnahmen gemeinsam umgesetzt. Insgesamt müssen rund 21 Kilometer Gleise umgebaut sowie rund 50 Weichen und 25 Richtungsgleisbremsen erneuert werden. Auch Kabeltiefbau-Erneuerungen und Kabelverlegearbeiten mit Querungen von Gleisen oder Schächten müssen durchgeführt werden. Ziel ist es, die Zugabfertigung zu automatisieren, die Kapazität des Rangierbahnhofs München-Nord zu steigern und so dafür zu sorgen, dass Güterzüge künftig schneller, flexibler und häufiger abfahren können, wesentliche Voraussetzung für eine umweltfreundliche Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Die aktuell geplanten Umbauarbeiten am Rangierbahnhof München-Nord sollen Ende 2023 abgeschlossen werden. www.sweco-gmbh.de Foto: Miguel á Padriñán / Pexels Foto: Christian Leisch / Sweco GmbH Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 9 IM FOKUS Open-B2B-Sharing für Kleinunternehmen in Logistik und-Verkehr D ie Sharing Economy hat sich zu einem bedeutsamen Treiber für Wachstum und Nachhaltigkeit im Konsumentensektor (B2C) entwickelt. Sie beruht auf dem Prinzip des Teilens und bietet Zugang zu Ressourcen, ohne dabei finanzielle oder soziale Kosten des Eigentums beanspruchen zu müssen. Dadurch können Wirtschaftsgüter effizienter und nachhaltiger genutzt werden. Besonders für kleine Unternehmen ist es jedoch nicht immer leicht, geeignete Sharing-Strukturen aufzubauen. Im Forschungsprojekt Open-B2B-Sharing sollen die Chancen und Risiken zur Nutzung der Sharing Economy speziell für diese Unternehmen untersucht werden. Beteiligt an dem Vorhaben sind Forschende der Hochschule RheinMain in Kooperation mit der Frankfurt University of Applied Sciences, der Mewa Textil-Service AG und Co. Management OHG, der Handwerkskammer Wiesbaden sowie der IHK Wiesbaden. Im Fokus stehen geeignete Geschäftsmodelle für Kleinunternehmen, umgesetzt durch spezielle Logistiklösungen. Die im Projekt untersuchten Sharing-Konzepte zielen auf institutionelle Abwicklungen, also Geschäfte zwischen Unternehmen (B2B). Zunächst soll eine explorative Studie durchgeführt werden, um die Wirkungszusammenhänge gewerblichen Teilens zu verstehen. In einer Feldstudie werden dann die Ergebnisse empirisch und sachlogisch validiert und das institutionelle Teilen über ausgesuchte Logistiklösungen im urbanen Umfeld realisiert. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, den idealen Ort „asynchroner Warenübergaben“ zu finden und städtische Verkehrsströme umweltgerecht zu bündeln. Eine geeignete Plattform wiederum soll die physischen Austauschprozesse zwischen Sharing-Anbieter und Sharing-Nutzer systematisch ermöglichen. Wenn zum Beispiel ein Handwerksbetrieb seine Arbeitskleidung nicht länger kauft, sondern von einem Textildienstleister mietet, wird verschmutzte Kleidung normalerweise vom Dienstleister eingesammelt, gereinigt und wieder ausgeliefert. Das Forschungsvorhaben untersucht nun, ob dieser Vorgang statt mittels klassischem Direkttransport über moderne Logistik-Hubs wie etwa Packstationen abgewickelt werden kann - rund um die Uhr, jedoch mit aktiver Teilnahme beider Seiten. Erforscht wird also unter anderem, ob Textildienstleister und Handwerksbetriebe überhaupt Interesse daran haben, ein solches Verfahren durchzuführen. Gespannt sind die Forschenden auch, inwieweit clever positionierte Umschlagsplätze den innerstädtischen Verkehr entlasten, welche elektrifizierten Transportmittel wie etwa Lastenräder sinnvoll auf der Letzten Meile einzusetzen sind und wie einfach Ideen zur Sharing-Economy im institutionellen Kontext (B2B) überhaupt umsetzbar sind. Das Projekt wird aus Mitteln des Landes Hessen und der HOLM-Förderung im Rahmen der Maßnahme „Innovationen im Bereich Logistik und Mobilität“ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen gefördert. www.hs-rm.de Foto: Ismael Paramo / Unsplash German Airways und Wingcopter forcieren Offshore-Lieferungen mit Drohnen D ie Zeitfracht-Gruppe und German Airways werden Drohnen in der Logistik kommerziell einsetzen: Sie vereinbarten mit dem deutschen Hersteller Wingcopter jetzt den Kauf von 17 Transportdrohnen vom Typ Wingcopter 198 und Bestelloptionen auf 115 zusätzliche Fluggeräte in zwei weiteren Tranchen bis Ende 2023. Das Fluggerät soll ab dem zweiten Halbjahr 2024 eingesetzt werden - zunächst offshore etwa für Ersatzteillieferungen in Windparks. In diesem Geschäft ist die Zeitfracht- Gruppe bereits mit ihrer Spezialreederei Opus Marine erfolgreich tätig. Entsprechend technisch anspruchsvoll ist der Einsatz der Lieferdrohnen: Sie müssen auch auf einem fahrenden Schiff punktgenau landen können. German Airways und Wingcopter werden bei der Entwicklung dieses Features eng zusammenarbeiten. German Airways erfüllt als Unternehmen mit einem Luftverkehrsbetreiber-Zeugnis (AOC) bereits wesentliche Voraussetzungen, um die Wingcopter-Lieferdrohnen in der „specific category“ und später auch in der „certified category“ betreiben zu können. Zudem ist German Airways IOSA zertifiziert und arbeitet damit nach den höchsten international vereinbarten Standards der internationalen Luftfahrtbehörde IATA. Die Wingcopter werden vom Flughafen Rostock-Laage aus starten, der seit Jahresbeginn ebenfalls zur Zeitfracht- Gruppe gehört und dem Entwicklungsteam von Wingcopter ein ideales Umfeld für ausgedehnte Testflüge sowie Räumlichkeiten für Messungen und die Auswertung der dabei gesammelten Daten bietet. Die von Wingcopter entwickelten Drohnen können mit einer Nutzlast von bis zu fünf Kilogramm beladen werden und schaffen - je nach Zuladung - eine Strecke zwischen 75 und 110 Kilometern. Die Fluggeräte des im südhessischen Weiterstadt ansässigen Unternehmens wurden von German Airways ausgewählt, weil sie besonders wind- und wetterstabil fliegen können und in Hinsicht auf das Verhältnis von Zuladung und Reichweite weltweit führend sind. Sie starten senkrecht, ohne zusätzliche Infrastruktur zu benötigen, und bewegen sich anschließend im Flug wie ein normales Flugzeug horizontal vorwärts. Durch ihren rein elektrischen Antrieb leisten die Wingcopter-Lieferdrohnen auch einen Beitrag zu einer emissionsfreien Logistik. www.zeitfracht.de, www.wingcopter.com Foto: Wingcopter Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 10 IM FOKUS Komplette LKW-Disposition in der Cloud O pheo Solutions verfügt mit Opheo 7.0 über eine neue Version des Transportleitstands, der jetzt erstmals auch als Cloud-Lösung angeboten wird. Außerdem soll die neue Version eine bessere Integration der vor- und nachgelagerten Prozesse wie zum Beispiel der Kommissionierung ermöglichen. Die ebenfalls weiterentwickelte automatische Pausenplanung, die auch den Abgleich von Plan- und Ist-Pausen umfasst, sorgt für einen optimierten Einsatz der Fahrer und entlastet die Disponenten. Hohe Zeiteinsparungen gewährleistet auch die automatische Benachrichtigungsfunktion (siehe Bild), mit der alle Prozessbeteiligten vom Auftraggeber bis zum Fahrer über Pläne, Verschiebungen und den aktuellen Lieferstatus informiert werden. Eine verbesserte Visualisierung und Standort-Lokalisierung durch den Einsatz von Satellitenkarten rundet das Neuheiten- Spektrum ab. Die neue Opheo-Version ist neben der neuen SaaS-Lösung (Software as a Service) in der Cloud weiterhin als On- Premise-Lösung erhältlich. In beiden System-Varianten ist der komplette Leistungsumfang identisch enthalten. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz der Virtual Desktop Technologie der von Microsoft bereitgestellten Azure Cloud, bei der Kunden ohne kostenintensive Investition in eigene Serverinfrastruktur und IT- Personal auskommen. Dazu lässt sie sich im Fall eines veränderten Nutzungsumfangs nahezu beliebig skalieren - neue Standorte und Nutzer werden ad hoc freigeschaltet und sind sofort einsatzbereit. Die seit der Corona-Pandemie deutlich gestiegenen Anforderungen an mobiles Arbeiten werden durch die Cloud-basierte Lösung nun komplett abgebildet, sodass die Disposition nicht mehr ortsgebunden, sondern auch aus dem Homeoffice vollumfänglich arbeiten kann. Auch in Sachen Systemaktualität, Backups und Ausfallsicherheit bietet die Cloudbasierte Lösung eine Betriebsqualität, die On-Premise nur mit hohen Kosten realisiert werden kann. So garantiert Microsoft eine qualitative Verfügbarkeit der Infrastruktur bei Nutzung der Azure Cloud Services von 99,95 Prozent. Daten und Anwendungen werden dabei ausschließlich in Europa gespeichert. Zudem werden die Implementationszeiten bei der Software-Einführung mit der Cloud-basierten Lösung deutlich reduziert. Weitere Neuerung ist die stärkere Integration der vor- und nachgelagerten Prozesse des Kunden. Der Transportleitstand kann mit fast allen Warenwirtschafts- oder Lagerverwaltungssystemen Bewegungsdaten laufender und geplanter Aufträge austauschen. Damit lässt sich zum Beispiel der aktuelle Kommissionier-Fortschritt mit der tatsächlichen Anzahl der benötigten Paletten feststellen und in der Tourenplanung mit aktualisierten Frachtraum-Kapazitäten berücksichtigen. Zudem sieht der Disponent permanent, wann welche Waren zum Beladen bereitstehen, und wird bei Problemen gewarnt. Zeitaufwändige Rücksprachen sind nicht mehr erforderlich. Auch die Rampenzuweisung kann auf diese Weise optimiert werden. www.opheo.com Foto: Opheo Auswirkungen autonomer Mobilitätsdienste auf den öffentlichen Verkehr W ie werden sich das Aufkommen autonomer Fahrzeuge und neue Mobilitätsdienste auf öffentliche Verkehrssysteme und die Verkehrssituation in Städten auswirken? Eine aktuelle Studie untersuchte, welche Potenziale und Risiken in der schwedischen Stadt Göteborg durch elektrische, fahrerlose Sharing-Dienste entstehen. Ziel des Forschungsprojekts war es, mögliche Auswirkungen des autonomen Fahrens auf die Stadt zu analysieren. Dafür wurden verschiedene Zukunftsszenarien mithilfe der multimodalen Modellierungsplattform von Göteborg auf Basis der Software PTV Visum modelliert. In der virtuellen Umgebung der Plattform untersuchten die Forschenden zahlreiche Entwicklungen und konzentrierten sich dabei auf zwei Ausprägungen: Carsharing, bei dem reisende Personen die autonomen Fahrzeuge wie Privatautos nutzen, und Ridesharing, bei dem selbstfahrende Busse oder Shuttles mit anderen Fahrgästen geteilt werden. Das Projektteam untersuchte verschiedene Szenarien: Was passiert zum Beispiel, wenn ein Drittel der heutigen Autofahrten per autonomem Ridesharing absolviert werden? Wie wirkt es sich aus, wenn alle Menschen vom privaten PKW und von öffentlichen Verkehrsmitteln auf Carsharing oder auf gemeinsam genutzte, selbstfahrende Dienste wechseln? Das Projektteam analysierte verschiedene Parameter wie Reisezeiten, die Anzahl der Fahrzeuge und die pro Fahrzeug zurückgelegten Kilometer. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die vermehrte Nutzung selbstfahrender Fahrzeuge nicht automatisch weniger Verkehr bedeutet. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge im Verkehrsnetz kann variieren, ohne dass sich das Verkehrsaufkommen verringert. Zum Beispiel, weil durch autonome Dienste zwar weniger Fahrzeuge unterwegs sind, diese aber mehr fahren. So führten mehrere der simulierten Szenarien zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Auf Schwedisch steht die Studie zum Download bereit: www.drivesweden.net/ sites/ default/ files/ content/ bilder/ slutrapport_eldsjal_k8.pdf www.ptvgroup.com Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 11 E s sei zu früh, um loszugehen und „einen Sarg für die Globalisierung zu kaufen“, sagte Kristalina Georgiewa, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, neulich. Sie wies darauf hin, wie viel Gutes die arbeitsteilige Weltwirtschaft bisher gebracht habe. Aber spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, den Wellen von wirtschaftlichen Sanktionen und dem Abbruch diverser Handelsbeziehungen bläst den Befürwortern des freien Welthandels ein rauer Gegenwind ins Gesicht. Selbst US-Notenbankchef Jerome Powell sagte, dass sich die Globalisierung auf jeden Fall verlangsame, wenn auch noch nicht klar sei, ob sie sich umkehren werde. Auch in der EU wird die Zukunft des Welthandels diskutiert. Besonders deutlich wurde der neue Tonfall beim informellen EU-Gipfel in Versailles, für den Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron - lange vor dem Ukraine-Krieg geplant - das Thema „Neues Wachstumsmodell für die EU“ auf die Agenda gesetzt hatte. Der Krieg hat den Anliegen Macrons, für die er teils seit seiner programmatischen Rede an der Sorbonne 2017 wirbt - strategische Souveränität der EU vor allem auf Gebieten wie Verteidigung, Nahrungsmittelsicherheit und in wichtigen Industriesektoren - eine ungeahnte Brisanz und Unterstützung durch seine EU-Amtskollegen beschert. Was vor einigen Jahren noch als „leere Worte“ oder eher französische Interessen angesehen worden sei, „ist heute ein ‚Must‘ geworden“, stellte der Präsident nach dem Gipfel fest. Zunächst habe die Pandemie den Europäern verdeutlicht, wie schnell der Nachschub mit wichtigen Materialien stocken kann, auch an solchen, die für die Gesundheitsversorgung wichtig sind. Der Weg aus der Covid-Krise sei etwa durch den Halbleitermangel behindert worden und der Ukraine-Krieg zeige jetzt, „wie sehr auch unsere Nahrungsmittel, unsere Energie und unsere Verteidigung Themen unserer Souveränität sind.“ Viele von Macrons Forderungen, etwa nach einer stärkeren europäischen Produktion von Mikrochips, Arzneimitteln, pflanzlichen Proteinen, nach Investitionen in digitale Technologien und die Erschließung alternativer - möglichst einheimischer - Energie- und Rohstoffquellen finden sich in den Gipfelschlussfolgerungen wieder. Und auch EU-Ratspräsident Charles Michel und Bundeskanzler Olaf Scholz widersprachen diesen Zielen nicht und sagten, die EU müsse „stark und souverän“ sein. „Wir wollen ja eine Macht sein, die der Welt offen ist, aber wir wollen nicht abhängig sein“, fasste Macron zusammen. Das bedeute auch, „dass wir weniger importieren sollen, denn sonst hätte es keinen Sinn, mehr in die europäische Industrie zu investieren“, sagte der Staatspräsident, mit besonderem Blick auf die Verteidigungsindustrie. Frankreich ist mit seinem Wunsch nach mehr EU-Industriepolitik wohl ein Stück vorangekommen, aber dass sich die Europäer jetzt in allen möglichen Wirtschaftsbranchen einigeln wollen, ist nicht zu erwarten. Dafür ist das außenwirtschaftliche Interesse zu groß und die globalen Verflechtungen sind zu eng. Und für Versorgungssicherheit sind möglichst diverse Lieferketten wichtig, eine zu starke Europa- Zentriertheit wäre nicht gut. Um kurzfristig von russischem Gas unabhängiger zu werden, will die Staatengemeinschaft stärker auf Flüssiggas (LNG) setzen. Auch das muss importiert werden. Gleiches gilt für „grünen“ Wasserstoff, der sich am besten in Gegenden der Welt erzeugen lässt, wo starker Wind weht und die Sonne intensiv scheint. Und auch für die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen strebt die EU internationale Partnerschaften an, was auch internationale Lieferketten bedeutet. Aber an einigen aktuellen Geschäftsmodellen dürfte sich schon etwas ändern. Die Welt, die vor rund 30 Jahren weit und offen aussah, könnte künftig für Handelsunternehmen zu einem engeren Ort werden. Zumal weitere geopolitische Konflikte nie auszuschließen sind. Spannungen gibt es genügend, zum Beispiel zwischen China und Taiwan, einem wichtigen Produktionsstandort für Halbleiter. Das Thema Versorgungssicherheit wird nicht so schnell von den prominenten Plätzen der politischen Tagesordnung verschwinden und an Bedeutung eher noch zunehmen. Die Logistikbranche ist gut beraten, noch stärker an der Resilienz von Lieferketten zu arbeiten und sehr aufmerksam eventuelle Veränderungen von Warenströmen zu beobachten. Was aus den Versailler Gipfelschlussfolgerungen mit den Jahren konkret wird, muss sich zeigen. Aber einige Prozesse sind in der EU bereits angestoßen, etwa zur stärkeren Nutzung heimischer, erneuerbarer Energiequellen, für mehr Recycling und Kreislaufwirtschaft, zur Stärkung einer europäischen Halbleiterfertigung oder zur Förderung anderer Industrieprojekte von „gemeinsamem Interesse“. Das wird auch Auswirkungen auf Transport und Logistik haben. ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Die Welt wird wieder zu einem etwas engeren Ort Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 12 Foto: Worksite Ltd. / Unsplash POLITIK Energieversorgung Mögliche Maßnahmen zur Senkung der Ölimporte aus Russland und Auswirkungen eines Treibstoff-Rabatts Energie- und Rohstoffmärkte, Kraftstoffe, Preisgestaltung, Versorgungssicherheit Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI forscht interdisziplinär an der Zukunft von Energiesystemen, Rohstoffversorgung und Mobilität. Hierbei nimmt die Beratung von Politik und Unternehmen im Spannungsfeld dieser zukünftig extrem herausfordernden Themenfelder und deren Verknüpfung seit jeher eine zentrale Rolle in der Arbeit des Instituts auf nationaler und internationaler Ebene ein. Durch die Verwerfungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten nach der russischen Invasion in der Ukraine wird die Dringlichkeit zukunftsfester Konzepte für die Energieversorgung der Mobilität deutlich sichtbar. Vor diesem Hintergrund bedarf der Beschluss der Ampelkoalition vom 24. März zur Entlastung der Bürger: innen von weiter steigenden Energie- und Spritkosten der Einordnung aus Sicht der Wissenschaft. Auf der Grundlage bestehender Forschungsarbeiten und aktueller Recherchen beleuchtet das Fraunhofer ISI einen möglichen kurzfristigen Beitrag der Verkehrspolitik zur Reduktion von Ölimporten und bezieht Stellung zur Entlastung von Autofahrer: innen bei anhaltend hohen Kraftstoffpreisen. Niklas Sieber, Claus Doll, Clemens Brauer, Jonathan Köhler, Michael Krail, Luisa Sievers N ach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurden Deutschlands Versäumnisse der Vergangenheit, die Energieversorgung krisensicher und klimafreundlich zu gestalten, evident. Neben Gas und Kohle für Industrie und Haushalte spielen Rohölimporte für den Verkehrssektor eine besonders kritische Rolle. Basierend auf vielfältigen Voruntersuchungen hat das Fraunhofer ISI nachgeprüft, welche Einsparungen von Diesel und Benzin im Verkehrssektor kurzfristig zu mehr Unabhängigkeit Deutschlands von Ölimporten beitragen könnten. Gleichzeitig verdeutlicht die bisherige Debatte über Kompensationsmaßnahmen für Bürger: innen gegenüber möglicherweise weiter steigenden Kraftstoff- und Ener- Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 13 Energieversorgung POLITIK giepreisen den Zusammenhang zwischen der Abfederung sozialer Härten und der klimagerechten und versorgungssicheren Umgestaltung unserer Mobilität und Energieversorgung. Hierzu gibt das Fraunhofer ISI Hinweise zur alternativen Ausgestaltung und Verstetigung von Entlastungspaketen im Verkehr. Wie viel Rohöl importiert Deutschland aus Russland und wofür wird es verwendet? 2021 hat Deutschland 81,4 Millionen Tonnen Rohöl importiert und 1,8 Millionen Tonnen selbst gefördert. Von den Importen entfielen 27,7 Millionen Tonnen (35 Prozent) auf die russische Föderation. Die hieraus hergestellten Produkte wurden zu 19-Prozent zur Weiterverarbeitung an die chemische Industrie, zu 0,1 Prozent an das Militär und zu 81 Prozent an den Verkehr geliefert. Insgesamt hat der Verkehrssektor im Jahr 2021 16,5 Millionen Tonnen Ottokraftstoff, 35,2 Millionen Tonnen Dieselkraftstoff und 6,1 Millionen Tonnen Kerosin verbraucht. 1 Ottokraftstoff wird nahezu ausschließlich im PKW-Verkehr eingesetzt. 52 Prozent des Dieselkraftstoffs wurden von PKW verbraucht, 44 Prozent vom Straßengüterverkehr und vier Prozent vom öffentlichen Verkehr. Von den 6,1 Millionen Tonnen Kerosin aus dem Jahr 2021 entfiel auf den innerdeutschen Luftverkehr nur knapp ein Prozent. 2 Welche Einnahmen erzielt der Staat durch den Verkauf von Benzin und Diesel? Der Tankstellenpreis für Super-Benzin betrug im Februar 2022 im Monatsdurchschnitt 179,2 Cent pro Liter. Dieser setzt sich nach Angaben des Mineralöl-Wirtschaftsverbands aus 59 Cent für Beschaffung und Transport, 18 Cent Deckungsbeitrag, 7,2-Cent CO 2 -Abgabe, 66 Cent Energiesteuer sowie 29 Cent Mehrwertsteuer zusammen. 3 Die gesamten Einnahmen des Bundes aus dem Sektor Verkehr werden durch das Bundesfinanzministerium für das Jahr 2022 auf rund 48 Milliarden Euro geschätzt. Hiervon entfallen 37 Milliarden Euro auf die Energiesteuer auf Kraftstoffe, 9,5 Milliarden Euro auf die Kraftfahrzeugsteuer und 560 Millionen Euro auf die Luftverkehrssteuer. 4 Von der Energiesteuer entfallen etwa 33,5 Milliarden Euro auf den Absatz von Diesel und Benzin für den Straßenverkehr. Hierauf lassen sich noch Einnahmen durch die CO 2 -Abgabe von 4,7 Milliarden Euro sowie die Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe von etwa 10 Milliarden Euro bei Spritpreisen auf dem Stand Februar 2022 schätzen. Bund und Länder würden damit ohne kompensierende Maßnahmen ebenfalls rund 48 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Kraftstoffen für PKW und LKW einnehmen. Mit welchen Maßnahmen kann kurzfristig der Erdölverbrauch gesenkt werden? Bei den zahlreichen Möglichkeiten, Kraftstoffverbräuche und damit Rohölimporte zu reduzieren, muss zwischen regulatorischen, freiwilligen und Anreizmaßnahmen unterschieden werden. Besonders relevant sind dabei Maßnahmen, die zum einen kurzfristig umsetzbar sind und zum anderen ihre Wirkungen auch kurzfristig entfalten können. So bedeutend beispielsweise Maßnahmen zur Elektrifizierung des Verkehrs für den Klimaschutz und die mittel- und langfristige Versorgungssicherheit sind, so wenig können dadurch kurzfristig substanzielle Einsparungen des Verbrauchs an fossilen Kraftstoffen erzielt werden. Wir bewerten im Folgenden eine Auswahl kurzfristig wirksamer Maßnahmen auf den Kraftstoffverbrauch im Straßenverkehr: •• Die Einführung eines generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen auf allen bisher nicht geschwindigkeitsgeregelten Streckenabschnitten zählt zu den wirkungsvollen und sehr kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen. In Abhängigkeit des gewählten Tempolimits von 130 oder 100-km/ h lassen sich damit jährlich zwischen 272 und 774 Millionen Liter Diesel sowie zwischen 485 und 1.377 Millionen Liter Ottokraftstoff einsparen. 5 •• Noch mehr Treibstoff könnte durch autofreie Sonntage eingespart werden. Ein Fahrverbot für einen Sonntag im Monat würde jährlich 641 Millionen Liter Benzin und 738 Millionen Liter Diesel einsparen. Würde das Verbot auf jeden zweiten Sonntag ausgeweitet werden, so sänke der Verbrauch um jährlich 1.389 Millionen Liter Benzin und 1.599 Millionen Liter Diesel. 6 •• Weitere effiziente und schnell umsetzbare Maßnahmen sind die Ausweitung des Homeoffice und die Verstetigung des Ersetzens von Dienstreisen durch virtuelle Meetings. Die Verstetigung der während der Covid-19-Pandemie geänderten Verhalten im Dienstreiseverkehr in 2021 bewirken Einsparungen in Höhe von 197 bis 296 Millionen Liter Diesel und 211 bis 317 Millionen Liter Ottokraftstoff jährlich. Da diese Wirkungen jedoch schon 2021 beobachtet wurden, tragen diese 2022 nicht zusätzlich zu Kraftstoffeinsparungen bei. Würden alle Erwerbstätigen in Deutschland, die ihre Arbeit problemlos von Zuhause erledigen können, im Vergleich zu 2021 durchschnittlich einen oder zwei zusätzliche Tage im Homeoffice arbeiten, könnten durch die wegfallenden Pendelwege jährlich zwischen 374 und 748 Millionen Liter Diesel und zwischen 441 und 883 Millionen Liter Ottokraftstoff eingespart werden. •• Eine Vermeidung von Inlandsflügen hätte nur eine kleine zusätzliche Wirkung, da die innerdeutschen Flüge bedingt durch die Covid-19-Pandemie nur noch einen geringen Anteil an den gesamten Kerosinverbräuchen der deutschen Luftfahrt ausmachen. Ein Verbot würde den Kerosinverbrauch kurzfristig um 72 Millionen Liter pro Jahr senken. Bild 1: Potenzial zur Reduktion der Erdölimporte aus Russland Grafik: Fraunhofer ISI POLITIK Energieversorgung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 14 •• Würden die Ticketpreise für den öffentlichen Verkehr um 50 Prozent reduziert, so ließe sich ohne eine wesentliche Veränderung des aktuellen Angebots und ohne zusätzliche Investitionen in das Schienennetz der Anteil der Wege von aktuell 18 Prozent im ÖPNV und acht Prozent bei der Bahn auf zehn bzw. 22- Prozent erhöhen. Damit könnten jährlich 1.250 Millionen Liter Ottokraftstoff und 731 Millionen Liter Diesel eingespart werden. 7 Dies wäre über die Befreiung des öffentlichen Verkehrs von der Mehrwertsteuer und der Energieumlage sowie durch staatliche Subventionen für Tickets möglich, was jedoch erhebliche Eingriffe in die Tarifautonomie und den ordnungsrechtlichen Rahmen insbesondere des Schienenpersonenfernverkehrs bedeuten würde. •• Durch die konsequente Fortführung des Ausbaus sogenannter Pop-up-Radwege, die während der Corona-Pandemie in vielen Städten eingerichtet wurden, würden viele Autofahrer: innen in die Lage versetzt und ermuntert, einen Teil ihrer Alltagswege mit dem Fahrrad zurückzulegen. Die Einrichtung von 1.000 Kilometern Pop-up-Radwegen in deutschen Städten könnte 44 Millionen Liter Ottokraftstoff und 32 Millionen Liter Diesel einsparen. 8 •• Die Bürger: innen können darüber hinaus auch durch freiwillige Verzichte auf Fahrten einen erheblichen Beitrag leisten. Würde auf jede zweite Freizeitfahrt über 20 Kilometer verzichtet, so könnten jährlich 464 Millionen Liter Benzin und 357 Millionen Liter Diesel eingespart werden. Ergebnis In Summe können die ausgewählten kurzfristig wirksamen Maßnahmen im Verkehrsbereich den deutschen Rohölbedarf zwischen fünf und zehn Prozent senken. Ginge diese Reduktion ausschließlich zulasten der Russischen Föderation, so könnten die Importe um 15 bis 28 Prozent reduziert werden. Hinweis Für eine Abschätzung des Gesamtpotenzials zur Kraftstoffeinsparung wurden die Wirkungen der Einzelmaßnahmen addiert. Bei dieser vereinfachenden Annahme bleiben Wechselwirkungen der Maßnahmen unberücksichtigt. Aufgrund der vergleichsweise geringen Wirkungen der Einzelmaßnahmen erscheint dies jedoch vertretbar. Bild 1 veranschaulicht den Beitrag der vorgeschlagenen Maßnahmen zur kurzfristigen Vermeidung von Ölimporten speziell aus der Russischen Föderation. Welche Umwelteffekte haben hohe Treibstoffpreise? Im Vergleich zum durchschnittlichen Endverbraucherpreis für Benzin bzw. Diesel im Jahr 2021 sehen wir im März 2022 zeitweise einen Anstieg von knapp 40 Prozent bei Ottokraftstoff und etwa 60 Prozent bei Diesel. 9 Diese Preisanstiege führen zu Rückgängen in der Kraftstoffnachfrage. Vermeidung von Fahrten, Verlagerung auf andere Verkehrsmittel und kraftstoffsparende Fahrweisen ermöglichen kurzfristige Nachfragerückgänge. Die vorhergehend beschriebenen Maßnahmen unterstützen die Realisierung dieser Einsparpotenziale. Langfristig kommen technologische Anpassungen wie etwa Effizienzverbesserungen oder Antriebswechsel bei Fahrzeugen, sowie grundlegende Änderungen von Verhaltensbis hin zu Siedlungsmustern und Lieferbeziehungen im Wirtschaftsverkehr hinzu. Voraussetzung hier ist, dass alternative Verkehrsträger und Antriebssysteme verfügbar sind, und dass Preis- und Ordnungspolitik die Änderung von Verhaltensmustern unterstützen. In der Literatur zu Preiselastizitäten bezeichnet „kurzfristig“ meist einen Zeitraum von unter zwei Jahren, „langfristig“ einen Zeitraum von über zehn Jahren. 10 Langfristige Preiselastizitäten, und damit die Potenziale für Nachfragerückgänge, liegen um den Faktor 2 bis 3 höher als kurzfristige. Ein Szenario mit einem weniger starken Preisanstieg und einer wenig elastischen Kraftstoffnachfrage sowie ein Szenario mit sehr starkem Preisanstieg und hoher Preiselastizität zeigen die Bandbreite möglicher Effekte auf. 11 Kurzfristig könnte danach die Kraftstoffnachfrage im Personenverkehr um fünf bis 15 Prozent bei Benzin bzw. um acht bis 21 Prozent bei Diesel zurückgehen. Im Straßengüterverkehr könnte die Nachfrage nach Diesel um acht bis elf Prozent sinken. Die mit diesen Nachfragerückgängen einhergehenden CO 2 -Einsparungen liegen zwischen 10 und 24 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente pro Jahr. 12 Zum Vergleich: Die ausgewählten kurzfristigen Maßnahmen zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs senken den CO 2 -Ausstoß des Verkehrs entsprechend der reduzierten Spritmenge um fünf bis zehn Prozent oder zwischen acht und 16 Mt CO 2 -Äquivalente pro Jahr. Welche Einkommensgruppen profitieren von den Vorschlägen eines pauschalen Tankrabatts? Der Vorschlag der Ampelkoalition vom 24.- März sieht einen Tankrabatt auf Ottokraftstoff von 30 Cent und auf Diesel von 14- Cent pro Liter zur Unterstützung von Pendler: innen vor. 13 Hierzu soll die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß von 65,5 auf 35,9 Cent je Liter Ottokraftstoff und von 47,0 auf 33,0 Cent je Liter Diesel gesenkt werden. 14 Die Kosten für diese Maßnahmen reduzieren die Einnahmen aus der Energiesteuer auf Kraftstoffe um 38 Prozent. Von dieser Entlastung profitieren Haushalte mit hohem Einkommen 15 wesentlich mehr als diejenigen mit niedrigem Einkommen, weil sie mehr Fahrzeuge mit höheren Verbräuchen besitzen und damit längere Strecken fahren. Haushalte mit sehr hohem ökonomischem Status würden knapp viermal so hohe Subventionen erhalten wie diejenigen mit sehr niedrigem Status (Bild 2). Wie können untere Einkommen entlastet werden? Die vorangegangenen Überlegungen sprechen für eine einkommensabhängige Ausgestaltung zeitlich befristeter Unterstützungsprogramme, sowohl für Haushalte wie auch für kleine und mittlere Unternehmen bei weiter anhaltend hohen Kraftstoffpreisen. Die oben geschilderten positiven Kraftstoffeinspar- und Umwelteffekte werden hingegen zum Teil durch eine pauschale Bild 2: Eingesparte Treibstoffkosten durch einen „Tankrabatt“ Grafik: Fraunhofer ISI Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 15 Energieversorgung POLITIK Treibstoffsubvention nach dem aktuellen Beschluss der Ampelkoalition konterkariert. Mit Blick auf die immer deutlicher werdenden Herausforderungen des Klimawandels und der Energiesicherheit ist die Ergänzung eines sozialen Abfederungspakets um Nachhaltigkeitskomponenten wichtig. Insbesondere sind Reboundeffekte, d. h. mehr Verkehr und damit mehr Verbrauch fossiler Energieträger durch vergünstigte Kraftstoffpreise, im Blick zu behalten. In diesem Sinn begrüßen wir die Pläne für ein Mobilitätsgeld der Ampelkoalition in Form stark vergünstigter Zeitkarten für den ÖPNV. Mittelfristig kann dies auch überwiegend den PKW nutzende Menschen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel motivieren und somit das Ziel der Mobilitätswende unterstützen. Energieversorgung sichern und langfristige Klimawirkungen steigern Vor Einsetzen der Corona-Pandemie 2019 lag der CO 2 -Ausstoß des Verkehrs bei 163 Millionen Tonnen (Mt), wovon 158 Mt auf den Straßenverkehr entfielen. 2022 dürften die Klimaemissionen des Verkehrs ähnlich liegen. Im Gegensatz zu anderen Sektoren haben sich diese seit 1990 kaum vermindert, müssen jedoch bis 2030 um 40 bis 42 Prozent gesenkt werden. Dies entspricht in der Größenordnung den hier vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduktion der Importabhängigkeit von Erdöl. Entsprechend könnte die Chance der aktuellen Verwerfungen genutzt werden, um über mittelbis langfristig wirksame Maßnahmen die Transformation des Verkehrssektors in Richtung lokal verfügbarer und erneuerbarer Energieträger zu beschleunigen. Neben Investitionen in nachhaltige Mobilität sowie ordnungs- und preispolitischen Maßnahmen könnte das diskutierte ökologische Mobilitätsgeld in eine Reform der Pendlerpauschale verstetigt werden. 16 Schließlich ist jedoch nicht nur die Politik, sondern jeder Einzelne in der Verantwortung, die Energie- und Mobilitätswende mitzutragen. Mehr aktive Mobilität wie Zufußgehen und Radfahren ist nicht nur umweltfreundlich und leistet einen Beitrag zur Energieunabhängigkeit Deutschlands, sondern spart Geld und fördert die Gesundheit. 17 ■ QUELLEN 1 BAFA (2021): Mineralölstatistiken. 2 Eigene Berechnungen des Fraunhofer ISI mit Hilfe des ASTRA-M Modells. 3 en2x (2002): Zahlen - Daten - Fakten: Preiszusammensetzung Februar 2022. 4 Vgl. Steuerschätzung 2022 in Quelle: BMF (2022): Steuereinnahmen im Dezember 2021. Arbeitskreis Steuerschätzung, Monatsberichte des BMF Januar 2022. 5 Eigene Berechnungen des Fraunhofer ISI auf Basis von UBA (2020): Klimaschutz durch Tempolimit - Wirkung eines generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen auf die Treibhausgasemissionen. Dessau. 6 Eigene Berechnungen anhand von Verkehr in Zahlen 2022 und MID 2017. Es wurden zwölf bzw. 26 autofreie Sonntage berechnet. Rebound-Effekte z. B. durch Verlagerung von Verkehren auf andere Wochentage wurden nicht in die Berechnung einbezogen. 7 Schätzungen mit einer Kreuzpreiselastizität der PKW-Verkehrsleistung gegenüber Preisänderungen im Bahnverkehr von 0,1 nach DLR, IFEU, LBST (2016): Verkehrsverlagerungspotenzial auf den Schienenpersonenfernverkehr in Deutschland im Auftrag des BMVI, Berlin. 8 Eigene Berechnungen anhand einer Elastizität von 0,18 Prozentpunkten Radverkehr je km Radweg/ 100.000 Einwohner nach Mueller et al. 2018, anwendbar in Städten bis 20 Prozent Fahrradanteil. 9 Berechnungen des Fraunhofer ISI basierend auf Durchschnittspreisen nach Statista und aktuellen Tankstellenpreisen. 10 Vgl. Joyce Dargay and Dermot Gately (1997): Demand for Transportation Fuels: Imperfect Price Reversibility? In: Transportation Research B, Vol. 31, No. 1, pp. 71-82. 11 Eigene Berechnungen des Fraunhofer ISI. Der Preisanstieg wird zwischen 30-% und 50-% (Benzin) bzw. 50-% und 70-% (Diesel) variiert. Die Preiselastizitäten basieren auf einer Metaanalyse (Schade und Krail, 2015, S. 36ff) und liegen für den Personenverkehr bei -0,15 bis -0,3 und für den Güterverkehr bei -0,15. 12 Nicht mit eingerechnet sind mit den Verlagerungseffekten einhergehende mögliche Mehremissionen im Öffentlichen Personenverkehr sowie im Schienengüterverkehr oder der Binnenschifffahrt. Da sich diese Verkehrsträger jedoch durch geringere Emissionen je Verkehrsleistung auszeichnen, ist davon auszugehen, dass die Einsparungen deutlich überwiegen. 13 Zeit Online (24.3.2022): Energiepreise: Ampel beschließt 300 Euro steuerliche Energiepreispauschale. 14 Europäische Kommission: Excise Duty on Energy (europa.eu). 15 Der ökonomische Status eines Haushaltes leitet sich gemäß dem Prinzip des Äquivalenzeinkommens, das sich in der Sozial- und Armutsforschung für Analysen der Einkommensverteilung etabliert hat, aus dem Haushaltsnettoeinkommen und der gewichteten Haushaltsgröße ab. (MID 2017, Nutzerhandbuch S. 17). 16 Vgl. Darstellung möglicher Maßnahmen im Abschlussbericht der Nationalen Plattform Mobilität (NPM 2021: Mobilität von morgen ganzheitlich gestalten - Ergebnisse aus drei Jahren NPM (2018- 2021). Berlin. 17 Vgl. BMVI (2020): Nationaler Radverkehrsplan 3.0. ifok, PTV Group, Fraunhofer ISI. Berlin. Foto: Wassim Chouak / Unsplash Michael Krail, Dr. Stellvertretender Leiter des Competence Centers Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Leiter des Geschäftsfelds Mobilität, Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe michael.krail@isi.fraunhofer.de Luisa Sievers, Dr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe luisa.sievers@isi.fraunhofer.de Jonathan Köhler, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe jonathan.koehler@isi.fraunhofer.de Niklas Sieber, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe niklas.sieber@isi.fraunhofer.de Clemens Brauer Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe clemens.brauer@isi.fraunhofer.de Claus Doll, Dr. Projektleiter, Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe claus.doll@isi.fraunhofer.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 16 INFRASTRUKTUR Schienennetze Gleisbaumaschinen: Fossilfrei in die Zukunft Alternative Antriebe, Emissionen, Treibhausgas, Umweltbewusstsein Alternative Antriebssysteme finden im Transportsektor immer mehr an Zuspruch, unter anderem aus umwelttechnischer Sicht. Die von der TU Graz in Zusammenarbeit mit Plasser & Theurer durchgeführte FFF-Studie (Fossil Free Future for Track Work Machinery) untersucht die Möglichkeit, die direkten Emissionen bei Gleisbau- und Gleisinstandhaltungs-Arbeiten auf null zu reduzieren. Hier eine kurze Übersicht. Martina Zeiner, Matthias Landgraf A ktuell werden Gleisbaumaschinen überwiegend mit Dieselmotoren angetrieben. Dem Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der TU Graz zufolge werden durch die Gleisinstandhaltungsarbeiten der ÖBB jährlich 9.600 t CO 2 produziert (Treibstoffverbrauch, Maschinen- und Materialtransport und Produktion). Dies zeigt das immense Potential, das die Umstellung auf alternative Antriebssysteme für die Reduktion von Treibhausgasemissionen von Gleisbaumaschinen birgt. Es ist auch anzunehmen, dass Gleisbaumaschinen zukünftig strengeren Vorschriften unterliegen werden. Ziel der FFF-Studie ist es, unterschiedliche Lösungen, die in der Verkehrsbranche entwickelt werden, zu analysieren und ihre Anwendbarkeit für den Bahnsektor und Gleisbaumaschinen zu beurteilen. Die Analyse berücksichtigt marktspezifische Aspekte sowie Risikofaktoren. Basierend auf den Ergebnissen der Marktanalyse und eines Berechnungsprogramms werden spezifische Empfehlungen zu alternativen Lösungen für unterschiedliche Gleisbaumaschinen gegeben. Die Marktanalyse erfasst die Technologietrends unterschiedlicher alternativer Antriebssysteme für verschiedene Verkehrsträger. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Bahn- und Bausektor. Rahmenbedingungen wie Vorschriften und zu erwartende politische Förderungen werden evaluiert. Als Teil des Projekts entwickelte die TU Graz das Berechnungsprogramm CalCAS (Calculation of Comparison for Alternative Solutions), welches auf Daten unterschiedlicher Gleisbaumaschinen basiert. Industrieübergreifende Analyse: Eingehende Untersuchung des Bahn- und Bausektors Faktoren wie die aktuell verfügbare Technologie, mangelnde Infrastruktur, fehlende Regelungen oder Förderungen sowie höhere Kosten aufgrund von Skalierbarkeit schränken die Marktakzeptanz alternativer Antriebssysteme ein. Der Straßenverkehrssektor, insbesondere der Automobilsektor, ist in Bezug auf alternative Antriebssysteme im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern am weitesten fortgeschritten. Obwohl im Bahn- und Bausektor konkrete Zielsetzungen fehlen und die Nachfrage gering ist, ist bei Stakeholdern das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Verringerung von Umweltauswirkungen vorhanden. Mit dem technologischen Fortschritt wird die Nachfrage nach alternativen Antriebssystemen in beiden Sektoren steigen. Alternative Antriebssysteme für Gleisbaumaschinen sind bis dato noch weitgehend unerforscht. Die Marktanalyse zeigt, dass die im Bausektor eingesetzten technologischen Konzepte auch für Antriebstechnologien für Gleisbaumaschinen anwendbar sein könnten. Im Hinblick auf die primäre Energiequelle werden Gleisbaumaschinen stark von Markttrends im Bahnsektor beeinflusst, da die Implementierung alternativer Lösungen von der Energieversorgungsinfrastruktur abhängt (z. B. Aufladen oder Auftanken). Im Vergleich zum Bahnsektor ist die reine Batterietechnologie im Bausektor weitaus verbreiteter und beschränkt auf elektrische Baumaschinen mit Kabel, Handgeräte oder kleinere Maschinen. Hingegen befindet sich die Brennstoffzellentechnologie noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium (ausgenommen Gabelstapler). Es gibt wenige Gleisbaumaschinenmodelle mit alternativen Antriebssystemen (sechs Hersteller konnten identifiziert werden). Bei Gleisbaumaschinen kommen eher Hybridlösungen (hauptsächlich Diesel-Batterie) anstatt Stand-alone-Lösungen zum Einsatz. Dies entspricht dem im gesamten Bahnsektor sichtbaren Trend. Rein batteriebetriebene Maschinen, wie kleinere (leichtere), z. B. Handstopfer, bilden eine Ausnahme. Foto: Plasser & Theurer Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 17 Schienennetze INFRASTRUKTUR Ein maschinenspezifisches Berechnungsprogramm für szenariobasierte Kennzahlen Die CalCAS-Ergebnisse zeigen, dass On- Board-Batterietechnologien die bevorzugte Lösung für Gleisbaumaschinen mit einem Bedarf unter 300 kWh sind. Hingegen ist die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie für Maschinen mit einem Bedarf von über 800 kWh geeignet. Für Maschinen mit einem Energiebedarf dazwischen ist aus Gewichtsgründen entweder eine Weiterentwicklung in der Batterietechnologie notwendig oder die Brennstoffzellentechnologie vorzuziehen. Trotz der Vorteile alternativer Antriebssysteme (z. B. Reduktion der Treibhausgasemissionen und der Lärmbelastung, höhere Effizienz) bedeutet ein alternatives Antriebssystem nicht automatisch den Verzicht auf fossile Brennstoffe oder Emissionsfreiheit. Das Potential alternativer Flüssigbrennstoffe ist eingeschränkt (großer Primärenergiebedarf, widersprüchliche Daten zu Emissionen, Bedenken bezüglich synthetisch hergestellter Treibstoffe etc.). Batterie- und Wasserstoffanwendungen sind vom Strommix sowie vom Produktionsprozess und der Lebensdauer ihrer Komponenten abhängig. Dennoch wird ihnen großes Potential für die Verringerung von Umweltauswirkungen zugeschrieben. Die Erkenntnisse der FFF-Studie helfen Plasser & Theurer dabei, alternative Antriebstechnologien für Gleisbaumaschinen zu bewerten und damit verbundene Risiken abzuwägen. Die gewonnenen Informationen bieten die Möglichkeit, zukünftige Marktentwicklungen, besonders im Bahn- und Bausektor, besser einzuschätzen. Zudem ermöglicht das Berechnungsprogramm, grundlegende Anforderungen für einzelne Maschinentypen hinsichtlich alternativer Antriebssysteme zu evaluieren und diese in strategische Unternehmensentscheidungen zu integrieren. ■ Mitarbeit: Dipl.