Internationales Verkehrswesen
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2023 | Heft 3 September Das lange Warten auf die Verkehrswende Technologie, Innovation - und die Praxis Heft 3 | September 2023 75. Jahrgang www.internationales-verkehrswesen.de POLITIK Neue Regeln, mehr Effizienz? INFRASTRUKTUR Automatisch, digital - bessere Daten für die Verkehrswende LOGISTIK KI für den Warentransport: Der Algorithmus denkt mit MOBILITÄT Neue Strategien im vernetzten ÖPNV TECHNOLOGIE Wie der organisatorische und technologische Wandel wirklich gelingen kann DAS FACHMAGAZIN FÜR DIE JACKENTASCHE Lesen Sie Internationales Verkehrswesen und International Transportation lieber auf dem Bildschirm? Dann stellen Sie doch Ihr laufendes Abo einfach von der gedruckten Ausgabe auf ePaper um - eine E-Mail an service@trialog.de genügt. Oder Sie bestellen Ihr neues Abonnement gleich als E-Abo. 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Der Schienengüterverkehr wurde mit Sorge in Bezug auf veraltete Technik und zu knappe Kapazität des Schienennetzes betrachtet, die Binnenschifffahrt zeigte ihre Vulnerabilität in Bezug auf Niedrigwasserstände, und im Luftverkehr wurde das kleine unbemannte Flugzeug, die Drohne, als neuer Verkehrsträger für Expressfracht gefeiert. Seitdem haben wir eine Pandemie überstehen müssen, verbunden mit deutlicher Veränderung des Mobilitätsverhaltens der Bürger und speziell der Arbeitnehmer: Home-Office und digitale Meetings wurden „hoffähig“. Zudem erkennt mittlerweile eine jede und ein jeder die hohe Dringlichkeit, nachhaltige Mobilität zu leben sowie Klimagase und klimarelevante Nicht-CO 2 -Emissionen wie Kondensstreifen unbedingt zu minimieren; das Mega-Projekt „Green Deal“ der EU findet nun Befürwortung in der Gesellschaft. Dies ist gut und wichtig, denn - wie schon so oft - muss die Krise als Chance gesehen werden, Innovation zu beflügeln. Im gefühlten Zeitraffertempo steigert sich in diesem Licht nun die Leistungsfähigkeit der Elektromobilität auf der Straße, die Ladeinfrastruktur entwickelt sich endlich zügig - Ladeleistungen von bis zu 300 kW für PKW waren im Jahr 2017 noch undenkbar - und die Angebotspalette nimmt stetig zu. Dennoch wird schon jetzt erkennbar: Es wird wohl eine Zeit nach dem jetzigen Batterieauto-Konzept geben, da die Gesamtkosten einschließlich der Erzeugung von grünem Strom über PV auf dem Dach des Eigenheims oder Unternehmens derzeit noch weit entfernt sind von einem konkurrenzfähigen Marktpreis, ebenso wie die Produktion eines E-Autos von einer neutralen Umweltbilanz über seinen Lebenszyklus. Viele weitere Power-to-X-Konzepte stehen in den Startlöchern und ich hoffe, dass diese aktuelle Chance weiterhin gewahrt wird, gestützt von technologieoffener Förderung durch Staat und Gesellschaft. Auch die Luftfahrtindustrie setzt massiv auf grüne Antriebe. Urban Air Mobility-Fluggeräte, Senkrechtstarter mit elektrischem oder hybridem Antrieb nahmen auf der wichtigsten Luftfahrtmesse „Le Bourget“ in diesem Jahr eine zentrale Rolle ein: Advanced Air Mobility (AAM) kann die bislang als Science-Fiction gehandelte Vision „fliegender Autos“ mit der nahenden Marktreife von Lufttaxis in den nächsten Jahren nun tatsächlich verwirklichen, wohl wissend um den nochmals deutlich höheren Energiebedarf gegenüber dem bodengebundenen Verkehr. AAM gilt als Technologiedemonstrator für lokal emissionsfreie Mobilität in der dritten Dimension, verbunden mit Vorteilen bei der Erreichbarkeit von Orten mit dichter Bebauung, hoher Verkehrslast oder komplexer Topologie. Damit tangiert sie auch die Stadtplanung sowie mittelfristig die Attraktivität ländlicher Regionen und die Frage, wie wichtig die Teilhabe an Mobilität in der Gesellschaft zukünftig eingestuft wird. Motiviert durch neuartige, vorrangig elektrische Antriebe und beachtliche Fortschritte in der Energiespeicherung (Elektrizität, Wasserstoff), sind die Bedingungen für eine effiziente AAM-Operationalisierung nun greifbar. Allerdings sind die vielschichtigen Rahmenbedingungen und Anforderungen an eine gesellschaftlich akzeptable Implementierung dieser vielfältigen innovativen Mobilitätssysteme komplex und bedürfen noch umfänglicher transversaler Forschung im Spannungsfeld von Ökologie, Ökonomie, Technologie und soziologischem Sicherheitsbedürfnis. Liebe Leserinnen und Leser, lassen Sie es uns anpacken! Die Chancen für das Land und die Menschen, Wohlstand durch Innovation mit einer Umwelt im Gleichgewicht zu vereinen, sind jetzt im Besonderen da. Grund auch für die Wahl der Beiträge der vorliegenden September-Ausgabe von Internationales Verkehrswesen - ich wünsche Ihnen wie immer eine spannende Lektüre. Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter der Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 4 Aktuelle Themen, Termine und das umfangreiche Archiv finden Sie unter www.internationales-verkehrswesen.de THEMEN, SCHLAGWORTE, AUTOREN, … Schlagen Sie einfach nach: Fach- und Wissenschafts-Artikel aus Internationales Verkehrswesen finden Sie-ab dem Jahr 2000 online in der Beitragsübersicht - auf der Archiv-Seite im Web. www.internationales-verkehrswesen.de/ archiv POLITIK INFRASTRUKTUR 24 Unlocking the potential of Google’s mobility data Benno Benjamin Bock Robert Schönduwe WISSENSCHAFT 28 Das eHighway-System Erkenntnisse aus der ersten Pilotphase der Oberleitungsteststrecke auf der A5 Regina Linke Jürgen K. Wilke Ferdinand Schöpp Özgür Öztürk Laurenz Bremer Maya-Scheyltjens Eva Kaßens-Noor 33 Automatisches Gepäcksystem für den Bahnhof der Zukunft Entwicklung einer automatisierten Sortieranlage für einen durchgängigen Gepäcktransport Stephan Kintzel Mathias Böhm Andrei Popa Lasse Hansen LOGISTIK Foto: PhotoMix-Company/ pixabay SEITE 24 Foto: Gerd Altmann / pixabay SEITE 44 Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de SEITE 12 12 Betriebsstrategien für automatisierte ÖPV-Angebote im ländlichen Raum Neue Möglichkeiten für den ÖPV mit dem Einsatz automatisierter Gefäße Tim Alscher 18 The new EU Battery Regulation Reducing Europe’s dependency on supplying raw materials Elisabeth Gütl 20 Improving the circularity of e-bus batteries Regulatory framework and end of life management for Li-Ion-batteries in Colombia, India and Tanzania Frederick Adjei Inga Hilbert Viviana López Hernández Andreas Manhart Deepali Khetriwal Shruti Dalal Silvani E Mng’anya Dorah Swai Haji Rehani Luka Yohana, Ángel Eduardo Camacho 38 Expressgutversand im Schienenpersonenfernverkehr Systemanforderungen für multimodale Güterströme aus-Sicht der Privatkund/ -innen Marcel Weber Bernhard Rüger Helmut Lemmerer 42 Mit digitalisierten Prozessen den Fachkräftemangel meistern Bianca Heitmann 44 Auf den KI-Zug aufspringen oder Abstand nehmen? Welche Rolle Künstliche Intelligenz in der Logistik spielt Rainer Schulz 46 Künstliche Intelligenz in der Logistik Digitaler Zwilling erlaubt Optimierung in Echtzeit Dirk Ruppik 48 KI und Beladeoptimierung im-Kombinierten Verkehr Datengetriebene Planung als Instrument zur Erreichung der-Klimaziele Ralf Elbert Yuerui Tang Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 5 INHALT September 2023 TECHNOLOGIE RUBRIKEN 03 Editorial 06 Im Fokus 14 Kontrapunkt 17 Bericht aus Brüssel Forum 77 Standpunkt: Handlungsbedarf in der Verkehrspolitik 80 Veranstaltungen 82 Impressum | Gremien Foto: Piksel / iStock SEITE 56 Foto: DS_30 / pixabay SEITE 75 MOBILITÄT 51 KI-gestützte autonome Busse im vernetzten ÖPNV Status zur KI-Entwicklung und Erprobung aus dem Forschungsprojekt KI4autoBUS Nicole Wagner-Hanl Julian Wagner Leandra Rüpplein Thomas Huber 56 Nutzung von Lastenrädern und Fahrradanhängern Analyse der Hemmnis- und Förderfaktoren zur Nutzung von Lastenrädern und Fahrradanhängern im privaten Bereich Marc Schelewsky Josephine Steiner Hannah Eberhardt Eileen Niehaus Tom Weber 60 Nachhaltiges Wachstum statt Massenmotorisierung Das Verkehrssystem von Ruandas Hauptstadt Kigali steht vor Umbrüchen Florian Krummheuer 64 Die Kunden und das Klima wollen es Martin Timmann WISSENSCHAFT 66 ÖPNV-Offensive in Freyung- Grafenau (Bayerischer Wald) Wissenschaftliche Befragung zur Unterstützung der-praktischen Umsetzung des ÖPNV-Modellprojekts DiMoFRG Robert Werner Stephanie Lelanz 70 Digitale Transformation in Verkehrsunternehmen Unser Weg in die digitale Zukunft: Wie der organisatorische und technologische Wandel gelingt Lars Schnieder 74 Vertrauen in Fahrerassistenzsysteme stark ausgeprägt 75 Kann ein Diesel mit klimaneutralem Flüssiggas fahren? 76 Mit erneuerbarem Diesel die-Klimaziele erreichen Marco Lietz AUSGABE 4 | 2023 Infrastruktur im Fokus - Schutz und Sicherheit - Energieversorgung - Kommunikation - Stadt- und Verkehrsplanung Erscheint am 22. November 2023 Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 6 IM FOKUS S-Bahn München erhält 90 Siemens-Triebzüge im XXL-Format D ie Fahrgäste der S-Bahn München sind bald mit den modernsten S-Bahn-Zügen Deutschlands unterwegs: Die neuen S- Bahnen von Siemens Mobility bieten mehr Platz, besseren Komfort und viele Innovationen. Die ersten Züge sollen ab Ende 2028 in den Betrieb mit Fahrgästen gehen. Zum ersten Mal sind dann in Deutschland komplett durchgängige S-Bahn-Fahrzeuge mit mehr als 200 Metern Länge im Einsatz. Sie bieten Platz für 1.841 Fahrgäste. Damit bereiten sich Freistaat und S-Bahn auf das Fahrgastwachstum der kommenden Jahrzehnte und die Mobilitätswende vor. Die Züge verbrauchen besonders wenig Energie, sind wartungsarm und erhalten Software-Updates online über die Cloud. Jeder einzelne der neuen XXL-Züge ersetzt in der Rush Hour 1.500 Autos. In den neuen Fahrzeugen variiert die LED-Beleuchtung je nach Tageszeit. Die klassischen 3er- und 4er-Sitzbereiche bieten mehr Beinfreiheit als in den aktuellen Zügen. Daneben gibt es Gruppenbereiche und flexible Klappsitze. Für den Komfort der Fahrgäste sorgen Gratis-WLAN, mobilfunkdurchlässige Fensterscheiben, USB- und herkömmliche Steckdosen sowie Ablageflächen. Eine deutlich leistungsfähigere Klimaanlage, die mit umweltfreundlichen Kältemitteln arbeitet, sorgt bei bis zu 45 °C für angenehme Temperaturen. Völlig neu gestaltet wird die Fahrgastinformation: Es gibt Displays innen und außen über den Türen, an der Decke und in den Übergängen zwischen den Wagen. Sie informieren über den Fahrtverlauf, die Stationen und die Auslastung des jeweiligen Zuges. Vor dem Ausstieg gibt es auf den Displays Hinweise, wo sich am nächsten Bahnsteig die Treppen oder Fahrstühle befinden. Außen am Zug leuchten LED-Bänder in der jeweiligen Linienfarbe. Breite Türen und großzügige Einstiegsbereiche sorgen für einen schnellen Ein- und Ausstieg und für bestmögliche Verteilung der Fahrgäste im Zug. Klappsitze können je nach Auslastung automatisch verriegelt werden, dies schafft zusätzlich Platz. Fünf der insgesamt 13 Wagen bestehen aus großen Mehrzweckbereichen mit drei Türen und ausreichend Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Kinderwagen, Gepäck oder Rollatoren. An beiden Enden des Zuges gibt es Platz für Rollstühle. Fahrgäste mit Hörgeräten können sich per Bluetooth mit dem Informationssystem verbinden und so die Ansagen im Zug besser verstehen. Bei den neuen Zügen liegt ein Fokus auf minimalen Lebenszyklus-Kosten durch höchste Energieeffizienz, minimierte Wartungskosten und optimierte Betriebsunterstützung. So haben die S-Bahnen eine hohe Anzahl redundanter Komponenten und sind mit dem System Railigent X ausgestattet, das höchste Verfügbarkeit der Züge gewährleistet. Software-Updates müssen außerdem nicht mehr zeitraubend manuell im Werk aufgespielt werden, sondern erreichen die Züge im Rahmen der Wartung per sicherer Online-Verbindung. Siemens Mobility stattet alle Fahrzeuge mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS und Automatic Train Operation (ATO) sowie einem Train Integrity Monitoring System aus. Das ETCS der Fahrzeuge bringt Interoperabilität in das Münchner Schienennetz, das die DB ab 2030 digitalisieren und mit ETCS-Streckenausrüstung ausstatten will. Durch die Integration von ATO over ETCS sind die neuen S-Bahnen fit für den Schienenverkehr der Zukunft. www.siemens.de Bild: Siemens Mobility Aktuelle Meldungen finden Sie im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 7 IM FOKUS KI-Radar - Autonomes Fahren sicherer und kostengünstiger S ensorik für autonome Fahrzeuge wird künftig nicht nur günstiger, sondern auch im Erkennungsvermögen besser. Zusammen mit lndustriepartnern erschufen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM ein Radarsystem mit einer Trennschärfe von unter einem Grad und einem Erfassungswinkel von 180°. Gegenwärtige Radarsensoren kommen lediglich auf 2° bei einem Erfassungswinkel von 90°, weshalb mit dem nun entwickelten Radarsystem die so genannte Winkelauflösung und der Erfassungsbereich verdoppelt werden konnten. Dadurch können auch Objekte, die sich in einem Abstand von mehr als einem Grad zueinander befinden, eindeutig voneinander getrennt detektiert werden. Zusätzlich sollen die neuen Systeme einen Winkelbereich von idealerweise rund 90° in der Horizontalen abdecken. So werden die Grenzen aktuell üblicher Radarsysteme überwunden und große Schritte in Richtung des sicheren autonomen Fahrens gegangen. Um den Erfassungsbereich der Radare auf die bisher noch nicht möglichen 180° zu erweitern, bauten die Forschenden dreidimensionale Antennenstrukturen auf. Die Herausforderung dabei: Bei einem größeren Detektionsbereich leidet die Detailwahrnehmung der Sensoren. Damit die Radare trotz weiteren Umblicks eine hohe Winkelauflösung bieten, mussten die Forschenden kreativ werden. Geholfen haben die Kl-Algorithmen: Mit ihnen ließen sich die Messwerte einzelner Radarsensoren koppeln und so die Winkelauflösung entscheidend erhöhen. Nun müssen statt der bislang üblichen etwa 16 Radarsensoren je Fahrzeug nur noch sechs Sensoren verbaut werden, um die 360°-Detektion mit der geforderten Sicherheit zu erreichen. Dies reduziert die Fertigungskosten für die Radarsysteme auf weniger als die Hälfte. www.izm.fraunhofer.de Bild: Roberto Nickson/ Unsplash Lärmkartierung für das Eisenbahn-Bundesamt abgeschlossen l n Kooperation mit dem Eisenbahn-Bundesamt hat ein Konsortium aus den Unternehmen Disy, Afry und SoundPlan die EU- Umgebungslärmkartierung Runde 4 abgeschlossen. Mit dem Lösungsansatz zur datenbankgestützten Ablaufsteuerung wurde sichergestellt, dass die Verarbeitung riesiger Geodatenmengen zu Lärmkarten termingerecht erfolgt. Der für die Lärmkartierung entwickelte Lösungsansatz ist in dieser Form einmalig und auf andere Fragestellungen im Geodatenmanagement übertragbar. In die Berechnung der Lärmbelastung gingen über 33.000 Schienenkilometer, rund 25.000 Brücken, 700 Tunnel, 14.000 Bahnübergänge, tausende Kilometer Schallschutzwände, 60 Millionen Gebäude, zehntausende Quadratkilometer Geländemodell und weitere Datenquellen ein. Dieses heterogene Datenvolumen kann nur noch mit automatisierten Prozessen geprüft, homogenisiert und aufbereitet werden. Herzstück der hierfür entwickelten datenbankgestützten Ablaufsteuerung ist die Disy Spatial Workbench (DSW). Um die automatische Bearbeitung durch die DSW steuern zu können, wurden einerseits alle erforderlichen Prozessschritte und Prozessreihenfolgen mithilfe grafischer Ablaufdiagramme definiert und dokumentiert. Andererseits erfolgte eine Unterteilung in Berechnungsgebiete, um die deutschlandweite Datenmenge auch gebietsweise verarbeiten zu können. Dies beschleunigte nicht nur die Bearbeitung, sondern gewährleistete zugleich die Wiederholbarkeit von Berechnungen sowie die termingerechte Nachbearbeitung geänderter Eingangsdaten. Die datenbankgestützte Ablaufsteuerung löste auch die Herausforderungen durch die neue Berechnungsmethode „Common Noise Assessment Methods in Europe“ (CNOSSOS), die seit 2015 in der EU geltenden Vorschriften für die Lärmberechnung. Wegen des hohen Datenvolumens und des verpflichtenden Veröffentlichungstermins startete Runde 4 der Lärmkartierung bereits im Sommer 2020. Für ein ausgewähltes Gebiet folgten im Frühjahr 2021 erste Berechnungen, um die Datenverarbeitung zu testen. Als dann im Dezember 2021 zur nachträglichen Überarbeitung relevante neue Berechnungsvorschriften kamen, mussten alle bis dahin vorgenommenen Lärmberechnungen erneut durchgeführt werden. Dass einige Ergebnisse nicht mehr mit den Vorgängerrunden vergleichbar waren, erhöhte auch den Aufwand in der Qualitätssicherung, da Ursachen für große Abweichungen gefunden und erklärt werden mussten. Die Lärmkarte „Schienenlärm“ ist auf dem EBA Geoportal unter https: / / geoportal.eisenbahn-bundesamt.de verfügbar. Bild: Bernd Waelz/ pixabay Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 8 IM FOKUS Der „Viereck-Zug“ verbindet BSH-Standorte in Deutschland und Polen S eit Anfang Mai verbindet ein neues Logistik-Konzept des Hausgeräte-Herstellers BSH die Standorte Giengen, Łódź, Nauen und Wrocław näher zusammen. Der sogenannte Viereck-Zug bildet eine dritte wichtige und vor allem flexible Transport-Säule für Fertiggeräte und Produktionsmaterialien zwischen Polen und Deutschland. Die bisher etablierten Transporte über herkömmliche Güterwaggons und LKW werden nun durch Container-Züge ergänzt, wodurch jährlich rund 1.200 Tonnen CO 2 eingespart werden können. Mit rund 50 geplanten Umläufen und insgesamt 4.800 Containern pro Jahr stärkt die BSH zudem die eigene Lieferfähigkeit. Mit dem Viereck-Zug konnte das Unternehmen auf bereits bestehende Verkehrsströme zwischen den BSH-Lagern zurückgreifen und eine Alternative zum Straßentransport schaffen. Um die Züge optimal ausnutzen zu können, hat BSH gemeinsam mit dem Hersteller der Container ein eigenes lnnendesign speziell für Hausgeräte entwickelt und umgesetzt. So wird jeder Zentimeter Ladefläche optimal ausgenutzt, das spart bis zu 200 zusätzliche Container pro Jahr. Das neue Logistik-Konzept sorgt zudem für flexiblere Lagerprozesse. Das Be- und Entladen näher an den Lagerplätzen verkürzt Wege mit den Staplern deutlich. Der Viereck-Zug verbindet den ältesten Produktionsstandort in Giengen, wo seit 1949 Kühl- und Gefriergeräte für die ganze Welt entwickelt und produziert werden, mit den jüngeren Standorten. Im brandenburgischen Nauen produziert BSH seit 1994 jährlich rund 750.000 Premium-Waschmaschinen für den Weltmarkt. Entwickelt werden diese Premium-Waschmaschinen im rund 30 Kilometer entfernten Technologiezentrum Wäschepflege in Berlin. In Łódź eröffnete BSH 1994 erstmals in Polen eine Produktionsstätte für Waschmaschinen, Fabriken für Geschirrspüler und Wäschetrockner folgten 2002 und 2005. Die Wäschetrocknerfabrik ist die einzige in Europa, die BSH-Trockner herstellt. Das Geschirrspülmaschinen-Werk stellt neben 60-Zentimeter-Geräten auch schmale Geräte her. Łódź ist außerdem das Zentrum für Forschung und Entwicklung, Logistik und Shared Services. lm Jahr 2017 baute BSH seinen Fertigungsverbund in Polen aus und eröffnete neue Fabriken für Backöfen und Kühlgeräte in Wrocław. www.bshg.com Bild: BSH Urbane Seilbahnen: BMDV sieht Chancen für Mobilitätswende D as Bundesverkehrsministerium (BMDV) unterstützt den Ausbau nachhaltiger Mobilität und sieht viel Potenzial in urbanen Seilbahnen. Bereits im November 2022 veröffentlichte es in deutscher und englischer Sprache den Leitfaden „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr“ als Orientierungshilfe für Kommunen oder kommunale Verkehrsunternehmen. Und im Zuge der Fachmesse Cable Car World im Juni 2022 wurden gleich mehrere Machbarkeitsstudien beauftragt. Urbane Seilbahnen gelten als besonders energieeffizientes strombetriebenes Verkehrsmittel mit geringen Schadstoffemissionen. Sie sind kostengünstig und vergleichsweise schnell zu errichten und erfordern aufgrund des automatischen Betriebs nur relativ wenig Personal. Demgegenüber stehen die im Vergleich zu Schienen- und Straßenfahrzeugen geringe Fahrgeschwindigkeit von unter 30 km/ h, der starke Witterungseinfluss auf die Betriebsfähigkeit (Seitenwinde) sowie die schwierigere Trassenfindung ohne Kurven. Zudem sind Umlaufseilbahnen, welche eine zeitlich konstante, dafür punktuell nur geringe Beförderungskapazität aufweisen, nur eingeschränkt dazu geeignet, als Anschlussverkehrsmittel mit Bus und Bahn, die ein stoßweise hohes Aufkommen erzeugen, zu kohärieren. Die Einrichtung einer derartigen Verbindung in Wuppertal wurde im Mai 2019 bei einer Bürgerbefragung abgelehnt. Zahlreiche Kommunen in Mittel- und Südamerika setzen jedoch ebenso wie Städte in Asien zunehmend auf urbane Seilbahnen; die Seilbahnnetze in La Paz und Mexico City gehören zu den weltweit größten. www.cablecarworld.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 9 IM FOKUS Planung für den Ausbau des Wesel-Datteln-Kanals ist gestartet D er Wesel-Datteln-Kanal verbindet entlang der Lippe den Niederrhein mit dem Dortmund-Ems-Kanal und stellt damit eine elementare Querverbindung im Westen Deutschlands dar. Als einer der wichtigsten und verkehrsreichsten Schifffahrtskanäle Deutschlands überwindet der Wesel- Datteln-Kanal dabei auf 60 km Länge einen Höhenunterschied von mehr als 40 m und sechs Kanalstufen. ln einer lngenieurgemeinschaft mit WTM Engineers und GRBV lngenieure erhielt das Planungsbüro Sweco den Auftrag, an drei Standorten die Planung für den Ersatzneubau der Schleusen und der Pumpwerke zu erarbeiten. Der Wesel-Datteln-Kanal ist eines von zwei Eingangstoren für die einzige deutsche West-Ost-Wasserstraßenverbindung; gleichzeitig verbindet er das nördliche Ruhrgebiet über den Rhein mit den Seehäfen Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam. Schon jetzt ist der der Kanal für die dortige Großindustrie die einzige Versorgungstrasse für die Ver- und Entsorgungslogistik. Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Güterverkehr auf die Wasserstraßen verlagert werden soll, müssen die Schleusenanlagen erneuert und an die zu erwartende Auslastung angepasst werden. Ziel der Ausbaumaßnahmen ist die Erhöhung der Kapazität des Kanals durch eine optimierte Auslastung von Groß-Motorfrachtschiffen und Schubkonvois. Dieses wegweisende Projekt wird fachübergreifend in einer lngenieurgemeinschaft geplant und in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber realisiert. Die Vorplanungen sollen 2025 abgeschlossen sein. Der Zeitplan sieht vor, dass nach Eingang aller Genehmigungen und Erteilung des Baurechts mit dem Beginn der Bautätigkeiten im Jahr 2031 zu rechnen ist. www.sweco-gmbh.de Bild: Mahle Bild: WTM Engineers/ GRBV Ingenieure/ Sweco GmbH Festkörper-Batterien der nächsten Generation D er Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle und der taiwanische Batteriespezialist ProLogium haben eine Absichtserklärung zur Entwicklung und Bewertung von Thermomanagement-Lösungen für Festkörper-Batterien der nächsten Generation unterzeichnet. Festkörperzellen werden erhebliche Vorteile bei Betriebssicherheit und Energiedichte zugeschrieben. Dies führt zu höheren Reichweiten und höheren SIcherheitsstandards für Batteriesysteme. Beide Unternehmen werden sich im Rahmen ihrer Kooperation auf maßgeschneiderte Lösungen für das Thermomanagement konzentrieren, die den spezifischen Eigenschaften der Zelltechnologie von Pro- Logium Rechnung tragen. Ziel ist es, wettbewerbsfähige Batteriesysteme mit hoher Effizienz, Energiedichte, Lebensdauer und Schnellladefähigkeit zu entwickeln. Effizientes Thermomanagement macht effiziente E-Mobilität erst möglich. Heizen und Kühlen im Fahrzeug sind ein wesentliches Technologiefeld der Elektrifizierung und des Mahle Kerngeschäfts. Bei Batteriekühlsystemen gehört Mahle zu den Pionieren und ist bereits seit weit über einem Jahrzehnt in Serie. Basierend auf der Festkörpertechnologie von ProLogium bewertet Mahle die thermischen Anforderungen auf Zell-, Zellmodul-, Batteriepack- und Fahrzeugsystem-Ebene, um daraus optimale Thermomanagement-Lösungen abzuleiten. Dabei geht es nicht nur um die Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Leistung, Effizienz und Kosten, sondern explizit auch um die Bewertung der Alterung. Denn der Batteriewert über die Lebensdauer spielt eine entscheidende Rolle für die Durchdringung des Massenmarktes und den künftigen Gebrauchtmarkt für Elektrofahrzeuge. Die Oxid-Festkörper-Lithium-Keramik- Batterie von ProLogium wird zu größeren Reichweiten, verbesserter Schnellladefähigkeit und einer besseren Wiederverwertbarkeit der Batterie beitragen. Elektrifizierung und Wärmemanagement sind eng miteinander verwoben. Mahle ist einer der wenigen Anbieter, die in beiden Bereichen über großes Knowhow verfügen. Der Konzern hat nach eigener Darstellung innovative Technologien entwickelt, um die Reichweite und Schnellladefähigkeit von Elektrofahrzeugen zu erhöhen und mehr Komfort in Elektrofahrzeuge zu bringen. www.mahle.com Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 10 IM FOKUS Deutscher Brückenbaupreis 2023 für Stadtbahnbrücke Stuttgart D ie Stuttgarter Stadtbahnbrücke über die Autobahn A8 hat den Deutschen Brückenbaupreis 2023 gewonnen. Bei der feierlichen Preisverleihung am 30. Mai 2023 in Dresden wurden im Beisein von Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, herausragende Bauwerke ausgezeichnet. lm Rahmen des Schienennetzausbaus verlängerte die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) die Stadtbahnlinie U6 über die jetzige Endhaltestelle hinaus, um den ÖPNV zukunftsfähiger und attraktiver zu machen. Um die vielbefahrene A8 im Bereich des Verteilerknotens „Echterdinger Ei“ zu überqueren, entstand eine integrale Netzwerk-Bogenbrücke. Das filigrane Tragwerk der Brücke besteht aus zwei parallelen Stahlbögen und der an Carbonseilen abgehängten längs- und quergespannten Betonfahrbahnplatte. Es überspannt die A8 stützenfrei auf einer Strecke von rund 107 Metern. ln der Begründung der Jury heißt es unter anderem: „Die feingliedrige Netzwerkbogen-Konstruktion der Stadtbahnbrücke setzt durch den erstmaligen Einsatz neuartiger Carbonhänger bei Stabbogenbrücken in Deutschland völlig neue Maßstäbe und erhält dafür den Deutschen Brückenbaupreis 2023.“ Das Bauwerk leistet nach Ansicht der Jury einen wertvollen Beitrag zum ressourcenschonenden Bauen. Neben der Stadtbahnbrücke Stuttgart, die in der Kategorie Straßen- und Eisenbahnbrücken nominiert war, wurde in der Kategorie Fuß- und Radwegbrücken auch die Brücke „Miniatur Wunderland“ der Hamburger Speicherstadt mit dem Deutschen Brückenbaupreis 2023 ausgezeichnet. Die beiden Bauwerke zeichnen sich durch zukunftsweisende lnnovationen im Ingenieurbau aus. Gastgeber der Verleihung waren die Bundesingenieurkammer und der Verband Beratender Ingenieure VBI, die seit 2006 alle zwei Jahre gemeinsam den Deutschen Brückenbaupreis vergeben. www.bruecken-baupreis.de Bild: Sweco GmbH Serienfertigung des Bosch Brennstoffzellen- Antriebssystems ist angelaufen A m Standort Stuttgart-Feuerbach hat das Technologieunternehmen Bosch jetzt mit der Serienfertigung seines Brennstoffzellen-Antriebssystems begonnen. Pilotkunde ist das US-Unternehmen Nikola mit seinem brennstoffzellenelektrischen LKW, der im dritten Quartal 2023 auf den nordamerikanischen Markt kommen soll. Bosch ist entlang der gesamten H 2 -Wertschöpfungskette aktiv und entwickelt Technik für die Erzeugung und Anwendung. 2030 will Bosch mit seinen Wasserstoff-Technologien einen Umsatz von rund fünf Milliarden Euro erzielen. Bei seinen Lösungen für die Wasserstoff- Wirtschaft setzt Bosch auf einen weltweiten Fertigungsverbund und die Leistungsfähigkeit seiner deutschen Standorte. So liefert das Bosch-Werk in Bamberg für die Feuerbacher Fertigung den Brennstoffzellen- Stack zu. Aus dem Werk Homburg stammen wichtige Systemkomponenten, wie unter anderem der elektrische Luftkompressor oder das Rezirkulationsgebläse. Parallel zu Feuerbach läuft eine Fertigung für das Brennstoffzellen-Antriebssystem auch im chinesischen Chongqing an - hierfür kommen die nötigen Komponenten aus dem Werk in Wuxi. Damit ist Bosch das erste Unternehmen, das solche Systeme in China und in Deutschland fertigt, auch im US- Werk Anderson, South Carolina, sollen künftig Stacks für mobile Anwendungen gefertigt werden. Das Unternehmen geht davon aus, dass voraussichtlich 2030 bereits jedes fünfte neue Nutzfahrzeug ab sechs Tonnen weltweit mit einem Brennstoffzellen-Antrieb unterwegs sein wird. Neben dem Brennstoffzellen-Antrieb arbeitet Bosch am Wasserstoff-Verbrennungsmotor und entwickelt dafür sowohl eine Saugrohrals auch eine Direkteinblasung von H 2 . Geeignet ist diese Lösung vor allem für schwere Fahrzeuge, die über längere Zeit mit besonders hohen Lasten unterwegs sind. Großer Vorteil: Mehr als 90 Prozent bestehender Entwicklungs- und Fertigungstechnologien lassen sich dafür nutzen. Auf den Markt kommt der H 2 -Motor voraussichtlich ab 2024. Insgesamt investiert Bosch von 2021 bis 2026 nahezu 2,5 Milliarden Euro in die Entwicklung und Fertigung seiner H 2 -Technologien. Schon jetzt beschäftigt das Unternehmen mehr als 3.000 Menschen mit Wasserstoff-Technologien, davon mehr als die Hälfte in Europa. Das Gros der Stellen kann intern besetzt werden, vor allem mit Beschäftigten aus der Bosch-Antriebssparte. www.bosch.com Bild: Bosch Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 11 Alexander Eisenkopf KONTRAPUNKT Auf dem Weg in die Subventionswirtschaft U nter dem Mantra des Klimaschutzes hängen immer mehr Branchen am staatlichen Subventionstropf. Nach einem Förderbescheid des Bundes und des Landes Niedersachen über 1 Mrd. EUR für den Einstieg in die Dekarbonisierung der Stahlproduktion der Salzgitter AG wurde aktuell auch Thyssenkrupp mit 2 Mrd. EUR bedacht, damit Stahl dort in Zukunft CO 2 -arm oder sogar CO 2 -frei produziert werden kann. Andere Branchen, wie z. B. die Chemieindustrie, benötigen Übergangsszenarien, bis „grüne Energie“ in ausreichender Menge verfügbar ist. Sie setzen auf sogenannten „Industriestrom“, der auf 6 ct je Kilowattstunde verbilligt werden soll, um ihre Produktion in Deutschland einigermaßen wettbewerbsfähig zu halten. Die hierfür erforderlichen staatlichen Fördermittel werden auf bis zu 30 Mrd. EUR geschätzt. Also ob das alles nicht genug wäre, plant die Bundesregierung, neue Chip-Werke in Deutschland mit bis zu 20 Mrd. EUR aus dem Klima- und Transformationsfonds zu subventionieren - rund 10-Mrd. EUR wurden bereits für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg zugesagt. Wer dermaßen die Spendierhosen anhat, sollte auch etwas Geld übrighaben, um dem seit Jahr und Tag notleidenden Einzelwagenverkehr der Deutschen Bahn etwas Gutes zu tun. Er wird ja von vielen Protagonisten als entscheidend angesehen, um die Klimaziele in Deutschland zu erreichen, auch wenn vor der Covid19-Pandemie nur ein Fünftel der Transporte im Schienengüterverkehr als Einzelwagenverkehre abgewickelt wurden. Mit rund 20 Mrd. tkm machte ≈ der Einzelwagenverkehr damals gerade einmal 3 % der nationalen Güterverkehrsleistung oder 4 % der Verkehrsleistung der LKW aus. Wie hoch der Anteil der durch den Einzelwagenwagenverkehr verursachten Verluste an dem mittlerweile auf 858 Mio. EUR bezifferten dramatischen Minus der Güterbahn DB Cargo ist, wird bedauerlicherweise nicht offiziell ausgewiesen. In der Presse ist von 400 Mio. EUR die Rede. Die unternehmerisch eher glücklos erscheinende DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta war allerdings als Unternehmenslobbyistin höchst erfolgreich: Mit ihrer Drohkulisse einer Einstellung unwirtschaftlicher Einzelwagenverkehre, die mit massivem Stellenabbau verbunden wäre, hat sie offensichtlich die Bundesregierung überzeugt. Nach deren jüngst bekannt gewordenen Plänen soll der Einzelwagenverkehr in den nächsten vier Jahren mit insgesamt 2 Mrd. EUR aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Hiervon entfallen 1,24 Mrd. EUR auf einen Betriebskostenzuschuss, 680 Mio. EUR auf die Subventionierung der Trassenpreise und 165 Mio. EUR auf Zuschüsse zu den Anlagenpreisen. Bekanntlich führen dauerhafte staatliche Subventionen nicht gerade dazu, dass die profitierenden Branchen zu größtmöglicher Effizienz und Innovationskraft finden. Dies gilt insbesondere im Falle von Erhaltungssubventionen für seit Jahrzehnten schrumpfende Industrien, wie es der Einzelwagenverkehr der DB Cargo ist. Hinzu kommt die offensichtliche Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Wettbewerbern im Schienengüterverkehr durch eine solche Beihilfe. Eine wettbewerbsneutrale und auf Mehrverkehr ausgerichtete Incentivierung müsste anders ausgerichtet sein - z. B. als Ausschreibungsmodell für die Bedienung der Ersten und Letzten Meile. Die geplante pauschale Subvention konserviert nur den status quo - und damit den unternehmerischen Schlendrian bei DB Cargo. Wie die eingangs angesprochenen Beispiele Stahl und Industriestrom zeigen, übt Deutschland gerade den flächendeckenden Einstieg in die Subventionierung der Betriebskosten von ganzen Branchen. In diesem Umfeld sind Betriebskostenzuschüsse für den Einzelwagenverkehr nur zwangsläufig - die Güterbahn wird ja zugleich als Ausweg aus der Klimasackgasse propagiert. Es dient zumindest dem guten Zweck, und der heiligt bekanntlich die Mittel. Konsequenterweise erhöht man vice versa die Betriebskosten des LKW durch eine Klimamaut und benutzt die Einnahmen auch zur Quersubventionierung der Schieneninfrastruktur. Ergebnis einer solchen Politik ist eine über klimapolitisch motivierte Vorgaben und Milliardensubventionen staatlich gesteuerte Wirtschaft - weit über den Güterverkehr hinaus. Ihr Erfolg wird sich an den tatsächlichen Marktentwicklungen messen lassen müssen und erscheint fraglich. Der Weg in ein neues Wirtschaftswunder, welches die Bundesregierung aktuell verspricht, dürfte anders aussehen. ■ Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf zu aktuellen Themen der Verkehrsbranche Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 12 Betriebsstrategien für automatisierte ÖPV-Angebote im ländlichen Raum Neue Möglichkeiten für den ÖPV mit dem Einsatz automatisierter Gefäße Automatisierte Shuttleverkehre, Intelligente Transportsysteme, Mobilitätswende, Öffentlicher Personenverkehr 2030 Mit der Einführung automatisiert agierender Transportgefäße im öffentlichen Personentransport können attraktive Angebote besonders auch in ländlich geprägten Einsatzgebieten dargestellt werden. Mit wirtschaftlichen Gefäßgrößen und intelligenten Einsatzstrategien wird ein Mehrwert für Betreiber und Nutzer geschaffen. Auf diese Weise gewinnt der öffentliche Verkehr an Bedeutung gegenüber dem Individualverkehr und leistet einen wesentlichen Beitrag zur angestrebten Mobilitätswende. Der Artikel gibt einen Überblick zu den möglichen Betriebskonzepten mit automatisierten Transportfahrzeugen. Tim Alscher E ine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der aktuellen Zeit ist der Kampf gegen den Klimawandel bei gleichzeitiger Erhaltung von Wirtschaft und Mobilität. Zur Verbesserung unseres ökologischen Fußabdrucks sind nachhaltige Verkehrskonzepte zu etablieren [1]. Die Vernetzung und Automatisierung der Fahrzeuge spielen eine wichtige Rolle für die Transformation der Mobilität. Automatisierte, vernetzte und elektrifizierte Fahrzeuge werden für den Individualverkehr jedoch keine vollständige Lösung im Sinne nachhaltiger, umweltfreundlicher Mobilität sein. Durch die Erhöhung des Anteils des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) am Modal Split sollten individuelle Fahrzeugeinsätze eingespart werden. Daher muss es neben dem technischen Fortschritt zu einer Anpassung im- Nutzungsverhalten kommen. Dazu Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de POLITIK Öffentlicher Personenverkehr Öffentlicher Personenverkehr POLITIK Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 13 sind- neue, attraktive Angebote im ÖPV zu schaffen. Potential des ländlichen Raums Bei der Analyse des Modal Split nach Raumtyp [2] wird klar, dass das größte Aufholpotenzial für den ÖPV insbesondere in den ländlich geprägten Gebieten besteht. Während in den städtischen Regionen leistungsfähige ÖPV-Angebote über Straße und Schiene hinweg existieren, sind die Buslinien auf dem Land vorwiegend auf den Schülerverkehr ausgerichtet [3]. Eine Übertragung urbaner ÖPV-Konzepte auf die ländlichen Regionen ist nicht ohne weiteres möglich. Der Anteil des ÖPV im dörflichen Raum ländlicher Regionen fällt mit 5 % wesentlich geringer aus als in Metropolen der Stadtregion (20 %) [2]. Um eine Alternative zum motorisierten Individualverkehr (MIV) auf dem Land zu bilden, müssen dennoch mindestens ein enges Haltestellennetz sowie eine dichte Taktung des öffentlichen Verkehrs gewährleistet werden [3]. Eine Verbesserung des Angebots scheitert heute jedoch häufig an den hohen Betriebskosten. Perspektive automatisiertes Fahren Mit dem technischen Fortschritt in der Entwicklung des automatisierten Fahrens ergeben sich für den Betrieb des straßengebundenen ÖPV perspektivisch neue Möglichkeiten. Durch den Entfall des Fahrpersonals im Fahrzeug können die Total Cost of Ownership (Gesamtkosten für den Betreiber) halbiert werden [4]. Die aktuellen Entwicklungstrends zeigen, dass der Einsatz automatisierter Fahrzeuge zunächst auf definierten Korridoren realistisch ist. Diese Einschränkung wird durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG) bestätigt, da festgelegte Betriebsbereiche für den Einsatz automatisierter Fahrzeuge gefordert werden ( §1d Abs. 2 StVG i. V.m. §7 AFGBV) [5]. Unter diesen Umständen erscheint der ÖPV geradezu prädestiniert für die Etablierung des automatisierten Fahrens. Die festgelegten Betriebsbereiche werden durch die Linienverläufe des ÖPV definiert. Diese Betriebsbereiche müssen mit den technisch möglichen Einsatzbedingungen der automatisierten Fahrfunktion (Operational Design Domain - ODD) in Kongruenz gebracht werden. Die ODD wird beispielsweise gekennzeichnet durch: •• Beschaffenheit der Straßenverläufe: Spurbreite, Kurvenradien, Anzahl der Fahrspuren, zulässige Geschwindigkeiten, Kreuzungen, Kreisverkehre, etc. •• Infrastruktur-Ausstattung: Lichtsignalanlagen, Schrankenanlagen, etc. Der automatisierte Betrieb innerhalb der festgelegten ODD entspricht der Definition des SAE-Levels 4 [6]. Zur Überwachung des fahrerlosen Betriebes ist eine technische Aufsicht gesetzlich vorgeschrieben (§ 1f StVG). Diese zusätzliche Überwachungsinstanz kann beispielsweise in einer vorhandenen Leitstelle des Verkehrsbetriebes installiert werden. Die Überwachung wird durch eine natürliche Person realisiert, der die Daten aus dem automatisierten Fahrzeug zur Verfügung gestellt werden. Aus heutiger Sicht ist der Betreuungsschlüssel (Anzahl der automatisierten Fahrzeuge, die eine natürliche Person beaufsichtigen kann) in der technischen Aufsicht noch unklar. Erste Prognosen gehen von ca. fünf bis sechs Fahrzeugen pro Aufsichtsperson aus. Die bekannten Gesetze und Verordnungen geben dazu bisher jedenfalls noch keine Regelung vor. Unter den dargestellten technischen und zulassungsrelevanten Gesichtspunkten kann der öffentliche Verkehr im Rahmen der Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) optimiert werden. Hierzu zählen beispielsweise der Linienverkehr und dessen Sonderformen (§ 42f PBefG), der Linienbedarfsverkehr (§ 44 PBefG) sowie der Gelegenheitsverkehr (§ 46 PBefG). Darüber hinaus wird im Gesetz der Verkehr mit Taxen (§ 47 PBefG) sowie der gebündelte Bedarfsverkehr (§ 50 PBefG) festgelegt. Die Automatisierung ist dabei grundsätzlich unabhängig von der Verkehrsart. Eine neue Verkehrsleistung (z. B. Buslinie) wird nach § 42 PBefG und parallel die Erprobungsgenehmigung für automatisiertes Fahren nach StVG beantragt. FLASH im Landkreis Nordsachsen Ein tatsächlich fahrerloser Einsatz von Fahrzeugen (auch ohne Begleitpersonal) im öffentlichen Verkehr ist aus heutiger Sicht frühestens Ende der 2020er Jahre zu erwarten. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) betont die Bereitschaft der Branche, fahrerlose Personentransportsysteme einsetzen zu wollen [7]. Nicht zuletzt ist der akute Fahrermangel auch ein Grund für die Förderung des automatisierten Fahrens im ÖPV. Für einen sinnvollen Einsatz im Produktivbetrieb sind neben dem tatsächlichen fahrerlosen Betrieb nach SAE-Level 4 außerdem zwei wesentliche Anforderungen zu erfüllen: eine ortsübliche Fahrgeschwindigkeit sowie wirtschaftliche Gefäßgrößen. Dass eine angemessene Fahrgeschwindigkeit technisch darstellbar ist, zeigt das Projekt FLASH im Landkreis Nordsachsen (www. flash-bus.de). Zwischen dem Bahnhof Rackwitz und dem Schladitzer See ist ein Midi- Bus mit einer Kapazität für 20 Fahrgäste auf Basis eines VW Crafter seit dem Sommer 2022 automatisiert unterwegs. Innerorts beträgt die Höchstgeschwindigkeit 30 km/ h und außerorts 50-km/ h. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten können diese Geschwindigkeitsniveaus als ortsüblich angesehen werden. Das Sicherheitskonzept verlangt noch einen Sicherheitsfahrer im Fahrzeug, der jederzeit die Steuerung übernehmen kann. Die Frage nach der optimalen Gefäßgröße Es stellt sich die Forschungsfrage nach der optimalen Gefäßgröße für automatisierte Fahrzeuge. Forschungsprojekte zum Einsatz automatisierter Shuttle-Fahrzeuge setzten Ende der 2010er Jahre Fahrzeuge mit Kapazitäten von sechs bis 15 Fahrgästen hauptsächlich in urbanen Verkehren ein. Für den effektiven Einsatz im ländlichen Raum sollten die Fahrzeuggrößen je nach tatsächlichem Fahrgastaufkommen abgestimmt werden. Die Auslegung konventionell gesteuerter Fahrzeuge erfolgt aktuell nach den üblicherweise auftretenden Lastspitzen. In aller Regel stellt der Schülerverkehr am Morgen die größte Lastspitze im Betriebsablauf dar. Das gewählte Fahrzeug verursacht im weiteren Tagesverlauf, wenn das Fahrzeug nicht mehr voll ausgelastet wird, jedoch weiterhin die für seine Größe anfallenden Betriebskosten. Drohen Kolonnen automatisierter Taxis auf dem Land? Die Perspektive zur Bewältigung von Spitzenlasten mit automatisierten Fahrzeugen ist der Einsatz beliebig vieler Fahrzeuge gleichzeitig in einer Kolonne (engl. Platoon), da die Fahrzeuge nicht mehr von der knappen Ressource menschlicher Fahrer abhängig sind. Für die Auslegung der Transportkapazität automatisierter Gefäße ist der optimale Schnittpunkt hinsichtlich Transportkapazität und Betriebskosten unter durchschnittlichen Einsatzbedingungen zu suchen. Die kleinste vorstellbare Gefäßgröße ist das sogenannte Robo-Taxi mit einer Transportkapazität von drei bis fünf Personen auf Basis eines PKW. Diese Kapazität könnte für gewisse Zeiträume im Tagesverlauf die Transportbedarfe in stark ländlich geprägten Räumen abdecken. Sobald jedoch eine höhere Last aufkommt, müssten lange Ketten automatisierter Taxis gebildet werden. Diese Perspektive erscheint zur Bewältigung des morgendlichen Schülerverkehrs nicht nachhaltig. Darüber hinaus stellt die direkte Fahrt von einem Startpunkt A zu einem vom Fahrgast bestimmten Zielpunkt B im Sinne einer Taxifahrt (§ 47 Abs. 1 PBefG) eine ungleich höhere technische Herausforderung für die automatisierte POLITIK Öffentlicher Personenverkehr Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 14 Fahrfunktion dar. Weiterhin bleiben Fragen hinsichtlich der Abrechnung offen, da sich die Dienstleistung mit Taxen preislich deutlich vom Linienverkehr unterscheidet. Um auch für die staatliche Subventionierung des öffentlichen Personennahverkehrs in Frage zu kommen, sind die Anforderungen an den Linienverkehr nach PBefG und BO- Kraft einzuhalten. So sind im Linienverkehr nach §42 PBefG Kraftomnibusse (Fahrzeugklassen M2 oder M3) einzusetzen. Wird sich der fahrerlose Midibus durchsetzen? Die Gefäßgröße wird auch durch die Kosten (Beschaffungs- und Betriebskosten) bestimmt. Die Industrie bietet aktuell noch keine Produkte an. Angekündigte Shuttle- Konzepte mit automatisierter Fahrfunktion zeigen die Tendenz zu Gefäßgrößen von 15 bis 30 Personen Transportkapazität. Dies würde ca. einem Drittel der für den Regionalverkehr gängigen Linienbusse entsprechen. Bild 1 verdeutlicht die Perspektive des Einsatzes kleinerer automatisierter Gefäße, die die großen Einzelfahrzeuge ersetzen. Konzentration auf den ländlichen Raum Zur Schaffung attraktiver ÖPV-Dienstleistungen sollte sich der Einsatz automatisierter Gefäße zunächst auf die Bereiche im ländlichen Raum konzentrieren, wo heute aufgrund zu hoher Kosten kein oder nur ein spärliches Angebot vorhanden ist. Hierbei geht es insbesondere um das Schließen von Lücken, sodass Anschlüsse an die bestehenden, leistungsfähigen ÖPV-Systeme entwickelt werden. Durch eine intelligente Verkehrsplanung und Übertragung von Echtzeit-Anschlussinformationen können auch Umsteige-Verbindungen attraktiv gemacht werden. Attraktives Angebot für Nutzer des-automatisierten ÖPV An einer optimierten Betriebsstrategie automatisierter ÖPV-Gefäße partizipieren alle Stakeholder. Für die Nutzer kann eine Betriebsbereitschaft rund um die Uhr (24-Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche) geboten werden. Neben dem untertägigen Verkehr nach festgelegtem Fahrplan sind Rufbusverkehre(i.S.vonLinienbedarfsverkehren nach § 44 PBefG) in den schwach nachgefragten Zeiträumen zu Tagesrand- und Nachtzeiten denkbar. Zwar ist das automatisierte Fahrzeug an eine festgelegte Strecke gebunden, jedoch kann das Fahrzeug zeitlich je nach Bedarf in Umlauf gebracht werden. Als Schnittstelle zur Disposition können Mobilitäts-Apps auf den Smartphones der Nutzer etabliert werden. Darüber hinaus ist die altbewährte Telefon-Hotline in die Zentrale des Verkehrsbetriebs denkbar. Erleichterung für die Betreiber Für den Betreiber ist die Disposition der fahrerlosen Fahrzeuge unabhängig von den Lenkzeiten nach dem Arbeitszeitgesetz möglich. Lediglich die Besetzung der technischen Aufsicht in der Leitstelle muss nach diesen Regelungen geplant werden. Darüber hinaus wird die Bereitschaft von Fahrzeugen durch regelmäßiges Laden des Energiespeichers und Wartungstätigkeiten wie beispielsweise die Reinigung beeinträchtigt. Der ÖPV 2.0 Durch die Verknüpfung aller Entitäten moderner ÖPV-Systeme können intelligente Betriebskonzepte etabliert werden. Mit der Anmeldung der Nutzer über die Mobilitäts- Apps zu geplanten Fahrten (zu einem bestimmten Zeitpunkt mit konkretem Ein- und Ausstiegsort) lassen sich Bedarfe und Auslastungen vorhersehen. Dementsprechend erfolgt die Entsendung der automatisierten Gefäße durch die technische Aufsicht. Auch durch die Verknüpfung von Fahrgastzählanlagen mit der Steuerung der automatisierten Fahrfunktion können Über- und Unterlasten automatisch detektiert und Maßnahmen ergriffen werden. Um Hochlasten zu bewältigen, werden mehrere Fahrzeuge zu einem Platoon zusammengesetzt. Werden andererseits einzelne Fahrzeuge nicht mehr benötigt, stellen sie sich an definierten Haltepunkten ab, ohne dass für Fahrer Zeiten ohne Beschäftigung entstehen. Diese Gefäße befinden sich dann in Rufbereitschaft und setzen zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Linienverkehr ein. Auf diese Weise erfolgt eine bedarfsgesteuerte Linienbedienung. Dem Nutzer steht ein flexibles Mobilitätsangebot zur Verfügung, während der Betreiber die Kosten senken und Leerfahrten reduzieren kann. Die Entsendung von Fahraufträgen erfolgt dabei durch die Leitstelle. Die Steuerung der Fahrt obliegt der Technik im Fahrzeug. Eine Herausforderung könnte der erhöhte Platzbedarf der Fahrzeugketten im Bereich der Haltestellen darstellen. An kritischen Stellen müsste das Platoon für eine fahrzeugweise Abfertigung des Fahrgast- Linie A Linie A Fahren im Platoon zur Bewältigung eines hohen Fahrgastaufkommens zu einem Zeitpunkt t 1 Linie A Linie A1 Linie A2 Linie A Spitzenlast bei T = t 1 Linie A3 Linie A T = t 3 T = t 2 T = t 1 Individuelles Transportangebot zu flexiblen Zeiten t 1 , t 2 , und t 3 Bild 2: Betriebsstrategien intelligenter Personentransportsysteme Disposition 90 Fahrgäste und Fahrpersonal Linie A 30 Fahrgäste Linie A1 30 Fahrgäste Linie A2 30 Fahrgäste Linie A3 Technische Aufsicht Bild 1: Optimierung der Gefäßgrößen beim Wegfall von Fahrpersonal Alle Darstellungen: Autor www.hsu-hh.de Die Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU/ UniBw H) hat im Jahr 2018 einen Bachelor- und Master-Studiengang Bauingenieurwesen eingerichtet. Das Studienangebot richtet sich insbesondere an Personen, die eine Bauingenieurtätigkeit im Bereich der DB Netz AG, der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, der Autobahn GmbH des Bundes, der Landesämter und -behörden oder der Bundeswehr anstreben. Für diese konsekutiven Studiengänge ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die folgende Professur zu besetzen: Stiftungsprofessur W 3 Bahnanlagen (Kennziffer BIW - 0423) Die Stiftungsprofessur wird für sechs Jahre von der DB Netz AG über den Stifterverband gefördert. Nach Ende des Förderzeitraums wird die Professur an der HSU/ UniBw H verstetigt. Gesucht wird eine auf dem Gebiet der Planung, des Entwurfs und des Baus von Bahnanlagen wissenschaftlich hervorragend ausgewiesene Persönlichkeit (m/ w/ d), die den Studierenden in der Lehre die Grundlagen und weiterführende Kenntnisse des Schienenverkehrswegebaus sowie des Bahnbetriebs vermittelt. Sie soll mehrjährige Erfahrungen, z. B. nachgewiesen durch herausragende Projekte oder wissenschaftliche Publikationen in anerkannten Fachzeitschriften, auf mindestens zwei der folgenden Gebiete aufweisen: l Entwurf und Bau von Anlagen des Schienenverkehrs, l Fahrzeug-Schiene-Interaktion, l Modellbildung und Simulation im Bahnbereich. Die Bereitschaft zum Aufbau eines eigenen Forschungsschwerpunktes sowie zur Mitgestaltung gemeinsamer Forschung in der Fächergruppe Bauingenieurwesen und in der Universität wird vorausgesetzt. Neben einer hervorragenden Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit, nachgewiesen durch eine in der Regel mindestens sehr gute Promotion im Bauingenieurwesen oder einem vergleichbaren Fachgebiet sowie darauffolgende wissenschaftliche Publikationen in anerkannten Fachzeitschriften, wird auf die didaktische Eignung der Bewerberinnen bzw. Bewerber besonderer Wert gelegt. Bereitschaft zur Lehre in deutscher und englischer Sprache wird vorausgesetzt. In der Lehre vermittelt die Stelleninhaberin bzw. der Stelleninhaber (m/ w/ d) den Studierenden des Bachelor- und Master-Studienganges Bauingenieurwesen unter anderem die Grundlagen und weiterführende Themen des Schienenverkehrswegebaus sowie des Bahnbetriebes. Darüber hinaus beteiligt sich die Professur an der Vermittlung allgemeiner ingenieurwissenschaftlicher Studienkompetenzen. Erwartet wird darüber hinaus der Nachweis einer ausgeprägten Gender-, Gleichstellungs- und Diversitykompetenz. Die strategische und inhaltliche Weiterentwicklung der HSU/ UniBw H zur Steigerung der (inter-) nationalen Sichtbarkeit und Vernetzung, der Wettbewerbsfähigkeit in der Drittmittelakquise, in öffentlichen Förderprogrammen und Exzellenzinitiativen sowie in der Nachwuchsgewinnung ist mitzugestalten. Es wird zudem erwartet, dass Verbindungen zu Forschungspartnern in der Metropolregion Hamburg aufgebaut werden. Dafür wird eine gut vernetzte Persönlichkeit mit ausgeprägter Führungs- und Teamfähigkeit gesucht. Die Fakultät für Maschinenbau und Bauingenieurwesen bietet eine hervorragende Ausstattung und Infrastruktur, ein hohes Maß an kollegialer Kooperationsbereitschaft und die Möglichkeit zur Mitgestaltung von zukünftigen Strukturen sowie ihrer Ausrichtung und Weiterentwicklung in Forschung und innovativer Lehre. Die HSU/ UniBw H wurde gegründet, um für Offizieranwärterinnen und Offizieranwärter (m/ w/ d) sowie Offizierinnen und Offiziere (m/ w/ d) ein wissenschaftliches Studium mit Bachelor- und Masterabschlüssen anzubieten, das mit verkürzten Regelstudienzeiten nach dem Trimestersystem durchgeführt und durch interdisziplinäre Studienanteile (ISA) ergänzt wird. Die HSU/ UniBw H steht auch zivilen Studierenden offen. Es wird erwartet, dass die Stelleninhaberin bzw. der Stelleninhaber (m/ w/ d) die Studierenden auf berufliche Tätigkeiten innerhalb und außerhalb der Bundeswehr, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern, vorbereitet und darüber hinaus Aufgaben auf dem Gebiet der Weiterbildung sowie Lehrangebote im Bereich ISA und im Rahmen von englischsprachigen Studiengängen übernimmt. Die Einstellungsvoraussetzungen und die dienstrechtliche Stellung von Professorinnen und Professoren richten sich nach dem Bundesbeamtengesetz. In das Beamtenverhältnis kann berufen werden, wer am Tag der Ernennung das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Dienstposten steht Personen jeglichen Geschlechtes gleichermaßen offen. Die Universität strebt eine Erhöhung des Anteils von Professorinnen an und begrüßt deshalb ausdrücklich die Bewerbung von Frauen. Sie werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, bevorzugt berücksichtigt. Die Bewerbung behinderter Menschen ist ausdrücklich erwünscht. Schwerbehinderte Menschen und ihnen Gleichgestellte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Der Bewerbung sind die fünf wichtigsten Publikationen, eine Darstellung der Lehrerfahrungen und ein Konzept zur Ausgestaltung zukünftiger Forschung beizufügen. Hierbei sind etwaige Anknüpfungspunkte zu bestehenden Forschungslinien der Professuren im Studiengang Bauingenieurwesen darzustellen. Ihre Bewerbung richten Sie bitte ausschließlich in elektronischer Form unter Angabe der Kennziffer bis zum 08.10.2023 an: personalabteilung@hsu-hh.de POLITIK Öffentlicher Personenverkehr Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 16 wechsels an den Haltestellen kurzzeitig getrennt werden, um sich dann an geeigneter Stelle wieder zu vereinen. Da die Fahrzeuge für einen flexiblen Einsatz technisch gleichwertig ausgestattet sind, können derartige Manöver flexibel nach Bedarf von der Leitstelle aus koordiniert werden. Das grundlegende Prinzip der intelligenten Betriebskonzepte wird in Bild 2 dargestellt. Sicherheit in fahrerlosen Fahrzeugen Ein weiteres Ziel der bedarfsgesteuerten Einsatzplanung ist die Steigerung von Komfort und Sicherheit. Mit einer genauen Planung kann auf Stehplätze in den Fahrzeugen verzichtet werden. Für den Nutzer ergibt sich eine Steigerung des Komforts. Gleichzeitig erhöht sich die Sicherheit im Fahrzeug, da sitzende Fahrgäste kritische Fahrmanöver (z. B. Gefahrenbremsungen bei plötzlich auftretenden Hindernissen) sicherer bewältigen können. Eine Einflussnahme der Fahrgäste auf den Fahrtverlauf könnte durch eine Service-Kaskade wie folgt ermöglicht werden: 1. Kundenservice 2. Disposition 3. Notfall Mit der Ruftaste für den Kundenservice ist eine Beratung der Fahrgäste zu Rückfragen über den Fahrtverlauf möglich. Durch einen Dispositionsruf innen und außen könnte insbesondere auf mobilitätseingeschränkte Fahrgäste eingegangen werden. So kann die Leitstelle beispielsweise die Abfahrt des Fahrzeuges so lange verzögern, bis sich der Rollstuhlfahrer nach dem Zustieg im Fahrzeug gesichert hat. Darüber hinaus sollten die Fahrgäste die Möglichkeit zur Auslösung eines Nothalts (im Sinne einer sicheren Bremsung an einer geeigneten Stelle) erhalten. Bei Betätigung schaltet sich die Leitstelle zur Klärung der Situation ein und kann weitere Schritte (ggf. Alarmierung von Rettungsdiensten oder Abbruch bei Missbrauch) vornehmen. Fahrschein der Zukunft Für das Ticketing in fahrerlosen Personentransportsystemen werden Selbstbedienungsterminals realisiert, bei denen sich der Fahrgast das Ticket selbst kaufen kann. Neben bargeldlosen Bezahlmethoden werden digitale Tickets zukunftsbestimmend sein. Lediglich die Umsetzung von Zugangskontrollen ist aktuell noch unklar. Zusammenfassung und Ausblick Die Vorteile der Strategie sind: •• Beitrag zur Mobilitätswende •• Anbindung des ländlichen Raums •• Lösung des Fahrermangels in Aussicht •• Optimierung des Fahrzeugeinsatzes und Steigerung der Energieeffizienz durch intelligente Steuerungskonzepte, Reduzierung von Leerfahrten •• Platoonbildung zur Abdeckung von Spitzenlasten •• Fahrzeugeinsatz unabhängig von Arbeitszeitgesetz •• Steigerung von Komfort und Sicherheit Die Nachteile und offenen Fragen dazu: •• Betreuungsschlüssel in der technischen Aufsicht noch unklar •• optimale Gefäßgröße muss ermittelt werden •• automatisierter Einsatz nur auf festgelegten Korridoren; tatsächlich fahrerloser Betrieb noch nicht konkret absehbar •• Mobilfunkabdeckung im ländlichen Raum noch nicht flächendeckend •• Abrechnung/ Ticketing •• Sicherheit/ Wohlbefinden im fahrerlosen Betrieb unklar Abschließend bleibt die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der skizzierten künftigen Betriebskonzepte intelligenter Personentransportsysteme. Es bleibt abzuwarten, ob mit Einführung der automatisierten Fahrfunktionen im ÖPV tatsächlich eine Steigerung der Attraktivität derart realisiert werden kann, dass eine signifikante Steigerung der Nutzer erfolgt. Hinsichtlich der Betriebskosten automatisierter Personentransportsysteme besteht weiterer Forschungsbedarf, inwiefern sich Mehrkosten durch die innovative Technik niederschlagen und sich Personalkosten tatsächlich einsparen lassen. ■ Der Autor verfolgt diese Thematik im Rahmen eines Promotionsverfahrens an der Professur für Verkehrsbetriebslehre und Logistik der Verkehrswissenschaftlichen Fakultät „Friedrich List“ der TU Dresden. LITERATUR [1] BMDV (2022): BMDV Herausforderungen der Zukunft. https: / / bmdv. bund.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ G/ ressortforschungsrahmen-herausforderungen-zukunft.html (abgerufen: 19.02.2023). [2] Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas); Deutsches Zentrum für Raum- und Luftfahrt (DLR); IVT Research GmbH, und infas 360 GmbH (2018): Mobilität in Deutschland 2017, www.mobilitaet-in-deutschland.de/ publikationen2017.html (abgerufen: 28.03.2023). [3] Gipp, C.; Brenck, A.; Schiffhorst, G. (2020): Zukunftsfähige öffentliche Mobilität außerhalb von Ballungsräumen. Berlin, München: IGES Institut GmbH im Auftrag des ADAC e.V. https: / / assets.adac.de/ image/ upload/ v1581494746/ ADAC-eV/ KOR/ Text/ PDF/ zukunftsfaehige-oeffentliche-mobilitaet-ausserhalb-von-ballungsraeumen_ ADAC_Studie_kkr955.pdf (abgerufen: 01.03.2023). [4] Roth, M. (2023): MANs Fahrplan zu einem autonomen Stadtbus. s. Vortrag beim 7. VDV Zukunftskongress Autonomes Fahren im öffentlichen Verkehr, Berlin, 28.03.2023. [5] O. V. Straßenverkehrsgesetz (StVG). www.gesetze-im-internet.de/ stvg/ (abgerufen: 27.11.2022). [6] SAE International (2021): SAE J3016. https: / / my.sae.org/ library/ (abgerufen: 27.11.2022). [7] Leonetti, E. (2023): Aktivitäten des VDV und Next Steps für die Branche. Vortrag beim 7. VDV Zukunftskongress Autonomes Fahren im öffentlichen Verkehr, Berlin, 28.03.2023. Tim Alscher Projektleiter für automatisiertes Fahren, IAV GmbH, Chemnitz tim.alscher@iav.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 17 V erkehr wird in Europa teurer werden. Das dürfte klar sein, wenn man sich die zahlreichen Klimaschutzgesetze des Pakets „Fit for 55“ ansieht, die von der EU nach gut zwei Jahren Diskussion jetzt beschlossen wurden oder demnächst über die Ziellinie gehen. Es ist auch nicht überraschend, denn das Grundprinzip der Klimaschutzgesetzgebung besteht darin, den Treibhausgasausstoß kostenpflichtig zu machen, wegen der Kosten, die er der Gesellschaft verursacht. Die Frage ist, wieviel teurer der Gütertransport wird und was die einzelnen Akteure tun können, um den Anstieg ihrer Kosten zu dämpfen. Ändert sich nichts in der Branche, dürfte der Preis enorm sein. Denn durch die EU-Gesetze wird an vielen Stellschrauben gedreht. Für den Einsatz von mit fossilem Kraftstoff betriebenen LKW, Schiffen oder Flugzeugen müssten über den CO 2 -Emissionshandel kontinuierlich steigende Preise bezahlt werden. Dazu kämen wohl CO 2 -Aufschläge auf die Maut, Bußgelder, falls die Vorgaben zum Einsatz nachhaltigerer Schiffs- und Flugzeugtreibstoffe nicht eingehalten werden, und eventuell höhere Energiesteuern. Nachjustieren müssen die Gesetzgeber übrigens kontinuierlich, um zu vermeiden, dass Transportunternehmen nicht durch Emissionshandel, CO 2 -Maut, nationale Abgaben wie für das deutsche Brennstoffhandelsgesetz und Energiesteuern irgendwann für denselben CO 2 -Ausstoß mehrfach zur Kasse gebeten werden. Teils sind solche Anpassungen in den Gesetzen bereits vorgesehen. Grundsätzlich wichtiger ist es aber, den Verkehrsteilnehmern klimafreundlichere Alternativen anzubieten, damit sie auch die Chance haben, den drohenden Zusatzkosten zu entgehen. Die EU- Klimaschutzgesetze können nur dann eine Lenkungswirkung haben, wenn es auch umweltverträglichere Transportmöglichkeiten gibt, auf die umgelenkt werden kann. Deshalb müssen jetzt mit Volldampf umweltfreundlichere LKW, Schiffe, Flugzeuge und Züge sowie die für ihren Betrieb notwendigen nachhaltigeren Kraftstoffe hergestellt werden, und die zugehörige Tank- und Ladeinfrastruktur muss aufgebaut werden. Alles das verursacht ebenfalls zusätzliche Kosten. Allerdings gibt es hier zumindest die Chance, dass sich Kosten mit steigenden Produktionsmengen stabilisieren - anders als etwa beim Emissionshandel. Es ist verständlich, dass Unternehmen zögern, viel Geld in die Transformation zu investieren. Da der Prozess erst anfängt, fürchten sie das Risiko, auf das falsche Pferd zu setzen. Fehlinvestitionen kann sich sicherlich kaum jemand leisten. Die oft geforderten politischen Rahmendaten hat die EU nun aber gesetzt. Es gibt CO 2 - Normen für Lieferwagen und PKW - für LKW werden sie noch diskutiert - die klar machen, ab wann ein großer Teil der neuen Fahrzeuge mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden muss. Die Treibstoffnormen im Schiffs- und Flugverkehr lassen sich etwa mit Biotreibstoffen oder synthetischen Kraftstoffen erfüllen. Die EU-Effizienz- und Beimischungsvorschriften signalisieren, dass es dafür einen Markt geben wird, es sollte bei Kraftstoffherstellern also auch ein Interesse geben, jetzt verstärkt alternative Treibstoffe für diesen Markt zu produzieren. Was nicht passieren darf, ist, dass sich - trotz der politischen Signale - weiterhin alle belauern und darauf warten, dass andere Akteure - etwa der Staat - für sie investieren, etwa in Treibstoffproduktion oder Ladeinfrastruktur. Die öffentliche Hand muss und wird sich beteiligen, zum Beispiel indem sie Einnahmen aus dem Emissionshandel investiert. Aber die Wirtschaft, inklusive Verlader, Energieversorger und Fahrzeughersteller, muss ebenfalls mitziehen, im Vertrauen auf die entstehenden Märkte. Sonst läuft die Transportbranche in eine Sackgasse und muss am Ende hohe CO 2 -Kosten zahlen, ohne Möglichkeiten zu haben, auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen. Einen Vorgeschmack darauf gibt die Diskussion über die Anhebung der deutschen LKW-Maut. Insolvenzen wegen hoher Kosten oder eine Verringerung der Verkehrsangebote wären schlimm. Nicht nur für die Betroffenen, sondern für die ganze Branche, auch für die Verlader. Werden die Kosten allerdings weitgehend auf die Verbraucher abgewälzt, könnte das einen Inflationsdruck erzeugen, dem die EU-Staaten politisch nicht gewachsen sind - die nationalen Energiepreisbremsen lassen grüßen. Die Staaten könnten versucht sein, die Preissignale des EU-Klimaschutzpakets durch Subventionen zu dämpfen, was allerdings dessen Wirkung in Frage stellen dürfte. Das wiederum wäre schlimm für den Klimaschutz. Der durch die EU-Vorgaben entstehende Kostendruck kann nur dann erträglich bleiben, wenn der Verkehr nachhaltiger wird. Dafür müssen jetzt alle ihren Beitrag leisten, alleine kann das keiner der Akteure schaffen. ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Alle Wirtschaftsbeteiligten müssen beim Klimaschutz mitziehen Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 18 POLITIK International The new EU Battery Regulation Reducing Europe’s dependency on supplying raw materials Electric vehicles, EU battery regulation, Rare earth elements, Raw materials Global sales of electric vehicles are on the rise. A temporary supply shortage or scarcity for some raw materials could be critical for Europe since it has a high dependency on other countries supplying raw material. To counteract this, the European Union has proposed a new battery regulation. Elisabeth Gütl W ith an increasing number of electric vehicles on the roads comes the rising demand for raw materials that are required for the manufacturing of electric vehicles. Along with this surge in demand, a temporary supply shortage or scarcity for some raw materials might occur in the future. This is especially critical for Europe since it has a high dependency on other countries supplying raw material. To counteract this, the European Union has proposed a new battery regulation, replacing the existing Batteries Directive 2006/ 66/ EC, including implementing targets for waste battery recovery. Europe’s dependency on raw materials for electric vehicles Along with the increasing effect of climate change and the resulting political actions to counteract it, more and more electric vehicles can be seen on the roads. This presents not only a major challenge in setting up the necessary infrastructure, but also with regards to the raw materials and the ramp up of their mining. When comparing the amount of minerals needed in an electric vehicle to the amount needed in a conventional car with an internal combustion engine, a significantly higher number of minerals is needed in order to manufacture an electric vehicle. A graph by the International Energy Agency provides a comparison between electric and conventional cars for some of the minerals used, showing that electric vehicles need around six times more minerals than conventional vehicles (see figure 1, steel and aluminum not included in the figure) [1]. Since the mining of most raw materials happens outside of Europe, Europe has a high dependency on several supplying countries which mine the raw materials needed for electric vehicles. When taking a closer look on the different components of electric vehicles, it is possible that different raw materials could be scarce in the future. Today’s mining capacity for example of lithium and cobalt is not sufficient to cover the forecasted demand for batteries in the future. To meet the expected demand in the future, the current cobalt production must be three times the current one; for lithium it would be even six times the current lithium production [2]. The permanent synchronous motor, one type of commonly used motors in the powertrain of electric vehicles, consists of a magnet using rare earth elements as raw material. Regarding rare earth elements, Europe is highly dependent on China, being the country with the highest export number of rare earths. The term ‘rare earths’ does not imply that the raw materials themselves are rare, however the mining produces toxic waste as a by-product and they must also be concentrated enough to result in profitable mining [3]. To reduce the dependency on countries supplying critical raw materials and to move forward into a more sustainable future with a higher recycling quota, the European Union agreed to change the existing battery directive to a new EU battery regulation. The new EU battery regulation The EU Battery Directive 2006/ 66/ EC, targeting batteries and accumulators, has been in place since the year 2006 and specifies limits for hazardous materials in batteries or accumulators like mercury or lead, which are presenting a risk for humans and the environment. The Directive furthermore sets collection targets for portable batteries and divides them into three different classes: portable, automotive, and 0 10 20 30 40 50 60 70 Copper Lithium Nickel Manganese Cobalt Graphite Zinc Rare earths Others [kg/ vehicle] Conventional car Electric car Figure 1: Comparison of minerals used in electric and in conventional cars [1] Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 19 International POLITIK industrial batteries. However, for the movement towards a more sustainable and greener future, the EU Battery Directive is no longer meeting the expectations to support this transition. Therefore, the old EU battery directive will be replaced by a new EU battery regulation, which has a binding force for every member state of the European Union and contains several changes, as follows: •• A new battery category will be introduced with electric vehicle batteries; •• Improvement of the battery value chain; •• Setting specific recycling targets which are gradually increasing; •• From 2027 it will be a requirement for labels on batteries and accumulators to include information regarding the hazardous substances contained or type of battery. In particular, the new recycling targets were tightened, forcing battery-makers from 2027 onwards to recover for example 90 % of nickel and cobalt, the percentage rising to 95 % in 2031 and to recover 50 % of lithium from 2027 onwards, rising to 80 % in 2031. Another novelty in the new EU battery regulation will be the statement of CO 2 balance of batteries used in electric vehicles, as well as the labelling and information on the components of batteries and how much recycled content they contain. Already from July 2024 onwards it is planned that batteries must indicate a carbon footprint declaration [4]. For some raw materials the recycling techniques and processes are adequate and the recycling quota is high, whereas for raw materials, like rare earth elements or lithium, a ramp-up is still necessary to reduce the dependency. Recycling methods for raw materials According to the study on the EU’s list of Critical Raw Materials [5] several raw materials are considered as critical with a supply risk and of economic importance, including lithium and rare earth elements. Referring to the mentioned scarcity of raw materials as lithium and considering that the mining capacity of lithium might not be able to meet the future market demand, recycling technologies for lithium are becoming an important pillar and a widely discussed topic. To recycle lithium, a raw material of a battery in an electric vehicle, the first step is discharging the battery below a hazardous voltage level before dismantling it. The process step that separates the different materials of a battery is called mechanical pre-treatment but needs further processing in the form of a hydrometallurgical process step in which impurities are also removed-[6]. The composition of raw materials used in the magnet of permanent synchronous motors can vary, but rare earth elements are a crucial part of it. When it comes to rare earth elements, there is a differentiation according to their atomic numbers, making rare earth elements with atomic numbers between 57 and 63 light rare earth elements and between 64 to 71 heavy rare earth elements. neodymium, part of neodymiumiron-boron permanent magnets (NdFeB magnets) is a light rare earth element, with China being the most important supplier globally with a market share of 86 %. Dysprosium, a heavy rare earth element, is added to magnets to increase the temperature stability against demagnetization. Again, there is a high dependency on China as the global supplying country, with 86 % being the most important supplier for dysprosium [5]. For the recycling of rare earth elements different approaches and methods are possible but making hydrometallurgical and pyrometallurgical methods are the most common ones. They both offer the potential for individual rare earth elements recovery to be reused in magnets [7]. Conclusion In moving towards a greener and sustainable future the demand for certain raw materials is increasing. For electric vehicles some raw materials are especially critical with a high supply risk, particularly rare earth elements, part of permanent magnets in permanent magnet synchronous motors. Ramping up mining to meet future demand can be one benchmark to meet the expected market demand, but robust recycling methods can offer a significant source of supply in the future. To encourage and accelerate this ramp up of recycling, the new EU battery regulation paves the way to a more sustainable future. ■ REFERENCES [1] World Energy Outlook Special Report. www.iea.org/ data-andstatistics/ charts/ minerals-used-in-electric-cars-compared-to-conventional-cars (accessed 2023, July 03): [2] Maisel, F.; Neef, C.; Marscheider-Weidmann, F.; Nissen, N. (2023): A forecast on future raw material demand and recycling potential of lithium-ion batteries in electric vehicles. In: Resources, Conservation and Recycling, Vol: 192. [3] www.eias.org/ wp-content/ uploads/ 2016/ 02/ EIAS_Briefing_ Paper_2014-7_Ebner.pdf (accessed 2023, June 27): [4] www.europarl.europa.eu/ RegData/ etudes/ BRIE/ 2021/ 689337/ EPRS_BRI(2021)689337_EN.pdf (accessed 2023, June 27): [5] Blengini, G.; et al. (2020): Study on the EU’s list of Critical Raw Materials Final Report. [6] Neumann, J.; Petranikova, M.; Meeus, M.; Gamarra, J.; Younesi, R.; Winter,M.; Nowak, S. (2022): Recycling of Lithium-Ion Batteries— Current State of the Art, Circular Economy, and Next Generation Recycling. In: Advanced Energy Materials, Vol. 12. [7] Fujita, Y.; McCall, S.K.; Ginosar, D. (2022): Recycling rare earths: Perspectives and recent advances. In. MRS Bulletin 47, pp. 283-288. Elisabeth Gütl, Dipl.-Ing. Subject Matter Expert - System Engineering, Magna Powertrain, Traiskirchen (AT) elisabeth.guetl@magna.com Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 20 POLITIK International Improving the circularity of e-bus batteries Regulatory framework and end of life management for Li-Ion-batteries in Colombia, India and Tanzania Electric buses, Circular economy, Colombia, India, Tanzania The Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH commissioned the development of a measures catalogue for inclusion of circular economy principles into e-bus planning and procurement. In this vein, a series of three workshops were organized in Bogotá, Dar es Salam and New Delhi with the core aim of presenting the developed measures. The article is the result of three study tours organized parallel to the workshops and presents short summaries on the status regarding the e-mobility targets, regulatory frameworks, and current capacities for end-of-life (EoL) management of Lithium-Ion batteries. Frederick Adjei, Inga Hilbert, Viviana López Hernández, Andreas Manhart, Deepali Khetriwal, Shruti Dalal, Silvani E Mng’anya, Dorah Swai, Haji Rehani, Luka Yohana, Ángel Eduardo Camacho T he transport sector is known to be the third highest emitter of greenhouse gases globally and presents a challenge in achieving emissions [1] with further research placing it second on the hierarchy of problematic sectors to control [2]. The message is clear: emissions reduction in the transport sector is difficult to realize. To compound issues further, highly congested cities suffer the public health effects of air pollution. In 2019 alone 4.5 million deaths were recorded as result of ambient air pollution [3]. The situation is more pronounced in transitioning economies such as Colombia, Tanzania, and India where policy makers must balance the need to increase public infrastructure, and reduce road congestion while achieving emissions reduction targets. To support this, GIZ commissioned the Oeko-Insitut e.V. for the development of a measures catalogue for inclusion of circular economy principles into e-bus planning and procurement. The catalogue is designed to be a practical guide for policy makers and procurement practitioners in transitioning economies to address the needs of policy formulation, procurement tendering, maintenance, and sound EoL management of e-bus components, particularly batteries. In this vein, a series of 3 workshops were organized in Bogotá, Dar es Salam and New Delhi with the core aim of presenting the catalogue to governments, municipalities, and transport agencies. Parallel to the workshops, study tours were conducted in each of the countries (Colombia, Tanzania, India respectively). The following country specific analysis is the result of these study tours. Short summaries present the status quo of the electric vehicle targets and market development, regulatory frameworks, and current capacities for EoL management of Lithium-Ion batteries. Colombia E-mobility targets and market development The Colombian government implemented a National Strategy for Electric Mobility in 2019, aimed at increasing the share of electric mobility in the country. The country is working towards it’s targets, but progress has already been made especially in cities like Bogotá, which has achieved its ambitious target of 1,485 e-buses in 2023 and has set a further target for 100 % e-bus purchasing by 2023 [4]. Colombia’s market has shown significant progress in the transition to electric mobility, partially due to government incentives such as reduced VAT, zero tariffs, preferential tax rates and exemptions from transit restrictions for electric vehicles. The increasing adoption of electric mobility will lead to a substantial increase in EoL batteries, prompting the government to develop a revised regulatory framework for their management. Regulatory framework The EoL management of batteries in Colombia has been regulated since 2010, starting with Resolution 1297 which focused on portable Li-Ion batteries. This resolution established take-back and collection systems based on the principles of Extended Producer Responsibility (EPR). In the following years, a total of 31 collection systems for batteries were approved by the responsible authority in Colombia, and 12,000 collection points for portable batteries were installed in the country [5]. The regulatory framework was later enhanced by Resolution 2246 in 2017, introducing management indicators for better monitoring and evaluation. In 2022, Resolution 851 replaced the previous framework, extending the scope to include industrial and electric vehicle batteries, and explicitly aligning its requirements with EPR principles. According to the new regulatory framework, the collection of Li-Ion batteries from electric vehicles will be mandatory from 2024 onwards. The requested collection rate will start with 0.5 % in 2024, increasing to 23 % in 2033. Current capacities for EoL management of Li-Ion batteries Currently, there are three collective schemes: Pilas con el ambiente, Recopila and ARBAM-(Motorola) and 27 individual schemes operating in the country, mostly focused on portable batteries. However, the take-back scheme Recoenergy, currently in Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 21 International POLITIK charge of collecting used lead-acid batteries, plans to expand its capacities to include the collection of Li-Ion batteries from vehicles in the coming years. Additionally, there are two active Li-Ion battery recycling plants in Colombia, Altero (figure 1), and Innova Ambiental, both with smaller processing volumes due to insufficient collection volumes. Furthermore, two companies focused on reuse or repurposing of Li-Ion batteries were identified. The start-up BatX offers energy storage systems. For the assembly of their systems, the company integrates recycled and reused components of Li-Ion batteries. The second company Recobatt repurposes used Li-Ion batteries from electric vehicles for second life applications. Challenges and outlook The increasing number of e-buses will lead to a rise in EoL batteries, and while Colombia has introduced requirements for their collection and management, these will only become mandatory from 2024 with low collection rates initially. This may result in a significant gap between targets and actual waste battery volumes due to the rapid growth of the e-vehicle market, highlighting the need for improved regulatory frameworks and investment conditions for scaling up recycling infrastructure. India E-mobility targets and market development The Indian government has implemented initiatives such as the National Electric Mobility Mission Plan and the Phase-II of the Faster Adoption and Manufacturing of Hybrid and Electric vehicles (FAME) scheme to promote electric vehicles (EVs) and boost domestic manufacturing capabilities. According to e-Amrit, a portal handled by the National Institute for Transforming India [6], there were 380 EV manufacturers registered in India until 31st July 2021 (this includes passenger cars, two and three wheelers, buses, and others). The country aims for substantial adoption of EVs, targeting 70 % of commercial cars, 30 % of private cars, 40 % of buses, and 80 % of two-wheeler and three-wheeler sales to be electric by 2030. With the increasing adoption of EVs and the significant number of buses in India’s public transport system, there is a growing need for battery EoL management. By the year 2030 the annual market for recycling of Li- Ion batteries in India is expected to be around 22 - 23 GWh, which could translate into market opportunities estimated around USD 1,000 million-[7]. Regulatory framework In India, the Ministry of Environment, Forest and Climate Change, along with Central and State Pollution Control Boards, administer the regulations for EoL waste management. Various rules and guidelines have been published to promote circularity and sound EoL management of valuable resources, including plastic, tires, EoL vehicles, e-waste, batteries, lubricants, and oil. The handling and management of used batteries have been regulated since 2001, and the rules were further amended in 2022 to include a wider scope of batteries and introduce EPR obligations. Figure 2 summarizes the evolution of battery and e-waste management regulation in India. The Battery Waste Management (BWM) Rules 2022 in India cover all types of batteries, including E-vehicles, portable, automotive, and industrial batteries. Under the current regulation, every producer is obliged to collect and recycle minimum 70 % of the quantity of batteries placed on the market in the three preceding financial years starting from Fiscal Year 2024-2025. Recovery targets for batteries for various applications are shown in figure 3. The rules also include mandatory targets for battery recycling and recovery to pro- Figure 1: Altero: Modular Li-Ion battery recycling facility in Colombia Source: Oeko-Institut e.V. Figure 2: Evolution of battery and e-waste management rules in India Source: Dds+ Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 22 POLITIK International mote investment in recycling technologies and create sustainable business opportunities. The reuse of recovered materials is mandated to enhance circularity and reduce dependency on imported battery cells. Current capacities for EoL management of Li-Ion batteries The recycling of Li-Ion batteries is a growing industry in India, driven by the increasing adoption of EVs. Start-ups are establishing recycling facilities to extract critical raw materials and repurpose waste batteries. At least 30 recyclers have been identified in India, primarily processing defective and discarded batteries, and some are signing agreements with EV OEMs for future EoL battery collection. Figure 4 depicts the names and locations of 18 out of 30 identifies Li-Ion battery recyclers in India. Most recyclers in India currently produce black mass through crushing and shredding batteries, but some are establishing leaching plants to extract valuable metals. Three business models have been identified: remanufacturing battery packs, metal recovery from black mass, and repurposing for second-life applications. This last one is focusing on developing proprietary technology for the testing and refurbishment of lithium cells from used automotive. Furthermore, recyclers are investing in technologies like spectroscopy to improve recovery processes and increase material purity. These developments contribute to creating a comprehensive value chain for sound EoL battery management and support the ecosystem for Li-Ion battery cell manufacturing in India. Challenges and outlook The lack of battery manufacturing plants in India is also a drawback, but government schemes such as the Production Linked Incentive (PLI) scheme for Advanced Cell Chemistry (USD 2.49 billion) and the FAME Scheme (USD 1 billion) are aiming to support local industry efforts in ramping up battery manufacturing capacities. However, the collection system for batteries and safe transportation of waste batteries from cities to recycling plants need improvement to ensure sufficient volumes for recycling. Awareness among stakeholders in public transportation is crucial for promoting better performance and prolonging the lifespan of e-bus batteries, thereby reducing the volume of waste batteries requiring end-oflife management. Nevertheless, the implementation of BWM rules and EPR principles is expected to enhance waste battery collection nationwide and reduce dependency on battery cell imports. Tanzania E-mobility targets and market development Tanzania currently has the highest deployment of electric vehicles in East Africa, primarily consisting of twoand three-wheelers. However, the overall market penetration is still low, and electric buses have not been deployed yet due to a lack of clear government policies supporting e-mobility. Subsequently, total investment in e-mobility companies is still very limited and the existing 11 e-mobility local companies have only been able to raise USD 1 million so far [8]. Additionally, the uncertainty regarding future end-of-life battery volumes highlights the dependence on future policy frameworks and supporting measures from the Tanzanian government. Regulatory framework Tanzania’s regulatory framework currently does not explicitly address the EoL management of electric vehicle batteries. However, the recently reviewed Environmental Policy recognizes the need for integrated waste management systems and mentions the lack of clear policy guidance on e-waste management. The main legislation governing environmental management, the Environment Management Act No.4 of 2004, is expected to address Li-Ion battery management in its new version, considering the promotion of electric vehicles for reducing carbon emissions. However, more attention is currently given to the management of used lead-acid batteries, and the implementation of a draft policy for lead-acid batteries faces challenges related to scope and institutional responsibilities. Current capacities for EoL management of-Li-Ion batteries Currently, Tanzania has limited capacity for managing used and EoL Li-Ion batteries. Chilambo General Trade Company Ltd. is the only company in Tanzania that accepts these batteries (Figure 5), primarily from solar energy applications, but the bulk of the collected batteries are cobaltand nickel-free LFP chemistry, which poses recycling challenges. Attempts to sell the collected batteries for testing and reuse in second-life applications in Kenya have been unsuccessful, leading to prolonged storage. In 2022, the batteries were eventually exported by a foreign trader, and their final destination is unknown. www.ebus.transformative-mobility.org Page 4 2030 the annual market for recycling of Li-Ion batteries in India is expected to be around 22 - 23 GWh, which could translate into market opportunities estimated around $1,000 million [3]. Regulatory framework In India, the Ministry of Environment, Forest and Climate Change, along with Central and State Pollution Control Boards, administer the regulations for EoL management of waste. Various rules and guidelines have been published to promote circularity and sound EoL management of valuable resources, including plastic, tires, EoL vehicles, e-waste, batteries, lubricants, and oil. The handling and management of used batteries have been regulated since 2001, and the rules were further amended in 2022 to include a wider scope of batteries and introduce EPR obligations. Figure 2 summarizes the evolution of battery and e-waste management regulation in India. Figure 2: Evolution of battery and E-waste management rules in India. (Source: Dds+) The Battery Waste Management Rules 2022 in India cover all types of batteries, including E-vehicles, portable, automotive, and industrial batteries. Under the current regulation, every producer is obliged to collect and recycle minimum 70% of the quantity of batteries placed on the market in the three preceding financial years starting from FY 1 2024-2025. Recovery targets for batteries for various applications are shown in figure 3. Figure 3: Recovery targets for the batteries from different sectors as per BWM rules 2022 (Source: own elaboration) 1 FY: Fiscal year % Figure 3: Recovery targets for the batteries from different sectors as per BWM rules 2022 Source: own elaboration Figure 4 : Li-Ion battery recyclers in India Source: Dss+ Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 23 International POLITIK Challenges and outlook Currently, Tanzania lacks comprehensive services for Li-Ion battery maintenance, testing, reuse, repurposing, and recycling, partly due to the relatively new field of electric mobility and limited market size. The development of such capacities depends on the demand from e-mobility providers and manufacturers as well as the willingness to invest in high-quality battery maintenance and end-of-life management. Government policies can also play a role by implementing minimum requirements and establishing roles and responsibilities through EPR systems. ■ LITERATURE [1] Schwanen, T. (2020): Low-Carbon Mobility in London: A Just Transition? In: One Earth 2 (2), pp. 132-134. DOI: 10.1016/ j.oneear.2020.01.013. [2] Ayetor, G. K.; Quansah, D. A.; Adjei, E. A. (2020): Towards zero vehicle emissions in Africa: A case study of Ghana. In: Energy Policy 143, p. 111606. DOI: 10.1016/ j.enpol.2020.111606. [3] Fuller. R.; Landrigan, P. J.; Balakrishnan, K.; Bathan, G.; Bose-O’Reilly, S.; Brauer, M.; Caravanos, J.; Chiles, T.; Cohen, A.; Corra, L.; Cropper, M.; Ferraro, G.; Hanna, J.; et al. (2022): Pollution and health: a progress update. In: The Lancet Planetary Health 6 (6), pp. 535-547. DOI: 10.1016/ S2542-5196(22)00090-0. [4] TUMI e-bus Mission (2022): Bogotá Colombia, Deep dive City. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (ed.). [5] Ministerio de Ambiente y Desarrollo Sostenible (2017): Resolución No. 2246: Por la cual se modifica el articulo 10 de la Resolución 1297 de 2010 y se dictan otras disposiciones, MADS. [6] NITI; Aayog, G. I. (2021): Status quo analysis of various segments of electric mobility and low carbon passenger road transport in India. www.niti.gov.in/ sites/ default/ files/ 2021-04/ FullReport_Status_ quo_analysis_of_various_segments_of_electric_mobility-compressed.pdf (last accessed on 15 May 2023). [7] JMK Research & Analytics (2019): Lithium ion Battery Manufacturers/ Battery Recycling Companies India. https: / / jmkresearch.com/ electric-vehicles-published-reports/ recycling-of-lithium-ion-batteries-in-india-1000-million-opportunity/ (last accessed on 15 May 2023). [8] Courtright, T.; Ondanje, W.; Giki, P. (2023): Barriers to e-mobility in Tanzania. https: / / aemda.org/ wp-content/ uploads/ 2023/ 03/ TZEVBarrierReport.pdf (last accessed on 17 Apr 2023). Figure 5: Storage and dismantling area of Chilambo General Trade Company Ltd. Source: Oeko-Institut e.V. Thank you to our TUMI e-bus Mission Partners: Frederick Adjei Researcher, Oeko-Institut e.V., Germany f.adjei@oeko.de Inga Hilbert Researcher, Oeko-Institut e.V., Germany i.hilbert@oeko.de Viviana López Hernández Researcher, Oeko-Institut e.V., Germany v.lopez@oeko.de Andreas Manhart Researcher, Oeko-Institut e.V., Germany a.manhart@oeko.de Deepali Khetriwal Consultant, DSS Sustainable Solutions, India deepali.sinha@consultdss.com Shruti Dalal Consultant, DSS Sustainable Solutions, India shruti.dalal@consultdss.com Silvani E Mng’anya Principal Program Manager, AGENDA for Environment and Responsible Development, Tanzania semnganya@gmail.com Dorah Swai Program Officer, AGENDA for Environment and Responsible Development, Tanzania swaidorah@yahoo.com Haji Rehani Program Officer, AGENDA for Environment and Responsible Development, Tanzania htrehani@yahoo.com Luka Yohana AGENDA for Environment and Responsible Development, Tanzania luka.yohana@yahoo.com Ángel Eduardo Camacho Independent Consultant, Colombia angelca98@gmail.com Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 24 Unlocking the potential of Google’s mobility data Tracking, Travel survey, Mobility demand, Google location history The widespread adoption of smartphones has facilitated the collection of multimodal mobility data. Google Location History (GLH) has gained considerable popularity and has a large user base. This article discusses the importance of GLH data and illustrates its value by identifying specific use cases. It also presents ongoing initiatives in which individuals donate GLH data for research purposes. In particular, the adequacy of the collected data is validated, demonstrating their reliability and suitability for rigorous analyses. Benno Benjamin Bock, Robert Schönduwe O ur mission is to organise the world’s information and make it universally accessible and useful [1] - this is Google’s mission statement. One domain with a pressing need for high-quality information is the transportation sector. Smartphones enable continuous collection of multimodal travel data making them a valuable solution. Google particularly is collecting such data as evidenced by its timeline function. Meanwhile, a lack of reliable and representative knowledge on individual mobility patterns for transportation analysis persists. Traditionally, such data is mainly collected through irregular surveys using diverse questionnaire-based approaches. [2] Smartphone-based surveys are only conducted in few cases. [3] Therefore, it is crucial to explore the potential of Google’s (and other big tech companies’) treasure trove of mobility data. This paper aims to showcase data donation approaches and provide an initial assessment of the data quality. Continuous GPS-based data collection, exemplified by monomodal methods like floating car data, showcases the effectiveness of passive data collection. [4] Companies like Inrix and TomTom demonstrate how this data can be made accessible to a wider group of practitioners. Mobile network data extends the data’s coverage to further trips, but the mode detection comes with high uncertainty. [5] However, to achieve the objectives of the mobility transition (‘Verkehrswende’ in German), continuous collection of multimodal data representing all transport modes is necessary. A multimodal mobility monitor is needed to gather, process and make the data universally accessible and usable. Foto: PhotoMix-Company/ pixabay INFRASTRUKTUR International Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 25 International INFRASTRUKTUR In principle, such a monitor would align seamlessly with Google’s mission statement and is likely achievable leveraging its databases. On big tech’s trail Google’s data has vast potential in providing comprehensive information on mobility demand. It offers detailed insights into individual mobility, including origins, destinations, routes, and mode types. This data can be utilised to compute key performance indicators like modal split values for cities (cf. Table 1) or origin-destination tables. Moreover, the spatial and temporal coverage of Google’s data is unparalleled. With the continuous and widespread availability of Google Maps’ timeline function, it is likely the most comprehensive source of actual mobility demand data available. Currently, access to Google’s mobility data for research and planning purposes is limited. The Covid-19 open data repository, available until 2022, provided some mobility data. [6] Furthermore, the Google Environmental Insights Explorer [7] offers modal split data for various cities worldwide from 2018 to 2022. However, access to this data is restricted to council employees, requiring an application process. Given the limited accessibility to this data, what can we say about the data collection and quality? It’s likely that readers of this article have a Google account and can access their personal mobility timeline via Google Maps. Surveys suggest that approx. 50 % of smartphone users have Google Location History (GLH) activated. [8] When the Google Maps app is installed and location history recording is enabled, it consistently captures movement profiles linked to the users’ Google account. This data is transferred seamlessly with the account; ensuring continuity even when switching devices or logging in on different devices. The GLH data offers detailed and accurate insights into mobility demand data collected via smartphone. In principle, GLH data can be considered as continuous and comprehensive tracking, comparable to smartphone tracking. [9, 10, 11] It serves as a valuable basis for generating movement profiles and travel/ activity diaries. Users access their data through Google Maps, either via the mobile app (see Figure 1) or the website (see Figure 2). The data is presented as a personalised travel diary, showcasing activities, locations and routes. Also, users can view their trajectories on maps and in tabular form, showing origins, destinations routes and any intermediate stops like transit stations. Additional insights can be explored through tabs like ‘Statistics’ and ‘Places’, offering overviews of distances travelled by different mode types, or locations visited. GLH data has been collected globally since 2012 [12], primarily from Android users through an opt-out mechanism. In Germany, explicit opt-in consent is required for data collection. Users provide this consent when installing Google Maps or adjusting settings on their smartphones or Google accounts. The comparatively long services lifespan enables users to access data from the previous decade - a time before introduction of services like Uber, eScooters and the Deutschlandticket in Germany. Users can export their GLH data using the Google Takeout website, designed specifically for exporting Google data. The exported GLH data is spread across multiple JSON files, encompassing over 100 attributes and 38 mode types (referred to as ‘activity types’ by Google). For a comprehensive overview of the exported data format, Bergillos offers valuable insights. [13] GLH data use cases GLH data, containing geospatial information, time data, and modes of transport, holds significant potential for transport policy and planning. However, discussions regarding aggregated GLH data are currently limited primarily to research and academia. To assess the data’s potential, it’s essential to differentiate between three levels: (1) individual GLH data sets, (2) aggregated GLH data from sample populations, and (3) hypothetical aggregated GLH data from the entire user population. The differentiation provides a comprehensive understanding of the data’s scope and its implications for research and analysis in the field. The relevant use-cases for this audience include urban and transportation planning, and social sciences. Decoding traffic patterns, investigating congestion hotspots, and monitoring travel behaviour are possible. The data enhances the understanding of people’s movement and lifestyle in urban and rural spaces. Ruktanonchai also highlights the potential for fighting infectious diseases and responding to catastrophic events. [8] Additionally, commercial usage in market research seems logical as the data can provide insights into consumer behaviour, shopping patterns, and location or mobility preferences of certain target groups. This is the most likely path for Google to generate added value in-house. Small-scale projects showcase the potential insights that can be derived from individual GLH data, providing a glimpse into its possibilities. [14, 15]: Some have provided technical assistance in formatting and processing the data such as the GitHub-user GmoncayoCodes. [16] Just a few years after GLH data became available, attention was focused on how smartphone tracking could establish an individual mobility feedback system. [17] Figures 3 and 4 show the potential of the data for longitudinal surveys of mobility patterns. The left chart shows all trips made by one of the authors over the past year, categorised by the four main mode types. It reveals mixed usage of all four modes, highlighting a seasonal preference for bicycles with a minimum in December. Notably, a significant decrease in trip volume is observed in September 2022, corresponding to a Covid-19 related quarantine period. This example supports the assumption that the data can be used to estimate the impact of the recent pandemic on mobility. The right chart presents the same data as passenger-kilometres per mode type, exhibiting higher overall fluctuation. Similar to studies involving data donations from tracking [18, 19, 20], GLH data can be collected by a group of individuals Figure 1: Screenshot of Google’s Timeline in an Android System Sources of all pictures: Catchment 2023 Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 26 INFRASTRUKTUR International willing to share their data. In German mobility research, there are very few published studies of this kind. The authors conducted proof-of-concept studies - in collaboration with a local transport authority and a university class. The generated GLH datasets allowed for addressing important questions: How did the sample react to certain events? What does the use of transport modes look like in certain areas or times? How can the accessibility and transport connections of places be described? The sample size can be tailored to the research question, with small surveys providing insights into specific sites or behaviours, and large (representative) studies offering general insights like modal split development. Aggregating GLH data from consenting users can yield robust mobility-related KPIs. This approach has the potential to address challenges like revenue sharing for the Deutschlandticket at a decisive and nationwide scale, as demonstrated in the xMND research project with mobile network data. [21] Our approach to gather GLH data Currently, external access Google’s GLH data is challenging. However, a potential workaround is to design a data donation process. The GLH data donation procedure can be divided into the following steps: 1. Survey design including data protection concept 2. Recruitment and onboarding of participants 3. Preparation of GLH data collection 4. Optional: Definition of a survey period 5. Export of GLH data 6. Evaluation and further analysis of GLH data For this approach, developing a data protection concept in collaboration with a data protection officer is crucial. It is necessary to prepare a participant declaration that complies with data protection requirements. Once these prerequisites are met, the recruitment and onboarding of participants can begin. Participants in the survey group are requested to adjust their Google settings for a specified period, if the optional survey period is chosen. If needed, the users’ settings can be configured in a joint workshop. Participant engagement is crucial for the success of the study. Given the numerous services and functionalities in the Google ecosystem, clear instructions are necessary for user interactions like activation or data export. It’s also important to provide separate guidance for Android and iOS users to enable the location history function. Once activated, users can easily access the generated data via the Google Maps app, which offers a simple menu navigation and a user-friendly experience. Visualising and editing proposed routes is also straightforward, although the complexity of editing options may require additional instructions for survey participants to ensure consistent data quality. It might be beneficial to schedule two exports: one ‘raw’ and one ‘edited’ data export with intermediate validation. This approach would provide two comparative datasets, enabling insights into the changes made during the validation process. During the survey, various experiments can be conducted based on the research question. However, for traffic-related survey, it is important to maintain the participants’ smartphone and mobility behaviour unchanged. Data quality The meaningful use of GLH data is supported by data quality, which can be categorised into the following areas: Figure 2: Screenshot from the Google Maps web-application Figures 3 and4: Modal-split high-chart of one person in one year (left: trips, right: pkm) Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 27 International INFRASTRUKTUR •• Quality of geolocation •• Quality of route detection incl. location recognition •• Quality of means of transport recognition •• Quality of temporal assignment It’s important to note that the assessment of the data quality is limited to a snapshot in time. It is expected that Google, as the producer and owner of the data, is constantly working on improving the system. The use of AI holds potential for significant advancements in data quality, particularly due to the verification provided by users, which serves as a valuable training data set. Among the international studies assessing the quality of GLH data, the study conducted by the Netherlands Forensic Institute is noteworthy. [22] The study advises that “Google locations and their accuracies should not be used in a definite way to determine the location of a mobile device”. In a walkability study, Lindquist found that approx. Two-thirds of participants contributed valuable datasets, while the remaining participants provided infrequent GLH data due to variations in smartphone settings.-[23] In public transport data, certain gaps or stochastic changes can be observed, particularly for individual modes such as ‘bus’. Google acknowledges: “These changes are the result of improved inference models that better distinguish between modes. Overall, these changes improve the accuracy and usability of the emission estimates in the long term.” [7] Similar issues are present regarding data completeness. For instance, bus or motorbike shares may not be displayed for every year. In a recent comparison with modal split information from the German travel survey Mobilität in Deutschland (MiD) (see Table 1), one of the authors found that Google data from the Google Environmental Insights Explorer consistently underestimates bicycle mode shares compared to MiD, while walking occurs more frequently in Google. [24] Overall assessment of Google data Based on the information available for this article, the value of the mobility demand data that Google could provide is undeniable. It is unfortunate that the company chooses to restrict access to this valuable information beyond government employees. Meanwhile, stakeholders dedicate considerable resources to obtain mobility data through travel surveys. The unmatched spatial and historical coverage of Google’s GLH data presents an opportunity for innovation in the transport sector. The use-cases demonstrate that the interest extends beyond transport-related inquiries. Like other data sources for mobility demand, GLH data has both advantages and disadvantages, along with its own peculiarities. The main concern the authors highlight is the limited understanding of trips and leg definitions, identification of mode types and activities, and aggregation methods used to estimate global values like modal split. As early as 2016, Lindquist summarised that “[…] researchers relying on these data must be prepared for unanticipated changes in the data collection process […]”. [23] At the time of writing, little has changed in this regard. In summary, the potential gains from exploring GLH data outweigh the potential drawbacks. We recommend the mobility community to delve further into this data source for their purposes and encourage tech giants to provide open access to their data for the benefit of research and society. ■ SOURCES [1] https: / / about.google.com (access: 18th July 2023). [2] Lanzendorf, M.; Schönduwe, R. 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Modal Split Source Year Car Pedestrian Bicycle PT Berlin Google 2018 28 39 7 27 MiD 2017 34 27 15 25 Hamburg Google 2018 36 36 7 21 MiD 2017 36 27 15 22 Bremen (city) Google 2018 45 28 12 15 Bremen (state) MiD 2017 39 25 21 14 München Google 2018 35 29 8 29 MiD 2017 34 24 18 24 Stuttgart Google 2018 35 34 3 28 MiD 2017 40 29 8 23 Table 1: Synopsis of Google shares 2018 and Modal split figures from MID 2017 Benno Benjamin Bock Founder and CEO, Catchment GmbH, Berlin (DE) benno@catchment.de Robert Schönduwe, Dr. Guest lecturer, Technical University, Berlin (DE) schoenduwe@h2-mobility.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 28 Das eHighway-System Erkenntnisse aus der ersten Pilotphase der Oberleitungsteststrecke auf der A5 Alternative Antriebssysteme, eHighway, Oberleitungsinfrastruktur, Oberleitungs-LKW, ELISA Zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs wird derzeit eine Vielzahl alternativer Antriebssysteme erforscht und diskutiert. Seit 2019 wird das sogenannte eHighway-System, eine Technologie zur dynamischen Versorgung von LKW mit Strom über einen Pantographen während der Fahrt, auf der hessischen Oberleitungsteststrecke zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt erprobt. Ziel dieses Beitrags ist die zusammenfassende Darstellung der wichtigen Erkenntnisse, die im Projekt, im Rahmen von zielgruppenspezifischen Hinweispapieren, erarbeitet wurden. Regina Linke, Jürgen K. Wilke, Ferdinand Schöpp, Özgür Öztürk, Laurenz Bremer, Maya-Scheyltjens, Eva Kaßens-Noor D er fortwährende Klimawandel erfordert zügiges Handeln. Zukunftsfähige Lösungen werden benötigt. Hiervon betroffen ist vor allem der Verkehrssektor, im Speziellen der Transportsektor. Viele Lösungsansätze, die einen emissionsfreien und somit klimaverträglichen Straßengüterverkehr ermöglichen sollen, werden derzeit diskutiert und erprobt. Als besonders interessant zeigt sich mehr und mehr die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs mittels Oberleitungen. Die Kombination der Effizienz der Schiene mit der Flexibilität der Straße nutzt das als „eHighway“ bezeichnete System zur kontinuierlichen Stromversorgung von Lastkraftwagen während der Fahrt aus [1, 2]. Der sogenannte Oberleitungs-LKW (O-LKW) ist eine Kombination aus einem batterieelektrischen LKW oder einem hybriden LKW und einen Stromabnehmer. Der Stromabnehmer oder auch Pantograph wird eingesetzt, um dynamisch Energie über eine straßenseitig errichtete Oberleitungsinfrastruktur aufzunehmen [3]. Sobald ein Streckenabschnitt mit verfügbarer Oberleitungsinfrastruktur von einem O-LKW erreicht wird, wird eine kraftschlüssige Verbindung zwischen dem Pantographen und der Oberleitung hergestellt - das Fahrzeug fährt nun elektrisch mit der aus der Oberleitung bezogenen Energie. Zeitgleich wird die im Fahrzeug verbaute Batterie geladen. Endet der mit der Oberleitungsinfrastruktur ausgestattete Streckenabschnitt oder soll ein vorausfahrendes, langsameres Fahrzeug überholt werden, wird der Pantograph automatisch abgesenkt. Der O-LKW bezieht seine Energie nun aus der aufgeladenen Batterie. [4-14] Foto: TU Darmstadt, IVV (2021) INFRASTRUKTUR Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 29 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Die Oberleitungsteststrecke auf der A5 Das eHighway-System wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Deutschland auf drei Teststrecken erprobt. Vor allem die hessische Teststrecke auf einem Teilabschnitt der Bundesautobahn 5 zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt nimmt eine Vorreiterrolle ein: Als erstes seiner Art wird hier das eHighway-System im realen Straßenverkehr im Rahmen des Forschungsprojekts „Elektrischer, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen“ (ELISA) umfassend evaluiert. Die auf der ELISA-Teststrecke errichtete Oberleitungsinfrastruktur bezieht elektrische erneuerbare Energie aus mehreren Gleichrichterunterwerken, welche an das Mittelspannungsnetz angeschlossen sind. Die Hauptkomponenten der Oberleitungsanlage sind Masten, Ausleger, Tragseil und Fahrdraht. Insgesamt wurde für die erste Pilotphase (2019 bis 2022) eine Autobahnstrecke von fünf Kilometern je Fahrtrichtung zwischen der Anschlussstelle Langen/ Mörfelden und der Anschlussstelle Weiterstadt mit Oberleitungsinfrastruktur ausgestattet [15]. Für die zweite Pilotphase (2023 bis 2024) wurde eine einseitige Erweiterung der ELISA- Teststrecke in Fahrtrichtung Süden um etwa 7 Kilometer realisiert und befindet sich derzeit in der Erprobung. In der ersten Pilotphase zwischen Mai 2019 und Juni 2020 sind schrittweise fünf O-LKW der ersten Generation von fünf diversifizierten Transportunternehmen in Betrieb genommen und in die täglichen Routen integriert worden. Für die zweite Pilotphase wurden zusätzlich fünf weitere O-LKW der zweiten Generation an bestehende und neue Transportpartner ausgeliefert. Derzeit werden somit zehn O-LKW regulär eingesetzt. Mit der Auslieferung der dritten Generation von O-LKW im September 2023 wird erstmalig ein rein-elektrischer O- LKW den Betrieb aufnehmen. Dieser wird die Möglichkeit besitzen, sowohl dynamisch über den Pantographen sowie stationär über eine Plug-in Funktion zu laden. Damit ergibt sich eine Synergie, die langfristig einen entscheidenden Beitrag zum klimaneutralen Straßengüterfernverkehr leisten kann. Eine Übersicht über die O- LKW Generationen ist in Tabelle 1 zu finden. Evaluation der ersten Pilotphase Über den Untersuchungszeitraum der ersten Pilotphase zwischen Mai 2019 und Juni 2022 wurde das eHighway- System fahrzeug- und infrastrukturseitig getestet und eine Vielzahl relevanter verkehrlich-technischer und energietechnischer, ökologischer, ökonomischer, rechtlich-organisatorischer und akteursspezifischer Fragestellungen, die für einen Ausbau des Systems relevant sind, gemeinsam mit Wissenschafts- und Industriepartnern evaluiert [16]. Die Ergebnisse der Evaluation wurden durch das Projektkonsortium in zielgruppenspezifischen Hinweispapieren zusammengefasst, mit dem Ziel, den Informationsbedarf diverser Akteurs- und Interessengruppen zu decken. Zu den entsprechenden Akteurs- und Interessengruppen gehören: Transporteure [7], Fahrzeughersteller [8], Energieversorgungsunternehmen [9], Oberleitungsinfrastrukturbetreiber [10], Oberleitungsinfrastrukturerrichter [11], Straßeninfrastrukturbetreiber [12], Straßenbetriebsdienst [13], Gesamtgesellschaft [14] (siehe Bild 1). Tabelle 1: Technische Eigenschaften der O-LKW-Generationen 1. Generation 2. Generation 3. Generation Anzahl der O-LKW 5 5 1 Betriebsbeginn 05/ 2019 07/ 2022 09/ 2023* Leistung Verbrennungsmotor 450 PS (331 kW) 360 PS (265 kW) / Leistung Elektromotor 130 kW 260 kW 230 kW Batteriekapazität (brutto) 18,5 kWh 99 kWh 297 kWh Plug-in Nein Ja Ja Zulässiges Gesamtgewicht (Sonderzulassung) 41,8 t (Kombinierter Verkehr 44 t) 41,8 t (Kombinierter Verkehr 44 t) 28 t *nach aktuellem Planungsstand Bild 1: Übersicht über im Projekt betrachtete Akteurs- und Interessensgruppen Darstellung: Autoren Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 30 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Mit diesem Beitrag verfolgt das Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Darmstadt das Ziel, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hinweispapiere zusammenzufassen. Die Inhalte der zielgruppenspezifischen Hinweispapiere dienen hierbei als Grundlage und werden in der nachfolgenden Zusammenfassung entsprechend zitiert. Erkenntnisse aus Sicht der Transporteure Die Ergebnisse des Begleitforschung des Einsatzes der fünf O-LKW der ersten Generation zeigen auf, dass die eingesetzten O-LKW die operativen und technischen Anforderungen der Transportunternehmen erfüllen und erfolgreich in logistische Prozesse integriert werden konnten [7, 17]. Unter Berücksichtigung des derzeitigen Standorts und Länge der Oberleitungsinfrastruktur stellt sich der regionale Shuttle-Verkehr als besonders vorteilhaftes Einsatzszenario heraus [5, 15, 16]. Die O-LKW der ersten Generation operieren in verschiedenen Betriebsmodi, darunter Hybrid- und Elektromodi mit und ohne Nutzung der Oberleitungsinfrastruktur. Die Zusammensetzung der Betriebsmodi hängt von verschiedenen Faktoren ab wie der Rekuperation, der Länge und dem Ausnutzungsgrad einer Oberleitungsinfrastruktur, der aufgenommenen elektrischen Energie während der verbundenen Fahrt sowie der Lage der elektrifizierten Strecke(n) im Fahrtverlauf [5, 6]. Der Stromverbrauch der O-LKW bei elektrischer Fahrt unter der Oberleitung beträgt bei konstanter Geschwindigkeit (ca. 85 km/ h) im ebenen Gelände und mittlerer Auslastung eines Fahrzeugs in etwa 1 bis 1,3 kWh je Kilometer [19]. Der Gesamtverbrauch der O-LKW ist trotz der noch begrenzten Oberleitungsinfrastruktur bereits merklich geringer als der eines vergleichbaren Diesel- LKWs. Beeinflusst wird der Gesamtverbrauch besonders durch den elektrifizierten Streckenanteil. Bei einem ausreichend hohen Anteil elektrifizierter Streckenabschnitte können Kraftstoff-Einsparungen von bis zu 100 % erreicht werden [19]. Damit einher geht auch die Reduktion der Treibhausgasemissionen. Insofern O-LKW elektrisch betrieben werden, können Treibhausgasemissionen in erheblichem Umfang eingespart werden. Ein treibhausgasemissionsfreier Transport ist möglich, insofern die Fahrzeuge über einen ausreichend leistungsfähigen Elektromotor verfügen, die verbaute Batterie angemessen dimensioniert ist und das eHighway-System ausschließlich mit Ökostrom versorgt wird. [7] Einen großen Einfluss auf den erfolgreichen Betrieb von O-LKW hat außerdem die Akzeptanz der O-LKW durch die Fahrer: innen. Die Ergebnisse von Experteninterviews sowie einer schriftlichen Befragung zeigen, dass die Fahrer: innen zufrieden mit dem O-LKW sind und die Fahrt als abwechslungsreich empfinden. Die Bedienung erfordert erhöhte Aufmerksamkeit, wird aber mit zunehmender Erfahrung als wenig anstrengend empfunden. Die Mehrheit der Fahrer: innen zeigt Interesse am langfristigen Einsatz des O-LKW. [7] Erkenntnisse aus Sicht der Fahrzeughersteller Bisher wurden in der ersten Pilotphase Sattelzugmaschinen mit einem Pantographen ausgestattet. Dazu wurde die Sattelplatte nach hinten verschoben um Platz hinter der Fahrerkabine für das Traggestell des Pantographen zu schaffen [8]. Durch diese bauliche Veränderung wird der gesamte Sattelzug verlängert. Die Zulassung der LKW konnte jedoch mit einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung ermöglicht werden. Weiterhin entsteht durch die Integration des Pantographen sowie der Batterie in das Basisfahrzeug eine Erhöhung des Leergewichts. Diese Gewichtserhöhung von ca. 1,8 t konnte durch die Genehmigung eines zulässigen Gesamtgewichts des Sattelzugs von bis zu 41,8 t ebenfalls ausgeglichen werden, sodass weiterhin ein Zuladungsgewicht vergleichbar zum konventionellen LKW möglich ist. [8, 17] Ein wichtiges Ziel des Realbetriebs der ersten Generation von O-LKW war die Analyse der Veränderung der Verfügbarkeit und der Zuverlässigkeit der O-LKW. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Gesamtverfügbarkeit der O- LKW untereinander variiert [8, 20]. Bei der ausschließlichen Betrachtung der Verfügbarkeit des Pantographen kann eine höhere Verfügbarkeit nachgewiesen werden. Insgesamt ist von einer kontinuierlichen Erhöhung der Gesamtverfügbarkeit aufgrund der Weiterentwicklung der O-LKW basierend auf den Erkenntnissen des Realbetriebs auszugehen. [8] Erkenntnisse aus Sicht der Energieversorgungsunternehmen Über den Zeitraum der ersten Pilotphase wurde ein durchschnittlicher Grundlastverbrauch von 2,93 kWh/ 15 min ermittelt. Die Energieversorgung erfolgte über den Spotmarkt und konnte flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren. Es wurde festgestellt, dass bei der aktuellen Frequentierung und den Leistungskennwerten der O- LKW zu keinem Zeitpunkt kritische Netzengpässe oder Energieversorgungsengpässe auftraten. [9] Die Ergebnisse der Akzeptanzbefragung von Personen aus dem Energiesektor lässt eine positive Haltung der Energiewirtschaft gegenüber der Oberleitungstechnologie ableiten. Hervorzuheben ist sowohl die hohe erkannte Zukunftsfähigkeit im eigenen Geschäftsfeld als auch die wohlwollende Haltung gegenüber einem Ausbau. Als größte Chance der straßengebundenen Oberleitungstechnologie ist hier gleichermaßen die Reduzierung der Schadstoffemissionsbelastung wie auch die Reduzierung der Importabhängigkeit bei fossilen Brennstoffen und das Einhalten der Klimaschutzziele 2030 zu nennen. Große Herausforderungen sieht die Branche in den die Oberleitung tangierenden Genehmigungsverfahren und den rechtlichen Rahmenbedingungen. [9, 21] Erkenntnisse aus Sicht der Oberleitungsinfrastrukturbetreiber Mit Inbetriebnahme der Oberleitungsinfrastruktur auf der A5 im Mai 2019 konnte erstmalig der Realbetrieb auf einer deutschen Autobahn ermöglicht werden. Die Rolle des Oberleitungsinfrastrukturbetreibers übernimmt die Autobahn GmbH des Bundes. Die 24/ 7-Überwachung und Steuerung der Anlage erfolgt in der Verkehrszentrale Deutschland in Frankfurt am Main. Die dortige Leitstelle bot aufgrund ihrer Infrastruktur für den Betrieb des Autobahnverkehrs optimale Voraussetzungen, den Betrieb der Oberleitungsanlage mit geringem Aufwand zu integrieren. Die Mitarbeitenden der Verkehrszentrale wurden für den Umgang mit der Oberleitungsanlage sowie in den dazugehörigen Störfall- oder Notfallmanage- Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 31 Wissenschaft INFRASTRUKTUR mentprozessen geschult. Als erste Zwischenbilanz des vierjährigen Betriebs der Oberleitungsanlage kann festgehalten werden, dass die Betriebs- und Störfallprozesse etabliert sind und die Mitarbeitenden der Verkehrszentrale und der Rettungsdienste ihre Arbeit im Oberleitungsbetrieb normgerecht und routiniert durchführen. Auf diese Weise kann die hohe Verfügbarkeit der Infrastruktur gewährleistet werden. [10] Erkenntnisse aus Sicht der Oberleitungsinfrastrukturerrichter Für die Errichtung der Oberleitungsanlage konnten Erfahrungswerte aus dem Schienenverkehr übertragen sowie neue Erkenntnisse bei der Errichtung auf einer deutschen Autobahn gewonnen werden. Beachtet wurden bei der Planung der Oberleitungsanlage verschiedene Faktoren wie Umweltbedingungen, Standortanforderungen, Materialauswahl und geologische Gegebenheiten. Die Auswirkungen des Winterdienstes, Salzablagerungen, Korrosion und Hitze wurden ebenfalls betrachtet. Im Wesentlichen wurden Standardkomponenten aus der Bahnelektrifizierung verwendet, aber in einigen Fällen erforderten spezifische Standortbedingungen, wie die Unterführung einer niedrigen Brücke, individuelle Lösungen. [11] Erkenntnisse aus Sicht der Straßeninfrastrukturbetreiber Im Projekt ELISA liegen die Funktionen des Straßeninfrastrukturbetreibers und des Oberleitungsinfrastrukturbetreibers in derselben Hand - bei der Autobahn GmbH des Bundes. Neben der Aufrechterhaltung des Oberleitungsanlagenbetriebs ist aus Sicht des Straßeninfrastrukturbetreibers die Aufrechterhaltung des Verkehrsablaufs sowie die mögliche Veränderung im Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmenden aufgrund des eHighway-Systems entscheidend. Zur Analyse des Fahrverhaltens wurden PKW- und LKW-Fahrer: innen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als zwei Drittel der Befragten keinen Fahrstreifenwechsel aufgrund des Systems durchführen. Etwa 10,3 % wechseln aus Neugier den Fahrstreifen, um nach O-LKW Ausschau zu halten. Die Bedenken gegenüber dem System sind gering, mit Ausnahme einiger Bedenken hinsichtlich Rettungseinsätzen und Ablenkung. [12] Die Analysen der Verkehrsdaten innerhalb des Streckenabschnitts der Oberleitungsanlage zeigen keine signifikanten Unterschiede im Verkehrsablauf vor und nach der Einführung des eHighway-Systems auf. Bauliche Anpassungen an zuvor bestehenden Bauwerken im Anlagenbereich wurden vorgenommen. Diese hatten zwar nur einen geringen Einfluss auf den Verkehrsfluss, sind jedoch mit zusätzlichen Aufwänden beim Straßeninfrastrukturbetreiber verbunden. [12] Erkenntnisse aus Sicht des Straßenbetriebsdiensts Die Ergebnisse zeigen, dass die Oberleitungsanlage einen Einfluss auf die Unterhaltungsmaßnahmen im Rahmen des Straßenbetriebsdienstes hat. Beeinflusst werden durch die Oberleitungsanlage insbesondere die Gehölz- und Grünpflege entlang des ausgestatten Abschnittes. Durch die Errichtung eines Fahrzeugrückhaltesystems höchster Aufhaltestufe wird die Bankettpflege erschwert, da die Mitarbeitenden die Betonschutzwand übersteigen müssen. Für zukünftige vergleichbare Streckenabschnitte werden geringer dimensionierte Schutzsysteme vorgesehen, wovon eine Minderung des Einflusses auf die Arbeiten erwartet wird. Neben den bestehenden Unterhaltungsmaßnahmen übernimmt der Straßenbetriebsdienst außerdem die Aufgabe der monatlichen Befahrung der Oberleitungsanlage, um mögliche Mängel oder Schäden feststellen zu können. [13] Erkenntnisse aus Sicht der Gesamtgesellschaft In die Evaluation aus Sicht der Gesamtgesellschaft flossen insbesondere die Erhebungen zur gesellschaftlichen Akzeptanz des eHighway-Systems ein. Die Auswertungen zeigten, dass zum aktuellen Zeitpunkt die Akzeptanz des eHighway-Systems in der Gesellschaft uneinheitlich ist. Die gespaltene Meinung entsteht insbesondere aufgrund der Sorge hinsichtlich der Erschwerung von Rettungseinsätzen, dem Eingriff in das Landschaftsbild und möglichen Zeitverlusten entlang der Strecke. Weiterhin zeigen die Analysen auf, dass öffentlichkeitswirksame Ereignisse wie der Bau der Teststrecke oder Streckeneröffnungen das Interesse am eHighway-System erhöht haben. Eine kontinuierliche Informationsbereitstellung und Aufklärung über die Möglichkeiten des eHighway-Systems, einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen zu leisten, bilden eine wichtige Grundlage für den Ausbau des Systems. [14] Ausblick Während der ersten Pilotphase des Projekts ELISA konnten wichtige Erkenntnisse für den Aufbau und Betrieb von Oberleitungsinfrastrukturen sowie den Betrieb von O-LKW gesammelt werden. Mit der baulichen Erweiterung und dem Betrieb der verlängerten Teststrecke sowie der Inbetriebnahme zweier neuer O-LKW-Generationen werden in der zweiten Pilotphase bis Mitte 2025 bestehende Erkenntnisse validiert und weitere wichtige Erkenntnisse zum netzweiten Ausbau des eHighway-Systems ermöglicht. Veröffentlichte Hinweispapiere zum Herunterladen unter: Die Hinweispapiere sind kostenlos erhältlich und können über die Website des Instituts für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Darmstadt bezogen werden: https: / / www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ forschungsergebnisse/ index.de.jsp Wir danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Förderung des Forschungsprojekts ELISA II-B, in dessen Rahmen wir diese Forschung durchgeführt haben. Wir bedanken uns auch für die kontinuierliche zielorientierte Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern: die Autobahn GmbH des Bundes, Siemens Mobility GmbH, e-netz Südhessen AG und den assoziierten Transportpartnern. Außerdem möchten wir uns bei Herrn Prof. Boltze für seinen überaus wertvollen Beitrag innerhalb der ersten Pilotphase bedanken. Darüber hinaus schätzen wir die Unterstützung durch Scania sowie den Austausch mit den Kollegen: innen der weiteren eHighway-Projekte sehr. LITERATUR [1] Kassens-Noor, E.; Linke , R.; Wilke, J.; Bremer, L.; Schöpp; F.; Öztürk, Ö.; Wauri, D.; Darcy, C. (2023): EHighways are feasible: evidence from the longest electric road system test track in the World. In: Transport Policy. (in Prüfung/ under review). Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 32 MOBILITÄT Wissenschaft [2] Die Autobahn GmbH des Bundes; Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Darmstadt; Siemens Mobility GmbH; e-Netz Südhessen AG (2023): Evidenzbasierte Forschungsergebnisse: Erkenntnissen der Erprobung einer Oberleitungsinfrastruktur durch Lastkraftwagen im Straßengüterverkehr, auch bekannt als eHighway-System. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ media/ verkehr/ fgvv/ veroeffentlichungen_2/ 20230320_ Evidenzbasierte_Forschungsergebnisse_ELISA.pdf (abgerufen am: 02.07.2023). 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(2023): Hinweispapier für Energieversorgungsunternehmen, Hinweispapier im Rahmen des Teilprojekts ELISA II-B: Vorbereitung, Durchführung und Evaluation eines realitätsnahen Probebetriebs von OH-LKW auf der ELISA-Versuchsanlage. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ hinweispapiere/ index.de.jsp [10] Gurske, D.; Koch, H.; Bedoya Zapata, A.; Reußwig, A.; Schöpp; F.; et al. (2023): Hinweispapier für Oberleitungsinfrastrukturbetreiber, Hinweispapier im Rahmen des Teilprojekts ELISA II-B: Vorbereitung, Durchführung und Evaluation eines realitätsnahen Probebetriebs von OH-LKW auf der ELISA-Versuchsanlage. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ hinweispapiere/ index.de.jsp [11] Wauri, D.; Sommer, H.; Mayer, B. (2023): Hinweispapier für Oberleitungsinfrastrukturerrichter, Hinweispapier im Rahmen des Teilprojekts ELISA II-B: Vorbereitung, Durchführung und Evaluation eines realitätsnahen Probebetriebs von OH-LKW auf der ELISA- Versuchsanlage. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ hinweispapiere/ index.de.jsp [12] Gurske, D.; Reußwig, A.; Schöpp; F.; Wilke, J. K.; Özgür, Ö.; et al. (2023): Hinweispapier für Straßeninfrastrukturbetreiber, Hinweispapier im Rahmen des Teilprojekts ELISA II-B: Vorbereitung, Durchführung und Evaluation eines realitätsnahen Probebetriebs von OH- LKW auf der ELISA-Versuchsanlage. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ hinweispapiere/ index.de.jsp [13] Koch, H.; Zimmermann, M.; Riemer, P. (2023): Hinweispapier für Straßenbetriebsdienst, Hinweispapier im Rahmen des Teilprojekts ELISA II-B: Vorbereitung, Durchführung und Evaluation eines realitätsnahen Probebetriebs von OH-LKW auf der ELISA-Versuchsanlage. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ hinweispapiere/ index.de.jsp [14] Schöpp, F.; Wilke, J. K.; Öztürk, Ö.; Kassens-Noor, E.; Wauri, D.; et al. (2023): Hinweispapier für Gesamtgesellschaft, Hinweispapier im Rahmen des Teilprojekts ELISA II-B: Vorbereitung, Durchführung und Evaluation eines realitätsnahen Probebetriebs von OH- LKW auf der ELISA-Versuchsanlage. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ vv/ forschung_ivv/ projekte_ivv/ hinweispapiere/ index.de.jsp [15] Giebel, S.; Hahn, G. (2021): B.4 Technische Gestaltung. In: Elektrifizierung von Autobahnen für den Schwerverkehr. Umsetzung des Systems eHighway. M. Boltze, M. Lehmann, G. Riegelhuth, H. Sommer, D. Wauri (Hrsg.), Kirschbaum Verlag, Bonn (2021), 150-153. [16] Boltze, M.; Wauri, D.; Riegelhuth, G.; Reußwig, A. (2021): B.2 Beschreibung des Projektes ELISA. In: Elektrifizierung von Autobahnen für den Schwerverkehr. Umsetzung des Systems eHighway. Boltze, M.; Lehmann, M.; Riegelhuth, G.; Sommer, H.; Wauri, D. (Hrsg.): Bonn: Kirschbaum Verlag, (2021), S. 132-144. [17] Linke, R.; Özgür, Ö.; Kassens-Noor, E. (2023): Analysis of the technical and operational integration of overhead contact line hybrid trucks by transport companies; In: Transportation Research Part D: Transport and Environment (in Prüfung/ under review). Maya Scheyltjens, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt scheyltjens@verkehr.tu-darmstadt.de Eva Kaßens-Noor, Prof. Ph.D. Professorin des Instituts für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt, ivv@verkehr.tu-darmstadt.de Laurenz Bremer, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt bremer@verkehr.tu-darmstadt.de Jürgen K. Wilke, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt, juergen.wilke@verkehr.tu-darmstadt.de Ferdinand Schöpp, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt schoepp@verkehr.tu-darmstadt.de Regina Linke, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt linke@verkehr.tu-darmstadt.de Özgür Öztürk, Ph.D. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Technische Universität Darmstadt, ozturk@verkehr.tu-darmstadt.de [18] Jöhrens, J.; Lehmann, M.; Bramme, M.; Brauer, C.; Bulenda, A.; Burghard, U.; Kaßens- Noor, E.; Linke, R.; Burgert, T.; Öztürk, Ö.; Staub, M.; Werner, M.; Schöpp, F.; Wilke, J. K.; Worbs, M.; Doll, C. (2022): Aktuelle technische Erkenntnisse zum eHighway-System aus Feldversuch und Begleitforschung. Arbeitspapier des Arbeitskreises Technik (AK Technik) der Feldversuchs- und Forschungsprojekte. www.verkehr.tu-darmstadt.de/ media/ verkehr/ fgvv/ veroeffentlichungen_2/ 2022-05-02_ERS_Working_Paper_Technikbewertung_final.pdf (abgerufen am: 02.07.2023). [19] Schöpp, F.; Öztürk, Ö.; Linke, R.; Boltze, M. (2022): Electrification of Road Freight Transport: Energy Flow Analysis of Overhead Line Hybrid Trucks. Presented at the Transportation Research Board 101st Annual Meeting, Washington DC (United States). [20] Linke, R.; Wilke, J. K.; Öztürk, Ö.; Schöpp, F.; Kassens-Noor, E. (2022): The future of the eHighway system: a vision of a sustainable, climate-resilient, and artificially intelligent megaproject. In: Journal of Mega Infrastructure & Sustainable Development. DOI: 10.1080/ 24724718.2022.2131087. [21] Hein, C.; Lerchl-Mitsch, K.; Wilke, J. K. (2023): Akzeptanz für straßengebundene Oberleitungstechnologie. In: Magazin für die Energiewirtschaft, H. 1, S. 16-19. [22] Wilke, J. K.; Linke, R.; Schöpp, F.; Bremer, L.; Öztürk, Ö.; Kassens-Noor, E. (2023): Availability and downtime reasons of the first operational phase for the first ehighway system in germany; XXVII World Road Congress, Prague, Czech Republic, 02-06 October, 2023 (akzeptiert für conference proceedings). Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 33 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Automatisches Gepäcksystem für den Bahnhof der Zukunft Entwicklung einer automatisierten Sortieranlage für einen durchgängigen Gepäcktransport Gepäckaufgabe, Bahnhof, Automatisierung, Next Generation Station, Next Generation Train Die Mitnahme von großen Gepäckstücken führt im Schienenpersonenverkehr häufig zu längeren Einstiegs- und Haltezeiten, Problemen beim Verstauen von Gepäckstücken sowie verstellten Sitzen und Gängen, was den Komfort der Fahrgäste beeinträchtigt. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Konzeptentwicklung eines neuartigen Gepäckabfertigungssystems für die Next Generation Station im Rahmen des Projekts VMo4Orte - Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte - des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das System ist ein Ansatz, die Attraktivität der Eisenbahn durch die Wiedereinführung eines vom Fahrgast entkoppelten, automatischen Gepäcktransports zu steigern. Stephan Kintzel, Mathias Böhm, Andrei Popa, Lasse Hansen Z um Entgegenwirken des fortschreitenden Klimawandels erklärt die Bundesregierung in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag das Vorhaben einer Verdoppelung der Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr bis zum Jahr 2030 [1]. Bezogen auf die Treibhausgasemissionen einer innerdeutschen Fernreise können auf einer Fahrt mit der Bahn im Vergleich zum PKW bis zu 70 % der Emissionen (in CO 2 - Äquivalenten) pro Personenkilometer eingespart werden [2]. Von den 2020 in Deutschland im motorisierten Verkehr zurückgelegten Personenkilometern entfallen etwa 87 % auf den motorisierten Individualverkehr, wohingegen der Schienenverkehr lediglich einen Anteil von 6 % einnimmt [3]. Zur Erreichung der gesteckten Ziele hinsichtlich der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene bedarf es einer Steigerung der Attraktivität der Bahn und der damit verbundenen, angebotenen Dienstleistungen. Ein wesentliches Entscheidungskriterium zugunsten des PKW auf Urlaubsreisen ist die Mitnahme von Gepäck. Umfragen zufolge entscheiden sich 82 % der mit dem PKW in den Winterurlaub reisenden Personen aufgrund von Schwierigkeiten bei der Gepäckmitnahme in den Planungen ihrer Urlaubsreise gegen das Verkehrsmittel Bahn (64 % im Sommer). Die Reisegepäckmitnahme im selben Zug ist bei der Deutschen Bahn aktuell nur selbstorganisiert durch die Reisenden möglich. Die Verstauung größerer Gepäckstücke ist dabei unter oder zwischen den Sitzen, in Überkopfablagen oder in Gepäckregalen vorgesehen. Befragungen aus dem Jahr 2015 zufolge hat eine beträchtliche Anzahl von Personen, die mit Gepäck reisen, Probleme beim Einstieg (30 %) und beim Verstauen des Gepäcks (25 %). Aus der Perspektive der Bahnbetreiber können sich die Fahrgastwechselzeiten aufgrund von Einstiegsproblemen vervierfachen, was in der Folge Verspätungen und weitere Störungen im Betriebsablauf hervorruft. Insbesondere bei multimodalen Reisen erschwert die Mitnahme von Gepäck bei der An- und Abreise zu den Bahnhöfen, während Umstiegen sowie beim Fortbewegen und Verweilen in den Bahnhofsgebäuden den Reiseablauf [4]. In den Planungen der Fahrzeuginterieurs stehen sich die beiden Ziele Maximierung der Sitzplatzanzahl und Schaffung ausreichenden Platzes für die Gepäckablagen oftmals unvereinbar gegenüber [5]. Als Konsequenz der betriebswirtschaftlich motivierten Fokussierung auf die Sitzplatzmaximierung und der damit verbundenen Unterdimensionierung der Gepäckablagen kann unsachgemäß platziertes Gepäck dazu führen, dass bis zu 20 % der Sitzplätze im Fahrgastbereich nicht besetzbar sind. In der Praxis können diese Bestrebungen somit zu einer Verringerung der Rentabilität und des Komfortempfindens der Fahrgäste [6] sowie zu betrieblichen Schwierigkeiten führen. In Notfallsituationen können darüber hinaus ernsthafte Sicherheitsrisiken entstehen [7]. Verschiedene Flughafenzubringerbahnen wie der Wiener City Airport Train [8] oder der Airport Express in Hongkong [9] bieten aktuell bereits Möglichkeiten eines multimodalen Gepäcktransports an. Die genannten Systeme besitzen hingegen einen großen Anteil manuel- Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 34 INFRASTRUKTUR Wissenschaft ler Prozesse beim Kofferhandling. Im Flughafenbetrieb sind Ausweitungen des automatisierten Gepäckhandlings und insbesondere der Gepäckaufgabe zu erwarten [10]. Für die Betrachtung eines durchgängigen, verkehrsträgerübergreifenden Transportsystems rücken somit ebenfalls automatisierte Lösungen in den Fokus. In den letzten Jahren haben Forschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt Next Generation Train (NGT) ein länderübergreifendes, innereuropäisches Eisenbahnfernverkehrskonzept entwickelt. Das Konzept umfasst unter anderem den auf Fahrgastflusssimulationen basierenden, doppelstöckigen Hochgeschwindigkeitszug NGT sowie die dazugehörigen Next Generation Station (NGS). Ein Ergebnis der Simulationen ist der große Einfluss des Mitführens von Reisegepäck auf die Fahrgastwechselzeiten und den Reisekomfort der Fahrgäste. Im NGT-Konzept können große Reisegepäckstücke daher vor der Fahrt abgegeben und parallel im selben Zug transportiert werden [11]. Der NGT verfügt dazu über einen gesonderten Lagerbereich in den Zugtriebköpfen zum Transport von bis zu 346 Gepäckstücken je Triebkopf. Das Lagersystem dient zudem der Vorsortierung während der Fahrt und der automatisierten Ein- und Auslagerung in der Station [12]. Ein weiterer Projektmeilenstein war der Entwurf eines ganzheitlichen Gepäcktransportsystems für den Schienenpersonenverkehr inklusive der möglichen Erweiterung des Systems um die Abwicklung der Sendungen von Kurier-, Express- und Paketdienstleistern (KEP). Gesamtkonzept für den Bahngepäcktransport Die Erstellung eines visionären, durchgängigen Gepäck- und KEP-Transportsystems basiert auf multimodalen Anwendungsfällen und einer umfangreichen Analyse der Anforderungen wesentlicher Stakeholder wie der Bahnhofsbetreiber, Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Reisenden. Aus den Analysen resultiert u. a. der Fokus auf große Gepäckstücke mit einem Gewicht über 10 kg. Zudem sollen den Reisenden zeitlich und räumlich flexible Aufgabemöglichkeiten geboten und gleichzeitig lange Vor- und Nachlaufzeiten vermieden werden. Das Konzept geht grundlegend vom privaten Wohnsitz der Reisenden als Startpunkt aus. Beim Fahrkartenkauf besteht die Option der Buchung eines Gepäcktransports für die gesamte Reisekette inklusive der Transportmöglichkeiten zum Startbahnhof. In öffentlichen Verkehrsmitteln mit einer direkten Anbindung an den Fernverkehrsbahnhof kann das Gepäck bereits vor oder während der Fahrt zum Startbahnhof aufgegeben werden. In ländlichen Regionen werden diesbezüglich beispielsweise Rufbusse miteingebunden. Am Startbahnhof wird das Gepäck ohne das Eingreifen der Reisenden an das Gepäcksystem übergeben. Bei der individuellen Anreise ohne Gepäckaufgabemöglichkeiten besteht die Möglichkeit einer eigenhändigen Gepäckaufgabe innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters am Bahnhof. KEP-Güter werden nach der Anlieferung in gesonderten Logistikbereichen in das Gepäcksystem des Bahnhofs eingeschleust. Das Gepäck wird grundsätzlich parallel zu den Reisenden im selben Zug transportiert. Im Falle freier Kapazitäten kann das Gepäck auch mit einem vorausfahrenden Zug derselben Route befördert werden. Bei Umstiegen am Knotenbahnhof oder beim Wechsel von der Bahn zum Flugzeug oder Schiff erfolgt eine automatische Umladung. Während der Reise können die Reisenden den Transportstatus ihres Gepäcks in der verkehrsträgerübergreifenden Smartphone-App verfolgen. Am Zielbahnhof, -flughafen oder -seehafen besteht die Möglichkeit der Gepäckrückgabe an einer der zahlreichen Abholstationen unter der Verwendung eines generierten Abholcodes. Die Reisenden können den Ort der Abholung in der App einsehen und gegebenenfalls ändern. Darüber hinaus kann eine zeitlich begrenzte Zwischenlagerung im Bahnhof oder ein Weitertransport Bild 1: Gesamtkonzept für den Gepäck- und KEP-Transport im Bahnverkehr Alle Darstellungen: Autoren Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 35 Wissenschaft INFRASTRUKTUR an eine beliebige Adresse oder Paketstation im Ankunftsland veranlasst werden. Durch diese Optionen wird eine komfortable, gepäcklose Reise mit möglichst geringem zusätzlichem Verkehrsaufkommen ermöglicht (Bild 1). Entwicklung der bahnhofseitigen Gepäckinfrastruktur Die Gepäckinfrastruktur wird unter diversen Rahmenbedingungen, wie der Architektur der NGS und der entworfenen Schnittstellen, zum fahrzeugseitigen Lagersystem [12] entwickelt. Der Fokus liegt auf der Beförderung der Aufgabegepäckstücke von der Gepäckaufgabe bis hin zur Verladung in den Zug. Die Aufgabestationen befinden sich in der Zwischenebene, die unter dem Bahnsteig der Fernverkehrszüge liegt und sowohl der Fahrgastverteilung als auch dem Angebot von Dienstleistungen und Gastronomie dient [11]. Möglichkeiten zur Umladung hinsichtlich denkbarer Anschlussverbindungen sowie die Vorbereitung zur Abholung oder des Weitertransports am Zielbahnhof werden ebenso betrachtet. Konzeptionsphase Zur Festlegung der vorgesehenen Gepäckflüsse innerhalb des Bahnhofs tragen die Erkenntnisse aus den zum Großteil manuell ausgeführten Prozessen historischer Bahngepäcktransportmodelle sowie aktuelle Gepäckaufgabeabläufe im Luft- und Schienenverkehr bei. Die Gepäckaufgabe erfolgt parallel für mehrere Züge an Automaten, die in der Zwischenebene verteilt sind. Die Gepäckstücke werden zunächst nach Zügen sortiert und im nächsten Schritt bis zur weiteren Verwendung gepuffert. Die Pufferung dient dabei gleichzeitig der Vorbereitung zur Verladung, um im nächsten Schritt einen möglichst reibungslosen Ablauf und damit eine pünktliche Abfahrt des Zuges zu gewährleisten. Bei ankommenden Zügen ist dem automatisiert ablaufenden System der Bestimmungsort jedes einzelnen ankommenden Gepäckstücks spätestens bei der Entladung bekannt. Im Falle des Umstieges eines Reisenden werden die zugehörigen Gepäckstücke in den Sortierprozess des aufgegebenen Gepäcks eingeschleust und somit auf die zuvor beschriebene Weise zur weiteren Verladung bereitgestellt. Befindet sich der ankommende Fahrgast hingegen am Ziel der Reise, so kann dieser im Vorfeld per App über das weitere Vorgehen hinsichtlich seines Gepäcks entscheiden. Der Gepäckfluss wird dementsprechend in direkt abzuholende, zwischenzulagernde und zum Weitertransport vorzubereitende Gepäckstücke geteilt und die Koffer auf die jeweiligen Routen geleitet (Bild 2). Konstruktion und Ausarbeitung Hinsichtlich der Konzeptentwicklung sind die Prozesse der Sortierung, Pufferung sowie der Ver- und Entladung von zentraler Bedeutung. Der Fokus der rechnergestützten Ausarbeitung liegt daher auf diesen Prozessen und beschränkt sich zunächst auf die detaillierte Betrachtung eines Teilsystems für ein Triebkopflager. Die Gepäckaufgabe und -rückgabe sowie Möglichkeiten zu Verbindungen zwischen mehreren Teilsystemen, zur Zwischenlagerung und zum Weitertransport, werden in Form von Schnittstellen miteinbezogen. Zur Auslegung der logistischen Förder- und Sortieranlagen werden zudem ein an die Bestimmungen aus dem Flugverkehr angelehntes maximales Gepäckgewicht von 32 kg sowie maximal zulässige Gepäckmaße von 950 x 600 x 400 mm festgelegt. Die Auslegung einzelner Teilsysteme erfolgt im Verlauf der Entwicklung aus der Literatur und in Abstimmung mit führenden Anlagenherstellern. Ein elementarer Bestandteil des Gepäcksystems ist die Integration einer zusätzlichen Sortierebene zwischen der obersten Bahnsteigebene und der daruntergelegenen Zwischenebene. Die Sortierebene dient zusätzlich der Pufferung des Gepäcks und gewährleistet die Trennung zwischen den Fahrgast- und Gepäckströmen. Nach der Gepäckaufgabe an einer der Aufgabestationen wird das Gepäck auf ein Hauptförderband zusammengeführt und über einen Spiralförderer in die Sortierebene transportiert (Bild 3). Die spiralförmige Vertikalförderung besitzt einen vergleichsweise geringen Flächenbedarf und erfüllt gleichzeitig eine Pufferfunktion. Das Hauptförderband dient ebenfalls der Zuführung von an anderen Stellen aufgegebenem Gepäck und KEP-Gütern. Nach der vertikalen Förderung in die Sortierebene verlaufen die Bahnen des Spiralförderers auf einen mehrspurigen Zusammenführer, der auch der Einschleusung von Transfergepäck ankommender Züge aus mehreren Teilbereichen der NGS dient (Bild 4). Dort werden die Gepäckstücke in Querrichtung sortiert und auf das einspurige Einschleuseband des Sorters gebracht. Bild 2: Grundsätzlicher Ansatz der Gepäckflüsse innerhalb der NGS Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 36 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Nachdem die Gepäckstücke auf den Quergurtsorter befördert wurden, verlaufen diese entlang des in Linientopologie ausgelegten Sorters bis zur durch das System bestimmten Endstelle. Die Ausschleusung erfolgt im 90°-Winkel zur Laufrichtung des Sorters. Die Endstellen bestehen aus angetriebenen Rollenbahnen, die zunächst leicht abfallend und dann horizontal verlaufen und eine staudruckarme und raumeffiziente Pufferung des Gepäcks ermöglichen. Auf den Bahnen erfolgt eine nach Zügen sortenreine Zwischenlagerung der Gepäckstücke. Die Auslagerung zur Ladungsvorbereitung erfolgt bedarfsgesteuert. An den unteren Enden der Pufferbahnen verlaufen die Zuführbänder zu zwei weiteren Spiralförderern, die das Gepäck auf die Bahnsteigebene verbringen (Bild 5). Auf den nachfolgenden Rollenbahnen werden die Gepäckstücke bis zur Ankunft des Folgezuges gepuffert, um eine reibungslose Verladung zu garantieren. Die Pufferung und Bebzw. Entladung erfolgen jeweils auf vier übereinanderliegenden Ebenen. Am Reiseziel ankommendes Gepäck wird auf den außenliegenden Bahnsteigen entladen und in die Zwischenebene transportiert. Anschließend wird das Gepäck entweder zu den Rückgabestationen (Bild 5) oder zum Zwischenlager bzw. zum Weitertransport befördert. Transfergepäck hingegen wird auf dem Mittelbahnsteig entladen und zurück in das Sortiersystem geleitet. Die einzelnen Teilsysteme sind in der Sortierebene miteinander verbunden, wodurch Gepäckstücke auch in Triebköpfe anderer Haltepositionen umgeladen werden können. Systemkennzahlen Einer ersten Verifikation der Leistungsfähigkeit des Sortier- und Verteilsystems dienen Berechnungen der aufgabeseitigen Gepäckflüsse und der Abgleich mit den zuvor im Projekt definierten Anforderungen und Parametern (Tabelle 1). Zur Berechnung der Durchlaufzeit eines einzelnen Gepäckstückes wurden die Quotienten aus der Bahnlängen und -geschwindigkeiten der einzelnen Prozesse summiert. Für die Zuführstrecke auf der Zwischenebene wurde die größtmögliche Länge von 100 m für eine weit vom Vertikalförderer entfernte Aufgabestation bzw. die externe Zuführung angenommen. Anhand der errechneten Durchlaufzeit von rund fünf Minuten für die insgesamt fast 350 Meter lange Förderdistanz, ist der angestrebte späteste Zeitpunkt zur Gepäckaufgabe von 15- Minuten vor der Abfahrt ausreichend und bietet gleichzeitig Spielraum bei auftretenden Verzögerungen. Da die Anzahl der Gepäckautomaten von der zu ermittelnden tatsächlich benötigten Aufgabedauer abhängig ist, basieren die Berechnungen auf dem maximalen stündlichen Gepäckaufkommen von 2.310 Gepäckstücken je Triebkopf. Dieser Wert ergibt sich aus der in Vorarbeiten ermittelten maximalen benötigten Verladeleistung von 193 Gepäckstücken je Triebkopf und dem definierten Ankunftstakt von zwölf NGT-Zügen pro Stunde ( je Gleis) [13]. Das Gepäckaufkommen wird als gleichverteilt angenommen und dient als Soll-Wert für die stündliche Gepäckabfertigung für jedes der acht Teilsysteme. Der Abschätzung der verfügbaren Sortierleistung dient zunächst die Berechnung der Kapazitäten der Einzelprozesse, die sich aus dem Produkt der jeweiligen Prozessgeschwindigkeit und der Anzahl paralleler Teilprozesse sowie der maximalen Gepäckstücklänge und benötigter Gutabstände ergeben. Der Sorter besitzt die geringste Kapazität und ist mit einer Bandgeschwindigkeit von 1,5-m/ s der Engpass des Systems. Mit einem auf detaillierten Herstellerangaben basierenden Durchsatz von 3.200 Gepäckstücken pro Stunde erfüllt der Prozess dennoch die Anforderungen [14]. Die NGS besitzt somit eine Gesamtsortierleistung von 25.600 Gepäckstücken pro Stunde. Tabelle 1: Kennzahlen zur Leistungsfähigkeit des Systems Kennzahl Anforderung Systemkapazität Durchlaufzeit 15 Minuten 5 Minuten Sortierleistung 2.310 St./ h 3.200 St./ h Pufferkapazität 1.733 St. 1.984 St. Bild 3: Sortier- und Verteilsystem in der Sortierebene Bild 4: Gepäckaufgabe und Vertikalförderung in die Sortierebene Bild 5: Förderung auf den Bahnsteig, Ladungsvorbereitung, Entladung und Rückgabestationen Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 37 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Zur Gepäckaufgabe wurde ein Zeitfenster von 45 bis 15 Minuten vor der Zugabfahrt festgelegt [13]. Demzufolge befindet sich jedes Gepäckstück bis zu 45 Minuten im System. Dies ergibt eine benötigte Pufferkapazität von bis zu 1.733 Gepäckstücken. Zur Berechnung des zur Verfügung stehenden Lagerplatzes wurden die durchschnittlichen Gepäckabmessungen von 675 x 410 x 295-mm herangezogen, die wiederum auf Fahrgasterhebungen basieren [6]. In den Pufferbahnen ist das Gepäck in Querrichtung ausgerichtet und befindet sich auf angetriebenen Rollenbahnen. Dadurch kann eine dichte Pufferung ohne große Abstände ermöglicht werden. In jeder Pufferbahn auf der Sortierebene können bis zu 20 Gepäckstücke gespeichert werden. Die vorhandene Kapazität der 92 Pufferbahnen sowie der acht Pufferregale zur Ladungsvorbereitung auf dem Bahnsteig umfasst somit 1.984 Lagerplätze. Auf die gesamte NGS bezogen, ergibt sich somit ein verfügbarer Lagerplatz für 15.872 Gepäckstücke. Zusammenfassung und Ausblick Im Projekt VMo4Orte forscht das DLR unter anderem an einem ganzheitlichen Gepäcktransportsystem zur Steigerung der Attraktivität und des Komforts im Eisenbahnverkehr. In diesem Beitrag wurde das Teilkonzept eines automatisierten Gepäckaufgabesystems für zukünftige Bahnhöfe vorgestellt. Das Konzept umfasst die Entwicklung der bahnhofseitigen Schnittstellen zwischen der Gepäckaufgabe und dem fahrzeugseitigen Transportsystem. Der Fokus liegt auf der Beförderung und Sortierung des Reisegepäcks, der Integration von automatisierten Umlademöglichkeiten und der Bereitstellung zur Abholung oder zum Weitertransport. Die Basis der Konzeptentwicklung bildet eine detaillierte Anforderungsanalyse, die unter anderem Experteninterviews und die Betrachtung historischer Gepäcksysteme umfasst. In dem darauf aufbauend entwickelten System dient eine zusätzliche Sortierebene der Trennung der Personen- und Gepäckflüsse. Die Reisegepäckstücke werden im Anschluss an die Abgabe unmittelbar in diese Ebene befördert. Dort wird das Gepäck vorsortiert und zwischengelagert. Aus diesem Lagerbereich werden die Gepäckstücke bedarfsorientiert zur Ladungsvorbereitung entnommen und auf den Bahnsteig transportiert, wo die automatische Ein- und Ausladung in den jeweiligen Zug erfolgt. Nach der Ausladung können sowohl eine unmittelbare Rückgabe der Gepäckstücke an die Reisenden als auch der Transfer zu Anschlusszügen realisiert werden. Ebenfalls möglich ist eine Zwischenlagerung am Bahnhof oder der verkehrsmittelunabhängige Weitertransport. Die Leistungsfähigkeit des Gepäcksystems hinsichtlich der benötigten Durchlaufzeit, Sortierleistung und Speicherkapazität wurden anhand der im Projekt definierten Kennzahlen nachgewiesen. Diese Berechnungen bilden die Grundlage für anschließende Gepäckflusssimulationen, die der Identifikation potenzieller Engpässe im Vorfeld weitergehender Planungen dienen sollen. Zur Erweiterung des Gepäcksystems, um die Gepäckflüsse aus anderen Bereichen der NGS, wie zum Beispiel vom angeschlossenen ÖPNV oder Regionalverkehr, muss ein ganzheitliches Betriebskonzept für alle Gepäckprozesse der NGS erarbeitet werden. Die Integrierbarkeit des entwickelten Sortiersystems in bestehende Bahnhofsinfrastrukturen ist in Folgearbeiten zu untersuchen. Darüber hinaus sind detaillierte ökonomische Betrachtungen erforderlich. ■ LITERATUR [1] Bundesregierung (2021): Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP, S. 39. [2] Umweltbundesamt (2023): Emissionsdaten. Online: www.umweltbundesamt.de/ themen/ verkehr-laerm/ emissionsdaten#verkehrsmittelvergleich_personenverkehr_ grafik (Abruf: 31.03.2023). [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2021): Verkehr in Zahlen 2021/ 2022, S. 215. [4] Rüger, B.; Matzenberger, P.; Benz, V. (2015): KundInnengerechte Reisegepäckbeförderung. In: Eisenbahntechnische Rundschau, Juli & August 2015, S. 75-79. [5] Ebenfeld, S. (Leiter Sammlungen und Bibliothek DB Museum, Deutsche Bahn Stiftung gGmbH): persönliches Interview am 09.12.2022. [6] Plank, V. (2008): Dimensionierung von Gepäckablagen in Reisezügen. Technische Universität Wien. (Diplomarbeit). [7] Rüger, B.; Ostermann, N. (2015): Der Innenraum von Reisezugwagen - Gratwanderung zwischen Sinn und Effizienz. In: Eisenbahntechnische Rundschau, März 2015, S. 38-44. [8] International Air Rail Organisation (2007): IARO Report 10.07: Check-in on airport railways, ISBN 1 903108 08 10, S. 19 ff. [9] City Airport Train (2023): City Check-In. Online: www.cityairporttrain.com/ de/ home (Abruf: 15.07.2022). [10] Nettel, O. (Head of OTA - Airline and Terminal Operation Development, Flughafen Wien AG): persönliches Interview am 29.11.2022. [11] Böhm, M.; Popa, A.; Malzacher, G.; Winter, J. (2020): Next Generation Station - Konzept für einen leistungsfähigen Bahnhof. In: Internationales Verkehrswesen, Februar 2020, S.-32-37. [12] Arendt, M.; Böhm, M.; Malzacher, G.; Eursch, A. (2022): Flexibles, automatisches Gepäcksystem für komfortable Zugreisen. In: Der Eisenbahningenieur, Januar 2022, S. 47-50. [13] Popa, A.; Böhm, M.; Milbredt, O.; Deutschmann, A. (2021): Automatische Gepäckaufgabe am Bahnhof. In: Internationales Verkehrswesen Februar 2021, S. 26-31. [14] Frank, T. (BEUMER Maschinenfabrik GmbH & Co. KG): persönliche Kommunikation am 14.03.2023. Mathias Böhm, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Fahrzeugkonzepte, Forschungsfeld Technologiebewertung und Systemanalyse, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Berlin mathias.boehm@dlr.de Andrei Popa, Dipl.-Wirtsch.-Ing (FH), M.A. Institut für Verkehrssystemtechnik, Abteilung Design & Bewertung von Mobilitätslösungen, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Braunschweig andrei.popa@dlr.de Stephan Kintzel, M.Sc. Absolvent des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen, Technische Universität Berlin kintzel@campus.tu-berlin.de Lasse Hansen, MBE Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Land- und Seeverkehr, Fachgebiet Bahnbetrieb und Infrastruktur, Technische Universität Berlin l.hansen@tu-berlin.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 38 LOGISTIK KEP-Dienstleistung Expressgutversand im Schienenpersonenfernverkehr Systemanforderungen für multimodale Güterströme aus-Sicht der Privatkund/ -innen Expressgutversand, Schienenpersonenfernverkehr, ÖPNV, Bahnhofinfrastruktur, Systemanforderung Aktuell werden in der EU keine Kurier-Express-Paket-Dienstleistungen (KEP-Dienstleistung) im Schienenpersonenfernverkehr angeboten. In Notfällen muss auf Einzelfahrten-Botendienste zurückgegriffen werden, die einen Mehrverkehr mit entsprechender Umweltbelastung induzieren. Hinzu kommt, dass die erforderliche Infrastruktur in Bahnhöfen und in den Zügen nicht vorhanden ist. Damit ein künftig umsetzbares und effizientes System konzipiert werden kann, wurden im Rahmen des Forschungsprojektes CargoPV+ alle Anforderungen aus Sicht der Privatkund/ -innen unter den Einsatz von wissenschaftlich anerkannten Methoden empirisch evaluiert. Marcel Weber, Bernhard Rüger, Helmut Lemmerer V oruntersuchungen im 2016 in Österreich durchgeführten Sondierungsprojekt CargoPV (Kleinguttransport im Personenverkehr) verdeutlichen eine große Nachfrage nach einem Expressversand über größere Entfernungen im Rahmen von Same-Day- Delivery - auch zu Tagesrandzeiten und an Wochenenden. Diese teilen sich in etwa zur Hälfte in Business-to-Business- (z. B. dringender Versand von Ersatzteilen, Proben, Vertragsdokumente) und Consumer-to- Consumer-Transporte (z. B. vergessene Ausweisdokumente oder Medikamente) auf. Eine neue Erfindung ist der Expressgutversand im Schienenpersonenfernverkehr allerdings nicht. Bis ungefähr zur Jahrtausendwende gab es sogenannte Bahn-Express-Kurier-Services. In Österreich sowie in weiten Teilen Europas gibt es bis heute ein dichtes Netz öffentlichen Schienenpersonenverkehrs. Insbesondere das System Bahn bietet einen regelmäßigen Verkehr sowie hohe Geschwindigkeiten über längere Distanzen, welches synergetisch für den Transport (zeitsensibler) Sendungen genutzt werden könnte. Durch aus heutiger Sicht falsche Grundsatzentscheidungen bei vielen europäischen Bahnunternehmen wurden vorhandene erforderliche Infrastrukturen in Bahnhöfen und Zügen rückgebaut bzw. bei Neubauten nicht mehr berücksichtigt und somit solche Services eingestellt. Es fehlen z. B. in nahezu allen modernen Personenzügen verschließbare Bereiche für einen gesicherten Kleinguttransport. Das Nachfolgeprojekt CargoPV+ zielt darauf ab, am Beispiel des ÖBB-Railjet-Netzes in Österreich ein Gesamtsystem zu konzipieren, welches den Versand von Expressgütern in Personenzügen ermöglicht. Wesentliche Herausforderung dabei ist die nachträgliche Implementierung von Transflächen/ Lagerflächen im Zug, die einen gesicherten und zuverlässigen Transport ermöglichen, ohne den Bahnbetrieb nachteilig zu beeinflussen, etwa durch lange Be- und Entladezeiten. Da diese Art von Service ohnehin vorhandene Verkehre nutzt, kommt es zu keinen zusätzlichen Umweltbelastungen, und er kann zudem noch ohne Einschränkungen der Verfügbarkeit und Bereitschaft angeboten werden. Das System kann allerdings in solch einer Skizzierung nur dann effizient funktionieren, wenn es in ausreichendem Maße nachgefragt wird. Demnach ist es ubiquitär, dass alle Anforderungen sowie Bedürfnisse der Privatkund/ innen an das System sowie für einen effizienten Betrieb gekannt und dadurch bereits in der Entwicklungsphase Hemmnisse oder Bedenken an das System auf ein Minimum reduziert werden. CargoPV-System als sozial- und umweltpolitischer Zielbeitrag Das CargoPV-System würde nicht nur einen wirtschaftlich interessanten Marktmechanismus mit sich bringen, sondern hat auch erhebliche Vorteile hinsichtlich der Gesellschafts- und Umweltziele sowie weiterer Forschungstätigkeiten. Da das Cargo-PV- System nicht nur einen Expressgutversand von Bahnhof zu Bahnhof vorsieht, sondern auch einen Tür-zu-Tür-Service berücksichtigt, werden vor allem durch Fahrradkurierdienste die Vor- und Nachläufe nachhaltig gestärkt (Bild 1). Fahrradkurierdienste haben zudem den Vorteil, dass diese bei besonders dringenden Sendungen, welche einen höheren logistischen Aufwand beanspruchen, im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr viel flexibler sind und niederschwellig zur Verfügung stehen. Dadurch wird kein zusätzlicher Energiebedarf benötigt, zusätzlicher Schadstoffausstoß wird minimiert bis vermieden, wodurch die Nachhaltigkeitsziele „Reduzierung von Emissionen und Immissionen“ sowie „Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs“ der Agenda 2030 erreicht werden. Zusätzlich wird durch die Mitwirkung von swissconnect im Projekt CargoPV, die bereits ein vergleichbares System in der Schweiz betreiben, spezielles Knowhow transferiert, welches den Aufbau und die Forcierung weiterführender internationaler Kooperationen und dadurch ein Internationales Marktmodell stärkt. Evaluierungsdesign für ein fiktives Fallszenario Für das Erreichen des Projektzieles, ist ein wesentlicher Bestandteil die empirische Datenerhebung. Im Projekt CargoPV+ wurde der Rahmen auf eine deskriptive Analyse begrenzt, welche die Häufigkeiten, die An- Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 39 KEP-Dienstleistung LOGISTIK teile, die Durchschnittswerte und sonstige Merkmale der Verteilung sozialer Aktivitäten, Erfahrungen sowie Interaktionen der Privatkund/ -innen erforscht. Damit eine vergleichende Analyse möglich ist, wurden die Erhebungsparameter durch Variablen konkretisiert, welche analog in die Befragung umgesetzt worden sind. Die Befragungen wurden sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache durchgeführt. Dabei sollte die englischsprachige Version aufgrund der in allen Lebensbereichen stattfindenden Globalisierung möglichst eine Teilnahmechance von Personen, welche das Gesamtsystem potentiell nutzen sollen, sicherstellen und die Stichprobenanalyse qualitativ erhöhen. Die Befragung wurde online in schriftlicher Form durchgeführt und umfasste 17 Fragen, bei denen innerhalb der Fragenarchitektur keine Verzweigungen und Filterbedingungen berücksichtigt wurden und sich die Fragenarchitektur somit auch im Laufe der Umfrageteilnahme nicht dynamisch verändert hat. Hierbei wurden vier wesentliche Themenblöcke berücksichtigt: •• Fragen zum Same-Day-Delivery-Versand und/ oder -Empfang •• Fragen zum IT-System und zu Schnittstellen •• Fragen zur Person •• Sonstige Anmerkungen zum Projekt oder zur Befragung Für eine Gewährleistung einer statistischen Analyse wurden zwölf der 17 Fragen in geschlossener Form konzipiert. Die restlichen aufgestellten Fragen wurden, zusätzlich zu den geschlossenen Fragestellungen, mit der Möglichkeit einer offenen Beantwortung versehen. Von den zwölf geschlossenen Fragen fanden fünf Fragen in der Form einer Einfachantwort und sechs Fragen in Form einer Mehrfachantwort Anwendung (Bild 2). Die Befragungen wurden im Zeitraum vom 10. Juni 2022 bis einschließlich 10. August 2022 zum einen im Schienenpersonenfernverkehr (Railjet- Netz) der ÖBB und zum anderen am Wien Hauptbahnhof sowie Wien Westbahnhof durchgeführt. Die folgenden Erkenntnisse aus der quantitativen Evaluierung sollen eine differenzierte Aussage zur Einschätzung des Versandverhaltens, des Versandbedarfs, der Versanderfahrung sowie der Versandzufriedenheit an insgesamt 1.060 teilgenommenen Privatkund/ -innen. Genereller Bedarf an Express- Sendungen im Bereich von handlichen Gütern Wie sich durch die Befragung ableiten lässt, hat ein Großteil der befragten Personen einen hohen möglichen Bedarf Dokumente (wie Pässe, Urkunden, Zeugnisse, Verträge, Kreditkarten etc.) zu senden oder zu empfangen (49 %, Mehrfachantworten). Hier zeichnet sich vor allem ein Bedarf bei Frauen (55 %, Mehrfachantwort, Kontingenzanalyse) gegenüber den Männern (43 %, Mehrfachantwort, Kontingenzanalyse) ab. Einen mittleren möglichen Bedarf an Express-Sendungen sehen die befragten Personen eher bei Paketen mit einem Gewicht bis 2 kg (29 %, Mehrfachantworten), Sport- und Freizeitausrüstungen (wie Ski, Wanderschuhe, Tennisschläger etc.), elektronische oder mechanische Ersatzteile (23 %, Mehrfachantworten), Briefe (22 %, Mehrfachantworten), Medikamente wie Tabletten oder Insulin (22 %, Mehrfachantworten), aber auch Pakete mit einem Gewicht bis 5 kg (21 %, Mehrfachantworten). Bei der Geschlechtsverteilung zeigt sich auch hier ein größerer Bedarf beim weiblichen Geschlecht (Bild 3). Die Männer hingegen gaben mit großer Mehrheit an, generell keinen Bedarf an Express-Sendungen zu haben (51 %, Mehrfachantwort, Kontingenzanalyse). Durchschnittlicher Jahresbedarf liegt bei bis zu drei Express- Sendungen Ein großer Teil der befragten Personen gab an, einen Express-Versand-Bedarf von einer bis drei Sendungen pro Jahr zu haben - wohingegen ein kontinuierlich wöchentlicher Express-Versand eher weniger bis gar nicht genutzt werden würde. Dabei haben vor allem die Männer einen erhöhten Bedarf an jährlichen Express-Sendungen (62 %, Einfachantwort, Kontingenzanalyse), während Frauen eher einen geringen Bedarf zeigen (35 %, Einfachantwort, Kontingenzanalyse). Im Rahmen einer Kontingenztabelle wurden in einer zweidimensionalen Gegenüberstellung die absoluten Häufigkeiten der Merkmale aus den Fragen nach dem gene- Bild 1: Multimodaler Güterstrom des CargoPV-Systems Alle Abbildungen: Autoren Organisatorisch Bild 2: Übersicht der Erhebungsparameter Bild 3: Alters- und Geschlechtsverteilung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 40 LOGISTIK KEP-Dienstleistung rellen Bedarf sowie dem durchschnittlichen Jahresbedarf deskriptiv analysiert. Die Erhebungen zeigen, dass im Durchschnitt ein jährlicher Bedarf für den Expressversand von Kleingütern aus dem Bereich Dokumente, Sport- und Freizeitausrüstungen, Medikamente, Ersatzteile sowie Pakete besteht. Wenige Erfahrungen mit Express- Sendungen Da das Projekt vielmehr einen Same-Day- Delivery-Gedanken verfolgt, war es von Interesse, die Erfahrungen mit anderen KEP- Dienstleistungsunternehmen in Erfahrung zu bringen. Hieraus sollten für eine Systemimplementierung Verbesserungspotentiale abgeleitet werden. Allerdings dominieren unter den befragten Personen drei wesentliche Punkte: Zum einen sind die bestehenden Zustellzeiten der KEP-Dienstleistenden Unternehmen vollkommen ausreichend (35 %, Mehrfachantworten), wobei die Gebühren für eine Express-Dienstleistung derzeit dem potentiellen Nutzer/ -innenkreis zu hoch sind (27 %, Mehrfachantworten) und zum anderen wurden aufgrund dessen bisher keine Express-Sendungen in Anspruch genommen (16 %, Mehrfachantworten). Im Sinne einer Systemimplementierung sind vor allem die eben genannten Punkte von wesentlicher Bedeutung. Dabei ist festzuhalten, dass hierbei der Geschlechterunterschied nicht wesentlich ist. Die Frauen (40 %, Mehrfachantworten, Kontingenzanalyse) sowie die Männer (60 %, Mehrfachantworten) sind mit den derzeitigen Zustellangeboten zufrieden, wobei die Frauen (45 %, Mehrfachantworten, Kontingenzanalyse) gegenüber den Männern (51 %, Mehrfachantworten, Kontingenzanalyse) bisher solch einen Service nicht in Anspruch genommen haben. Lösungsvorschläge für eine Implementierung am Markt orientieren sich am Preis Aus einer freien Antwortmöglichkeit geht hervor, dass der relativ hohe Preis einer Express-Sendung unter den befragten Personen eher gegen eine Nutzung des angedachten Systems spricht. Demnach besteht keine Bereitschaft, einen gesonderten höheren Betrag für einen Express-Versand auszugeben. Hier wurde vor allem auf das Modell von Amazon Prime verwiesen. Außerdem wünschen sich die potentielle Kund/ -innen für die Gebühr mehr Präferenzen, wie eine zugesicherte pünktliche Lieferung oder eine Lieferung zu einer Wunschzeit. Denn vor allem die Versandund/ oder Zustellzeit wurde als kritisch betrachtet. Abhilfe könnte hierbei eine Sendungsverfolgung darstellen, wie bei den meisten KEP-Dienstleistenden bereits schon existieren. In ländlichen Strukturen (oder in abgelegenen Wohnorten) ist zwar eine Express-Sendung möglich, aber Bedenken gibt es hinsichtlich der Kombination des Schienenpersonenfernverkehr sowie den Fahrradkurierdiensten - was dann eher gegen einen solchen Service sprechen würde. Als möglicher Lösungsvorschlag wurden Paket-Boxen (24h-Zugang) genannt, welche nicht nur an Bahnhöfen vorzufinden sein sollten ( je nach Gemeinde mit einem eher zentralen Standort). Bei Systemnutzung: Zustellung noch am selben Tag Zusätzlich zum Versandverhalten sowie aus den Lösungsvorschlägen für eine Zustellung von Express-Sendungen war es von Interesse zu eruieren, welchen Zustellbedarf die befragten Personen an diesem Service haben. Ziel dieser Frage war es deskriptiv zu eruieren, welcher Zustellbedarf von Express-Sendungen für eine Nutzung des Systemgedankens gewünscht und grundsätzlich auch akzeptiert wird. Demnach kann festgehalten werden, dass unter allen befragten Personen vor allem eine Abholung/ Zustellung am selben Tag ausschlaggebend wäre, um einen Express-Versand in Anspruch zu nehmen (41 %, Mehrfachantwort). Wobei eine zuverlässige Zustellung zu einem Wunschtermin für die Privatkund/ -innen unerlässlich ist (34 %, Mehrfachantwort). Kumulativ dominierend zeigt sich vor allem auch eine Zustellung am Wochenende inklusive der Feiertage. Das liegt vor allem daran, dass die befragten Personen an den Wochentagen nur bedingt zu Hause anzutreffen sind. Das spiegelt sich auch im Kontingenz-Vergleich mit der Altersstruktur wider, wo die Antworten vor allem von jenen Personen getätigt worden sind, welche sich in einem erwerbsfähigen Alter befinden. Dabei zeigt sich leicht dominierend, dass Männer (57 %, Mehrfachantworten, Kontingenzanalyse) eine Internationale Zustellung in Anspruch nehmen würden. Paketboxen dominieren beim Auf- und Abgabebedarf von Express-Sendungen Unter den befragten Personen besteht ein grundsätzliches Bedürfnis, die Güter ohne Zeiteinschränkungen und im Rahmen der Tagesabläufe eher flexibel aufbzw. abzugeben. Kumulativ betrachtet lässt sich schlussfolgern, dass die Privatkund/ -innen die Güter eher personell (also durch mitarbeitende Personen in Geschäften) als maschinell (durch automatisierte Paketboxen, welche nicht personell besetzt sind) aufbzw. abgeben möchten (34 %, Mehrfachantworten). Allein bei einem 24h-Angebot geht die Tendenz in die Richtung automatisierter Paketboxen (57 %, Mehrfachantworten), was unter Berücksichtigung der Befragung damit zu begründen wäre, dass zum einen vermehrt erwerbsfähige Personen und zum anderen Personen aus eher ländlich peripheren Wohnstrukturen, die auf unterschiedlichen Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln, an der Befragung teilgenommen haben. Die Kostenvorstellungen von Express- Versand liegen bei unter 10 EUR. Wie festgestellt werden kann, liegt die Zahlungsbereitschaft unter den befragten Personen generell bei bis zu 10 EUR, wobei ein geringer Teil der befragten Personen noch eine Zahlungsbereitschaft bis 20 EUR zeigt. Demnach ist eine Nutzungstendenz zu erkennen, die sich bei Express-Sendungen auf kleine und handliche Gütern konzentriert, was zudem auch weniger mit hohen mone- Bild 4: Zahlungsbereitschaft für einen Express-Versand (N = 1039) Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 41 KEP-Dienstleistung LOGISTIK tären Mitteln belastet werden würde. Je größer und schwerer eine Sendung ist, umso eher würden die befragten Personen auf eine Express-Sendung aufgrund der Preispolitik verzichten (Bild 4). Online-Zahlungsmethoden gewinnen an Bedeutung beim Bezahlen von Express-Sendungen Ein entscheidender Faktor für die Systemimplementierung stellt auch der Bezahlvorgang dar, woran sich das Angebot orientieren sollte und aus dem sich auch der Entwicklungs- und Wartungsaufwand im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ableitet. Hierbei ist unter den befragten Personen eine Tendenz zu erkennen, die eher in die Richtung einer Online-Zahlungsmöglichkeit geht - und zwar direkt nach der Bestellung dieser Dienstleistung. Hierfür wurden vor allem die derzeit gängigsten Online-Zahlmöglichkeiten wie Google Pay, Apple Pay, Amazon Payments (40 %, Mehrfachantwort) oder die Eingabe von Kreditkartendaten (60 %, Mehrfachantwort) angegeben. Aber auch PayPal ist unter Privatkund/ -innen eine nach wie vor beliebte und gewünschte Zahlungsmöglichkeit (48 %, Mehrfachantworten). Was gar nicht gewünscht wird, ist die Zahlungsmöglichkeit per Nachnahme (7 %, Mehrfachantworten) sowie per Lastschrift (18 %, Mehrfachantworten). Frauen zeigen bei der Online-Zahlungsmöglichkeit eine eher geringere Bereitschaft (40 %, Mehrfachantworten, Kontingenzanalyse), wohingegen Männer eine Online-Zahlungsmöglichkeit öfter in Anspruch nehmen würden (60 %, Mehrfachantworten, Kontingenzanalyse). Dominierender Wunsch einer Online-Beauftragung von Express- Sendungen Ergänzend zum gewünschten Bezahlvorgang, wurde im Rahmen der empirischen Untersuchung eruiert, in welchem Format die Beauftragung der Express-Sendung gewünscht wird. Im Ergebnis zeigt sich zum zuvor beschriebenen Kapitel eine Parallelität. Demnach wird nicht nur eine Online- Zahlungsmöglichkeit gewünscht, sondern auch die Abwicklung auf digitalem Wege. Hierfür wird gewünscht, über eine Webseite die Dienstleistung zu buchen (78 %, Mehrfachantworten). Idealerweise wird das Angebot durch eine Smartphone-Applikation unterstützt (66 %, Mehrfachantworten). Wenig Aufmerksamkeit erlangt dabei eine Jour-Fixe-Regelung, was damit begründet werden kann, dass Privatkund/ -innen eher unregelmäßig und spontan Güter als Express-Sendung versenden und daher keinen kontinuierlich geregelten Ablauf benötigen (3 %, Mehrfachantworten). Evaluierungsergebnisse als wesentliche Grundlage einer wirtschaftlichen Systemimplementierung Im Projektverlauf hat sich gezeigt, dass ein Großteil der befragten Privatkund/ -innen sich grundsätzlich die Nutzung eines Expressgutversandes durch den Schienenpersonenfernverkehr vorstellen kann. Diese Nutzung würde zwar Kleingüter wie Dokumente oder Pakete bis 5 kg (siehe vorheriges Kapitel zum generellen Bedarf ) enthalten. Allerdings ist die bestehende Preispolitik bei KEP-Dienstleistenden eher ein Hindernis für häufigere Nutzung, ebenso infrastrukturelle Ausrichtung sowie deren Rahmenbedingungen. Hier wäre ein wirtschaftlicher Betrieb demnach nur dann möglich, wenn es gelingt, dauerhaft Kund/ -innen an den Service zu binden. Diese Möglichkeit besteht vor allem bei Geschäftskund/ -innen, die einen regelmäßigeren Austausch von Kleingütern national und international durchführen. Dass das mit Geschäftskund/ -innen möglich ist, zeigt das Best-Practice-Beispiel aus der Schweiz. Auf der anderen Seite wäre es zu diskutieren, ob aus sozial- und umweltpolitischen Gründen hier nicht ein politischer Einfluss als sinnvoll erscheint - etwa durch Subventionierung. Gute Beispiele gibt es durch das Klimaticket in Österreich oder das Deutschlandticket für den Personenverkehr. Es ist darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Bericht nur den Privatkund/ -innensektor berücksichtigt. Parallel dazu gab es auch eine empirische Evaluierung des Geschäftskund/ -innensektors, die aufgrund der Menge an Informationen hier nicht näher betrachtet wurde. Dennoch lässt sich festhalten, dass die Erkenntnisse daraus die hier aufgestellte Vermutung bestätigen. ■ HINTERGRUND Zu diesem Projekt Im Rahmen der Forschungstätigkeiten tragen folgende Institutionen maßgeblich an den Planungen und Durchführungen der empirischen Datenerhebung bei: •• netwiss OG •• Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Forschungsbereich spurgebundener Verkehrssysteme und Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik •• ÖBB-Personenverkehr AG •• N+P Experience Design GmbH •• swissconnect ag •• VELOBLITZ - Fuhrwerk Logistik GmbH Das Forschungsprojekt wird durch eine Förderung im Förderprogramm „Mobilität der Zukunft“ vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) durchgeführt. Bernhard Rüger, Dipl.-Ing., Dr. techn. Universitätsassistent, Institut für Verkehrswissenschaften Forschungsbereich spurgebundene Verkehrssysteme, Technische Universität Wien bernhard.rueger@ tuwien.ac.at Helmut Lemmerer, Dipl.-Ing. Senior Scientist, Institut für Verkehrswissenschaften Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, helmut.lemmerer@tuwien.ac.at Marcel Weber, Dipl.-Ing., B.Sc. Projektassistent, Institut für Verkehrswissenschaften Forschungsbereich spurgebundene Verkehrssysteme, Technische Universität Wien marcel.weber@tuwien.ac.at Call for Papers 2023 Themen und Termine auf: www.internationales-verkehrswesen.de Ihre neuen Ergebnisse aus Forschung, Wissenschaft und Praxis in Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 42 Mit digitalisierten Prozessen den Fachkräftemangel meistern Supply Chain, Transport Management System, Track and Trace Seit geraumer Zeit trifft der Fachkräftemangel auch die Logistikbranche hart. Experten sind sich einig, dass sich dieses Problem zunehmend verschärfen wird. Folglich fehlen vielen Logistikern die Ressourcen, um sich weiterzuentwickeln und aktuellen Marktanforderungen gerecht zu werden. Ihre oft einzige Chance ist die Prozessdigitalisierung. Eine Einschätzung aus der Praxis. Bianca Heitmann O b ein modernes Transport Management System (TMS), die Digitalisierung der Supply Chain oder Track-and-Trace-Lösungen - die Transformation federt den Fachkräftemangel durch effizientere und zeitsparende Abläufe gekonnt ab, entlastet vorhandene Mitarbeitende und ermöglicht es Logistikunternehmen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Unerfreulicher Status quo Lebensqualität, Strukturwandel, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Fachkräfte leisten einen wertvollen Beitrag dazu, das wirtschaftliche Wachstum eines Landes zu sichern. Der aktuelle Fachkräftemangel wirft jedoch einen großen Schatten auf die Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft. Seit Jahren fordert der demografische Wandel Organisationen heraus, passende Angestellte für freie Stellen zu finden. Und laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 1 wird die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 20 und unter 65 Jahren bereits bis 2030 um weitere vier Millionen sinken. Dabei kann sich keine Branche vor dieser Herausforderung in Sicherheit wiegen. Stellen bleiben unbesetzt und verhindern im schlimmsten Fall die Geschäftsentwicklung. Gleiches gilt für die Logistik. Schon länger suchen Unternehmen händeringend nach qualifiziertem Personal. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) berichtete bereits 2017 2 , dass es beinahe an allen Ecken und Enden an Fachkräften fehle. IT, Transport, Disposition und Lager sind lediglich die größten Sorgenkinder. Unternehmensbooster Digitalisierung Die Frage, woran das liegen kann, ist durch den demografischen Wandel allein aber noch nicht vollumfänglich beantwortet. Repetitive Prozesse und eine verhältnismäßig schlechte Bezahlung führen dazu, dass die Aufgaben in der Branche - gerade für Akademiker - kaum attraktiv sind. Da der Arbeitsmarkt viele Türen offenhält, ist schnell ein anderer Weg eingeschlagen. Daneben gibt es weitere Hürden, die sich vor Logistikern aufbäumen. Seit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg steht die Branche stark im Fokus. Höhere Preise sowie fluktuierende Kapazitäten beäugt die Gesellschaft kritisch und fordert mehr Flexibilität. Damit verbunden ist ein großer Druck, zumal die Logistik, immerhin drittgrößter Wirtschaftszweig, bei der Digitalisierung deutlich hinterherhinkt (siehe Digitalisierungsindex 2022 3 . Um den Transport zu beschleunigen und Logistikkosten zu senken, hat die Suche nach Lösungen begonnen. Es geht darum, Transportketten weniger fehleranfällig zu gestalten und Fachkräfte an den Betrieb zu binden. Eine „Allzweckwaffe“ ist dabei die Prozessdigitalisierung. Sie hilft, Routen effizienter zu planen, Ressourcen freizuschaufeln und Auftragsschwankungen trotz gleichbleibender Personalkraft abzuwickeln. Auf diese Weise können Logistikunternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken und für Entlastung sorgen. Erster Schritt: Prozessoptimierung Dabei gibt es unterschiedliche digitale Möglichkeiten, damit das Schlusslicht der Innovationslandschaft „Logistik und Verkehr“ Symbolbild: Tung Nguyen / pixabay LOGISTIK Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 43 Digitalisierung LOGISTIK künftig aufholt. Allen gemeinsam ist, dass sie auf mehr Transparenz, Sicherheit und Effizienz setzen und so Mitarbeitende und das gesamte Unternehmen entlasten. Bislang manuell durchgeführte Prozesse lassen sich damit automatisieren, um Ressourcen zu sparen und mehr Zeit für innovative Aufgaben zu erhalten. Gleichzeitig steigern sie die Visibilität durch verfolgbare Abfahrten, Umladungen und Ankünfte. Das Schlagwort: Tracking. Um zum Erfolg zu gelangen, ist jedoch vor allem eines nötig. Unternehmen müssen eine strukturierte, strategische und langfristige Herangehensweise entwickeln. Dafür ist die Digitalisierung ganzheitlich zu betrachten. Verantwortliche sollten neue Technologien immer in Einklang mit den Unternehmenszielen bringen und nicht losgelöst System für System umsetzen. Am Ende lassen sich Mensch und IT nur mit einer durchdachten Strategie vereinen, um wahre Benefits für Logistiker zu erlangen. Drei Ansatzpunkte sind hervorzuheben. Herzstück Transport Management System Abfertigung ohne ein zeitgemäßes TMS? Kaum möglich! Denn mit der Logistikplattform haben Unternehmen ein Werkzeug, um die Planung, Umsetzung und Optimierung des Warenverkehrs sicherzustellen. Im Mittelpunkt steht die maximale Transparenz. Dabei ist TMS nicht gleich TMS. Lösungen, die nicht kontinuierlich weiterentwickelt wurden, decken oft nur einzelne Bereiche ab und erfüllen dadurch häufig die steigenden Anforderungen nicht mehr. Ihre modernen Nachfahren hingegen bleiben stets aktuell und passen sich neuen Marktentwicklungen einfacher an, wie beispielsweise der Integration mit Reedern und Airlines, elektronischen Frachtbriefen oder der Anbindung weiterer Anbieter. Zudem kann ein Transport Management System wie etwa CargoWise das papierlose Office unterstützen. Mitarbeitende profitieren dabei von mehr Durchblick. Den aktuellen Status nachzuverfolgen und die Arbeit durch im System definierte Prozessschritte optimal zu organisieren, ist damit kein Problem mehr. Aktenstapel weichen einer modernen Arbeitsweise. Obendrein lässt sich auch die Abrechnung einfacher gestalten. Das System enthält Einkaufs- und Verkaufsraten und kann für jede Sendung die zu erwartenden Kosten und Erträge berechnen - automatisch und zeitsparend. TMS: Integration schafft modernen Workflow Bevor Logistiker aber auf ein TMS setzen, ist etwas Vorarbeit nötig. A und O ist eine klare Zielsetzung. Das Vorhaben sollte mit der Antwort auf die Frage beginnen, was die Organisation mit der Umstellung erreichen möchte. Ein häufiger Treiber ist ein stärkerer Kundenfokus. Sind die Ziele festgelegt, können die Beteiligten den Blick auf den aktuellen Ist-Zustand lenken. In diesem Schritt tauchen oftmals Redundanzen auf. Prozesse, die Unternehmen jahrelang nicht hinterfragt haben, lassen sich auf Herz und Nieren überprüfen und in standardisierte Prozesse als Grundvoraussetzung für die Transformation überführen. Dabei deckt das TMS als zentrales System alle wichtigen Aktivitäten und Bereiche ab und überführt sie in das digitale Zeitalter. Für die restlichen Programme wie zum Beispiel ein separates Warehouse Management System ist eine Integration notwendig, sodass alle Anwendungen in einem BI-System konsolidieren. Das übergeordnete Ziel dabei ist es, sämtliche Aufgaben vom Verkauf über die Angebotserstellung und Abfertigung bis hin zur Abrechnung an zentraler Stelle abzuwickeln. Damit lässt sich ein ganzheitlicher Workflow abbilden, der Mitarbeiter selbst über Ländergrenzen hinweg unterstützt. Digitalisierung der Supply Chain Um die Logistikprozesse ganzheitlich zu digitalisieren und so aktuellen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel zu begegnen, muss der Blick auf das Supply Chain Management geweitet werden. Hier hat die Transformation bereits vor Jahren begonnen. Anfangs haben innerbetriebliche Informationssysteme Einzug ins Unternehmen erhalten. Heute sind die Möglichkeiten und somit die Chancen umfangreicher. Die Industrie 4.0 mit Big Data, Internet-of- Things-Lösungen, Cloud-Logistik, selbstlernenden Systemen oder Telematik schafft nun eine klare Sicht auf die gesamte Lieferkette. Dabei kooperieren Maschinen und Mensch mit dem Ziel, Daten zu teilen, auszutauschen und von den Informationen zu lernen. Das geht über die Unternehmensgrenzen hinaus. Denn offene Plattformen fördern ebenso den Austausch zwischen Transporteuren, Lieferanten und Kunden. Sie bringen große Datenmengen, Informationssicherheit und neue Optimierungspotenziale mit sich, senken Kosten, erhöhen die Kundenzufriedenheit und verschaffen dem Personal mehr Zeit. Wie die passende digitale Supply-Chain-Management-Lösung für Logistiker aussehen kann, ist am besten mit erfahrenen Experten abzuklären. Optimal ist es, wenn Spezialisten Logistik-Knowhow mit IT-Expertise verbinden, wie beispielsweise bei logineer. Track and Trace - alles digital im-Blick Alles in allem geht es Betrieben stets darum, logistische Prozesse zu vereinfachen - egal ob hinsichtlich der Lagerverwaltung oder bei der Auslieferung. Dafür greifen Logistiker auf Track-and-Trace-Lösungen zurück. Mithilfe von Barcodes, GPS-Lokalisierung oder einer ganzheitlichen Datenerfassung lassen sich die einzelnen Transportgüter einfach nachverfolgen. Die positive Konsequenz ist, dass Kunden ihre Waren stets abrufbar im Blick haben. Für Logistikunternehmen wiederum senkt das den Kommunikationsaufwand mit dem Kunden und es sind weniger personelle Ressourcen nötig. Durch die Vielzahl an verfügbaren Daten lassen sich zudem Laderäume effizienter nutzen. Eine höhere Auslastung ist möglich. Ebenso wirken sich Track-and-Trace-Lösungen auf die Liefergeschwindigkeit aus. Da verschiedene Daten von der Auslastung bis hin zum Verkehrsaufkommen verfügbar sind, lässt sich die Routenplanung optimieren. Fasst man alle Vorteile zusammen, münden digitale Lösungen stets in einer erheblichen Kosteneinsparung und einem besseren Kundenservice. Fazit Mit digitalen Prozessen verabschieden sich Logistiker von repetitiven und zeitaufwendigen Aufgaben. Denn die damit verbundene Automatisierung bringt Effizienz ebenso wie Produktivität ins Unternehmen und entlastet das Personal. Gleichzeitig signalisiert der Schritt in Richtung Transformation möglichen Bewerbern ein modernes Mindset der Organisation. Im Ergebnis steigt die Attraktivität des Arbeitgebers und es öffnen sich Tür und Tor für qualifizierte Mitarbeitende. ■ 1 Vgl. www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Dossier/ fachkraeftesicherung.html 2 Vgl. Fachkräftemangel in der Logistik - BVL Umfrage von 2017 - Die BVL: Das Logistik-Netzwerk für Fach- und Führungskräfte 3 Büchel, J.; Engels, B. (2022): Digitalisierungsindex 2022: Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland. Kurzfassung der Ergebnisse des Digitalisierungsindex im Rahmen des Projekts „Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland“. Institut der deutschen Wirtschaft. www.iwkoeln.de/ studien/ jan-buechelbarbara-engels-digitalisierung-der-wirts chaft-indeutschland-2022.html Bianca Heitmann Solutions Manager CargoWise, q-beyond logineer GmbH, Hamburg bianca.heitmann@logineer.com Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 44 Auf den KI-Zug aufspringen oder Abstand nehmen? Welche Rolle Künstliche Intelligenz in der Logistik spielt Künstliche Intelligenz, Herausforderungen, Daten, Entscheidung Zunehmender Wettbewerb, Zeitdruck auf allen Ebenen, nicht zu beeinflussende Faktoren wie die Corona- Pandemie oder extreme Energiepreise: Kaum eine Branche bleibt von solchen Herausforderungen verschont, so auch die Logistik nicht. Es gilt, immer wieder neue Mittel und Wege zu finden, sich an die wechselnden Marktbedingungen anzupassen und sich auftürmende Hürden zu überwinden - denn die Konkurrenz schläft nicht. Auch aufgrund dessen hat sich zuletzt immer mehr das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in den Vordergrund gespielt. Rainer Schulz V iele Unternehmen sehen KI inzwischen als Heilsbringer, andere wiederum stehen dem skeptisch gegenüber und fürchten beispielsweise, dass die Systeme Fachkräfte ersetzen und somit Arbeitsplätze kosten. Allgemein stellt sich die Frage, was Künstliche Intelligenz besser machen könnte als der Mensch - und ob überhaupt. Und welche Baustellen beziehungsweise Herausforderungen existieren in diesem Zusammenhang? Um die offenen Punkte aufzuklären, lohnt sich zunächst einmal ein Blick auf die aktuelle Situation in der Logistik: Über die Hälfte aller Unternehmen der Branche ordnet sich selbst als Vorreiter beim Thema Digitalisierung ein. Zum Vergleich mit der Gesamtwirtschaft, in der dies nur etwa ein Drittel tut [1], handelt es sich dabei um eine äußerst hohe Zahl. Zu den am meisten eingesetzten Technologien zählen Cloud- Computing, IoT-Anwendungen und Warehouse-Management-Systeme. Bei der Künstlichen Intelligenz sieht es (noch) etwas anders aus. Eines von fünf Unternehmen baut bereits auf KI, zusätzlich denkt ein weiteres Viertel zumindest schon über den Einsatz nach.[2] Aktuell unterstützt die Technologie zum Beispiel in der Bedarfsprognose, bei der Absatzplanung oder optimiert Termine. Auch bei der Künstlichen Intelligenz grenzt sich die Logistik bereits von der übrigen Wirtschaft ab - quer durch alle Branchen greift nicht einmal eines von zehn Unternehmen darauf zurück.[3] Warum sich Unternehmen ständig damit beschäftigen sollten, wo Möglichkeiten zur Anpassung beziehungsweise zur Optimierung bestehen, zeigen die verschiedenen Herausforderungen, denen sie zuletzt begegneten. Der Fachkräftemangel hat die Symbolbild: Gerd Altmann / pixabay LOGISTIK Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 45 Digitalisierung LOGISTIK Branche ebenso ereilt wie das Problem, den eigenen Betrieb zu skalieren. Hinzu kommen Schwierigkeiten, den eigenen Warenbestand übersichtlich zu verfolgen und somit zu überwachen. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen erwarten deswegen zwingend den zunehmenden Einsatz von KI und Automatisierungslösungen, um den Herausforderungen zu begegnen. Auch die Bereitschaft, in dieses Feld zu investieren, nimmt zu.[4] Denn oftmals machen manuelle Tätigkeiten einen maßgeblichen Anteil am Wertschöpfungsprozess aus, sodass an dieser Stelle ein Ansatzpunkt für Automatisierungslösungen besteht (Bild 1). Mechanische und besonders anspruchsvolle Arbeitsvorgänge wie etwa die Steuerung eines Fahrzeugs gehören nicht zu den Königsdisziplinen der Künstlichen Intelligenz. Hier ist der Mensch der KI noch deutlich voraus. Anders sieht es in puncto Rechenleistung aus: Dabei tauschen beide die Positionen - Künstliche Intelligenz besticht durch eine enorme Leistungsfähigkeit auf diesem Gebiet. Buchhalter oder Disponenten haben diesbezüglich das Nachsehen. Allerdings werden sie nicht ersetzt, sondern von Routineaufgaben befreit. Die Folge: Es entsteht Raum für andere, fordernde Tätigkeitsbereiche wie Analyse und Risikomanagement. Das wiederum sorgt für mehr Produktivität. Ausschlaggebender Punkt sind immer die Daten, die die KI zur Verfügung hat. Wenn diese Basis nicht ausreichend ausfällt, trägt die Künstliche Intelligenz nicht zu einem positiven Ergebnis bei. Somit hängt die Nützlichkeit immer vom Einsatzgebiet und den vorliegenden Informationen ab. Während KI auf Grundlage einer Datenfülle Sendungsmengen prognostiziert, kommt sie in den kreativen und manchmal auch spontanen Bereichen dagegen nicht zum Tragen. Wo sie helfen kann und welche Aufgaben sich für sie eignen, hängt dementsprechend von Quantität und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten ab. Die Angaben müssen zum einen richtig, zum anderen vor allem lückenlos sein. Ohne diese bleibt die Software dann gewissermaßen auf der Strecke. Im schlimmsten Fall trifft sie Falschaussagen, die das - wackelige - Fundament für weitreichende Entscheidungen verkörpern. Inzwischen existieren zahlreiche Beispiele von Begebenheiten, in denen eine qualitativ schlechte Datenbasis zu teils katastrophalen Ergebnissen geführt hat. Solche Szenarien wirken sich zudem negativ auf das Vertrauen potenzieller Anwender in KI aus. So schrecken sie oftmals vor einer Umstellung auf eine solche Lösung zurück und setzen lieber auf bereits implementierte Systeme. Entscheiden sich Unternehmen für Künstliche Intelligenz, bedarf es auf ihrer Seite ausgeprägter interner Fähigkeiten der Datennutzung. Identifizierung relevanter Datenquellen gehört ebenso dazu wie Kompetenzen im Bereich Datenerfassung, -management und -analyse. Hohe Kosten im Zusammenhang mit Entwicklung und Implementierung von KI- Anwendungen zählen zu den großen Herausforderungen für Unternehmen. Finanzierungsmittel stehen oftmals nicht zur Verfügung, oder bei Geschäftspartnern fehlt es an Investitionsbudgets, was sich in der Bewertung als Risikofaktor herausstellt. Zudem bedarf es zwingend einer leistungsfähigen IT-Infrastruktur, damit sich Lösungen der Künstlichen Intelligenz intensiv und effektiv nutzen lassen. Fachkräfte im Umgang mit den Systemen sind zudem wichtige Voraussetzungen. Grundsätzlich gilt es, die Mitarbeiter bei der Umsetzung von Beginn an mit einzubinden. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz fällt auf, dass es inzwischen schon darum geht, dass KI versucht, Menschen Entscheidungsprozesse abzunehmen. Zugrunde liegen müssen zwingend riesige Datenmengen, ohne die das System nicht auskommt. An dieser Stelle zeigt sich das große Problem: In vielen Bereichen reicht es noch nicht aus, sich auf Daten zu verlassen und auf dieser Grundlage zu agieren - denn in diesen Beispielen existiert schlicht keine ausreichende Informationsbasis. Wegen der variierenden Daten und unterschiedlichen Fälle kommt es aber nicht zu Maschinellem Lernen, sodass die KI im schlimmsten Fall schlechte Prozesse als Ergebnis ausgibt. Sich leichtfertig auf diese zu verlassen, würde Unternehmen zurückwerfen. In Verbund mit den hohen Kosten, die womöglich im Vorfeld der Implementierung entstehen, besteht hier ein zu vermeidendes Risiko. Der Übergang zu einer intelligenten Logistik nimmt zudem noch einiges an Zeit in Anspruch. Dann basieren Entscheidungen auf zuverlässigen Daten, und sogar neue Geschäftsmodelle lassen sich entwerfen. Ein Blick in die Zukunft lässt deswegen wahrscheinlich nur ansatzweise erahnen, wie weit sich die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz in der Logistik erstrecken. ■ QUELLEN [1] Digitalisierung der Wirtschaft. Bitkom, 2022. [2] Bitkom Research 2022. [3] Künstliche Intelligenz - Wo steht die deutsche Wirtschaft? Bitkom, 2022. [4] Künstliche Intelligenz und Automatisierungstechnologien in der Intralogistik. Bundesvereinigung Logistik (BVL) & GreyOrange, 2022. Rainer Schulz Geschäftsführer, sysmat GmbH, Mainhausen info@sysmat.de Bild 1: Vollautomatische Kommissionierzone Quelle: Sysmat Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 46 Künstliche Intelligenz in der Logistik Digitaler Zwilling erlaubt Optimierung in Echtzeit Automatisierung, Touren- und Wegeoptimierung, Flottenmanagement, Prozessoptimierung Die Logistikbranche hat erkannt, welches Potenzial KI sowohl im Lager als auch beim Transport bietet und nutzt die Technologie gezielt, um Effizienz, Qualität und Produktivität zu steigern. Mit einem Digitalen Zwilling lassen sich ganze Lieferketten virtuell simulieren und in Echtzeit optimieren. Dirk Ruppik K ünstliche Intelligenz (KI) gilt als Schlüsseltechnologie, die das Potenzial hat, ganze Industrien zu revolutionieren und bisher gängige Geschäftspraktiken grundlegend zu verändern. Die Logistik sieht sich als Vorreiter bei der Digitalisierung und ebenso beim Einsatz von KI. Laut einer repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom 1 unter mehr als 400 Logistikunternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland setzen 22 Prozent der Betriebe bereits KI ein. Weitere 26 Prozent planen die Nutzung oder diskutieren zumindest darüber. Über alle Industrien hinweg liegt der Mittelwert der Nutzung von KI bei rund neun Prozent. 58 Prozent der Firmen gehen davon aus, dass KI künftig viele Aufgaben wie die Routenplanung oder Bedarfsprognose übernehmen wird. „Die Logistikbranche hat erkannt, welches Potenzial KI sowohl im Lager als auch beim Transport bietet und nutzt die Technologie gezielt, um Effizienz, Qualität und Produktivität zu steigern“, meint Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. KI wird in der Logistik z. B. bereits bei der voraussagenden Wartung von Maschinen und Anlagen, der Nachfragevorhersage von Produkten, der Lagerverwaltung, bei Foto: Possessed Photography/ Unsplash LOGISTIK Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 47 Digitalisierung LOGISTIK der Sprach-, Text- und Bilderkennung, der Touren- und Wegeoptimierung und im Flottenmanagement genutzt. Ein smartes Lager kombiniert verschiedene Technologien wie das Internet der Dinge (IoT), KI, Robotik und Automatisierung, um die Lagerhaltung, Bestandsverwaltung und den Versand von Waren zu optimieren. Dabei kann der Einsatz von KI generell nur so erfolgreich sein, wie die Qualität der erhobenen Daten im Unternehmen. Saubere Daten bieten Zukunftschancen Firmen, die weiterhin am Markt bestehen wollen, müssen sich rasant in Richtung eines datengetriebenen Unternehmens entwickeln. Darunter versteht man ein Unternehmen, das konsequent seine gepflegten und sauberen Datenbestände nutzt, um neue Chancen und Möglichkeiten für das Geschäft, die Kunden und die Mitarbeiter zu erschließen. Dabei wird u. a. die Geschäftssteuerung auf Basis datengetriebener, teils automatisierter Entscheidungen und die Optimierung von Prozessen mittels KI bzw. Process Mining durchgeführt. Digitale Geschäftsmodelle, die neue Märkte erschließen und ein nachhaltiges Wachstum ermöglichen, werden entwickelt. Das datengetriebene Unternehmen bietet zudem smarte Dienstleistungen und Produkte an, die das Leben von Kunden und Mitarbeitern verbessern. Beispiel: KI-gesteuerte Prozesse im Smart Warehouse Im intelligenten Lager liegen allen Prozessen durch KI ausgewertete Daten zugrunde. Die KI findet Muster in den Daten, erstellt Prognosen über die künftige Entwicklung von Prozessen und trifft automatisch Entscheidungen. Daten, die zur Analyse genutzt werden, sind z. B. Kundendaten, Messdaten, Echtzeitdaten aus Sensoren des IoT, Analysedaten, Monitoring- und Log-Daten aus IT-Systemen, Daten aus bestehenden Data-Warehouse-Lösungen oder gar externe Daten aus den sozialen Netzen, dem Internet oder von Geschäftspartnern. Saubere Daten sind die Grundlage allen Erfolgs für das datengesteuerte Unternehmen. Besonders der E-Commerce mit kleinen Auftragsgrößen, kurzen Lieferzeiten und Unberechenbarkeit bei der Nachfrage profitiert stark von einer smarten KI-gesteuerten Logistik. Dafür müssen alle lagertechnischen Geräte und Anlagen mit Sensorik ausgestattet und miteinander via IoT vernetzt werden. Im intelligenten Lagerhaus können so Aufträge und Güter automatisch empfangen, sortiert, organisiert, erkannt und für die Versendung vorbereitet werden. Insgesamt wird so die Effizienz, Produktivität und Qualität des Lagers und der Lagerprozesse gesteigert. Im Herzen eines Smart Warehouse befindet sich ein intelligentes Lagerverwaltungssystem (LVS). Es visualisiert und nutzt konsequent Daten über logistische Objekte, deckt Anomalien auf, bevor es zu Problemen kommt und verarbeitet die Informationen, um effiziente Optimierungen wie z. B. eine Wegezeitenreduktion zu erreichen. In das smarte LVS werden Automatisierungslösungen wie KI-Roboter, fahrerlose Transportsysteme (FTS), Visual Artificial Intelligence, RFID, Pick-by-X-Lösungen, Augmented-Reality-Brille, u. v. m. integriert. Auch kann durch die Nutzung von Smart Grids zur Stromeinsparung und intelligenten Kühl- und Heizsystemen enorm Energie eingespart werden. Digitaler Zwilling - das Herzstück des smarten Lagers Im digitalen Zwilling des Lagers werden alle ablaufenden Prozesse abgebildet sowie die gesammelten Daten zusammengeführt und verarbeitet. Er kann beispielsweise genutzt werden, um den Lagerbestand in Echtzeit zu überwachen, Bestellungen und Lieferungen zu verfolgen, die Lagerplatznutzung zu optimieren und Engpässe oder ineffiziente Prozesse zu identifizieren. Basierend auf den Daten des Digitalen Zwillings können automatisierte Systeme im Lager eingesetzt werden, um die Lagerprozesse zu steuern, wie beispielsweise die automatische Kommissionierung von Waren, die Optimierung der Routenplanung für den innerbetrieblichen Transport oder die automatische Nachbestellung von Produkten. Der Zustand der im Lager betriebenen Geräte wie Regalbediengeräte, Förderanlagen, Roboter, FTS, etc. kann überwacht werden und so einem Ausfall vorgebeugt werden. Auch eine Simulation von Lagerprozessen vor dem eigentlichen Bau des Lagers ist möglich, um dadurch wertvolle Erfahrungen und Ideen für den Bau und die Gestaltung zu erhalten. Supply Chain Management der nächsten Generation Durch KI lassen sich auch gesamte Lieferketten besser managen und deren Transparenz steigern. Durch die Auswertung von großen Datenmengen (Big Data) mit KI können Muster erkannt werden und z. B. das Verhalten von vor- und nachgelagerten Stufen der Supply Chain vorausgesagt werden. Hier spricht man von der Predictive Supply Chain. Die KI ist in der Lage, z. B. das Nachfrageverhalten von Kunden, Störungen und Engpässe in den einzelnen Stufen der Lieferkette, Transportzeiten und drohende Geräte- und Anlagenausfälle vorauszusagen. Mittels der virtuellen Darstellung (Digital Twin) der gesamten Supply Chain können diese Daten zudem visualisiert werden. Indem historische Daten, Wetterdaten, politische Ereignisse und andere Faktoren berücksichtigt werden, kann KI helfen, Risiken wie Versorgungsengpässe, politische Unruhen oder Naturkatastrophen zu prognostizieren. Auch bei der Auswahl und Bewertung von Lieferanten kann KI unterstützen, indem sie Informationen zur Lieferantenleistung, Qualität und Zuverlässigkeit analysiert. So können Unternehmen fundierte Entscheidungen über ihre Lieferanten treffen und das Lieferantenrisiko minimieren. Dadurch lässt sich die Resilienz der Versorgungskette auch für Krisenzeiten steigern. Durch die Integration von GPS, RFID und anderen Technologien lassen sich Güter in Echtzeit entlang der Lieferkette verfolgen. Via Nutzung der Blockchain kann zudem eine Sicherheit gegen Fälschung und Manipulation der Produkte garantiert werden. Mithilfe des Digitalen Zwillings lässt sich die gesamte Lieferkette in Echtzeit optimieren. Die Technologie liefert die technische Basis für den Aufbau agiler, transparenter, kosteneffizienter und ganzheitlich optimierter Wertschöpfungs- und Lieferketten. ■ 1 Jedes fünfte Logistikunternehmen setzt Künstliche Intelligenz ein, Berlin, 5. Oktober 2022, Digitalverband Bitkom Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Phuket (TH) dirkruppik@gmx.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 48 KI und Beladeoptimierung im-Kombinierten Verkehr Datengetriebene Planung als Instrument zur Erreichung der-Klimaziele Digitalisierung, Netzwerkoptimierung, Schienengüterverkehr Die Künstliche Intelligenz und datengetriebene Beladeoptimierung in kombiniertem Straßen-/ Schienengüterverkehr spielen eine wichtige Rolle zur Erreichung der Klimaziele. Um den Anforderungen einer zunehmenden Nachfrage gerecht zu werden, besteht die Notwendigkeit effizienter Beladeplanung. Digitale Technologien und KI können genau hierzu beitragen und haben das Potential, die Auslastung im gesamten Schienennetz zu steigern. Die Digitalisierung im Schienengüterverkehr ermöglicht ein tiefes Verständnis der technischen und betrieblichen Anforderungen im KV, um das volle Potential der digitalen Innovationen auszuschöpfen. Ralf Elbert, Yuerui Tang D ie gegenwärtige Epoche ist geprägt durch die essenzielle Notwendigkeit, den Kombinierten Straßen-/ Schienengüterverkehr (KV) zu stärken. Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing unterstreicht diese Bedeutung mit Verweis auf eine ansteigende Nachfrage, die nur durch eine effiziente und zeitgemäße Verkehrs- und Digitalinfrastruktur bewältigt werden kann [1]. In Bezug auf die CO 2 -Ziele, deren Erreichung eine dringliche Reduzierung der Emissionen erfordert, kann der KV, so die Prognose der Beschleunigungskommission, eine maßgebliche Rolle einnehmen, indem er im Vergleich zum reinen Straßentransport bis zu 90 % weniger emittiert [2]. Der KV ist eine Art der Güterbeförderung, bei der eine standardisierte Ladeeinheit, z. B. ein Sattelanhänger, ein Wechselbehälter oder ein Container von mindestens 20 Fuß Länge die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße sowie den Großteil der Strecke auf der Schiene zurücklegt [3]. Dieses System vereint die KV-Umschlag im DUSS-Terminal Frankfurt (Main) Ost Foto: Autoren LOGISTIK Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 49 Digitalisierung LOGISTIK Vorteile der verschiedenen Verkehrsträger, wie etwa die Umweltverträglichkeit und Kapazität der Schiene sowie die Flexibilität der Straße, und ermöglicht dadurch eine effizientere Nutzung der Ressourcen sowie der notwendigen Infrastruktur. Dadurch entsteht immer mindestens ein Umschlag zwischen Straße und Schiene. Aktueller Stand der Beladeplanung für KV-Züge Eine optimale Abwicklung der Umschläge ist von großer Bedeutung, um die Kapazitätsauslastung zu steigern und die Sicherheit des Personals zu gewährleisten. Bisher beruht die erfolgreiche Beladung der Wagen während des Umschlags vorrangig auf den individuellen Erfahrungen der Kranführer und Lademeister. Fehler in der Beladung können jedoch die Effizienz im Betriebsablauf beeinträchtigen und im Extremfall die Sicherheit des Personals und anderer Verkehrsteilnehmer gefährden. Außerdem sind Plätze auf Zügen knappe Ressourcen und müssen effizient und damit auch kostenoptimiert eingesetzt werden. Bei der Beladeplanung für Güterzüge befasst sich die Literatur mit dem Train-Loading-Problem. Dabei geht es um die Optimierung der Zugbeladung unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren während der Buchungs- und Planungsphasen [4]. Verschiedene Waggontypen weisen unter anderem unterschiedliche Längen, Achsenzahlen, Höchstlasten und Zapfenpositionen auf, um unterschiedliche Ladeeinheiten aufnehmen zu können. Die Umsetzbarkeit der Platzierung einer Ladeeinheit wird in erster Linie durch die Berechnung der resultierenden Achslasten überprüft. Die Zuordnung einer Ladeeinheit zum Laderaum erfolgt jedoch in der operativen Planung nach Beladeschemata, die speziell für jeden Wagentyp berechnet sind (Bild 1). Die möglichen Kombinationen von beladenen Ladeeinheiten auf einem Waggon sind somit endlich und können in Planungsmodellen abgebildet werden [5]. Nach Heggen et al. [6] lassen sich verschiedene Ziele und Nebenbedingungen unterscheiden. Während Ziele wie Kostenund/ oder Zeitminimierung oder Auslastungsmaximierung in erster Linie von dem KV-Operateur beeinflusst werden, der für die Formulierung und Überarbeitung des Ladeplans verantwortlich ist, werden Nebenbedingungen in erster Linie durch technische Anforderungen bestimmt [7]. Aus den Ergebnissen der durchgeführten Fokusgruppeninterviews geht hervor, dass mehrere reale Einschränkungen, wie beispielsweise Transportzeitbeschränkungen und unterschiedliche Gewichts- und Längenbeschränkungen für verschiedene Arten von Ladeeinheiten, Wagen und Zuggarnituren, besondere Beachtung finden müssen. Die integrierte Beladungsplanung auf aggregierter Ebene, die die Kapazitätsauslastung des gesamten Schienennetzes berücksichtigt und entscheidet, ob Güter mit Direkt- oder Gateway-Zügen transportiert werden, hat bisher nur wenig Beachtung gefunden [8]. Es ist ein wiederkehrendes Problem, dass Anschlusszüge voll beladen sind und daher Ladeeinheiten nicht weiter transportiert werden können. Dies resultiert aus einem Mangel an Daten und darauf basierenden Lösungsverfahren für den Planer über den Grad der Auslastung des Anschlusszugs und die Verfügbarkeit von geeigneten Plätzen. Digitaler Wandel erreicht die Beladeoptimierung im KV Die Digitalisierung nimmt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen ein. Im Rahmen des Projekts „KV 4.0“ wurde eine zentrale Datendrehscheibe entwickelt, die allen beteiligten Akteuren direkten Zugriff auf transportrelevante Parameter des Kombinierten Verkehrs ermöglicht [9]. Auf die damit verfügbaren begründet sich das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderte Forschungsprojekt „KIBA - Künstliche Intelligenz und diskrete Beladeoptimierungsmodelle zur Auslastungssteigerung in Kombinierten Verkehr“, an dem das Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt beteiligt ist. Weitere Projektpartner sind: Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr mbH & Co. KG (Konsortialführer), Goethe Universität Frankfurt, Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) GmbH, VTG Rail Europe GmbH, INFORM GmbH und KombiConsult GmbH. Eine Herausforderung im Forschungsprojekt besteht darin, ein robustes Optimierungsmodell zu entwickeln, das die Auslastung im gesamten Schienennetz maximiert und dabei Planungsunsicherheiten, wie die Volatilität der Nachfrage, berücksichtigt. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die vorausschauend optimierte Beladeplanung bei sequenziell eingehenden Ladeeinheiten. Diese Planungsunsicherheiten sollen durch Verfahren der Künstlichen Intelligenz adressiert werden, was gleichzeitig die Resilienz und Reaktionsfähigkeit bei Störungsereignissen erhöhen kann. Durch die Standardisierung von Datenformaten verschiedener europäischer Wagenhalter in einer gemeinsamen Datenbank und die Erfassung und Bereitstellung elektronischer Fahrplandaten in einem einheitlichen Datenstandard, das EDIGES4.0-Format in einer zentralen Datendrehscheibe, soll die angestrebte Beladeoptimierung im Transportnetzwerk ermöglichen werden. Auf diese Weise können sämtliche Transportinformationen - von Fahrplan, über Buchung - bis hin zu Terminal- und Zugstatusmeldungen sowie Ankunftsprognosen - elektronisch ausgetauscht werden. Durch die geplante Digitalisierung der Zugbeladung können die Verkehrsträger Straße und Schiene zu einem integrierten Verkehrssystem zusammenwachsen. Die zuvor aufgezeigte Forschungslücke auf der Netzwerkebene, für die es unserem Kenntnisstand nach derzeit keine Optimierungsmodelle gibt, kann mithilfe der durch die Datendrehscheibe zur Verfügung gestellten Informationen bearbeitet werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Entscheidung, ob eine Ladeeinheit mit Direkt- oder Gateway-Zügen befördert werden soll. Direkte Züge ermöglichen zwar eine schnellere Beförderung, da Umwege über Umschlagsterminals vermieden werden. Aber sie sind möglicherweise nicht für jedes Start- und Endknoten-Paar verfügbar oder die entsprechenden Ladeplätze im Direktzug sind bereits ausgebucht. Folglich ist es von entscheidender Bedeutung, zu bestimmen, welche Ladeeinheiten über welche Züge geleitet werden sollen und wie dies am effizientesten geschieht [8]. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass jede Ladeeinheit ? Bild 1: Schematische Darstellung der Beladeplanung für einen KV-Zug Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 50 LOGISTIK Digitalisierung auf jeder Strecke einen geeigneten Platz erhält, ohne die Pläne anderer Ladeeinheiten zu durchkreuzen oder aufgrund mangelnder Ladekapazitäten auf einem ihrer Anschlusszüge selbst an Umschlagterminals aufgehalten zu werden. Die Bewältigung dieser Herausforderung durch Optimierung der Lastplanung würde die Gesamteffizienz und Kapazitätsauslastung der KV-Netzwerke verbessern. Die Untersuchung des mathematischen Modells Train Loading Problem zusammen mit einer Routing-Entscheidung und diskreten Simulationsmodellen auf der Netzwerkebene sowie der Einsatz von Algorithmen des maschinellen Lernens zur Vorhersage von Aufträgen auf der Grundlage historischer realer Verkehrsdaten sind einige der möglichen Ansätze, um einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten und die Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz im Güterverkehr zu verbessern. Die Kombination von künstlicher Intelligenz und mathematischer Optimierung bietet neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die intelligente Beladungssteuerung und besitzt daher für den Kombinierten Verkehr großes Potential. Zusammenfassung und weitere Entwicklung Insgesamt zeigt sich, dass der Kombinierte Verkehr eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele spielt und durch den Einsatz von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz weiter verbessert werden kann. Dabei eröffnen vor allem die Möglichkeiten der Datendrehscheibe in Form des EDIGES4.0-Standards, kombiniert mit der Entwicklung von Optimierungsmodellen und dem Einsatz maschinellen Lernens, neue Perspektiven für eine effiziente Beladeplanung und Netzwerkoptimierung. Es ist jedoch wichtig, zu betonen, dass ein tiefgreifendes Verständnis der technischen und betrieblichen Anforderungen im Kombinierten Verkehr unerlässlich bleibt und in die Planungs- und Optimierungsmodelle integriert werden muss. Nur so lässt sich das volle Potential ausschöpfen und zur Verbesserung von Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz im Güterverkehr beitragen. ■ Wir bedanken uns für die Förderung durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr der Bundesrepublik Deutschland. LITERATUR [1] Balser, M. (2023): Lkw-Boom: Warum Verkehrsminister Wissing Straßen ausbauen will. Süddeutsche Zeitung, 03.03.2023. www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/ wissing-autobahnen-prognose-autoslkw-strassenausbau-1.5762065 (Abruf: 20.06.2023). [2] Verkehrsforum (2022): Schiene: Große Erwartungen an die Beschleunigungskommission. www.verkehrsforum.de/ de/ service/ newsletter/ 2022-12-13-newsletter-nr-4-dezember-2022/ 2022- 12-15-schiene-grosse-erwartungen-die-beschleunigungskommission (Abruf: 20.06.2023). [3] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (2022): Richtlinie zur Förderung von Investitionen in Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs. https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ G/ foerder richtlinie-von-umschlaganlagen-des-kombinierten-verkehrs. pdf? __blob=publicationFile (Abruf: 20.06.2023). [4] Nehring, K.; Kłodawski, M.; Jachimowski, R.; Klimek, P.; Vašek, R. (2021): Simulation analysis of the impact of container wagon pin configuration on the train loading time in the intermodal terminal. Archives of Transport, Vol. 60, No. 4, pp. 155-169. doi: 10.5604/ 01.3001.0015.6928. [5] Bruns, F.; Knust, S. (2012): Optimized load planning of trains in intermodal transportation. OR Spectrum, Vol. 34, No. 3, pp. 511-533. doi: 10.1007/ s00291-010-0232-1. [6] Heggen, H.; Braekers, K.; Caris, A. (2016): Optimizing Train Load Planning: Review and Decision Support for Train Planners. In: Computational Logistics (Eds: . Paias, A.; Ruthmair, M.; Voß, S.) Springer International Publishing, pp. 193-208. [7] Heggen, H.; Braekers, K.; Caris, A. (2017): A multi-objective approach for intermodal train load planning. OR Spectrum, 1 Jan. 2017. doi: 10.1007/ s00291-017-0503-1. [8] Elbert, R.; Tang, Y. (2023): Train Load Planning for Intermodal Rail Operators in a Hub-and-Spoke Network. Conference proceeding (contribution accepted, not published yet) Logistic Management Conference. [9] BMDV: Digitalisierung intermodaler Lieferketten durch die Entwicklung einer gemeinsamen Datendrehscheibe zur informationstechnischen Abbildung der gesamten physischen Transportkette - KV 4.0. https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ DG/ mfundprojekte/ kv4.html (Abruf: 20.06.2023). Ralf Elbert, Prof. Dr. Leiter des Fachgebiets Unternehmensführung und Logistik, Technische Universität Darmstadt elbert@log.tu-darmstadt.de Yuerui Tang, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik, Technische Universität Darmstadt tang@log.tu-darmstadt.de DAS FACHMAGAZIN ZUM URBANEN WANDEL www.transforming-cities.de Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN UUR Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Vielschichtigkeit von Informationsströmen Smart Cities | Automatisierung | Mobilfunk | Urbane Mobilität | Datenmanagement | Krisenkommunikation 3 · 2017 Urbane Kommunikation URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Angri ssicherheit · Betriebssicherheit · gefühlte Sicherheit IT-Security | Kritische Infrastrukturen | Notfallkommunikation | Kaskadene ekte | Vulnerabilität | Resilienz 4 · 2017 4 · 2017 Sicherheit im Stadtraum URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Was macht Städte smart? Soft Data | IT-Security | Klimaresilienz | Energieplanung | Emotionen | Human Smart City | Megatrends 1 · 2018 Die intelligente Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN TranCit für IV.indd 1 TranCit für IV.indd 1 16.08.2021 10: 42: 44 Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 51 KI-gestützte autonome Busse im vernetzten ÖPNV Status zur KI-Entwicklung und Erprobung aus dem Forschungsprojekt KI4autoBUS Autonome Mobilität, Künstliche Intelligenz, KI-Mobilität, Barrierefreie Mobilität, On-Demand Mobilität, Reinforcement Learning, Predictive Demand Kann Künstliche Intelligenz (KI) den Einsatz von autonomen Kleinbussen verbessern? Shuttles, die wissen, wann und wo sie gebraucht werden - das ist die Ambition im Forschungsprojekt KI4autoBUS. Eine effizientere Flottensteuerung, die auch die Gestaltung und Nutzung für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen einschließt, wird im Rahmen des Projektes entwickelt und getestet. Für das Projekt werden die autonomen Busse, die in Bad Birnbach (Niederbayern) im Einsatz sind, barrierefrei umgerüstet und im Hintergrund temporär mit einer innovativen KI-Software gesteuert. Nicole Wagner-Hanl, Julian Wagner, Leandra Rüpplein, Thomas Huber B ad Birnbach im Landkreis Rottal- Inn ist schon länger ein Pionier für autonome Mobilität. Seit 2017 betreibt die DB Regio Bus dort einen autonomen Kleinbus - er ist der erste dieser Art, der in Deutschland als Linienfahrzeug im ÖPNV eingesetzt wurde. Seit 2019 ist der etwas außerhalb von Bad Birnbach gelegene Bahnhof in das Streckennetz integriert (Bild 1). [1] Das Pilotprojekt wurde in der Bevölkerung durch die Anbindung an den Bahnhof gut angenommen, sodass vor Beginn der Corona-Pandemie etwa 120 Fahrgäste pro Tag das Angebot nutzten, insgesamt über 60.000. [2] Seit Mai 2022 wird zur Erschließung des Ortsgebietes der Marktgemeinde ergänzend ein On-Demand-Verkehr angeboten und über zwei Shuttles bedient. Eingesetzt werden dabei Busse des französischen Herstellers EasyMile mit einer Kapazität von bis zu sechs Fahrgästen, sowie dem aktuell noch benötigten Fahrbegleiter. Insgesamt umfasst der Forschungsfeldbetrieb 14 virtuelle und sechs physische Haltestellen. [3] Das Forschungsprojekt KI4autoBUS Nahtlose Mobilität mit dem ÖPNV kann herausfordernd sein - insbesondere in ländlichen Regionen, wo das Mobilitätsangebot in seiner Verfügbarkeit, Regelmäßigkeit und Informationsauskunft meist deutlich eingeschränkter ist als in großen Städten. Mit On- Demand-Angeboten wurde eine Lösung geschaffen, die effizienter und datenbasiert anhand des tatsächlichen Bedarfes der Nutzer: innen geplant wird. Eine Herausforderung besteht in der begrenzten Anzahl der verfügbaren Fahrzeuge, die möglichst alle Anfragen bedienen und eine geringe Wartezeit der Fahrgäste sicherstellen sollen. Aufbauend auf den ersten Erfolgen des On-Demand-Angebotes in Bad Birnbach, soll getestet werden, wie KI das Angebot weiterentwickeln und optimieren kann. Das Ziel des Forschungsprojektes KI4autoBUS [4]: Die Optimierung barrierefreier Mobilität durch autonome Shuttles - Entwicklung ei- Shuttleverkehr in Bad Birnbach Foto: DB Regio Bus, 2022 Autonomes Fahren MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 52 MOBILITÄT Autonomes Fahren ner KI-basierten Lösung zur Planung und Steuerung des ÖPNV-Angebots (Oktober 2021 bis vsl. Dezember 2023), welches vom Bayerischen Verbundforschungsprogramm (BayVFP) gefördert wird, besteht u. a. in der Entwicklung einer KI für die eingesetzten Busse. Diese soll dafür sorgen, dass das On- Demand-Angebot noch flexibler eingesetzt werden kann und sich noch besser in das gesamte ÖPNV-Ökosystem einfügt. Im Kontext des Projektes bedeutet dies, dass die Shuttles u. a. schon im Voraus in die Nähe von oder an die Haltestellen geschickt werden, für die voraussichtlich als nächstes eine Buchung stattfindet. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird eine KI eingesetzt, die selbständig, ohne menschlichen Eingriff, lernt und sich automatisch verbessert (Bild 2). Neben der Entwicklung der KI soll Inklusion und Barrierefreiheit in den Shuttles vorangetrieben werden. Dafür wurden in einem ersten Schritt mögliche Herausforderungen für mobilitätseingeschränkte Personen bei der Nutzung der Shuttles ermittelt. In einem zweiten Schritt sollen diese dann durch entsprechende Umrüstungen der Shuttles und durch eine Weiterentwicklung der Fahrgastkommunikation gelöst werden. Die Mobilitäts-App Wohin·Du·Willst (WdW) der DB Regio AG, über die aktuell die Fahrtanfragen für die autonomen Busse gebucht werden [5], wurde bereits adaptiert. In WdW werden nun auch Daten zu Barrierefreiheit nutzerfreundlich abgefragt (u. a. Schwerbehindertenausweis, Rollstuhl, Rollator). Diese Logik ist zudem erweiterbar und ermöglicht die zukünftige Optimierung der Shuttle-Services für eingeschränkte bzw. multimorbide Nutzergruppen. In Zukunft soll es möglich sein, erweiterte Profilangaben über Seheinschränkungen zu machen. So kann ein Bedarf für Sprachinformationen angezeigt werden, um im Shuttle Reise- und Umgebungsinformationen angesagt zu bekommen. Methodenmix - White-Spot Analyse und Use Cases Mit Beginn des Projektes, wurde eine White- Spot Analyse durchgeführt, um ähnliche Forschungsvorhaben und -ergebnisse zu evaluieren. Die Auswertung zeigte, dass sich das Projekt KI4autoBUS insbesondere mit der ausgewählten KI-Methode in Verbindung mit der Optimierung von On-Demand- Verkehren in ländlichen Regionen abhebt. Dazu gehören auch verbesserte Nutzungsbedingungen solcher Angebote für mobilitätseingeschränkte Personen durch den Einsatz der KI. Konkret wurde für KI4autoBUS der Ansatz Reinforcement Learning ausgewählt, der im Folgenden erklärt wird. Parallel zur White-Spot Analyse fand die Ist-Analyse der Rahmenbedingungen für den Standort Bad Birnbach statt. Zur Identifikation spezifischer Nutzerbzw. Kundenanforderungen an die verschiedenen Projektinnovationen wurde auf einen Methodenmix aus qualitativen Interviews mit dem Niederlassungsleiter Süd der Regionalbus Ostbayern GmbH und mit dem Betriebspersonal in den Shuttles sowie einer Beobachtungsstudie vor Ort im Mai 2022 zurückgegriffen. Anschließend erfolgte ein Interview mit der Seniorenbeauftragten des Landkreises. Technische Herausforderungen der vor Ort betriebenen autonomen Shuttles und nutzerbezogene Details wurden vom Fraunhofer IML in Use Cases zusammengefasst und flossen in die nutzerzentrierte Entwicklung ein. Umsetzung - Reinforcement Learning und Datenverfügbarkeit Im Wesentlichen soll die KI dafür sorgen, dass die Shuttles effizienter eingesetzt werden. Das bedeutet: Alle Fahrtwünsche in Bad Bild 1: Das Streckennetz der autonomen Linien in Bad Birnbach Quelle: DB Regio Bus, 2023 Bild 2: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Nachfrage an On-Demand-Shuttles Quelle: qdive, 2023 Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 53 Autonomes Fahren MOBILITÄT Birnbach werden berücksichtigt, Personen mit besonderen Mobilitätsanforderungen (z. B. Rollstuhlfahrer: innen) werden bei mehreren Buchungsanfragen bevorzugt bedient und Leerfahrten sowie lange Wartezeiten werden vermieden. Letzteres bedeutet, dass die KI Buchungsanfragen antizipiert (Predictive Demand) und die Shuttles vorzeitig an geeigneten Haltestellen platziert. Um das zu erreichen, wird im KI4auto- BUS-Projekt Reinforcement Learning (RL), also bestärkendes Lernen, eingesetzt und auf Funktionsfähigkeit getestet. Bei RL handelt es sich um einen Bereich des maschinellen Lernens, der darauf abzielt, dass ein Agent (beispielsweise ein Shuttle) durch Interaktion mit seiner Umgebung selbstständig lernt, eine bestimmte Aufgabe zu lösen. RL eignet sich unter anderem dann, wenn die zugrunde liegende Umgebung sehr komplex ist, sodass traditionelle algorithmische Ansätze nicht mehr ausreichen, oder wenn im Anwendungsszenario Entscheidungen in Echtzeit getroffen werden müssen. [6]. Wie jedes Verfahren des maschinellen Lernens benötigt auch RL eine geeignete Datengrundlage. Allerdings war die von den beiden im On-Demand-Betrieb eingesetzten, autonomen Shuttles in Bad Birnbach erzeugte Datenmenge, vor allem zu Beginn des Projektes, überschaubar. Mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren ließen sich bereits wenige reale Fahrtdaten nutzen, um eine beliebige Anzahl realitätsnaher Buchungsanfragen zu generieren. Wie funktioniert Reinforcement Learning? Im RL wird ein Agent mit einer realen oder virtuellen Umgebung konfrontiert, in der er Aktionen ausführen kann. Für jede Aktion erhält der Agent Feedback in Form von Belohnungen oder Bestrafungen, die ihm mitteilen, wie gut oder schlecht die getroffene Aktion war. Das Ziel des Agenten besteht darin, durch die Maximierung der langfristigen Belohnung oder Minimierung der langfristigen Bestrafung eine optimale Handlungsstrategie zu erlernen (Bild 3). Im konkreten Anwendungsfall umfasst die Umgebung die Haltestellen in Bad Birnbach mit den darin auftauchenden (simulierten) Passagieren. Jedes Shuttle ist ein Agent, es wird also ein Multi- Agent Reinforcement Learning (MARL)-Ansatz betrachtet und die möglichen Aktionen sind die nächsten Stationen der Shuttles. Eine Belohnung erhält der Agent beispielsweise für eingesammelte und abgelieferte Passagiere und eine Bestrafung, wenn die Wartezeit der Passagiere zu hoch ist. Die Entwicklung der KI - Vorgehen, Weiterentwicklung und Status Quo Den Kern von RL bildet unter anderem die Simulationsumgebung, in der der Agent trainiert. Für den Aufbau der Umgebung wurden verschiedene Frameworks analysiert. Basierend auf OpenAI Gym, einem frei verfügbaren Toolkit für RL-Forschung, wurde die Simulationsumgebung iterativ entwickelt und erweitert, damit Lernfortschritte des Agenten besser und schneller messbar gemacht sowie Probleme beim Training frühzeitig erkannt wurden. Zuerst wurde ein einfaches, abstraktes Abbild von Bad Birnbach verwendet. Für die ersten Trainingsdurchläufe des Agenten wurden Haltestellen, Passagiere, Betriebs- und Fahrtzeiten zufällig gewählt. Mittlerweile trainiert der Agent in einer Umgebung, die mit den realen Gegebenheiten Bad Birnbachs übereinstimmt: 20 Haltestellen, eine Betriebszeit von 8 bis 18 Uhr, genaue Fahrtzeiten zwischen den einzelnen Haltestellen und realitätsnahe Buchungsdaten von Passagieren. Vor allem für die Predictive Demand- Funktion, also das Antizipieren künftiger Buchungen durch den Agenten zur Verringerung der Wartezeiten, sind die realitätsnahen Buchungsanfragen essenziell. Aufgrund der zu geringen Anzahl realer Buchungsdaten werden in der Simulationsumgebung verschiedene Wahrscheinlichkeitsverteilungen basierend auf historischen Buchungsdaten generiert, mit deren Hilfe realitätsnahe Fahrtanfragen für das Training des Agenten simuliert werden. Je mehr historische Buchungsdaten dazu zur Verfügung stehen, desto genauer werden die generierten Verteilungen und desto besser wird der Agent in der Lage sein, bestimmte Muster - etwa Buchungen mobilitätseingeschränkter Personen oder Nach- Bild 3: Illustration des Zusammenspiels der RL-Komponenten Eigene Darstellung, [6], qdive Bild 4: Trainingsmetriken Quelle: qdive Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 54 MOBILITÄT Autonomes Fahren fragespitzen- und -täler - zu erkennen und damit eigenständig zu trainieren. Weitere Informationen können das Training des Agenten beschleunigen, weshalb auch externe Daten wie Bewegungsdaten von Mobilfunkanbietern geprüft wurden. Allerdings lagen diese nicht in ausreichender Granularität für den Ortsbereich von Bad Birnbach vor. Um die Performance des Agenten in der Simulationsumgebung messbar zu machen, werden verschiedene Kennzahlen und Metriken ausgewertet. Das sind zum einen theoretisch relevante Größen, wie die Gesamtbelohnung des Agenten, und zum anderen praktisch relevante Kennzahlen, wie die durchschnittliche Wartezeit der Passagiere oder der Anteil an bedienten Fahrtanfragen. Entsprechen die Auswertungen nicht den Ansprüchen, so werden Anpassungen, zum Beispiel durch Änderung der Belohnungsfunktion, vorgenommen. So wird sichergestellt, dass das erlernte Verhalten des Agenten den Anforderungen der realen Bad Birnbach Umgebung genügt. Ergebnis der ersten Tests Vorbereitend auf den Einsatz der KI im realen Betrieb, wird der Agent derzeit in der Simulationsumgebung trainiert, getestet und weiter angepasst. Die Auswertungen zeigen, dass der Agent sich mit fortschreitendem Training immer weiter verbessert. Der Agent lernt, seine Aktionen so zu wählen, dass seine Belohnung maximiert wird, was zu reduzierten Wartezeiten der Passagiere und gleichzeitiger Bedingung aller Fahrtanfragen führt (Bild 4). Im nächsten Schritt soll der Agent im Realbetrieb eingesetzt werden und unter Beweis stellen, welche Fähigkeiten er im Training in der Simulationsumgebung gelernt hat. Dazu erhält der Agent über eine Schnittstelle aus dem Dispositionssystem Echtzeitdaten zu den Fahrtanfragen und den Positionen der Shuttles und soll damit eine Entscheidung treffen, welches Shuttle zu welcher Haltestelle delegiert werden soll. Im Projektverlauf wird ein Shuttle zudem für die Beförderung mobilitätseingeschränkter Personen modifiziert, d. h. es wird mit zusätzlichen Komponenten ausgestattet, um die Fahrten auch barrierefrei anbieten zu können. Der eigenständige Entscheidungsprozess der KI ermöglicht eine optimale Verkehrsmittel-Disposition, zugeschnitten auf die mitunter besonderen Anforderungen jedes einzelnen Nutzers. Insbesondere eingeschränkte Personen und vulnerable Nutzergruppen stehen vor der Herausforderung, eigenständig mobil zu bleiben. Hierzu gibt es aber bezüglich der Nutzung von fahrerlosen Shuttles kaum wissenschaftlich ausgewertete Erkenntnisse. Daher sind auch die automatisierte Einsatzplanung und der optimierte Einsatz dieser Fahrzeuge mithilfe einer KI interessant. Die knappe Ressource an Fahrzeugen, die den Anforderungen bezüglich einer besseren Barrierefreiheit gerecht werden, könnte damit ideal zum Einsatz gebracht werden. Fazit zum KI-Einsatz - Mehrwert für Mobilitätsanbieter und Reisende? Für die Optimierung der On-Demand-Shuttles in Bad Birnbach wurde mit KI eine moderne Technologie gewählt, die dafür sorgen kann, Ressourcen einzusparen und neue Formen der Mobilität zu verbessern. Mit dem selbstlernenden Algorithmus soll sichergesellt werden, dass das Angebot flexibel und schnell auf verschiedene Bedarfe der Nutzer: innen reagieren kann. Die Optimierung durch KI bietet einerseits Vorteile für Nutzer: innen, indem durch eine Vorhersage der Fahrtanfragen bzw. eine Vorhersage der günstigsten Wartehaltestelle lange Wartezeiten vermieden werden. Gleichzeitig profitieren auch die Mobilitätsanbieter, indem Leerfahrten minimiert werden, die Flottengröße optimiert werden kann und Betriebskosten durch den verbesserten Einsatz der Shuttles gesenkt werden. Mit dem Einsatz der KI vor Ort in Bad Birnbach werden weitere Erkenntnisse erwartet, die es ermöglichen, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, um die KI zu verbessern und um die spätere reibungslose Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Vor allem die Predictive Demand-Funktion soll Verkehrsunternehmen bei der Kapazitätsplanung ihrer Fahrzeugflotten und ihres Personals unterstützen. Dafür sollen im Weiteren externe Daten, wie Wetterdaten und Echtzeitverkehrsdaten, angebunden werden. Mit der Weiterentwicklung der KI soll auch die schnelle Übertragbarkeit für Kommunen und ihre individuellen Anwendungsszenarien sowie für Verkehrsunternehmen garantiert werden. Forschungs- und Weiterentwicklungsbedarf der aktuellen KI besteht für nahtlose Reiseketten, um eine gemanagte Auslastung und Bedienqualität in einem attraktiven öffentlichen Angebot von Tür-zu-Tür zu ermöglichen und ein überregional verzahntes, effizientes ÖPNV- System mit Verknüpfung zum schienengebundenen Personennahverkehr zu ermöglichen. Des Weiteren muss es zukünftig möglich sein, die KI in der Disposition der Fahrzeuge im nachfragegesteuerten Verkehr HINTERGRUND Konsortialtreffen 2022 mit dem Projektträger VDI/ VDE Innovation + Technik GmbH Foto: Fraunhofer IML Das Konsortium Das Projektkonsortium besteht aus Forschungs-, Entwicklungs- und Anwendungspartnern. Es-werden im Verbund die Kompetenzen aus Mobilität & Personenverkehr, Softwareentwicklung und Forschung synergetisch gebündelt. •• Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Projektzentrum Verkehr, Mobilität und-Umwelt •• Q_PERIOR AG •• qdive GmbH •• DB Regio Bus •• FMS Future Mobility Solutions GmbH Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 55 Autonomes Fahren MOBILITÄT integrieren zu können und gleichzeitig einen Schichtwechsel der Operatoren zu festen Zeiten zu ermöglichen. Die Erprobung des Konzeptes erfolgt im Forschungsfeldbetrieb. Aus Sicht der Mobilitätsanbieter kann durch eine KI-getriebene Flotten- und Verkehrsplanung der gesamte ÖPNV profitieren. Wenn durch flexible Angebote, wie On-Demand-Mobilität, bestehende Angebote im ÖPNV zu einem integrierten Gesamtangebot ergänzt werden und dieses dann in den nächsten Jahren immer weiter automatisiert wird, werden selbstlernende Systeme notwendig sein, um effizient und nutzerorientiert zu sein. Ein komplexes und automatisiertes Mobilitätsangebot benötigt insbesondere im ländlichen Raum die Unterstützung durch KI-Technologie. Die anwendungsorientierte Forschung und nutzerzentrierte Entwicklung haben gezeigt, die Mobilität wird sich in den kommenden Jahren immer stärker dem individuellen Bedarf des Reisenden anpassen, z. B. durch neue Angebote basierend auf autonomen Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr. Die Grundlage dieser Mobilitätsdienste sind Echtzeitdaten über den Verkehr, den Bedarf der Reisenden und die Verfügbarkeit von vernetzten Angeboten. Das sichere Verarbeiten und Analysieren dieser Daten in verteilten Systemen werden entscheidende Erfolgsfaktoren für die Personenmobilität von morgen sein. ■ LITERATUR [1] DB Regio AG: https: / / mobilitaetsmanagement.deutschebahn.com/ mobilitaetsmanagement/ Autonome-Mobilitaet (Abruf: 06.02.2023) i.V.m. www.dbregiobus-bayern.de/ angebot/ autonomes-Fahren/ autonomer-bus-HEAL (Abruf: 04.07.2023). [2] Markt Bad Birnbach: www.badbirnbach.de/ geschichten/ autonomer-kleinbus (Abruf: 07.02.2023). [3] Markt Bad Birnbach: www.badbirnbach.de/ heal (Abruf: 29.06.2023) i.V.m. DB Regio Bus Bayern GmbH: https: / / www.dbregiobus-bayern.de/ angebot/ autonomes-Fahren/ autonomer-bus-HEAL (Abruf: 04.07.2023). [4] Fraunhofer IML (2022): Gesamtvorhabensbeschreibung KI4autoBUS i.V.m. www.iml.fraunhofer.de/ de/ abteilungen/ b3/ Projektzentrum_Verkehrslogistik_Prien/ Referenzen/ kl4autobus.html (Abruf: 06.02.2023). [5] Wohin·Du·Willst: https: / / wohin-du-willst.de/ ueber-uns/ (Abruf: 07.02.2023). [6] Sutton, R. S.; Barto, A. G. (2018): Reinforcement learning: An introduction. MIT press. Leandra Rüpplein, M.Sc. Consultant for digital public transport solutions, Q_PERIOR AG, München leandra.ruepplein@q-perior.com Thomas Huber, Dr. Leiter Innovative Verkehrskonzepte, R.RS-BY-VV, DB Regio Bus, Ingolstadt thomas.ta.huber@deutschebahn.com Julian Wagner, Dr. rer. nat. Senior Data Scientist, qdive GmbH, München julian.wagner@qdive.io Nicole Wagner-Hanl, M.A. Konsortialleitung und wissenschaftliche Begleitung KI4auto- BUS, Projektleiterin Mobilität und Digitalisierung, Fraunhofer- Institut für Materialfluss und Logistik IML, Prien am Chiemsee nicole.wagner-hanl@iml.fraunhofer.de KONTAKT Messe Berlin GmbH Messedamm 22 · 14055 Berlin T +49 30 3038 3131 innotrans@messe-berlin.de THE FUTURE OF MOBILITY Anmeldeschluss für Aussteller: 22. September 2023 InternationalesVerkehrswesen_InnoTrans2024_102x297_de.indd 1 InternationalesVerkehrswesen_InnoTrans2024_102x297_de.indd 1 25.07.2023 08: 03: 43 25.07.2023 08: 03: 43 Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 56 Nutzung von Lastenrädern und Fahrradanhängern Analyse der Hemmnis- und Förderfaktoren zur Nutzung von Lastenrädern und Fahrradanhängern im privaten Bereich Lastenrad, Fahrradanhänger, Nachhaltigkeit, Mobilität, Nutzungsbedürfnisse, Verkehrswende Lastenräder und Fahrradanhänger besitzen großes Potenzial, um die Beförderung von Personen und den Transport von Lasten nachhaltiger zu gestalten. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Fahrradanhänger werden oft nachrangig behandelt, sind aber insbesondere für einkommensschwache Gruppen eine attraktive und praktische Alternative. Eine Förderung über Kaufprämien wäre sinnvoll. Diese Studie basiert auf einem großen Stichprobenumfang von n = 3.654 Befragten, wobei n = 1.236 bevölkerungsrepräsentativ per Telefon und n=2.418 als Lastenradbzw. Fahrradanhängernutzende online befragt wurden. Marc Schelewsky, Josephine Steiner, Hannah Eberhardt, Eileen Niehaus, Tom Weber L astenräder und Fahrräder mit Anhängern erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Sie sind flexibel nutzbar, können alltägliche Transport- und Mitnahmebedürfnisse erfüllen und unterstützen zudem ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten. In den letzten Jahren sind die Verkaufszahlen deutlich gestiegen. Der Zweirad-Industrie-Verband ZIV beziffert die Zahl der verkauften Lastenräder im Jahr 2022 mit 212.800 Stück 1 . Zu den verkauften Fahrradanhängern gab es 2022 erstmals Marktzahlen. Im Jahr 2022 wurden 293.000 Fahrradanhänger verkauft. In Großstädten gehören Lastenräder und Fahrradanhänger inzwischen zum gewohnten Straßenbild. Doch bisher wurde das tatsächliche Marktpotenzial, Nutzungsanlässe und Einsatzzwecke wissenschaftlich kaum untersucht. Mit dem Forschungsprojekt „Potenzial von Lastenrädern und Fahrradanhängern - Analyse zur Anschaffung und Nutzung im privaten Bereich“ soll diese Lücke geschlossen werden. Ein weiteres Ziel besteht in der Ableitung von Handlungsansätzen und Fördermaßnahmen, um Nutzungshürden und Zugangshemmnisse abzubauen. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Studie im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), welche von den Partnern Nuts One, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft, Cargobike.jetzt und Verkehr mit Köpfchen bearbeitet wird. In diesem Beitrag werden erste Teilergebnisse des Projekts vorgestellt. Foto: Piksel/ iStock MOBILITÄT Radverkehr Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 57 Radverkehr MOBILITÄT Methodisches Vorgehen Im Zentrum des Vorhabens steht eine empirische Untersuchung mit qualitativen und quantitativen Methoden. Zunächst werden im Folgenden die Ergebnisse der quantitativen Erhebung unter Nutzenden und Nicht- Nutzenden vorgestellt. Die bevölkerungsrepräsentative Befragung wurde als telefonische Befragung (Dual-Frame-Design im ADM-Standard) durchgeführt. Dabei wurden n = 1.236 vollständige Interviews erhoben, darunter befanden sich n-=-95 Interviews mit Nutzenden eines Lastenrads oder Fahrradanhängers. Die vertiefende Befragung der Nutzenden wurde mit einem Convenience-Sample als nicht-repräsentative Online-Befragung umgesetzt. Durch eine breit angelegte Informationskampagne konnten insgesamt n- =2- .418 vollständige Interviews erhoben werden. Für beide Erhebungen wurde ein einheitliches Erhebungsinstrument entwickelt. Die Befragungspersonen wurden über Filtersteuerung zu den relevanten Fragen geleitet. Die Feldphase dauerte vom 1. Juli bis zum 17. August 2022. Ergebnisse der Nutzerbefragung Zwei Drittel der befragten Nutzenden sind zwischen 30 und 49 Jahre alt und wohnen mit 89 % überwiegend in Stadtregionen. 44 % der Befragten besitzen einen Fahrradanhänger, 40 % ein Lastenrad und 16 % beides (vgl.Bild 1). Die Befragungsgruppe ist insgesamt durch ein hohes Haushaltsnettoeinkommen gekennzeichnet. 54 % der Lastenradnutzenden und 46 % der Nutzenden von Fahrradanhängern verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.000 EUR im Monat. Da die Befragung nicht repräsentativ ist, bleibt offen, ob die Struktur der Soziodemografie unter den Befragten ein Rekrutierungsartefakt darstellt oder kennzeichnend für die Gruppe der Lastenrad- und Fahrradanhängernutzenden ist. Bei den Befragten mit niedrigem Haushaltsnettoeinkommen, die in der Stichprobe allerdings nur schwach vertreten sind, überwiegt der Besitz von Fahrradanhängern mit 48 % gegenüber dem Besitz von Lastenrädern mit 34 %, 18 % besitzen beides. Bei den Befragten mit mittlerem oder höherem Einkommen sind die Anteile gleich ausgeprägt. Etwa jeder dritte befragte Lastenradnutzende hat für den Erwerb des Lastenrads eine Kaufprämie in Anspruch genommen, bei den Personen mit Fahrradanhänger sind es nur 2 %. Mit der Höhe des Haushaltseinkommens steigt auch der Anteil an den Personen an, die eine Kaufprämie in Anspruch genommen haben. Fast ein Viertel der Personen (23 %), die eine Kaufprämie erhalten haben, hätte den Kauf ohne diese Unterstützung nicht getätigt. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass ein erheblicher Teil (77 %) der Befragten sich auch ohne Kaufprämie ein Lastenrad hätte leisten können und dies auch getan hätte. Geringer Autobesitz Die befragten Nutzenden zeichnen sich durch einen geringen Autobesitz aus. 39 % steht kein Auto im Haushalt zur Verfügung. Etwas mehr als die Hälfte der befragten Personen aus autolosen Haushalten haben in der Vergangenheit ein Auto besessen und wiederum gut die Hälfte davon gibt an, das Auto durch ein Lastenrad oder einen Fahrradanhänger ersetzt zu haben. Daraus ergibt sich eine Substitutionsquote von 12 % (vgl.Bild 2). Das heißt, jeder achte befragte Nutzende hat sein Auto durch ein Lastenrad oder Fahrradanhänger ersetzt. Wird zwischen Lastenrädern und Fahrradanhängern differenziert, dann zeigt sich für Fahrradanhänger eine Substitutionsquote von 9 %, bei Lastenrädern von 13 %. Für die Kaufentscheidung von Lastenrädern und Fahrradanhängern trugen sowohl wertegeleitete als auch pragmatische Grün- Bild 1: Anteile Lastenrad und Fahrradanhänger sowie Bezugsquelle Alle Darstellungen: Autoren Bild 2: Autoverfügbarkeit und Substitution durch Lastenrad oder Fahrradanhänger Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 58 MOBILITÄT Radverkehr de bei: Umweltschutz, Transport von Lasten und die Mitnahme von Kindern sind die am häufigsten benannten Gründe. Größere Unterschiede zwischen Lastenrädern und Fahrradanhängern bestehen bei den Anschaffungsgründen vor allem bei den wertegeleiteten Gründen. Umweltschutzaspekte stellen beim Kauf von Lastenrädern den wichtigsten Grund dar, drei Viertel der Befragten geben dies an. Bei Fahrradanhängern ist es nur etwa die Hälfte. Die wichtigsten Anschaffungsgründe bei Fahrradanhängern bestehen im Lastentransport (56 %) und der Mitnahme von Kindern (52 %). Große Unterschiede zeigen sich ebenfalls bei den Eigenschaften „Platzsparsamkeit“, „Flexibilität“ und „Schnelligkeit“, die deutlich häufiger zum Kauf eines Lastenrads geführt haben als zum Kauf eines Fahrradanhängers. Verbesserungsbedarf bei der Infrastruktur Neben den positiven Eigenschaften wurden auch Probleme und Hemmnisse der Lastenrad- oder Fahrradanhängernutzung erfasst. Diese sind vor allem in einer noch unzureichenden oder fehlenden Infrastruktur zu sehen. „Fehlende oder schlechte Radwege“ werden dabei am häufigsten benannt (78 %). Etwa die Hälfte der Befragten benennt die „erschwerte Mitnahme im Zug“ als Nutzungshemmnis, wodurch Ausflüge, Besuche und ähnliche Aktivitäten mit Lastenrad und Fahrradanhänger deutlich eingeschränkt werden. Schließlich werden auch fehlende Abstellmöglichkeiten sowohl zu Hause als auch am Ziel (33 bzw. 21 %) als verbesserungsbedürftige Infrastruktur benannt. Die fehlenden oder schlechten Radwege haben Auswirkungen auf die große Unsicherheit im Verkehr, die von 38 % der Befragten als dritthäufigstes Problem benannt wurde (vgl. Bild 3). Die Unsicherheit resultiert einerseits aus der Infrastruktur selbst (Radwege zu schmal, nicht durchgängig, schlechte Oberflächen) und andererseits aus dem häufig fehlenden Abstand zum KFZ-Verkehr, u. a. durch fehlende bauliche Abgrenzungen. Die Ergebnisse der Nutzenden-Befragung zeigen, dass Lastenräder mit mehr positiven Eigenschaften versehen werden als Fahrradanhänger. Bei Lastenrädern scheint eine stärkere emotional-expressive Bindung zum Gegenstand zu bestehen, die sich bei Fahrradanhänger nicht zeigt. Fahrradanhänger sind Gebrauchsgegenstand, Lastenräder werden zusätzlich als Statussymbol wahrgenommen. Beide Verkehrsmittel sind aber im Alltag mit ähnlichen infrastrukturellen Problemen konfrontiert, die eine Nutzung einschränken, mitunter sogar verhindern können. Ergebnisse der Befragung von Nicht-Nutzenden Die Befragung der Nutzerinnen und Nutzer von Fahrradanhängern und Lastenrädern wurde durch eine repräsentative Nicht-Nutzenden-Befragung ergänzt. Da dabei auch Nutzende identifiziert wurden, verringert sich die Stichprobe der Nicht-Nutzenden auf n-=-1.141. Etwa drei Viertel der Befragten finden die Idee von Lastenrädern oder Fahrradanhängern gut, etwa ein Viertel könnte sich sogar eine Nutzung vorstellen. Unter den jüngeren Befragten zwischen 16 und 29 Jahren überwiegt das Interesse an Lastenrädern (46 gegenüber 36 %; 17 % sowohl als auch), wobei mit zunehmendem Alter das Interesse auf Fahrradanhänger wechselt. In der Gruppe der 50bis 64-Jährigen kann sich etwa die Hälfte die Nutzung von Fahrradanhängern vorstellen, aber nur 28 % die Nutzung von Lastenrädern (Bild 4). 24 % geben „sowohl als auch“ an. In ländlichen Regionen ist das Interesse ähnlich hoch wie in Stadtregionen, raumstrukturelle Unterschiede finden sich nur gering ausgeprägt. Die positiven Eigenschaften von Lastenrädern und Fahrradanhängern werden in der praktischen Alltagsnutzung gesehen sowie in der Nachhaltigkeit, als Reaktion auf hohe Kraftstoffpreise oder als Alternative zum Auto. Großes Interesse auch an Fahrradanhängern Bei den Befragten, die sich eine Nutzung vorstellen können, überwiegt das Interesse an Fahrradanhängern mit 39 % leicht gegenüber Lastenrädern mit 34 %. 22 % geben sowohl als auch an. Als Nutzungsvoraussetzung werden infrastrukturelle Argumente benannt, z. B. wenn auf den relevanten Strecken gut Rad gefahren werden könne (88 %) oder auch die Abstellmöglichkeiten besser wären (78 %). Ebenso wäre der Verzicht oder Ersatz des eigenen Autos ein relevanter Anlass für einen Nutzungsbeginn (78 bzw. 76 %). Die relevanten Nutzungsanlässe sind der Transport von Einkäufen, die Nutzung für Ausflüge sowie die Mitnahme von Kindern oder Tieren. Kauf und gemeinschaftliche Nutzung Rund die Hälfte der Befragten mit Nutzungsinteresse gibt den Kauf als die präferierte Zugangsart an. Mit 35 % kann sich noch jeder Dritte eine gemeinschaftliche Nutzung, z. B. in Hausgemeinschaften vorstellen. Die hohen Zustimmungswerte einer gemeinschaftlichen Nutzung liegen vermutlich in den geteilten Anschaffungs- und Wartungskosten bzw. Wartungsarbeiten begründet, die sich auf mehrere Parteien verteilen. Bei der Umsetzung von geteilten Fuhrparks in Hausgemeinschaften könnte Bild 3: Probleme und Hemmnisse bei Lastenrad- oder Fahrradanhängernutzung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 59 Radverkehr MOBILITÄT dies in Zukunft berücksichtigt werden. Sharing- oder Leasingangebote stoßen in der repräsentativen Erhebung eher auf geringes Interesse, wobei die mittleren Altersgruppen zwischen 30 und 64 Jahren mit rund 15 % sich auch für Sharing-Angebote interessieren. Ein Vergleich der erhobenen Zahlungsbereitschaften mit den am Markt bestehenden Preisen zeigt jedoch eine gewisse Spannung und erklärt den bislang eher überschaubaren Sharing-Markt für Lastenräder. Für Fahrradanhänger existiert kein Sharing-Angebot, was unter anderem auf technische Anforderungen (interoperable Kupplung) zurückzuführen ist. Aber auch für den Kauf eines Lastenrads oder eines Fahrradanhängers geben die Befragten eine Zahlungsbereitschaft unter den marktüblichen Preisen an. Rund ein Viertel der Befragten gibt an, ihre Mobilitäts- und Transportbedürfnisse, die sie derzeit mit dem Auto erfüllen, durch ein Lastenrad oder einen Fahrradanhänger substituieren könnten. In Stadtregionen ist dieser Anteil mit 27 % deutlich höher als in ländlichen Regionen mit 16 %. Hier zeigt sich ein großes Potenzial, Lastenräder oder Fahrradanhänger als einen Baustein nachhaltiger Mobilität zu etablieren. Zusammenfassung und Ausblick Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass sowohl Lastenräder als auch Fahrradanhänger für die Nutzerinnen und Nutzer vielseitig einsetzbare Verkehrsmittel darstellen und dass sie sich gut in den Alltag integrieren lassen. Gleichzeitig konnte hier aufgezeigt werden, dass in der Bevölkerung in Deutschland ein hohes Interesse sowie eine hohe Nutzungsabsicht von Lastenrädern und Fahrradanhängern besteht. Sowohl die aktuell schon Nutzenden als auch die potenziell Nutzenden benennen ähnliche Probleme, die einer umfassenden Nutzung entgegenstehen. Dazu zählt insbesondere die fehlende oder unzureichende Fahrradinfrastruktur, die nicht nur Radwege betrifft, sondern auch Abstellmöglichkeiten oder die Mitnahme im Zug. Entsprechende Verbesserungen im ruhenden und fließenden Verkehr kämen daher nicht nur den aktuellen Nutzenden von Lastenrädern und Fahrradanhängern zugute, sondern dem Radverkehr insgesamt. Eine wichtige Erkenntnis der Befragungen liegt in der großen Verbreitung von Fahrradanhängern. In der öffentlichen Wahrnehmung und der Förderlandschaft werden sie bisweilen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Die Befragungsergebnisse zeigen auf, dass mit Fahrradanhängern andere Zielgruppen erschlossen werden können, insbesondere Haushalte mit eher niedrigem Einkommen. Deshalb wäre eine Unterstützung der Anschaffung von Fahrradanhängern analog zu Kaufprämien bei Lastenrädern ein wichtiger Ansatzpunkt, mehr Menschen zur Nutzung zu motivieren. Das Verkehrswendepotenzial von Lastenfahrrädern und Fahrradanhängern in der privaten Nutzung ist hoch. Die Befragung konnte bereits jetzt eine zweistellige Substitutionsquote des Autos bei den aktuell Nutzenden aufzeigen. Dabei wurde nicht betrachtet, ob ein Zweit- oder Drittwagen durch den Kauf eines Lastenrads oder Fahrradanhängers abgeschafft wurde oder der Erwerb eines Lastenrads oder Fahrradanhängers den Kauf eines neuen Autos verhindert hat. Die tatsächliche Substitutionsquote dürfte damit höher liegen. Eine Förderung von Lastenrädern, aber auch von Fahrradanhängern könnte ein wesentlicher Ansatzpunkt sein, weitere Personen in eine Nutzung zu überführen und dadurch mehr Transport- und Mitnahmefahrten vom PKW auf den Radverkehr zu verlagern. Dies gilt unabhängig davon, ob sie im ländlichen oder städtischen Raum wohnen. ■ 1 www.ziv-zweirad.de/ fileadmin/ redakteure/ Downloads/ Marktdaten/ ZIV_Marktdatenpraesentation_2023_fuer_ GJ_2022.pdf Eileen Niehaus Projektleiterin, Cargobike.jetzt GmbH, Berlin eileen.niehaus@cargobike.jetzt Tom Weber Mobilitätsforscher, Nuts One GmbH, Berlin tom.weber@nuts.one Hannah Eberhardt Inhaberin, Verkehr mit Köpfchen, Heidelberg h.eberhardt@verkehr-mitkoepfchen.de Josephine Steiner Senior-Projektleiterin, Nuts One GmbH, Berlin josephine.steiner@nuts.one Marc Schelewsky Senior-Projektleiter, infas Institut für-angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Berlin m.schelewsky@infas.de Bild 4: Allgemeines Nutzungsinteresse nach Altersgruppen Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 60 MOBILITÄT Verkehrswende Nachhaltiges Wachstum statt Massenmotorisierung Das Verkehrssystem von Ruandas Hauptstadt Kigali steht vor-Umbrüchen Ruanda, Verkehrswende, Elektromobilität, Mobility-as-a-Service, Nachhaltigkeit, Fachkräfte Ruandas Hauptstadt Kigali muss verkehrspolitische Weichen stellen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit untersucht das Potenzial, die Flottenelektrifizierung durch Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen. Dadurch sollen auch mehr und bessere Jobs im Verkehrswesen geschaffen werden. Florian Krummheuer L eistungsfähige Verkehrssysteme sind eine wichtige Voraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft und damit Grundlage für wachsenden Wohlstand. Sie ermöglichen eine gute Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, Absatzmärkten und Freizeitangeboten. Auch der Bau und Betrieb von Infrastruktur, Verkehrsangebote und die Fahrzeugindustrie treiben die Konjunktur an und sorgen für Jobs. Hier setzt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an. Die Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zielt darauf ab, gemeinsam mit Unternehmen gute Arbeitsplätze in acht afrikanischen Partnerländern zu schaffen sowie die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern. Im Rahmen der Sonderinitiative, die unter der Marke Invest for Jobs auftritt, nimmt die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH dabei auch die Verkehrsbranche in Ruanda in den Fokus. Dieser Artikel beruht auf einer von der GIZ beauftragten Machbarkeitsstudie zu Beschäftigungseffekten von Mobility-as-a-Service-Angeboten (MaaS) in Kigali 1 . Neben der wirtschaftlichen Entwicklung und mehr Beschäftigung sind auch andere entwicklungspolitische Nachhaltigkeitsziele zu beachten. Gerade der Verkehrssektor ist tückisch. Denn Verkehr führt als selbstverstärkender Motor für wirtschaftliche Entwicklung regelmäßig zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch und mehr Umweltbelastung. Viele sich entwickelnde Volkswirtschaften leiden unter erheblichen Verkehrsproblemen. Besonders die Metropolen ersticken im Verkehrsinfarkt. Ruanda kennt diese Probleme noch nicht. Über zwei Drittel der etwa 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des kleinen Binnenstaates leben vom Ackerbau in Subsistenzwirtschaft. Doch das jährliche Wirtschaftswachstum lag im vergangenen Jahrzehnt im Schnitt bei etwa 7 %. Die Weltbank nennt die Fortschritte eindrucksvoll und sieht Ruanda auf einem guten Weg zu einem Land mittleren Einkommens bis 2035. 2 Heute werden die meisten Wege im agrarisch geprägten Land noch zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt (vgl. Bild 1). Mit rund 100.000 Fahrzeugen ist die Motorisierung gering, sodass selbst in der Hauptstadt Kigali Staus noch eine Seltenheit sind 3 . Angesichts der positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in den letzten Jahren prägt sich zunehmend eine Mittelschicht aus. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass damit der Weg in die Massenmotorisierung vorgezeichnet ist. Eine kluge Verkehrsplanung und der Einsatz neuer Technologien könnten aber ein besser organisiertes Verkehrssystem ermöglichen und gleichzeitig gute Arbeitsplätze im Verkehrswesen schaffen. Verkehrssystem in Kigali Kigali liegt im Bergland Zentralafrikas und hat etwa 1,7 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner. Die Bebauung ist noch wenig dicht: Zwischen den Ortsteilen auf den zahlreichen Hügeln liegen Gärten, landwirtschaftliche Flächen oder Überflutungsbereiche. Mehrstöckige Wohnhäuser prägen erst allmählich das Stadtbild. Ein Großteil der Bevölkerung bewegt sich innerhalb der Nachbarschaften und ganz überwiegend zu Fuß. Die Nutzung öffentlicher Busse, Motorrad-Taxis (Motos) oder Taxen ist für weite Teile der Bevölkerung finanziell nur selten möglich 4 . In den letzten Jahren wurde das Straßennetz der Stadt modernisiert. Befestigte, teils vierspurige Straßen mit Gehwegen und guter Beleuchtung, Kreuzungen mit modernen Lichtsignalanlagen sowie zahlreiche Blitzer sorgen für einen flüssigen Straßenverkehr und eine regelkonforme Fahrweise. Schotterstraßen werden eine Seltenheit. Radwege sind allerdings kaum vorhanden. Besteller-Ersteller-Strukturen beim-Bus Das umfangreiche Busliniennetz wird von drei Unternehmen betrieben. Sie gingen Bild 1: Berufsverkehr in Kigali: Durch den hohen Fußverkehrsanteil sind Staus eine Seltenheit. Alle Bilder: Autor Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 61 Verkehrswende MOBILITÄT durch eine immer strengere Regulierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aus einer Vielzahl von Kleinst-Busunternehmen hervor. Die staatliche Regulierungsbehörde RURA und die Stadt Kigali sorgen so für ein abgestimmtes und am öffentlichen Verkehrsinteresse orientiertes Angebot. Es ist angedacht, die Busverkehrsleistungen in Zukunft in öffentlichen Vergabeverfahren auszuschreiben 5 . Busfahrscheine müssen digital über ein Smart-Card-System erworben werden. Einen Barverkauf gibt es nicht. Das Bussystem ist zuverlässig, allerdings für Außenstehende recht intransparent. Es fehlen Fahrgast- Apps, Aushangfahrpläne oder Linienpläne. Weitere Massenbeförderungsmittel wie Bus-Rapid-Transit, Straßenbahnen oder Seilbahnen fehlen derzeit noch, erste Planungen hierfür sind noch sehr vage. Shared Mobility etabliert Kigali lebt geteilte Mobilität: Ein Großteil der Autos und Motorräder in der Stadt ist als Taxi bzw. Moto im Einsatz, also Teil des öffentlichen Verkehrssystems. Als Moto werden Motorrad-Taxen bezeichnet, bei denen die Passagierin oder der Passagier auf dem Soziussitz mitgenommen wird. Das Moto- Angebot ist ubiquitär, rund um die Uhr verfügbar. Insgesamt verkehren 30.000 Motos in Kigali. Das System erfreut sich großer Beliebtheit, ist aber wenig komfortabel und - trotz konsequent eingehaltener Helmpflicht - auch unfallträchtig (Bild 2). Daneben fahren zahlreiche Taxen durch die Stadt. Die Fahrerinnen und Fahrer sind zumeist selbstständig oder bei Kleinstunternehmen angestellt. Sie wurden durch die Regulierungsbehörde RURA mit Smartphone-basierten Taxametern und einem Online-Buchungssystem des indischen Dienstleisters Yego ausgestattet. Allerdings ist - wohl auch wegen der hohen Provisionen für den Dienstleister - die Bereitschaft der Fahrerinnen und Fahrer gering, das Angebot hierüber zu buchen. Auch die Moto-Fahrerinnen und -Fahrer sind in das Yego-System prinzipiell eingebunden. Doch auch hier ist die Buchung per App unüblich und angesichts der guten Verfügbarkeit dieses Angebotes auch unnötig. Einen etwas höherwertigen Fahrdienst betreibt seit einigen Jahren der Volkswagenkonzern unter der Marke Move. Er setzt dazu festangestellte Fahrerinnen und Fahrer in fabrikneuen, vor Ort endmontierten Kleinwagen aus dem Konzernportfolio ein (vgl. Bilder 3 und 4). Ein bescheidenes, stationsbasiertes Bike- Sharing-System unter der Marke Gura-Ride wird kaum genutzt (Bild 5). Die Fahrräder können nach einer Buchung per App nur an wenigen Stationen ausgeliehen werden. Die geringe Anzahl an Stationen und Rädern, die hohen Distanzen zwischen den Stationen, die bergige Topografie der Stadt und die mangelhafte Radverkehrsinfrastruktur machen Bike-Sharing mäßig attraktiv. Geteilte E-Fahrräder oder -Roller sind in Kigali derzeit noch nicht zu finden. Eine Mobility-as-a-Service-App, mit der die verschiedenen kleinteiligen Mobilitätsangebote aggregiert beauskunftet und gebucht werden, gibt es nicht. Seitens der Anbieter ist die Kooperationsbereitschaft eher gering, allerdings sehen Stadt und Regulierungsbehörden die Vorzüge einer Integration durch eine Mobilitätsplattform und wollen solche Angebote initiieren. Seltener Luxus: Private PKW Auf den Straßen Kigalis dominieren geteilte Verkehrsmittel, also Motos, Taxen und Busse. Zusätzlich fallen Autos (internationaler) Unternehmen oder Organisationen, öffentlicher Institutionen und die wenigen Fahr- Bild 2: Bei Motorrad-Taxen (Moto) fährt der Fahrgast auf den Soziussitz mit - sie bilden das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Kigali. Bilder 3 und 4: Taxen und Motos können über die Apps von Yego (Bild 3) und VW Move (Bild 4) oder - oftmals einfacher - am Straßenrand geordert werden. Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 62 MOBILITÄT Verkehrswende zeuge einer kleinen Oberschicht auf. Abgesehen davon, dass sich viele ein Auto finanziell nicht leisten können, verhindern auch verschiedene ordnungspolitische Maßnahmen die Motorisierung der breiteren Bevölkerung. Beispielsweise ist der Import von PKW mit hohen Zöllen belegt und an relativ hohe Umweltstandards gebunden, Gebrauchtwagen dürfen ein bestimmtes Alter nicht überschreiten und sogar ein Verbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor wird diskutiert. Hinzu kommt, dass Treibstoff mit etwa 1,50 EUR je Liter sehr teuer ist, gerade im Verhältnis zu den geringen Einkommen. Der fehlende Zugang zum Meer macht den Treibstoff-Import per LKW aus den Häfen am Indischen Ozean nötig. Strategie für wachsende Verkehrsnachfrage Die Verfügbarkeit verkehrsplanerischer Daten ist in Ruanda begrenzt. Zwar setzten internationale Ingenieurbüros schon Verkehrsmodelle für Infrastrukturprojekte ein, jedoch fehlt es an Grundlagen wie Haushaltsbefragungen oder anderen Daten zur Verkehrsnachfrage 6 . Der zunächst positive Eindruck vom scheinbar modernen und leistungsfähigen Straßennetz und den guten Dienstleistungen durch Bus, Taxi und Motos sollte nicht täuschen. Die Verkehrsleistung ist gering. Weit über 80 % aller Arbeitswege werden zu Fuß oder per Rad zurückgelegt, Arbeits- und Schulwege sind überwiegend kürzer als 2 km. Mit steigendem Einkommensniveau und einer zunehmenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierung muss mit steigenden Distanzen und neuen Erreichbarkeitserfordernissen gerechnet werden. Das Verkehrsaufkommen wird auch aufgrund der wachsenden Bevölkerung zunehmen. Dafür ist das Verkehrssystem nicht ausgelegt, trotz ambitionierten Straßenbaus in den letzten Jahren. Wie sich die verlagerten und zunehmenden Verkehre auf PKW, ÖPNV und Sharing- Dienste verteilen wird, ist abhängig von den heute zu treffenden verkehrspolitischen Weichenstellungen. Es fehlen in Kigali leistungsfähigen Lösungen für Verkehrsbedürfnisse, die über die heute verbreiteten kleinräumigen Wegebeziehungen hinausgehen und gleichzeitig auch bei geringem Einkommen erschwinglich sind. Ein leistungsfähiges, abgestimmtes Gesamtsystem ist nötig. Auf das Auto kann dabei nicht gesetzt werden, denn es ist nur für wenige Menschen finanzierbar, nicht nachhaltig und auch in Ruanda politisch ungewollt. Daraus ergeben sich zwei Ansatzpunkte: •• Für die großen Verkehrsmengen werden Massenverkehrsmittel benötigt. •• Für mehr Komfort und Flexibilität können zusätzliche MaaS-Angebote sinnvolle Ergänzungen sein. So könnte ein System entstehen, das Mobilität ermöglicht und eine Massenmotorisierung begrenzt (vgl. Bild 6). Invest for Jobs fördert den Jobmotor Mobilitätbranche Unter der Marke Invest for Jobs hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine Reihe von Angeboten gebündelt, um deutsche, europäische und afrikanische Unternehmen bei ihrem beschäftigungswirksamen Engagement in Afrika zu unterstützen. Die Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ bietet umfassende Beratung, Kontakte und finanzielle Unterstützung zur Beseitigung von Investitionshemmnissen. Das entwicklungspolitische Ziel ist es, gemeinsam mit Unternehmen gute Arbeitsplätze in acht afrikanischen Partnerländern zu schaffen sowie die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern. Die Sonderinitiative wird unter anderem von der GIZ umgesetzt, welche sich in diesem Kontext mit Kigalis Verkehrssystem befasst. Invest for Jobs hat keinen Fokus auf nachhaltige Mobilität, strebt jedoch mit dem Ansatz einer Just Transition an, Klima- und Umweltschutz mit der Schaffung guter Jobs zu verbinden. Angesichts der Bedeutung von Verkehr und Mobilität ist es naheliegend, diesen Sektor näher zu betrachten. Denn der absehbar steigende Verkehr wird neue, potentielle Arbeitsplätze mit sich bringen. Mit MaaS-Angeboten wurde ein relevanter Teilmarkt identifiziert, in dem sich Invest for Jobs engagieren kann. Digitalisierung ist kein Job Motor So wurde das Beschäftigungspotenzial durch neue digitale Mobilitätsangebote untersucht. Insbesondere digitale Plattformgeschäftsmodelle im Sinne eines Mobility-asa-Service-Ansatzes scheinen attraktiv, um schnell viele Jobs zu schaffen und die Digitalisierung des Verkehrssystems zu fördern. Die Untersuchung zeigte aber: Im Moto- und Taxi-Gewerbe dürfte die Einführung Bild 5: Bikesharing-Station vor dem Rathaus in Kigali Verkehrsaufkommen Wirtschaftswachstum (Zeit) Mobility-as-a-Service ÖPNV Private PKW Bild 6: Der Ausbau von Alternativen zum Auto könnte die Massenmotorisierung abmildern. Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 63 Verkehrswende MOBILITÄT digitaler Buchungsplattformen kaum Beschäftigungseffekte haben oder sogar nachteilige Entwicklungen auslösen: •• Durch die vielen Taxen und vor allem Motos ist dieses Mobilitätsangebot überall im Stadtgebiet einfach und für alle zugänglich. Eine Buchung per App würde kaum Verbesserungen für Fahrgäste bieten. •• Die Benutzungsgebühren digitaler Plattformen (Provisionen) würden die Transaktionskosten erhöhen und damit die ohnehin geringen Margen der Fahrerinnen und Fahrer bzw. das Budget der Fahrgäste belasten. •• Die effizientere Nutzung von Fahrzeugen und Fahrtanbietern durch Algorithmen könnte die benötige Flottengröße kurzfristig sogar reduzieren und so Jobs vernichten. Auch im Bereich des Bike-Sharing, im Autovermietungsmarkt oder bei Plattformen für integrierte Reiseauskünfte zeigte sich, dass die Anzahl möglicher neuer Jobs zu gering, die Qualifikationsanforderungen zu speziell und eine praktische Umsetzung von Förderungen zeitnah zu schwierig wäre. Aktuell hoher Bedarf an E-Fahrzeug-Expertise Bei der Elektrifizierung der Flotten hingegen besteht ein hoher Bedarf an Arbeitskräften und deren Ausbildung - insbesondere in jungen, innovativen, kleinen Unternehmen. Die Dekarbonisierung der Moto-Flotte hat begonnen. Lokale Unternehmen haben hier Geschäftsmodelle entwickelt: Electric Motors Rwanda etwa rüstet vorhandene Motorräder von Benzinauf E-Antriebe um und baut, ähnlich wie der örtliche Wettbewerber Ampersand Solar, sogar vor Ort elektrische Motorräder komplett neu. Beide Unternehmen setzten auf Wechsel-Akkus und betreiben dazu innerhalb der Stadt Tauschstationen (Bild 7). Für die Fahrerinnen und Fahrer ist die Umrüstung vor allem wegen der hohen Kosten fossiler Treibstoffe attraktiv. Eine Finanzierung über Kleinkredite vermitteln lokale Agenturen. Diese junge Fahrzeugindustrie benötigt Arbeitskräfte in den Werksstätten, beim Service und für IT-Fragen. Denn das spezifische Wissen zu Elektrik und Elektronik ist bei Bewerberinnen und Bewerbern kaum vorhanden. Daher untersucht die GIZ im Rahmen von Invest for Jobs das Potenzial, in Kooperation mit Unternehmen und Bildungspartnern die Fortbildung von E-Mobilitätsexpertinnen und -Experten zu unterstützen. Dieses Investment ist nachhaltig, denn die Emission von Treibhausgasen wird reduziert, die Luftreinhaltung vor Ort verbessert und auch Frauen werden ausdrücklich beteiligt. Eine wachsende Anzahl an E-Mobilitätsexpertinnen und -experten hilft Kigali auch bei der notwendigen Transformation des gesamten Verkehrssystems. Denn das erlernte Wissen lässt sich auch auf die Busflotte, E-Fahrräder und andere elektrische Verkehrsmittel übertragen. Blaupause für Wachstum ohne Verkehrsinfarkt Damit es Kigali gelingt, mehr Wohlstand zu schaffen und gleichzeitig den Verkehrsinfarkt zu vermeiden, müssen Mobilitätsanbieter, Industrie und Unternehmen, Arbeitsmarkt und Politik an einem Strang ziehen. Bei diesen Herausforderungen sollten Ruanda und Kigali Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erfahren. Denn in diesem kleinen Land lässt sich aufgrund einer günstigen Ausgangssituation mit starken Institutionen, kreativen Unternehmen und einer an nachhaltigen Mobilität ernsthaft interessierten Politik eine Blaupause schaffen: Wenn es gelingt, wachsenden Wohlstand vom Einstieg in die Massenmotorisierung zu entkoppeln, kann das ein übertragbarer Ansatz weltweit werden. Das lokale Engagement von Invest for Jobs bei der Qualifikation von Elektromobilitätsexperten wäre in dem Kontext nur ein kleiner Beitrag. Er würde aber an einer interessanten Schnittstelle ansetzen, bei der die Wechselwirkungen zwischen Wohlstand und Verkehrssystem offensichtlich werden. Gerade bei den Elektro-Moto-Herstellern lassen sich Innovationen im Verkehrssystem mit der Schaffung guter Arbeitsplätze verbinden. ■ Florian Krummheuer, Dr. Gründer und Inhaber, pluto.M, Berlin krummheuer@pluto-m.de Bild 7: Jobmotor Flottenelektrifizierung: Akku-Tauschstation des Anbieters Ampersand Solar Invest for Jobs ist stets interessiert an neuen Partnerschaften. Fragen zu Geschäftschancen und Projektideen, lokalen Partnern und passenden Fördermöglichkeiten vor Ort können Sie gerne an rwanda@invest-for-jobs.com richten. 1 Krummheuer, F. (2023): Feasibility Study - Mobility Service and Car Rental Sector in Rwanda. Hrsg.: Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Bonn/ Eschborn. 2 Worldbank 2023: www.worldbank.org/ en/ country/ rwanda/ overview 3 National Institute of Statistics NISR (2020): Statistical Yearbook 2020. Kigali. 4 City of Kigali (2020): Transport Plan - Kigali Master Plan 2050. 5 Institute for Transportation and Development Policy (2021): Bus reforms in Kigali https: / / africa.itdp.org/ bus-reform-in-kigali 6 City of Kigali (2020): Transport Plan - Kigali Master Plan 2050. Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 64 MOBILITÄT Digitalisierung Die Kunden und das Klima wollen es Ticketing, Digitale Services, Mobilitätsplattform, Mobilitätsbudget Von Mobilitäts-Apps und virtuellen Kundenzentren bis hin zu Mobilitätsplattformen und Mobilitätsbudgets: Der öffentliche Nahverkehr muss sich umfassend digitalisieren, um zukunftsfähig zu sein. Moderne IT-Lösungen helfen dabei, schnell in die Digitalisierung einzusteigen und sie flexibel auszubauen. Martin Timmann A uch für den öffentlichen Nahverkehr führt heute kein Weg mehr an der Digitalisierung vorbei. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Einkaufen im Online- Shop, Bankgeschäfte per App erledigen, den Urlaub im Reiseportal buchen: Die Menschen sind heute aus allen Lebensbereichen digitale Services gewöhnt, deshalb betrachten sie es als Selbstverständlichkeit, auch mit ihren Verkehrsunternehmen digital interagieren zu können. Die Corona-Pandemie hat diese Erwartungshaltung noch einmal nachhaltig und unumkehrbar verstärkt. Hinzu kommt das Deutschlandticket. Es setzt öffentliche Verkehrsunternehmen einem ganz neuen Wettbewerb aus. Nur wenn sie ihren Kunden einen einfachen digitalen Weg zum Deutschlandticket eröffnen, können sie ihre Bestandskunden binden und Abo-Einnahmen sichern. Nicht zuletzt liegt die Digitalisierung des ÖPNV aber auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Digitale Services können Menschen die Nutzung alternativer Verkehrsmittel so einfach wie möglich machen und sie so dazu bringen, ihre Autos öfter stehen zu lassen. Das macht die Digitalisierung zu einem großen Hoffnungsträger für die Verkehrswende und den Kampf gegen den Klimawandel. Mobilitäts-App und Abo-Online- Service Konkret haben Verkehrsunternehmen zahlreiche Möglichkeiten zur Digitalisierung ihres Vertriebs - die wichtigste stellen Mobilitäts-Apps dar (Bild 1). Sind sie richtig konzipiert, ermöglichen sie Fahrgästen, intuitiv mit wenigen Klicks die gewünschten Tickets zu finden und zu buchen. Ein Ticketkatalog führt Kunden, die sich mit den Tarifen schon auskennen und genau wissen, welchen Fahrschein sie möchten, schnell zum Ziel. Eher sporadischen Fahrern ist dagegen mit einem Ticketkauf aus der integrierten Fahrplanauskunft heraus über die Start-Ziel-Anfrage am besten geholfen. Auch zu flexiblen ÖPNV-Angeboten wie etwa On-Demand-Shuttles können Mobilitäts-Apps einen unkomplizierten Zugang ermöglichen. Fahrgäste müssen nur den gewünschten Abfahrtszeitpunkt und das Ziel eingeben, dann werden ihnen - je nach umgesetztem Modell - unmittelbar die nächstgelegenen Abfahrtshaltestellen angezeigt oder sie werden an ihrem Wunschort abgeholt. Abos rund um die Uhr und völlig ortsunabhängig bestellen und verwalten: Das können Verkehrsunternehmen ihren Kunden mit Abo-Online-Services ermöglichen. Über virtuelle Self-Service-Kundenzentren können Fahrgäste am PC zuhause und im Büro oder unterwegs per Smartphone und Tablet ihre Fotos und Berechtigungsnachweise hochladen oder ihre Kunden- und Vertragsdaten umfassend verwalten. Auch die Ausgabe von Abos als Printticket oder mobiles Handyticket ist möglich. Bild 1: Als Kunde sein Abo rund um die Uhr und völlig ortsunabhängig verwalten - das geht mit Abo-Online- Lösungen. Quelle: HanseCom Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 65 Digitalisierung MOBILITÄT Mobilitätsplattform und Mobilitätsbudget Mobilität nicht nur von Haltestelle zu Haltestelle, sondern von Tür zu Tür, können Verkehrsunternehmen ihren Kunden mit Mobilitätsplattformen bieten. Dazu führen diese Plattformen alle erforderlichen Verkehrsmittel zentral zusammen: von klassischen ÖPNV-Angeboten wie Bus und Straßenbahn bis hin zu Leihfahrrädern, E-Scootern oder Carsharing-Autos. Dabei müssen gar nicht alle Angebote von den Verkehrsunternehmen selbst, sondern können auch von Drittanbietern stammen. Die Nutzer können auf alle Angebote mit einem einzigen digitalen Kanal wie etwa einer Moblitäts-App integriert zugreifen und sie flexibel zu kompletten Reiseketten kombinieren: etwa mit dem E-Scooter zur S-Bahn, mit der S-Bahn dann so nahe wie möglich zum Ziel und schließlich mit dem Leihfahrrad den Rest des Weges. Diese Mobilität von Tür zu Tür können sie ganzheitlich routen, buchen und bezahlen - mit einer einzigen Registrierung und ohne Absprünge in Systeme von Drittanbietern. Verkehrsunternehmen haben sogar die Möglichkeit, noch einen Schritt weiter zu gehen und Komplementärservices zu integrieren: beispielsweise regionale Dienste oder Stadtwerke-Services wie Parktickets oder Stromtanken und Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen oder Sportaktivitäten. Dann haben die Nutzer die Möglichkeit, zusätzlich zur Reisekette auch gleich das Reiseziel mit zu buchen. Gewissermaßen die Business-Variante von Mobilitätsplattformen sind Mobilitätsbudgets. Sie erlauben es Unternehmen, im Rahmen ihres betrieblichen Mobilitätsmanagements eine attraktive und umweltfreundliche Alternative zum Firmenwagen anzubieten. Mit Mobilitätsbudgets können sich Mitarbeiter ebenfalls über eine einfache Oberfläche die situativ benötigte Mobilität integriert zusammenstellen. Neben dem ÖPNV und lokaler Mikromobilität haben sie dabei auch den Fernverkehr zur Auswahl, um ihre Geschäftsreisen abzudecken (Bild 2). Wichtig für den Erfolg von Mobilitätsbudgets ist sicher auch, dass die Mitarbeiter damit ähnliche Möglichkeiten zur privaten Nutzung haben, wie das bei Firmenwagen der Fall ist, also sie etwa auch in ihrer Freizeit nutzen oder ihre Familien mitnehmen können. Dazu müssen noch die entsprechenden Gesetze und steuerlichen Grundlagen angepasst werden. Lösungen für das Deutschlandticket Für das Deutschlandticket können Verkehrsunternehmen eigene Apps und Abo- Online-Services starten oder das Ticket in bereits vorhandene Lösungen integrieren. Sie können ihren Kunden dabei zwei Möglichkeiten bieten, das Deutschlandticket bei ihnen zu erwerben und die zugehörigen Abonnements zu verwalten: per Abo-Online oder mit der mobilen App. Unabhängig davon, welchen digitalen Vertriebsweg die Kunden wählen, können Verkehrsunternehmen ihnen das Ticket immer automatisch auf deren Smartphone-App ausgeben oder als Chipkarte zuschicken. Betreiben Unternehmen bereits eine Mobilitätsplattform oder unterstützen Mobilitätsbudgets, sollten sie das Deutschlandticket in diese Angebote integrieren. Wenn ein Nutzer eine individuelle Reisekette routet und das Deutschlandticket abonniert hat, sollte automatisch ermittelt werden, welche Fahrten und Teilstrecken damit bereits abgedeckt sind. Um ihre Attraktivität als Anbieter des Deutschlandtickets weiter zu erhöhen, haben Verkehrsunternehmen außerdem die Möglichkeit, es mit regionalen Zusatzangeboten zu erweitern und ebenfalls digital zur Verfügung zu stellen. Das können etwa Erste-Klasse-Upgrades, Fahrradkarten, regionale Mitnahmeregelungen oder vergünstigte Drittmobilität wie Bike-Sharing sein. Schnell starten und flexibel ausbauen Verkehrsunternehmen muss vor der Einführung digitaler Services nicht bange sein. Der Markt bietet ihnen moderne, zukunftssichere Lösungen, die sich mit geringem Aufwand implementieren und flexibel erweitern lassen. So haben sie beispielsweise die Möglichkeit, sich nach dem Baukasten- Prinzip eine Mobilitäts-App zusammenzustellen und schnell damit zu starten. Diese App können sie dann Schritt für Schritt zu einer umfassenden Mobilitätsplattform ausbauen. Eine geeignete Lösung bringt dazu alle klassischen Funktionen wie Nutzer-Payment- und Tarifmanagement sowie VDV- KA-konformes Ticketing mit und kombiniert diese mit modernsten Technologien. Dazu zählen etwa Identity Management, Push- und Notification-Services oder Portale für Kunden und Verkehrsunternehmen. Ein integrierter MaaS-Hub (Mobility as a Service) ermöglicht es Verkehrsunternehmen, unterschiedlichste Mobilitätsanbieter für Car-Sharing, Elektro-Scooter, Leihfahrräder oder On-Demand-Shuttles per Tiefenintegration einzubinden. Über einen speziellen Info-Service lassen sich damit dann multi- und intermodale Routen berechnen. Das ermöglicht es Endnutzern, mit ihrer App Verbindungen über alle verfügbaren Modalitäten hinweg zu suchen, zu buchen und abzurechnen. Einfacher kann man ÖPNV nicht machen. ■ Martin Timmann Geschäftsführer, HanseCom, Hamburg hallo@hansecom.com Bild 2: Mit Mobilitätsbudgets können sich Mitarbeiter über eine einfache Oberfläche die situativ benötigte Mobilität integriert zusammenstellen. Quelle: HanseCom; iStock.com/ TommL Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 66 MOBILITÄT Wissenschaft ÖPNV-Offensive in Freyung-Grafenau (Bayerischer Wald) Wissenschaftliche Befragung zur Unterstützung der-praktischen Umsetzung des ÖPNV-Modellprojekts DiMoFRG Quantitative Erhebung, Bürgerbefragung, ÖPNV-Modellprojekt DiMoFRG, ländlicher Raum Das ÖPNV-Modellprojekt Digitale Mobilitätsinnovationen in Freyung-Grafenau (DiMoFRG) konzentriert sich auf die Einführung neuer (digitaler) Services zur ganzheitlichen Verbesserung des ÖPNV im Kreisgebiet. Zur Sicherstellung eines bürgernahen Umsetzungsansatzes wurde zu Beginn des Projekts eine umfassende Querschnittsbefragung der Bürgerinnen und Bürger zum Verkehrsverhalten und zur Zufriedenheit mit dem ÖPNV im Landkreis durchgeführt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die einzelnen Maßnahmen des Projekts DiMoFRG und beinhaltet eine kurze deskriptive Beschreibung der Befragungsergebnisse. Robert Werner, Stephanie Lelanz D as Modellprojekt DiMoFRG steht für digitale Mobilitätsinnovationen in Freyung-Grafenau und plant ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV im Landkreis. Freyung-Grafenau steht vor immensen Herausforderungen, in der stark ländlich geprägten Region einen wirtschaftlich sinnhaften ÖPNV anzubieten und die Grundversorgung der ansässigen Bevölkerung sicherzustellen. Mit einer großangelegten Mobilitätsoffensive wird über verschiedene Teilbausteine, wie Fahrradmitnahmemöglichkeiten, die Neueinrichtung zweier touristischer Igelbuslinien sowie die Taktverdichtung und -ausweitung einer zentralen Hauptlinie, der ÖPNV für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht. Herz dieser Offensive ist jedoch die angedachte Mobilitätsgarantie, die eine stündliche Bedienung mit dem ÖPNV durch die Integration von On-Demand-Diensten ermöglicht. Digitalisierungsprozesse sollen die genannten Maßnahmen flankieren und auf ein zeitgemäßes Serviceniveau heben. Dabei gehören kontaktloses Ticketing, eine Online-Buchungsplattform für Rufbusse und On-Demand-Dienste, eine Mobilitäts-App sowie Echtzeitauskünfte zum Maßnahmenbündel in diesem Bereich. Abgerundet wird das ÖPNV-Modellprojekt von einer hochwertigen Marketingkampagne, einem agilen Qualitätsmanagement, einem Monitoringkonzept sowie Usability Tests und einer umfassenden Bürgerbefragung zum Verkehrsverhalten und zur ÖPNV-Zufriedenheit. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass das ÖPNV-Modellprojekt die erhoffte Wirkung erzielt. Initiale Bürgerbefragung Die initiale Querschnittsbefragung fand von Anfang April bis Ende Juni 2022 statt und wurde hauptsächlich online durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Umfrage fließen unmittelbar in die praktische Umsetzung der geplanten ÖPNV-Verbesserungen ein. Die Gestaltung des Fragebogens und insbesondere die Auswahl der zu erhebenden Attribute erfolgten durch die die Professur für Kommunikationswirtschaft der TU Dresden in enger Abstimmung mit dem Landratsamt Freyung- Grafenau und den projektbeteiligten Verkehrsunternehmen. Beschreibung des Datensatzes Im Ergebnis erhielten wir bis zu 230 Datenpunkte pro Befragten. Die Antwortmöglichkeit „keine Angabe“ war stets möglich und das Auslassen einer Antwort war erlaubt. Von den ursprünglich 1.094 Rückläufern wurden nach der Bereinigung 855 Fragebögen bei der Auswertung berücksichtigt. Für die Analyse des Verkehrsverhaltens sind die Merkmale einer Person notwendige Voraussetzung. Neben Schlüsselindikatoren der ÖPNV- Qualität (Haltestellendichte, Erreichbarkeit, Reisezeit etc.) wurden standardmäßig soziodemografische Merkmale, wie Alter, Geschlecht, PKW-Verfügbarkeit, aktuelle Tätigkeit sowie Angaben zum Nutzerprofil (ÖPNV- Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 67 Wissenschaft MOBILITÄT Nutzungshäufigkeit, MIV-Nutzung, Fahrtzweck, genutztes Ticket etc.) erhoben. Die Probanden sollten verschiedene Aussagen auf einer fünfstufigen Skala bewerten. Bei vorformulierten Aussagen reichten die auswählbaren Merkmalsausprägungen von „Ich stimme gar nicht zu” bis „Ich stimme voll und ganz zu”. Bei Fragen bezüglich der Zufriedenheit einzelner Themen sollte zwischen „unzufrieden“, „eher zufrieden“, „teils teils“, „eher zufrieden“ und „zufrieden“ ausgewählt werden. Wurde nach der Wichtigkeit bestimmter Merkmale gefragt, reichte die Skala entsprechend von „unwichtig“ bis „sehr wichtig“. Erhoben wurden diese Likert-Items bezüglich •• Zufriedenheit und Wichtigkeit der ÖPNV-Erreichbarkeit dreizehn verschiedener Ziele, •• Wichtigkeit der Flexibilität, des Komforts, der Benzinpreise, der Parkplatzkosten und des Ticketpreises bei der Verkehrsmittelwahl, •• Fahrplanverständlichkeit und Fahrplanverfügbarkeit, •• Barrierefreiheit, •• Qualität der Rad- und Fußwege, •• ÖPNV-Angebotsumfang an verschiedenen Tageszeiten differenziert nach Wochenende und Woche sowie nach Ferien und Schulzeit, •• Informationsmöglichkeiten bezüglich Verbindungen und Ticketangebot, •• Pünktlichkeit von Bussen und Rufbussen und der •• Geeignetheit von Tickets. Die Frage nach der Verfügbarkeit motorisierter Verkehrsmittel wurde an den gesamten Haushalt gerichtet. Bei der Anzahl verfügbarer Kraftfahrzeuge in einem Haushalt wurde keine Unterscheidung in Unterkategorien wie z. B. privater PKW oder Firmenwagen gemacht und es sollten auch Motoräder und Roller genannt werden. Lediglich 3 % der Befragten verfügen nicht über mindestens ein motorisiertes Fahrzeug in ihrem Haushalt. Dies entspricht dem bundesweiten Durchschnitt im ländlichen Raum. [1] Im Gegensatz zu städtischen Regionen besitzen auf dem Land auch viele Haushalte mit sehr niedrigem ökonomischem Status einen PKW und nehmen die hohen Mobilitätskosten dafür zwangsweise in Kauf. Ergebnisse Es wurde abgefragt, zu welchem Fahrtzweck bestimmte Verkehrsmittel genutzt werden. Hierbei waren Mehrfachantworten zugelassen. In Bild 1 sind die relativen Anteile der angegebenen Verkehrsmittel zur Erreichung der Ziele über alle Befragten dargestellt. Das Verkehrsmittel „Auto“ dominiert insgesamt deutlich bei allen Fahrtzwecken. Insbesondere wenn „Auto als Mitfahrer“ mitberücksichtigt wird. Nur bei den Fahrtzwecken Freizeit/ Hobbys und Naherholung/ Ausflüge ist der MIV-Anteil deutlich geringer. Die Verschiebung findet hier zugunsten des Verkehrsmittels Fahrrad, Zug und zu Fuß statt. In der Befragung konnte festgestellt werden, dass sowohl die Zufriedenheit als auch die Wichtigkeit der Erreichbarkeit des Fahrtziels Schule/ Ausbildung über alle Befragten am stärksten ausgeprägt ist. Der Bus wurde auch dementsprechend bei dem Fahrtzweck Schule/ Ausbildung mit 23 % relativ häufig genannt. Die ÖPNV-Nutzung wird erheblich davon beeinflusst, welchen Anteil bestimmte Personengruppen wie Schüler, Studierende, Erwerbstätige oder Rentner an der Bevölkerung ausmachen und welche Verkehrsmittelwahl diese Gruppen typischerweise treffen [2]. Den Befragten standen bei der Frage nach ihrer derzeitigen Tätigkeit folgende Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung: „Schüler: in/ Auszubildende: r/ Studierende: r“, „Berufstätig“, „Rentner: in“, „Familienmann/ Familienfrau“, „Arbeitssuchend“ und „Sonstiges“. Im Folgenden wird die Gruppe „Schüler: in/ Auszubildende: r / Studierende: r“ aus Gründen der Lesbarkeit mit Schüler bezeichnet und die dazugehörige dichotome Variable wurde schüler genannt. 292 Befragte gaben an, dass sie zumindest gelegentlich den Bus nutzen. Die drei größten Gruppen mit diesem Merkmal sind Berufstätige, Rentner und Schüler. Die vertiefenden Fragen nach der Busnutzungshäufigkeit erlauben eine Kategorisierung nach Nutzungsintensität und dem Fahrtzweck. Die Probanden wurden gefragt „Wie häufig nutzen Sie den Bus für folgende Fahrtzwecke? “. Die abgefragten Fahrtzwecke sind Arbeit, Schule, Einkauf, Freizeit/ Hobby, Ausflug, Kindertagesstätte und Sonstige. Anhand der genannten Häufigkeiten für jeden Reisezweck konnten wir zwischen Nichtnutzern, Wenignutzern und Vielnutzern unterscheiden. Von Interesse war nun, inwiefern das Merkmal Tätigkeit einen Einfluss auf die Nutzung oder Nichtnutzung des Busses hat. Bei einer ersten Betrachtung fällt auf, dass 61 % der Rentner, 70 % der Berufstätigen, aber lediglich 34 % der Schüler Nichtnutzer sind. Mit dem Pearson-Chi-Quadrat Unabhängigkeitstest wurde nun die Hypothese überprüft, dass keine Abhängigkeit zwischen der Merkmalsausprägung Tätigkeit und Nichtnutzung besteht. Zur Beurteilung der Effektstärke wird Cramers V angegeben. Es gab einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Nichtnutzung ( χ 2 = 28,6, p-=-0,000, φ c -= 0,19). In einer anschließenden Korrelationsanalyse konnte bestätigt werden, dass Schüler eine höhere Busnutzung aufweisen ( φ c c = -0,172). Ebenfalls konnte bestätigt werden, dass Berufstätige den Bus weniger häufig nutzen ( φ c = 0,11). 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Arbeit Schule/ Ausbildung Einkauf Freizeit/ Hobbys Naherholung/ Ausflüge Kindertageseinrichtung Behörden Arzt/ Gesundheitseinrichtung Bus Zug Fahrrad zu Fuß Motorrad Auto Mitfahrer Auto Bild 1: Relativer Anteil der angegebenen Verkehrsmittel zur Erreichung der Ziele über alle Befragten Alle Abbildungen: Autoren Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 68 MOBILITÄT Wissenschaft Maßnahmen des ÖPNV-Modellprojekts Die Befragungsteilnehmer wurden zum Abschluss des Fragebogens gebeten hypothetische Fragen zu beantworten. Zur Auswahl standen sämtliche beabsichtigte oder bereits in Durchführung befindliche Maßnahmen des ÖPNV-Modellprojekts DiMoFRG. Die Teilnehmer wurden gefragt: „Unter welchen Bedingungen würden Sie das Busangebot in Freyung-Grafenau (regelmäßiger) nutzen? “. Es waren Mehrfachantworten zugelassen. 665-Probanden haben die Frage beantwortet. Eine kurze Beschreibung der Maßnahmen und die relativen Häufigkeiten der Nennungen sind in Tabelle 1 dargestellt. Eine Beschreibung der Maßnahmen war nicht Bestandteil des Fragebogens. Den Probanden stand lediglich die angegebene Antwortmöglichkeit zur Verfügung. Die Smartphone-App zur Verbindungsauskunft und zum Kauf von Fahrscheinen ist die Maßnahme, die von den Befragten mit Abstand am häufigsten genannt wurde. Am zweithäufigsten wurde das flächendeckende On- Demand Angebot ausgewählt. Die wenigsten Nennungen konnten wir bei der Anbindung der Skiregion Mitterfirmiansreut feststellen. Lediglich 13 % der Befragten gaben an, das Busangebot unter keinen Bedingungen häufiger zu nutzen. Digitale Mobilitätsplattform, Smartphone-App und Jobticket wurde öfter genannt je jünger die Befragten sind. Wir konnten feststellen, dass Männer häufiger der Maßnahme Elektronisches Ticket mit nachträglicher Bestpreis-Ermittlung zustimmen ( φ c -=-0,075). Es wurde überprüft, inwiefern sich die gegebenen Antworten zwischen Nutzern und Nichtnutzern unterscheiden. Lediglich 6 % der Busnutzer aber 17,8 % der Nichtnutzer gaben an, das Busangebot unter keinen Umständen häufiger zu nutzen. Darüber hinaus konnten vier Maßnahmen identifiziert werden, denen Nutzer tendenziell eher zustimmen. In Tabelle 2 sind diese Maßnahmen mit dem dazugehörigen niedrig ausgeprägten Zusammenhangsmaß dargestellt. Tabelle 1: ÖPNV-Maßnahmen und relative Häufigkeiten der Nennungen, Quelle: eigene Darstellung Antwortmöglichkeit Kurzbeschreibung der Maßnahme Relative Häufigkeit Anbindung der Ausflugsregion Dreisessel Um das touristische Linienangebot der Igelbusse zu erweitern und zu verbessern, sollen der östliche Bereich des Landkreises Freyung-Grafenau sowie die Gemeinde Freyung mit dem Nationalparkzentrum Lusen und weiteren Destinationen verbunden werden. Als Igelbusse werden zwei Bussysteme im Nationalpark Bayerischer Wald bezeichnet, die das Nationalparkzentrum und das Gebiet Rachel-Lusen in der Sommersaison von Mai bis November sowie in den beiden bayerischen Faschingsferien verbinden. Sie sind in das Nationalparkverkehrskonzept Bayerischer Wald integriert. 24 % Anbindung der Skiregion Mitterfirmiansreut 12 % Digitale Mobilitätsplattform zur Verbindungsauskunft und zum Kauf von Fahrscheinen Die Digitale Mobilitätsplattform soll Information, Beauskunftung und Ticketbuchung aller Mobilitätsdienste erleichtern. Sie ist insbesondere Buchungsplattform für Rufbusse und On-Demand-Services und Kundenportal für das ID basierte Ticketing. 27 % Smartphone-App zur Verbindungsauskunft und zum Kauf von Fahrscheinen 40 % Flächendeckendes On-Demand- Angebot im ganzen Landkreis Das bestehende Busangebot wird um ÖPNV-Taxis erweitert. Buch- und bezahlbar über die Mobilitätsplattform, können Fahrgäste zukünftig den ÖPNV fast rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche nutzen. Dabei kommen neben den Bussen und Rufbussen auch Taxis und Mietwagen zum Einsatz. 30 % Bargeldloser Ticketkauf per Bankkarte Das Ticket kann beim Fahrer ähnlich wie an der Supermarktkasse via NFC per Bankkarte bezahlt werden. 20% Elektronisches Ticket mit nachträglicher Bestpreis-Ermittlung Im Bus kann mit Bankkarte eingecheckt werden. Anhand der Buchungen wird ein digitales Ticket erstellt, das die gefahrenen Strecken von allein erkennt und automatisch immer den günstigsten Preis für alle Fahrten abrechnet. Damit sollen u.a. tarifliche Nutzungsbarrieren für Gelegenheitskunden möglichst weit gesenkt werden. 19 % Anbindung von Grafenau an Passau mit der Linie 200 Um das Linienangebot zu erweitern und zu verbessern, soll das Fahrangebot auf der Schnellbuslinie 200 von Riedlhütte nach Passau und zurück weiter ausgebaut werden. 21 % Taktverdichtung der Linie 200 21 % Fahrradmitnahme in den Bussen Dabei geht es in erster Linie vor allem darum, die Igelbusse mit Heckträgern und Fahrradanhängern auszustatten. 25 % (Jobticket) Die Förderung der Maßnahme Jobticket wurde 2022 beendet. Sie ist nicht mehr Teil des ÖPNV-Modellprojekts. Fahrkarte für die tägliche Fahrt zur Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die ein kommunales Verkehrsunternehmen einem Arbeitgeber zu einem günstigen Tarif überlässt und für deren Erwerb die Angestellten einen ermäßigten Preis zahlen. 21 % Digitale Haltestellen-, Ankunfts- und Anschlussinformationen in Bussen Es werden Ankunftszeiten, nächste Haltestellen und Anschlussverbindungen in Echtzeit angezeigt. Viele Busse im Landkreis werden erstmalig mit Fahrgastmonitoren ausgestattet. 21 % Digitale Fahrplaninformationen an Haltestellen Die Haltestellen an wichtigen Umstiegen, Busbahnhöfen und touristischen Knotenpunkten im Landkreis werden mit digitalen DFI-Anlagen inkl. Echtzeitanzeige ausgestattet. 18 % Ich werde das Busangebot unter keinen Bedingungen häufiger nutzen 13 % Tabelle 2: Ergebnisübersicht der Korrelationsanalyse zwischen Nutzern und den befürworteten Maßnahmen Maßnahmen, die Nutzer häufiger bejahen als Nichtnutzer Effektstärke φ c Anbindung der Skiregion Mitterfirmiansreut 0,13 Anbindung der Ausflugsregion Dreisessel 0,12 Fahrradmitnahme 0,11 Digitale Informationen in Bussen 0,095 Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 69 Wissenschaft MOBILITÄT Von Interesse war nun, inwiefern zwischen den Tätigkeitsgruppen und den befürworteten Maßnahmen ein Zusammenhang besteht. Es wurde bezüglich jeder vorgeschlagenen Maßnahme und der Tätigkeit der χ 2 - Unabhängigkeitstest durchgeführt. Anschließend wurde überprüft, zwischen welchen Gruppen der Unterschied signifikant ist. Die Testergebnisse, bei denen ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen gefunden werden konnte, sind in Tabelle 3 kurz zusammengefasst. Wir untersuchten ebenfalls, inwiefern Wenignutzer und Vielnutzer in den gegebenen Antworten Unterschiede aufweisen. Die größten Differenzen bestehen bei der digitalen Mobilitätsplattform und der Smartphone-App. Lediglich 24 % der Vielnutzer, aber 37 % der Wenignutzer gaben an, das Busangebot bei Vorhandensein einer digitalen Mobilitätsplattform öfter nutzen zu wollen. Eine größere Zustimmung fand die Smartphone- App. Die Maßnahme wird von 37 % der Vielnutzer und 49 % der Wenignutzer begrüßt. Bei einer ähnlichen Differenz in den Zustimmungswerten ist allerdings nur der Zusammenhang bezüglich der digitalen Mobilitätsplattform signifikant ( φ c = 0,14). Bedeutung der Projektmaßnahmen für die ÖPNV-Qualität Durch Mann-Whitney-U Tests wurde überprüft, ob ein Zusammenhang zwischen den Merkmalsausprägungen der Likert-Items und den dichotomen Variablen bezüglich der ÖPNV-Verbesserungsmaßnahmen besteht [3]. In Bild 2 sind Ergebnisse kurz zusammengefasst. Das Vorzeichen des z-Werts gibt die Richtung des Unterschieds an, der zwischen den zwei untersuchten Gruppen besteht. Ein negatives Vorzeichen bedeutet hierbei, dass die zweite Gruppe signifikant höhere Werte aufweist, wohingegen ein positives Vorzeichen bedeutet, dass die erste Gruppe höhere Werte aufweist. Die Merkmalsausprägung ist bei der ersten Gruppe 0. Die Zustimmenden stellen die zweite Gruppe dar. Hier hat das Merkmal den Wert 1. Die Gruppe derjenigen, die angegeben haben bei Vorhandensein von digitalen Haltestellen sowie Ankunfts- und Anschlussinformationen in Bussen, den Bus häufiger zu nutzen, weist bei einem Signifikanzniveau von 0,05 bezüglich der Fahrplanverständlichkeit niedrigere Werte auf. Analog ist der Zusammenhang bei den anderen dargestellten Variablen zu interpretieren. Fazit Erklärtes Ziel des Projekts ist es, dass moderne digitale Informationssysteme dabei helfen, Nutzungshemmnisse abzubauen. Unverständliche Fahrpläne, vielfältige Tarife, Wege- und Umsteigeplanungen führen eher zur Nutzung des eigenen PKW. Wir konnten zeigen, dass die Maßnahmen im Rahmen des Projekts DiMoFRG tendenziell geeignet, sind Anreize zur Nutzung des ÖPNV zu setzen. Entscheidend ist es aber, die wahrgenommene Qualität zu verbessern. Dies betrifft insbesondere die derzeitigen Nichtnutzer. Ein gut ausgebautes Liniennetz und komfortable zeitnahe Umstiege sind nicht viel wert, wenn sie nicht als das wahrgenommen werden oder gar nicht bekannt sind. Die Ergebnisse der Bürgerbefragung können dabei helfen Zielgruppen der ÖPNV-Nutzung zu identifizieren, um eine darauf zugeschnittene ÖPNV- Marketingkampagne zu veranlassen. ■ LITERATUR [1] Infas Institut für Angewandte Sozialwissenschaft GmbH. (2017): Mobilität in Deutschland 2017—Ergebnisbericht. [2] Bertocchi, T. (2009): Einsatzbereiche von ÖPNV-Bedienungsformen im ländlichen Raum. In: Schriftenreihe Verkehr, Universität Kassel, H. 19. [3] Norman, G. (2010): Likert scales, levels of measurement and the “laws” of statistics. In: Advances in health sciences education, Vol. 15, pp. 625-632. Tabelle 3: Ergebnisübersicht des χ2-Unabhängigkeitstests zwischen den Tätigkeitsgruppen und den befürworteten Maßnahmen Maßnahme Zustimmung höher Zustimmung geringer Teststatistik Anbindung der Skiregion Mitterfirmiansreut Schüler χ 2 = 14,75, p = ,022, φ c = 0,15 Digitale Mobilitätsplattform Schüler Rentner χ 2 = 14,8, p = ,021, φ c = 0,15 Smartphone-App Rentner χ 2 = 20,7, p = ,002, φ c = 0,17 Jobticket Berufstätige Rentner χ 2 = 57,5, p = ,000, φ c = 0,29 Zufriedenheit mit den Informationsmöglichkeiten bzgl. verfügbarer Verbindungen sowie deren Abfahrts - und Ankunftszeiten Digitale Mobilitätsplattform zur Verbindungsauskunft und zum Kauf von Fahrscheinen Smartphone-App zur Verbindungsauskunft und zum Kauf von Fahrscheinen Fahrplanverständlichkeit Digitale Haltestellen -, Ankunfts - und Anschlussinformationen in Bussen Zufriedenheit mit der Buspünktlichkeit Bargeldloser Ticketkauf per Bankkarte Elektronisches Ticket mit nachträglicher Bestpreis-Ermittlung Taktverdichtung der Linie 200 Wichtigkeit der Fahrzeit Zufriedenheit mit der ÖPNV -Erreichbarkeit des Ziels Arbeit Jobticket Zufriedenheit mit den Informationsmöglichkeiten bzgl. des Ticketangebots Wichtigkeit des Ticketpreises z=2,219 z=2,925 z=2,699 z=2,055 z=2,575 z=-4,838 z=-2,045 z=1,977 z=2,538 z=3,99 z=-2,197 z=3,250 Bild 2: Mann-Whitney-U Test Ergebnisübersicht Robert Werner, Dipl.-Vw., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Professur für Kommunikationswirtschaft, Institut für Wirtschaft und Verkehr, TU Dresden robert.werner@tu-dresden.de Stephanie Lelanz, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Projektleitung, Professur für Kommunikationswirtschaft, Institut für Wirtschaft und Verkehr, TU Dresden stephanie.lelanz@tu-dresden.de Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 70 TECHNOLOGIE Digitalisierung Digitale Transformation in Verkehrsunternehmen Unser Weg in die digitale Zukunft: Wie der organisatorische und technologische Wandel gelingt Digitalisierung, Arbeitswelt, Qualifizierung, Weiterbildung Die Zukunft der Eisenbahn ist digital: Züge fahren voll automatisiert und in kürzeren Abständen. Künstliche Intelligenz und automatisiertes Fahren werden zur neuen Normalität auf der Schiene. Damit die digitalen Technologien in der Praxis tatsächlich ihr volles Potenzial entfalten, müssen Mensch, Technik und Organisation aufeinander abgestimmt zusammenwirken. Dieser Beitrag beschreibt, wie die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen drei Konstituenten gestaltet werden können, um ein attraktiveres Schienenverkehrsangebot mit mehr Zügen in höherer Qualität zu schaffen. Lars Schnieder M ensch, Technik und Organisation stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Die Digitalisierung des Bahnbetriebs hat Einfluss auf jede dieser Systemkonstituenten. Diese müssen aufeinander bezogen gestaltet werden. Nachfolgend werden die verschiedenen Zusammenhänge umrissen (vgl. Bild 1). Digitale Technologien im Bahnbetrieb Weltweit haben sich bei Neubauprojekten im Nahverkehr sog. CBTC-Systeme (Communications-Based Train Control Systems) als Standard etabliert. Grundlage hierfür sind digitale Technologien. Die Systemarchitektur für den digitalen Bahnbetrieb besteht aus den folgenden Funktionsbausteinen: Automatic Train Control (ATC) Dieser Begriff bezeichnet das technische System, das einer automatisierten Betriebsführung dient, also sowohl eine sichere Fahrweise der Fahrzeuge erzwingt als auch den Betrieb steuert. Ein ATC umfasst zwingend Automatic Train Protection (ATP) und kann je nach Automatisierungsgrad zusätzliche Funktionsbausteine wie Automatic Train Operation und/ oder Automatic Train Supervision (ATS) beinhalten [1]. Bild 2 stellt den umfassenden Begriff und seine Bestandteile dar. Automatic Train Protection (ATP) Teilsystem des ATC-Gesamtsystems, das den signaltechnisch sicheren Schutz vor Kollisionen, Entgleisungen und anderen Gefährdungen sicherstellt. Wesentliche Funktionen sind hierbei die Sicherung der Fahrwege, die Ortung der Fahrzeuge sowie die Abstandsregelung. Komponenten dieses Funktionskomplexes sind sowohl streckenseitig (ATP wayside) als auch auf dem Fahrzeug (ATP onboard) verbaut. Basiert die Datenübertragung zwischen Fahrzeug und Strecke auf drahtloser Kommunikation (Funk), spricht man in der Regel von einem Communications-Based Train Control System (CBTC). Automatic Train Operation (ATO) Teilsystem des ATC-Gesamtsystems, das üblicherweise vom Triebfahrzeugführenden ausgeführte Tätigkeiten übernimmt (unter anderem Geschwindigkeitsregelung, Zielbremsung im Haltestellenbereich und Türsteuerung in den Stationsbereichen). Für eine optimale Betriebsabwicklung empfängt dieses fahrzeugseitige Teilsystem streckenseitige Vorgaben aus dem Teilsystem ATS [1]. Automatic Train Supervision (ATS) Teilsystem des ATC-Gesamtsystems, das die Züge überwacht und gegebenenfalls Vorgaben an die ATO-Komponente gibt, so dass der Fahrplan eingehalten wird. Bei schwerwiegenden Störungen im Betriebsablauf wird die optimale Dispositionsstrategie ermittelt und durch Vorgabe angepasster Führungsgrößen (bspw. veränderte Laufwege oder entfallende Stationshalte) an die Fahrzeuge im Betrieb umgesetzt [1]. Gestaltung des Zusammenspiels von Mensch und Technik Bei der Einführung digitaler Technologien spielt die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes des Fahrpersonals eine große Rolle. Ziel ist es hierbei, sicherzustellen, dass Fahrweg und Signale sowohl im Sitzen als auch, soweit erforderlich, im Stehen beobachtet werden können. Auch die für das Bedienen des Fahrzeugs und gegebenenfalls für die Abfertigung des Zuges erforderlichen Bedienhandlungen müssen ohne Probleme möglich sein. Dies erfordert eine ergonomische Gestaltung der Anzeigen, Schalter und Bedienelemente unter Berücksichtigung von Aspekten wie Betätigungs- Bild 1: Zusammenspiel von Menschen, Technik und Organisation im digitalen Wandel Darstellungen 1 bis 4: Autor Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 71 Digitalisierung TECHNOLOGIE kräfte, Anzeigesinn und Erreichbarkeit sowie Minimierung der Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungen der Bedienelemente sollten auch nach längerer Nutzung noch gut erkennbar sein. Auch die Positionierung der Stellteile ist von großer Relevanz. So müssen sich im Betrieb wichtige Stellteile im direkten oder erweiterten Greifbereich der bestimmungsgemäßen Bedienplätze befinden [2]. Gleiches gilt für die Positionierung der Anzeigen: Auch sie sind, je nach Wichtigkeit, entweder im direkten oder im erweiterten Sichtbereich anzuordnen. Dies ermöglicht eine einfache und eindeutige Aufnahme der von den Anzeigen gelieferten Informationen und der Schaltstellungen der Bedienelemente im Führerraum. Die menschzentrierte Gestaltung des Führerraums gelingt mittels Vorführmodellen und der Einbindung einer Fahrpersonalkommission: •• Verwendung von Vorführmodellen (sog. Mockups): Bei der Einführung von Veränderungen im digitalen Bahnbetrieb werden das neue Design oder die angepassten Teilfunktionen mithilfe einer Attrappe eines modernisierten Führerraums demonstriert. Die Anmerkungen und Anregungen der zukünftigen Nutzer: innen fließen dann mit in die Erstellung der endgültigen Produktversion ein. •• Einbindung einer Fahrpersonalkommission in die Systemgestaltung: Ergonomie und Bedienbarkeit werden gemeinsam mit einer Fahrpersonalkommission immer wieder auf den Prüfstand gestellt. In einem iterativen Ansatz werden die Rückmeldungen aus der Praxis aufgegriffen und umgesetzt. Diese enge Abstimmung ermöglicht eine an den praktischen Bedürfnissen des Betriebs ausgerichtete Gestaltung des Bedienplatzes im Schienenfahrzeug. Gestaltung des Zusammenspiels von Mensch und Organisation Im Rahmen der Einführung digitaler Technologien in den Bahnbetrieb müssen im Verkehrsunternehmen neue Regelwerke erstellt werden [3]. Dies gelingt nur im Schulterschluss zwischen Hersteller und Betreiber. Vor dem Hintergrund der anstehenden Veränderungen im Verkehrsunternehmen ist es sinnvoll, bei der Erstellung von Regelwerken im Projekt die folgenden grundlegenden Prinzipien zu berücksichtigen: •• Prinzip 1 - Frühzeitiger Beginn der projektbegleitenden Ausarbeitung des betrieblichen Regelwerks: Dieses Prinzip ist wichtig, da die systemtechnische Ausprägung der neuen digitalen Technologien für den Bahnbetrieb und die betrieblichen Regeln wechselseitig aufeinander bezogen sind (vgl. Bild 3). •• Prinzip 2 - Einbeziehung aller beteiligten Interessengruppen in den Prozess der Erstellung des betrieblichen Regelwerks: Hierbei werden die verschiedenen Interessengruppen frühzeitig identifiziert und ihre Rolle und Mitwirkung bei der Erstellung des betrieblichen Regelwerks festgelegt. Auch werden die Zielgruppen der verschiedenen Regelwerke bestimmt (Triebfahrzeugführende, Fahrdienstleitende oder Instandhaltungspersonal). So erfordern beispielsweise Planung und Betrieb einer fahrerlosen U-Bahn-Linie das reibungslose und aufeinander abgestimmte Zusammenwirken verschiedener interner Funktionen des Verkehrsunternehmens. Daher wird für die Erstellung des betrieblichen Regelwerks eine interne Arbeitsgruppe unter Leitung eines Koordinierenden des Verkehrsunternehmens einberufen, die sich unter anderem aus Fahrpersonal, Fahrdienstleitenden sowie Instandhaltungspersonal für Fahrzeuge und Streckeneinrichtungen zusammensetzt. Diese interdisziplinäre Zusammenstellung der Arbeitsgruppe stellt sicher, dass das betriebliche Regelwerk im Konsens verschiedener Unternehmensbereiche erstellt wird und damit im Projektverlauf auf eine höhere Akzeptanz stößt. Planung und Vorbereitung des Betriebs Bild 2: Komponenten eines digitalen Zugsicherungssystems Bild 3: Wechselseitige Beziehung zwischen betrieblichem Regelwerk und Entwurfsentscheidungen Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 72 TECHNOLOGIE Digitalisierung einer fahrerlosen U-Bahn-Linie erfordern darüber hinaus das aufeinander abgestimmte Zusammenwirken verschiedener Funktionen des Herstellers der signaltechnischen Ausrüstung (bspw. Teilsystemverantwortliche) sowie des Fahrzeugherstellers. Zudem müssen externe Interessengruppen mit in den Prozess eingebunden werden. Dies sind beispielsweise die Technische Aufsichtsbehörde sowie Vertreter: innen von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) wie Polizei und Feuerwehr. Bild 4 stellt den kollaborativen Ansatz der Ausarbeitung des betrieblichen Regelwerks dar. •• Prinzip 3 - Anlehnung an bewährte Regelungen (evolutionärer Ansatz): Die Verkehrsunternehmen in Deutschland betreiben seit mehreren Jahrzehnten umfassende Verkehrssysteme. Sie verfügen daher für den Automatisierungsgrad 1 (NTO, non-automated train operation) über ein umfassendes und in der Praxis bewährtes Regelwerk. Dieses Regelwerk wird für die angestrebte Überführung bestehender Linien in einen digitalisierten Bahnbetrieb (bspw. halbautomatischer Betrieb im Automatisierungsgrad-2) ergänzt und fortgeschrieben. Der Ansatz des Aufsetzens auf Bewährtem ist in Bild 4 dargestellt. Die Erstellung des betrieblichen Regelwerks erfolgt in mehreren aufeinander aufbauenden Phasen. Jede Phase schließt mit einem definierten Qualitätsprüfpunkt ab. Phase 1 Die Auswirkungen der neuen Systemanforderungen auf die bestehenden betrieblichen Regeln und Vorschriften werden bewertet. Das Ergebnis dieser Phase ist eine erste Version der neuen Betriebsvorschriften und -verfahren zusammen mit einer Liste offener Punkte, die von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Betreibers und des Herstellers des Signalsystems behandelt werden müssen. Phase 2 In der zweiten Phase implementiert der Hersteller die neue Systemlösung und führt Testaktivitäten im Labor durch. In der Regel kommt der Kunde in die Räumlichkeiten des Herstellers, um sich ein Bild von den erzielten Fortschritten zu machen. Dies wird als Factory Acceptance Test (FAT) bezeichnet. Während des FAT läuft das System in einer simulierten Umgebung, in der eine erste Version der Betriebsleitstelle in Betrieb ist. Dieser Aufbau kann zur Validierung der ersten Version der Betriebsvorschriften und -verfahren verwendet werden. Das Ergebnis ist eine zweite Version der neuen Betriebsvorschriften und -verfahren zusammen mit einer aktualisierten Liste der offenen Punkte. Phase 3 Bei typischen Signaltechnikprojekten wird der Betreiber höchstwahrscheinlich Schulungseinrichtungen für das Personal der Betriebsleitzentrale (vgl. [4]) und für die Triebfahrzeugführenden (vgl. [5]) bestellen. Beide Einrichtungen werden zu einem bestimmten Zeitpunkt betriebsbereit sein. Während der Schulungen werden die Triebfahrzeugführenden und das Personal der Betriebsleitzentrale mit dem neuen System sowie mit den neuen Betriebsregeln und -verfahren vertraut gemacht. Dies ist eine gute Gelegenheit, die neuen Betriebsvorschriften weiter zu validieren. Das Ergebnis ist eine dritte Version der Betriebsvorschriften und -verfahren zusammen mit einer aktualisierten Liste der offenen Punkte. Phase 4 Für die Durchführung von Integrationstests wird eine Teststrecke eingerichtet. Das Personal des Betreibers wird auf der Teststrecke zum ersten Mal mit dem neuen Signalsystem interagieren. Dies ist der erste Schritt von einer simulierten Umgebung zu realen „physischen“ Anlagen. Dies ist besonders wichtig für Betriebsvorschriften und -verfahren zu Wartungsaspekten. Aus diesem Grund bieten die Tests auf der Teststrecke weitere Möglichkeiten für die Validierung des neuen Regelwerks. Ergebnisse sind eine vierte Version der Betriebsvorschriften und -verfahren sowie eine aktualisierte Liste der offenen Punkte. Phase 5 Das neue Signalsystem wird umfassenden Testaktivitäten in der realen Betriebsumgebung unterzogen. Das Personal des Betreibers, sowohl an Bord der Züge als auch in der Betriebsleitzentrale, wird diese Aktivitäten gemeinsam durchführen. Eventuell fehlende Regelungen, Fehler oder missverständliche Formulierungen können so erkannt und behoben werden. Dies ist die letzte Chance, das Regelwerk zu validieren, bevor das System in den Echtbetrieb geht. Das Ergebnis dieser Phase ist der fünfte (und letzte) Satz von Betriebsvorschriften und -verfahren. Offene Fragen werden an die Betriebsphase weitergeleitet und müssen im Rahmen der regelmäßigen Aktualisierungen des Regelwerks durch den Betreiber behandelt werden. Gestaltung des Zusammenspiels von Technik und Organisation Die Einführung einer neuen Technologie erfordert auch Anpassungen der Organisation. Wesentliche Vorteile von CBTC-Systemen sind der weitgehende Verzicht auf ortsfeste Signale durch die Einführung von Führerraumsignalen sowie eine beträchtliche Reduktion der Außenanlagenelemente (Achszählung) durch die kontinuierliche Ortung der Züge und die zuggestützte Feststellung der Zugvollständigkeit. Dies reduziert nicht nur den Personalbedarf der Instandhaltungsorganisation der Verkehrsunternehmen, sondern bringt auch Änderungen der Anforderungen an das Qualifikationsprofil der Mitarbeitenden mit sich. Im nachfolgenden skizzierten Beispiel konnte auf die grundlegenden Strukturdaten des Asset Managements der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) zurückgegriffen werden (vgl. [6]). Veränderung des Personalbedarfs der Instandhaltungsorganisation in quantitativer Hinsicht Die Technologieentscheidung für das zukünftige Zugsicherungssystem wurde auf der Grundlage einer Lebenszykluskostenrechnung getroffen (vgl. [7]). Die zentralen Ergebnisse der Lebenszykluskostenberechnung sind Bild 5 zu entnehmen. Die erste Säule stellt den aktuellen Umfang der Instandhaltungsaktivitäten der VGF dar (Bezugsjahr 2017). Hierbei fallen zunächst nur Instandhaltungsaufwände für die Alttechnik der Streckeneinrichtungen (Stellwerke Bild 4: Partnerschaftliche Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder in der Fortentwicklung des bestehenden betrieblichen Regelwerks Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 73 Digitalisierung TECHNOLOGIE verschiedener Bauformen) und der Fahrzeugeinrichtungen (punktförmige Zugbeeinflussung) an. Die weiteren Säulen stellen die voraussichtlichen Bauzustände der Systemmigration über das gesamte Erneuerungsprojekt dar. Die erste Bauphase (Stadtbahnstrecke B) wird voraussichtlich 2024 in Betrieb gehen. Es folgt drei Jahre später die Stadtbahnstrecke A, ehe im Jahr 2030 die Stadtbahnstrecke C den Abschluss des Erneuerungsprogramms bilden wird. Hierbei werden über den Zeitverlauf unterschiedliche Effekte deutlich: •• Signifikante Reduktion der streckenbezogenen Instandhaltungsaktivitäten durch CBTC: Dieser Effekt resultiert aus der deutlich geringeren Anzahl an Außenanlagenelementen im Gleisbereich. Es fallen mehr Komponenten weg (Gleisfreimeldesysteme und Signale), als neue Komponenten, beispielsweise für die drahtlose Übertragung vom und zum Fahrzeug, hinzukommen. •• Signifikante Erhöhung der fahrzeugbezogenen Instandhaltungsaktivitäten durch CBTC: CBTC-Systeme haben höhere Anforderungen an die Positionierung der Fahrzeuge. Es kommen Antennen für die Synchronisierung der Lokalisierung an Ortsmarken sowie mehrere Weg- und Geschwindigkeitssensoren hinzu. Außerdem werden Komponenten wie Führerraum-Displays und Funkantennen ergänzt. Dank der Redundanz der Systeme schränken mögliche Ausfälle die Verfügbarkeit im Betrieb in der Regel nicht ein, so dass eine ausschließliche Instandhaltung in der Werkstatt möglich wird. •• In Summe wird der höhere Instandhaltungsaufwand bei den Fahrzeugeinrichtungen von der Einsparung auf der Streckenseite überkompensiert. Es ist also in Summe weniger Instandhaltungspersonal erforderlich. Insgesamt wird sich der Instandhaltungsaufwand für die Signal- und Zugsicherungsanlagen über die nächsten zehn Jahre um 20 Prozent reduzieren. •• Verlagerung der Instandhaltung von der Strecke in die Werkstatt: Die Instandhaltungsaktivitäten verlagern sich von der Strecke in die Werkstätten. Entfielen in der Vergangenheit 76 Prozent des Zeitaufwandes für die Instandhaltung auf die Streckeneinrichtungen, wird sich dieser Anteil in den nächsten Jahren auf 35 Prozent reduzieren. Die Struktur der Instandhaltungsaktivitäten wird sich also umkehren. Neben der mengenmäßigen Veränderung kommt es auch zu einer Veränderung des Personalbedarfs in qualitativer Hinsicht: Veränderte Qualifikationsbedarfe müssen frühzeitig in der strategischen Ausrichtung der Aus- und Weiterbildung der VGF berücksichtigt werden. Das von der VGF zu beschaffende CBTC-System wird aus verschiedenen Komponenten bestehen (vgl. Bild 2). Durch die CBTC-Einführung müssen die Mitarbeitenden aufbauend auf der bestehenden Ausbildung weitere Zusatzqualifikationen in den Bereichen WLAN- Systeme, Systeme, IP-basierte Funkkommunikation, LWL-Techniken, IT-Netzwerke und Netzwerkmanagement erhalten. Fazit Die Digitalisierung des Bahnbetriebs bringt für die Bereiche Mensch, Technik und Organisation zahlreiche Änderungen mit sich. In der Natur des Menschen liegt es, Veränderungen erst einmal skeptisch gegenüberzustehen. Der digitale Wandel in der Bahnbranche ist auch in dieser Hinsicht kein Selbstläufer. Durch die Digitalisierung des Bahnbetriebs werden Arbeitsgewohnheiten der Mitarbeitenden wesentlich verändert. Daher sollte die Digitalisierung möglichst durch ein aktives Veränderungsmanagement (Change-Management) begleitet werden, um die Mitarbeitenden frühzeitig für die anstehenden Veränderungen zu sensibilisieren und Frustration und Ablehnung entgegenzuwirken. Nur so kann die Digitalisierung des Bahnbetriebs schnell und ganzheitlich vorangetrieben werden. ■ LITERATUR [1] IEEE 1474.1-2004: Standard for Communications-Based Train Control (CBTC) Performance and Functional Requirements. [2] UIC-Kodex 651: Gestaltung der Führerräume von Lokomotiven, Triebwagen, Triebwagenzügen und Steuerwagen. UIC (Paris) 2002. [3] Schröter, R. (2008): Dienstanweisungen nach BOStrab. In: Der Nahverkehr, H. 7/ 8, S. 29-36. [4] Schult, J.; Rege, G.; Carroué, C. (2015): Betriebs- und Stellwerkssimulation BEST bei der üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG. In: Signal + Draht 107, H. 4, S. 18-21. [5] Dydak, P. (2019): Warum Fahrsimulatoren? Vorteile und Grenzen dieses technischen Hilfsmittels bei der Aus- und Weiterbildung. In: Der Nahverkehr 37, H. 1/ 2, S. 1215. [7] Deutsches Institut für Normung: DIN EN 60300-3-3: 2014-09. Zuverlässigkeitsmanagement - Teil 3-3: Anwendungsleitfaden - Lebenszykluskosten. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2014, Rev. 2014-09. [6] Drümmer, O.; Keuch, C.; Krippner, M.; Niesmak, J.; Rüffer, M. (2017): Asset Management der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main. In: Der Nahverkehr, H. 12, S. 54-59. [8] Rüffer, M.; Schmidt, C.; Jung, C.; Schnieder, L. (2019): Innovationen und Digitalisierung - Herausforderungen für die Aus- und Fortbildung im Signal- und Zugsicherungsdienst. In: Der Nahverkehr 37, H. 7/ 8, S. 46-50. Lars Schnieder, Prof. Dr.-Ing. habil. Chief Executive Officer, ESE Engineering und Software-Entwicklung GmbH; Lehrbeauftragter Verkehrswissenschaftliches Institut, RWTH Aachen lars.schnieder@ese.de Bild 5: Veränderung des Personalbedarfs der Instandhaltungsorganisation in quantitativer Hinsicht im Zuge einer signaltechnischen Erneuerung [8] Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 74 TECHNOLOGIE Automatisiertes Fahren Vertrauen in Fahrerassistenzsysteme stark ausgeprägt Wie würden sich Verkehrsteilnehmer gegenüber Fahrzeugen verhalten, die mit automatisierten Systemen ausgestattet sind? Haben sie grundsätzlich-Vertrauen in Fahrerassistenzsysteme und in die Sicherheit automatisierter Fahrfunktionen? Gibt es aktuell Probleme bei der Fahrzeug-Bedienung? Und wären standardisierte Funktionen und Systeme am Steuer wünschenswert? Um Fragen wie diese zu beantworten, hat-das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von Dekra für den Dekra Verkehrssicherheitsreport 2023 zum Thema „Technik und Mensch“ eine repräsentative Befragung durchgeführt. Ein Ergebnis: Das Vertrauen in heute verbaute Fahrerassistenzsysteme ist recht-stark ausgeprägt. I n modernen Fahrzeugen übernehmen Software und Elektronik immer mehr Aufgaben und machen das Auto zur rollenden High-Tech-Maschine. Inzwischen ermöglichen alle namhaften Volumenhersteller assistiertes und teilautomatisiertes-Fahren, in den nächsten Jahren wird die Anzahl insbesondere von Fahrzeugen mit Funktionen des automatisierten Fahrens deutlich zunehmen.- „Mit Hilfe von Assistenzsystemen können gefährliche Situationen frühzeitig erkannt und Unfälle vermieden oder zumindest ihre Folgen gemindert werden“, sagt Jann Fehlauer, Geschäftsführer der Dekra Automobil GmbH,-im Hinblick darauf, dass über 90 Prozent der Straßenverkehrsunfälle durch menschliches Fehlverhalten verursacht werden. Allerdings: „Ihre Bedienung darf nicht zu neuen Risiken- oder Gefahren führen.“ Dabei ist die Akzeptanz der jeweiligen Systeme und Funktionen in Deutschland relativ hoch, wie die Ergebnisse der Forsa-Befragung-für den Dekra Verkehrssicherheitsreport 2023 zeigen.- Mit Blick auf heutige Fahrerassistenzsysteme wie Notbremsassistent, Spurhalteassistent oder Abstandsregel-Tempomat ist das Vertrauen der Befragten mit 68 Prozent relativ-stark ausgeprägt. Unter den jüngeren Befragten zwischen 18 und 34 Jahren und unter Männern fällt das Vertrauen hier etwas höher aus als unter den Älteren und den befragten Frauen. Immerhin 25 Prozent vertrauen den Systemen allerdings eher nicht und-fünf Prozent gar nicht. - Etwa die Hälfte der Befragten erklärt, dass sie hinsichtlich ihres Vertrauens in die Sicherheit automatisierter Fahrfunktionen keine Unterschiede zwischen verschiedenen Autoherstellern macht. In der anderen- Gruppe, die in diesem Punkt manchen Autoherstellern mehr als anderen vertraut, spielt für 87 Prozent die Marke des Fahrzeugs eine (sehr) große Rolle. Für 78 Prozent ist auch das Herstellungsland ein wichtiger Aspekt, für 55 Prozent ist zudem der Preis des-Fahrzeugs ein relevanter Faktor.- Skepsis gegenüber hoch automatisierten Fahrzeugen- Interessant sind auch die Forsa-Ergebnisse in Bezug auf hoch automatisierte Fahrzeuge, deren Nutzung in den kommenden Jahrzehnten - in welchem Ausmaß auch immer - zweifelsohne zunehmen wird. Aktuell wird unter- anderem darüber diskutiert, ob Fahrzeuge in Zukunft mit einer besonderen Beleuchtung gekennzeichnet werden sollen, wenn sie vollständig automatisiert fahren, um als solche im Straßenverkehr erkennbar zu sein. Danach befragt, wie sie sich einem hoch automatisierten- Fahrzeug gegenüber verhalten würden, sagen 60 Prozent, dass sie diesem mit mehr Vorsicht begegnen würden als einem Fahrzeug, das von einer Person gesteuert wird - unabhängig davon, ob sie selbst mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind. 36-Prozent würden einem solchen Fahrzeug mit gleicher Vorsicht begegnen. Die Skepsis gegenüber hoch automatisierten Fahrzeugen steigt mit zunehmendem Alter der Befragten deutlich an - von 47 Prozent bei den 18bis 34-Jährigen auf 73 Prozent ab einem Alter von- 65 Jahren. Bei Frauen ist die Vorsicht mit 67 Prozent größer als bei Männern 53 Prozent.- Bedienschwierigkeiten mit Funktionen und Systemen- Die Forsa-Befragung thematisiert neben dem automatisierten Fahren auch die Bedienbarkeit wichtiger Funktionen und Systeme. Die Erfahrung zeigt immer wieder, dass damit häufig Probleme verbunden sind. Erst recht-in Fahrzeugen der jüngeren Generation wie auch aufgrund der Tatsache, dass die Bedienung je nach Hersteller unterschiedlich ist. - So waren zum Beispiel knapp 90 Prozent der Befragten quer durch die verschiedenen Alters- und Bevölkerungsgruppen schon einmal in der Situation, dass sie nicht auf Anhieb wussten, wie bestimmte Funktionen oder-Systeme in einem ihnen nicht oder weniger vertrauten Fahrzeug wie etwa einem Mietwagen bedient oder genutzt werden. Dies betraf vor allem den Tempomaten beziehungsweise Abstandsregel-Tempomaten (61 Prozent), das Abblend- und das Fernlicht sowie die Nebelschweinwerfer-(55 Prozent), den Scheibenwischer (46 Prozent) und das Navigationssystem (46 Prozent). - Rund ein Viertel der Befragten, die Schwierigkeiten bei der Bedienung von bestimmten Funktionen oder Systemen hatten, gaben an, dass sie deshalb schon einmal abgelenkt waren und es zu einer kritischen Situation- im Straßenverkehr kam. Darüber hinaus sagten 62 Prozent der Befragten, dass ihnen in einem Fahrzeug schon einmal eine Warnmeldung angezeigt wurde, die ihnen nicht bekannt war. Insgesamt wünschen sich 90 Prozent der Befragten, dass sich wichtige Funktionen- und Systeme bei unterschiedlichen Fahrzeugtypen beziehungsweise -herstellern gleich bedienen lassen.- An der Umfrage nahmen im Oktober 2022 insgesamt über 1.500 nach einem systematischen Zufallsverfahren ausgewählte deutschsprachige Autofahrerinnen und Autofahrer ab 18 Jahren teil. Weitere Ergebnisse der Befragung sowie Informationen und Empfehlungen zum Spannungsfeld von Technik und Mensch im Verkehr finden sich im aktuellen Dekra Verkehrssicherheitsreport 2023. Er steht online unter-www. dekra-roadsafety.com- zum Download- zur Verfügung.- ■ Dekra e.V./ red Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 75 Alternativer Treibstoff TECHNOLOGIE Kann ein Diesel mit klimaneutralem Flüssiggas fahren? Unter welchen technischen Rahmenbedingungen Dieselfahrzeuge mit Dimethylether als alternativem Kraftstoff betrieben werden können, untersucht derzeit ein Forschungskonsortium-unter der Leitung des Ford Research and Innovation Center Aachen. D imethylether (DME) ist ein Gas, das ähnliche physikalische Eigenschaften wie die Flüssiggase Propan und Butan besitzt und ebenso bei einem Atmosphärendruck 5 bis 6- bar flüssig ist. DME ist, ähnlich wie sein- Schwestermolekül Methanol, als klimaneutraler Energieträger besonders effizient und kostengünstig herstellbar und zeichnet sich durch emissionsmindernde Eigenschaften in der Diesel-motorischen Verbrennung (nahezu rußfrei bei Verwendung als Reinkraftstoff bei- gleichzeitiger Minderung von Stickoxiden) aus. Interessant ist das beispielsweise im Güterverkehr, wo mehr als 95 % der mittleren bis schweren Nutzfahrzeuge noch mit Dieselmotoren unterwegs sind. Damit Bestands- und Neufahrzeuge mit Dimethylether betrieben werden können, sind technische Anpassungen erforderlich. Bisherige Untersuchungen zeigten, dass der Betrieb von Dieselmotoren- mit 100 % DME möglich ist jedoch einen signifikanten Aufwand (Einspritzkomponenten, Brennverfahren, Abgasnachbehandlung, Tanksystem) bei der Umrüstung erfordert. Darum untersucht das Forschungskonsortium neue DME-basierte Kraftstoffblends als Lösungen für- Bestandsfahrzeuge, die mit minimalem Nachrüstaufwand verbunden und daher kostengünstig sind. Idealerweise bleiben dabei die bereits im Fahrzeug installierten konventionellen Systemkomponenten erhalten. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist, dass bei DME-/ Diesel-Blends- sowohl die Schmiereigenschaften als auch der Energieinhalt bei entsprechender Zumischungsrate nahezu erhalten bleiben. Die zu untersuchenden Kraftstoffgemische lassen sich einerseits vorgemischt betanken (statische Mischung), würden aber auch eine Mischung- beider Komponenten vor der Kraftstoffhochdruckpumpe (potenziell dynamisches Blending) erlauben. Mit dem dynamischen Blending wäre unter Beibehaltung des ursprünglichen Dieselsystems sogar ein Flex-Fuel-Betrieb (Diesel oder DME/ Diesel) möglich. Dimethylether-Blends im Test Neben der technischen Entwicklung einer solchen Nachrüstlösung liegt im Projekt ein weiterer Fokus auf der Bestimmung möglicher Kraftstoffmischungen (Blends). Die Tec4Fuels GmbH-testet Dimethylether in Blends mit flüssigen fossilen oder erneuerbaren Kraftstoffkomponenten wie mineralölbasiertem Diesel, paraffinischen Kraftstoffen gemäß EN15940 und Biodiesel für die Anwendung in Dieselmotoren. Diese Eignungsprüfung bezieht sich sowohl-auf die Kompatibilität der Kraftstoffe in variierenden Mischungen untereinander als auch ihre Auswirkungen auf die Materialien von kraftstoffführenden Bauteilen, wie etwa Hochdruckpumpen, Kraftstofffilter, Dichtungen und Injektoren. Erste Untersuchungen deuten-darauf hin, dass eine Mischung aus 80 % mineralölbasiertem Diesel und 20 % DME die Anforderungen an die Kompatibilität erfüllt. Weitere DME-Blends, wie zum Beispiel mit Fettsäuremethylester (Biodiesel) oder Gas-to- Liquid-Produkten (paraffinischem Diesel) werden- im weiteren Projektverlauf untersucht. Die Auswahl geeigneter effizienter und nachhaltiger Antriebstechnologien für zukünftige Mobilitätsanforderungen ist komplex und wird neben dem Bedarf hinsichtlich Umweltverträglichkeit-(CO 2 und Schadstoffe), Sicherheit und Machbarkeit vor allem durch Bezahlbarkeit beim Verbraucher bestimmt. Dimethylether bietet Vorteile, wie eine ausreichende Energiedichte und mit Dieselkraftstoff vergleichbare Zünd- und Verbrennungseigenschaften bei signifikant- niedriger Rußbildung, was die Erhöhung des Kompressionsverhältnisses und damit eine Steigerung des thermodynamischen Wirkungsgrades und somit einen effizienteren Kraftstoffverbrauch ermöglicht. Darüber hinaus ist es bei der Herstellung von DME als eFuel möglich,- die Well-to- Wheel-Emissionen von CO 2 um mehr als 90 % reduzieren. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Weitere Informationen unter www.tec4fuels.com- ■ Tec4Fuels/ red Foto: Dimitry / pixabay Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 76 TECHNOLOGIE Alternativer Treibstoff Mit erneuerbarem Diesel die-Klimaziele erreichen Klimaschutz, Emissionen, Defossilisierung, Nutzfahrzeuge Alternative Kraftstoffe gelten als wichtiger Baustein, um die Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Das trifft besonders in Verkehrssektoren zu, die schwer oder gar nicht zu elektrifizieren sind - etwa im schweren Straßengüterverkehr, in der Schifffahrt und im Luftverkehr. Und doch haftet erneuerbarem Kraftstoff vielfach noch der Makel an, wertvolle Nahrungsmittel statt auf den Teller in den Tank zu packen. Lässt sich das wirklich so pauschal sagen? Ein Zwischenruf aus der Praxis. Marco Lietz N eben der Strom- und Wärmewende ist die Verkehrswende eine der drei zentralen Säulen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Um die Emissionen im Verkehrssektor zu senken, müssen alle vorhandenen Lösungen genutzt werden. Vollelektrische oder Hybrid-Fahrzeuge haben beispielsweise großes Potenzial, zur Emissionsminderung beizutragen. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, werden allerdings weitere Technologien notwendig sein. Hier kommen alternative Kraftstoffe ins Spiel, wie erneuerbarer Diesel (HVO100) 1 , den Neste unter dem Markennamen Neste MY Renewable Diesel produziert. Erneuerbarer Diesel kann insbesondere bei der Defossilisierung großer Nutzfahrzeuge eine Schlüsselrolle einnehmen. Aktuell fahren laut Kraftfahrt-Bundesamt über 90 Prozent der LKW in Deutschland mit fossilem Diesel. Und den Prognosen der Impact Assessment Study der Europäischen Kommission zufolge wird Diesel bei Nutzfahrzeugen und LKW auch am Ende des Jahrzehnts noch die mit Abstand am häufigsten verwendete Antriebsart sein. Umso wichtiger ist es, bei bestehenden Fahrzeugen sofort Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel zu erreichen. Erneuerbarer Diesel: Rest- und Abfallstoffe als Basis Neste MY Renewable Diesel wird zu 100-Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen, beispielsweise Abfall- und Reststoffen, hergestellt und steht nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Für die Produktion werden unter anderem gebrauchte Frittierfette verwendet. Von den im Jahr 2022 eingesetzten erneuerbaren Rohstoffen entfielen 95 Prozent auf Abfälle und Reststoffe. Das globale Rohstoffpotenzial für die Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen wächst in den nächsten Jahren kontinuierlich. Die jährliche Produktionskapazität für erneuerbaren Diesel und andere erneuerbare Produkte liegt bereits heute bei 3,3 Millionen Tonnen allein in unserem Unternehmen. Bis Ende 2023 wird diese auf 5,5 Millionen und bis Ende 2026 auf 6,8 Millionen Tonnen steigen. Durch den Einsatz von HVO100 können die Treibhausgasemissionen von Fahrzeugen um bis zu 90 Prozent über den Lebenszyklus des Kraftstoffs im Vergleich zu fossilem Diesel reduziert werden (Berechnungsmethode: EU Renewable Energy Directive). Zusätzlich zu den erheblich reduzierten CO 2 -Emissionen bietet der erneuerbare Dieselkraftstoff eine kostengünstige Möglichkeit, verkehrsbedingte Emissionen vor Ort zu mindern und die Luftqualität zu verbessern. Sofort einsetzbar - ohne technische Anpassungen HVO100 ist ohne technische Anpassung für alle dieselbetriebenen Fahrzeuge und bestehenden Infrastrukturen geeignet. Als „Dropin“-Lösung kann der Kraftstoff sofort verwendet werden, um die Emissionen von Bestandsflotten zu reduzieren. Es ist weder notwendig, in neue Motoren oder Logistik zu investieren, noch technische Anpassungen an der bereits vorhandenen Technologie vorzunehmen. Annähernd alle Fahrzeug- und Motorenhersteller haben die von ihnen produzierten Dieselmotoren für erneuerbaren Diesel freigegeben - teilweise sogar rückwirkend für Bestandsfahrzeuge. Für LKW und Busse liegen diese Freigaben bereits seit mehreren Jahren vor. Es bedarf keiner technischen Anpassungen oder Umrüstungen der Fahrzeuge oder des flächendeckenden Tankstellennetzes. Dasselbe gilt für die bestehende nicht-öffentliche Tankinfrastruktur auf Logistikanlagen und Betriebshöfen. HVO100 von Neste ist in mehreren EU-Ländern, wie den Niederlanden, Finnland, Schweden, Belgien und den baltischen Ländern, sowie in den Vereinigten Staaten erhältlich. Europaweit gibt es sogar mehr als 500 öffentliche Tankstellen, an denen Autofahrerinnen und -fahrer ihr Fahrzeug mit erneuerbarem Diesel betanken können - aber keine einzige davon befindet sich bislang in Deutschland. Generelle Zulassung synthetischer Reinkraftstoffe in Planung Die Bundesregierung plant aktuell die Zulassung von HVO100 und E-Fuels, damit erneuerbarer Diesel in Zukunft auch an Tankstellen in Deutschland verkauft werden kann. Dies würde es allen potenziellen Nutzern ermöglichen, von den Klimavorteilen dieses Kraftstoffs zu profitieren. Im Rahmen der aktuellen Zulassungsdebatte ist es für uns wichtig, die Unterschiede zwischen HVO und E-Fuels deutlich zu machen - vor allem deshalb, weil HVO-Kraftstoffe auf Rohstoffen und Produktionskapazitäten basieren, die sofort genutzt werden können, um im Kampf gegen den Klimawandel einen Beitrag zu leisten. Die Zulassung synthetischer Reinkraftstoffe ist ein längst überfälliger Schritt. Denn alle verfügbaren Lösungen sollten schnellstmöglich genutzt werden. ■ 1 HVO, englisch Hydrotreated Vegetable Oils, bezeichnet Pflanzenöle, die durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt und in ihren Eigenschaften an fossile Kraftstoffe angepasst werden. Marco Lietz Manager Public Affairs, Neste Germany, Düsseldorf kontakt@neste.com Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 77 Kritische Situation bei der Deutschen Bahn - und dringender Handlungsbedarf in der Verkehrspolitik Die derzeit erneute Diskussion über die Deutsche Bahn und die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Rettung aus der Krise - vor allem aus der auf Dauer untragbaren Verlustsituation - erfordert einen Rückblick auf bereits mehrfach durchgeführte Analysen und Vorschläge. Ein Appell an die Politik von Klaus Milz. D as Problem Klimakrise ist inzwischen national sowie weitgehend auch international in Politik und Öffentlichkeit angekommen. So versuchen in Deutschland Bundes- und Landesregierungen in allen betroffenen Sektoren, Maßnahmen zur Klimarettung zu finden. Die Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen sind im Rahmen der Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen sowohl auf EUals auch auf nationaler Ebene zum Teil gesetzlich festgelegt worden. In Deutschland beispielsweise wurde das „Klimaschutzprogramm 2030“ für die Sektoren Verkehr, Energie, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft beschlossen. Bestandteile dieses Programmes sind sowohl der Ausstieg aus Kohle und anderen fossilen Energieträgern als auch ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien. Über die konkreten Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele gibt es derzeit noch heftige Debatten, aber erfreuliche Zwischenziele sind in fast allen Sektoren bereits erkennbar. Ein Problembereich ist bei uns leider immer noch der Verkehrssektor, der seinen gesetzten Zielen erheblich hinterher hinkt. Die mit der „Verkehrswende“ angestrebte Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger wie Schienenverkehr und ÖPNV kommt trotz permanenter Diskussionen und Beschlüsse in der deutschen Verkehrspolitik nur zögerlich voran. In diesem Zusammenhang kann die Strategie der Bundesverkehrsministerien in den letzten Jahren nicht immer als stringent genug bezeichnet werden. Es gibt erfreulicherweise im derzeitigen Bundesverkehrsministerium viele Pläne, darunter auch Investitionsprogramme für eine zukünftige Schieneninfrastruktur und moderne Bahnhöfe sowie beeindruckende Beschaffungsplanungen für Fahrzeuge der DB. Aktuell geht die Bundesregierung von einem notwendigen Investitionsbedarf für das seit vielen Jahren vernachlässigte Schienennetz in Deutschland von rund 90 Mrd. EUR bis 2027 aus. Allerdings sind nach Aussagen des- Verkehrsministeriums davon nur rund 43 Mrd. EUR im Bundeshaushalt eingeplant. Auch zum Bahnbetrieb selbst hat der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, erfreuliche Maßnahmen angekündigt. So soll die nächste Stufe des seit Foto: Gerald Friedrich/ pixabay Standpunkt FORUM FORUM Standpunkt Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 78 Jahren diskutierten Deutschlandtaktes im Fernverkehr bereits 2025/ 26 eingeführt werden. Positiv zu werten sind auch die wichtigen Entscheidungen im ÖPNV mit dem 49-Euro-Ticket und alle zusätzlichen Bemühungen zur Erhöhung der Bundes- und Länderzuschüsse für einen weiteren Ausbau des umweltfreundlichen öffentlichen Nahverkehrs. Solche Pläne unterliegen jedoch immer wieder der Gefahr, nicht konsequent umgesetzt zu werden. Das Problem liegt wohl vor allem darin, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Verkehrsträger von den verschiedenen politischen Entscheidungsträgern immer noch kontrovers bewertet wird. Trotz diverser Anstrengungen auf Bundes- und Länderebene besitzen wir in Deutschland, im Gegensatz zur Schweiz, nach wie vor keine neutral erstellte wissenschaftliche Gesamtrechnung aller Kosten- und Klimaauswirkungen für die einzelnen Verkehrssektoren, die als verbindliches Leitinstrument für die politischen Entscheidungen allgemeine Anerkenntnis findet. Ein aktuelles Beispiel für die unausgewogene Vorbereitung verkehrspolitischer Entscheidungen stellt die vom Bundesverkehrsministerium kürzlich veröffentlichte Prognose über die Entwicklungen von Straßen- und Schienengüterverkehr bis 2050 dar. Sie entspricht nun wirklich nicht dem aktuellen Stand verkehrswissenschaftlicher Erkenntnisse, wie auch die Allianz pro Schiene bemerkte. Wie konnte es zu einer solchen Situation kommen, und was ist nunmehr erforderlich? Ein Blick zurück: Ungleiche Wettbewerbsbedingungen Die Erfindung der spurgeführten Eisenbahn vor nunmehr fast 200 Jahren war eine bedeutsame Innovation. Sie verdoppelte die damaligen Reise- und Transportgeschwindigkeiten bei gleichzeitiger Reduzierung der Kosten. Die Bahnen im Fern-und Nahverkehr wurden als integrierte Systeme (Fahrweg und Betrieb) eingeführt, zumal beide Teile technisch und betrieblich kompatibel aufeinander abgestimmt sein mussten. Diese notwendige Kompatibilität gilt auch heute, unabhängig von der Frage, ob es integrierte oder getrennte Verantwortungen für Netz und Betrieb gibt. Der weltweite Erfolg der Bahnen war jahrelang die Basis für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Länder und ganzer Kontinente. Mit dem zunehmenden intermodalen Wettbewerb, also dem zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern, ist der schienengebundene Verkehr in den letzten 50 Jahren gegenüber dem rasant gewachsenen Straßenverkehr zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Individualverkehr auch als Zeichen der individuellen Freiheit angesehen. Der Bahnverkehr verlor an Attraktivität. Durch die beachtliche Entwicklung moderner Antriebstechniken in der Automobilindustrie und dem Vorhandensein kostengünstiger fossiler Treibstoffe kam es letztlich zum Siegeszug des Straßenverkehrs. Als Folge hiervon sind die Marktanteile des Schienenverkehrs kontinuierlich gefallen. Diese technologischen Entwicklungen der Automobilbranche sowie ihre zunehmende Bedeutung für Wirtschaft und Beschäftigung brachten darüber hinaus auch ein deutliches Erstarken ihres politischen Einflusses. Das wiederum führte am Ende zu der heute teilweise noch immer vorhandenen unausgewogenen Verkehrspolitik. Aber auch außerhalb Deutschlands etablierten sich in vielen Ländern ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern sowie falsche Prioritäten in der Steuerpolitik. Bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastrukturen fehlt vielfach bis heute noch eine ausreichende Berücksichtigung der Gesamtheit der Energie- und Umweltaspekte. Erst vor dem Hintergrund der stets deutlicher erkennbaren Umwelt- und Energieproblematik haben die EU-Institutionen und einige progressive Länder, so z. B. die Schweiz, erkannt, dass die Bahnen wichtige Beiträge zur Lösung dieser Probleme leisten können. Die Schweiz hat erfreulicherweise sehr früh umfangreiche gesamtwirtschaftliche Berechnungen für ihren nationalen und länderübergreifenden Verkehrssektor durchgeführt und dabei nach dem Stand der Wissenschaft versucht, möglichst alle direkten und indirekten Kosten (speziell die externen Kosten aller Verkehrsträger) zu erfassen. Solche transparenten Analysen waren in diesem Land übrigens auch erforderlich, um möglichst allen Bürgern bei den notwendigen Volksabstimmungen solide Begründungen für die zu treffenden Maßnahmen im Gesetzes- und Investitionsbereich zu geben. Der damalige Chef des schweizerischen Bundesamtes für Verkehr sagte mir einmal markant und deutlich: „Nach unseren Regeln müssen wir für die notwendigen Volksabstimmungen unsere politischen Maßnahmen so klar und transparent beschreiben, dass auch unsere Alpenbauern sie verstehen können“. Bei den Bahnen in der Schweiz sind die daraus resultierenden Wirkungen deutlich erkennbar. Die Umweltbilanz des Verkehrssektors ist in diesem Nachbarland vorbildlich. Die Bahnen sind rundum beliebt und besitzen erfreulich hohe Marktanteile. Diese Erfolge waren dabei absolut unabhängig von der Frage „integrierte oder getrennte Eisenbahnunternehmen“ (Infrastruktur und Betrieb). Was ist nach diesen Erkenntnissen notwendig, um auch in Deutschland rascher zu umweltgerechten Lösungen im Verkehr zu gelangen? Zunächst müssen wir nochmals betrachten, welche externen und internen Einflussfaktoren die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg dieses unverändert umweltfreundlichsten Verkehrsträgers bestimmen bzw. behindern. Die EU und ihre Wirkung Die EU-Institutionen haben bei ihren Bemühungen um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Bahnen eine ganze Reihe von Einflussfaktoren, aber auch Schwachstellen des Systems der Bahnen in Europa selbst, analysiert. Eines der historisch bedingten Probleme war die technische Inkompatibilität der verschiedenen nationalen Bahnsysteme (technische Normen, Vorschriften der Betriebsführung, vier verschiedene Stromsysteme, mehrere Spurweiten,18 unterschiedliche Signalsysteme, etc.) Hier sind unter Federführung der EU Kommission erhebliche Harmonisierungen, Struktur-, Finanzierungs- und Betriebsvorschriften erarbeitet und umgesetzt worden (Eisenbahnpakete). Neben den Zielen der technischen und betrieblichen Harmonisierung (einheitlicher europäischer Eisenbahnmarkt) hat die Kommission auch sehr früh das Thema „intramodaler“ Wettbewerb (also Wettbewerb zwischen den Bahnen) aufgegriffen. Er soll durch diskriminierungsfreien Zugang konkurrierender Bahngesellschaften in den Bahnnetzen die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs erhöhen und so zu höheren Marktanteilen dieses umweltfreundlichen Verkehrsträgers führen. Im Idealfall forderte die EU Kommission dabei eine unternehmerische Trennung der Bahninfrastruktur von den Betriebsgesellschaften. In der EU-Gesetzgebung ist dies zunächst für den Güterverkehr und später auch für den Personenfernverkehr festgelegt worden. Aber nicht alle EU Länder haben sich bisher daran gehalten. Frankreich folgte zwar formal sehr rasch dieser Trennungsvorschrift; durch eine Beauftragung des Netzbetreibers Réseau Ferré de France an die nationale Bahngesellschaft SNCF, den Netzbetrieb zu organisieren, es wurde de facto aber keine echte Trennung geschaffen. Trotz dieser engen organisatori- Standpunkt FORUM Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 79 schen Verbindung zwischen Netz und Betreibergesellschaften wird jedoch heute der französische Bahnverkehr durch regulatorische Maßnahmen großenteils im Wettbewerb betrieben und weiter ausgebaut. In Deutschland wehrte sich die Deutsche Bahn lange Zeit vehement gegen eine Trennung des Netzes vom Betrieb. Es wurde trotzdem möglich, vor allem im Güterverkehr, erheblichen intramodalen Wettbewerb aufzubauen. Die Überwachung des diskriminierungsfreien Netzzuganges oblag zunächst dem Eisenbahnbundesamt und heute der Bundesnetzagentur. Allein die hohe Zahl der Wettbewerber im deutschen Bahnnetz für den Güterverkehr und deren beachtliche Marktanteile beweist, dass eine organisatorische Trennung von Netz und Betrieb nicht unbedingt erforderlich ist, um den Schienenverkehr in Deutschland erfolgreicher zu gestalten. Der noch recht geringe Wettbewerb im Personenfernverkehr hat teilweise andere Gründe. Hauptproblem in Deutschland: die-Infrastruktur Gemeinsames Problem aller Bahnverkehre in Deutschland ist die seit Jahren vernachlässigte Infrastruktur, das Netz. Wenn nun das Verkehrsministerium in diesen Tagen ankündigt, dass im nächsten Jahr sowohl das Netz als auch die Bahnhöfe der Deutschen Bahn in eine neue „gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte“ innerhalb des DB-Konzerns überführt werden sollen, dann ist dies als Beitrag zu mehr Transparenz im intramodalen Wettbewerb innerhalb des deutschen Schienenverkehrs zwar zu begrüßen. Die Universallösung zur Rettung des Bahnverkehrs in Deutschland ist diese Trennung jedoch nicht. Das Problem des Schienenverkehrs hat, wie bereits mehrfach angesprochen, andere Gründe. Diese sind eindeutig nach wie vor die „unfairen“ Wettbewerbsbedingungen für diesen Verkehrsträger. Der Straßenverkehr bezahlt in Deutschland bei weitem nicht alle seine externen Kosten. Es gibt, wie schon dargelegt, bei uns immer noch keine volkswirtschaftlich korrekte Gesamtrechnung analog zu der des Bundesamtes für Verkehr in der Schweiz, die in Deutschland ideologiefrei als Richtlinie für ein verbindliches level playing field in der Verkehrspolitik dienen könnte. Gravierendes Manko ist seit Jahren die hieraus entstandene, letztlich unverantwortliche Politik bei den Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur. Hier wurden über Jahrzehnte weder Substanzerhaltung noch notwendige Zukunftsvorsorge betrieben. Darin sind sich inzwischen fast alle Parteien in Deutschland einig. Es ist an dieser Stelle aber müßig, über die verschiedenen Ursachen und früheren Verantwortlichkeiten zu spekulieren. Wichtig ist heute die möglichst rasche Korrektur dieser Versäumnisse. Wie schon erwähnt, sind Vorschläge zu einem Investitionsprogramm für eine zukunftsfähige Schieneninfrastruktur sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der Deutschen Bahn inzwischen reichlich vorhanden. Zur raschen Umsetzung ist jetzt aber vor allem die Politik gefordert. Die eindeutige Verantwortung der Verkehrspolitik für die dringend erforderlichen Korrekturen in den Netzinvestitionen und für die Schaffung eines echten fairen level playing fields im Gesamtverkehr unseres Landes ist heute auch Grundvoraussetzung für das Erreichen der Klimaziele in diesem Bereich. Das darf auf keinen Fall durch zeitaufwendige und möglicherweise kontraproduktive Diskussionen über organisatorische Detailfragen zur Trennung von Infrastruktur und Betrieb bei der Deutschen Bahn verwässert werden. Steht die Ampel (noch) auf Grün? Die Ampelkoalition hatte zu Beginn mit Elan eine Wende in der Verkehrspolitik angestrebt, heute ist dies durch eine Fülle von Koalitionsauseinandersetzungen aber in akute Gefahr geraten. Somit bleibt jetzt nochmals ein deutlicher Appell an alle Verantwortlichen: Wir dürfen diese „letzte Chance“ im Verkehrsbereich auf keinen Fall verpassen. Unsere wirtschaftliche und soziale Zukunft hängt hiervon entscheidend ab, zumal eine gelungene Verkehrswende darüber hinaus den mehrfach erwähnten Beitrag zur Rettung unseres Klimas leisten kann. ■ Der deutsche Industriemanager Prof. Dr. rer. pol., Dipl.-Ing. Klaus Milz war Vice President Bombardier Transportation, Senior Vice President ADtranz, President AEG Westinghouse Transportation, Generalbevollmächtigter und Leiter des Geschäftsbereiches Bahnen der AEG a.D. Ab 1976 war er Lehrbeauftragter für Elektrische Bahnen an der TU Berlin, seit 1982 Honorarprofessor. kmilz@gmx.eu Lesen Sie Internationales Verkehrswesen und International Transportation lieber auf dem Bildschirm? Dann stellen Sie doch Ihr laufendes Abo einfach von der gedruckten Ausgabe auf ePaper um - eine E-Mail an service@trialog.de genügt. Oder Sie bestellen Ihr neues Abonnement gleich als E-Abo. Ihr Vorteil: Überall und auf jedem Tablet oder Bildschirm haben Sie Ihre Fachzeitschrift für Mobilität immer griffbereit. www.internationales-verkehrswesen.de/ abonnement DAS FACHMAGAZIN IN DER JACKENTASCHE Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de IV Drittel quer.indd 2 IV Drittel quer.indd 2 28.08.2018 16: 22: 46 28.08.2018 16: 22: 46 FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 80 Focus on transport skills Preview: 4. to 6. October 2023, Urban Mobility Days 2023, Seville (ES) T he Urban Mobility Days Conference combines two previously leading events from Europe’s transport calendar: the CIVI- TAS Forum Conference and the European Conference on Sustainable Urban Mobility Plans (SUMPs). It will bring together politicians, local authorities, industry, and urban transport practitioners with the European Commission to connect, share and discuss the path forward for a sustainable, innovative, and equitable future for Europe’s urban mobility. The conference fosters the exchange of ideas and offers a networking opportunity for those involved in the development and implementation of such activities to share their relevant experience. It will provide the ideal opportunity to hear from the cities, people and projects driving innovation in smart, inclusive and sustainable mobility, including those putting the SUMP concept into practice, and provides the chance to exchange and connect with policymakers, local authorities, academics, NGOs, urban transport practitioners and urban planners. This is why the Urban Mobility Days conference provides the ideal opportunity to network, debate key issues, and exchange ideas on emerging transport trends and technologies, the latest developments in sustainable urban mobility planning, and solutions to make mobility in cities and towns more sustainable. In 2023, Urban Mobility Days will have a specific focus on transport skills. The event is being organised together with the upcoming Spanish Presidency of the Council of the EU. https: / / transport.ec.europa.eu/ urbanmobilitydays_en ETC 2023 - policy and projects Preview: 6. to 8. September, 51 st European Transport Conference 2023, Milano (IT) T he European Transport Conference (ETC) is the annual conference of the Association for European Transport. The conference attracts transport practitioners and researchers from all over Europe where they can find in-depth presentations on policy issues, best practice and research findings across the broad spectrum of transport. The range of topics and the multi-seminar approach makes ETC special among transport conferences and it is well established as the premier event of its type. The conference programme covers supranational issues, national and local policy and the implementation of projects at a local level. In 2023, ETC returns live to a full threeday conference at the Bovisa Campus of Politecnico di Milano, Italy. This follows last year’s very successful conference, with excellent attendance, thought-provoking plenaries and topical sessions. This year, delegates can expect presentations focusing on: •• Human wellbeing - delivering transport schemes for the health of future generations •• Transport equity - enabling inclusiveness in travel in diverse societies •• Sustainable travel - shaping tourism and daily travel in the face of climate change and energy transition •• Supply chain challenges - impacts of labour and resource constraints in freight and passenger transport •• Regulatory issues - impacts of national and international legislation on infrastructure and services •• Funding and financial sustainability - challenges from Covid recovery and energy prices •• Cities and transport - integrated planning, liveable cities and active transport Detailled information can be found on the website. www.aetransport.org Digitalisierung für nachhaltige Mobilität und Logistik Vorschau: 13. bis 14. November 2023, Deutscher Mobilitätskongress, Frankfurt a.M. (DE) D er Deutsche Mobilitätskongress als seit 2013 jährlich ausgerichtete Veranstaltung zum Thema Verkehr und Mobilität wird von Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen als zentrale Veranstaltung und herausragende Plattform für Deutschland und andere Länder und Metropolregionen in Europa wahrgenommen. Der Deutsche Mobilitätskongress führt verantwortliche Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen, bringt Fachleute verschiedener Disziplinen und Branchen ins Gespräch, schlägt praktikable Lösungen vor und gibt den Anstoß für eine gesellschaftliche Debatte über die Frage eines gleichermaßen ökonomisch, ökologisch wie sozial verantwortbaren Verkehrs und einer nachhaltigen Mobilität. Der Kongress wird damit zu dem Event in Deutschland Foto: Politecnico di Milano Foto: DVWG Foto: Sevilla; Nathan618/ pixabay Veranstaltungen FORUM Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 81 Commercial vehicles in a net zero sector Preview: 21. to 25. November 2023, Solutrans 2023, Lyon (FR) T he 17 th edition of the the two-yearly Solutrans trade show, to be held from 21 to 25- November 2023 at Lyon Eurexpo, is shaping up to be a strategically important event for all the players in the sector. With more than 90 % of its surface area already booked seven months before the event and an everincreasing number of exhibitors, Solutrans, the global hub for heavy and light commercial vehicles, is mobilising the sector‘s players more than ever and is planning a content-rich 2023 edition. The guiding theme of this year’s event: How to embed the commercial vehicle industry in a net zero sector? Transport has always provided essential connections. Not only do modes of transport need to be reinvented, but also its organisation and its touchpoints: the city must be a relay point. Consumer patterns are constantly changing. Transport is adjusting quickly to them, and with the least possible impact. Haulage has wasted no time in decarbonising its vehicles and transport. Other modes of transport must be invented to connect and round out the logistics chain. This year’s edition of the show will focus on 5 main topics: onboard intelligence, urban delivery, retrofit, tires and new energies. Together, citizens, consumers, politicians, carriers, logistics providers, are called upon to reinvent cities, reinvent a greener world. www.solutrans.fr und zu einer wichtigen Veranstaltung in Europa wachsen. In diesem Jahr steht der Kongress, ausgerichtet von der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. (DVWG) und ihren Partnern Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV) und Messe Frankfurt GmbH unter dem Motto „Potenziale der Digitalisierung für nachhaltige Mobilität und Logistik“, ein Forum, in dem Antworten auf aktuelle und für die nächste Zukunft relevante Fragen erarbeitet werden sollen. Behandelt werden Themen wie „Chancen der Digitalisierung für Mobilität und Logistik“, „Automatisierung und Künstliche Intelligenz“ sowie Impulse für den „ÖPNV der Zukunft“ und „Digitalisierung der Infrastruktur“. Mit einem Festakt in der Paulskirche wird am ersten Kongresstag der Innovationspreis der deutschen Mobilitätswirtschaft 2023 verliehen. www.deutscher-mobilitaetskongress.de Innerstädtischer Warenwirtschafts-Verkehr - Herausforderung und Chance Vorschau: 15. November 2023, LMCL Suisse 2023, Bern (CH) M it einem eintägigen Content-Live- Event zum Thema „Last Mile City Logistics“ kommt die LMCL Suisse in die Conference-Räumlichkeiten der Bernexpo. Das Thema ist hoch aktuell, denn die Innenstädte der Zukunft stehen vor einem grundlegenden Strukturwandel: Hohe Paketmengen, großer Sanierungsbedarf und zahlreiche Baustellen führen im Bereich des urbanen Wirtschaftsverkehrs zu großen Herausforderungen. Zum hohen Konkurrenzdruck auf der Straße um Durchfahrten, Parkmöglichkeiten und Nutzung des urbanen Raums kommen zunehmend auch Fragen zu Lärmbelastung und Sicherheit. Wie aber können diese Herausforderungen auf der Letzten Meile zukunftsorientiert und nachhaltig bewältigt werden? Wie soll der urbane Wirtschaftsverkehr der Zukunft aussehen? Diese Aspekte sollen auf der LMCL Suisse 2023 im Fokus stehen - in Diskussionen zu künftigen rechtlichen Rahmenbedingungen, mit Ideen für nachhaltige Logistik in der Städte- und Quartiersentwicklung, der Rolle der Letzten Meile für E-Commerce- Kundenbindung und Markenerlebnis, kooperativen Lösungen zum Mix von Mobilität, Flächen- und Immobiliennutzung sowie cleverem Datenmanagement - als Chance und als Notwendigkeit. Namhafte Vortragende geben Impulse zur Zukunft der Letzten Meile nicht nur in der Schweiz, während Expo-Partner Handlungsempfehlungen aus der Praxis zeigen. Das heißt: Exklusiv vor Ort ist ein hochaktuelles Konferenzprogramm erlebbar. www.lastmilecitylogistics.com Foto: Solutrans Foto: Shutterstock GREMIEN | IMPRESSUM Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 82 Erscheint im 75. Jahrgang Impressum Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag und Redaktion Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22 | D-72270 Baiersbronn Tel. +49 7449 91386.36 Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de www.trialog.de Verlagsleitung Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Tel. +49 7449 91386.43 christine.ziegler@trialog.de Redaktionsleitung Eberhard Buhl, M. A. (verantwortlich) Tel. +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de Korrektorat: Ulla Grosch Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de dispo@trialog.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 60 vom 01.01.2023 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 service@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr mit International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist vier Wochen vor Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Jahres-Bezugsgebühren Inland: Print EUR 225,00 / eJournal EUR 210,00 (inkl. MWSt.) Ausland: Print EUR 228,00 / eJournal EUR 210,00 (exkl. VAT) Einzelheft: EUR 39,00 (inkl. MWSt.) + Versand Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print-Ausgabe oder eJournal mit dem Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Unternehmenslizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Silber Druck oHG, Lohfelden, silberdruck.de Herstellung Schmidt Media Design, München, schmidtmedia.com Titelbild Bushaltestelle mit roten Sitzen Foto: Coldsnowstorm/ istock Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Baiersbronn-Buhlbach ISSN 0020-9511 Herausgeberkreis Herausgeberbeirat Uta Maria Pfeiffer Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Sebastian Belz Dipl.-Ing., Generalsekretär EPTS Foundation; Geschäftsführer econex verkehrsconsult GmbH, Wuppertal Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Magnus Lamp Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Köln Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Florian Eck Dr., Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Tom Reinhold Prof. Dr.-Ing., Geschäftsführer, traffiQ, Frankfurt am Main Ottmar Gast Dr., ehem. Vorsitzender des Beirats der Hamburg-Süd KG, Hamburg Barbara Lenz Prof. Dr., ehem. Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus Detlev K. Suchanek Publisher/ COO, GRT Global Rail Academy and Media GmbH | PMC Media, Hamburg Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Johann Dumser Director Global Marketing and Communications, Plasser & Theurer, Wien Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen Sebastian Kummer Prof. Dr., Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender der Logistik- Initiative Hamburg (LIHH), Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Ralf Nagel Ehem. Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Jan Ninnemann Prof. Dr., Studiengangsleiter Logistics Management, Hamburg School of Business Administration; Präsident der DVWG, Hamburg Ben Möbius Dr., Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), Berlin Ullrich Martin Univ.-Prof. Dr.-Ing., Leiter Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen, Direktor Verkehrswissenschaftliches Institut, Universität Stuttgart GESAMMELTES FACHWISSEN Das Archiv der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen mit ihren Vorgänger-Titeln reicht bis Ausgabe 1|1949 zurück. Sie haben ein Jahres-Abonnement? Dann steht Ihnen auch dieses Archiv zur Verfügung. Durchsuchen Sie Fach- und Wissenschaftsbeiträge ab Jahrgang 2000 nach Stichworten. Greifen Sie direkt auf die PDFs aller Ausgaben ab Jahrgang 2010 zu. Mehr darüber auf: www.internationales-verkehrswesen.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 ePaper-EAZ_IV_TranCit.indd 4 11.11.2018 18: 32: 23 11.11.2018 18: 32: 23 2023 | Heft 3 September