-Ing. Bernhard Antony, Leiter Technologiezentrum Purkersdorf, Plasser & Theurer, und Víctor Barrena Cárdenas, Plasser & Theurer Martina Zeiner, Dipl.-Ing. Universitätsassistentin, Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft, TU Graz (AT) martina.zeiner@tugraz.at Matthias Landgraf, Dr. techn. Projekt-Senior Scientist, Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft, TU Graz (AT) m.landgraf@tugraz.at KONTAKT Messe Berlin GmbH Messedamm 22 · 14055 Berlin T +49 30 3038 2376 innotrans@messe-berlin.de EisenbahntechnischeRundschau_InnoTrans2022_102x297_de_Jubi.indd 1 EisenbahntechnischeRundschau_InnoTrans2022_102x297_de_Jubi.indd 1 06.04.2022 08: 32: 51 06.04.2022 08: 32: 51 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 18 Den idealen Standort für Weigh In Motion finden Strukturelle Straßenanalyse von Kistler für optimale WIM-Leistung Automatische Gewichtserfassung, Gewichtskontrolle bei Fahrzeugen, Weigh In Motion, Verkehrsüberwachung Die Straßenverwaltung der Tschechischen Republik und ihr lokaler Systemintegrator SPEL waren unter den ersten Kunden, die den neuen Service Structural Road Analysis (SRA) von Kistler genutzt haben. SRA hilft dabei, die richtige Stelle und das beste Sensorlayout für eine optimale Weigh In Motion (WIM)- Leistung zu bestimmen - zwei Schlüsselfaktoren, um die nötige Genauigkeit für die direkte Gewichtskontrolle unter allen Bedingungen zu erreichen. A utomatische Systeme zur Gewichtserfassung von Fahrzeugen - kurz Weigh In Motion - gewinnen in vielen Ländern weltweit an Popularität. Sie können für verschiedene Zwecke eingesetzt werden: Überwachung von Straßen, Schutz von Brücken, industrielles Wägen und nicht zuletzt direkte Gewichtskontrolle von überladenen Fahrzeugen. Für letztere Anwendung muss die Technologie strenge Anforderungen erfüllen: Das installierte WIM- System muss eine verlässliche Datenbasis für eine gesetzliche Verfolgung liefern, wofür bestimmte technische Standards zu erreichen sind. In vielen Ländern ist eine Genauigkeit von mindestens 95 Prozent GVW (Gross Vehicle Weight - Fahrzeuggesamtgewicht) für die direkte Gewichtskontrolle erforderlich - zu jeder Zeit und unter allen Bedingungen, unabhängig von Umwelteinflüssen, Betriebsdauer und weiteren Faktoren. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die tatsächliche Leistung eines installierten WIM-Systems entscheidend von der Straßenbeschaffenheit abhängt. Deshalb bietet Kistler, der schweizerische Entwickler von Messtechnik zur Erfassung von Druck, Kraft, Drehmoment und Beschleunigung, seinen Kunden nun einen Service, um die bestmögliche Leistung ihrer WIM-Lösungen zu sichern. Diese „Structural Road Analysis“ (SRA) ist in drei Stufen verfügbar: •• SRA Standard - Standortbewertung anhand von Kundendokumenten (z. B. Zeichnungen, Pläne etc.) •• SRA Plus - Standortbewertung und -analyse anhand von IRI-Daten (International Roughness Index) und Spurrillentiefe: Ein Spezialfahrzeug mit drei verschiedenen Messgeräten sammelt die erforderlichen Daten und kombiniert sie mit einem sogenannten Viertelauto-Modell bei 80 km/ h. Die Berechnungen liefern die Straßenqualität sowohl horizontal als auch vertikal. Bild 1: Die neue Straßenanalyse von Kistler hilft, die besten Standorte und Layouts zu bestimmen, um die Leistung von Weigh In Motion-Lösungen zu optimieren. Alle Abbildungen: Kistler INFRASTRUKTUR Praxis Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 19 Praxis INFRASTRUKTUR •• SRA Komplett - Standortbewertung und -analyse anhand von IRI- und FWD-Daten (Falling Weight Deflectometer) Bei der FWD-Messmethode wird eine dynamische Gewichtslast eingesetzt, um ein fahrendes Auto zu simulieren (Bild 1). Die Reaktion des Straßenbelags wird mit Geophonen gemessen. Mithilfe eines speziellen Algorithmus werden aus den Ausschlägen die Elastizitätsmodule der einzelnen Schichten errechnet (Bild 2). Beste Straßenkenntnis dank tiefer Analyse Einer der ersten Kunden, die den neuen SRA-Service genutzt haben, war SPEL, der von der Straßen- und Autobahnverwaltung der Tschechischen Republik (ŘSD ČR) beauftragte lokale Systemintegrator. Für die geplante Erweiterung einer bestehenden WIM-Station bei Kilometer 8,3 der Autobahn D2 von Břeclav nach Brno wurde ein kompletter SRA-Service durchgeführt, über eine Länge von 150 Metern auf beiden Spuren in Richtung Brno. Ziel war es, die beste Stelle und das optimale Sensorlayout zu finden, um sowohl die Leistung des WIM-Systems zu optimieren als auch seine Lebensdauer zu maximieren. Eine frühere Untersuchung hatte die Herausforderungen bezüglich des Straßenzustandes bereits offengelegt. Also wurde eine vollständige Analyse durchgeführt - inklusive Vermessung der Straßenoberfläche, der Belastungskapazität des Asphalts (mittels FWD) sowie von IRI and Tiefe der Spurrillen, um die Unebenheit der Straße in Längs- und Querrichtung zu bestimmmen. Ausgehend von diesen Ergebnissen wurde die Struktur des Straßenbelags modelliert und das Elastizitätsmodul jeder Schicht errechnet. Der Abschlussbericht an SPEL lieferte eine tiefgehende Analyse und Bewertung in Verbindung mit praktischen Hinweisen zu Systemkonfiguration und Sensorlayout. Datengetriebene Empfehlungen ermöglichen WIM-Optimierung Zunächst wurde festgestellt, dass die Grundschicht beider Spuren ziemlich heterogen ist: Der Boden enthält größere Wassermengen, die einen saisonalen Effekt auf die Messgenauigkeit haben und sogar die Straße beschädigen können. Die Spurrillen überschreiten an manchen Stellen die erlaubten Werte für die Überwachung der Straße, sodass die Stellen zur Installation der Sensoren sehr sorgfältig ausgewählt werden müssen. Spur 1 zeigt insgesamt bessere Qualität und eignet sich im gegebenen Zustand für die direkte Gewichtskontrolle; jedoch wurden hier drei Reihen WIM-Sensoren statt der üblichen zwei empfohlen. Des Weiteren zeigte die Analyse, dass das WIM-System auf Spur 2 im bisherigen Zustand den Anforderungen an die direkte Gewichtskontrolle nicht genügt - hier müssen vier Reihen der Lineas-Sensoren eingesetzt werden, um die gewünschte Genauigkeit bezüglich GVW zu erreichen. Anschließend wurde ein Simulationsmodell erstellt, um das beste Sensorlayout zu ermitteln, basierend auf den Daten der beiden Spuren. Im Modell werden acht Fahrzeuge sowohl in beladenem als auch in unbeladenem Zustand simuliert. Auf dieser Basis wurde ein Bereich zwischen Meter 68 und 84 des betreffenden Autobahnabschnitts als bester Standort für die Sensorinstallation ermittelt. Kistler stellte zusätzlich eine grafische Layout-Empfehlung zur Verfügung: Sie enthält die verschiedenen Sensoranordnungen und Abstände für beide Spuren (Bild 3). SPEL hat mit der strukturellen Straßenanalyse so gute Erfahrungen gemacht, dass man beschloss, sie für jede zukünftige WIM-Installation zu nutzen. „Die in den Tests gewonnenen Informationen sind sehr wertvoll für uns, betont Miroslav Kolda, der Technische Direktor von SPEL. „Die richtige Anzahl der Sensoren zu kennen, den richtigen Standort sowie das ideale Layout und die Zwischenabstände - das alles spart uns viel Zeit und Geld im späteren Verlauf.“ Unterdessen hat SPEL einen zweiten SRA-Service bestellt. Das hat zu Gesprächen mit ŘSD ČR über die Einführung von SRA als Pflichtanforderung geführt - der neue Service könnte künftig bei jeder kommenden WIM-Installation in der Tschechischen Republik vorgeschrieben werden. ■ Kistler Group / ae Bild 3: Empfohlene Sensorlayouts für Weigh In Motion auf den Spuren 1 und 2 der Autobahn D2 in der Tschechischen Republik (km 8,3, Richtung Brno) Bild 2: Analysen, basierend auf Messungen mit einem Falling Weight Deflectometer (FWD), liefern Schlüsseldaten zur Straßenbeschaffenheit und Qualität der verschiedenen Schichten. Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 20 Mega-Schiffe - Mega-Trugschluss? Containerschifffahrt, Schiffsgrößen, Fuel/ TEU-Indicator, Total Costs-Indicator, Umschlagsproduktivität, Carbon Footprint Inwieweit ist ein weiteres Größenwachstum der Ultra Large Container Ships aus Betreibersicht noch sinnvoll? Wird eventuell nicht schon mit den aktuellen Schiffsgrößen das Gegenteil dessen bewirkt, was durch das Größenwachstum aus Betreibersicht eigentlich erreicht werden soll? Diesen Fragen wird anhand einiger grundsätzlicher Überlegungen nachgegangen, wobei insbesondere die Auswirkungen der längeren Hafenliegezeiten der immer größer werdenden Schiffe untersucht werden. Ulrich Malchow U ltra Large Container Ships (ULCS) mit mehr als 12.000- TEU sind mittlerweile die Arbeitspferde der weltweiten Containerschifffahrt. Grund für das auch von vielen Branchenkennern nicht für möglich gehaltene Größenwachstum der Schiffe auf aktuell rd. 24.000 TEU ist das Bestreben, die Economies-of-Scale (EoS) noch intensiver zu nutzen, um damit die Kosten pro transportiertem TEU weiter zu senken. Schiffbau- und Bunkerölpreise sowie Schiffsbetriebs-, im wesentlichen also Besatzungskosten, müssen als weltweit für alle Carrier auf einigermaßen demselben Niveau angesehen werden. Dass alle drei Kostenarten pro TEU im Grundsatz zunächst asymptotischen Kurven folgen, deren Verlauf mit wachsender Schiffsgröße immer flacher wird, ist bereits dargelegt worden [1, 2, 3]. Der Kostenvorteil pro TEU wird demnach mit wachsender Schiffsgröße immer geringer, während sich die Schiffsbetreiber gleichzeitig immer größere operationelle Nachteile einhandeln, wie z. B. nautische Beschränkungen, größere Havarierisiken und -schäden sowie längere Hafenliegezeiten, deren großer Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit gern ausgeblendet wird. Dass sich hierbei ein Verkehrsträger auf Kosten der anderen Glieder der intermodalen überseeischen Transportketten fortlaufend optimiert, ist mittlerweile in der Fachwelt weitgehend anerkannt: Wenn all die öffentlichen und privaten Investitionen berücksichtigt würden, die in den Häfen und bei den Hinterland-Verkehrsträgern getätigt werden mussten, um mit den Abmessungen der Giganten und der von ihnen verursachten „peak loads“ fertig zu werden, müsste konstatiert werden, dass die Entwicklung volkswirtschaftlich schon längst keinen Sinn mehr ergibt [4, 5]. Angesichts aktueller Überlegungen, über das aktuelle Maximum von rd. 24.000 TEU noch hinauszugehen und des Umstandes, dass die Suez-Kanal-Behörde den weiteren Ausbau des Kanals, der diesen Sprung auch zulassen würde, bereits beschlossen hat, ist davon auszugehen, dass sich auch in einem mittlerweile sehr konsolidierten Carrier- Umfeld immer ein Unternehmen finden wird, das ohne große Überlegung den eingeschlagenen Wachstumspfad blindlings fortsetzen wird, worauf sich die anderen Marktteilnehmer erfahrungsgemäß genötigt sehen würden, nachzuziehen, um im Wettbewerb um die niedrigsten Slotkosten nicht vermeintlich „achteraus zu segeln“, zumal aktuelle Stimmen einem fortgesetzten Größenwachstum der Schiffe anhaltende EoS-Effekte attestieren [6, 7]. Das soll Grund genug sein, die Sinnhaftigkeit des Einsatzes dieser Schiffe aus Carrier-Sicht grundsätzlich und objektiv zu untersuchen. Hierbei sollen insbesondere die Auswirkungen der zwangsläufig längeren Hafenliegezeiten der ULCS im Fokus stehen. Um möglichst allgemeingültige Zusammenhänge zu erkennen, die von den Spezifika einzelner Schiffe und Häfen unabhängig sind, und auch um hochkomplexe Einzelberechnungen zu vermeiden, beruhen die nachfolgenden Überlegungen im Wesentlichen auf der Anwendung allgemeingültiger Proportionalitäten. Aus der Untersuchung der Bahnkurven beim Containerumschlag verschiedener Containerschiffsgrößen (von 1.000 TEU bis zu bereits projektierten 32.000-TEU-Schiffen) ergibt sich, dass ihre Länge mit der Schiffsgröße erwartungsgemäß steigt - allerdings unterproportional. Demnach erhöht es die durchschnittliche Umschlagsdauer pro Container. Gleichzeitig kann die Anzahl der an einem Schiff stellbaren Containerbrücken nur unterproportional zur Schiffsgröße gesteigert werden, da die Länge eines Schiffes grundsätzlich nur mit ca. der 3. Wurzel seines Volumens steigt. Die Kombination beider Effekte bewirkt, dass die erforderliche Umschlagszeit bei Containerschiffen grundsätzlich direkt proportional mit ihrer TEU-Kapa- Foto: Rinson Chory / Unsplash LOGISTIK Seeschifffahrt Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 21 Seeschifffahrt LOGISTIK zität zunimmt. Das lässt sich geometrisch/ algebraisch relativ einfach herleiten [8]. Mit der Umschlagszeit verlängert sich naturgemäß auch die Hafenzeit. Bei einer in einem Liniendienst vorgegebenen Rundreisedauer und Abfahrtsfrequenz muss das größere Schiff auf See also schneller fahren. Der Brennstoffverbrauch steigt nach der physikalischen Theorie jedoch mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit (in der Praxis liegt der Exponent gar zwischen 3 und 4). Der ohnehin mit wachsender Schiffsgröße immer schwächer werdende EoS-Effekt wird also bei steigender Geschwindigkeit zunehmend kompensiert und verkehrt sich irgendwann gar ins Gegenteil! Folglich muss es in Bezug auf den Brennstoffbedarf pro TEU für jeden Liniendienst eine optimale Schiffsgröße geben. Da für jeden gesparten Tag im Hafen auf See langsamer gefahren werden kann, ist dabei die allgemeine Umschlagsproduktivität (unabhängig von der Schiffsgröße) ebenfalls ein entscheidender Parameter. Die für einen beliebigen Liniendienst in Bezug auf die Brennstoffmenge optimale Schiffsgröße CC fuel min lässt sich mit t RR‘ (Rundreisedauer abzgl. fester Revier- und Wartezeiten) und k i - (vorherrschende Umschlagsproduktivität gemessen an Schiffen der Größe i) sogar relativ einfach abschätzen [8]: CC t k fuel RR i min ≈ 0,2 Durch Einführung eines Fuel/ TEU-Indicators, der nicht den absoluten Verbrauch über die Rundreise pro TEU angibt, sondern zu diesem lediglich proportional ist, lässt sich der Effekt veranschaulichen: Bild 1 gibt den Verlauf des Indicators für eine typische 12-wöchige N.Europa-Fernost-Rundreise wieder, wobei die angegebene Tageszahl die Rundreisedauer abzüglich der festen Revier- und Wartezeiten (vorm/ im Hafen) angibt, die als konstant und damit von der Schiffsgröße unabhängig angesehen werden. Als Umschlagfaktor sind 1,462 x 10 -3 Tage/ TEU aus aktuellen Fahrplandaten auf Basis von 13.000 TEUSchiffen ermittelt worden [9]. Demnach stellt sich das Minimum des Fuel/ TEU-Indicators tatsächlich schon bei ca. 10.300 TEU ein. Würde die Rundreisedauer etwa durch „slow steaming“ um eine Woche verlängert werden (was allerdings ein 13. Schiff erforderlich machen würde, um Abfahrtsfrequenz und Transportkapazität zu halten), könnte die Brennstoffmenge pro TEU naturgemäß reduziert werden und die optimale Größe würde auf ca. 11.200 TEU steigen. Wird der Verlauf des Fuel/ TEU-Indicators über eine Bandbreite möglicher Umschlagsproduktivitäten (k 13.000 = 0,75…1,75 x 10 -3 Tage/ TEU) ermittelt (Bild 2), zeigt sich, dass eine erhöhte Umschlagsproduktivität den Fuel/ TEU-Indicator deutlich absinken lässt, da somit auf See langsamer gefahren werden kann. Gleichzeitig verschiebt sich die jeweils optimale Schiffsgröße deutlich in Richtung größerer Schiffe, und auch der Anstieg nach Durchlaufen der Minima ist umso flacher, je höher die Umschlagsproduktivität ist. Die gestrichelte Linie in Bild 2 verbindet die Minimumstellen. Kombinationen aus Schiffsgröße und Umschlagsproduktivität oberhalb dieser Linie ergeben unter dem Gesichtspunkt einer möglichst geringen spezifischen Brennstoffmenge bzw. CO 2 - Emissionen pro TEU demnach keinen Sinn! Verblüffende Beobachtung: Bei einer in einem N.Europa-Fernost-Dienst üblichen durchschnittlichen Umschlagsproduktivität von k i = 1,46 x 10 -3 Tage/ TEU liegt die in Bezug auf Brennstoffökonomie und Klimaschutz optimale Schiffsgröße bei der Hälfte der dort heute üblicherweise eingesetzten Schiffsgrößen. Erst ab einem Wert von k i < 0,75 x 10 -3 Tage/ TEU ergeben demnach 20.000 TEU-Schiffe überhaupt Sinn. Erweiterte Betrachtung Neben der Brennstoffmenge und den daraus resultierenden Kosten sowie den damit einhergehenden CO 2 -Emissionen pro TEU interessieren den Schiffsbetreiber im Wesentlichen zwei weitere wichtige Kostenarten: •• Kapitalkosten pro TEU •• Schiffsbetriebskosten pro TEU (hauptsächlich Besatzungskosten) Beide Kostenarten profitieren von im Grundsatz durchgehenden EoS-Effekten, d. h. dass keine gegenläufigen Effekte auftreten. Die entsprechenden Kurven werden allerdings in Richtung größerer Schiffe immer flacher [1]. Als neutrale Indikatoren für beide Kostenarten sind bereits die Leerschiffsmasse pro TEU (für Kapitalkosten) sowie die Besatzungsstärke pro TEU (für Betriebskosten) eingeführt und hergeleitet worden [2]. Diese Größen haben den Vorteil, dass sie nicht von dem aus dem jeweils aktuellen Marktgeschehen resultierenden Preis- und Zinsniveau oder Wechselkurs- Paritäten beeinflusst und womöglich kaschiert werden. Es sind eindeutige Größen, die nicht verfälscht werden können. Alle drei Indikatoren lassen sich zu einem Total Cost Indicator zusammenfassen, wobei zunächst angenommen wird, dass die drei Kostenarten gleichwertig sind und in einem Ausgangspunkt demnach mit jeweils 1 / 3 gewichtet sind, was nicht unrealistisch ist. Dieser Punkt wird willkürlich auf eine Schiffsgröße von 5.000 TEU (etwas größer als die früher im N.Europa-Fernost-Dienst üblicherweise eingesetzten Panamax-Schiffe) gesetzt und dergestalt normiert, dass jede Kostenart dort den Wert 1 einnimmt (Bild 3). Sodann werden die drei Kurven addiert. Für einen typischen N.Europa-Fernost- Dienst zeigt sich, dass unter o. g. Prämissen aus dem EoS-Effekt über alle Kostenarten, und damit auch in der Gesamtbetrachtung, Bild 1: Fuel/ TEU-Indicator für eine typische 12-wöchige N.Europa- Fernost-Rundreise Alle Darstellungen: Autor Bild 2: Fuel/ TEU-Indicator über eine Bandbreite möglicher Umschlagsproduktivitäten Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 22 LOGISTIK Seeschifffahrt bis zu einer Schiffsgröße von etwa 10.000 TEU eine anfänglich sehr starke Kostendegression resultiert. Ab ca. 17.500 TEU sind jedoch die Zuwächse des bereits ab ca. 10.300 TEU wieder ansteigenden Fuel/ TEU-Indicators (s. o.) größer als die immer schwächer werdende Abnahme bei den spezifischen Kapital- und Schiffsbetriebskosten, sodass in der Gesamtbetrachtung auch der Total Cost Indicator ab dort wieder ansteigt (eine Normierung auf andere Schiffsgrößen würde nichts an der Lage der Minima ändern). Sollten die Brennstoffkosten im Ausgangspunkt tatsächlich einen größeren Anteil an den Gesamtkosten pro TEU ausmachen, z. B. weil sich der Brennstoffpreis verdoppelt, sodass der Total Cost Indicator nunmehr bei 4 startet und die Wichtung der Brennstoffkosten demzufolge von 1 / 3 auf 1 / 2 steigt, würde der Total Cost Indicator schon bei ca. 15.000 TEU sein Minimum erreichen (Bild 4). Umgekehrt gilt es entsprechend. Tatsächlich liegt der Anteil der Brennstoffkosten erfahrungsgemäß zwischen 1 / 3 und 1 / 2 [10]. Wesentliche Erkenntnisse Das Wachstum der Schiffsgrößen führte anfänglich zu signifikanten EoS-Effekten hinsichtlich der spezifischen Kapital-, Schiffsbetriebssowie Brennstoffkosten pro TEU. Der EoS-Effekt ist jedoch hinsichtlich Brennstoffbedarf und Carbon Footprint pro TEU endlich! Insofern ist auch ein immer wieder vorgetragener Ecologies-of-Scale-Effekt gleichermaßen limitiert. Erst bei einer theoretisch denkbaren sehr hohen Umschlagsproduktivität k i < 0,75 x 10 -3 Tage/ TEU wandert die Minimumstelle in einen Bereich von 24.000 TEU. Die optimale Schiffsgröße in Bezug auf die benötigte Brennstoffmenge bzw. den Carbon Footprint pro TEU hängt von nur zwei Parametern eines Liniendienstes ab: •• Rundreisedauer abzüglich der festen Revier- und Wartezeiten (vorm/ im Hafen) •• Vorherrschende Umschlagsproduktivität (Umschlagfaktor) Ohne eine hohe Umschlagproduktivität ergibt der Einsatz von ULCS im Hinblick auf den Brennstoffverbrauch bzw. den Carbon Footprint pro TEU keinen Sinn. Werden auch die Kapitalkosten pro TEU sowie die Kosten des Schiffsbetriebes pro TEU (hauptsächlich Besatzungskosten) berücksichtigt, stellt sich auch in der Gesamtbetrachtung ein Minimum ein, das allerdings in Richtung größerer Schiffe wandert, d. h. der EoS-Effekt ist auch im Hinblick auf die Gesamkosten pro TEU endlich. Dabei verschiebt sich das Minimum der Gesamtkosten in Richtung kleinerer Schiffsgrößen, je größer die Wichtung der benötigten Brennstoffmenge pro TEU ist. Mit steigender Schiffsgröße wird zwar mehr Kapazität mit derselben Schiffsanzahl zur Verfügung gestellt, aber ab dem Minimumpunkt zu insgesamt höheren Kosten pro TEU. Durch Erhöhung der Rundreisedauer lässt sich der Brennstoffbedarf insgesamt senken sowie die optimale Schiffsgröße in Richtung größerer Schiffe verschieben. Allerdings werden damit mehr Schiffe erforderlich, um dieselbe Transportkapazität und Abfahrtsfrequenz zu bieten, d. h. Kapital- und Schiffsbetriebskosten in Bezug auf die insgesamt vorgehaltene Transportkapazität steigen entsprechend. Eine konkrete klimarelevante Erkenntnis ist z. B., dass bei üblicher Umschlagsproduktivität die mit rd. 24.000 TEU aktuell größten im N.Europa-Fernost-Verkehr eingesetzten Schiffe bereits deutlich die für die Gesamtkosten optimale Größe übersteigen und damit umso mehr diejenige für den Brennstoffbedarf bzw. den Carbon Footprint pro TEU. Die doppelte Anzahl an 12.000 TEU-Schiffen, die bei unveränderter Rundreisedauer entsprechend langsamer fahren würde, wäre deutlich klimafreundlicher! Nebenher würde sich auch die Servicequalität in Form einer verdoppelten Abfahrtsfrequenz erhöhen. ■ LITERATUR [1] Malchow, U. (2014): Größenwachstum von Containerschiffen - eine kritische Reflexion. In: Hansa - International Maritime Journal 7/ 2014. [2] Malchow, U. (2015): Der Fluch der »Economies of Scale«. In: Hansa - International Maritime Journal 8/ 2015. [3] Malchow, U.(2017): Es geht um Hamburg. Hansa - International Maritime Journal 3/ 2017. [4] Malchow, U. (2018): XXL-Containerschiffe - eine kritische Reflexion. In: Internationales Verkehrswesen 2/ 2018, S. . 40-43. [5] Merk, O. (2015): The Impact of Mega-Ships. OECD/ ITF, Paris, 2015. [6] Ge, J.; Zhu, M.; Sha, M.; Notteboom, T.; Wenming, S.; Xuefeng, W. (2021): Towards 25,000 TEU vessels? A comparative economic analysis of ultra-large containership sizes under different market and operational conditions. In: Maritime Economics & Logistics, Vol. 23, Iss. 4. [7] N.N.: The ‘gigamax’: Would a ‘post-megamax’ ship make any sense? Alphaliner 2021-22. [8] Malchow, U.( 2022): Mega-Schiffe - Mega-Irrtum? In: Logistics Journal (www.logistics-journal.de) 26.01.22. [9] Hapag-Lloyd AG: Fahrplandaten. www.hapag-lloyd.com; Zugriff: 09.07.21. [10] Garrido, J.; Saurí, S. (2020): Predicting the Future Capacity and Dimensions of Container Ships. Semantic Scholar, 23.06.20. Ulrich Malchow, Dr.-Ing. Ehem. o. Professor, Centre of Maritime Studies, Hochschule Bremen malchow@portfeederbarge.de Bild 3: Total Cost Indicator per TEU im N.Europa-Fernost-Dienst Bild 4: Total Cost Indicator per TEU im N.Europa-Fernost-Dienst bei höheren Brennstoffkosten Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 23 Kombinierter Verkehr LOGISTIK KV-Radar - Stärkung des Kombinierten Verkehrs Delphi-Studie zur Maßnahmenermittlung und -bewertung zur Förderung des KV in Deutschland Kombinierter Verkehr, Delphi-Studie, Diskussion Der kombinierte Straßen-/ Schienengüterverkehr (KV) besitzt großes Potenzial für die Bewältigung derzeitiger und zukünftiger Transportaufkommen. Trotz des Willens zur Förderung innerhalb der letzten Jahre stagniert der Marktanteil des KV. Die vorliegende Delphi-Studie hat mithilfe von Experten Maßnahmen erarbeitet, die zu einer Stärkung des KV beitragen können. Durch eine Bewertung und Einordnung der Maßnahmen soll gezielt eine Diskussion zur Zukunft des KV angestoßen werden. Ralf Elbert, Michael Gleser D er Straßengüterverkehr macht regelmäßig durch technische und organisatorische Neuerungen auf sich aufmerksam. Beispiele wie Platooning, Oberleitungs-LKW oder Zukunftsvisionen vom autonomen Fahren steigern die Attraktivität des Verkehrsträgers Straße. Des Weiteren vereinfacht die zunehmende Digitalisierung der Auftragsabwicklung (bspw. durch sich etablierende digitale Spediteure) die Abwicklung von Transportaufträgen auf der Straße und steigert die Attraktivität des Straßengüterverkehrs zusätzlich. Jedoch gilt der Straßengüterverkehr als insbesondere nachteilig für Umwelt und Gesellschaft, da er hohe externe Kosten verursacht. Im Gegensatz zum Straßengüterverkehr wird dem kombinierten Straßen-/ Schienengüterverkehr eine höhere Umwelt- und Infrastrukturverträglichkeit zugeschrieben. Die Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene kann aufgrund der Eignung der Schiene für schwere Lastverkehre helfen, Klimaschutz- und gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Die inhärente mehrgliedrige Transportkette des Kombinierten Verkehrs wirkt jedoch nachteilig auf die Organisation und Flexibilität von Transportketten und erschwert die KV-Nutzung. An dieser Stelle knüpft das Projekt des Fachgebiets Unternehmensführung und Logistik der TU Darmstadt mit dem Namen KV-Radar an, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Kombinierten Verkehr in Deutschland zu stärken. Das Projekt besteht aus einer Delphi-Studie, in der Fachleute identifiziert sowie deren Meinungen und Empfehlungen zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs erhoben und konsolidiert werden sollen. Eine Delphi-Studie ist eine qualitative Methodik, um einen Konsens unter teilnehmenden Experten herzustellen. Im Ergebnis bildet das KV-Radar die Basis, um wissenschaftlich fundiert technologische und organisatorische Aspekte des Kombinierten Verkehrs systematisch zu beleuchten und gezielt Handlungsfelder und -empfehlungen zu erarbeiten. Das entstehende Radar soll hierbei gezielt den Vergleich unterschiedlicher Maßnahmen ermöglichen und zur wissenschaftlich fundierten Diskussion beitragen. Methodische Durchführung - Delphi-Studie Das Projekt basiert auf der Durchführung einer Delphi-Studie, welche ein mehrstufiges Verfahren ist, um zu einem Themenbereich einen Konsens unter Fachleuten herzustellen. Es werden zur Durchführung mehrere Runden angesetzt, die im Idealfall eine Bewertung bzw. Ergänzung der von den jeweils anderen Befragten genannten Aspekten ermöglichen. Die erste Runde der vorliegenden Studie wurde durch Interviews abgebildet. Hierzu wurden aus verschiedenen Teilbereichen des Kombinierten Verkehrs, Terminalbetreiber, Spediteure, Intermodaloperateure, Verlader und Interessensgemeinschaften, Personen leitfadengestützt interviewt. Zur Orientierung wurden hierbei vier Kategorien gebildet, anhand derer sich die verschiedenen Antworten einordnen lassen. Neben der Politik waren dies Infrastruktur, Kooperation & Koordination sowie Markt & Technologie. Die Interviews wurden anschließend aufbereitet und nach genannten Maßnahmen gescannt. Die hierbei entstandene Liste an Maßnahmen zur Verbesserung des Kombinierten Verkehrs wurde für die zweite Runde aufbereitet und im Rahmen eines Online-Tools zur Bewertung und Ergänzung an die Befragten gesendet. Die Bewertung erfolgte hierbei anhand der Dimensionen •• Umsetzbarkeit der Maßnahme und •• Einfluss auf den Marktanteil des Kombinierten Verkehrs bei Umsetzung. Die Liste an bewerteten und ergänzten Maßnahmen wurde in der dritten und finalen Runde der Delphi-Befragung den Teilnehmern ein letztes Mal graphisch aufbereitet zur Verfügung gestellt, um eine abschließende Bewertung zu ermöglichen. Ergebnisse des Projektes - vier Perspektiven auf den KV Aus den acht Interviews, die in der ersten Runde der Delphi-Studie geführt wurden, konnten insgesamt 14 Maßnahmen abgeleitet werden. Diese Maßnahmen wurden für die zweite Runde aufbereitet und zur Bewertung und Ergänzung in ein Online-Tool gegeben. Durch die zweite Runde konnte eine Ergänzung auf insgesamt 27 Maßnahmen zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs erreicht werden. Diese verteilen sich auf die Bereiche Politik mit elf Maßnahmen, Infrastruktur mit sieben Maßnahmen sowie Kooperation & Koordination mit vier und Markt & Technologie mit fünf Maßnahmen. Die Bewertung der Maßnahmen wurde an- Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 24 LOGISTIK Kombinierter Verkehr schließend in einem Diagramm abgetragen (Bild 1 bis 4). Zur Einordnung der Bewertung können vier Quadranten gebildet werden. Die Maßnahmen im rechten oberen Quadranten sollten bei moderater Schwierigkeit der Umsetzung einen spürbaren Einfluss auf den mittelfristigen Marktanteil des KV haben. Je weiter man in den oberen linken Quadranten wandert, desto schwieriger wird die Umsetzung, was sowohl an benötigten Kapitalmitteln als auch an der Komplexität der Koordination verschiedener Akteure liegen kann. Politische Perspektive Innerhalb der politischen Perspektive auf den KV zeigen sich im oberen rechten Quadranten Maßnahmen, die recht einfach umzusetzen sind, da sie hauptsächlich Gesetzesänderungen bzw. Anpassungen an Richtlinien erfordern. Gewünscht ist eine stärkere Fokussierung der logistiknahen Ausbildung an den KV, um das Wissen rund um den KV in der Praxis stärker zu verankern. Eine Befreiung von den Regelungen der Kabotage für Vor- und Nachlauf des KV, ein Nutzlastausgleich für erhöhte Gewichte und die Förderung KV-fähigen Equipments werden ebenso gewünscht. Als eher schwierig umzusetzen werden Maßnahmen angesehen, die entweder hohe Investitionen wie die Förderung neuer Schienenrelationen oder die Instandhaltung von Gleisanschlüssen bei Großkunden nach sich ziehen oder komplexe politische Prozesse beinhalten wie die Befreiung von der LKW-Maut für Vor- und Nachlauf des KV, die Anhebung der CO 2 - Steuer, die europaweite Vereinheitlichung von Tarifstrukturen und die Erhöhung der Trassenpriorisierung für Güterverkehre. Infrastruktur-Perspektive Der Kombinierte Verkehr ist insbesondere infrastrukturintensiv, da er sowohl auf ein funktionierendes Schienenals auch Straßennetz angewiesen ist und zusätzlich Terminals für den Umschlag der Transportbehälter bzw. Container benötigt. In dieser Perspektive wurden daher auch insbesondere Maßnahmen genannt, die die Schnittstellen zu den Terminals verbessern bzw. diese selbst optimieren bzw. deren Anzahl erhöhen (Bild 2). Zu den Effizienzmaßnahmen gehören die Modernisierung bestehender Terminalanlagen, eine Erweiterung von Abstellflächen, um einen flexibleren Vor- und Nachlauf zu ermöglichen und eine Erhöhung der Attraktivität für LKW-Fahrer, sich dieser Terminals zu bedienen. Außerdem wurde bemängelt, dass nicht alle Terminals für 740-m-Züge geeignet sind, und ein Ausbau angemahnt. Eine generelle Erhöhung der Terminaldichte, insbesondere für nachfragestarke Regionen, wurde ebenfalls genannt. Neben den Terminals spielt das Schienennetz eine entscheidende Rolle. Ein Dauerbrenner ist das Thema dedizierter Güterverkehrsstrecken, was jedoch aufgrund der administrativen Schwierigkeiten und der hohen Auslastung des Schienennetzes wohl schwer umzusetzen ist. Daher steht als Alternative die Erhöhung der Produktivität des bestehenden Netzes zur Verfügung, bspw. durch beschleunigten Ausbau des Bahnsystems mit dem Europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS Level 3, um eine höhere Dichte an Zugverbindungen zu ermöglichen. Genannte Maßnahmen im Bereich Infrastruktur wurden als recht schwierig umsetzbar, jedoch mit hohem Einfluss auf den Marktanteil bewertet, was aufgrund der infrastrukturintensiven Produktion der Transportleistung nicht verwundert. Kooperations- und Koordinationsperspektive Der Kombinierte Verkehr ist, insbesondere aufgrund der hohen Anzahl an Akteuren, die für die Produktion der Transportleistung möglichst reibungslos zusammenarbeiten müssen, auf die Kooperation und Koordination u. a. zwischen Verladern, Operateuren, Terminalbetreibern, EVU und Netzbetreibern angewiesen. Geschäftsmodelle und Innovationen lassen sich meist nur im Zusammenspiel der verschiedenen Akteure umsetzen, was jedoch bei Interessenskonflikten zu starken Verzögerungen bis hin zur Verhinderung der Anliegen führen kann. Im Bereich Kooperation & Koordination (Bild 3) wurde herausgehoben, dass ein Austausch von Daten über eine digitale Plattform besonders gewinnbringend wäre. Erste Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Datenaustausches hatte das Ende Februar 2021 abgeschlossene Digitalisierungsprojekt KV 4.0, das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen der Forschungsinitiative Modernitätsfond (mFUND) gefördert wurde und mit dessen Hilfe intermodale Lieferketten durchgängig digitalisiert werden sollen, untersucht. Das Thema ist im Zuge einer immer stärkeren Digitalisierung des Transportwesens wohl auch zentrales Thema der Wettbewerbsfähigkeit. Ebenso wichtig scheint eine verstärkte Kooperation auf europäischer Ebene. Der KV kann seine Stärken insbesondere auf längeren Strecken ausspielen, was innerhalb der EU jedoch einen reibungslosen Grenzverkehr bedingen würde. Neben diesen Aspekten wurden neue Geschäftsmodelle angeregt, um Terminals stärker auszulasten. Konsolidierung von Teilladungen (LTL-Sendungen) innerhalb von Terminals, um anschließend volle Ladeeinheiten über den KV zu transportieren, und eine Kooperation zwischen räumlich nahen Terminals für eine optimale Lastenverteilung scheinen gewinnbringend. Bild 1: Bewertung Politik Eigene Darstellungen Bild 2: Bewertung Infrastruktur Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 25 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Technologie und Marktperspektive Technologische Entwicklungen haben auf den Kombinierten Verkehr in zweierlei Hinsicht Einfluss: Verbesserungen des Schienengüterverkehrs stärken die Position des KV eher, während innovative Entwicklungen im Straßengüterbereich das Potenzial haben, die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Straßengüterverkehrs zu erhöhen. Ein Dauerthema in der technologischen Perspektive (Bild 4) ist der Ausbau des Trackings von Transporteinheiten über die gesamte Transportkette hinweg. Während dies beim Straßentransport durch ein Tracking einzelner LKW recht einfach umzusetzen ist, muss beim KV ein Tracking über verschiedene Verkehrsträger und Akteure etabliert werden. Hierbei stellt sich die Frage, wer ein solches Tracking umsetzen kann, sowohl technologisch wie auch administrativ, und wie die hierbei entstehenden Daten verwaltet und zugänglich gemacht werden können. In eine ähnliche Richtung geht die Forderung nach zentralen Buchungsplattformen des KV. Im Sinne einer digitalen Lösung, die Transporteuren ohne weitere Koordination die Buchung einer KV-Leistung ermöglicht, kann der KV auch von Personen genutzt werden, die sich mit den Einzelheiten des Transports im KV nur bedingt auskennen. Erste Ansätze und Firmen (bspw. Rail-Flow aus Frankfurt) versuchen, das Problem anzugehen und eine einfache Nutzung des KV zu ermöglichen. Das Thema innovativer Umschlagstechnologien kommt seit Jahren immer wieder auf, ermöglicht es doch die Nutzung auch kleinerer Terminals in einer effizienten Art und Weise. Die Einführung eines koppelbaren 10-Fuß-Containers, um auch kleinteiligere Transporte zu ermöglichen, müsste technologisch und organisatorisch geprüft werden. Die Mittelpufferkupplung, welche eine schnellere Kopplung von Waggons ermöglicht und eine Umrüstung bestehenden Equipments erfordert, wird sowohl als besonders effektiv als auch als besonders langwierig umsetzbar eingeschätzt. Zusammenfassung und weitere Entwicklung Die in der Delphi-Studie insgesamt 27 erarbeiteten, genannten Maßnahmen geben ein Meinungsbild der teilnehmenden Experten wieder, wie der KV gestärkt werden kann. Durch die Bewertung hinsichtlich der Dimensionen Umsetzbarkeit und Einfluss auf den Marktanteil ist darüber hinaus eine Einordnung möglich, welche der Maßnahmen hinsichtlich einer Umsetzung geprüft werden sollten. Es hat sich im Rahmen des Projektes herausgestellt, dass eine Einteilung in verschiedene Perspektiven sinnvoll ist, insbesondere, um den Experten eine Orientierung zur Beantwortung zu geben. Eine Schwierigkeit hierbei war, eine Trennschärfe herzustellen, da der Kombinierte Verkehr und insbesondere der Hauptlauf auf der Schiene, starken Regulierungen ausgesetzt ist, und deshalb regulatorische bzw. politische Maßnahmen in alle anderen Bereiche des KV ausstrahlen. Inhaltlich sind einige Punkte hervorzuheben. Zu den als besonders effektiv eingeschätzten Maßnahmen gehören u. a. die Förderung neuer Schienenrelationen, eine Erhöhung der Terminaldichte und die beschleunigte Einführung der Mittelpufferkupplung, wobei diese in der Umsetzbarkeit als schwierig eingeschätzt wird. Die Anpassung von Ausbildungsinhalten mit Logistikbezug zur Stärkung von Kompetenzen im KV, die Förderung von kranbarem Equipment und die Befreiung von der Kabotage für Vor- und Nachläufe im KV werden im Gegensatz als eher leicht umsetzbar eingeschätzt. Des Weiteren wurden insbesondere Maßnahmen zur Digitalisierung, dem Datenaustausch und digitale Buchungsplattformen genannt. Die Ergebnisse der Delphi-Studie geben Aufschluss über vielversprechende Maßnahmen, an denen Forschung und unternehmerische Praxis weiter anknüpfen können. Eine Erkenntnis dabei ist, dass sich die meisten Maßnahmen im linken oberen Quadranten - hoher Einfluss auf den Marktanteil aber hoher Umsetzungsaufwand - befinden. Diese Einschätzung zeigt, dass eine Stärkung des Kombinierten Verkehrs langwierig ist und dass eine Abwägung verschiedener Maßnahmen getroffen werden muss. Die Ergebnisse der Studie sollten daher im Idealfall unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher und ökonomischer Expertise weiter diskutiert und fortgeführt werden. Um die Aktualität der Untersuchung sicherzustellen, ist eine Durchführung des KV-Radars im zweijährigen Turnus angedacht. Hierbei sollen die Erkenntnisse der vorliegenden Studie überprüft, ergänzt und so auf eine breitere Basis gestellt werden, um die Weiterentwicklung des Kombinierten Verkehrs zu unterstützen. ■ Großer Dank gebührt der Hessen Agentur und dem House of Logistics and Mobility e. V. für die Förderung des Forschungsvorhabens. Ralf Elbert, Prof. Dr. Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik, TU Darmstadt elbert@log.tu-darmstadt.de Michael Gleser Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik TU Darmstadt gleser@log.tu-darmstadt.de Bild 3: Bewertung Kooperation & Koordination Bild 4: Bewertung Technologie & Markt Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 26 GIS-basierte Modellierung der Letzten Meile Kennwerte des KEP-Segments und Potenziale von-Bündelungsansätzen nach chinesischem Vorbild in Berlin Stadtlogistik, KEP, Güterverkehr, GIS, Modellierung Die Kurier-, Express- und Paketlogistik (KEP-Logistik) steht aufgrund der wachsenden Paketmengen im Fokus der Öffentlichkeit. Die zielgerichtete Gestaltung des Güterverkehrs in der Stadt setzt eine detaillierte Datengrundlage zu Fahrleistungen, Routenwahl und Fahrzeugeinsatz in der städtischen Logistik voraus. Der Beitrag beschreibt die GIS-basierte Modellierung der Letzten Meile im KEP-Segment. Es werden die räumliche Verteilung des Paketaufkommens sowie die induzierte Fahrleistung und Emissionen dargestellt und verschiedene Bündelungsansätze aufgezeigt. Jan Kuchhäuser, Marian Schlott, Tim Holthaus, Andre Thiemermann D ie KEP-Logistik ist ein wesentlicher Bestandteil des städtischen Güterverkehrs und gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Dabei ist die nachhaltige und kostengünstige Abwicklung der Letzten Meile nicht nur für die KEP- Dienstleister eine Herausforderung, sondern stellt auch zeitgleich die Kommunen vor große Schwierigkeiten. Um eine proaktive Gestaltung der Güterverkehre aus städtischer Sicht zu gewährleisten, sind detaillierte Daten zu Fahrleistung, Routenwahl und Fahrzeugeinsätzen der KEP-Dienstleister unabdingbar. Im Gegensatz zum Personenverkehr, für den turnusmäßige repräsentative Erhebungen vorliegen (z. B. Mobilität in Deutschland (MiD), Deutsches Mobilitätspanel (MOP), System repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV)), liegen für den städtischen Güterverkehr zwar bundesweite Statistiken wie die Güterkraftverkehrsstatistik oder Daten zum Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland (KiD) vor, die aber fahrzeugbezogen sind und nicht darauf abzielen, den Verkehr in der Stadt zu beschreiben.[1] Der vorliegende Foto: 794998891 / Shutterstock LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 27 Wissenschaft LOGISTIK Aufsatz zeigt eine Methodik basierend auf Geoinformationssystemen (GIS) auf, die mittels aggregierten Kenngrößen eine kleinräumige Abbildung der KEP-Verkehre ermöglicht. Zunächst wird ein Überblick zum Status quo und zur Entwicklung des KEP-Marktes in Deutschland skizziert. Im Anschluss wird die Modellierung des KEP-Segments dargelegt. Teilinhalte dieses Artikels basieren auf den Ergebnissen der Studie Case Study Research on Urban Logistics and Last Mile Delivery Processes in Germany, beauftragt durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen des Projektes „Deutsch-Chinesische Zusammenarbeit zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie als Beitrag zur Verkehrswende“. Überblick zum Status quo und zur Entwicklung des KEP-Marktes in Deutschland KEP ist als Akronym dreier Teilmärkte das städtische Logistiksegment, welches überwiegend Sendungen bis 31,5 kg zustellt und sowohl Privatkunden (Business-to- Customer - B2C) als auch gewerbliche Kunden (Business-to-Business - B2B) beliefert. Der Paketmarkt ist dabei das aufkommensstärkste Subsegment.[2] Der deutsche Paketmarkt wird durch fünf Dienstleister geprägt, wobei insbesondere DHL als größter Zustelldienst in Deutschland das Marktgeschehen beherrscht.[2] Die KEP-Branche erfährt durch das starke Wachstum des E- Commerce-Marktes einen Bedeutungszuwachs. Dies hat eine Fülle von Herausforderungen zur Folge. Die Wettbewerbssituation verschärft sich zunehmend. Amazon als größter Akteur im E-Commerce-Segment erhöht den Preisdruck auf die KEP-Dienstleister.[3] Zudem erodiert die Abgrenzung zwischen B2C und B2B hinsichtlich der Abwicklung und der Anforderungen der Endkunden. Waren Same-Day- oder Next-Day-Lieferungen vor allem im B2B-Segment relevant, kann in jüngster Zeit beobachtet werden, dass diese Geschäftsmodelle auch im B2C-Segment zum Standard geworden sind.[4] Vor dem Hintergrund höherer Kundenanforderungen und technischer Möglichkeiten nehmen auch die Anforderungen an die Zustellzeitfenster und Zustellorte zu, was die effiziente Organisation der Letzten Meile erschwert. Die Zunahme der Kundenanforderungen sowie die Angleichung der beiden Kundensegmente B2C und B2B werden zukünftig zu steigenden Fahrleistungen des KEP-Segments führen.[5] Gleichzeitig kann ein kontinuierlich steigendes Sendungsaufkommen im KEP-Segment verzeichnet werden. In Bild 1 sind das Sendungsaufkommen sowie die Zulassungszahlen im Nutzfahrzeugsegment differenziert nach zulässigem Gesamtgewicht (zGG) in Deutschland dargestellt. Aufgrund der Rahmenbedingungen auf der Letzten Meile ist eine Skalierung der Fahrzeuggröße nicht möglich, was den Einsatz von leichten Lieferfahrzeugen, die mit einem PKW- Führerschein gefahren werden können, erforderlich macht. Es wird deutlich, dass eine lineare Korrelation zwischen dem KEP-Sendungsaufkommen und den Neuzulassungen von Fahrzeugen bis 3,5 t zGG besteht, während die Zulassungen von Fahrzeugen mit mehr als 3,5 t zGG konstant bleiben. Steigende Sendungsaufkommen führen unter den aktuellen Marktbedingungen damit zwangsläufig zu mehr eingesetzten Fahrzeugen auf der Letzten Meile. Eine Aufschlüsselung der eingesetzten Nutzfahrzeuge nach Fahrzeugtyp stellt eine weitere relevante Information für die städtische Güterverkehrsplanung dar. Aus der Gegenüberstellung darf im Umkehrschluss nicht geschlussfolgert werden, dass die Zunahme leichter Nutzfahrzeuge ausschließlich durch die KEP-Logistik bedingt ist. Zahlen aus England zeigen aber, dass rund 34 % der leichten Nutzfahrzeuge im Gütertransport eingesetzt werden.[5] Ähnliche Zahlen liegen für Deutschland nicht vor. Rückschlüsse zum Fahrzeugeinsatz der KEP- Dienstleister können auf einer aggregierten Ebene vorgenommen werden. Die Letzte Meile wird in Deutschland überwiegend mit Fahrzeugen bis 7,5 t zGG abgewickelt.[7] Für 2016 kann festgestellt werden, dass rund 140.000 Fahrzeuge im KEP-Markt im Einsatz sind. Die überwiegend mit Diesel betriebenen Fahrzeuge trugen in der jüngeren Vergangenheit nicht zu einer Minderung der Luftschadstoffemissionen bei.[8, 9] Zukünftig ist durch die Elektrifizierung der KEP-Fahrzeugflotte aber ein Beitrag zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit zu erwarten. Die Darstellung des KEP-Marktes macht deutlich, dass die Komplexität zur proaktiven Steuerung des KEP-Segments in der Stadt in Zukunft noch zunehmen wird. Auf Grund fehlender Daten und Kenngrößen zum Fahrzeugeinsatz und zur Abwicklung der Verkehre im städtischen Kontext, sind oftmals fundierte Aussagen nicht möglich. Um dennoch segmentspezifisch Logistikverkehre beschreiben zu können, werden Modelle benötigt, die mit aggregierten Kenngrößen zum Fahrzeugeinsatz (Anzahl Touren, Tourenlänge etc.) arbeiten und so die Routenwahl und Fahrleistung abbilden können. Modellierung der Letzten Meile in Berlin Im Folgenden wird ein Ansatz vorgestellt, der auf Grundlage der räumlichen Verteilung des Sendungsaufkommens und der Depotstandorte mit Optimierungsalgorithmen aus dem Operations-Research die Abbildung der entstehenden Liefertouren der KEP-Logistik ermöglicht. Branchenvertreter, wie z. B. BIEK, veröffentlichen regelmäßig Studien, die Hinweise zu Fahrzeugeinsätzen oder Kennwerte zu Touren respektive Routen der KEP- 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 0 50.000 100.000 150.000 200.000 250.000 300.000 350.000 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 KEP-Sendungsaufkommen in Millionen Neuzulassungen Entwicklung der Zulassungszahlen von Nutzfahrzeugen und des Sendungsaufkommens im KEP-Segment in Deutschland (2008-2019) <3.5t 3.5 - 7.5t >7.5t KEP-Sendungsaufkommen Bild 1: Gegenüberstellung der Zulassungszahlen von Nutzfahrzeugen und des KEP-Sendungsaufkommens in Deutschland Eigene Darstellung [6] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 28 LOGISTIK Wissenschaft Dienstleister und deren Sendungsaufkommen liefern. Die vorliegenden Kenngrößen aus Veröffentlichungen und die aus Fallstudien erfassten Eckwerte werden verwendet, um das nachfolgende Modell zu kalibrieren. Der schematische Ablauf des Modells ist in Bild 2 dargestellt und wird nachfolgend für die einzelnen Schritte skizziert. Zunächst wird die Modellierung der KEP-Sendungsstrukturen dargelegt. Auf Grundlage der räumlichen Verteilung des Sendungsaufkommens und der Depotstandorte der KEP-Dienstleister werden über einen Tourenbildungsalgorithmus Liefertouren gebildet, aus denen Informationen zu streckenbezogenen Fahrleistungen abgeleitet werden können. Abschließend können dann unterschiedliche Maßnahmen szenarienhaft modelliert und hinsichtlich der berechneten Kennwerte verglichen werden. Modellierung der KEP-Sendungsstrukturen In einem ersten Schritt wird die Modellierung des Sendungsaufkommens für beide Kundensegmente (B2C/ B2B) dargestellt. Als räumliche Bezugsgröße werden geographische Gitter verwendet, die mit Einwohnerdaten des Zensus 2011 parametrisiert sind.[11] Das GIS-basierte Modell weist das Sendungsaufkommen im Ergebnis auf einem Gitter mit 100 m Kantenlänge aus. Als Erzeugungskennziffer für das B2C-Sendungsaufkommen wird das jährliche Pro-Kopf-Aufkommen verwendet. Die Datengrundlage stellt eine Studie der Bundesnetzagentur dar, welche das Pro-Kopf-Aufkommen für das Jahr 2016 räumlich differenziert nach 2-Steller-Postleitzahlbereichen ausweist. Die ausgewiesenen Pro-Kopf-Aufkommen werden anhand der Bevölkerungsentwicklung in den Berliner Stadtbezirken bis zum Jahr 2019 fortgeschrieben.[12] Zu der räumlichen Verteilung des B2B-Sendungsaufkommens bzw. des KEP-Aufkommens von Unternehmen existieren keine feingliedrigen empirisch belastbaren Kennziffern. Aus diesem Grund wird das Gesamtaufkommen für das B2B-Segment proportional zu dem B2C- Aufkommen geschätzt. Es ist bekannt, dass das B2C-Segment rund 70 % des KEP-Sendungsaufkommens entspricht.[13] Demnach können 30 % der Sendungen dem B2B-Segment zugeordnet werden. Die räumliche Verteilung des B2C-Sendungsaufkommens erfolgt über die Multiplikation des Pro-Kopf-Sendungsaufkommens je 2-Steller-Postleitzahlbereich mit der Anzahl der Einwohner je Gitterzelle. Das approximierte B2B-Sendungsaufkommen wird den Unternehmensstandorten zugeordnet. Da für die Unternehmensstandorte keine offizielle Statistik vorliegt, wird die räumliche Verteilung anhand der Unternehmensstandorte aus OpenStreetMap (OSM) und den geokodierten Adressdaten des Handelsregisters abgeleitet.[14] Die identifizierten Unternehmen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Sendungsaufkommens: Für Einzelhandelsunternehmen, die keiner Kette zugehören, stellt die KEP-Logistik einen wesentlichen Bestandteil der Warenlieferketten dar.[15] Für Dienstleistungsunternehmen, stückgutaffine Unternehmen sowie Unternehmen mit eigener Logistik besitzen KEP-Dienstleistungen nur eine untergeordnete Rolle, weshalb angenommen wird, dass dieses im Mittel dem einer Privatperson entspricht (20,4 Pakete pro Jahr). Dieses Aufkommen wird vom B2B-Gesamtsendungsaufkommen des Gebietes subtrahiert. Das verbleibende Sendungsaufkommen wird den Einzelhandelsstandorten zugeordnet, was einem jährlichen KEP-Sendungsaufkommen von rund 2.900 Paketen pro Jahr je Unternehmen entspricht. Das B2B-Sendungsaufkommen wird ebenfalls auf Gitterzellebene aggregiert. Zuletzt werden alternative Zustellmöglichkeiten (Paketshops bzw. Paketstationen im Folgenden pick-up points genannt) für das Jahr 2019 identifiziert und bei der räumlichen Verteilung berücksichtigt. Auf pick-up points entfallen 13 % des Gesamtaufkommens. Die Zuordnung des Sendungsaufkommens zu den pick-up points wird anhand der Standorte und den Gitterzellen getroffen. Dabei wird jede Gitterzelle dem jeweils räumlich nächstgelegenem pick-up point zugeordnet. Das Gesamtaufkommen des so ermittelten Einzugs- Bild 3: Einzugsgebiet der Paketstationen und Paketshops am Beispiel des Dienstleisters DPD Eigene Darstellung Legende Einzugsgebiete der DPD pick-up Points nach Luftlinienentfernung Standorte der DPD pick-up Points Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende im Auftrag von Bild 2: Struktur des GIS-basierten Modells nach [10] Legende Einzugsgebiete der DPD pick-up Points nach Luftlinienentfernung Standorte der DPD pick-up Points Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende im Auftrag von Legende Einzugsgebiete der DPD pick-up Points nach Luftlinienentfernung Standorte der DPD pick-up Points Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende im Auftrag von Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 29 Wissenschaft LOGISTIK gebietes wird anteilig (13 %) der Gitterzelle, in dem sich der entsprechende pick-up point befindet, zugeordnet. Die Einzugsgebiete der pick-up points des Dienstleisters DPD sind in Bild 3 exemplarisch dargestellt. Das Aufkommen der pick-up points stellt in Verbindung mit dem B2C- und B2B-Sendungsaufkommen das Gesamtaufkommen der Gitterzellen dar und bildet die Grundlage für die algorithmische Bestimmung der Liefertouren. Zudem werden die Marktanteile der KEP- Dienstleister innerhalb der Gitterzellen am Sendungsaufkommen berücksichtigt. In Bild 4 ist die räumliche Verteilung des Sendungsaufkommens für Berlin dargestellt. Das Gesamtsendungsaufkommen pro Jahr beträgt 140,44 Mio. Pakete. Neben der räumlichen Verteilung des Sendungsaufkommens werden zudem die relevanten Depots benötigt, welche über paketda.de (2020) erfasst werden und über Fallstudien bzw. den auf paketda.de hinterlegten Informationen zu den Liefergebieten zugeordnet werden. Parametrisiertes Netzmodell zur Berechnung der Touren Für die Bestimmung der Liefertouren wird ein modifiziertes Straßennetz auf Grundlage von OSM verwendet. Die Netzelemente des Straßennetzes werden mit realen Fahrgeschwindigkeiten parametrisiert. Dazu wird auf Floating Car Data (FCD) zurückgegriffen, was eine tageszeitliche Abbildung und Differenzierung der fahrbaren Geschwindigkeiten je Netzelement ermöglicht.[16] Für das vorliegende Modell wird die morgendliche Hauptverkehrszeit (HVZ) abgebildet. In Bild 5 ist das Netzmodell (links) dargestellt. Der rechten Abbildung können beispielhaft die fahrbaren Geschwindigkeiten der Netzelemente (Die Geschwindigkeiten sind über die Linienstärke der dargestellten Straßen skaliert) entnommen werden. Den Modelloutput stellen die Fahrleistungen und die Anzahl der Fahrzeuge der KEP-Dienstleister dar. Die entstehende Fahrleistung kann nach den Netzelementen aufgeschlüsselt werden. Basierend auf der Fahrleistung je Netzelement erfolgt die Emissionsrechnung mittels der Faktoren des Handbuchs für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA). Das HBEFA ist eine Datenbank, welche spezifische Emissionsfaktoren für unterschiedliche Verkehrszustände, Straßentypen, Fahrzeugklassen und -Flotten sowie unterschiedliche Straßengradienten bereithält. Die Aggregationsebenen des HBEFA können Bild 6 entnommen werden. Die Verkehrszustände können über das parametrisierte Netzmodell als Quotient aus real gefahrener Geschwindigkeit und zulässiger Höchstgeschwindigkeit abgeleitet werden und sind in Bild 7 beispielhaft dargestellt. Modellergebnisse Neben dem IST-Zustand (Base Scenario) 1 werden die nachfolgenden Szenarien modellhaft abgebildet: •• Bundling on existing pick-up points: Dienstleisterübergreifende Allokation des gesamten Sendungsaufkommens, welches innerhalb des Einzugsbereichs eines pick-up points liegt. Es wird also für jeden pick-up point ein theoretisches maximalmögliches Sendungsaufkommen berechnet. •• Pick-up points on major roads: Aus dem Basisszenario ist bekannt, dass rund ein Drittel der Fahrleistungen über das Hauptverkehrsstraßennetz abgewickelt wird. Dieser Umstand wird als Grundlage genommen, Bild 4: Jährliches KEP-Sendungsaufkommen auf Gitterzellebene Eigene Darstellung und Berechnung im Auftrag von Straßentyp (Linienstärke entspricht Durchschnittsgeschwindigkeit) Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende Legende im Auftrag von Straßentyp (Linienstärke entspricht Durchschnittsgeschwindigkeit) Netzknoten Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende Legende Bild 5: Darstellung des parametrisierten Netzmodells Eigene Darstellung im Auftrag von Legende KEP-Paketaufkommen je 100m x100m Gitterzelle pro Jahr Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende KEP-Paketaufkommen je 100m x100m Gitterzelle pro Jahr Legende im Auftrag von Legende KEP-Paketaufkommen je 100m x100m Gitterzelle pro Jahr Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende KEP-Paketaufkommen je 100m x100m Gitterzelle pro Jahr Legende im Auftrag von Legende KEP-Paketaufkommen je 100m x100m Gitterzelle pro Jahr Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende KEP-Paketaufkommen je 100m x100m Gitterzelle pro Jahr Legende Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 30 LOGISTIK Wissenschaft um fiktionale pick-up points an Knotenpunkten von Hauptverkehrsstraßen zu setzen, denen das gesamte Sendungsaufkommen der nächstgelegenen Gitterzellen zugeordnet wird. Dieses Szenario ist vergleichbar zu den sogenannten Cainiao Parcel Stations.[18] Die beiden Szenarien stellen alternative Zustellkonzepte dar und sollen theoretische Optima aufzeigen, die durch eine vollständige Bündelung und Kooperation der Dienstleister unabhängig der momentanen Marktsituation erreicht werden können. Die Fahrleistungen und Gesamtemissionen der drei Szenarien können Tabelle 1 entnommen werden. Das zweite Szenario spart rund 20.000 km Fahrleistung (-26 %) gegenüber dem Basisszenario ein; das dem chinesischen Bündelungsansatz nachempfundene Szenario verfügt über ein Einsparpotenzial von rund 55.000-km Fahrleistung pro Tag (-71 %). Das Einsparpotenzial ergibt sich aus der Verringerung der Fahrleistung und der veränderten Ausgestaltung der letzten Meile. Die höhere Bündelung ermöglicht dabei den Einsatz größerer Fahrzeuge (LKW bis 12 t) Für beide Szenarien kann zudem gezeigt werden, dass diese zu einer Reduktion der NO X -Emissionen beitragen, da die Fahrleistung auf dem untergeordneten Netz erheblich reduziert wird. Die Bündelung des gesamten Sendungsaufkommens auf das bestehende Netzwerk an pick-up points (Szenario 2) zeigt auf, welche theoretischen Potenziale in der optimalen Nutzung der bestehenden Infrastrukturen der KEP-Dienstleister liegen. Die empfängerseitige Bündelung (Szenario 3) nach chinesischem Vorbild verdeutlicht zudem die positiven Effekte einer standortoptimalen Platzierung und Nutzung von pick-up points. Fazit Das vorgestellte datengetriebene Modell bildet den Ist- Zustand und mögliche Szenarien für die Letzte Meile ab. Eine Erhöhung der Modellgüte kann vor allem durch eine bessere Datenverfügbarkeit erreicht werden, was die Wichtigkeit der Bereitstellung, Erfassung und Auswertung von Daten zum (städtischen) Güterverkehr aufzeigt. Die vorgestellten Szenarien sind theoretischer Natur. Mittelfristig ist eine derartige Ausgestaltung der Letzten Meile, die eine tiefgreifende Kooperation der Dienstleister, gesetzliche Vorgaben sowie ein vollständig verändertes Kundenverhalten erfordern, nicht denkbar. Jedoch zeigen die jüngeren Entwicklungen auf dem KEP-Markt, dass Kooperationen, wie z. B. gemeinsam genutzte Mikro-Depot-Standorte oder die vermehrte Bündelung an pick-up points, zunehmend stattfinden und z. T. durch die Eigeninitiative der KEP-Dienstleister getrieben werden. Dennoch ist in den nächsten Jahren die Schaffung von eingänglichen (gesetzlichen) Rahmenbedingungen sowie ein politischer Wille für eine umwelt- und umfeldverträgliche Ausgestaltung der Letzten Meile unabdinglich. ■ 1 Abbildung konventioneller Touren mit dieselbetriebenen Nutzfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 3,5 t bis 7,5 t Szenario Fahrleistung (km) CO 2 (t) NO X (kg) PM (kg) 1 Base Scenario 77.322 18,2 386 1,4 2 Bundling on existing pickup points 57.095 16,8 218 2,4 3 Pick-up Points on major roads 24.470 11,2 44,6 2,1 Tabelle 1: Modellergebnisse der Szenarien im Auftrag von Verkehrsfluss flüssig dicht gesättigt Stop+go Stop+go2 Kartengrundlage © OpenStreetMap Mitwirkende Legende Bild 7: Ermittelte Verkehrszustände aus HBEFA für das Netzmodell Eigene Darstellung Agglomerationsraum Land Hauptverkehrsstraße Sammelstraße Autobahn Hauptverkehrsstraße Sammelstraße Fern-, Bundesstraße Erschließungsstraße Städt. Magistrale/ Ringstraße Stadtautobahn Semi-Autobahn flüssig dicht gesättigt Stop+Go 90, 110 50 - 100 50 - 80 80 - >130 60 - 100 30 - 80 50 - 80 30 - 50 60 - 110 50 - 90 Straßentyp / V zul in km/ h Raumbezug Verkehrszustand 6 % 4 % 2 % 0 % -2 % -4 % -6 % Längsneigung Stop+Go2 Bild 6: Aggregationsebenen des HBEFA Eigene Darstellung nach [17] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 31 Wissenschaft LOGISTIK LITERATUR [1] Thiemermann, A.; Leerkamp, B.; Wittenbrink, P.; Aichinger, W.: Kommunale Umsetzungsperspektiven der Verkehrswende im städtischen Güterverkehr. In: Straßenverkehrstechnik (2021), Nr. 2. URL https: / / www.researchgate.net/ publication/ 349442379_ kommunale_Umsetzungsperspektiven_der_Verkehrswende_im_stadtischen_Guterverkehr_In_Strassenverkehrstechnik_Heft_22021; Überprüfungsdatum: 16.11.2021. [2] Wambach, A.; Kollmann, D.; Kühling, J.; Nöcker, T.; Westerwelle, A.: Die Novelle des Postgesetzes: Neue Chancen für den Wettbewerb: 11. Sektorgutachten Post (2019). 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Akademischer Rat, Lehrstuhl für Güterverkehrsplanung und Transportlogistik, Bergische Universität Wuppertal holthaus@uni-wuppertal.de Andre Thiemermann, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Güterverkehrsplanung und Transportlogistik, Bergische Universität Wuppertal thiemermann@uni-wuppertal.de Marian Schlott, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Güterverkehrsplanung und Transportlogistik, Bergische Universität Wuppertal schlott@uni-wuppertal.de Jan Kuchhäuser, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Güterverkehrsplanung und Transportlogistik, Bergische Universität Wuppertal kuchhaeuser@uni-wuppertal.de Brief und Siegel für Wissenschafts-Beiträge Peer Review - sichtbares Qualitätsinstrument für Autoren und Leserschaft P eer-Review-Verfahren sind weltweit anerkannt als Instrument zur Qualitätssicherung: Sie dienen einer konstruktiv-kritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, wissenschaftlichen Argumentationen und technischen Entwicklungen des Faches und sollen sicherstellen, dass die Wissenschaftsbeiträge unserer Zeitschrift hohen Standards genügen. Herausgeber und Redaktion laden daher Forscher und Entwickler im Verkehrswesen, Wissenschaftler, Ingenieure und Studierende sehr herzlich dazu ein, geeignete Manuskripte für die Rubrik Wissenschaft mit entsprechendem Vermerk bei der Redaktion einzureichen. Die Beiträge müssen „Originalbeiträge“ sein, die in dieser Form und Zusammenstellung erstmals publiziert werden sollen. Sie durchlaufen nach formaler redaktioneller Prüfung ein standardisiertes Begutachtungsverfahren, bei dem ein Manuskript zwei, in besonderen Fällen weiteren Gutachtern (Referees) aus dem betreffenden Fachgebiet vorgelegt wird. Interessierte Autoren finden die Verfahrensregeln, die Autorenhinweise sowie das Formblatt für die Einreichung des Beitrages auf www.internationales-verkehrswesen.de/ autoren-service/ KONTAKT Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleiter Internationales Verkehrswesen Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 32 LOGISTIK Kombinierter Transport Ökonomische Analyse eines-kombinierten Personenund-Gütertransports Verbindung von Transportroboter und Shuttle für eine autonome Transportlösung Autonomes Fahren, Transportroboter, Shuttle, TCO Personen- und Güterverkehr werden in der Regel getrennt voneinander betrachtet und gestaltet. In jüngster Zeit verstärkt sich aufgrund des wachsenden Mangels an Fahrpersonal sowie der zunehmenden ökonomischen und ökologischen Anforderungen an die Transporteffizienz die Suche nach innovativen Transport- und Fahrzeugtechnologien. Ein Ansatz ist der kombinierte Transport von Personen und Gütern. Der Artikel untersucht mit Hilfe einer Prozessanalyse und einer Total Cost of Ownership (TCO)-Berechnung den ökonomischen Nutzen eines in einem autonomen Shuttle mitfahrenden Transportroboters. Sandra Tjaden, Heike Flämig, Matthias Grote, Marko Thiel D er kombinierte Transport von Personen und Gütern ist durchaus verbreitet. Typischerweise werden die beiden Verkehrsarten, beispielsweise durch Expresslieferungen von Gütern in Personenzügen und Flugzeugen, miteinander verknüpft. Trotzdem werden der Personen- und Güterverkehr in der Forschung in der Regel getrennt voneinander betrachtet und gestaltet. Die Bundesregierung unterstützt gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsansätze, beispielsweise mit dem Runden Tisch „Warentransport via ÖPNV - Verkehr vor Ort entlasten und Klima schützen“ und Förderrichtlinien [1, 2]. Die Synergieeffekte eines kombinierten Personen- und Gütertransports werden in den letzten Jahren in Deutschland auch für den Straßentransport diskutiert, seit dieser zunehmend durch Fahrpersonalmangel sowie ökonomische und ökologische Herausforderungen gekennzeichnet ist. Eine mögliche zukünftige Transportlösung könnte die Verbindung von autonomen Fahrzeugen in einem kombinierten Personen- und Gütertransport darstellen. Diese Entwicklung unterstützt das “Gesetz zum autonomen Fahren”, das in Deutschland den rechtlichen Rahmen für den Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion (SAE Level 4) in festgelegten Betriebsbereichen schafft. [3] In diesem Artikel wird aus einer einzelwirtschaftlichen Perspektive der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen sich der kombinierte Personen- und Gütertransport eines autonomen Shuttles und eines mitfahrenden Transportroboters als ökonomisch vorteilhaft erweist. In Lauenburg/ Elbe wurde dieses im Jahr 2021 unter Einsatz von Begleitpersonal erprobt (siehe Bild 1). Aufbauend auf einer kurzen Darstellung des aktuellen Forschungsstands zum kombinierten straßengebundenen Personen- und Gütertransport werden das methodische Vorgehen erläutert und die in diesem Artikel zugrundeliegenden Annahmen und Szenarien beschrieben. Auf Basis von Prozessanalysen und Total Cost of Ownership (TCO)-Berechnungen der Transportmittel erfolgt der wirtschaftliche Vergleich am Beispiel der aktuellen Prozesse der Postzustellung der Lauenburger Stadtverwaltung mit denen eines im realen Betrieb durchgeführten automatisierten Transportprozesses. Stand der Forschung Im Ausland ist der gemeinsame Landtransport von Personen und Gütern in einem Verkehrsmittel durchaus üblich. So lassen sich beispielsweise für die Mitnahme von Gütern in Überlandbussen in Flächenländern, wie etwa Schweden oder Finnland, Anwendungsfälle beobachten [4]. Nach der Abschaffung des Paketwagens galt der ic: kurier auf der Schiene zunächst als einziger landgebundener kombinierter Personen- und Gütertransport in Deutschland [5]. Erst in den letzten Jahren werden kombinierte Transporte in Städten erneut erprobt. Die LastMileTram in Frankfurt ist ein Beispiel für die Mitnutzung des Transportraums eines Personenbeförderungsmittels, der Straßenbahn, durch Güter [6]. Der kombiBUS stellt beispielsweise die praktische Umsetzung eines kombinierten Personen- und Gütertransports in Deutschland dar, bei dem in einem Anhänger an einem Überlandbus seit dem Jahr 2012 Güter transportiert werden [7]. AT A GLANCE Passenger and freight transport are usually considered and designed separately. Recently, the search for innovative transport and vehicle technologies has intensified due to the growing shortage of drivers and the increasing economic and ecological demands on transport efficiency. One approach is the combined transport of passengers and goods. With the help of a process analysis and a total cost of ownership calculation, the article examines the economic benefit of a transport robot travelling in an autonomous shuttle. It can be shown that the use of a combined driverless passenger and goods transport can lead to cost savings. However, it must be taken into account that an economic use case only arises when both the shuttle and the transport robot can move without an attendant and robots are available on the market at lower prices. Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 33 Kombinierter Transport LOGISTIK Aufgrund der geringen Verbreitung und Verstetigung derartig kombinierter Personen- und Gütertransporte scheint ein wirtschaftlicher Betrieb nicht immer gegeben. Eine mögliche Lösung wird in fahrerlosen und elektrifizierten kombinierten Transportlösungen gesehen. Ob es tatsächlich Use-Cases dafür geben kann, ist bisher wenig untersucht. Vor allem fehlt es an Untersuchungen zu den Prozesskosten unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung der Komponenten- und Betriebskosten für eine wirtschaftliche Bewertung derartig innovativer Transportlösungen. Methodisches Vorgehen und Annahmen Die Integration eines Transportroboters in einen bestehenden automatisierten Shuttleverkehr wurde erstmalig in Deutschland in einem achtmonatigen Realbetrieb in Lauenburg/ Elbe erprobt. In diesem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Vorhaben TaBuLa-LOG wurde der Transport der Hauspost der Lauenburger Stadtverwaltung in verschiedenen Szenarien des kombinierten Personen- und Gütertransports mit unterschiedlichem Automatisierungsgrad untersucht [8]. Für die Analyse der Prozesse und der Kosten der Szenarien wurde eine verkürzte logistische Prozesskostenrechnung [9] durchgeführt, die nur die für den Szenarienvergleich relevanten logistischen Teilprozesse und deren Kostenarten berücksichtigt. Die Kostenanalyse betrachtet die Kosten für das Fahrbzw. Zustellpersonal sowie die Kosten für die eingesetzten Transportmittel. Derartige Kostenbetrachtungen sind auch Gegenstand von TCO-Analysen. Durch TCO-Analysen können nach Ellram (1993) für einzelne Fahrzeugtypen kritische Kostengrößen identifiziert und hinsichtlich ihrer Nutzungskosten verglichen werden [10]. Durch die logistische Prozessanalyse ist es möglich, nicht nur die absoluten Nutzungskosten zu betrachten, sondern eine Verrechnung über die anteilige Arbeitszeit des Personals bzw. die anteilige Nutzungszeit des Transportmittels durchzuführen. Dies ist möglich, da beim kombinierten Personen- und Gütertransport zwei Kostenträger (eine Personenbeförderung und eine Sendung) die gleiche Transportressource (Shuttle) nachfragen. Die hier vorgelegte TCO-Berechnung baut auf bestehende Analysen auf. Für automatisierte Nutzfahrzeuge wird vor allem auf Engholm et al. (2020) und Wadud (2017) zurückgegriffen, die für unterschiedliche Größenklassen TCO vorgelegt haben [11, 12]. Die TCO des fahrerlos fahrenden Shuttles baut auf Grote und Röntgen (2021) auf; auch die Kosten für herkömmliche Busse sind hier entnommen [13]. Eine TCO für den hier zum Einsatz kommenden Transportroboter steht bislang aus. Dafür wird ein eigenes Komponentenmodell entwickelt, das auf den realen Werten des Projektes aufsetzt. Da diese aufgrund der frühen Entwicklungsphase sehr hoch sind und Mengendegressionsbzw. Standardisierungseffekte noch nicht mit einfließen, wird ein zweites, optimiertes Komponentenmodell abgeleitet und hier zunächst vorgestellt. Hier flossen auch Ergebnisse aus der Studie zu den Energie- und Treibhausgaswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens im Straßenverkehr mit ein, die im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie entstanden sind [14]. Vor diesem Hintergrund sind zwei TCO-Rechnungen für den Transportroboter entstanden und in den Szenarioberechnungen berücksichtigt. Komponentenmodell eines Transportroboters Bezüglich der Fahrzeugkosten des Transportroboters ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um einen eigens entwickelten Forschungsprototypen für den Anwendungsfall in Lauenburg/ Elbe handelt. Bei der Entwicklung wurden sowohl die Anzahl und Art der verbauten Sensoren als auch die integrierten Rechenkapazitäten mit Blick auf zukünftige Anpassungen großzügig ausgelegt. Vergleichbare Transportroboter kommerzieller Anbieter verfügen teilweise über andere Sensorkonzepte, die mit geringeren Fahrzeugkosten einhergehen können. Im Jahr 2018 waren industriell genutzte Transportroboter zu Anschaffungskosten Bild 1: Transportroboter „Laura“ bei Einfahrt in den Shuttle an einer Haltestelle in Lauenburg/ Elbe Quelle: Marko Thiel 18.300 € 6.300 € 6.200 € 3.000 € 2.700 € 1.800 € 1.400 € €- 600 € 600 € 500 € 500 € 0,00 € 5.000,00 € 10.000,00 € 15.000,00 € 20.000,00 € 25.000,00 € 30.000,00 € 35.000,00 € Kosten für Prototyp Kosten nach Optimierung Kosten Benutzerschnittstelle und Kommunikation Akku und Ladegerät Funk-Not-Aus Rechner Sensorik Fahrgestell, Karosserie und Antrieb Bild 2: Komponentenkosten des Transportroboters „Laura“, entwickelt an der TU Hamburg Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 34 LOGISTIK Kombinierter Transport in Höhe von etwa 5.000 EUR auf dem Markt verfügbar [15]. Durch die Fertigung von nur zwei Exemplaren des Roboters bleiben Skaleneffekte aus. Potentiale in der Reduktion von Kosten ergeben sich insbesondere in einer höheren Fertigungstiefe des Fahrgestells und der Karosserie (siehe Bild 2). Ein Ersatz der bisher genutzten Roboterbasis durch eine Eigenkonstruktion eröffnet Einsparungen von bis zu 12.000 EUR. Aber auch in anderen Bereichen sind Einsparungen realisierbar: Die Kosten der Sensorik ließen sich durch ein angepasstes Sensorkonzept (ggf. unter Verzicht auf den LiDAR-Sensor) um voraussichtlich 3.200 EUR reduzieren. Das Zusammenlegen der Recheneinheiten würde eine Kostenreduktion von 900 EUR ermöglichen. Voraussetzung für die Genehmigung des Transportroboters war, dass der Realbetrieb durchgängig durch eine Begleitperson überwacht wird. Als redundante Eingriffsmöglichkeit wurde ein Funk-Not-Aus-System eingesetzt. In einem autonomen Betrieb wäre dieses System verzichtbar. Die Kosten für Akkumulator und Ladegerät sowie Benutzerschnittstelle werden als zunächst ohne wesentliches Reduktionspotential eingeschätzt. Die vollständige Umsetzung aller Optimierungsansätze würden die Fahrzeugkosten von 29.700 EUR um insgesamt 17.500 EUR auf 12.200 EUR senken. Das Bild 2 zeigt die Veränderungen der Kosten ausgehend vom Prototyp durch eine Optimierung der Konstruktion und Komponentenauswahl. Prozessanalyse und -kostenermittlung der Szenarien Das Basisszenario bildet die bestehenden Prozesse der Lauenburger Stadtverwaltung zum Transport ihrer internen Hauspost ab. Es umfasst die Transportstrecken vom Rathaus in der Oberstadt (Amtsplatz) zum etwa 1,6 Kilometer entfernten Posteinlagerungszentrum, die Strecken am Amtsplatz zwischen den Verwaltungsgebäuden sowie die Strecke von dort zum Elbschifffahrtsmuseum, das sich in der Altstadt Lauenburgs befindet. Die Hauspost wird im Basisszenario am Morgen mit einem herkömmlichen elektrifizierten PKW am Posteinlagerungszentrum durch das Verwaltungspersonal abgeholt. Nachdem die Post im Rathaus durch das Personal sortiert wurde, wird sie in Postfächern eingelagert. Hierauf greifen die Mitarbeitenden der Abteilungen täglich zweimal zu. Sie geben ihre Ausgangspost im Rathaus ab und entnehmen die interne Hauspost aus den Postfächern und transportieren diese zu Fuß zu ihren Abteilungen. Die Prozessaufnahme vor Ort zeigt, dass 56 Minuten Arbeitszeit für den Posttransport täglich aufgewendet werden - dies entspricht 9,6 Prozent einer Vollzeitstelle. Der elektrifizierte PKW erbringt rund 2,1 Prozent seiner täglich möglichen Fahrzeit auf einer Strecke von rund 3,2 Kilometer für den Posttransport. Um feststellen zu können, welche Potenziale die Kombination aus Personen- und Gütertransport aus ökonomischer Sicht bietet, werden im Basisszenario außerdem die Kosten einer Personenbeförderung parallel dazu ermittelt. Im Basisszenario nutzen die Busbetriebe für die Personenbeförderung einen elektrifizierten Minibus. Auf Seiten der Busbetriebe entstehen Betriebskosten für den Minibus (Fahrzeug mit ca. 14 Sitzplätzen) inklusive der Kosten für das Fahrpersonal, und sie generieren Einnahmen aus der Fahrgastbeförderung. Im Kombiszenario überwindet der Transportroboter die langen Strecken zum Posteinlagerungszentrum und zum Elbschifffahrtsmuseum mithilfe eines fahrerlosen Shuttles. Zwischen dem Shuttle und den Übergabeorten von Sender bzw. an Empfänger sowie zu den Abteilungen am Amtsplatz übernimmt ein Roboter den Transport (siehe Bild 3). In der Erprobungszeit wurde der Shuttle zu 87 Prozent seiner täglichen Einsatzzeit für die reine Personenbeförderung und 13 Prozent sowohl zur Personen- und Transportroboterbeförderung genutzt. Während der kombinierten Fahrt reduzieren sich die möglichen Einnahmen aus der Personenbeförderung, da der Transportroboter 20 Prozent der Platzkapazität in Anspruch nimmt. Vergleich der TCO der Transportketten In die TCO-Berechnung werden die Fahrzeugkosten, Energiekosten, laufende Kosten (z. B. für Wartung- und Reparatur, Batterieersatz, Steuern und Versicherung), Infrastrukturkosten (z. B. Garage), Fahrzeugbegleitpersonalkosten und weitere Personalkosten (z. B. für Verwaltung, Leitstelle oder Schulung) sowie sonstige Kosten (z. B. für Softwarelizenzen, Zulassung, Telefon- Basisszenario Kombiszenario TCO- Annahmen PKW Minibus Shuttle Transportroboter Transportroboter optimiert Betreiber Stadt Busbetrieb Busbetrieb Stadt Stadt elektrischer Antrieb ja ja ja ja ja fahrerlos nein nein ja ja ja Durchschnittsgeschwindigkeit 19,8 km/ h 19,8 km/ h 19,8 km/ h 3 km/ h 3 km/ h Nutzungsdauer 4,0 Jahre 10,0 Jahre 8,1 Jahre 3,0 Jahre 3,0 Jahre Fahrleistung pro Jahr 15.000 km 40.000 km 49.140 km 408 km 408 km Fahrzeugkosten (insgesamt) 40.613 € 323.518 € 269.371 € 29.688 € 12.200 € Fahrzeugbetriebskosten (exklusive Personal) pro Jahr 2.667 € 56.921 € 72.986 € 1.173 € 875 € Personalkosten pro Jahr 23.587€ 67.281 € 21.621 € 893 € 893 € Tabelle 1: Berechnungsgrundlagen der TCO-Ermittlung der Transportmittel Eigene Zusammenstellung Lange Distanz (Shuttle) Empfänger Versender Kurze Distanz (Transportroboter) Kurze Distanz (Transportroboter) Bild 3: Skizze des kombinierten Personen- und Gütertransport durch Transportroboter und Shuttle Quelle: In Anlehnung an [7] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 35 Kombinierter Transport LOGISTIK kommunikation) integriert. Einen Überblick über die getroffenen Annahmen und erhobenen Daten für die TCO-Ermittlung je Transportmittel zeigt die Tabelle 1. Im Basisszenario entstehen Fahrpersonalkosten für den PKW und den herkömmlichen elektrifizierten Minibus. Im Kombiszenario wird unterstellt, dass ein autonomer Transportprozess ohne Personaleinsatz stattfindet, weshalb die Fahrpersonalkosten des Shuttles und des Transportroboters unberücksichtigt bleiben. Lediglich weitere Personalkosten zur Abwicklung des Posttransports werden einbezogen. Angenommen wird zudem, dass alle eingesetzten Fahrzeuge über einen Elektroantrieb verfügen. Auf Grundlage der TCO-Berechnungen ergeben sich zwischen den einzelnen Transportmitteln deutliche Unterschiede in der prozentualen Verteilung der Kostenarten an den Gesamtkosten. Beim manuell gefahrenen PKW und Minibus stellen die Kosten für die Fahrzeugbegleitperson mit über 35 bis 60 Prozent an den Gesamtkosten den größten Anteil dar. Diese entfallen bei einem fahrerlosen Shuttle. Beim autonomen Transportroboter sind die Fahrzeugkosten mit knapp 83 Prozent der größte Kostentreiber (siehe Bild 4). Im direkten Vergleich ergeben sich für den Transportroboter vergleichsweise hohe Kosten pro gefahrenen Kilometer, was u. a. an der geringen Jahresfahrleistung im vorliegenden Szenario begründet ist. Jahresgesamtkosten der Transportketten-Szenarien Nachdem die TCO für die jeweiligen Transportmittel berechnet wurden, werden diese in den Szenarienbetrachtungen berücksichtigt und getrennt für die Stadt und die Busbetriebe ausgewiesen. Im Basisszenario belaufen sich die gesamten Prozesskosten des Posttransports auf Seiten der Stadt auf rund 7.500 EUR pro Jahr. Davon sind über 5.500 EUR Personalkosten und knapp 2.000 EUR Fahrzeugkosten. Die TCO des Minibusses betragen etwa 156.500 EUR pro Jahr, wovon ein Großteil Personalkosten sind. Abgezogen werden beim Minibus die für den ländlichen Raum angenommenen Einnahmen aus der Personenbeförderung mit knapp 60.000 EUR pro Jahr. Für den getrennten Personen- und Gütertransport addieren sich die verbleibenden Kosten der Stadt und dem Busbetrieb im Basisszenario zu einem Defizit in Höhe von rund 104.000 EUR pro Jahr. Im Kombiszenario des kombinierten Personen- und Gütertransports entstehen der Stadt Kosten von knapp 12.000 EUR pro Jahr für den Einsatz des Transportroboters sowie etwa 1.500 EUR pro Jahr für die Nutzung des Shuttles als Transportmittel für den Roboter. Der fahrerlose Betrieb eines Shuttles verursacht bei den Busbetrieben Kosten von etwa 127.700 EUR pro Jahr. Dem stehen Einnahmen aus der Personenbeförderung von etwa 60.000 EUR pro Jahr gegenüber. Allerdings entfallen den Busbetrieben Einnahmen durch die Personenbeförderung, wenn der Transportroboter im Shuttle mitfährt und dementsprechend Platz in Anspruch nimmt. Hier werden die Einnahmen aus der Personenbeförderung mit den Kosten durch die Mitfahrt des Transportroboters im Fahrzeug verrechnet. Bezogen auf den Anwendungsfall fährt der Shuttle 87-Prozent der Zeit ohne und 13 Prozent mit einem Transportroboter. Bei einem Vergütungsmodell, in dem die Busbetriebe der Stadt mindestens die entfallenden Einnahmen aus der Personenbeförderung als Opportunitätskosten in Rechnung stellen, können die Busbetriebe aus der Roboterbeförderung Einnahmen in Höhe von etwa 1.500 EUR pro Jahr generieren, die der Stadt in Rechnung gestellt werden können. Das Gesamtdefizit für die Stadt und die Busbetriebe im Kombiszenario des Posttransports beträgt etwa 81.200 EUR pro Jahr. Der Vergleich der ersten beiden Szenarien zeigt, dass durch die Automatisierung der Transportprozesse die Kosten insgesamt um knapp 23.000 EUR pro Jahr reduziert werden könnten. Während die Kosten für die Busbetriebe vom Basisszenario zum Kombiszenario durch die Automatisierung deutlich sinken, nehmen die Kosten bei der Stadt um etwa 6.000 EUR pro Jahr zu. Letzteres liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Kosten des Transportroboters höher sind als die des manuellen Transports. Aus Sicht der Stadt stellt daher der Robotereinsatz derzeit keinen wirtschaftlich interessanten Anwendungsfall dar. Um einen ökonomisch vorteilhaften Prozess für die Stadt zu erzielen, könnte u. a. eine erhebliche Reduktion der Fahrzeugkosten des Transportroboters beitragen. Beispielsweise würden bei einem optimierten Transportroboter die Fahrzeugkosten um insgesamt 17.500 EUR sinken (vgl. Bild 2), sodass sich die Kosten der Stadt um weitere 6.000 EUR pro Jahr reduziert (siehe Bild 5). Neben den Ausgaben pro Jahr ist auch eine Berechnung hinsichtlich der Prozesskosten pro Sendung möglich. Bei einem durchschnittlich im Realbetrieb gemessenen Aufkommen von 47 Briefen pro Tag belaufen sich die Kosten für die Stadt im Basisszenario 25,9% 10,0% 31,6% 3,3% 16,9% 12,3% Autonomes Shuttle: 2,60 €/ km 82,7% 0,1% 6,7% 1,7% 7,5% 1,4% Autonomer Transportroboter: 29,30 €/ km 27,9% 2,4% 3,9% 1,0% 59,4% 5,4% Pkw: 2,43 €/ km 69,7% 0,1% 8,6% 3,5% 15,3% 2,8% Optimierter Transportroboter: 14,29 €/ km 20,7% 11,7% 21,7% 2,7% 35,1% 7,9% 0,3% Minibus: 3,91 €/ km Fahrzeugkosten Energiekosten laufende Kosten Infrastrukturkosten Fahrzeugbegleitpersonen Weitere Personalkosten Weitere Kosten Bild 4: Gesamtkosten pro Kilometer und prozentuale Verteilung der Kostenarten der unterschiedlichen Transportmittel im spezifischen Anwendungsfall Lauenburg/ Elbe im Projekt TaBuLa-LOG Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 36 LOGISTIK Kombinierter Transport auf etwa 0,62 EUR pro Sendung. Im Kombiszenario erhöhen sich die Kosten pro Sendung auf 1,13 EUR. Werden die Kosten für den Transportroboter optimiert, vermindern sich die Kosten pro Sendung auf 0,61 EUR. Fazit Die TCO für die Transportszenarien zeigen, dass der Einsatz eines kombinierten fahrerlosen Personen- und Gütertransports zu einer Einsparung von Kosten führen kann. Dies gilt sowohl für die Busbetriebe, die mit fahrerlosen Fahrzeugen ihr Angebot verbessern und mit dem Gütertransport die Auslastung erhöhen könnte, als auch für die Stadt, die ihre internen Prozesse automatisieren kann. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein wirtschaftlicher Anwendungsfall erst entsteht, wenn sich sowohl der Shuttle als auch der Transportroboter ohne Begleitperson fahrerlos fortbewegen können. Auch müssten kommerzielle Transportroboter zu niedrigeren Preisen am Markt erhältlich sein. Eine andere Option wäre die Steigerung der Auslastung (z. B. durch Nutzung des Roboters für weitere Zwecke oder andere Institutionen), um die Kosten zu senken. Hierzu wären in Lauenburg/ Elbe beispielsweise die Auslieferung des Essens oder die Zustellung von Büchern aus der Bibliothek denkbar. Auch wenn es sich bei diesen Kostenabschätzungen um Szenarioberechnungen mit vielen Annahmen und groben Abschätzungen handelt, zeigen sie gut auf, welche ökonomischen Veränderungen für die Implementierung eines kombinierten fahrerlosen Personen- und Gütertransports erforderlich sind. Zum einen werden sich Veränderungen in den logistischen Prozessketten ergeben, die neue Herausforderungen bergen. Zum anderen sind vermehrte Anstrengungen zur Standardisierung zu unternehmen, um die erforderlichen Mengendegressionseffekte realisieren zu können. Für eine ganzheitliche Abschätzung eines kombinierten Personen- und Gütertransports bedarf es jedoch neben dieser einzelwirtschaftlichen Perspektive auch einer gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abschätzung, bei der auch ökologische und soziale Auswirkungen berücksichtigt werden. Der kombinierte Personen- und Gütertransport bietet Potenzial, nicht nur Kosten einzusparen, sondern auch Verkehr und dessen negative Folgen zu reduzieren. Dies ist u. a. Gegenstand des Folgevorhabens TaBuLa- LOGplus. ■ LITERATUR [1] BMDV (2022): Runder Tisch „Warentransport via ÖPNV - Verkehr vor Ort entlasten und Klima schützen“. www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ G/ warentransport-via-oepnv.html (Abruf: 16.03.2022). [2] BMDV (2019): Förderrichtlinie „Ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Mobilitätssystem durch automatisiertes Fahren und Vernetzung“. www. bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ DG/ foerderrichtlinie-zukunftsfaehiges-nachhaltiges-moblilitaetssystem-durch-avf.html (Abruf: 16.03.2022). [3] BMDV (2022): Bundeskabinett verabschiedet Verordnung zum Autonomen Fahren. www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Pressemitteilungen/ 2022/ 008-wissing-verordnung-zum-autonomen-fahren.html (Abruf: 30.03.2022). [4] Monheim, H.; Muschwitz, C.; Reimann, J.; Pitzen, C.; Sylvester, A.; Michelmann, H. 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TUHH Universitätsbibliothek. https: / / doi.org/ 10.15480/ 882.3621 (Abruf: 29.03.2022). [14] Krail, M.; Hellekes, J.; Schneider, U.; Dütschke, E.; Schellert, M.; Rüdiger, D.; Steindl, A.; Luchmann, I.; Waßmuth, V.; Flämig, H.; Schade, W.; Mader, S. (2019): Energie- und Treibhausgaswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens im Straßenverkehr. Wissenschaftliche Beratung des BMVI zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie. www.isi. fraunhofer.de/ content/ dam/ isi/ dokumente/ ccn/ 2019/ energie-treibhausgaswirkungen-vernetztes-fahren.pdf (Abruf: 29.03.2022). [15] Condliff, J. (2018): Why sidewalk delivery robots still need safety drivers.www.technologyreview.com/ 2018/ 01/ 30/ 145935/ why-sidewalkdelivery-robots-still-need-safety-drivers-too/ (Abruf: 29.03.2022). Bild 5: Kosten im Basisszenario, im Kombiszenario und im optimierten Szenario für die Stadt und für die Busbetriebe (gerundete Werte) Eigene Berechnung 7.500 € 13.500 € 7.400 € 96.500 € 67.700 € 67.700 € - € 20.000 € 40.000 € 60.000 € 80.000 € 100.000 € 120.000 € Basisszenario: Manueller Posttransport mittels Pkw Kombiszenario: Autonomer Posttransport mittels Shuttle und Transportroboter Optimiertes Szenario: Autonomer Posttransport mittels Shuttle und optimiertem Transportroboter Kosten pro Jahr Stadt Verkehrsbetriebe ∑ 104.000 € ∑ 81.200 € ∑ 75.200 € Matthias Grote, Dipl.-Ing. Projektkoordinator und Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Technische Universität Hamburg matthias.grote@tuhh.de Marko Thiel, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Technische Logistik, Technische Universität Hamburg marko.thiel@tuhh.de Sandra Tjaden, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Technische Universität Hamburg sandra.tjaden@tuhh.de Heike Flämig, Prof. Dr.-Ing. Professur für Transportketten und Logistik, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Technische Universität Hamburg flaemig@tuhh.de European Friedrich-List-Award 2022 INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 37 After pandemic - before autonomous transport F or the 17 th consecutive time the European Platform of Transport Sciences - EPTS - awards the “European Friedrich List Award”. This prize, dedicated to young transport researchers, is named to honour the extraordinary contributions of Friedrich List, the visionary of transport in Europe of the 19 th century, being a distinguished economist and respected transport scientist committed to the European idea. The European Friedrich List Award is given for out-standing scientific papers in each of the categories Doctorate paper and Diploma paper, addressing topics in the transport field within a European context. This year the award will be conferred during the 20 th European Transport Congress, that will take place 9-10 June 2022 at the University of Győr, Hungary, simultaneous to the 12 th Conference on Transport Sciences. This conference was established by the Department of Transport of the University of Győr to facilitate the cooperation between professionals and disseminate research results in the field of transport. It was held in 2011 for the first time, in order to reach a broader scientific community with an English section from 2016 on. On the following you will find a short selection of this year’s Friedrich List Award submissions in drafts. ■ Source: University of Győr Győr is situated halfway between Budapest and Vienna. Source: University of Győr INTERNATIONAL European Friedrich-List-Award 2022 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 38 Models for optimizing parallel public transport services Between and within parallel domestic (long-distance and regional) public transport services Parallel public transport systems, optimization models, long-distance transport, regional transport One of the international problems of public transport system is that domestic (long-distance, regional) links are served both by buses and trains in parallel, furthermore it also appears in road systems connecting hamlets, as flexible systems have been operated besides traditional public transport services. This situation can result in a competition, generating a non-sustainable system. This mainly exists in countries, where the interurban public transport is based on a public service contract. The created models for optimizing the parallel public transport systems can be applied generally. András Lakatos B ased on the mentioned issues in the abstract, three topic areas have been identified: 1. Analytical and user preference-based modelling of long-distance public transportation 2. Modelling of parallel public transport services at the regional level 3. Modelling of parallel services concerning interurban bus services The various optimization models are interrelated, and if all of them are applied, the whole system of parallel transport services can be transformed into a sustainable and efficient network. The existing and recurring international problem [1] of parallel bus and train links in long-distance (within the border of each country) public transport has been addressed here. The aim of examining longdistance parallel public transport systems is to determine which transport mode or modes, or may be parallel links can ensure that public transport would be sustainable and efficient. The factors taken into consideration are user and operator parameters, and travel distance. In order to achieve this, a mathematical method, regression analysis [2] was applied to analyze the changes of temporal and cost values with respect to distance. An internationally applicable 5-step model was defined to solve this problem (Figure 1, top). In addition to this analytical approach, this study also aims to explore preferences of passengers for choosing transport modes. In order to achieve this and to be able to reach the highest possible level of services, the correlations between analytical aspects and passenger preferences concerning the quality of services depending on distance have been identified. Passengers take into consideration several parameters when deciding on the mode of transport. [3, 4, 5] Travel time, travel costs, comfort and motivation were examined as the influencing factors of mode choice. The complex correlations behind their mode choice have been explored and a model for user behavior has been set up based on revealed and stated preference types of questionnaires containing equal to reality parameters in order to determine the user preferences with respect to travel distance and passenger motivation in the case of parallel public transport links. The importance of each parameter in the decision-making process of users has been determined based on the answers to the questionnaires. The aim of examining regional parallel public transport systems is to create a complex, compact and generally applicable service quality index in order to evaluate and optimize regional parallel links (Figure 1, bottom). Moreover, to identify each value of the service quality index, some traffic organization measures (in some cases based on European best practices) result in an increase in the level of transport services, while costs are decreased. A mathematical method, the logit model [6] is used to explore the correlations between the values of the service quality index and the number of passengers, analyzing the extrema of utility functions [7]. The value of a quality index (M) has been calculated (Equation 1) based on some comprehensive parameters (travel time, available services, number of inhabitants) (Table 1). M n t p n t p daily travel j daily travel i,j,b = ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ 1 1 jj j n     = ∑ 1 i,j,b i,j,v i,j,v Based on objective functions [8] (Equations 2 and 3), interval boundaries for the values of quality parameters have been defined. These were validated by the logit model-based evaluation of the following values: number of passengers using parallel bus and train links, offered travel times, offered travel costs. M → max (2) K invest. i,j,k → min. (3) Traffic organization measures to maximize the M value have been defined for each interval, while minimizing investment costs (K invest. i,j,k ). In such rarely populated areas, the integration of the already existing traditional and demand-responsive transport systems [9] is suggested in order to create an economically sustainable system with the increasing of the service levels, i.e. ensuring that the hamlets are served at a higher level. European Friedrich-List-Award 2022 INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 39 A generally applicable, demographical and public transport service level data based 7-step complex and compact model is created for optimization, which allows for the reorganization of transport performance in a way that operational costs do not rise (Equation 5), but the level of service is increased (Equation 4). Z → max (4) C day → min. (5) The model allows for replacing the traditional public transport network with a flexible system. Results To implement the long-distance parallel model into practice, a Hungarian case study was chosen. In Hungary, there are several parallel long-distance links, most of them are Budapest-centered. Based on this, travel chains between Budapest and 15 county seats or towns with county rights have been determined. During the evaluation, polynomial regression has been fit to the value pairs, i.e. travel time, as user parameter and travel distance; and unit cost per place in the vehicle, as operator parameter and distance. The optimization possibilities of long-distance public transport modes have been divided into 3 sections according to the relative position of the functions and deviation values (Figure 2, top). The competitiveness of buses even for long distances can be enhanced if Tempo1 00 (the allowed maximum speed is 100 km/ h on motorways) quality buses are applied. It has been demonstrated that the deviation of unit costs per seat in the vehicle is inversely proportional to distance. Based on revealed and stated questionnaires, user preferences change depending on travel distance. Three distance intervals have been defined, according to which user expectations concerning travel time, comfort and costs change. It has been proven that the distance intervals corresponding to mode choice are in harmony with the suggestions for traffic organization measures defined analytically. For shorter travels (under 150 kilometers) the users choose the bus service because of its reliability and the travel time, while in case of longer domestic mobility needs (above 180 kilometers) passengers pays extra money for the comfort (travel time is not so important) which can be guaranteed by railway service. Between 150 to 180 kilometers travel time and comfort affects in a same level regarding mode choice. The applicability of the regional model has been proven through a case study, which includes the optimization for all of the 7 regions of Hungary, handling all the parallel bus and train links of the country. It has been declared that calculating the quality index values for each parallel links and travel time and travel cost based utility functions, interventions can be suggested (Figure-2, bottom). The level of service can be increased solely by traffic organization measures, without the need for considerable investments. Regarding parallelism within the (bus) transport mode, a case study for an area in Hungary (Borsod-Abaúj-Zemplén county) was conducted, based on the 7-step model. The public transport service for ‘dead-end’ villages with a diminishing population can be improved by replacing traditional service in case of detours - as a feeder system to traditional main traffic - with demand responsive transport and the effective distribution of the present resources, without extra costs, which is beneficial both for users and operators. That replacing the traditional service with DRT service can decrease the Variable Description Dimension i departure (settlement) - j arrival (settlement) - k transport mode (b - bus, v - train) - t travel i,j,k total time required for covering the distance between the centres of i and j settlements, by k mode of transport min n daily i,j,k number of vehicles per day running between i and j settlements, by k mode of transport piece p j the proportion of the number of inhabitants of the given settlement and the total number of inhabitants of the settlements served by the given service - Table 1: Legend for Equation (1) Figure 1: 5-step model for optimizing parallel long-distance public transport (top); the optimization model for regional parallel public transport links (bottom) All figures: Author 01 Selection of parallel longdistance public transport links 03 04 DEFINITION OF TRAVEL CHAINS User parameters: 𝑡𝑡 ������ �𝑥�𝑥� � ∑𝑡𝑡 ����������������� �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ������� �𝑥�𝑥� ∑𝑡𝑡 ����������������� �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ������ �𝑥�𝑥� 𝑡𝑡 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ��������������𝑥�� �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ���������������� �𝑥� 𝑡𝑡 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ��������������𝑥�� �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 ���������������� �𝑥� 𝑠𝑠 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑠𝑠 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑠𝑠 ��������𝑥�𝑥� � 𝑠𝑠 ������ �𝑥�𝑥� 𝑠𝑠 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑠𝑠 ��������������𝑥�� �𝑥� 𝑠𝑠 ������ �𝑥�𝑥� � 𝑠𝑠 ��������������𝑥�� �𝑥� 𝑡𝑡 ������𝑥����𝑥�𝑥� � ∑𝑡𝑡 ����������������� �𝑥�𝑥� � 𝑡𝑡 �������𝑥����𝑥�𝑥� Operator parameters: 𝐶𝐶 ������𝑥�𝑥� � � ��������𝑥�𝑥�𝑥��������������𝑥� ����������𝑥� CALCULATION OF USER AND OPERATOR PARAMETERS Modelling of correlations between parameter values 𝑓𝑓 𝑥𝑥𝑥 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � � � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � ��� � � ��𝑥𝑥 ��� 𝑥𝑥 � 𝑀𝑀 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� � 𝑀𝑀�𝑦𝑦 � � 𝑀𝑀 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� 𝑥𝑥 � � 𝑀𝑀 𝑦𝑦 � 𝑥𝑥 � 𝑀𝑀 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� 𝑥𝑥 �� � 𝑀𝑀 𝑦𝑦 � 𝑥𝑥 �� 𝑀𝑀 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 � � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� � 𝑥𝑥 � 𝑥𝑥 �� 𝑥𝑥 �� � 𝑀𝑀�𝑦𝑦 � 𝑥𝑥 �� � Correlation variable: 𝑟𝑟 �� � � ∑ �� � ��̅ ���� � ���� ���� � � �� � ������ REGRESSION ANALYSIS From user and operator perspectives DETERMINATION OF THEORETICAL DISTANCE-BASED BOUNDARIES 05 Analysis of the possibilities of developing the model DEVELOPING 02 Selection of-parallel- public transport lines Collecting service-quality data Calculation of-quality parameters Defining the interval boundaries for the values of- quality parameters Validating the interval boundaries for the values of- quality parameters Defining the traffic organization measures Optimized public transport network National-Bus Timetable STATISTICAL-OFFICE Changes of-timetables National-Railway Timetable Travel time Frequency Local-public transport timetable Route planning software Local-public transport timetable Route planning sotfware Access-and- egress time Access-and- egress time Population register Travel time Frequency Access-and- egress time Access-and- egress time AB AB Fares LOGIT-MODELL Defining the interval boundaries for the values of-quality parameters Feeder service- within the city Feeder service- within the city Domestic travel VALIDATION OPTIMIZATION National-Bus Timetable ‐ Database Access-and- egress time ‐ Data LOGIT-MODEL ‐ Mathematical calculation or activity ‐ First step of-the optimization Selection of- parallel-public transport lines Route planning software ‐ Software LEGEND INTERNATIONAL European Friedrich-List-Award 2022 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 40 costs by more than 50 EUR in the morning off-peak period, 228 EUR daily. Conclusions One of the international (especially in Middleand East-Europe) problems of public transport system is that domestic long-distance links are served both by buses and trains, in a parallel manner. Furthermore, there are parallel bus and train services in all regions of the countries, and several cross-country parallel links are also existing. This situation can result in a competition between the two modes, generating a system that is not sustainable. Parallel services are present not only between modes, but also within branches. This is characteristic of road systems connecting hamlets, as in these regions demand-responsive social transport systems have been maintained by local governments for closed communities in the past 20 years, while the state-ordered parallel traditional public transport services have also been operated. This means that both human resource management and vehicle management work suboptimally, in total in a wasteful manner. Generally applicable, complex, mathematical-based models for the optimization of the mentioned parallel public transport systems were developed. The complexity of the models is represented by the parameters considered (both from user and operator perspective). The practical applicability of the models is demonstrated through Hungarian case studies. The developed models can have a decision support function in the rationalization of parallel public transport systems. Adapting to the transport strategy and concept of each country, the parallel links/ systems exist between and within the different modes of transport can be optimized in time, either simultaneously or sequentially, according to the models. Regarding future research, the evaluation of the factors examined in the model developed for the optimization of parallel services between modes of transport. Within road public transport, the external effects (environmental and accident costs) can be quantified with a CBA based on guide document. Furthermore, the analysis of user preference and parameter-based long-distance models can be extended to parallel international public transport in order to optimize the division of labor in transport. ■ REFERENCES [1] Fleischer, T. (2005): Fenntartható fejlődés-fenntartható közlekedés. University Library of Munich, Germany. www.vki.hu/ ~tfleisch/ PDF/ pdf05/ fleischer_fe-fejl-fe-kozl_kmszle05-12.pdf (Access: 10.06.2016) [2] Buis, M. L. (2019): Logistic regression: When can we do what we think we can do? www.maartenbuis.nl/ wp/ odds_ratio_3.1.pdf (Access: 29.05.2016) [3] Kosztyó, Á.; Török, Á. (2007): Döntésmodellezés a közúti közlekedési módválasztásban. In: Marketing & Menedzsment 41(1), 48-51. http: / / real.mtak.hu/ 5258/ (Access: 09.10.2018) [4] Kövesné Gilicze, É.; Debreczeni, G.; Csiszár, Cs. 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The impact of the transport infrastructure on the sustainable development of a region is analyzed, based on ecological and socioeconomic indicators. In addition, the transport demand and the relationship between population density and transport infrastructure are examined. The objective of the thesis is analyzing and presenting the effects of transport infrastructure on the sustainable development of a region. The ecological analysis includes a forecasting procedure with the indicator of land use. The socioeconomic analysis examines the development of seven indicators: population development, total net migration, commuter balance, unemployment rate, employment rate, household income, gross domestic product. Stefan Schomaker T he 1987 report of the World Commission on Environment and Development (WCED) of the United Nations (UN), also known as the Brundtland Report, includes the requirement of sustainable development, which involves meeting the needs of the current generation without compromising the ability of future generations to meet their own needs [1]. The so-called “3-pillar model” of sustainability was established, consisting of an ecological, an economic and a social dimension. In 2015, the UN member states adopted the 2030 Agenda, the Sustainable Development Goals. The core of the 2030 Agenda was formed by a total of 17 Sustainable Development Goals (SDGs), which take into account all three dimensions of sustainability in equal measure [2]. The relevance of the transport infrastructure in the context of a sustainable development becomes clear in the current sustainability strategies of the United Nations, the European Union as well as the Federal Republic of Germany, from which a need for action as well as the reason for the choice of the topic can be derived. The Agenda 2030 includes the effort to develop sustainable transport systems [3]. The EU sustainability strategy of 2006 also explicitly states that transport systems must meet economic, social and ecological requirements and thus minimize their impact on the economy, the environment and society [4]. The success of the European Green Deal depends, among other subjects, on a sustainable transport system [5]. The importance of transforming the economy into a sustainable development has made it clear by resource increase, energy demand, raw material price, and the political EU climate neutrality objective by 2050. It can also be seen that, in terms of sustainability strategies and political efforts at global, European, and national level, transport and transport infrastructure are important for sustainable development. The necessity to design the transport infrastructure in a sustainable way is taken up in this thesis and analyzed for selected regions in Germany. This work provides a scientific contribution to sustainable development in the field of transport infrastructure. Transport and transport infrastructure can make an important contribution to sustainable development. Objectives The work objectives are analyzing and presenting the effects of transport infrastructure on the sustainable development of a region. Based on these results, options for action to realize the sustainable development of a region in connection with the transport infrastructure are formulated. The main objective is to determine the conditions for the sustainable development of a region and the influence of transport infrastructure on a region. Furthermore, the development of economic, ecological and social sustainability indicators is necessary to measure the sustainable development of a region. Possible mechanisms of interaction between the transport infrastructure and the sustainable development of a region must be described. Likewise, potential conflicts between often desired economic impulses [6] and negative ecological impacts of transport infrastructure development have to be presented. From this context, corresponding research questions can be derived. Thus, it is also the objective of the thesis to clarify the research question, which effects do the regional transport infrastructure has on the economic, ecological and social development of a region. Furthermore, the question is to be answered, which measures are necessary in relation to the transport infrastructure in order to promote the sustainable development of a region. Research results First, the article shows insights into the relationship between population density of a region and transport infrastructure den- Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 42 INTERNATIONAL European Friedrich-List-Award 2022 sity (Table 1). If the population increases, this is potentially related to an increasing demand for mobility. However, a causal relationship is not necessarily given [7]. There is a strong correlation between population density and transport infrastructure density for the individual counties and independent cities of the three study regions. Connected with the ecological analysis is the question of whether the respective study region achieves the target value for the daily increase in settlement and transport area in 2030. As a conclusion, it can be stated that in two of the three study regions, the development of the regional transport infrastructure can be recognized as ecologically sustainable, since the region-specific target values are not reached in 2030. In the context of the analysis, it should be noted that the indicator does not exclusively include the transport infrastructure area, but that the settlement area is also included in the calculation. Within the framework of the ecological analysis, it was found that the share of settlement area in the above-mentioned indicator corresponds to approx. 63 percent throughout Germany and the share of transport area to approx. 37 percent [8]. The greater influencing factor on this indicator is therefore to be seen in the expansion of new settlement areas. It can be concluded for the socioeconomic analysis that a high transport infrastructure density in a county or a countyfree city is not synonymous with a comparatively good socio-economic situation of the analyzed city or county. On the other hand, a comparatively good socioeconomic situation of a county or a county-free city does not necessarily require a high transport infrastructure density. It can be stated on the basis of the results of the socio-economic analysis for the study regions, that a high transport infrastructure density is not a sufficient condition for a positive socioeconomic development of the region. In summary, the effects of transport infrastructure on the sustainable development of a region must be evaluated in a differentiated manner. They are to be distinguished between the ecological and the socio-economic impacts on a region. A strong linear relationship between a high transport infrastructure density and a high result of the socio-economic analysis cannot be statistically proven for the study regions. Accordingly, the transport infrastructure is to be regarded as necessary, in terms of socio-economic impulses for a region. However, transport infrastructure is not a sufficient condition. In order to follow the guiding principle of the Regional Planning Act (ROG) [9] and the Commission for Equal Living Conditions [10], a potential approach of the transport infrastructure would be to improve or expand the connection and linkage of the counties and independent cities with high and low socio-economic results. Finally, based on the empirical analysis, the conclusion is that there is both an environmental and a socioeconomic impact of transport infrastructure in terms of sustainable development of a region. The daily increase in settlement and transport area can be influenced by observing the regionspecific target value. Likewise, regions can benefit from the expansion and new construction of transport infrastructure as well as from improved connections and links between (central) locations by triggering growth effects. These have a positive effect on the socio-economic indicators mentioned above and thus the development of the region can correspond to a sustainable development. Eliminating the bottlenecks is additionally important for the design of the transport infrastructure, considering the sustainable development of a region. The Federal Transport Infrastructure Plan carries out bottleneck analyses and gives priority to transport infrastructure measures where bottlenecks (congestion in road traffic, congestion in rail traffic) exist in the respective mode of transport to eliminate them. Congestion and train delays create capacityrelated bottlenecks that sometimes cause considerable waiting times. Reducing as well as resolving waiting times or bottlenecks has both environmental and socioeconomic benefits. Traffic-related emissions can be reduced and transportation costs can be lowered due to the time advantage. Thus, bottleneck elimination is also an important measure in the design of transportation infrastructure that promotes sustainable development of regions. Furthermore, it should be emphasized that the long-term development of transport infrastructure should not be considered exclusively from the national level, but is part of the European transport infrastructure policy [11]. A unified European transport area is the goal of the development of a- trans-European transport network (TEN-T), including an overall network (completion 2050) as well as a core network (completion 2030). Accordingly, all modes of transport are to be developed in such a way that a sustainable and economically efficient transport system is ensured. The research results of this work can make an important contribution to this. ■ Full Dissertation Schomaker, S. (2022): Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in ausgewählten deutschen Regionen. Lingener Studien zu Management und Technik, Band 21. Münster: LIT-Verlag. REFERENCES [1] UN (ed.) (1987): Report of the World Commission on Environment and Development, “Our Common Future”. Oslo, p. 54 [2] UN (ed.) (2015): Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development. New York, pp. 1 [3] UN (ed.) (2015): Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development. New York, p. 8, 21 [4] Rat der Europäischen Union (Hrsg.) (2006): Überprüfung der EU- Strategie für nachhaltige Entwicklung − Die erneuerte Strategie. Brüssel, p. 10 [5] Europäische Kommission (Hrsg.) 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(2019): Unser Plan für Deutschland, Gleichwertige Lebensverhältnisse überall, Berlin [11] Regulation (EU) No. 1315/ 2013 of the European Parliament and of the Council from 11 December 2013, ABl.EU L 348 Study region Correlation coefficient Mecklenburg-Western Pomerania r xy = 0,9964 Lower Saxony r xy = 0,9568 North Rhine-Westphalia r xy = 0,9542 Table 1: Statistical correlation between population density and transport infrastructure density Source: Own calculation Stefan Schomaker, Dr. Research assistant, Institute for Management and Technology, Osnabrück University of Applied Sciences - Campus Lingen (DE) s.schomaker@hs-osnabrueck.de European Friedrich-List-Award 2022 INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 43 Effects of travel time VMS on-urban traffic Attitudes to travel times displayed on variable message signs and effect on route choice Variable message sign, Travel time, Route choice, Sensitivity function, Stated preference Expected travel time information on variable message signs (VMS) supports even capacity utilization on the road network. To justify the importance of VMS in urban traffic, general user attitude to VMS was assessed and route choice decisions were investigated through stated preferences. Logit model was used to show how route choices are affected by changing expected travel time, reliability of travel time, and perceived travel time of alternative routes. Applying logistic regression, functions were defined that describe the sensitivity of route change depending on expected travel times. Renáta Bordás A ccording to mobility reports (e.- g. published by Inrix, Tom- Tom), congestion is a key issue in many cities causing bottlenecks and generating high external costs. [1, 2] Variable message signs (VMS) and coordinated traffic signals are traffic management tools that support traffic flows to be led on roads with more free capacity. The novelty of this research is to explore the effects of travel time VMS on traffic in the urban environment as this topic is not thoroughly investigated in scientific papers. Expected travel times displayed on variable message sign make drivers change their planned route to an alternative one with less travel time. By influencing route choice decisions, expected travel time signs shift the uneven capacity utilization on the network towards equilibrium. With utilized capacities, congestion relief can be achieved that goes with less delay, driver stress, fewer stops, and conflicts on roads. To assess the importance of travel time VMS, it was essential to unfold the current system’s ability to influence traffic and to learn about its impact on route choice. Therefore, the general attitude and response of traffic participants to expected travel time VMS were assessed. Urban route choice decisions are interpreted based on the effects of expected travel time, reliability of travel time, and perceived travel time. Furthermore, functions were defined that describe the sensitivity of route change regarding the expected travel times displayed on variable message signs. Finally, subnetwork criteria for further application of the results were specified. This paper reports about the assessment of VMS network impacts and its real potential to be used as a traffic management tool. This own research was made to support a R&D project about traffic management. Survey methods and structure Stated preference methods offer the possibility to identify behavioural responses to choice situations that cannot be observed and measured in real time on the roads. In the present research, a wide range of route choice predictor variables were observed with this practice, that would have not been perceptible on the road network with revealed preference methods. [3] The compiled questionnaire served as a two-step survey of users’ reactions to the VMS. Firstly, a general section aimed at exploring driving habits and common user attitudes to travel time VMS. In the second part, respondents were required to state their preferences in discrete choices and hypothetical situations regarding route choices. In the discrete choice experiment (DCE), respondents expressed their preferences based on route attributes as respondents were required to choose one of a set of product cards that referred to traffic conditions of different routes of the same destination. According to the model, the respondents associate different degrees of utility to attributes and levels, the sum of which determines which route is more beneficial to them. [4] The second part of stated preference research carried corresponds to contingent valuation, where respondents were asked how much extra travel time they tolerate to stay on their planned route and how much extra travel time make them change their route due to congestion. Questions according to the mentioned survey methods were asked from the target population, that were people who have ever met travel time VMS. Participants attended from Budapest and selected parts of its agglomeration as the sample area. The sample size can be considered reliable. Attitude to travel time variable message sign In the questionnaire, participants evaluated the usefulness and accuracy of the VMS panels on a five-point Likert scale. Overall, results show positive user attitude towards the VMS system. 81 % of respondents considered the VMS useful and 58 % considered them accurate in displaying the expected travel time. Accuracy got less positive reviews because more respondents remained neutral in this case. In the subset of active driver respondents who have ever seen a VMS panel with travel times displayed, 20 % of drivers take the VMS into account during driving. In the subset of those, who regularly drive on routes where VMS panels are deployed, 24 % of drivers consider the travel time information displayed. INTERNATIONAL European Friedrich-List-Award 2022 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 44 Effects of travel time, travel time reliability, and perceived travel time The characteristics of suburban trips and the surrounding network of VMS panels were observed in Budapest to set the levels- of route attributes. The following route attributes were placed on card pairs with fractional factorial design in DCE questions: •• travel time (10 minutes, 15 minutes, 20-minutes), •• travel time reliability (60 %, 90 %, 99 %), •• perceived travel time (few intersections, many intersections). The levels of route attributes were set to be approximately equidistant on the utility function. [5] The reliability of travel time is expressed as follows: with x % reliability, there is x % chance the driver will complete the route within the given travel time and 100−x % chance that it will take more than that. Perceived travel time is expressed in the number of intersections and turns, which can affect the perception of comfort and thus the perceived travel time through decelerations, stops, and higher risk of accidents. Proper encoding of attribute levels was essential for correct results of the logit model that was used to assess the discrete choices. In the logit model the usual terms “success” (1) and “failure” (0), as the outputs of DCE, represent choosing a given card and not choosing that. Odds of success are defined as the ratio of the probability of success (P x ) over the probability of failure (1-P x ). Equation (1) presents, that according to the model the natural logarithm of the odds, that is the logit of probability, is a linear function of the explanatory variables. The parameters of utility functions are estimated by maximum likelihood method which is an iteration procedure. [6] (1) Logit model was run on two data sets. One dataset contains the responses to situations where respondents had to arrive at exact time (e.g., meeting), the other dataset is based on the responses when drivers could arrive at any time to their destination (e.g., shopping). 1,728 observations were used in both datasets analyses, and 4 iterations were needed for the results. At a 5 % significance level, the model is statistically significant. Coefficients were converted to changes in the probability of a card’s choice resulting from a one-unit change in the attribute. A summary of the results with some indicators of model fitting is shown in Table 1. Values underlined are considered statistically significant at a 5 % significance level. Overall, based on these values, it can be concluded for the three attributes that travel time is not a significant factor in route choice between 10 to 20 minutes if the reliability of this information may vary and the driver needs to arrive at exact time to their destination. Apparently, most people usually have 10 minutes of spare time when they need get on time to their destination. Therefore, in the case of an exact arrival time, the reliability of the information and the number of nodes and turns were the determining factors in the decisions. The number of junctions and turns had a negative effect on the probability of choice, presumably uncertainty was associated with this attribute. With the condition of not determined arrival time, changing travel time had the largest impact on card choices, while a decrease in reliability to 90 % did not show a significant change in choices. It can be concluded that respondents were more willing to take risks (in certainty) to get to their destination faster as they had no chance of being late for their destination. Sensitivity of route changing Regarding two illustrative subnetworks of Budapest, respondents stated how much extra travel time (due to congestion) makes them change their chosen route to an alternative one. The input was the increased travel time of the planned route, and the binary output was the options to stay on ∆ Px Travel time Reliability of travel time Number of intersections Goodness of fit from 10 min. to 15 min. from 15 min. to 20 min. from 99% to 90% from 99% to 60% from few to many LR chi2(4) Prob> chi2 Pseudo-R2 arrive at exact time -0,42% -0,43% -12,05% -53,22% -4,60% 375,75 0,0000 0,1569 arrive at any time -14,58% -16,11% 0,69% -11,52% -1,18% 150,07 0,0000 0,0626 Table 1: Effects of route attributes on probability of route choice Figure 1: Sensitivity functions in different route conditions Source: Author European Friedrich-List-Award 2022 INTERNATIONAL Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 45 route (0) or change route (1). Equation (2) shows the logistic regression formula by which route change probability was assigned to the minute values of the expected travel times . The function was fitted by maximum likelihood method. (2) The dataset contains only the responses of those who are willing to change their route based on VMS. The diversity of the functions can be seen in Figure 1. Different route conditions that define the sensitivity of route choice (slope of regression functions) are defined in Table 2. The criteria relate to the length of the routes, the information about the alternative route and the similarity of the alternative routes concerned. Considering the criteria above, sensitivity functions can be used for estimating travel time VMS effects on traffic in similar subnetworks to the sample ones in the questionnaires. Furthermore, these results facilitate the deployment design process of the VMS system. Conclusion The importance of travel time VMS has been justified as a positive user attitude was assessed and 24 % of active drivers concerned consider VMS in their route choice. The reliability of the travel time information is of the atmost relevance for drivers in route choice. Drivers tend to react even at small travel time excess with route changing. In case of congestion, drivers are willing to change their route more likely if the alternative route is more similar and expected travel time information is available for the alternative route as well. These statements concern road sections of 10-20-30 minutes in urban and suburban environments. Survey results support determining potential spots on the network where VMS deployment would have significant benefits for traffic participants and operators. Historical VMS data and traffic data with the sensitivity functions made it possible to calculate realized travel time benefits at a given subnetwork of Budapest for a given period. Time benefits realized also proved the significant role of the current system in managing capacity utilization. Travel time VMS system contributes to leading traffic flow from congested paths, thus reducing travel time, stops, conflicts and stress for drivers. Road network operators also have the potential to incorporate prediction in the VMS system for more efficient traffic management. This research provides a basis for the development of traffic management strategies that include congestion forecasting in expected travel time signs. Thus, operators would be able to intervene before congestion occurs or in the very initial phase. This research has shown the extent to which the current VMS system influences traffic and that the reliability of travel time information plays a crucial role in route choice decisions. It is worth continuing to work on this topic by modeling the effects of travel time VMS and creating a strategy with prediction to be able to intervene in the queueing in a very initial phase. ■ equation 1 equation 2 equation 3 equation 4 equation 5 equation 6 equation 7 β 0 -4,4957 -5,9868 -4,8419 -4,1041 -3,7814 -5,0971 -5,3839 β travel time 0,2148 0,5106 0,3488 0,4254 0,3322 0,5048 0,5276 R 2 0,4070 0,3851 0,3845 0,5029 0,0670 0,4076 0,4254 Route conditions for application of coefficients Route of 8-30 minute-drive (uncongested) x x x x x Route of 2-20 minute-drive (uncongested) x x Expected travel time information is available on alternative route x x Heterogeneous characteristics of alternatives x x x x x Homogeneous characteristics of alternatives x x No traffic information about the alternative route x Urban region x x x x Suburban region x x x Table 2: Subnetwork criteria for further application of the equations Renáta Bordás, MSc. Transportation Engineer, Department for Transportation Planning, Főmterv Civil Engineering Ltd., Budapest (HU) bordas.renata@fomterv.hu The research reported in this paper was supported by the market-driven research, development and innovation projects (2019-1.1.1-PIACI-KFI-2019-00330). REFERENCES [1] B. Pishue, P. (2021): INRIX Global Traffic Scorecard. https: / / inrix.com/ (Access: 2022.04.25.) [2] TomTom International BV, Traffic Index 2021. www.tomtom.com/ en_gb/ traffic-index/ ranking/ (Access: 2022.04.25.) [3] Kroes, E. P.; Sheldon, R. J. (1988): Stated preference methods In: Journal of Transport Economics and Policy (Vol. 22), No. 1, pp. 12-25 [4] Baji, P. (2012): A diszkrét választás módszere. In: Statisztikai Szemle (Vol. 90), No. 10, pp. 943-963 [5] Daly, A.; Dekker, T.; Hess, S. (2016): Dummy coding vs effects coding for categorical variables: Clarifications and extensions. In: Journal of Choice Modelling (Vol. 21), pp. 36-41 [6] Hajdú, O. (2016): Ökonometria, Budapest, BME Üzleti Tudományok Intézet pp. 89-97 Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 46 Mobilitätsmonitor Nr. 14 - Mai-2022 ÖPNV-Nachfrage, Geteilte Mobilitätsangebote, Elektromobilität Der halbjährliche Monitor von WZB und M-Five erfasst klimafreundliche Mobilität in deutschen Städten. Im Fokus stehen Indikatoren der Verkehrswende im Hinblick auf Alternativen zu Privatautos mit Verbrennungsmotor. Diese Ausgabe umfasst die Fahrgastentwicklung im ÖPNV sowie das Sharing-Angebot in Städten und Umlandgemeinden. Zudem werden Bestand und Neuzulassungen elektrischer PKW sowie der Aufbau von Ladeinfrastruktur dargestellt. Christian Scherf, Mareike Bösl, Julian Emmerich, Andreas Knie, Rafael Oehme, Lisa Ruhrort, Wolfgang Schade, Tabea Schmidt, Marcel Streif P ro Ausgabe werden bis zu zehn Städte betrachtet. Sie haben jeweils eine Einwohnerzahl von knapp 0,6 bis 3,6 Millionen und zusammen über 11 Millionen Menschen bzw. etwa 14 % der deutschen Gesamtbevölkerung. Für die Analysen wurde je nach Datenlage 1 und Darstellungsart eine Auswahl getroffen. ÖPNV-Nachfrage im zweiten Corona-Jahr Ergänzend zu den vorherigen Ausgaben (IV 2/ 2021, 4/ 2021) wurden die Zeitreihen der Fahrgastentwicklung im ÖPNV fortgesetzt. Bild 1 zeigt die prozentuale Nachfrage 2 gegenüber dem Niveau vor der Corona-Pandemie seit Januar 2020 in Berlin, Hamburg, Stuttgart und München. Der Ausgangswert (100 %) entspricht ungefähr dem mo- Bild 1: Fahrgastentwicklung im ÖPNV ab Jan. 2020 (=100 %) in Berlin, Hamburg, Stuttgart, München sowie nach VDV-Befragung; Schätzung auf Basis relativer Monatswerte (HVV, MVG, VDV, VVS) und absoluter Quartalswerte (BVG) Quelle: Auskünfte von BVG, HVV, MVG, VDV, VVS; Recherche: C. Scherf; Grafik: R. Coenen Foto: Pascal König / pixabay MOBILITÄT Mobilitätsmonitor 2020 2021 2022 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 1. »Lockdown« (Ende März bis Anfang Mai 2020) 2. »Lockdown light« (Anfang November 2020 bis Anfang März 2021) 3. »Bundesnotbremse« (Ende April bis Ende Juni 2021) 4. »bundesweite 3G-Regel« (ab Ende August 2021) 5. Neuregelungen im Infektionsschutzgesetz (ab Ende November 2021) 1. 2. 3. 4. 5. 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Berlin (nur BVG) Hamburg (gesamter HVV) Stuttgart (gesamter VVS) München (nur MVG) VDV-Umfrage (min./ max.) Relative* ÖPNV-Fahrgastentwicklung im Verlauf des Pandemiegeschehens in Prozent * 100% bezieht sich auf das Fahrgast-Niveau aus Januar 2020 Q4 Q1 © WZB / M-F ive © WZB / M-Five Netzlänge der Stadt- und Straßenbahnen in Kilometer 100 200 0 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Berlin ↑ +4,4 km (+8% Bev.) Leipzig ↓- 6,5 km (+20% Bev.) Köln ↑ +7,3 km (+12% Bev.) Frankfurt a. M. ↑ +7,5 km (+18% Bev.) Stuttgart ↑ +9,8 km (+7% Bev.) Essen ↓- 2,7 km (-1% Bev.) München ↑ +9,8 km (+19% Bev.) Netzänderung (2004-2020) ↑ ↓ (Bevölkerungsänderung 2004-2020) Bild 2: Länge der Stadt- und Straßenbahnnetze pro Jahr in km Quelle: VDV 2004ff.; Recherche: T. Schmidt; Grafik: R. Coenen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 47 Mobilitätsmonitor MOBILITÄT natlichen bzw. durchschnittlichen Niveau von 2019. Dazu ist die Spannbreite einer Befragung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) unter seinen Mitgliedern abgebildet. Für Berlin und München liegen Daten der jeweiligen Verkehrsbetriebe (BVG und MVG) vor. Die Daten für Hamburg und Stuttgart beziehen sich auf den ganzen Verkehrsverbund (HVV bzw. VVS), der jeweils über die Stadtgrenze hinausreicht. Die nummerierten Abschnitte zeigen Ereignisse der Pandemiepolitik. Seit der letzten Ausgabe ist zu erkennen, dass die Nachfrage in allen betrachteten Betrieben/ Verbünden zunahm. 3 Es werden jedoch in keinem Fall deutlich mehr als 80 % des Vor-Corona-Niveaus erreicht. Lediglich der HVV lag im Oktober 2021 leicht darüber. Zum Jahresende 2021 ist wieder ein mäßiger Abschwung zu erkennen. Die ausgewählten Betriebe und Verbünde liegen im Wesentlichen innerhalb des Korridors der VDV-Befragung. 2020 gab es jedoch leichte Unterschreitungen. Im Sommer 2021 lag die MVG-Nachfrage unter dem niedrigsten VDV-Umfragewert. Entwicklung der Stadt- und Straßenbahnnetze Bild 2 illustriert die Streckenlängen von Stadt- und Straßenbahnen ohne Doppelzählung aufgrund von Gleis- oder Linienführung von 2004 bis 2020. Die Auswertung ergab, dass die absolute Streckenlänge in fünf von sieben betrachteten Städten leicht gestiegen ist. Zusammen maßen alle Netze im Jahr 2020 ca. 905 km (2004: ca. 878 km). Über die Zeitspanne war der Ausbau in München (+9,8 km) und der Rückgang in Leipzig (-6,5 km) am stärksten. In allen Städten außer Essen (-1 %) wuchs die Bevölkerung im selben Zeitraum, durchschnittlich um ca. 11 %. Dadurch sank die Netzlänge pro 1.000-Einwohner im Schnitt von ca. 157 m/ 1.000 Einw. (2004) auf ca. 142 m/ 1.000 Einw. (2020). 4 In Leipzig ist dies besonders ausgeprägt. Die Einwohnerzahl wuchs hier um ca. 20 %, während die Netzlänge von ca. 150 km auf ca. 143 km abnahm. Für die nächsten Jahre sind in mehreren Städten Neubaustrecken geplant (Berlin, Essen, München) bzw. Ausbauten absehbar (Leipzig, Köln, Stuttgart). Sharing-Markt im Frühjahr 2022 Im Bereich der Shared Mobility zeigt sich im Vergleich zur letzten Ausgabe allgemein eine starke Kontinuität. Die meisten Angebote sind weiterhin im Markt, und in allen Sparten gibt es Neuzugänge, so etwa der Rollersharing-Anbieter Check in Düsseldorf und das Lastenrad-Sharing Cargaroo in Berlin. Auch im Bereich Carsharing sind mit Kinto, GreenMobility und Deer neue Angebote hinzugekommen. Insbesondere in der Sparte Roller- und E-Scooter-Sharing wurden aber auch einige Angebote eingestellt. So zog sich etwa Bird aus mehreren Städten zurück. Der Ridepooling-Anbieter CleverShuttle hat mit Leipzig und Düsseldorf seine Eigenmarke komplett eingestellt und agiert nun ausschließlich als Partner kommunaler Verkehrsunternehmen. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist die Übernahme des wichtigsten Bikesharing-Anbieters Nextbike durch den vormals auf E-Scooter konzentrierten deutschen Anbieter Tier. Insgesamt zeigt sich das Bild eines weitgehend stabilen Marktes. Entscheidend für eine breitere Nutzung von Shared Mobility ist eine Erweiterung der Angebote jenseits der Großstädte. Erstmals betrachten wir daher in dieser Ausgabe auch das direkte Umland ausgewählter Städte. Dabei zeigt sich, dass Angebote verschiedener Sparten bereits in einige Umlandgemeinden ausgeweitet wurden. Am deutlichsten ist dies im Bereich Carsharing: So sind unter anderem Flinkster, Stattauto und Stadtmobil jeweils in einigen Umlandgemeinden der vier Städte vertreten. Hinzu kommen Peer2Peer-Plattformen wie Getaround oder Snappcar, über die allerdings oftmals jeweils DER MOBILITÄTSMONITOR Der Mobilitätsmonitor ist eine gemeinsame Publikationsreihe der Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) gGmbH und der M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics in Karlsruhe. Wir danken Robin Coenen - Visual Intelligence & Communication für die grafische Umsetzung und dem Magazin Internationales Verkehrswesen für die Veröffentlichung. Frühere Ausgaben unter: www.internationales-verkehrswesen.de/ der-mobilitaetsmonitor Avocargo Donk-EE Donkey Republic DOTT KVB Rad Lime Metropolrad Ruhr MVG Rad Nextbike Sigo fLotte Hannah Bikesharing Cargoroo SprintRad Tier Check Rollersharing Eddy Emmy Evo Sharing Go Sharing rhingo Stella Tier Zoom Sharing Bird Bolt DOTT Felyx Frank-e E-Scooter sharing Voi Lime Spin B M HH K F S E L H D Eingestellt/ Pausiert Aktiv Übernahme/ Namensänderung Wheels Fischbecker Heidbrook clever Flinkster GreenMobility greenwheels Hertz 24/ 7 Kinto Share Robben Wienjes Van Sharing Scouter ShareNow Sixtshare Stadtmobil Stattauto teilAuto Weshare Carsharing Status der Sharing-Anbieter Berlin München Hamburg Frankfurt a. M. Köln Stuttgart Essen Leipzig Hannover Düsseldorf Getaround Snapcar Berlkönig Bussi CleverShuttle Flexa ioki Shuttle Isi P2P-Carsharing Ridepooling SSB flex © M-Five / WZB Knut Moia Shuttle Sprinti B M HH K F S E L H D Frühjahr 2022 ggü. Herbst 2021 Deer Call a Bike Tier Cambio book-n-drive Miles Bild 3: Status der Sharing-Anbieter, Stand Frühjahr 2022 Quelle: Angaben der Anbieter; Recherche: M. Bösl, L. Ruhrort; Grafik: R. Coenen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 48 MOBILITÄT Mobilitätsmonitor nur ein privates Auto pro Gemeinde zum Verleih angeboten wird. Im Münchner Umland ist mit Immer mobil e.V. ein unkommerzielles stationsbasiertes Carsharing in Ottobrunn und Neubiberg entstanden. Im Raum München wurde auch das Bikesharing-Angebot MVG-Rad in mehreren Gemeinden ausgerollt, während zum Beispiel in Troisdorf im Kölner Umland das RSVG-Bike angeboten wird. Im Umland aller vier Städte gibt es vereinzelt auch E-Scooter-Angebote, etwa von Tier oder Bird. Insgesamt zeigt sich, dass einzelne Angebote auch im Umland der betrachteten Städte vertreten sind, bisher aber insgesamt eine lückenhafte Angebotslandschaft besteht. E-Flotten und Ladeinfrastruktur Bild 5 zeigt die Zahlen der in Berlin und Hamburg neuzugelassenen batterieelektrischen PKW (BEV) pro Monat. Im Jahr 2019 wurden in den betrachteten Städten je nach Monat zwischen 200 und 450- BEV neu zugelassen. Die Absenkung der Dienstwagensteuer für BEV und Plug-In (PHEV) zum Jahresbeginn 2019 auf 0,5 % schlägt sich nicht unmittelbar in der Zulassungsstatistik nieder. Nach einem leichten Anstieg in den Wintermonaten gingen die Neuzulassungen im Frühjahr 2020 leicht zurück. Der Rückgang im April 2020 fällt mit dem ersten Corona-Lockdown zusammen. Ab Sommer 2020 zeichnet sich ein Aufwärtstrend bei den Neuzulassungen ab. Die Erhöhung des Umweltbonus im Februar 2020 (Kaufprämie bis zu 6.000 EUR), die Innovationsprämie im Juli 2020 (Kaufprämie bis zu 9.000 EUR) sowie die gleichzeitig in Kraft getretene, befristete Senkung der Mehrwertsteuer um 3 % könnten die Verkaufszahlen gesteigert haben (BMWK o. D.). Auf der Angebotsseite könnte die Absenkung der Flottengrenzwerte dazu geführt haben, dass die Modellauswahl und somit die Nachfrage steigt. Zum Jahresende 2020 verdoppelt sich die Zahl der Neuzulassungen im Vergleich zum Spätsommer, bevor sie zum Jahreswechsel stark einbricht. Eine Erklärung für den Ausschlag der Zulassungskurven könnte die Absenkung der Flottengrenzwerte auf 95 g CO 2 / km sein. Laut Verordnung muss „der Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge“ (BMU 2020) den Wert unterschreiten. Hersteller haben zum Jahresende versucht, möglichst viele BEV durch Eigenzulassung und besonders hohe Rabatte anzumelden, um die Einhaltung der Flottengrenzwerte zu gewährleisten (Gehrs 2021). In 2021 zeigt die Zulassungsstatistik eine ähnliche Dynamik wie im Vorjahr, wobei es deutlich mehr Neuzulassungen bei breiterer Modellpalette gibt (Haug/ Schade 2021). Der Ausschlag zum Jahresende ist aufgrund des generellen Anstiegs der BEV-Neuzulassungen etwas moderater. Die Ausweitung der Flottengrenzwerte für 2021 (von 95 % auf 100 % der Flotte), das wachsende Modellangebot und die damit gesteigerte Nachfrage könnten den zunehmenden Anstieg der Neuzulassungen auch 2021 begründen. Zudem wurde im Dezember 2021 die Verlängerung der Innovationsprämie bis Ende 2022 und eine Neuausrichtung für 2023 angekündigt. Seit Januar 2022 können alle privaten BEV-Halter: innen von der THG-Minderungsquote profitieren (BMWK 2021; Paulsen 2022). Die jüngsten Ereignisse wirken sich aber vermutlich nicht unmittelbar auf die Neuzulassungen aus, da die Lieferzeiten wegen Lieferengpässen lang sind. Wie im Vorjahr führen Eigenzulassungen und Rabatte zu einem Peak im Dezember 2021 und einem Einbruch im Januar 2022 . Bild 6 umfasst die Entwicklung des BEV-Bestands je Quartal im Vergleich zu den öffentlich zugänglichen Ladesäulen in den Städten Berlin und Hamburg von Juli 2018 bis Januar 2022. Im betrachteten Zeitraum liegt für beide Städte eine stetige Zunahme des BEV-Anteils am Gesamtbestand aller PKW vor, wobei sich der Anteil in Berlin mehr als versechsfachte (von 0,2 % auf über 1,3 %) und in Hamburg verachtfachte (von 0,2 % auf über 1,6 %). Im selben Zeitraum hat sich die Anzahl öffentlicher Ladesäulen in beiden Städten annähernd verdoppelt. Für das Quartal ab Juli 2018 ergeben sich im Verhältnis der Anzahl BEV pro Ladesäule 6,7 PKW für Berlin und 4,5 PKW in Hamburg. Durch den im Vergleich höheren Anstieg zugelassener BEV gegenüber in Betrieb genommener Ladesäulen steigt dieses Verhältnis auf 17,3 BEV pro Ladesäule in Berlin bzw. 17,1 BEV pro Ladesäule in Hamburg im 1. Quartal 2022. 5 Fazit Die Auswertung der ÖPNV-Nachfrage verdeutlicht, dass in keiner betrachten Stadt das Vor-Corona-Niveau erreicht wurde. Es bleibt abzuwarten, ob die aufgrund steigender Energiepreise geplanten Sharing-Anbieter in Umlandgemeinden ausgewählter Städte Bergisch Gladbach Rösrath Wesseling Brühl Hürth Frechen Leverkusen Köln Hannover Sehnde Lehrte Isernhagen Langenhagen Garbsen Seelze Gehrden Hemmingen Laatzen München Gräfeling Neuried Planegg Germering Pucheim Gröbenzell Olching Karlsfeld Oberschleißheim Garching Ismaning Unterföhring Haar Feldkirchen Taufkirchen Unterhaching Pullach i. Isartal Perlacher Forst Ottobrunn Aschheim Frankfurt a. M. Neu-Isenburg Mörfelden-Walldorf Rüsselsheim a. M. O†enbach am Main Maintal Bad Vilbel Karben Niederdorfelden Bad Homburg v.d. Höhe Oberursel (Taunus) Steinbach (Taunus) Eschborn Hofheim am Taunus Kelsterbach Raunheim Hattersheim am Main Kriftel Liederbach am Taunus Kelkheim Sulzbach Schwalbach Dormagen Pulheim Troisdorf Niederkassel Monheim am Rhein Ronnenberg Putzbrunn Neubiberg Rollersharing Taun-e Carsharing Mobileeee Stadtmobil Mikar Flinkster Cambio Snappcar Getaround Hertz 24/ 7 Stattauto Sixtshare immermobil Share Now Bikesharing Call a Bike RSVG Bike Wupsirad MVG Rad Nextbike Scootersharing Lime Bolt Tier Zoom Bird Bild 4: Sharing-Anbieter in Umlandgemeinden ausgewählter Städte Recherche: M. Bösl, L. Ruhrort; Grafik: R. Coenen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 49 Mobilitätsmonitor MOBILITÄT BMWK (o.D.): FAQ Elektromobilität. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, https: / / t1p.de/ vgao4 (Zugriff 20.04.2022). BNetzA (2022): Elektromobilität: Öffentliche Ladeinfrastruktur. Bundesnetzagentur, https: / / t1p.de/ Ladesaeulenregister (Zugriff 25.04.2022). Gehrs, B. (2021): Geschönte Statistik: Wie der VW-Konzern mit Eigenzulassungen von E-Autos 140 Millionen Euro Strafzahlungen umgangen hat. Greenpeace, https: / / t1p.de/ 53dd (Zugriff 20.04.2022). Haug I.; Schade W. (2021): Modellhochlauf E-PKW: Angebot in Deutschland. M-Five Policy & Futures Note, Ausg. No. 2, Karlsruhe, https: / / t1p.de/ pf-note2 (Zugriff 24.04.2022). KBA (2022): Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern. Kraftfahrt-Bundesamt, https: / / t1p.de/ KBA-Statistik (Zugriff 12.04.2022). Meyer, K. (2022): E-Auto-Boom: Es kommt auf die Politik an. Agora Verkehrswende, https: / / t1p.de/ vnho2 (Zugriff 20.04.2022). Paulsen, T. (2022): Geld verdienen mit dem E-Auto: So nutzen Sie die THG-Quote. ADAC, https: / / t1p.de/ ii54r (Zugriff 20.04.2022). VDV (2004ff.): VDV-Statistiken seit 2004 (versch. Ausg.). Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, https: / / t1p.de/ VDV-Jahresbericht (Zugriff 12.04.2022). Maßnahmen (z. B. das „9-EUR-Ticket“), dies ändern. Anhand des Tram-Ausbaus ist die langsame Entwicklung dieser ÖPNV-Infrastruktur ersichtlich, wobei mehrere Neu- und Ausbauprojekte für die nächsten Jahre Anstiege erwarten lassen. Im Bereich der Shared-Mobility-Angebote zeigt sich insgesamt eine weitgehend stabile Entwicklung. Allerdings ist die Angebotsvielfalt bisher vor allem auf die Großstädte konzentriert, während in den betrachteten Umlandgemeinden bisher nur vereinzelt Angebote der verschiedenen Sparten vertreten sind. Eine flächendeckende Ausweitung der Angebote in das Umland könnte aber eine wichtige Voraussetzung sein, um eine multimodale Mobilitätspraxis für weitere Teile der Bevölkerung attraktiver zu machen. Die absoluten BEV-Werte zeigen, dass sich der Antriebswechsel bei den Neuzulassungen in den letzten beiden Jahren zwar massiv beschleunigt hat, aber im Bestand nur langsam und auf niedrigem Niveau sichtbar wird. Für die Erhöhung der BEV bleibt der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur zwar ein Faktor, die aktuellen Lieferengpässe könnten aber ein größeres Hemmnis bilden für eine Fortsetzung des dynamischen Wachstums der letzten zwei Jahre. Kontakt WZB: lisa.ruhrort@wzb.eu M-Five: christian.scherf@m-five.de ■ 1 Die Erhebungen erfolgten nach den Standards des wissenschaftlichen Arbeitens, dennoch kann keine Gewähr für die Genauigkeit und Vergleichbarkeit übernommen werden. Dies gilt insbesondere für Daten Dritter. Bei lückenhaften Datenlagen wurden zum Teil Mittel- und Schätzwerte gebildet, so dass die Ergebnisse Näherungen sind. 2 Die Fahrgastentwicklung wurde aus den Angaben der jeweiligen Verkehrsbetriebe und -verbünde geschätzt. Die Angaben bestehen aus unterschiedlichen Zeitintervallen sowie teils aus absoluten und teils aus relativen Angaben, die aus Darstellungszwecken vereinheitlicht wurden. Die Kurvenverläufe werden nicht nur durch Corona beeinflusst. 3 Die Stagnation bei der BVG ist (auch) rechnerisch bedingt, da nur Quartalszahlen vorliegen. 4 Es kann Abweichungen zw. Stadt- und Gesamtnetzlänge geben, wenn das Netz über die Stadtgrenze hinausreicht oder Betriebsstrecken unterschiedlich gezählt werden. 5 Zu beachten ist, dass die Zahl verfügbarer öffentlicher Lademöglichkeiten höher ist als die Anzahl an Ladesäulen, da meist mehr als ein Ladepunkt je Ladesäule verfügbar ist. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Anzahl privater Ladestationen (Wallbox) nicht öffentlich einsehbar und damit unbekannt ist. QUELLEN BMU (2020): Das System der CO 2 -Flottengrenzwerte für PKW und leichte Nutzfahrzeuge. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, https: / / t1p.de/ xx8j (Zugriff 20.04.2022). BMWK (2021): Pressemitteilung Energiewende. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, https: / / t1p.de/ zfw9h (Zugriff 20.04.2022). Jan. 2020 Jan. 2019 Apr. Jul. Okt. 200 0 1.000 800 600 400 1.200 1.400 Ereignisse Berlin Hamburg Monatliche Neuzulassungen von E-Pkw (BEV, ohne PHEV) Jan. 2021 Apr. Jul. Okt. Jan. 2022 Apr. Jul. Okt. 1. Senkung Dienstwagensteuer (Januar 2019) 2. Absenkung Flottengrenzwerte (Januar 2020) 3. Erhöhung Umweltbonus (Februar 2020) 4. Erster Corona-Lockdown (April 2020) 1. 2. 3. 4. 5. 7. 8. 5. Absenkung MwSt. (Jul.-Dez. 2020); Einführung Innovationsprämie (Juli 2020) 6. Ausweitung Flottengrenzwerte (Januar 2021) 7. Verlängerung Innovationsprämie (bis Ende 2022) 8. THG-Minderungsquote für private BEV (Januar 2022) 6. © WZB / M-Five Bild 5: Monatliche Neuzulassungen von E-PKW (BEV, ohne PHEV) in Berlin und Hamburg Quelle: KBA 2022, Meyer 2022; Recherche: R. Oehme, T. Schmidt; Grafik: R. Coenen BEV-Bestand und ö entliche Ladesäulen in Berlin und Hamburg Hamburg 2019 2020 16.000 12.000 8.000 4.000 0 1.600 1.200 800 400 0 2021 2022 Ladesäulen BEV-Bestand BEV-Bestand Ladesäulen © WZB / M-Five Berlin 16.000 12.000 8.000 4.000 0 1.600 1.200 800 400 0 2019 2020 2021 2022 Ladesäulen BEV-Bestand Bild 6: Bestand von BEV (Achse l.) und öffentlichen Ladesäulen (Achse r.) in Berlin und Hamburg von Jul. 2018 bis Jan. 2022 Quelle: BNetzA 2022, KBA 2022; Recherche & Grafik: J. Emmerich, R. Coenen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 50 Potenzialanalyse vernetzter multimodaler Mobilität in der Schweiz Verlagerungswirkungen, Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrades sowie Reduktion Organisationsaufwand für Reisende im ÖV Multimodalität, Mobility as a Service, Potenzialanalyse, Verlagerungswirkungen, Schweiz, Verkehrspolitik Die Vernetzung multimodaler Mobilitätsdienstleistungen aufgrund technologischer Entwicklungen und neuer Angebotsformen bietet vielfältige Chancen, aber auch Risiken für eine nachhaltigere Mobilität. Im Rahmen der im Artikel vorgestellten Studie wurden die Potenziale in der Schweiz mit Blick auf das Jahr 2030 behandelt. Die Verlagerungswirkung beläuft sich auf 0,8 % der Personenkilometer. Durch den Einsatz von App-basierten Technologien sowie Plattformen mit MaaS-Angeboten eröffnen sich der Bildung von Fahrgemeinschaften neue Optionen. Für 2030 resultierte eine Reduktion von 0,82 % der gesamten Fahrleistungen. Ueli Haefeli, Frank Bruns, Tobias Arnold, Ralph Straumann D ie Vernetzung multimodaler Mobilitätsdienstleistungen aufgrund technologischer Entwicklungen und neuer Angebotsformen bietet vielfältige Chancen, aber auch Risiken für eine nachhaltigere Abwicklung der Mobilität. Bei der Weiterentwicklung der Multimodalität dürften solche Dienstleistungen eine zentrale Rolle spielen. Im Rahmen der hier vorgestellten zwei Studien aus der Schweiz wurden die verkehrlichen Potenziale und volkswirtschaftlichen Auswirkungen von vernetzten multimodalen Mobilitätsdienstleistungen (VMM) mit Blick auf das Zieljahr 2030 behandelt. 1 Die Untersuchung fokussierte dabei auf die folgenden Aspekte von VMM: •• Welche Verlagerungswirkungen vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf den ÖV (Öffentlicher Verkehr) sind zu erwarten? •• Wie können VMM zur Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrads im MIV beitragen? •• Welche volkswirtschaftlichen Nutzen durch VMM sind zu erwarten? Foto: Ernesto Velázquez / pixabay MOBILITÄT Mobilitätsdienstleistung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 51 Mobilitätsdienstleistung MOBILITÄT •• Welche Umweltwirkungen erzielt VMM? •• Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus unterschiedlichen Regulierungsszenarien? Damit sind selbstverständlich nicht alle denkbaren Wirkungen von VMM abgedeckt, aber aus Sicht der Autoren die bezüglich Verkehrsleistungen wichtigsten. 2 Angesichts rasanter Technologieentwicklung ist der Prognosehorizont 2030 verhältnismäßig lang, die Ergebnisse sind deshalb mit einer gewissen Vorsicht aufzufassen. Wichtiger als exakte Zahlen scheinen die Größenordnungen und die Einschätzungen der Wirkungen auf die Marktakteure sowie die Überlegungen zur Steuerung durch die öffentliche Hand. Das in Bild 1 dargestellte Wirkungsmodell gibt eine Übersicht über die unterstellten Wirkungszusammenhänge. Wirkungen von VMM auf die Verkehrsverlagerungen Verlagerungspotenzial vom MIV auf den ÖV ergibt sich unter anderem aufgrund einer Reduktion des Organisationsaufwandes für intermodale Fahrten durch VMM. Auf Basis des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 3 wurden 15 Anwendungsfälle eruiert, bei denen das größte Verlagerungspotenzial zu erwarten ist. Diese Anwendungsfälle decken alle Verkehrsmittel, Zwecke und Räume ab und machen in der Summe etwa rund drei Viertel der in der Schweiz zurückgelegten Personenkilometer (Pkm) aus. Die ermittelte Verlagerungswirkung beläuft sich auf 0,8 % der Personenkilometer (Bandbreite 0,5 bis 1,1 %). Auf dieser Basis werden im Zieljahr 2030 aufgrund von VMM etwa 1,13- Mrd. Pkm oder etwa 0,68 Mrd. Fahrzeugkilometer (Fzkm) vom MIV auf den ÖV verlagert. Wie lassen sich diese Ergebnisse einordnen? Ein Blick auf die langfristige Entwicklung des Modal Splits in der Schweiz zeigt, dass sich dieser in den letzten 50 Jahren als sehr stabil erwiesen hat, obwohl unter anderem seit 1970 die staatlichen Investitionen in den öffentlichen Verkehr massiv zugenommen haben. Eine Modal-Split-Verschiebung von 0,8 % fällt deshalb ins Gewicht. Die Verkehrsverlagerung durch VMM erzeugt einen volkswirtschaftlichen Nutzen in Höhe von rund 580 Mio. CHF pro Jahr. Dabei sind keine allfälligen Zusatzkosten von Mobilitätsanbietern (z. B. längere Züge, mehr Buskurse usw.) enthalten. Den höchsten Nutzenanteil generieren mit rund 64 % die Umsteigenden und die Erträge der Verkehrsunternehmen. Erhöhung des PW-Besetzungsgrades VMM können neben der Verlagerungswirkung auch einen Beitrag zur Erhöhung des Besetzungsgrades im MIV leisten. 4 Durch den Einsatz von App-basierten Technologien sowie Plattformen mit MaaS-Angeboten (MaaS = Mobility as a Service 5 ) eröffnen sich der Bildung von Fahrgemeinschaften allerdings vielversprechende neue Optionen. Für das Zieljahr 2030 resultierte aufgrund der Erhöhung des Besetzungsgrades eine Reduktion von 360 Mio. Fzkm, was 0,66 % der gesamten Fahrleistungen entspricht (Bandbreite 0,44 bis 0,89 %). Die Erhöhung des PW-Besetzungsgrades durch VMM erzeugt einen volkswirtschaftlichen Nutzen in Höhe von rund 165 Mio. CHF je Jahr. Der Nutzen resultiert vor allem aus der Reduktion der PW-Betriebskosten durch vermiedene PW-Fahrten (Nutzenanteil: 44 %) und der Erhöhung der Verkehrssicherheit (Nutzenanteil: 36 %). Die Verbesserungen für die Umwelt tragen zu rund 20 % an den Nutzen bei. Weitere volkswirtschaftliche Nutzen und Gesamtnutzen Auch Reisende im ÖV können durch multimodale Anwendungen zusätzlichen Nutzen erzielen, so beispielsweise durch verbesserte Informationen zur Sitzplatzverfügbarkeit oder durch einen verbesserten Zu- und Abgang zum ÖV. Unter der Annahme, dass VMM dank den vorgängig beschriebenen Verbesserungen den Organisationsaufwand für jeden Weg im Durchschnitt um eine Minute senkt, ergibt sich ein Nutzen gemäß dem Bewertungsverfahren NISTRA (Nachhaltigkeitsindikatoren für Straßeninfrastrukturprojekte) 6 in Höhe von 593 Mio. CHF. Input (Konzept, Umsetzung, Output) Rahmenbedingungen für inter- und multimodale Mobilität (Typologien von Instrumenten gemäss Kaufmann-Hayoz 2006) Mobilitätsnachfrager: Erkennen das Potenzial der mmM und verändern entsprechend ihr Mobilitätsverhalten bezüglich - Verkehrsmittelwahl - Besitz Mobilitätswerkzeuge - Zielwahl neue Fahrten - … Die Veränderungen können je nach Zielgruppe sehr unterschiedlich sein. - Gebote und Verbote: z.B. Anpassungen des Personenbeförderungsgesetzes, Regulierung von Datenschutzfragen - Marktwirtschaftliche Instrumente: z.B. Verteuerung bzw. Vergünstigung von Verkehrsmitteln, Flatrate-Ansatz - Serviceinstrumente: z.B. Dateninfrastruktur für multimodale Reiseinformationen, Plattformen für den Austausch von Geo-, Betriebs-, Vertriebs- und Preisdaten - Infrastrukturinstrumente: z.B. Park&Ride, Mobility Hubs - Vereinbarungen: z.B. Internationale Standardisierungen/ Harmonisierungen (z.B. mit EU-Richtlinien) - Kommunikations- und Diffusionsinstrumente: z.B. Sensibilisierungskampagnen, gemeinsames Zielbild innerhalb der Verwaltung Outcome Verhaltensänderungen bei Zielgruppen Impact Volkswirtschaftliche Effekte und Ressourcenschonung Mobilitätsanbieter: Betreiber und Beförderer erkennen die Potenziale der mmM, adaptieren bisherige und entwickeln neue Geschäftsmodelle Vermittler: Mobilitätsdienstleister entwickeln neue Angebote der mmM und fungieren als Schnittstelle zwischen Mobilitätsanbietern und Mobilitätsnachfragern Volkswirtschaftliche Effekte: - Erhöhung des Marktanteils der mmM - Innovationen in einzelnen Branchen - Vermiedene direkte bzw. externe Kosten - Einsparungen bzw. Kosten der öffentlichen Hand - Kaufkraftgewinn aufgrund der Veränderung der Mobilitätswerkzeuge in den Haushalten Effekte hinsichtlich Ressourcenschonung: - Verringerung des Energieverbrauchs - Verringerung des CO 2 -Ausstosses - Verbesserung der Luftqualität - Verringerung des Landverbrauchs - Verringerung der Lärmbelastung - Rebound Effekte? Weitere Effekte: - Internationale Vernetzung - Lebens- und Erschliessungsqualität von Agglomerationen Digitale Angebote zur Förderung der mmM: Mobility as a Service (MaaS) Anwendungsfälle in der mmM: Verkehrliche Effekte: - Veränderung des Verkehrsaufkommens: global und bezogen auf einzelne Verkehrsmittel (Reduktion? Induzierter Verkehr? ) - Veränderung der Mobilitätswerkzeuge in den Haushalten (z.B. Reduktion des Autobesitzes) - Effekte auf die Infrastrukturauslastung Bild 1: Wirkungsmodell Quelle: Autoren Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 52 MOBILITÄT Mobilitätsdienstleistung Dieser Nutzen entsteht vollumfänglich bei den Reisenden. Insgesamt beträgt der Nutzen von VMM aus Verlagerung, Erhöhung des PW-Besetzungsgrades und sinkendem Organisationsaufwand der ÖV-Reisenden in der Summe 1,338 Mrd. CHF je Jahr (inkl. Umweltwirkungen). Zusatzkosten für Mobilitätsanbieter (ÖV-Anbieter und Verkehrsunternehmen Erste/ Letzte Meile) aufgrund der Verlagerung konnten hier nicht ermittelt werden. Es sollte den Mobilitätsanbietern möglich sein, die Zusatzkosten deutlich niedriger als den Nutzen zu halten. Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Analysen wurde auch die Wertschöpfung durch VMM betrachtet. Die Wertschöpfung entspricht im Wesentlichen der Summe der Gehälter und dem erzielten Gewinn in einer Volkswirtschaft. Mit der Reduktion der PW-Fahrleistungen durch Verlagerung von MIV auf den ÖV und der Erhöhung des Besetzungsgrades der Fahrzeuge erhöht sich per Saldo die Wertschöpfung in der Schweiz je nach Betrachtungsansatz um 20 bis 105 Mio. CHF je Jahr. Dies entspricht circa 250 bis 1.300-zusätzlichen Vollzeit-Beschäftigten. Umweltwirkungen Die Umweltwirkungen von vernetzter (multimodaler) Mobilität sind gemäß unseren Ergebnissen immer positiv, auch wenn mit induziertem Neuverkehr 7 zu rechnen ist (vgl. dazu Bild 2). 8 Vernetzte (multimodale) Mobilität ist also nicht nur aus einer übergreifenden volkswirtschaftlichen Perspektive, sondern auch spezifisch bezogen auf die Umweltbilanz im Interesse der Allgemeinheit. Die Bandbreiten reflektieren, dass zehnjährige Prognosen immer mit beträchtlichen Unsicherheiten verbunden sind. Die in Prozent ausgedrückten Verlagerungen vom MIV auf den ÖV respektive die Erhöhung des Besetzungsgrads mögen klein wirken. Die in absoluten Zahlen ausgedrückten Umweltwirkungen sowie der damit einhergehende volkwirtschaftliche Nutzen zeigen jedoch, dass vernetzte (multimodale) Mobilität für die zukünftige Entwicklung eines nachhaltigen Verkehrssystems keineswegs zu vernachlässigen ist. Drei Regulierungsszenarien der Marktentwicklung In der Studie wurden drei Szenarien zur Akteursstruktur erstellt und bezüglich Chancen und Risiken für die Marktakteure und die öffentliche Hand analysiert. Szenario Closed: Da der Vertrieb der Mobilitätsanbieter und ihre relevanten Daten (Betriebs-, Preis, Geo- und Vertriebsdaten) für Akteure ausserhalb des ÖV nicht zugänglich sind, werden klassische ÖV-Transportunternehmen in diesem Szenario zu dominanten Mobilitätsvermittlern. Die Integration der verschiedenen Angebotsteile für die Mobilitätsvermittlung erfolgt durch die Erweiterung klassischer ÖV-Plattformen. Im Szenario Middle ist der Vertrieb der ÖV-Mobilitätsanbieter offen, der Vertrieb anderer Mobilitätsanbieter wenig bis teilweise offen, und es gibt Ansätze von Datenaustausch zwischen den Akteuren. Es ist denkbar, dass für den Datenaustausch eine freiwillig nutzbare, zentrale Dateninfrastruktur bereitgestellt wird. In diesem Setting etablieren sich klassische Transportunternehmen und spezialisierte MaaS-Firmen als dominante Mobilitätsvermittler. Im Szenario Open sind der Vertrieb sowie alle relevanten Daten aller Mobilitätsanbieter für alle anderen Akteure offen nutzbar. Dieses Szenario ist nicht zu verwechseln mit einem Laissez-Faire-Szenario, da das Szenario Open unter anderem eine proaktive und eher stark regulierende öffentliche Hand benötigt. Als dominante Mobilitätsvermittler etablieren sich in diesem Szenario Tourismus-, Event- und Marketingfirmen, spezialisierte MaaS-Anbieter und eventuell Technologieunternehmen. Dabei handelt es sich unter anderem um Akteure, die sich die Öffnung von Daten- und Vertriebsschnittstellen gut zunutze machen können und die darauf aufbauend innovative Bündelangebote konzipieren und im Markt positionieren können. Daneben sind die Aggregation von Daten in datenbezogene, kommerziell verwertbare Mehrwertdienste sowie der Verkauf von zielgruppengerechter Werbung weitere Erlösquellen. Die Chancen und Risiken für die öffentliche Hand variieren von Szenario zu Szenario hinsichtlich der Stärke der Wirkung stark, aber nicht hinsichtlich der Vorzeichen. Das Szenario Open bietet die größten Chancen, hat aber auch die größten Risiken. Beim Szenario Closed sind Chancen und Risiken am geringste. Folgende Chancen und Risiken stehen im Vordergrund: •• Chance 1: Realisierung zusätzlicher verkehrlicher Verlagerungspotenziale •• Chance 2: Reduktion des Ausstoßes klimaschädlicher Substanzen •• Chance 3: Zunehmende Wertschöpfung und Steuersubstrat durch in der Schweiz tätige Unternehmen •• Chance 4: Enabling und Aufbau eines innovativen Schweizer Sektors rund um multimodale Mobilität, MaaS und verwandte Themen •• Chance 5: Preisgünstige Mobilität für bisher weniger gut versorgte Bevölkerungsschichten CO 2 (Reduktion in Tonnen CO 2 ) 90’163 Untere Bandbreite 135’776 Mittelwert 183’082 Obere Bandbreite 6229 4588 3049 Energie (Reduktion in Tonnen pro Jahr) Untere Bandbreite Mittelwert Obere Bandbreite Lärm (Reduktion PW-Fahrleistungen in Mrd. Fahrzeugkilometer) 0,69 Untere Bandbreite 1,04 Mittelwert 1,40 Obere Bandbreite Luftqualität (Reduktion Feinstaub in Tonnen PM10) 27,0 Untere Bandbreite 40,7 Mittelwert 54,9 Obere Bandbreite Bandbreiten zu den Umweltwirkungen pro Jahr (Zieljahr 2030) Basis: NISTRA / mobitool.ch Bild 2: Umweltwirkungen Quelle: Autoren Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 53 Mobilitätsdienstleistung MOBILITÄT •• Chance 6: Sinkender Abgeltungsbedarf für die öffentliche Hand •• Risiko 1: Anheizen der Verkehrsnachfrage durch günstige Fahrpreise •• Risiko 2: Abnahme des Bewusstseins für Kosten der Mobilität bei der Endkundschaft •• Risiko 3: Verlust der Fähigkeit zur Verkehrssteuerung und -lenkung •• Risiko 4: Verlust der Fähigkeit zur Angebotsbeeinflussung und der Garantie der bedarfsgerechten Raumerschließung •• Risiko 5: Innovationstätigkeit im Bereich VMM und MaaS ausschlißslich bei globalen Großfirmen Fazit: Handlungsbedarf für die öffentliche Hand Die Studie belegt, dass vernetzte multimodale Mobilitätsdienstleistungen einen wichtigen Beitrag zu einer Entwicklung der Mobilität in Richtung Nachhaltigkeit leisten können. Ihr Nutzen wird sich jedoch nur realisieren lassen, wenn es der öffentlichen Hand gelingt, die Entwicklung frühzeitig im gewünschten Sinn zu steuern. Gerade die großen Unterschiede zwischen den Szenarien weisen auf den großen und dringlichen Bedarf an staatlicher Steuerung hin. Die internationale Entwicklung determiniert die nationale Politik in diesem Politikfeld aus unserer Sicht keineswegs vollständig; sie kann aber im Sinne der Stimulierung von Innovationen durchaus positive Wirkungen haben. ■ 1 Der Artikel basiert auf den folgenden beiden Studien: Haefeli, U.; Bruns, F.; Arnold, T.; Straumann, R. (2020): Potenzialanalyse multimodale Mobilität. Verlagerungswirkungen, Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrades sowie Reduktion Organisationsaufwand für Reisende im ÖV bis 2030. Bericht zuhanden des Bundesamts für Verkehr (BAV), Luzern/ Zürich. Haefeli, U.; Arnold, T. (2021): Umweltwirkungen vernetzter (multimodaler) Mobilität. Vertiefung der Studie „Potenzialanalyse multimodale Mobilität. Verlagerungswirkungen“ vom Oktober 2020. Bericht zuhanden des Bundesamts für Verkehr (BAV), Luzern. 2 Nobis, C. (2014): Multimodale Vielfalt. Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Berlin: Humboldt-Universität; Groth, S. (2019): Nach dem Auto Multimodalität? Materielle und mentale Multioptionalität als individuelle Voraussetzungen für multimodales Verhalten. Frankfurt: Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. 3 Bundesamt für Statistik/ Bundesamt für Raumentwicklung. Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2015, Neuenburg/ Bern. 4 Olsson, L. E.; Maier, R.; Friman, M. (2019): Why Do They Ride with Others? Meta-Analysis of Factors Influencing Travelers to Carpool. In: Sustainability 11 (8): 2414; Arnold, Tobias; Bachmann, Friedel; Haefeli, Ueli (2017): Sharing Economy: Blosser Hype oder echtes Versprechen? in: Strasse und Verkehr 6/ 2017, 27-33. 5 Zu Mobility as a Service vgl.: Meurs, H.; Sharmeen, F.; Marchau, V.; van der Heijden, R. (2020): Organizing integrated services in mobility-as-a-service systems: Principles of alliance formation applied to a MaaS-pilot in the Netherlands. In: Transportation Research Part A 131: 178-195; Polydoropoulou, A.; Pagoni, I.; Tsirimpa, A.; Roumboutsos, A.; Kamargianni, M.; Tsouros, I. (2020): Prototype business models for Mobility-as-a-Service. In: Transportation Research Part A: Policy and Practice 131: 149-162. 6 Bundesamt für Strassen. Handbuch eNISTRA 2017. Bern. 7 Ausführlich dazu: Litman, Todd (2021): Generated Traffic and Induced Travel. Implications for Transport Planning, 22 April 2021 Victoria Transport Policy Institute, https: / / www. vtpi.org/ gentraf.pdf. 8 Der Energiebedarf, der durch Digitalisierung und Apps ansteigt, wurde nicht in die Berechnung einbezogen. Anders als beim deutschen dürfte dieser beim schweizerischen Strommix marginal sein. Ralph Straumann, Dr. sc. nat. Leiter Data Science, EBP Schweiz AG, Zürich (CH) ralph.straumann@ebp.ch Gregor Ochsenbein Leiter Programm zur Nutzung von Daten für ein effizientes Mobilitätssystem, Bundesamt für Verkehr BAV, Bern (CH) gregor.ochsenbein@bav.admin.ch Frank Bruns, Dipl.-Volkswirt Partner und Leiter Verkehrswirtschaft und -finanzierung, EBP Schweiz AG, Zürich (CH) frank.bruns@ebp.ch Tobias Arnold, Dr. rer. soc. Bereichsleiter Verkehr und Raum, Interface Politikstudien Forschung Beratung GmbH, Luzern (CH) arnold@interface-pol.ch Ueli Haefeli, Prof. Dr. Gesellschafter Interface Politikstudien Forschung Beratung GmbH, Luzern (CH) haefeli@interface-pol.ch Daten für ein effizientes Mobilitätssystem in der Schweiz Die Mobilitätsdateninfrastruktur im Mobilitätssystem Daten spielen in der Mobilität eine immer wichtigere Rolle: Ein möglichst reibungsloser Informationsfluss zwischen Infrastrukturbetreibern, Verkehrsunternehmen, privaten Anbietern von Mobilitätsdienstleistungen und den Verkehrsteilnehmenden ist zentral, um die vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen und Mobilitätsangebote besser zu nutzen. Die dazu nötigen Informationen sind bisher nicht ausreichend verfügbar und harmonisiert. Mit einer staatlichen Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) sollen Lieferung, Bereitstellung, Austausch, Verknüpfung, Bezug von Mobilitätsdaten verkehrsträgerübergreifend verbessert und vereinfacht werden. Die MODI soll die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Verfügung stellen, um den Informationsfluss zu allen Aspekten der Mobilität dauerhaft, sicher und frei von kommerziellen Interessen zu gewährleisten. Sie besteht in einer ersten Phase aus der NADIM (Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität) für einen einfacheren standardisierten Austausch von Mobilitätsdaten und Verkehrsnetz CH als räumliche Grundlage und Referenzsystem im Sinne einer einheitlichen, digitalen Abbildung der Verkehrsinfrastrukturen der Schweiz. Gregor Ochsenbein Bundesamt für Verkehr, Bern (CH) Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 54 MOBILITÄT ÖPNV Aktuell und automatisch Nachfragedaten für eine flexiblere ÖPNV-Planung ÖPNV, Planung, Digitalisierung, Nachfragedaten, Datenfusion, Multimodalität Damit der ÖPNV seiner Rolle als Rückgrat der Verkehrswende gerecht werden kann, ist ein Umdenken in den Planungsabteilungen der ÖPNV-Anbieter erforderlich. Zentrale Aufgaben sind der Ausbau und die Flexibilisierung des Angebots. Dabei helfen aktuelle Nachfragedaten zu ÖPNV-Fahrgastströmen. Das Forschungsprojekt Mobile Data Fusion zeigt, dass solche Daten zukünftig für die Planungsprozesse bereitgestellt werden können. Auf dieser Informationsbasis kann das ÖPNV-Angebot an den konkreten Bedarfen der Fahrgäste ausgerichtet werden. Antje-Mareike Dietrich, Jochen Sauer D er ÖPNV in Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen. Kurzfristig sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Mittelfristig muss der ÖPNV seiner neuen Rolle als Rückgrat der Verkehrswende gerecht werden. Der Verkehrssektor wird seine Klimaschutzziele nur erreichen, wenn der Umweltverbund gestärkt und für deutlich mehr Menschen attraktive ÖV-Angebote bereitgestellt werden. Zusätzliche Fahrzeugkapazitäten sind notwendig, um die erwartbaren Nachfragezuwächse bewältigen zu können. Der ÖPNV-muss hierfür neue Kundensegmente erschließen und in der Fläche ausgebaut werden. Anders als noch vor einigen Jahren hat die Politik damit begonnen, die notwendigen finanziellen Voraussetzungen bereitzustellen oder zumindest deren Bereitstellung vorzubereiten. Es wird die Aufgabe der ÖP- NV-Anbieter sein, die Mittel zielgerichtet einzusetzen. Die Beseitigung von Kapazitätsengpässen und der Aufbau attraktiver Busanbindungen im ländlichen Raum und in die Zentren stehen dabei ganz oben auf der Wunschliste potenzieller Fahrgäste. Vor diesem Hintergrund sollten die Interessen der heutigen und zukünftigen ÖV- Kunden genauer untersucht und regelmäßig beobachtet werden. Bereits vor der Corona-Pandemie war die Mehrheit der ÖPNV-Kunden multimodal unterwegs (vgl. Bild 1). Die Corona-Pandemie zeigt zudem, dass sich die bisher stabilen Segmente der ÖPNV-Stammkunden verändern, insbesondere vor dem Hintergrund von Home-Office, Online-Handel und E-Learning. Es zeichnet sich ab, dass zukünftig multimodale Kunden die Nachfrage nach ÖPNV- Dienstleistungen prägen werden. Flexibilisierung der Planung Der ÖPNV wird zukünftig als Mobilitätsdienstleister eine tragende Rolle im Umweltverbund übernehmen und attraktive Angebote für das wachsende multimodale Kundensegment bereitstellen. Im Regionalverkehr ist das Angebot derzeit noch durch regelmäßige Pendelverkehre von Berufstätigen und Schülern in die Zentren gekennzeichnet. Im ländlichen Raum orientiert sich die ÖPNV-Planung am Auftrag der Daseinsvorsorge und bietet dort ein Minimalangebot an. Zukünftig wird das Angebot differenzierter und flexibler sein. Hinzu kommen weitere Anforderungen durch neue Erwartungen der Fahrgäste und veränderte rechtliche Rahmenbedingungen. So hat sich beispielsweise Pandemiebedingt das Informationsbedürfnis der Fahrgäste erhöht, sodass Auslastungsprognosen zum neuen Standard gehören. Dies spiegelt sich auch in der zum 1. Juli 2022 geplanten Verschärfung der Mobilitätsdatenverordnung, die eine Bereitstellung von Auslastungsdaten in Echtzeit vorsieht [2, S. 3 ff.]. All das zeigt, dass die Anforderungen an die Planung und die hierfür nötigen Instrumente größer werden. Um dem gerecht zu werden, sind ÖPNV-Anbieter auf tiefergehende Informationen über das Nutzungsverhalten ihrer Fahrgäste angewiesen. Dies erfordert eine bessere Datengrundlage, als sie dem ÖPNV derzeit zur Verfügung steht. Es fehlt vor allem an aktuellen Informationen über Fahrgastströme (Quelle-Ziel- Beziehungen). Derzeit werden diese Informationen alle paar Jahre in aufwändigen Fahrgastbefragungen ermittelt. Diese stichtagbezogenen Ergebnisse liefern zwar wichtige Grundlagen für die heutige Planungspraxis, sie können jedoch das Fahrgastverhalten nicht im Zeitverlauf abbilden. Kurzfristige Veränderungen, wie beispielsweise die Nachfrageeinbrüche in der Corona-Pandemie, können mit den klassischen manuellen Erhebungsmethoden nicht abgebildet werden. Die Grundlage für eine solide und flexible Angebotsplanung sind aktuelle Nachfragedaten. Vielerorts gehört der Einsatz von Automatischen Fahrgastzählsystemen (AFZS) zum Standard. Damit sind aktuelle Nachfragezahlen im ÖPNV in sehr guter Qualität verfügbar. Es fehlen jedoch aktuelle und qualitativ hochwertige Informationen über die Quelle-Ziel-Verflechtungen. In der Praxis werden die mittels Befragungen ermittelten Quelle-Ziel-Matrizen regelmäßig mit aktuellen Zähldaten aus den AFZS fortgeschrieben. Die fortschreitende Digitalisierung eröffnet nun Möglichkeiten, Fahrgastströme täglich zu erfassen und in Planungsprozesse einfließen zu lassen. Forschungsprojekt Mobile Data Fusion Aktuelle Informationen über Fahrgastströme automatisiert erfassen und für Planungszwecke bereitstellen, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Mobile Data Bild 1: Mono- und multimodale ÖV-Nutzung; Anteil multi- und monomodale ÖV-Kundengruppen Quelle: In Anlehnung an [1, Folie 4]. Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 55 ÖPNV MOBILITÄT Fusion - Automatische Ermittlung der Fahrgastnachfrage aus AFZS-, WLAN-, Bluetooth- und Verbindungsdaten“. Im Februar 2022 endete das Projekt nach drei Jahren Laufzeit. Es wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen der Forschungsinitiative mFund gefördert [3]. Das Projektkonsortium setzte sich aus der WVI Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung und Infrastrukturplanung GmbH aus Braunschweig, dem Nordhessischen VerkehrsVerbund NVV, dem Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrssysteme der Universität Kassel, der INIT GmbH aus Karlsruhe und der BLIC GmbH aus Berlin zusammen. Während der Projektlaufzeit wurde ein Verfahren entwickelt, das automatisiert Quelle-Ziel-Informationen für jede Linienfahrt bereitstellt. Für die Entwicklung installierte das Projektkonsortium auf mehreren Referenzlinien des NVV in Fahrzeugen und an Haltestellen WLAN- und Bluetooth- Sensoren. Die Sensoren zeichnen Daten aus der Kommunikation mit WLAN- und Bluetooth-Geräten in ihrer Umgebung auf. Dadurch erfassen sie die Signale der mobilen Geräte, die von ÖPNV-Fahrgästen mitgeführt werden. Anschließend werden die Signale der WLAN- und Bluetooth-Sensoren mit den Daten des bereits installierten AFZS zentral zusammengeführt. Als Ergebnis stehen Quelle-Ziel-Informationen für jeden Tag zur Verfügung. Bild 2 veranschaulicht den Ansatz. Bei der Entwicklung des Systems wurde der Datenschutz von Beginn an konsequent mitgedacht und hard- und softwareseitig umgesetzt. Das eigens entwickelte Datenschutzkonzept basiert auf dem Grundprinzip privacy by design. Rückschlüsse auf die Bewegungsprofile einzelner Fahrgäste werden damit unterbunden. Auf den Referenzlinien wurden zudem manuelle Befragungen durchgeführt, die zur Kalibrierung des Verfahrens herangezogen wurden. Die Funktionsfähigkeit des Systems wurde im Realbetrieb getestet. In der zweiten Pilotphase wurden auf den Fahrzeugen die CoPilotPCs der INIT mit neu installierten WLAN- und Bluetooth-Chips getestet. Für die Installation der Bluetooth-Chips erhielt die INIT noch während der Projektlaufzeit die für den Betrieb notwendige E1-Zulassung. Bei einer vollständigen Ausstattung aller Fahrzeuge kann das neue Verfahren täglich aktuelle Daten zu den nachgefragten Quelle-Ziel-Relationen automatisch bereitstellen. Dies unterstützt die notwendige Flexibilisierung der Planungsprozesse. Erstmals sind zum Beispiel fundierte Aussagen zu unterschiedlichen Quelle-Ziel-Verflechtungen im Tages- und Wochenverlauf möglich. Das Verkehrsangebot könnte auf dieser differenzierten Datenbasis gezielter und schneller als heute an die reale Verkehrsnachfrage angepasst werden. Das Verfahren soll zukünftig im Praxiseinsatz weiterentwickelt und für spezifische Anwendungen optimiert werden. Da in der Praxis in der Regel keine Vollausstattung mit AFZS besteht, muss das Verfahren an diese realen Bedingungen angepasst werden. Mögliche Erweiterungen sind darüber hinaus die Ermittlung von Umstiegen und die Ableitung von Nutzungshäufigkeiten von verschiedenen Kundengruppen. Beides kann aus den erfassten Daten grundsätzlich ermittelt werden. Perspektivisch ist die Einbeziehung weiterer Nachfragedatenquellen zu Planungszwecken möglich und ggf. sinnvoll. Weitere Nachfragedaten können aus verschiedenen Anwendungen gewonnen werden (vgl. Tabelle 1). Die so gewonnenen Daten unterscheiden sich hinsichtlich Güte und Genauigkeit. Der Anwendungszweck entscheidet darüber, welchen Qualitätsansprüchen die Nachfragedaten genügen müssen. Zur Berechnung einer Einnahmenaufteilung werden beispielsweise höhere Anforderungen an die Genauigkeit gestellt als für eine Auslastungsprognose. Ausblick Die neue Rolle des ÖPNV als Rückgrat der Verkehrswende erfordert ein Umdenken in den Planungsabteilungen der ÖPNV-Anbieter. An dem Ausbau und der Flexibilisierung des Angebots führt dabei kein Weg vorbei. Das Forschungsprojekt Mobile Data Fusion zeigt, dass zukünftig aktuelle Nachfragedaten zu ÖV-Fahrgastströmen bereitgestellt und in die weiteren Planungsprozesse eingebracht werden können. Die Erweiterung der Informationsbasis bietet in der Praxis die Möglichkeit, das ÖPNV-Angebot an den konkreten Bedarfen der Fahrgäste auszurichten. Die Flexibilisierung des ÖPNV-Angebots ist somit nicht nur nötig, sondern durch zusätzliche Erkenntnisse über das Fahrgastverhalten zukünftig auch möglich. ■ LITERATUR [1] Mobilität in Deutschland 2017, Vorstellung ausgewählter Themen, MiD-Abschlussveranstaltung, 15. November 2018, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. [2] NaNa-Brief, Hintergründe, Analysen & Kommentare zum Personenverkehr,10/ 22, 8. März 2022. [3] Ermittlung der Fahrgastnachfrage aus AFZS-, WLAN-, Bluetooth- und Verbindungsdaten - Mobile Date Fusion, 01.12.2018. www.bmvi. de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ DG/ mfund-projekte/ mobiledatafusion. html; Zugriff am 04.04.2022. Antje-Mareike Dietrich, Dr. Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung und Infrastruktur (WVI) GmbH, Braunschweig a.dietrich@wvigmbh.de Jochen Sauer, Dipl.-Inform. Bereichsleiter und Prokurist, Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung und Infrastruktur (WVI) GmbH, Braunschweig j.sauer@wvigmbh.de Fahrplanauskunft Mobilfunk Fahrgast-WLAN WLAN und Bluetooth mobiler Endgeräte Mobilitäts-Apps Tabelle 1: Datenquellen zur Ermittlung der ÖV-Nachfrage WLAN/ Bluetooth AFZS Datenfusion Quelle-Ziel-Matrizen Bild 2: Prinzip der Datenfusion in Mobile Data Fusion Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 56 Fahrerloses Fahren auf der Straße und der Schiene Analyse der unterschiedlichen Ziele des fahrerlosen Fahrens beim Straßen- und Schienenverkehr Fahrerloses Fahren, Digitalisierung, GoA, SAE, Straßenverkehr, Schienenverkehr Durch die zunehmende Digitalisierung gewinnt das fahrerlose Fahren bei den beiden Verkehrsträgern Straße und Schiene immer mehr an Bedeutung. Hierbei werden unterschiedliche Ziele verfolgt, die insbesondere auf die verschiedenen Systemeigenschaften zurückzuführen sind. Während der Schienenverkehr bereits zu den umweltfreundlichsten und sichersten Verkehrsträgern zählt, sollen beim Straßenverkehr durch fahrerlose Fahrzeuge vorrangig diese Ziele erreicht werden. Albrecht Morast, Nils Nießen D ie gegenwärtigen Eisenbahn- und Straßenfahrzeuge werden durch einen Triebfahrzeugführer 1 bzw. Fahrer gesteuert. Langfristige Trends deuten auf einen fahrerlosen Straßen- und Schienenverkehr hin, dessen Umsetzbarkeit durch die zunehmende Digitalisierung immer wahrscheinlicher wird [1]. Damit einhergehend werden sowohl auf der Straße als auch der Schiene unterschiedliche Ziele zur Stärkung des jeweiligen Verkehrsträgers verfolgt. Allerdings steht die Verkehrsbranche bis zur vollautomatischen Steuerung der Fahrzeuge noch ungelösten Herausforderungen gegenüber, für die zunächst Lösungen gefunden werden müssen [2]. Kennzahlen des Eisenbahn- und Straßenverkehrs Der Straßenverkehr nimmt seit Jahrzehnten die dominierende Rolle am Verkehrsmarkt ein. Sowohl im Personenals auch im Güterverkehr werden auf der Straße am meisten Personen befördert bzw. Güter transportiert; Foto: Jae Young Ju / iStock MOBILITÄT Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 57 Wissenschaft MOBILITÄT gemessen am Verkehrsaufkommen sind dies jeweils etwa 80 % [3]. Zurückzuführen ist die Verteilung des Modal Split u. a. auf die systembedingten Vor- und Nachteile der einzelnen Verkehrsträger. Aufgrund der Spurgebundenheit und des geringen Haftreibungskoeffizienten zwischen den Stahlrädern und Stahlschienen ist das Fahren von Zügen sowohl besonders sicher als auch umweltfreundlich [4]. Allerdings ist der Eisenbahnverkehr im Vergleich zum Straßenverkehr hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten und der Streckenlänge deutlich unterlegen. Zusätzlich ist die Kapazitätsgrenze bei der Eisenbahn auf vielen Strecken durch das Fahren im Blockabstand vorgegeben [5]. Hierbei darf sich stets nur ein Zug in einem Blockabschnitt befinden, der teilweise mehrere Kilometer lang sein kann. Treten im Betrieb Abweichungen vom Fahrplan auf, so entstehen außerplanmäßige Wartezeiten, wobei Reisezüge in Deutschland üblicherweise erst bei einer Verspätung von mehr als sechs Minuten tatsächlich als verspätet gelten [6]. Das Fahren von Straßenfahrzeugen ist durch das Fahren auf Sicht dagegen wesentlich individueller möglich; es wird kein Fahrplan benötigt. Die flächendeckende Straßeninfrastruktur ermöglicht auf kurzen Entfernungen häufig die geringsten Transportzeiten und zumeist direkte Verbindungen zwischen Quelle und Senke [7]. Statt Verspätungsminuten zu verwenden, lassen sich Verkehrsbehinderungen im Straßenverkehr im Normalfall in Form von Stau-Stunden oder Stau-Kilometern messen. Ein wesentlicher Nachteil im Vergleich zur Eisenbahn sind neben der geringeren Verkehrssicherheit die hohen Emissionswerte. Um diesen entgegenzuwirken, werden vermehrt umweltfreundlichere Antriebsarten in den Straßenfahrzeugen verbaut [8]. Die unterschiedlichen Systemeigenschaften der beiden Verkehrsträger wirken sich auf bestimmte Kennzahlen des Verkehrs aus. Für Deutschland ausgewählte Kennzahlen (Zugangsmöglichkeiten, Verspätungen, Streckenlänge, Sicherheit und Treibhausgas-Emissionen) sind in Bild 1 dargestellt. Es ist zu beachten, dass beim spurgeführten Verkehr nur die Eisenbahn berücksichtigt wird und nicht Straßenbahnen, Metros, U-Bahnen usw. Umsetzung des fahrerlosen Fahrens Aufgrund der Spurgebundenheit ist der Schienenverkehr für eine fahrerlose Betriebsdurchführung prädestiniert [9]. Zahlreiche geschlossene Systeme zeigen bereits seit mehreren Jahren, dass dort auf Personal an Bord verzichtet werden kann. Fahrerlose bzw. unbemannte Schienenfahrzeuge befinden sich in Deutschland beispielsweise bei der U-Bahn in Nürnberg oder als Peoplemover am Flughafen Frankfurt im Einsatz [10]. Weltweit wurde im Jahr 2018 bereits ein Streckennetz von mehr als 1.000 km mit fahrerlosen Metros betrieben; mit steigender Tendenz insbesondere in Asien [11]. Solche geschlossenen Systeme unterscheiden sich häufig maßgeblich von der Eisenbahn, weshalb die Übertragbarkeit des fahrerlosen Fahrens nicht unmittelbar auf diese möglich ist. In geschlossenen Systemen treten normalerweise kaum Interaktionen mit der Umwelt auf, indem bauliche Besonderheiten wie Tunnel, Aufständerungen und Bahnsteigtüren den Zugang zu den Gleisen verhindern. Dagegen ist die Betriebsdurchführung bei der Eisenbahn wesentlich komplexer, da beispielsweise auf einer Strecke unterschiedliche Züge verschiedener Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren und Interaktionen mit der Umwelt ständig den Betrieb beeinflussen können [12]. Wie bei der Eisenbahn ist auch im Straßenverkehr weiterhin ein Fahrer unerlässlich. Zwar berichten Medien häufig über fahrerlose Straßenfahrzeuge, beispielsweise das GoogleCar, allerdings entspricht dies noch Testversuchen und somit keiner Serienfertigung [13]. Ebenfalls für Aufmerksamkeit sorgte der erste hochautomatisierte Bus im öffentlichen Personennahverkehr, der seit Oktober 2017 in Bad Birnbach auf einer Strecke von etwa einem Kilometer eingesetzt wird. Bei dem Minibus befindet sich trotz der geringen Höchstgeschwindigkeit stets ein Operator aus Sicherheitsgründen im Fahrzeug, da die Technik noch nicht alle kritischen Situationen beherrschen kann [14]. Obwohl sowohl im Eisenbahnals auch im Straßenverkehr weiterhin ein Fahrer für die sichere Fahrzeugbewegung erforderlich ist, unterstützen technische Hilfsmittel die Triebfahrzeugführer und Fahrer. Abhängig von der technischen Unterstützung wird zwischen unterschiedlichen Automatisierungsgraden unterschieden, die im Schienenverkehr als Grade of Automation (GoA) und im Straßenverkehr als Society of Automotive Engineers (SAE) definiert sind (siehe Bild 2). Dabei sind die Automatisierungsgrade 0 bis 4 ähnlich aufgebaut, wobei GoA 4 bzw. SAE 4 dem vollautomatischen Fahren Streckenlänge 2 Kennzahlen Eisenbahn- und Straßenverkehr 1 Eisenbahnverkehr: Schienenpersonenfernverkehr | Straßenverkehr: Stau-Stunden von Pkw auf Bundesautobahnen 2 Eisenbahnverkehr: Streckenlänge der DB Netz AG | Straßenverkehr: Streckenlänge der Bundesautobahnen Treibhausgas-Emissionen 32 g CO 2 / km 147 g CO 2 / km Verspätungen 1 ca. 64.500 h ca. 460.000 h Zugangsmöglichkeiten ca. 5.660 Zugangsstellen ca. 47 Mio. Pkw ca. 33.000 km ca. 230.000 km Sicherheit (2019) Verletzte Getötete ca. 560 ca. 150 ca. 384.000 ca. 3.000 Bild 1: Kennzahlen des Eisenbahn- und Straßenverkehrs aus dem Jahr 2020 Eigene Darstellung nach [3] und [29] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 58 MOBILITÄT Wissenschaft ohne menschliches Mitwirken entsprechen. Im Straßenverkehr wird mit SAE 5 eine weitere Stufe berücksichtigt, bei der ein Fahrzeug alle Aufgaben selbstständig ausführt. Diese Stufe ist mit dem autonomen Fahren gleichzusetzen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem vollautomatischen und autonomen Fahren liegt in der Eigenständigkeit der Fahrzeuge [15]. Während sich ein Fahrzeug im vollautomatischen Betrieb ebenfalls ohne Fahrer bewegt, ist hierbei insbesondere im Schienenverkehr ein Datenaustausch von außerhalb erforderlich, z. B. für die Übermittlung einer Bewegungserlaubnis von einer Leitstelle. Im autonomen Betrieb muss ein Fahrzeug dagegen alle Entscheidungen selbst treffen. Daher ist das autonome Fahren auf der Straße leichter umsetzbar als auf der Schiene, weil dort keine Spurgebundenheit vorliegt und auch kein individueller Fahrweg einzustellen ist. Die gegenwärtige Betriebsdurchführung bei der Eisenbahn entspricht auf den meisten Strecken entweder GoA 1 oder GoA 2. In beiden Anwendungsfällen wird das Verhalten eines Triebfahrzeugführers durch ein Zugbeeinflussungssystem überwacht. Hinzu kommt bei GoA 2 das automatische Bremsen und Beschleunigen durch die Technik, das allerdings nur auf wenigen Strecken möglich ist [16]. Zahlreiche Straßenfahrzeuge können bereits serienmäßig Funktionen wie das automatische Einparken, die Spurhaltung oder das Bremsen und Beschleunigen übernehmen. Allerdings kann dabei nicht gänzlich auf einen Fahrer verzichtet werden [17]. Eine entscheidende Funktion bei der Umsetzbarkeit des fahrerlosen und autonomen Fahrens beim Eisenbahnsowie Straßenverkehr nimmt der jeweilige Rechtsrahmen ein. In der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung [18] ist festgelegt, dass nur unter bestimmten Ausnahmen auf einen Triebfahrzeugführer verzichtet werden darf. Um somit einen fahrerlosen Eisenbahnbetrieb umsetzen zu können, sind entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. Anders ist dagegen die Rechtsgrundlage im Straßenverkehr. Bereits im Jahr 2017 wurde das Straßenverkehrsgesetz [19] angepasst, um automatisiertes Fahren zu ermöglichen. Im Sommer 2021 wurde das Gesetz zur Umsetzung der SAE-Stufe 4 ergänzt, sodass diese Automatisierungsstufe im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb angewendet werden darf [20]. Ziele des fahrerlosen Fahrens Eine fahrerlose Betriebsdurchführung bietet sowohl für den Eisenbahnals auch den Straßenverkehr neue Potenziale. Aufgrund der verschiedenen Systemeigenschaften werden teilweise unterschiedliche Ziele verfolgt, die nicht nur Auswirkungen auf die Fahrgäste sowie Fahrer bzw. Mitfahrer haben. Die Technik in fahrerlosen Fahrzeugen muss kontinuierlich die Aufgaben eines Triebfahrzeugführers bzw. eines Fahrers übernehmen. Abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten und örtlichen Verhältnissen ist daraufhin automatisch die Geschwindigkeit anzupassen. Dies kann u. a. mit Hilfe von Kameras, Sensoren und einer Umfelderkennung erfolgen [21]. Dadurch ist es möglich, die Verkehrssicherheit insbesondere im Straßenverkehr Unfallursachen durch Fehlverhalten der Fahrzeugführer bzw. Pkw-Fahrer bei Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2019 Bild 3: Unfallursachen durch Fehlverhalten der Fahrzeugführer bzw. PKW-Fahrer bei Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2019 Eigene Darstellung nach [3] Brems- und Beschleunigungsvorgang Türschließung Störungsbehebung Automatisierungsgrad (GoA) Society of Automotive Engineers (SAE) Brems- und Beschleunigungsvorgang Umfeldüberwachung Rückfallebene 1 ATP (Automatic Train Protection): Zugsicherungssystem 2 ATO (Automatic Train Operation): Automatische Zugsteuerung GoA 0 SAE 0 GoA 1 SAE 1 GoA 2 SAE 2 GoA 3 SAE 3 GoA 4 SAE 4 SAE 5 Fahrergesteuert Assistiertes Fahren Teilweise automatisiert Hoch automatisiert Voll automatisiert Autonomes Fahren Automatisierung ATP 1 mit Fahrer Fahrer ATP 1 und ATO 2 mit Fahrer Fahrerlos Unbegleitet Triebfahrzeugführer Zugbegleiter Fahrer Automatisch / System Bild 2: Vergleich der Automatisierungsgrade zwischen dem Schienen- und Straßenverkehr Eigene Darstellung nach [30] und [31] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 59 Wissenschaft MOBILITÄT zu erhöhen, weil eine Vielzahl von Unfällen auf menschliche Fehler zurückzuführen ist. Von den mehr als 2,6- Mio. polizeilich erfassten Straßenverkehrsunfällen im Jahr 2019 sind insgesamt etwa 355.000 Unfälle mit Personenschaden auf das Fehlverhalten eines Fahrzeugführers bzw. PKW-Fahrers zurückzuführen (siehe Bild-3). Solche durch Fahrzeugführer bzw. PKW-Fahrer verursachten Unfälle können durch fahrerlose Straßenfahrzeuge größtenteils verhindert werden. Die Ausganssituation im Eisenbahnverkehr stellt sich dagegen anders dar. Da dort bereits ein sehr hohes Sicherheitsniveau vorhanden ist, hat eine fahrerlose Betriebsdurchführung nur geringe Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Durch die Vernetzung zwischen den Fahrzeugen lässt sich beim fahrerlosen Fahren leichter eine intelligente und dynamische Steuerung des Verkehrs umsetzen [22]. Sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene ist eine effizientere Fahrweise möglich. Diese sorgt einerseits für eine Reduktion der Emissionen und geringeren Kraftstoffverbrauch, indem mit einer kontinuierlichen Geschwindigkeit statt zahlreichen Brems- und Beschleunigungsvorgängen gefahren wird. Andererseits lassen sich durch Echtzeitberechnungen auf Grundlage des aktuellen Verkehrsaufkommens die optimalen Geschwindigkeiten ermitteln, wodurch Staus bzw. Verspätungen reduziert und die Kapazität zugleich erhöht werden kann. Berechnungen für den Straßenverkehr haben im Zusammenhang mit dem fahrerlosen Fahren Kapazitätserhöhungen im Stadtverkehr von bis zu 40 % und auf Autobahnabschnitten von bis zu 80 % unter Berücksichtigung der optimalen Verkehrsbedingungen ergeben [23]. In einem Mischszenario mit Fahrern und fahrerlosen Fahrzeugen kann es aber auch zu einer Verschlechterung des Verkehrsflusses auf der Straße kommen [24]. Da das Fahren von Schienenfahrzeugen bereits wesentlich umweltfreundlicher als das Fahren der Straßenfahrzeuge ist, kann sich insbesondere der Verkehrsträger Straße mit Hilfe des fahrerlosen Fahrens hinsichtlich der Emissionen in einem Langfristszenario verbessern. Kapazitätserhöhungen werden dagegen bei beiden Verkehrsträgern erwartet. Hierfür sind bei der Eisenbahn beispielsweise neue Betriebsverfahren denkbar. Zusätzlich erlaubt eine fahrerlose Betriebsdurchführung neue Mobilitätskonzepte. Sowohl auf der Straße als auch der Schiene lässt sich ein Service on-demand anbieten. Hierbei können fahrerlose Fahrzeuge nach Bedarf verkehren, um tageszeitunabhängig beispielsweise auch das Mobilitätsangebot für ältere und jüngere Menschen ohne Führerschein zu verbessern. Auf der Schiene ist der Service on-demand ein wesentliches Ziel des fahrerlosen Fahrens, damit Zugfahrten individuell stattfinden können. Des Weiteren könnte ein Service on-demand zu einer Reduktion der Straßenfahrzeuge führen, da weniger eigene Fahrzeuge benötigt werden, die aktuell durchschnittlich etwa 23 Stunden pro Tag stillstehen [25]. Weniger Straßenfahrzeuge wirken sich nicht nur positiv auf den Verkehrsfluss aus, sondern auch auf die erforderliche Anzahl an Parkplätzen. Da weniger Abstellflächen benötigt werden, können dort neue Grünflächen entstehen, die zu einer Aufwertung der Lebensverhältnisse sorgen [26]. Außerdem kann das Carsharing weiterentwickelt werden, indem die fahrerlosen Fahrzeuge selbstständig zum Nutzer fahren und ihn anschließend zum Ziel befördern [27]. Wenn ein Mensch während einer Fahrt mit einem Straßenfahrzeug nicht mehr für das Steuern des Fahrzeuges verantwortlich ist, kann er sich anderen Aufgaben widmen, z. B. arbeiten oder lesen. Darüber hinaus kann auch im Straßengüterverkehr auf einen Fahrer verzichtet werden. Im Vergleich zur heutigen Betriebsdurchführung bei der Eisenbahn treffen dort bereits beide Aspekte zu: Reisende können während einer Fahrt z. B. arbeiten und die über mehrere hundert Meter langen Güterzüge benötigen lediglich einen Triebfahrzeugführer. Dennoch können auch auf der Schiene die fahrerlosen Fahrzeuge das Fahrpersonal ersetzen und dem bereits vorhandenen Mangel an qualifiziertem Personal entgegenwirken [28]. Zusammenfassend werden die wesentlichen Ziele des fahrerlosen Fahrens beim Eisenbahn- und Straßenverkehr in Bild 4 dargestellt. Daraus ist zu entnehmen, welche Ziele durch das fahrerlose Fahren auf der Schiene und der Straße vorrangig verfolgt werden. Es lässt sich erkennen, dass das fahrerlose Fahren auf der Straße mehr unterschiedliche Potenziale als auf der Schiene bietet. Dies liegt daran, dass zahlreiche dieser Ziele bereits in der heutigen Betriebsdurchführung auf der Schiene umgesetzt werden. Dennoch führen fahrerlose Ökologie Reduktion Staus & Verspätungen Rückgang Emissionen Reduktion Stellplätze Erhöhung Grünflächen Mobilität Sicherheit Ökonomie Erhöhung Verkehrssicherheit Definition neuer Geschäftsmodelle Angebot Service on-demand Tätigkeiten während der Fahrt Einsparung Fahrpersonal Reduktion der Fahrzeuge Kapazitätssteigerung Vorausschauendes Fahren Ziele des fahrerlosen Fahrens im Straßen- und Eisenbahnverkehr Bild 4: Vergleich der Ziele des fahrerlosen Fahrens im Eisenbahn- und Straßenverkehr Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 60 MOBILITÄT Wissenschaft Fahrzeuge auch auf der Schiene zu einer Attraktivitätssteigerung. Fazit In der heutigen Betriebsdurchführung ist ein Triebfahrzeugführer bzw. Fahrer beim Eisenbahn- und Straßenverkehr unerlässlich. Es ist davon auszugehen, dass die Technik aufgrund der zunehmenden Digitalisierung zukünftig bei beiden Verkehrsträgern die Aufgaben eines Triebfahrzeugführers bzw. Fahrers während der Fahrt übernehmen wird. Dadurch lassen sich unterschiedliche Ziele beim Eisenbahn- und Straßenverkehr verfolgen. Während sich der Eisenbahnverkehr bereits durch ein hohes Sicherheitsniveau und den geringen spezifischen Energieverbrauch auszeichnet, sollen mit den fahrerlosen Fahrzeugen auf der Straße insbesondere diese beiden Aspekte verbessert werden. ■ 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. LITERATUR [1] Bernhart, W. (2021): „M.A.D.E.“-Trends und Implikationen - Deutschland im internationalen Vergleich. In: Siebenpfeiffer, W. (Hrsg.): Mobilität der Zukunft. Berlin: Springer Vieweg, S. 17-56.. [2] Ritz, J. (2018): Mobilitätswende - autonome Autos erobern unsere Straßen. Wiesbaden: Springer. [3] Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2019 - Deutschland und Internationales. Erschienen im Oktober 2019. [4] Pachl, J. 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Leiter Verkehrswissenschaftliches Institut, RWTH Aachen niessen@via.rwth-aachen.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 61 Mit Geodaten die Mobilität der Zukunft gestalten Neue Ansätze für nachhaltiges und kundenorientiertes Mobilitäts- und Transport-Management Neue Mobilität, Verkehrswende, Modal Split, Flottenmanagement, Routenoptimierung, Location Intelligence Ein stetig steigendes Mobilitätsbedürfnis und immer globalere Lieferketten treffen heute auf zunehmende Umweltbelastung, endlose Staus, Stellplatzmangel und überforderte öffentliche Verkehrsnetze - das traditionelle Transport- und Mobilitätsmanagement gelangt an seine Grenzen. Neue Konzepte sind nötig, um Verkehrssysteme wirklich zukunftsfähig zu gestalten und wirtschaftliche Aspekte mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen. Data & Location Technology unterstützt Behörden und Unternehmen dabei, Verkehrskonzepte am tatsächlichen Bedarf auszurichten und umweltschonende Ansätze zu realisieren. Jens Wille D ie Notwendigkeit einer Verkehrswende steht außer Frage - nun geht es um das „Wie“. Insbesondere darum, wie sich die existierenden Infrastrukturen möglichst zeitnah und zukunftssicher hin zu nachhaltigeren Optionen weiterentwickeln lassen, ohne dabei Nutzerfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit außer Acht zu lassen. Eine genaue Analyse des Status Quo ist folglich unerlässlich. Seit einigen Jahren hat sich daher im Rahmen der Mobilitätswende die Kenngröße des Modal Split etabliert: Dieser zeigt die Transportmittelwahl im Personenverkehr an bzw. die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger im Lastenverkehr. Die prozentuale Verteilung des Verkehrsaufkommens wird differenziert nach Verkehrsmitteln dargestellt, um die Anteile verschiedener Verkehrsträger an den insgesamt zurückgelegten Kilometern darstellen zu können. Indem er die Veränderungen in der Verkehrsmittelnutzung abbildet, gehört der Modal Split zu den wichtigsten Erfolgs-Metriken in der Mobilitätswende. Zudem lässt sich auf dieser Basis schnell erkennen, welchen Effekt bestimmte Maßnahmen zur Lenkung des Verkehrs haben - wie zum Beispiel veränderte Streckenführungen, die Reduzierung von Parkplätzen oder die Einführung neuer Verkehrsträger. Neue Konzepte zur Erfassung des Modal Split Obwohl der Analyse des Modal Split immer mehr Bedeutung zukommt, hat die Erhebung der Metrik noch einige Schwächen: Bislang wird sie vor allem basierend auf Verkehrszählungen oder individueller Wege- Tagebücher erstellt. Unterschiedliche Methodiken machen die verschiedenen lokalen Ergebnisse schwer vergleichbar - sowohl national als auch international. Standardi- Foto: Ubilabs Digitalisierung TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 62 TECHNOLOGIE Digitalisierung sierte Ansätze mit Hilfe von speziellen Smartphone-Tracking-Apps stoßen auf Akzeptanzprobleme und beinhalten einen höheren Aktivierungsaufwand von Testpersonen. Hier sind neue Konzepte gefragt, um mehr relevante Daten gewinnen zu können und deren Erhebung schneller, effizienter und vergleichbarer zu machen - sowohl national als auch international. Die Data und Location Technology-Experten von Ubilabs entwickeln daher derzeit eine Lösung, die auf der (datenschutzkonformen) Analyse von Bewegungsdaten aus Mobiltelefonen basiert. Die Qualität der so gewonnenen Daten, welche durch die Beschleunigungssensoren der Smartphones zusätzlich um eine Kategorisierung der verwendeten Verkehrsmittel ergänzt wird, geht deutlich über die bisherigen Möglichkeiten hinaus. Zusätzlich zur Aufbereitung von Bewegungsdaten ist zudem die Einbeziehung weiterer Datenquellen möglich - so ließe sich zum Beispiel der Einfluss des Wetters, lokaler Verkehrsregulierungen oder die Auswirkungen neuer Tarife auf die Inanspruchnahme und Effizienz verschiedener Verkehrsträger visualisieren. Effiziente Verkehrsmodellierung für Städte und Konzerne Eine detailgenaue Analyse des Modal Split dient Städten, Kommunen und Konzernen nicht nur als Parameter zur Verkehrsmodellierung und -planung, sondern auch als zuverlässiges Mittel für die Erfolgskontrolle, um den Beitrag einzelner Maßnahmen zur Verkehrswende quantifizieren zu können. Und die Vorteile reichen noch weit darüber hinaus: So geben die Analysen unter anderem Anbietern des Öffentlichen Personennahverkehrs valide Grundlagen an die Hand, ihre Angebote besser auf den tatsächlichen Bedarf abzustimmen. Nicht zuletzt sind Berechnungen des Modal Split auch für das betriebliche Mobilitätsmanagement größerer Konzerne und Transportunternehmen relevant: Da sie auf verschiedenen Ebenen eine verkehrserzeugende Wirkung besitzen (Pendler-, Kunden und Logistikverkehr), verfügen sie auch über eine zentrale Rolle in der Bewältigung der Verkehrswende. Von der Theorie zur Praxis Minimierung der Umweltbelastung, Vermeidung von Staus und Optimierung öffentlicher Verkehrsnetze - so das Ziel. Als Grundlage für die Planung von Maßnahmen hin zu einer neuen Mobilität spielt die Analyse des Modal Split eine wesentliche Rolle. Damit ist das Potenzial von Data Analytics und Location Intelligence im Bereich der Mobilitätswende jedoch längst nicht ausgeschöpft. Die Aufbereitung ortsbezogener Informationen trägt auch in der unternehmerischen Umsetzung ganz erheblich zu mehr Nachhaltigkeit und Innovation bei. So helfen interaktive Karten und digitale Dashboards dabei, mit Echtzeitanalysen einen genaueren Überblick der aktuellen Verkehrs-, Emissions- oder Parkraumsituation zu gewinnen (Bild 1). Bezogen auf die unmittelbare Praxis von Mobilitätsanbietern und Verkehrsplanern lassen sich Dienstleistungen und Verkehrsströme mithilfe von Geodaten somit kosteneffizienter gestalten und nachhaltig optimieren. Das reicht von intelligentem Flottenmanagement bis hin zur ressourcenschonenden Einsatzplanung. Einige Beispiele: Optimierte Routenplanung Eine optimierte Routenplanung ist nicht nur für Transport- und Logistikdienstleister entscheidend, sondern auch für viele Einrichtungen, die unsere Straßen sicherer machen. Die Auswertung von Bewegungsdaten, Echtzeit-Verkehrsinformationen und deren simultane Abgleichung mit Höhenprofilen, Wetterdaten, Veranstaltungsinformationen, etc. bietet ein valides Fundament für die optimale Auslastung von Flotten und Verkehrsverbindungen. Das erstreckt sich bis zur möglichst effizienten Einsatzplanung von Räumfahrzeugen oder Lieferdiensten. So können Dispatcher und Fahrer von Räumfahrzeugen durch die Visualisierung von Wetter- und Sensordaten ein sehr genaues Lagebild gewinnen und ihre Einsätze entsprechend besser planen (Bild 2). Als ähnlich hilfreich wird sich die konzertierte Auswertung verschiedenster Daten für Notfalleinsätze der Feuerwehr oder Polizei erweisen. Beispielsweise entwickeln die Datenexperten von Ubilabs derzeit für die Feuerwehr Düsseldorf ein Tool zur optimierten Standort- und Einsatzplanung. In einem gemeinsamen Pilot- Bild 1: Planungs-Tool Shared Mobility für München Foto: Ubilabs Bild 2: App zur Einsatzplanung mit verschiedenen Filtermöglichkeiten Foto: Ubilabs Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 63 Digitalisierung TECHNOLOGIE projekt kam letztes Jahr bereits eine kartenbasierte Anwendung für die optimale mobile Impfstoff-Versorgung der Düsseldorfer Bevölkerung zum Einsatz. Das Thema Routenoptimierung und Standortplanung ist unter anderem aber auch für die Durchsetzung der E-Mobilität von Bedeutung, die wesentlich zur Reduzierung der Feinstaub- und Stickoxid-Belastung beiträgt. Ihre Akzeptanz wird neben nachhaltigen und finanziellen auch von rein praktischen Aspekten abhängen, wie der erzielbaren Reichweite und der verfügbaren Ladesäuleninfrastruktur. Auch hier kann die Erhebung und Visualisierung von Standortinformationen und Bewegungsdaten einen wichtigen Beitrag leisten - unter anderem wird so zum Beispiel eine verbrauchsorientierte Routenoptimierung oder die verlässliche Anzeige erreichbarer Ladesäulen via App ermöglicht. Reduzierung der Verkehrsbelastung Der Parksuchverkehr ist in vielen städtischen Hotspots ein großes Problem. Hierdurch wird das ohnehin bereits hohe Verkehrsaufkommen noch potenziert. Autos, die in zweiter oder sogar dritter Reihe parken, ausweichende Lieferwagen und Busse - dies alles geht für sämtliche Verkehrsteilnehmer mit einem erhöhten Stresslevel und Unfallrisiko einher. Zugeparkte Feuerwehrzufahrten können im schlimmsten Fall Rettungseinsätze erschweren oder verzögern - die Gründe sind daher zahlreich, um im Hinblick auf die Mobilitätswende auch den stehenden Verkehr genauer unter die Lupe zu nehmen. In diesem Zusammenhang stattet die Deutsche Telekom seit einigen Monaten Parkplätze deutscher Städte und Gemeinden mit smarten Sensoren aus, um Einsichten in die Nutzung des Parkraums zu erhalten (Bild 3). Geodatenexperten bereiten die gewonnenen Daten zu kartenbasierten Dashboards auf, mit deren Hilfe sich die Auslastung bestimmter Parkplätze über den Tag verfolgen lässt. Diese Tools liefern ein wichtiges Werkzeug für Parkraummanager, deren Einsätze nun zielgerichteter gesteuert werden können. Ein weiteres Anliegen der Projektpartner ist eine datenbasierte Situationsanalyse im Zusammenhang mit der Anlieferung von Waren und der Einrichtung dedizierter Ladezonen. Letztendlich geht es darum, die Belastungen durch Parksuchverkehr künftig erheblich zu reduzieren. Bedarfs- und Kundenorientierung als Garant der Mobilitätswende Züge, Busse, Mietwagen, Fahrräder und E- Scooter - genau dort, wo sie gebraucht werden: So das Ideal. In der Realität stimmen Angebot und Nachfrage an Verkehrsmitteln jedoch oftmals nicht überein. Auch hier lässt sich mithilfe von Location Intelligence noch einiges Potenzial ausschöpfen. Einerseits, was die Erhöhung der Attraktivität und Akzeptanz zukunftsweisender Mobilitätsangebote betrifft. Aber auch, wenn es um die Steigerung von deren Nachhaltigkeit und Rentabilität geht: Hoch entwickelte Technologien leiten aus einer Vielzahl ortsbezogener Daten wertvolle Analysen und verlässliche Prognosen ab. So geben sie unter anderem Aufschluss darüber, an welchen Orten Mobilitätsangebote verfügbar sein sollten, wofür sie benötigt werden und wie sie beschaffen sein müssen. Anhand interaktiver Karten können Mobilitäts- und Logistikanbieter detaillierte Auswertungen zur Flotten-Auslastung treffen, Hotspots und typische Verkehrsrouten erkennen und miteinander vergleichen. Sortiert nach Uhrzeit, Wochentag oder Jahreszeit: Wo wurden die Fahrzeuge letzte Woche genutzt? An welchen Stellen bleiben sie zu lange stehen? Wo wird die Nachfrage nächste Woche am höchsten sein? Auf Basis dieser Informationen lassen sich nicht nur kundenfreundlichere und umweltbewusstere Lösungen entwickeln, sondern auch kosteneffizientere Prozesse einrichten. Daten für eine zukunftssichere und kundenorientierte Mobilitätswende Neue Mobilitätskonzepte bieten immer fortschrittlichere und nachhaltigere Möglichkeiten für den Personen- und Güterverkehr. An der Spitze der Mobilitätswende stehen Unternehmen und Verkehrsplaner, die ihre Angebote am Puls der Zeit ausrichten und laufend optimieren. Moderne Dienstleister, die ihre Services personalisieren, weil sie ihre Kunden gut kennen und verstehen. Die wissen, wie Nutzer sich verhalten - und so im Bedarfsfall schnell reagieren können. Gut aufbereitete Daten sind daher wertvoll - vor allem, wenn sie visuell erfahrbar und interaktiv nutzbar sind. Ob durch Visualisierungen, interaktive Karten oder digitale Dashboards - Location Intelligence kann viel für den nachhaltigen Erfolg der Mobilitätswende tun. Zum einen, weil sie verlässliche Analysen und Prognosen ermöglicht und eine valide Basis für die erfolgreiche Einführung neuer, innovativer Angebote darstellt. Zum anderen, weil sie die ideale Grundlage ist, um Service und Bedarf in Einklang zu bringen und Kunden zufriedener zu machen. Nicht zuletzt helfen Daten- Insights Verkehrsplanern und Unternehmen aber auch dabei, kosteneffizienter zu arbeiten - und verschaffen Logistikanbietern dadurch echte Wettbewerbsvorteile. Wer die Mobilitätswende in Einklang mit Kundenorientierung und Wirtschaftlichkeit bringen möchte, kommt an einer sinnvollen Aufbereitung relevanter Daten daher nicht vorbei. ■ Jens Wille Geschäftsführender Gesellschafter, Ubilabs GmbH, Hamburg jens.wille@ubilabs.com Bild 3: Von der Telekom genutzter smarter Parksensor Foto: Ubilabs Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 64 TECHNOLOGIE Digitalisierung Zertifizierung von automobilen GNSS-Empfängern unter realen Bedingungen Innovatives Verfahren zur Bestimmung von Fahrzeug- Referenztrajektorien anhand simultan aufgenommener, hochpräziser Luftbildaufnahmen GNSS Empfänger, Hubschrauber, Luftbildauswertung, Zertifizierung Nachweis der Konformität von GNSS-Geräten, insbesondere zur Unterstützung der Funktionen des automatisierten Fahrens in den von der Society of Automotive Engineers (SAE) definierten Stufen L3, L4 und L5 erfolgt bisher über den direkten Vergleich mit hochwertigen GNSS-Geräten, wobei Test- und Referenzdaten den gleichen Qualitätsverlusten aufgrund äußerer Einflussfaktoren unterliegen. Der neu entwickelte und unter realen Bedingungen getestete Ansatz nutzt Luftbilder, die mithilfe des 4k-Kamerasystems des DLR an Bord eines Hubschraubers simultan zur Testfahrt eines mit GNSS-Empfängern bestückten Fahrzeugs aufgenommen werden. Franz Kurz, Paulo Mendes, Hartmut Runge, Veronika Gstaiger I m Rahmen des ESA-Forschungsprojekts VaGAD (Validate GNSS receiver for Autonomous Driving) [1] entwickelte die Firma NavCert GmbH zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein neuartiges Verfahren zur Zertifizierung und Prüfung von Global Navigation Satellite System (GNSS)-Empfängern im Automobilbereich mit Hilfe simultan aufgenommener Luftbilder. Dieses Zertifizierungsverfahren ermöglicht Herstellern (OEMs) und Tier-1-Organisationen die Überprüfung der Konformität von GNSS-Geräten, insbesondere zur Unterstützung der Funktionen des automatisierten Fahrens in den von der Society of Automotive Engineers (SAE) definierten Stufen L3, L4 und L5. Bislang erfolgt dieser Nachweis über den direkten Vergleich mit hochwertigen GNSS-Geräten, wobei Test- und Referenzdaten den gleichen Qualitätsverlusten aufgrund äußerer Einflussfaktoren unterliegen. Der neu entwickelte und unter realen Bedingungen getestete Ansatz nutzt Luftbilder, die mit Hilfe des 4k-Kamerasystems des DLR [2] an Bord eines Hubschraubers Foto: Lynda Sanchez / pixabay TECHNOLOGIE Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 65 Digitalisierung TECHNOLOGIE simultan zur Testfahrt eines mit GNSS- Empfängern bestückten Fahrzeugs aufgenommen werden. Die hochpräzisen georeferenzierten Bilder ermöglichen die Ableitung einer Referenztrajektorie des Testfahrzeugs mit Positionsgenauigkeiten besser als 10 cm. Im Gegensatz zu bisherigen Verfahren bleiben die Referenzdaten auf diese Weise von äußeren Störfaktoren in GNSS-kritischen Umgebungen unbeeinflusst. Das Design des Verfahrens ist auf einen Einsatz unter realen Bedingungen für Verkehrssituationen auf Landstraßen, Autobahnen und in städtischem Gebiet ausgelegt und lieferte im Test zuverlässige und belastbare Ergebnisse, die künftig zur Kalibrierung, Validierung und Leistungsbewertung von GNSS-Empfängern genutzt werden können. Hintergrund Eine absolute und hochgenaue Positionsbestimmung von Fahrzeugen mittels GNSS ist eine wesentliche sicherheitskritische Komponente des autonomen Fahrens. Dies gilt heute insbesondere für Fahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen, die speziell für das Erreichen der von der Society of Automotive Engineers (SAE) definierten Stufen L3, L4 und L5 ausgelegt sind (Norm J3016 der SAE [3]). Die jüngsten technologischen Entwicklungen im Automobilbereich haben zu einem zunehmenden Grad der Autonomisierung geführt. Deshalb sollten und müssen kritische technologische Komponenten im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit, ihre Sicherheit sowie ihre Gesamtfunktionalität und Systemgenauigkeit kontinuierlich auch unter realen Bedingungen auf öffentlichen Straßen getestet, validiert und schließlich zertifiziert werden. Die absolute Position eines Fahrzeugs wird bislang nur durch GNSS bestimmt. Ein Delta zur absoluten Position kann, insbesondere in Umgebungen ohne GNSS-Verfügbarkeit, durch Hilfssensoren ermittelt werden, z. B. durch ein INS (Inertial Navigation System) und einen Kilometerzähler. Für das autonome Fahren ist eine absolute Positionierungsfähigkeit mit mindestens Fahrspurgenauigkeit in Kombination mit hoher Integrität in allen Fahrumgebungen erforderlich. Die Anforderungen an Positionierungsgenauigkeiten sind im Bereich des autonomen Fahrens standardisiert und liegen bei 20 cm horizontal und 2 m vertikal. 1 Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit von GNSS-Geräten für Fahrzeuge (system under test - SUT) werden in der Regel unter Verwendung eines hochwertigen GNSS- Geräts mit einer angenommenen höheren Genauigkeit (reference system - RS) bewertet. Bei diesem Ansatz wird die Tatsache ignoriert, dass sowohl das RS als auch das SUT denselben grundlegenden Fehlereinflüssen, wie beispielsweise Abschattungen der Signale durch Bäume oder in engen Häuserschluchten unterliegen, da sie nach denselben Funktionsprinzipien arbeiten. Deshalb kann die tatsächliche Genauigkeit von SUT mit diesem Verfahren nur sehr eingeschränkt gemessen werden. Ein unabhängiger Ansatz zur Bewertung der tatsächlichen Genauigkeit ist jedoch unbedingt erforderlich. Alternativ wurden Methoden zur relativen Positionierung entwickelt, z. B. mit visueller Odometrie [4] oder mit robotischen Totalstationen [5]. Bei Letzteren verfolgen mindestens drei synchronisierte robotische Stationen an bekannten Positionen auf dem Zielfahrzeug montierte Prismen entlang einer Strecke in einem abgegrenzten Testgebiet. Auf der Grundlage der relativen Messungen von Entfernung, Azimut und Höhe zu den Zielprismen kann eine Referenztrajektorie des Fahrzeugs berechnet werden. Die abgegrenzten meist sehr kleinen Testgebiete spiegeln jedoch das Verhalten der GNSS-Geräte in realen Verkehrssituationen nur bedingt wieder. Insbesondere bei Tests in Städten kommt es immer wieder zu Messungsunterbrechungen, und es bestehen große logistische Probleme. Um diese Lücke zu schließen, wird in diesem Beitrag eine weitere alternative Methode zur Bestimmung einer Referenztrajektorie unter realen Bedingungen vorgestellt. Dabei wird die absolute horizontale Fahrzeugposition mit Hilfe von simultan aufgenommenen Luftbildern aus einem Hubschrauber und der Höheninformation aus einem digitalen Geländemodell (DGM) bestimmt. Besonderes Augenmerk wird auf die Eignung der vorgeschlagenen Methode für die Validierung und Zertifizierung von SUT gelegt, bei der eine Genauigkeit von 10-cm für die horizontale Position gefordert wird. Zertifzierungsprozess von automobilen GNSS-Empfängern Ähnlich wie die Luftfahrt steht die Automobilindustrie vor verschiedenen Herausforderungen bezüglich der Zertifizierung von GNSS-Geräten, v. a. hinsichtlich der Ermittlung der Genauigkeit der Geräte und der damit verbundenen absoluten Positionsbestimmung. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Nachweis der Integrität, ein weiterer auf dem Nachweis der Genauigkeit. Die Bewertung der Integrität basiert auf dem traditionellen Ansatz, der besagt, dass ein System innerhalb einer definierten Leistungsanforderung in der erforderlichen Zeit ohne Probleme funktioniert. Ein Fahrzeug sollte also Millionen von Kilometer fahren, um zu beweisen, dass es einwandfrei funktioniert. Dieser Ansatz ist in der Automobilindustrie etabliert und wird für alle sicherheitskritischen Komponenten verwendet, deren Integritätsgrad gemäß der Norm ISO 26262 zu bewerten ist. Der Nachweis der erforderlichen absoluten oder relativen Positionsgenauigkeit des Fahrzeugs, die mit Hilfe eines RS ermittelt wird, ist von grundlegender Bedeutung, um die Funktionsfähigkeit des autonomen Fahrsystems zu gewährleisten. Es zeigt sich, dass Bewertungsverfahren zum Nachweis der Genauigkeit gefährdet sind, wenn RS und SUT die gleichen Arbeits- und Verarbeitungsprinzipien anwenden, insbesondere wenn RS und SUT identische Hard- und Softwarekomponenten haben. Typischerweise verfügt ein RS über bessere interne Oszillatorfunktionen mit allen verfügbaren Auswerte- und Korrekturalgorithmen. SUT verfügt möglicherweise über Hardwarekomponenten mit geringerer Leistung und nur einige der verfügbaren Algorithmen. In dieser Hinsicht sind sich die OEMs und Tier-1-Unternehmen der Automobilindustrie dieser Abhängigkeiten bewusst und suchen nach einem zuverlässigen Verfahren zur Kalibrierung und Validierung der SUTs ihrer Fahrzeugsysteme. Während Tier-1-Un- Genauigkeitsmetrik Positionsfehler Klasse I - Stadt Klasse II - Land Klasse III - Autobahn Horizontaler Positionsfehler (m) HPE | Perzentil 68.3 th ≤ 0.20 ≤ 0.25 ≤0.33 HPE | Perzentil 95.4 th ≤ 0.40 ≤ 0.50 ≤ 0.66 HPE | Perzentil 99.7 th ≤ 0.60 ≤ 0.75 ≤1.00 Vertikaler Positionsfehler (m) VPE-| Perzentil 68.3 th ≤ 1.00 ≤ 1.20 ≤ 1.50 VPE-| Perzentil 95.4 th ≤ 2.00 ≤ 2.40 ≤ 3.00 VPE-| Perzentil 99.7 th ≤ 3.00 ≤ 3.60 ≤ 4.50 Tabelle 1: Definitionen der Genauigkeits-Klassen für die Zertifizierung von SUTs Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 66 TECHNOLOGIE Digitalisierung ternehmen eine unabhängige Methode zur Validierung während der Entwicklung und Produktion benötigen, müssen OEMs die GNSS-spezifischen Leistungsindikatoren (KPIs) in den gelieferten Produkten unabhängig überprüfen. Der Zertifizierungsaspekt ist für OEMs und Tier-1-Unternehmen sehr wichtig, da er das Vertrauen in ein Produkt erhöht und sicherstellt, dass die definierten Anforderungen erfüllt werden. Es ermöglicht zertifizierten GNSS-Geräten einen Marktvorteil gegenüber nicht zertifizierten Geräten. In diesem Beitrag wird ein Zertifizierungsprozess anhand von drei Genauigkeitsstufen vorgeschlagen, die sich insbesondere auf horizontale und vertikale Positionsfehler von SUTs beziehen. Diese Stufen sind jeweils mit einem der drei Anwendungsszenarien Stadtverkehr (I), Landstraße (II) und Autobahn (III) verknüpft. Bei der Zertifizierung können eine oder mehrere Genauigkeitsstufen gewählt werden, falls Interesse besteht, die SUTs für nur eine Klasse zu zertifizieren. Im Rahmen von Prüf- und Zertifizierungstätigkeiten sind auch die anzuwendenden Metriken, Pass/ Fail-Kriterien und Stichprobenumfang der Messdaten, zu definieren. Die vorgeschlagenen Pass/ Fail-Kriterien basieren auf den Verteilungen der horizontalen und vertikalen Differenzen (HPE/ VPE) bzgl. der Referenztrajektorie, genauer auf den in Tabelle 1 definierten Perzentilen. Dies steht im Einklang mit dem Ansatz der Normungsorganisationen CEN/ CENELEC und ETSI. Der erforderliche Mindeststichprobenumfang für jede Klasse basiert auf der statistischen Überlegung, dass die Messvarianz zehnmal besser sein muss als die für die gewählte Genauigkeitsklasse definierte Messvarianz basierend auf einem Konfidenzniveau von 95,4 %. Unter diesen Überlegungen beträgt der festgelegte Mindeststichprobenumfang 625, 400 bzw. 230 für die Klassen I, II bzw. III. Neue Methode zur Gewinnung von Referenz-Trajektorien mithilfe von Luftbildern Die absolute horizontale Fahrzeugposition kann mithilfe von simultan aufgenommenen Luftbildern beispielsweise aus einem Hubschrauber und der Höheninformation der Straßenoberfläche aus einem DGM bestimmt werden. Dabei wird der dreidimensionale Bildstrahl zwischen dem Bildpunkt der sichtbaren GNSS-Antenne auf dem Fahrzeugdach mit dem DGM geschnitten (siehe Bild 1). Der Schnittpunkt liefert die X- und Y-Koordinaten der Referenztrajektorie exakt zum Aufnahmezeitpunkt des Luftbilds. Zusätzlich muss das Höhenoffset der GNSS-Antenne zur Straßenoberfläche berücksichtigt werden, welches durch eine Maßbandmessung vorab bestimmt werden kann. Des Weiteren wird bei diesem Verfahren die Höheninformation der Straßenoberfläche aus einer externen unabhängigen Datenquelle benötigt. Da sich die Qualität dieser zusätzlichen Datenquelle auf die Genauigkeit der Referenztrajektorie auswirkt, ist eine hohe Datengenauigkeit erforderlich. Untersuchungen haben gezeigt, dass die DGMs der Landesvermessungsämter für bestimmte Gebiete mit einer Genauigkeit besser als die spezifizierten 10 cm zur Verfügung stehen, was den Fehlereinfluss an dieser Stelle minimiert. Die räumliche Lage und Orientierung des Bildstrahls muss für jedes Luftbild in einem aufwändigen photogrammetrischen Prozess bestimmt werden. Wichtige Parameter sind hierbei die drei Rotationswinkel des Bildes im Raum, sowie die Positionskoordinaten des Projektionszentrums der Kamera, welche mit einem hochwertigen GNSS/ Inertialsystem im Hubschrauber gemessen und in einem Schätzverfahren unter Verwendung von Passinformationen weiter verbessert werden müssen. Durchführung einer Testkampagne Die Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des neuen Verfahrens wurde in einer Testkampagne am 14. und 15.07.2021 im Raum München sowie in der Münchner Innenstadt demonstriert. Dabei wurden GNSS- Daten eines Referenzfahrzeugs und simultan aufgenommene Luftbilder aus einem Hubschrauber erfasst. Zunächst wurden weitere Kriterien für einen repräsentativen Datensatz definiert, wie beispielsweise den Bereich von Fahrzeuggeschwindigkeiten, die jeweilige Mindestanzahl von Luftbildern und die daraus resultierenden Mindestlängen der Streckenabschnitte. Die abgeleiteten Testszenarien enthalten außerdem gezielt Abschnitte mit zu erwartenden Leistungseinschränkungen für GNSS-Geräte. Auf einer Länge von insgesamt 30 km wurden Teilabschnitte zur Kalibrierung (CAL) und den bereits erwähnten Szenarien Stadtgebiet (I) (600 Aufnahmen), Landstraße (II) (400 Aufnahmen) und Autobahn (III) (240 Aufnahmen) definiert (siehe Bild-2). Da es in Deutschland aufgrund hoher Auflagen kaum möglich ist, mit Drohnen über städtischem Gebiet und Verkehrsachsen zu fliegen, kam ein Hubschrauber mit dem 4k-Kamerasystem des DLR [2] an Bord Bild 1: Prinzip der Bestimmung der Fahrzeugposition mit Hilfe eines Luftbilds (links) und Bestimmung der absoluten Höhe des GNSS-Geräts mit Hilfe einer unabhängigen Datenquelle (rechts) Bild 2: Überblick über die Testszenarien im Großraum München, sowie Beispiele für die Sichtbarkeit des Testfahrzeugs mit Zielmarkierung auf dem Fahrzeugdach in den Luftbildern Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 67 Digitalisierung TECHNOLOGIE zur Aufnahme der Luftbilder zum Einsatz (siehe Bild 3). Der Hubschrauber folgte dabei dem Testfahrzeug unter Berücksichtigung der Geschwindigkeit und Richtung des Fahrzeugs, so dass das Fahrzeug während der Messkampagne kontinuierlich vom Kamerasystem erfasst wurde. Auf Flughöhen zwischen 600 und 800 m über Grund wurden Aufnahmen mit einer durchschnittlichen Bodenpixelgröße von 7 cm gemacht. Aufgrund der intensiven Vorbereitung und engen Kommunikation zwischen der Testfahrzeug- und Hubschraubercrew konnte für alle Szenarien die geforderte Anzahl von Aufnahmen erreicht werden. Zur genauen Lokalisierung der GNSS-Antenne auf den Luftbildern wurde zudem eine Markierung auf dem Dach des Testfahrzeugs angebracht, die es in der Nachbereitung ermöglichte, die genauen Positionen des Empfängers automatisiert zu messen (siehe Bild 2, rechts unten). Das Testfahrzeug wurde während der Kampagne mit zwei unterschiedlichen GNSS-Empfängern ausgestattet. Bei einem der Empfänger handelt es sich um eine hochwertige Ausführung, die über eine Mehrwege- und Interferenzminderung sowie eine Ionosphärenkorrektur verfügt und häufig zur Messung von Referenztrajektorien verwendet wird. Der zweite und etwas einfachere Empfänger wird in der Automobilindustrie genutzt. Während der Testfahrt wurden die GNSS-Geräte mit verschiedenen differentiellen globalen Positionierungsdiensten (DGPS) betrieben, wie SBAS (Satellite Based Augmentation System) und RTK des Deutschen Satellitenpositionierungsdienst (SAPOS). Die hochgenaue Post- Processing Lösung (PPS) von SAPOS wurde hauptsächlich bei der Kalibrierungssequenz zur Fehlersuche und Genauigkeitsuntersuchung verwendet. Ergebnisse und Diskussion Bei der Auswertung der Testergebnisse wurden zwei Fragestellungen untersucht, erstens, welche Genauigkeiten durch das neue Verfahren erreicht werden und zweitens, welche Ergebnisse bei der Zertifizierung der getesteten GNSS-Geräte erreicht werden. Für die erste Fragestellung wird die Genauigkeit des neuen Verfahrens anhand von Kontrollpunkten entlang der Teststrecken beurteilt. Eine Auswertung der Genauigkeitsdifferenzen an 23 Kontrollpunkten zeigt eine mittlere Abweichung von 6 cm in horizontaler Koordinatenrichtung [6]. Weitere Kriterien bei der Beurteilung der Genauigkeit sind die Genauigkeitsdifferenzen zwischen den gemessenen Positionen aus den Luftbildern vs. der PPS-Lösung des GNSS-Empfängers entlang der Kalibrierungssequenz. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass die PPS-Lösung nicht durch Empfangseinschränkungen oder andere GNSS-bedingten Fehlerquellen beeinflusst wird und ein Vergleich der Differenzen eine Größenabschätzung aller sonstigen möglichen Fehlerquellen beinhaltet. Auch hier zeigt sich, dass die mittlere Abweichung an insgesamt 662 Positionen etwa 6 cm in horizontaler Koordinatenrichtung beträgt [6]. Die Differenzen werden durch verschiedene Fehlerquellen verursacht, z. B. durch die Georeferenzierung der Luftbilder, durch die Messung der Position des GNSS-Geräts im Luftbild, durch den Höhenfehler des DGMs und durch die Fehler der PPS-Lösung. Es zeigt sich, dass eine stabile Genauigkeit von durchweg unter 10 cm bzgl. der horizontalen Position der Referenztrajektorie erreicht wird. Szenario/ Gerät p 68.3th HPE [m] p 94.4th HPE [m] p 99.7th HPE [m] p 68.3th VPE [m] p 95.4th VPE [m] p 99.7th VPE [m] Stadt I High-Grade (RTK) Tag 1 0.29 0.86 4.74 0.06 1.26 16.8 High-Grade Tag 2 1.51 4.33 26.46 1.90 5.90 20.1 Automotive-Grade Tag 1 1.18 2.23 3.48 2.30 4.01 6.39 Automotive-Grade Tag 2 1.21 2.48 5.82 3.90 5.75 6.41 Landstraße II High-Grade (RTK) Tag 1 0.33 1.24 1.81 0.25 2.76 4.60 High-Grade Tag 2 0.30 1.20 3.71 0.68 1.06 1.45 Automotive-Grade Tag 1 1.56 2.75 3.07 2.22 5.65 6.90 Automotive-Grade Tag 2 2.12 2.90 5.73 2.08 4.71 7.79 Autobahn III High-Grade (RTK) Tag 1 0.21 0.34 0.62 0.07 0.11 0.37 High-Grade Tag 2 0.41 0.60 1.05 0.24 0.47 0.83 Automotive-Grade Tag 1 0.60 0.90 1.09 1.27 2.97 3.32 Automotive-Grade Tag 2 1.25 1.79 3.96 2.63 3.94 4.45 Tabelle 2: Perzentilwerte der horizontalen und vertikalen Koordinatendifferenzen für die drei Testszenarien getrennt nach Tagen; kursiv und blau die Werte, welche die Kriterien erfüllen, grün die Werte, wenn alle Kriterien erfüllt sind. Bild 3: Das 4k-Kamerasystem des DLR montiert an den Kufen eines H135 Helikopters Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 68 TECHNOLOGIE Digitalisierung Im Hinblick auf eine mögliche Zertifizierung werden die bereits beschriebenen Perzentilwerte der Koordinatendifferenzen anhand der Positionen aus den Luftbilddaten für die drei Testszenarien I, II und III berechnet (siehe Tabelle 2) und als Pass/ Fail- Kriterium für die Zertifizierung eines hochwertigen und eines automobilen GNSS-Geräts verwendet. Dabei wurden die Werte getrennt für die zwei Tage berechnet, da z. T. unterschiedliche DGPS-Verfahren angewendet wurden. Die Ergebnisse der Datenanalyse zeigen, dass das hochwertige GNSS- Gerät mittels RTK-Korrekturen alle definierten Kriterien nur für die Klasse III - Autobahn erfüllen konnte. Weder das automobile GNSS-Gerät noch das hochwertige GNSS-Gerät (ohne und mit RTK) konnten die Kriterien für die Klassen I und II erfüllen. Daher könnte nur dem hochwertigen GNSS-Empfänger mit RTK-Korrekturen ein Zertifizierungs- und Prüfzeichen der Klasse III zugewiesen werden. Auffallend sind die vergleichsweise hohen Abweichungen selbst des höherwertigen GNSS-Geräts im Stadtgebiet, welche durch Mehrwegeffekte und Abschattungen verursacht werden. In Bild 4 sind die Differenzen zwischen der Luftbild-Position und den Positionen des hochwertigen und automobilen GNSS-Geräts für einzelne Straßen visualisiert. Während der einfache GNSS- Empfänger hohe Abweichungen und Ausfälle ausweist, zeigen auch die Messwerte des hochwertigen GNSS-Geräts kleine Ausfälle und systematische Differenzen von einigen Metern zur Referenztrajektorie. Das vorgestellte Verfahren erweist sich als widerstandsfähig und robust auch in Situationen, in denen lokale Effekte die Positionsgenauigkeiten von GNSS-Empfängern trotz GNSS-Korrekturen beeinträchtigen. Zudem liefert das neue Verfahren für alle Testszenarien Referenztrajektorien mit einer hohen Genauigkeit besser als 10 cm und kann deshalb für die Zertifizierung von SUTs verwendet werden. ■ Gefördert im Rahmen des ESA Projekts „VaGAD“ im NAVISP Element 2 Programm 1 Aktualisiert 2021, für weitere Details siehe https: / / www. gsc-europa.eu/ sites/ default/ files/ sites/ all/ files/ Report_ on_User_Needs_and_Requirements_Road.pdf REFERENZEN [1] ESA Project VaGAD: https: / / navisp.esa.int/ project/ details/ 105/ show [2] Kurz, F.; Rosenbaum, D.; Meynberg, O.; Mattyus, G.; Reinartz, P.(2014): Performance of a real-time sensor and processing system on a helicopter. ISPRS - International Archives of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences, 189-193. [3] SAE, Internationaler Technischer Standard, 2014: Terminologie für automatisierte Fahrsysteme für Kraftfahrzeuge. www.sae.org/ news/ press-room/ 2014/ 10/ sae-international-technical-standardprovides-terminology-for-motor-vehicle-automated-driving-systems [4] Lin, X.; Wang, F.; Guo, L.; Zhang, W. (2019): An Automatic Key-Frame Selection Method for Monocular Visual Odometry of Ground Vehicle. In: IEEE Access, 7, pp. 70742-70754. [5] Vaidis, M.; Giguere, P.; Pomerleau, F.; Kubelka, V. (2021): Accurate outdoor ground truth based on total stations. CoRR, abs/ 2104.14396. https: / / arxiv.org/ abs/ 2104.14396 [6] Kurz, F.; Mendes, P.; Gstaiger V.; Bahmanyar, R.; d’Angelo, P.; Azimi, S.; Auer, S.; Merkle, N.; Henry, C.; Rosenbaum, D.; Hellekes, J.; Runge, H.; Toran, F.; Reinartz, P. (2022): Generation of reference vehicle trajectories in real-world situations using aerial imagery from a helicopter, ISPRS Annals, Nizza; in print. Paulo Mendes Projektmanager und Fachzertifizierer, NAVCERT, München paulo.mendes@navcert.de Hartmut Runge Wissenschaftler, Earth Observation Center, DLR, Oberpfaffenhofen hartmut.runge@dlr.de Franz Kurz Gruppenleiter, Earth Observation Center, DLR, Oberpfaffenhofen franz.kurz@dlr.de Veronika Gstaiger Wissenschaftlerin, Earth Observation Center, DLR, Oberpfaffenhofen veronika.gstaiger@dlr.de Bild 4: Darstellung der Referenztrajektorie aus Luftbildern (gelb) und der mit GNSS-Empfängern gemessenen Trajektorien (rot und blau) im Stadtgebiet von München. Die Ausschnitte zeigen Ausfälle und Abweichungen in den Daten der GNSS-Empfänger, während die Positionen der Luftbildauswertungen stabil und präzise bleiben. Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 69 Künstliche Intelligenz in der Binnenschifffahrt Steigerung der Zuverlässigkeit von Binnenschifftransporten durch datenbasierte Ankunftszeitprognosen Transportkette, Binnenschifffahrt, Störungen, Prognose, ETA, Künstliche Intelligenz Um die Attraktivität der Binnenschifffahrt zu steigern, bedarf es einer zuverlässigen und effizienten Gestaltung der Transporte einschließlich einer besseren Synchronisation mit angrenzenden Prozessen in der Transportkette. Durch vielfältige Einflussfaktoren wie Niedrigwasser, Infrastrukturstörungen und Wartezeiten an Häfen und Schleusen besteht bislang jedoch eine hohe Unsicherheit hinsichtlich der Ankunftszeiten von Binnenschiffen. Datenbasierte Verfahren aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) weisen ein hohes Potenzial auf, die Transparenz in der Binnenschifffahrt zu erhöhen. Peter Poschmann, Manuel Weinke, Frank Straube, Jan Kliewer, Fynn Gerhardt D ie Binnenschifffahrt kann bei der Erreichung der angestrebten Verkehrswende eine wichtige Rolle spielen. Sie gilt, gemessen an der Transportleistung, als ein umweltfreundlicher Verkehrsträger mit geringen CO 2 - und Lärmemissionen, welcher im Vergleich zur Straße und Schiene noch über Kapazitätsreserven verfügt. Trotz des verkehrspolitischen Ziels, den Anteil am Modal Split (gemessen in Tonnenkilometern) auf 12 % im Jahr 2030 zu steigern [1], ist dieser in Deutschland seit Jahren rückläufig und lag 2020 bei lediglich ca. 7 %. [2] Ein Grund hierfür besteht auch im Güterstruktureffekt, welcher zu einer Verschiebung der Nachfrage in Richtung (häufig containerisierter) Transporte von Halbfertig- und Fertigerzeugnissen führt [3] und mit wachsenden Transportanforderungen verbunden ist. Fehlende ETA-Prognosen in der Binnenschifffahrt Um die Attraktivität der Binnenschifffahrt zur Einbindung in Logistikketten zu steigern, kommt der Erhöhung der Zuverlässigkeit, Transparenz und Effizienz durch die Nutzung digitaler Möglichkeiten eine hohe Bedeutung zu. [1] Ein erster wichtiger Schritt hierzu wurde durch die Einrichtung der River Information Services (RIS) in der Europäischen Union vollzogen, welche u. a. die Einführung des Automatic Identification Systems (Inland-AIS) und eine Bereitstellung standardisierter elektronischer Meldungen (Notices to Skippers, NtS) in der Binnenschifffahrt einschließen. Die verfügbaren Informationen erlauben in erster Linie eine Beurteilung der Ist-Situation, d. h. eine Foto: Florentine / pixelio Digitalisierung TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 70 TECHNOLOGIE Digitalisierung Feststellung der aktuellen Schiffsposition und ggf. vorliegender Einschränkungen auf der Strecke sowie eine intuitive Abschätzung des weiteren Transportverlaufs. Belastbare Prognosen von Ankunftszeiten (Estimated Time of Arrival, ETA), welche für eine zuverlässige Planung und Steuerung von Binnenschifftransporten und der angrenzenden Prozesse von hoher Bedeutung sind, existieren bisher nicht. Zwar werden ETA-Informationen derzeit bereits im Rahmen von AIS übermittelt, doch handelt es sich dabei lediglich um manuell durch die Besatzung eingegebene Angaben mit geringer Verlässlichkeit. [4] Die hohe Unsicherheit liegt insbesondere in den vielfältigen Einflussfaktoren begründet, welche auf die Transport- und Umschlagsprozesse wirken. Eine Abhilfe kann hier der Einsatz von KI schaffen. Insbesondere das Maschinelle Lernen (ML) als ein Teilgebiet von KI bietet ein hohes Potenzial zur automatisierten Bereitstellung verlässlicher ETA-Informationen, indem auf Basis von Daten und der Nutzung von Algorithmen komplexe Wirkungszusammenhänge zwischen Fahrzeiten und verschiedenen Einflussfaktoren erkannt werden. Während Systeme zur Schaffung von Echtzeittransparenz, wie z. B. das genannte AIS, in der Binnenschifffahrt bereits stärker verbreitet sind, werden KI-basierte Lösungen - trotz ihrer enormen Bedeutung für logistische Prozesse [5] - bislang nur selten eingesetzt. Dies gilt auch für den spezifischen KI-Anwendungsfall der ETA-Prognose, der bisher nicht für die Binnenschifffahrt umgesetzt wurde. Im Gegensatz dazu weisen andere Verkehrsträger bereits entsprechende Lösungen auf. So zeigte beispielsweise das Projekt SMECS (Smart Event Forecast for Seaports), welches durch das Fachgebiet Logistik der TU Berlin gemeinsam mit mehreren Praxis- und Forschungspartnern im Rahmen des Förderprogramms Innovative Hafentechnologien (IHATEC) des Bundesministerium für Digitales und Verkehr realisiert wurde, die Machbarkeit einer ML-basierten ETA-Prognose für den kombinierten Straße-Schiene-Verkehr. [6] Die Ergebnisse des Projektes können mittels eines Online-Demonstrators (www. smecs-eta.de) erprobt werden. Darüber hinaus existieren datenbasierte Ansätze auch bereits für den Seeverkehr, wie etwa von Alessandrini et al. (2019) [4] oder Parolas et al. (2017). [7] Diese sind jedoch aufgrund anderer Bedingungen nicht auf die Binnenschifffahrt übertragbar. Forschungsprojekt SELECT Um eine entsprechende Lösung zukünftig auch für die Binnenschifffahrt bereitzustellen, hat das Fachgebiet Logistik der TU Berlin gemeinsam mit mehreren Praxisvertretern, darunter BEHALA, Deutsche Binnenreederei, Duisburger Hafen (duisport) und HGK Shipping, das Forschungsprojekt SELECT (Smarte Entscheidungsassistenz für Logistikketten der Binnenschifffahrt durch ETA-Prognosen) initiiert. Ziel des Projektes, welches von 2020 bis 2023 ebenfalls durch das IHATEC-Programm gefördert wird [8], ist die Entwicklung einer MLbasierten ETA-Prognose und eines darauf aufbauenden digitalen Entscheidungsassistenten für die Binnenschifffahrt. Die in SELECT entwickelte Lösung soll einen breiten Anwendungsbereich und eine hohe Skalierbarkeit aufweisen, weshalb hierzu überwiegend öffentlich verfügbare Datenquellen genutzt werden. Das System soll dabei nicht nur die Prognose der Dauer von Fahrprozessen (inkl. Schleusen und Ruhezeiten), sondern auch die Prognose der Hafenaufenthaltsdauer umfassen und damit eine ETA von Schiffsumläufen über mehrere Häfen hinweg bereitstellen. Der damit verbundene Entscheidungsassistent soll anhand der ETA automatisch Störungen und Ineffizienzen entlang der Prozesskette erkennen und den beteiligten Akteuren geeignete Maßnahmen zur proaktiven Steuerung vorschlagen. Iterativer Entwicklungsansatz unter Einbeziehung von Expertenwissen Zur Realisierung des ML-basierten Systems wird ein iterativer Entwicklungsansatz in Anlehnung an das erprobte CRISP-DM-Modell für datenbasierte Projekte [9] mit folgenden fünf Phasen verwendet. 1. Anforderungsanalyse: Zur Realisierung einer praxisgerechten Lösung werden in der ersten Phase die relevanten Anwendungsfälle und Anforderungen seitens der Praxis an eine Lösung erhoben und geeignete Pilotrelationen für das Projekt festgelegt. Hierbei werden Experten aus der Praxis mittels Interviews und Fragebögen einbezogen, welche alle wesentlichen Akteursrollen der Binnenschifffahrt repräsentieren. Hierzu gehören Terminalbetreiber in See- und Binnenhäfen, Reedereien, Verlader und Infrastrukturbetreiber. 2. Prozess- und Störungsanalyse: In der zweiten Phase werden gemeinsam mit den Praxisvertretern die wesentlichen physischen und informatorischen Prozesse des Binnenschifftransportes aufgenommen und relevante Einflussfaktoren und Störungsursachen mit ihrer Wirkung auf die Prozessdauer identifiziert. 3. Datenbeschaffung und -analyse: Aufbauend auf den identifizierten Einflussfaktoren und Störungen erfolgt in der dritten Phase eine Identifizierung geeigneter Datenquellen sowie deren Beschaffung, Aufbereitung und Analyse. 4. Modellentwicklung: Die vierte Phase beinhaltet die IT-Umsetzung der ETA-Prognose und des Entscheidungsassistenten. Die Prozesskette wird hierzu in abgegrenzte Teilprobleme zerlegt, für welche separate Prognosemodelle entwickelt werden. Die Modelle werden mit historischen Daten trainiert und evaluiert, um- die realisierbare Prognosegüte zu bewerten. 5. Realisierung Gesamtsystem: Abschließend werden alle technischen Komponenten in ein Gesamtsystem integriert, welches eine Prognose von Ankunftszeiten für komplexe Schiffsumläufe erlaubt. Das System wird als Demonstrator mit einer praxistauglichen Benutzeroberfläche bereitgestellt. Vielfältige Potenziale und Anforderungen an eine ETA in der Binnenschifffahrt Für den Einsatz valider ETA-Informationen in der Binnenschifffahrt konnte eine Vielzahl akteursspezifischer Potenziale identifiziert werden. Der höchste Nutzen wird für Binnenschiffreedereien und Partikuliere erwartet, denen die ETA eine Erhöhung der Zuverlässigkeit der Transporte sowie eine Reduktion der Transportkosten durch eine effizientere Fahrweise ermöglicht. Betreiber von See- und Binnenhafenterminals sehen den Nutzen in erster Linie in einer verbesserten Planung und Disposition von Liegestellen, Umschlagskapazitäten und Personal sowie in einer besseren Abstimmung mit Anschlusstransporten. Schleusenbetreiber können auf Basis der ETA Schleusenprozesse in Bezug auf die im Zulauf befindlichen Schiffe und eine Vermeidung von Leerschleusungen optimieren. Spediteuren ermöglicht die ETA eine verbesserte Steuerung der Gesamtkette und eine frühzeitige Anpassung der Disposition im Verspätungsfall, sofern geplante Folgeprozesse nicht mehr eingehalten werden können. Dies führt wiederum zu einer Steigerung der Zuverlässigkeit der Kette, den Abbau unnötiger Risikopuffer und eine Verkürzung von Transportzeiten. Bei einer Analyse unterschiedlicher Anwendungsfälle kommt einer ETA im maritimen Containertransport die höchste Bedeutung zu, was durch die enge zeitliche Taktung der Prozesse in intermodalen Transportketten zu begründen ist. Besonders hoch ausgeprägt ist die Bedeutung für den Export (Vorlauf ), da dieser aufgrund fixierter Closing-Zeiten der Seeschiffe und großen Folgewirkungen einer Verspätung besonderen zeitlichen Restriktionen unterliegt. Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 71 Digitalisierung TECHNOLOGIE Anhand der Anwendungsfälle und der akteursspezifischen Potenziale ergeben sich spezifische Anforderungen an die Gestaltung der Prognose. So sollte sich die ETA in erster Linie auf die Ankunft des Schiffes in See- und Binnenhäfen beziehen. Zusätzlich können Angaben für die Ankunft an Schleusen von Nutzen sein. Ein Bezug zur Ladung ist nur im Containertransport und hierbei vor allem für Spediteure und Verlader relevant. Je nach Anwendungsfall sind sowohl kurzfristige Prognosen (z. B. Schleusen: ca. 3-h vor Ankunft) und langfristige Prognosen (z. B. Schichtplanung in Binnenhäfen: ca. 48-h vor Ankunft) von Bedeutung. Darüber hinaus sollte eine hohe Aktualisierbarkeit der ETA gegeben sein. Unterschiedliche Einflussfaktoren auf die Prozessdauer Die hohe zeitliche Unsicherheit bei der Ankunftszeit von Binnenschiffen resultiert aus der Vielzahl von Faktoren, welche die Prozesse beeinflussen. Die relevanten Einflussfaktoren unterscheiden sich laut Expertenmeinung in Bezug auf natürliche und künstliche Wasserstraßen. Während die Schiffbarkeit natürlicher Wasserstraßen maßgeblich durch die Pegelstände beeinflusst wird, sind es im Falle von künstlichen Wasserstraßen insbesondere Störungen der Infrastruktur (z. B. Schleusen, Brücken) sowie das Verkehrsaufkommen an Schleusen und Hebewerken. Eine hohe Bedeutung wird darüber hinaus grundsätzlich den Wetter- und Gewässerbedingungen, jedoch auch den Schiffseigenschaften sowie zeitlichen Faktoren (z. B. Wochentag und Tageszeit der Fahrt) zugewiesen. Einen hohen Einfluss auf die Prozessdauer haben zudem die Betriebsform des jeweiligen Schiffes und sich daraus ergebende gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten, welche an unterschiedlichen Streckenpunkten erfolgen können. Nutzung von AIS-Informationen und weiteren Datenquellen Im Sinne des gewählten ML-Ansatzes des SELECT-Projektes besteht das Ziel, die genannten Faktoren über geeignete Datenquellen in die zu entwickelnden Prognosemodelle einzubinden und mit historischen Binnenschifftransporten in Verbindung zu setzen. Zur Abbildung eines repräsentativen Ausschnittes wurden daher historische Daten für einen Zeitraum von drei Jahren (2017 bis 2019) für zwei Pilotrelationen beschafft. Als Pilotrelationen des Projektes dienen die Korridore Rhein-Main-Gebiet - ARA-Häfen (via Main, Rhein) und Berlin - Hamburg (via Mittellandkanal, Elbeseitenkanal, Elbe), da diese u. a. sowohl eine Untersuchung der Einflüsse natürlicher als auch künstlicher Wasserstraßen zulassen (Bild 1). Die zentrale Datenquelle des Projektes bilden historische Inland-AIS-Daten vom Anbieter FleetMon [11] mit insgesamt ca. 200 Millionen AIS-Meldungen für die genannten Relationen. Neben Positions- und Bewegungsdaten umfassen diese weitere schiffsbezogene Informationen (z. B. MMSI, Schiffstyp, Tiefgang) und reisebezogene Angaben (Zielhafen, ETA). Reisebezogene Angaben werden, wie in der Datenanalyse festgestellt wurde, bei ca. 90 % der untersuchten Fahrten von der Schiffsbesatzung nicht systematisch gepflegt und sind daher zu vernachlässigen. Neben AIS-Daten erfolgt eine Nutzung weiterer externer Datenquellen. Diese umfassen Wetterdaten [12], Flusspegelstände [13] sowie Meldungen für die Binnenschifffahrt (NtS) zu Infrastrukturstörungen und Eislagen für Deutschland [14] und die Niederlande [15]. Weiterhin wurden Schleusenöffnungszeiten, Geo-Daten zu Wasserstraßen und Hafenterminals sowie unternehmensspezifische Daten, insbesondere seitens der Hafenbzw. Terminalbetreiber, miteinbezogen. Für das Projekt standen jedoch keine Transportauftragsdaten zur Verfügung, sodass eine Identifizierung von einzelnen Schiffsfahrten ausschließlich auf Basis der AIS-Daten vorgenommen werden musste. Hierzu wurde ein Algorithmus entwickelt, welcher mithilfe definierter Geo-Bereiche Fahrten auf bestimmten Relationen in den AIS-Daten erkennt und extrahiert. Eine Herausforderung stellte dabei die Entfernung nicht relevanter Fahrten (z. B. Leerfahrten) dar, welche im Projekt über bestimmte Annahmen (z. B. Entfernung von Fällen mit sehr hoher Fahrdauer) erfolgte, letztendlich aber nur mittels zusätzlicher unternehmenseigener Auftragsdaten eindeutig möglich ist. Mehrere Teilmodelle zur Prognose eines Transportes Der Binnenschifftransport besteht - je nach Transportgut und Relation - aus verschie- Bild 1: Pilotrelationen und Datenquellen im SELECT-Projekt Karte modifiziert übernommen aus [10] Bild 2: Prognoseansätze für Port-to-Port-ETA Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 72 TECHNOLOGIE Digitalisierung denen Teilprozessen wie Fahrt, Schleusung, Ruhezeiten und Aufenthalten in See- und Binnenhäfen. Für die Prognose dieser Prozessketten wurde initial im SELECT-Projekt eine Untergliederung in Teilsegmente von Port-to-Port-Transporten in Exportrichtung vorgenommen. Jedes Teilsegment wird durch ein separates Modell repräsentiert, welches die jeweilige Prozessdauer prognostiziert und dabei abschnittsspezifische Einflussfaktoren berücksichtigt. Demnach stellt die Prognose der Durchlaufzeit in See- und Binnenhäfen aufgrund der spezifischen Anforderungen jeweils ein eigenständiges Modell dar. Für die Prognose der Prozessdauern zwischen dem Start- und Zielhafen wurden zwei unterschiedliche Ansätze für die Segmentierung der Prozesskette erprobt, um die optimale Granularitätsstufe für die Entwicklung zu identifizieren (siehe Bild 2). Bei Ansatz 1 bildet ein Gesamtmodell den kompletten Weg von Startbis Zielhafen ab. Ein diesbezüglicher Vorteil besteht in der besseren Prognose von Ruhezeiten auf einer Fahrt, deren Zeitpunkt und Ort vorab nicht bekannt sind. Bei Ansatz 2 wird die Fahrt zwischen Start- und Zielhafen in mehrere Teilprozesse zerlegt, was eine detailliertere Miteinbeziehung lokaler Gegebenheiten wie Pegelstände und Meldungen auf einem Gewässerabschnitt ermöglicht. Durch eine Kombination der einzelnen Teilmodelle kann anschließend die ETA am Zielhafen (Port-to-Port-Prognose) sowie an definierten Zwischenpunkten ermittelt werden. Für die Realisierung der Modelle wird das sogenannte „überwachte“ Lernen verwendet. Dem jeweiligen ML-Algorithmus werden hierbei historische Fahrten (bzw. Segmente davon) präsentiert, für welche die Prozessdauer und vorherrschende Einflussfaktoren bereits bekannt sind. Der Algorithmus extrahiert die Zusammenhänge zwischen Prozessdauer und Einflussfaktoren und bildet diese in einem Modell ab (sog. „Training“). Im Rahmen der Entwicklung werden verschiedene ML-Verfahren erprobt. Neben Künstlich Neuronalen Netzen gehören hierzu die Verfahren Gradient Boosting und Random Forest, die auf einem Ensemble von Entscheidungsbäumen basieren, sowie Support Vector Machines. Prognose der Fahrdauer zwischen Häfen Von hoher Bedeutung für den Einsatz von ML ist die Bildung geeigneter Eingangsvariablen für die Modelle (sog. Features). Diese sollten die relevanten Einflussfaktoren auf die Prozessdauer möglichst gut repräsentieren und zum Prognosezeitpunkt bekannt sein. Die Identifikation geeigneter Features erfolgt im SELECT-Projekt u. a. mithilfe deskriptiver Datenanalysen, bei denen die Zusammenhänge zwischen möglichen Features und der Prozesszeit untersucht werden. Bild 3 zeigt exemplarisch den Zusammenhang zwischen ausgewählten Features und der Fahrdauer in Form von Boxplots und Streudiagrammen. Für alle aufgeführten Faktoren sind hierbei Korrelationen mit der Fahrdauer erkennbar. Features mit hoher Relevanz für die Prognose der Fahrdauer (inkl. Schleusungen und Ruhezeiten) sind beispielsweise zeitliche Features (z. B. Stunde, Wochentag der Abfahrt), Schiffseigenschaften (z. B. MMSI, Schiffstyp, Tiefgang, Länge), die mittleren Fahrzeiten früherer Fahrten und spezifische NtS-Meldungen. Je nach Wasserstraße sind zudem die Pegelstände und die aktuellen Schleusendauern von Relevanz. Von geringerer Bedeutung sind hingegen die jeweiligen Wetterbedingungen. Zur Bewertung der Prognosequalität wurden die trainierten Modelle auf neue Transportfälle angewendet und die Abweichung zu den tatsächlichen Prozesszeiten ermittelt. Die Prognose erfolgt dabei zum Zeitpunkt der Abfahrt des Schiffes aus dem Starthafen. Die derzeitigen Ergebnisse für zwei exemplarische Abschnitte der Pilotrelationen mit jeweils einem Gesamtmodell (Ansatz 1) werden in Bild 4 dargestellt. Für die Relation A (Abschnitt Duisburg - ARA- Häfen, ca. 7.000 Fahrten für Modelltraining und -test) werden 82 % der Fahrten mit einer maximalen Abweichung von 5 Stunden prognostiziert. Der mittlere absolute Fehler (Mean Average Error, MAE) liegt bei 2,7 Stunden. Auf der Relation B (Abschnitt Magdeburg - Hamburg, ca. 1.800 Fahrten) beträgt der MAE derzeit 8,2- Stunden. Die höchste Güte konnte durch die ML-Verfahren Gradient Boosting und Support Vector Machines erzielt werden. Zusätzlich zu einer initialen Ermittlung der ETA bei Fahrtbeginn wurde ein aktualisierbares Prognosemodell getestet, welches Informationen aus bereits absolvierten Teilabschnitten der aktuellen Fahrt miteinbezieht. Mit diesem Ansatz kann die Bild 3: Faktoren mit Einfluss auf die Fahrzeit von Schiffen (Auswahl) Bild 4: Aktuelle Güte der Prognose von Teilprozessen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 73 Digitalisierung TECHNOLOGIE Prognoseabweichung auf der Strecke B beispielsweise auf weniger als eine Stunde reduziert werden. Eine Herausforderung bei der ETA-Prognose in der Binnenschifffahrt stellen lang andauernde Fahrtunterbrechungen dar, welche etwa auf Ruhezeiten, jedoch auch auf Wartezeiten vor Häfen infolge von Terminvereinbarungen zurückgeführt werden können. Da für das Projekt nur wenige Planzeiten zur Verfügung stehen, können solche betrieblichen Unterbrechungen aktuell nur schwer prognostiziert werden. Für eine zukünftige Verbesserung der Prognosequalität ist daher entweder eine Einbindung unternehmensbezogener Auftrags- und Plandaten oder eine systematische Pflege der reisebezogenen AIS-Angaben durch die Schiffsbesatzung von hoher Bedeutung. Prognose von Durchlaufzeiten im-Seehafen Als ein weiteres Teilproblem wurden die Prognose der Durchlaufzeiten sowie die darauf basierende Estimated Time of Departure (ETD) im Seehafen untersucht. Ein Hafendurchlauf besteht aus allen Vorgängen zwischen der Ein- und Ausfahrt eines Schiffes in das Hafengebiet und kann eine Anfahrt mehrerer Terminals zum Laden und Löschen umfassen. Zur Entwicklung der entsprechenden Prognosemodelle wurden ca. 13.600 Hafenanläufe von Binnenschiffen im Seehafen Hamburg ermittelt. Berücksichtige Einflussfaktoren (Features) sind hier zeitliche Parameter, Schiffseigenschaften, Wetterbedingungen und Gezeiten sowie Umschlagszeiten vergangener Fahrten. Die anzulaufenden Terminals wurden als bekannt vorausgesetzt (unabhängig von der Reihenfolge und Anzahl der zu löschenden bzw. zu ladenden Container). Die Prognosequalität in Form des MAE für dieses Teilproblem liegt derzeit bei 11,9 Stunden (siehe Bild 4). Als ML-Verfahren mit höchster Güte haben sich auch hier Support Vector Machines erwiesen. Eine Ursache für die teils noch höheren Prognoseabweichungen stellen ebenfalls Verzögerungen aufgrund von vorab nicht bekannten Prozessen (z. B. Ruhe- und Wartezeiten) dar, welche durch eine Miteinbeziehung von unternehmensbezogenen Daten voraussichtlich genauer bestimmbar sind. Fazit und Ausblick Die bisherigen Ergebnisse des SELECT- Projektes zeigen, dass die Umsetzung einer ML-basierten ETA-Prognose für die Binnenschifffahrt technisch möglich ist. Ein zentraler Erfolgsfaktor hierbei ist die Datenverfügbarkeit. Durch die Einbindung einer Vielzahl öffentlich verfügbarer Datenquellen lässt sich für die Mehrheit der Schiffstransporte bereits eine hohe Prognosegüte erzielen. Dennoch wird auch ersichtlich, dass ein Teil der Prozesszeiten wie etwa Ruhe-, Warte- und Umschlagszeiten nur durch zusätzliche Auftrags- und Plandaten der Reedereien und Terminalbetreiber ausreichend genau prognostizierbar sind. Für die langfristige Umsetzung ist somit ein Hybridansatz denkbar, welcher im Wesentlichen auf öffentlich verfügbaren Datenquellen basiert und - sofern verfügbar - weitere unternehmensspezifische Informationen in die Prognose miteinbezieht. Hierzu erscheint beispielsweise eine Anbindung des ML-Systems an entsprechende Plattformlösungen (z. B. Port Community Systems) als vielversprechend, welche einen geschützten, akteursübergreifenden Informationsaustausch ermöglichen. Insgesamt kann ein hohes Nutzenpotenzial von validen ETA-Prognosen auf Basis von KI bzw. ML für die Binnenschifffahrt konstatiert werden, welches aus Sicht der beteiligten Akteure langfristig eine Attraktivitätssteigerung und damit eine stärkere Einbindung des Verkehrsträgers in Logistikketten verspricht. ■ Webseite von SELECT: www.logistik.tu-berlin.de/ menue/ forschung/ aktuelle_forschungsprojekte/ select/ QUELLEN [1] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2019): Masterplan Binnenschifffahrt. [2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2022): Verkehr in Zahlen 2021/ 2022. 50. Jahrgang. [3] Muschkiet, M. (2013): Binnenschiffgüterverkehr. In: Clausen, U.; Geiger, C. (Hrsg.): Verkehrs- und Transportlogistik, Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. [4] Alessandrini, A.; Mazzarella, F.; Vespe, M. (2019): Estimated Time of Arrival Using Historical Vessel Tracking Data. In: IEEE Transactions on Intelligent Transportation Systems, 20 (1), S. 7-15. [5] Straube, F. (Hrsg.) (2019): Pathway of digital transformation in logistics. 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[15] Daten extrahiert vom Vaarweginformatie-Webservice der Rijkswaterstaat (RWS) in den Niederlanden. Manuel Weinke Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Berlin weinke@logistik.tu-berlin.de Frank Straube, Prof. Dr.-Ing. Leiter Fachgebiet Logistik, Technische Universität Berlin straube@logistik.tu-berlin.de Peter Poschmann Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technische Universität Berlin poschmann@logistik.tu-berlin.de Jan Kliewer Studentischer Mitarbeiter, Technische Universität Berlin kliewer@logistik.tu-berlin.de Fynn Gerhardt Studentischer Mitarbeiter, Technische Universität Berlin gerhardt@logistik.tu-berlin.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 74 TECHNOLOGIE Wissenschaft Verbindungsbezogene Angebotsqualität der RIN im Öffentlichen Verkehr Eine GTFS-gestützte Alternative zur Bewertung der Angebotsqualität Angebotsqualität, GTFS, Netzgestaltung, OpenTripPlanner, ÖV, RIN Die Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität nach den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN) überschätzt systematisch die Angebotsqualität im Öffentlichen Verkehr durch die Anbindung vermeintlich repräsentativer, zentraler und dadurch i. d. R. sehr gut durch den ÖV angebundener Anbindungspunkte in Gemeinden. Ein möglicher Lösungsansatz zur realistischeren Abbildung der ÖV-Angebotsqualität liegt in der Ermittlung der RIN-Kenngrößen auf einem räumlich fein aufgelösten Gitter. Der Beitrag befasst sich mit der Anwendung der RIN für den ÖV am Beispiel zweier Regionen und stellt Lösungsansätze zur Identifizierung relevanter Verbindungen und der Ermittlung der Angebotsqualität auf einem GeoGitter vor. Marian Schlott, Tim Holthaus D ie Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) bewerten die verbindungsbezogene Angebotsqualität für relevante zentralörtliche Verbindungen. Ausgangspunkt der RIN-Analysen ist das Zentrale Orte System (ZOS), welches als Grundlage zur Ermittlung der Bedeutung zwischengemeindlicher Verbindungen gewählt wird. Je nach Verbindungsfunktionsstufe (VFS) unterscheiden die RIN Zentrale Orte (ZO) verschiedener Stufen, die hierarchisch organisiert sind und sich an der raumordnerischen Gliederung orientieren. Im Einzelnen sind dies: •• Metropolregionen (MR) •• Oberzentren (OZ) •• Mittelzentren (MZ) •• Grundzentren (GZ) •• Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion (G) Die RIN sind eine methodische Planungshilfe zur Bestimmung der Erreichbarkeiten von ZO und stellen die Basis der funktionalen Gliederung von Verkehrsnetzen, die auf eine Bündelung der Verkehrsnachfrage abzielt. [1,- 2] Als Start- und Zielpunkte zur Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität im ÖV dienen dieselben Mittelpunkte der Siedlungsbereiche bzw. Ortszentren wie im motorisierten Individualverkehr (MIV). Dies führt zu bekannten systematischen Überschätzungen der ÖV-Angebotsqualität im Verhältnis zum MIV (Wahl des geeigneten Anbindungspunktes). Im Folgenden werden mittels digitaler Angebotsdaten des ÖV (GTFS 1 -Fahrplandaten) mit feiner räumlicher Auflösung (Gitterzellenebene) tatsächliche Reisezeiten (Zugangs-, Warte-, Beförderungs- und Abgangszeiten) ermittelt, eine Alternativmethode zur Bestimmung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität nach RIN vorgestellt und gezeigt, welche systematischen Schwächen sich bei der Methode nach RIN im Vergleich zur vorgestellten Alternativmethodik ergeben.[3] Datengrundlagen und Reisezeitmodell GTFS definieren ein allgemeines Format zur Beschreibung des Sollfahrplans eines ÖV-Systems. Neben der Darstellung eines Fahrplans liegen zudem geographische Informationen wie z. B. die geokodierten Haltestellen (HST) vor. Bild 1 stellt den relationalen Zusammenhang dar und zeigt, welche Schlüssel die Tabellen untereinander verknüpfen.[4] Durch die Abbildung in Form einer relationalen Datenbank ist eine einfache Ableitung grundsätzlicher Merkmale der Angebotsqualität des ÖV (u. a. Berechnung von Fahrtenhäufigkeiten, oder Linien pro Stadt, ...) sowie der Aufbau von (multimodalen) Reisezeitmodellen mit GTFS-Daten möglich. Zur räumlichen Abbildung der ermittelten Kenngrößen wird ein Datenmodell verwendet, welches in Form eines Gitters (Basis stellt das vom BKG bereitgestellte GeoGrid mit 100 m Kantenlänge) vorliegt, dass durch statistische Informationen erweitert werden kann und in Bild 2 dargestellt ist. Das räumliche Analysebezugssystem gewährt eine möglichst kleinräumige Abbildung statistischer Größen.[6] Als Bezugssystem wird ein Git- Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 75 Wissenschaft TECHNOLOGIE ter erzeugt, welches Gitterzellen mit einer Kantenlänge von 300 m Länge aufweist. Durch den Zensus 2011 liegen erstmals die Einwohnerzahlen auf einem Gitter mit 100 m Kantenlänge für Deutschland vor, die auf das hier verwendete Gitter mit 300 m Kantenlänge aggregiert werden.[7] Das hier genutzte Modell wird mittels OpenTripPlanner (OTP) (Version 1.5) erstellt. OTP ist ein Router, der aus OpenStreetMap (OSM) und GTFS-Daten einen routingfähigen multimodalen Graphen erzeugt, der je nach Konfiguration personalisierte Geschwindigkeiten für die einzelnen (Zu-/ Abbringer)Modi berücksichtigt. Über die bereitgestellte REST API können automatisiert Verbindungen oder Isochronen abgefragt werden.[8] Mit einem threadingfähigen Skript, welches sowohl den Server über die REST API abfragt und zeitgleich die relationsbezogenen Daten (Startzeit, Zugangszeit, Beförderungszeit, Umsteigehäufigkeit, Umsteigewartezeit, Abgangszeit, etc.) in einer PostgreSQL-Datenbank speichert, ist eine in sich konsistente Arbeitsumgebung geschaffen, mit der die Daten effizient gespeichert und in PostGIS analysiert werden können. Bild 3 zeigt schematisch eine typische Fahrtenkette zwischen zwei Gitterzellen im ÖV. Durch die Nutzung eines vollständigen, intermodalen Netzmodells können auch Zu- und Abwege im Fuß- und Radverkehr berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Wege zwischen zwei HST beim Umstieg. Die Fußgehgeschwindigkeit wird hier mit 1,3 m/ s modelliert. Die Startwartezeit (SWZ) wird nicht abgebildet. Das Analysesystem fragt für jede Relation (ij) die nächsten 20 Verbindungen in der morgendlichen Hauptverkehrszeit (mHVZ) mit Startzeit ab 08: 00 Uhr an einem Werktag ab, sodass eine adäquate Abbildung der mHVZ gewährleistet wird. Gegenüberstellung der Untersuchungsgebiete Als Untersuchungsgebiet (UG) wird zum einen das Gebiet des Regionalverbands Großraum Braunschweig (RVB) gewählt, in dem rd. 1,1 Mio. Einwohner leben. Neben den drei OZ Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg sind neun MZ und 32 GZ im UG verortet. Das zweite UG, der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV), hat rd. 1,7 Mio. Einwohner und beinhaltet die beiden OZ Leipzig und Halle an der Saale sowie 16 MZ und 33 GZ. Die beiden Regionen sind auf zentralörtlicher Ebene und bei der Einwohneranzahl untereinander vergleichbar. Neben der Darstellung der ZO werden kurz die ÖV- Systeme hinsichtlich der Bedienungshäufigkeit als ein Kriterium der Angebotsqualität beider Regionen quantitativ verglichen. Bild 4 stellt die Anzahl der Abfahrten je 1 km 2 Gitterzelle differenziert nach der Zentralitätsstufe dar. Bei der Berechnung der Abfahrten wird keine Differenzierung hinsichtlich der HST respektive Linien vorgenommen, sondern die Abfahrten aller HST innerhalb einer Gitterzelle aufsummiert. Werden mehrere HST durch eine Linie angefahren, so sind diese Stopps enthalten. Die Gegenüberstellung der Regionen auf zentralörtlicher Ebene zeigt, dass kaum Unterschiede hinsichtlich der Fahrtenhäufigkeit vorliegen. Lediglich die Anzahl der Abfahrten auf einer Gitterzelle sind auf OZ- Ebene in beiden Regionen unterschiedlich. Liegt der Median in Salzgitter (OZ im RVB) bei 14 Abfahrten je Gitter mit 1 km Kantenlänge, ergibt sich für Leipzig in der mHVZ ein Median von 82 Abfahrten. Wird das Kriterium der Fahrtenhäufigkeit um den Faktor der Erschließungsqualität erweitert, können Unterschiede hinsichtlich der erreichbaren Fläche auf ZO- Ebene sichtbar gemacht werden. Unter Erschließungsqualität wird dabei eine maximal erreichbare Fläche verstanden. Methodisch ist für jede bewohnte Gitterzelle mit 100 m Kantenlänge eine vektorbasierte Isochrone berechnet worden, welche die erreichbare Fläche innerhalb einer Stunde in der mHVZ ausweist. In der Erreichbarkeitsforschung wird zwischen gitterzellen- und vek- Bild 1: Datenmodell eines GTFS-Feeds Eigene Darstellung nach [4, 5] Bild 2: Verwendetes Gitter zur Darstellung Berechnung der Reisezeiten Eigene Darstellung Bild 3: Schematische Darstellung der Ermittlung der Reisezeiten mit dem OTP Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 76 TECHNOLOGIE Wissenschaft torbasierten Isochronen unterschieden. Vektorbasierte Isochronen extrapolieren die Reisezeit zwischen Quelle und Ziel und erzeugen einen Vektor, der der Erreichbarkeit in einem vorgegebenen Zeitintervall entspricht.[9] Im Ergebnis wird für jede bewohnte Gitterzelle eine Isochrone berechnet, welche die Fläche, die innerhalb von einer Stunde erreicht werden kann, zurückgibt. Die leicht zu implementierende Methode zeigt in Bild 5, dass zwischen beiden Regionen Unterschiede hinsichtlich der Ausdehnung der Isochronen auf Ebene der ZO vorliegen. Lediglich die Erreichbarkeit bei den OZ ist im MDV besser als im RVB; dies liegt insbesondere an der höheren ÖV-Angebotsqualität der Stadt Leipzig. Die Analyse der Angebotsqualität auf einer rein quantitativen Ebene (Berechnung der Bedienungshäufigkeit, die unmittelbar aus den GTFS-Daten berechnet werden kann) und mit der Erweiterung um die Reisezeit (vektorbasierte Isochronen) verdeutlicht, dass eine Berücksichtigung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität Unterschiede sichtbar macht, welche durch eine reine Bewertung der Bedienungshäufigkeit nicht deutlich wird. Mit den RIN liegt in Deutschland eine Planungshilfe vor, die methodisch eine Bewertung der Erreichbarkeit von ZO vornimmt und im Folgenden in beiden Regionen angewandt wird. Analysemethode nach RIN Die RIN untersuchen auf Grundlage benachbarter Gemeinden gleicher Zentralität (Verbindungen) oder höherrangiger Zentren (Anbindungen) die verbindungsbezogene Angebotsqualität (Luftliniengeschwindigkeit, Reisezeitverhältnis ÖV/ mIV, Umsteigehäufigkeit). Die VFS werden nach RIN in Matrizen aufgebaut, die dann auf das tatsächliche Netz (Routing) umgelegt werden. Anhand der Ergebnisse wird mittels Bewertungskurven die Angebotsqualität beurteilt. Dabei wird empfohlen, dass in einem ersten Schritt Luftlinienverbindungen zwischen den ersten und zweiten Nachbarn gleicher Zentralitätsstufe gebildet werden.[2] Die Ermittlung der Nachbarschaftsgrade setzt oft einen hohen manuellen Aufbereitungsaufwand voraus, weshalb ein im Folgenden erläutertes teilautomatisiertes Verfahren entwickelt wird, um die Nachbarschaftsbeziehungen abzuleiten. Die Ausgangslage des Verfahrens besteht in der Betrachtung der Gemeinden gleicher Zentralitätsstufe (Grund-, Mittel oder Oberzentren) und wird am Beispiel der GZ kurz skizziert. Zunächst werden alle Nachbarschaftsbeziehungen identifiziert, bei denen die angrenzenden Gemeinden GZ sind; diese Gemeinden werden im Weiteren nicht betrachtet, da sie bereits als erste Nachbarn bestimmt worden sind. Sofern die angrenzenden Gemeinden jedoch eine andere Zentralitätsstufe haben, werden die Geometrien (Polygone der administrativen Grenzen der Gemeinden) vereinigt und die so entstandene Gemeinde wird als GZ betrachtet. Anschließend existieren nur noch GZ, und es können die restlichen ersten Nachbarn bestimmt werden. Die Nachbarn zweiten Grades ergeben sich über die minimalen Luftliniendistanzen zwischen den räumlichen Schwerpunkten (Centroid - Mittelpunkt eines Polygons) einer Gemeinde (Polygone). Im Ergebnis liegen für alle Gemeinden einer Zentralitätsstufe (z. B. GZ) Nachbarschaftsbeziehungen vor, welche die Grundlage zur Ermittlung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität zwischen den Gemeinden bilden. Um einen möglichst zentralen Anbindungspunkt (nach RIN) einer Gemeinde zu finden, werden im OSM- Datensatz Kirchen identifiziert und mit dem 1 km 2 -Gitter verschnitten. Anschließend wird die 1 km 2 -Gitterzelle je Gemeinde identifiziert, welche die meisten Abfahrten in der mHVZ hat (These: Zentraler Umsteigepunkt im ÖV-System und daher i. d. R. ZO-Anbindung nach RIN). Als Anbindungspunkt der Gitterzelle wird der geometrische Schwerpunkt gewählt. In Bild 6 ist das Ergebnis der Identifizierung nach RIN dargestellt. Im Anschluss werden die erzeugten Matrizen auf das ÖV-Netz umgelegt, wobei die vorher identifizierten geometrischen Schwerpunkte als Startbzw. Endkoordinate gewählt werden. Um aus der Fülle an möglichen relevanten Verbindungen je Relation geeignete Verbindungen zu identifizieren, schlagen die RIN eine maximal gewichtete Beförderungszeit vor, welche die obere Grenze darstellt. Zur Ermittlung der Luftlinienverbindungen werden alle Verbindungen gewählt, die kleiner als die maximal gewichtete Beförderungszeit sind. Für die 587 Luftlinien- Bild 4: Summenhäufigkeitsverteilung der Abfahrten je 1 km² Gitterzelle differenziert nach der Zentrumsart Eigene Darstellung und Berechnung Bild 5: Summenhäufigkeitsverteilung der erreichbaren Fläche in der morgendlichen Hauptverkehrsart differenziert nach der Zentrumsart Eigene Darstellung und Berechnung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 77 Wissenschaft TECHNOLOGIE verbindungen der VFS III liegen beispielsweise nach Anwendung der Verbindungswahl 5.049 relevante Verbindungen vor, die zur Ermittlung der mittleren Beförderungszeit je Relation verwendet werden können. Zur Bewertung der Stufen der Angebotsqualität (SAQ) wird für jede Relation die Luftliniengeschwindigkeit wie folgt berechnet: V L = I l · 60 t Zugangszeit + t Beförderungszeit + t Wartezeit + t Abgangszeit Die Verteilung der SAQ (VFS III) (vgl. in Bild 7) zeigt für den RVB, dass viele Relationen nicht die erforderliche Mindest-SAQ-Stufe D der RIN erfüllen; selbiges gilt für den MDV. Bezogen auf die SAQ-Stufen A bis B ist der Anteil im RVB höher als im MDV. Alternativmethode Die Methode der RIN zur Ermittlung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität weist methodische Schwächen auf: Da nur die Beförderungszeiten sowie die Umsteigehäufigkeiten berücksichtigt werden, werden auch Verbindungen in die Ermittlung der mittleren Beförderungszeit aufgenommen, die über unverhältnismäßig lange Wartezeiten verfügen. Bild 8 stellt die Abweichung zwischen der Beförderungs- und der Reisezeit dar. Im MDV weisen z. B. nach RIN-Methode 50 % der Verbindungen ein Verhältniswert zwischen Beförderungszu Reisezeit von höchstens 38,7 % auf; für den RVB beträgt der Median 51,9 %. Dies verdeutlicht, dass die angewandte Methodik anfällig für die Berücksichtigung unplausibler Routen ist. Eine Abbildung der Zugangs- und Abgangszeit findet zudem nicht statt, wobei insb. die fußläufige Erreichbarkeit von HST ein wesentliches Qualitätsmerkmal im ÖV-System darstellt.[10] Ein Alternativvorschlag liegt in der Berücksichtigung maximaler Umsteigewartezeiten je Verbindung vor (z. B. schlagen die Autoren in [11] für Busse im Regionalverkehr zwischen regionalen Zielen eine maximale Umsteigewartezeit von zehn Minuten vor). Bei Anwendung der maximalen Umsteigewartezeiten differenziert nach der Verbindung aus [11], ergeben sich für beide Regionen plausiblere Verhältniswerte. Daher sollte die maximale Wartezeit als ein erstes Kriterium zur Identifikation von realitätsnahen Routen im Rahmen von verbindungsbezogenen Analysen der Angebotsqualität aufgenommen werden. Durch die punktuelle und zentrumsnahe Anbindung der ZO nach RIN ist eine flächenhafte Beurteilung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität nicht möglich. I. d. R. liegt in unmittelbarer Nähe zur RIN-Anbindung ein Hauptknoten des ÖV-Systems, wodurch die Reisezeiten im ÖV systematisch unterschätzt werden. Durch die Ausweisung von Fahrplänen und dem linienhaften Charakter des ÖV-Systems wird daher eine Methodik benötigt, die möglichst kleinräumig (Qualitätsbewertung des Zugangs zum Systems) und flächenhaft eine verbindungsbezogene Angebotsqualität berechnet. Im Ergebnis liegt zwischen ZO Reisezeiten in Form einer Matrix (im Maximalfall von jedem Gitter je Gemeinde zu jedem Gitter je Gemeinde) vor, aus der sich (einwohnergewichtete) Reisezeitkenngrößen (min, max, Median) zur verbindungsbezogenen Angebotsqualität ermitteln lassen.-[12] In Bild 9 ist die Alternativmethode der zwischengemeindlichen verbindungsbezogenen Angebotsqualität dargestellt. Für jede zu untersuchende Relation zwi- Bild 6: Identifizierung der Anbindungspunkte Eigene Darstellung Bild 7: Verteilung der SAQ-Kurven für die VFS-III Eigene Darstellung und Berechnung Bild 8: Summenhäufigkeitsverteilung der Anzahl des Verhältnisses zwischen Fahr- und Reisezeit für die VFS III im MDV und RVB Eigene Darstellung und Berechnung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 78 TECHNOLOGIE Wissenschaft schen zwei ZO werden alle bewohnten Gitterzellen (siehe das räumliche Datenmodell) untereinander verbunden. Als Anbindungspunkte werden die Centroide der Gitterzellen gewählt. In Bild 9 ist für zwei Beispielzellen die Bildung der Relationen dargestellt. Durch diese Methode wird eine hohe räumliche Auflösung sichergestellt und eine bessere Abbildung des ÖV-Angebots ermöglicht. In die Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität werden zudem nur die Verbindungen einbezogen, die das Kriterium der maximalen Umsteigewartezeiten erfüllen. Neben der räumlich schlechten Abbildung der Angebotsqualität ergibt sich auch aus der Identifizierung der Nachbarschaftsbeziehungen nach RIN die Problematik, dass keine eineindeutigen Ergebnisse erzielt und im ländlichen Raum Verbindungen zwischen ZO untersucht werden, die unter Umständen über keine ausreichende ÖV-Austauschbeziehung verfügen. In den RIN werden jedoch Zielgrößen für die Erreichbarkeit von ZO gleicher Zentralitätsstufe vorgegeben, die als Grundlage zur Bestimmung der Nachbarschaftsbeziehungen in folgender Methode genutzt werden: Für alle HST innerhalb eines ZO werden vektorbasierte Isochronen berechnet; falls eine der so erzeugten Isochronen sich mit dem bewohnten Gemeindegebiet eines benachbarten ZO schneidet, wird diese Gemeinde als Nachbar identifiziert. Die in den RIN aufgegriffenen Zielvorgaben der Erreichbarkeit von ZO aus der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) werden als Ausgangspunkt genommen, um die Nachbarschaftsbeziehungen der ZO zu bestimmen. Da sie zum einen für Zeitpunkte schwacher Verkehrsnachfrage gelten und zudem die Zu- und Abgangszeiten beinhalten, sind sie ein geeignetes Maß, um explizit die Vorgaben der Raumordnung bei der Bildung der Nachbarschaftsbeziehungen aufzugreifen.[1] In den RIN bzw. laut MKRO wird nur genannt, dass aus der Fläche ein GZ innerhalb von 45 min erreicht werden soll. Sprich, dass die GZ so liegen und angebunden sein müssen, dass bei Bildung von 45-min-Isochronen alle bewohnten Gitterzellen im Umland davon abgedeckt sind.[1, 2] In Bild 10 ist das Vorgehen zur Berechnung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität schematisch dargestellt. Um Unterschiede in der Ermittlung der Luftliniengeschwindigkeiten sichtbar zu machen, werden die Median-Luftliniengeschwindigkeiten je Gitterzelle-Gitterzelle-Verbindung (vgl. Bild 9) mit der Luftliniengeschwindigkeit zwischen den Anbindungspunkten (RIN-Methode) verglichen, wobei der Luftliniengeschwindigkeit die jeweils schnellste aller 20 ermittelten Routen/ Verbindungen zugrunde liegt. In Bild 11 sind die Summenhäufigkeitsverteilungen der Abweichungen zwischen Median-Luftliniengeschwindigkeit und RIN-Methode dargestellt. Es wird deutlich, dass die Ausweisung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität nach RIN nicht zu repräsentativen Ergebnissen führt. Eine Überschätzung der Angebotsqualität ist dadurch ersichtlich, dass die Medianwerte der alternativ ermittelten Luftliniengeschwindigkeiten lediglich bei der Gegenüberstellung der Abweichungen für die SAQ F adäquate Ergebnisse erzielen. Es kann gezeigt werden, dass bei den guten SAQ-Stufen (RIN-Methode) die Abweichungen erheblich sind. Für SAQ A sind z. B. 50 % aller Verbindungen um 54 % schlechter als die nach der RIN-Methode ausgewiesenen Luftliniengeschwindigkeiten. Fazit Die hier vorgestellten Ansätze haben gezeigt, dass bei der nach RIN gültigen Vorgehensweise die Bewertung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität für den ÖV auf der Abbildung nicht realistischer Reisezeiten beruht Bild 9: Alternativmethode zur Ermittlung der SAQ-Bewertungen in Anlehnung an [12] (Zur Sichtbarkeit werden nur beispielhaft drei Zellen aus der Gemeinde links an die übrigen Zellen in Gemeinde rechts angebunden) Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 79 Wissenschaft TECHNOLOGIE und somit die Angebotsqualität nicht adäquat abbildet. Die gezeigten Modifikationen der Berechnungsmethode auf ein räumlich hoch aufgelöstes Gitter, der alternativen Identifizierung der relevanten Verbindungen und dem damit einhergehenden Wegfall des Fokus auf eine Anbindung je ZO sind erste Ansätze zur besseren Abbildung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität. ■ 1 General Transit Feed Specification Daten sind seit dem 01.01.2020 durch die Verordnung 2017/ 1926 der Europäischen Union europaweit durch die jeweiligen Mitgliedstaaten bereitzustellen. LITERATURVERZEICHNIS [1] Vallée, D. (o.J.): Leitthema Verkehr, Bd. 17. In: Neuaufstellung des Zentrale-Orte-Konzepts in Nordrhein-Westfalen, S. 53-61. [2] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für integrierte Netzgestaltung: RIN. Ausgabe 2008. Köln, 2009 (FGSV R1 - Regelwerke FGSV 121). [3] Schlott, M. (2021): Methoden zur Analyse der Angebotsqualität mit GTFS-Daten. Wuppertal, Bergische Universität Wuppertal, Fachzentrum Verkehr. Masterarbeit. 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In: Raumforschung und Raumordnung 74 (2016), Nr. 5, S. 437-450. [10] Verband deutscher Verkehrsunternehmen e.V.: Verkehrserschließung, Verkehrsangebot und Netzqualität im ÖV. VDV-Schrift 4. 2019. [11] Kirchhoff, P.; Tsakarestos, A. (2007): Planung des ÖV in ländlichen Räumen: Ziele — Entwurf — Realisierung. Wiesbaden: Teubner (Springer eBook Collection Computer Science & Engineering). [12] Holthaus, T.: Open Source gestützte Anwendung der Richtlinien für integrierte Netzgestaltung im ländlichen Raum. Wuppertal, Bergische Universität Wuppertal, Fachzentrum Verkehr. Dissertation. o.J. Marian Schlott, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehr- und Forschungsgebiet Güterverkehrsplanung und Transportlogistik, Bergische Universität Wuppertal schlott@uni-wuppertal.de Tim Holthaus, M.Sc. Akademischer Rat, Lehr- und Forschungsgebiet Güterverkehrsplanung und Transportlogistik, Bergische Universität Wuppertal holthaus@uni-wuppertal.de Bild 11: Summenhäufigkeitsverteilung der Abweichungen der Median-Luftliniengeschwindigkeiten zwischen Alternativmethodik und RIN-Methode Eigene Darstellung und Berechnung Bild 10: Methodik zur Berechnung der verbindungsbezogenen Angebotsqualität Eigene Darstellung FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 80 Mobilität nachhaltig und alltagstauglich gestalten Vorschau: DVWG Jahresverkehrskongress 2022, 24. Juni 2022, Wuppertal D er eintägige Kongress wird fachliches Kernstück der Jahrestagung 2022 der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft DVWG sein und versteht sich als Informationsbühne und Motivationsplattform zur Mitwirkung an den notwendigen gesellschaftspolitischen Umgestaltungsprozessen. Die wissenschaftliche Leitung hat Univ.-Prof. Dr.-Ing. Felix Huber, Leiter des Lehr- und Forschungsgebiets Umweltverträgliche Infrastrukturplanung, Stadtbauwesen im Fachzentrum Verkehr der Abteilung Architektur und Bauingenieurwesen der Bergischen Universität Wuppertal. Auf dem Kongress sollen die unterschiedlichen Strategieansätze zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität auf Grundsatzebene vorgestellt und umfassend betrachtet werden, welche konkreten Chancen für eine nachhaltige Mobilitätswende sinnvoll und realisierbar sind. Dafür werden die unterschiedlichen neuen Strategieansätze präsentiert, fachlich-inhaltlich diskutiert und bewertet. Mit diesem Event, der vom durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert wird, unterstützt die DVWG gleichzeitig die Bundespolitik bei ihrer Aufgabe, die breite Fachöffentlichkeit des Mobilitätssektors über ihre Ziele und Maßnahmen zu informieren. Durch die Fokussierung auf die beiden zentralen Zielbereiche der Koalitionsvereinbarung - die Gestaltung nachhaltiger Mobilität und die Gewährleistung einer guten Erreichbarkeit - werden die Teilnehmenden umfassend über den Stand der Erkenntnis, über Methoden und über existierende Standards informiert. Neben Keynotes und Fachvorträgen soll mit einem Round Table zur Thematik „Mobilität 2050 nachhaltig gestalten“ insbesondere auch dem verkehrswissenschaftlichen Nachwuchs eine Plattform geboten werden. In einer moderierten Podiumsdiskussion werden sich junge Menschen aus Wissenschaft und Forschung zu Aspekten alltagstauglicher und nachhaltiger Mobilität für die kommenden Generationen positionieren und austauschen. www.dvwg.de/ veranstaltungen/ jahresverkehrskongress-2022 Foto: Landesmesse Stuttgart Strategien für eine resiliente Stadtentwicklung Strategien für eine resiliente Stadtentwicklung Daseinsvorsorge|Klimaschutz| Digitalisierung|Sozialkapital|Kommunikation|Krisenbewältigung Daseinsvorsorge|Klimaschutz| Digitalisierung|Sozialkapital|Kommunikation|Krisenbewältigung 2 · 2022 URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Stresstest für Städte Lesen Sie in der neuen Ausgabe 2|2022 von Transforming Cities:  Resiliente Informations- und Kommunikationstechnologien  Digitalisierung und Resilienz  Vorausschauende Daseinsvorsorgeplanung  Agiles Zusammenarbeiten in sektoralen Verwaltungsstrukturen  Community Resilience in Krisen und Katastrophen  Nachhaltige und resiliente Infrastrukturlösungen Erscheint am 7. Juni 2022. Jetzt bestellen unter: https: / / www.transforming-cities.de/ einzelheft/ Urbane Systeme im Wandel. Das Technisch-Wissenschaftliche Fachmagazin TranCit_neu_halbe_quer.indd 1 TranCit_neu_halbe_quer.indd 1 03. Mai. 2022 12: 51: 47 03. Mai. 2022 12: 51: 47 Intralogistik aus erster Hand Vorschau: LogiMAT - Internationale Fachmesse für Intralogistik-Lösungen und Prozessmanagement, 31. Mai bis 2. Juni 2022, Stuttgart D ie sich ständig verändernden Märkte erfordern eine flexible und innovative Logistik. Prozesse müssen kontinuierlich überwacht und optimiert werden. Dies erfordert ein sensibles Gespür, aus einer Fülle von Angeboten die Produkte und Lösungen zu identifizieren, mit denen sich innerbetriebliche Prozesse optimieren lassen. Die LogiMAT soll einen vollständigen Marktüberblick bieten über alles, was die Intralogistik-Branche bewegt - von der Beschaffung über die Produktion bis zur Auslieferung. Digitalisierung, Vernetzung, Künstliche Intelligenz und Big Data sind Schlüsselbegriffe im Zeitalter von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge. Die Fortschritte in IT und Technik und die damit verbundenen intelligenten, autonomen Systeme eröffnen ein ganz neues Level für Produktivität und Wertschöpfung entlang der gesamten Supply Chain. Tools wie Virtuelle Realität, 3D-Druck und Sensorik bieten neue Perspektiven. Der Datenaustausch in Echtzeit ermöglicht, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und Anpassungen rechtzeitig vorzunehmen. Und: Systeme wachsen intelligent zusammen. Diese smarte Vernetzung schafft die Voraussetzungen für Zeitersparnis, Energieeffizienz und Sicherheit. Idealerweise kollaborieren dabei Mensch und Maschine nahtlos und intuitiv. Die Komplexität der Systeme stellt jedes Unternehmen, das von dieser digitalen Transformation profitieren will, vor immense Herausforderungen, bietet aber gleichzeitig auch Raum für Innovationen. Diese Technologien und Lösungen stehen auf der LogiMAT im Fokus. Sie ist die führende internationale Fachmesse, die einen vollständigen Marktüberblick und kompetente Wissensvermittlung „auf einen Blick“ bietet. www.logimat-messe.de Veranstaltungen FORUM Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 81 Das Klima retten! Der ÖPNV als Schlüsselfaktor? Vorschau: 14. Deutscher Nahverkehrstag, 13. bis 15. Juni 2022, Koblenz D er Deutsche Nahverkehrstag, organisiert vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz, ist gemessen an der Zahl der Teilnehmenden und der Angebote eine der größten Kongressveranstaltungen für den Öffentlichen Personennahverkehr im deutschsprachigen Raum. Seit 25 Jahren bietet die Konferenz Branchenvertreterinnen und -vertretern aus dem In- und Ausland eine Plattform für Information und Austausch. Im Rahmen von Fachvorträgen, einer Produkt- und Ideen-Messe sowie begleitenden Social Events werden gemeinsame Themen und Probleme, lösungsorientierte Strategien und neue Entwicklungen diskutiert und vorangetrieben. Passend zum diesjährigen Motto „Das Klima retten! Der ÖPNV als Schlüsselfaktor? “ sind rund 100 spannende, äußerst vielseitige Vorträge und Diskussionen aus ganz unterschiedlichen aktuellen Themenfeldern geplant. So etwa die Diskussion zu den aktuellen verkehrspolitischen Kernthemen in Deutschland. Dazu kommen Referate und Best-Practice-Beiträge zu den Themen Barrierefreiheit, intelligente Datennutzung im ÖPNV, neue europäische Fahrgastrechteverordnung, Grüner Wasserstoff für den ÖPNV, Umstellung von Strecken auf elektrischen Betrieb sowie alternative Antriebe im SPNV. Das weitgespannte Programm umfasst auch Vorträge zur Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur, der Diskussion um ÖPNV on demand, Prognosen zur Verkehrswende oder Seilbahnen als Komponenten multimodaler Verkehrsnetze. Die Verbindung von Fachkongress und Fachmesse macht die Veranstaltung gerade auch für Praktiker besonders interessant. www.deutschernahverkehrstag.de/ fachmesse Foto: Norbert Doetsch / pixabay Strategien für eine resiliente Stadtentwicklung Strategien für eine resiliente Stadtentwicklung Daseinsvorsorge|Klimaschutz| Digitalisierung|Sozialkapital|Kommunikation|Krisenbewältigung Daseinsvorsorge|Klimaschutz| Digitalisierung|Sozialkapital|Kommunikation|Krisenbewältigung 2 · 2022 URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Stresstest für Städte Lesen Sie in der neuen Ausgabe 2|2022 von Transforming Cities:  Resiliente Informations- und Kommunikationstechnologien  Digitalisierung und Resilienz  Vorausschauende Daseinsvorsorgeplanung  Agiles Zusammenarbeiten in sektoralen Verwaltungsstrukturen  Community Resilience in Krisen und Katastrophen  Nachhaltige und resiliente Infrastrukturlösungen Erscheint am 7. Juni 2022. Jetzt bestellen unter: https: / / www.transforming-cities.de/ einzelheft/ Urbane Systeme im Wandel. Das Technisch-Wissenschaftliche Fachmagazin TranCit_neu_halbe_quer.indd 1 TranCit_neu_halbe_quer.indd 1 03. Mai. 2022 12: 51: 47 03. Mai. 2022 12: 51: 47 GREMIEN | IMPRESSUM Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 82 Erscheint im 74. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag und Redaktion Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22 | D-72270 Baiersbronn Tel. +49 7449 91386.36 Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 7449 91386.43 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de Korrektorat: Ulla Grosch Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de dispo@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 59 vom 01.01.2022 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr mit International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist sechs Wochen vor Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Jahres-Bezugsgebühren Inland: Print EUR 220,00 / eJournal EUR 210,00 (inkl. MWSt.) Ausland: Print EUR 228,00 / eJournal EUR 210,00 (exkl. VAT) Einzelheft: EUR 39,00 (inkl. MWSt.) + Versand Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print-Ausgabe oder eJournal mit dem Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Qubus Media GmbH, Hannover Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Strand von Kopenhagen (DK). © Decokor / Clipdealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Baiersbronn-Buhlbach ISSN 0020-9511 Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Matthias Krämer Abteilungsleiter Strategische Planung und Koordination, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Sebastian Belz Dipl.-Ing., Generalsekretär EPTS Foundation; Geschäftsführer econex verkehrsconsult GmbH, Wuppertal Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Magnus Lamp Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Köln Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Florian Eck Dr., Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Dr.-Ing., Geschäftsführer, traffiQ, Frankfurt am Main (DE) Ottmar Gast Dr., ehem. Vorsitzender des Beirats der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., ehem. Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Detlev K. Suchanek Publisher/ COO, GRT Global Rail Academy and Media GmbH | PMC Media, Hamburg Erich Staake Dipl.-Kfm., ehem. Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, Duisburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johannes Max-Theurer Geschäftsführer Plasser & Theurer, Linz Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender der Logistik- Initiative Hamburg (LIHH), Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Ralf Nagel Ehem. G Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Jan Ninnemann Prof. Dr., Studiengangsleiter Logistics Management, Hamburg School of Business Administration; Präsident der DVWG, Hamburg Ben Möbius Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), Berlin Ullrich Martin Univ.-Prof. Dr.-Ing., Leiter Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen, Direktor Verkehrswissenschaftliches Institut, Universität Stuttgart DAS FACHMAGAZIN FÜR DIE JACKENTASCHE Lesen Sie Internationales Verkehrswesen und International Transportation lieber auf dem Bildschirm? Dann stellen Sie doch Ihr laufendes Abo einfach von der gedruckten Ausgabe auf ePaper um - eine E-Mail an service@trialog.de genügt. Oder Sie bestellen Ihr neues Abonnement gleich als E-Abo. Ihr Vorteil: Überall und auf jedem Tablet oder Bildschirm haben Sie Ihre Fachzeitschrift für Mobilität immer griffbereit. www.internationales-verkehrswesen.de/ abonnement Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 3 ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 3 11.11.2018 18: 27: 05 11.11.2018 18: 27: 05 2022 | Heft 2 Mai