Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
92
2024
763
Spurgeführte Systeme - Technologie und Betrieb INFRASTRUKTUR Eisenbahninfrastruktur zielgerichtet ausbauen LOGISTIK Von der Straße auf die Schiene MOBILITÄT Das Deutschlandticket in einer wohlfahrtsökonomischen Betrachtung TECHNOLOGIE Ein Radar für den Kombinierten Verkehr www.internationales-verkehrswesen.de Heft 3 | September 2024 76. Jahrgang expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Suchen Sie einen Verlag für Ihr Fachbuch? Sie haben bislang durch Ihre Beiträge zum Gelingen unserer Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ beigetragen. Seit Januar 2024 erscheint diese Zeitschrift im expert verlag, der seit über 40 Jahren Fachliteratur mit engem Praxisbezug veröffentlicht. Ob Lehrbuch, Fachbuch oder Qualifikationsschrift: wir bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihr Buch mit großer Reichweite zu veröffentlichen. Um Ihr Buch optimal zu vertreiben und die Wahrnehmung in der Fachleserschaft zu befördern, veröffentlichen wir Ihr Werk sowohl als gedrucktes Buch wie auch als eBook in den Formaten ePDF, ePub und HTML. Mit unseren plattformübergreifenden Produktionsrichtlinien stellen wir moderne Ausgabeformate für unsere Publikationen sicher. Unsere eLibrary gewährleistet Bibliotheken, Studierenden und Privatpersonen benutzerfreundlichen Zugriff auf erworbene eBooks sowie unsere OpenAccess-Publikationen. Unsere Bücher finden sich in allen wichtigen Hochschulen im D-A-CH-Raum und darüber hinaus. Unser Lektorat unterstützt Sie bei der Umsetzung Ihres Buchvorhabens in allen Phasen von der Planung bis zum Druck. deagreez - stock.adobe.com Sprechen Sie gerne mit uns über Ihr Buchvorhaben: Ulrich Sandten-Ma Fon: +49 (0)7071 97 556 56 | eMail: sandten@verlag.expert Ullrich Martin Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen, Universität Stuttgart Liebe Leserinnen und Leser, Die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung und die damit einhergehenden Herausforderungen haben den öffentlichen Verkehr wieder deutlich stärker in den Blickpunkt gerückt. In der Folge eröffnen sich auch vielfältige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der öffentlichen Verkehrssysteme, und es kommt darauf an, diese Chancen zielgerichtet und zukunftsorientiert möglichst zeitnah zu nutzen. Best-Practice-Ansätze bieten sicher beachtenswerte Grundlagen zur Ausweitung erfolgreich realisierter Lösungen. Dies kann aber nur dann gelingen, wenn bei einer Adaption die jeweils konkreten Rahmenbedingungen im Anwendungsbereich hinreichend berücksichtigt werden. Der exzessive Ausbau und die Reaktivierung der öffentlichen Verkehrssysteme stellt an sich noch keinen Wert dar und kann den eigentlichen verkehrspolitischen Zielstellungen sogar entgegenwirken. Diese heute noch aktuelle Erkenntnis geht u. a. bis in das auslaufende 19. Jahrhundert zurück, als der ungehemmte Bau auch kleinster Eisenbahnstrecken die sogenannte Gründerkrise maßgeblich mit auslöste. Die sorgfältige Abwägung bei den Entscheidungen zur Entwicklung unserer öffentlichen Verkehrssysteme mag auf den ersten Blick mitunter projekthemmend erscheinen, ist aber im Hinblick auf die längerfristige Entwicklung unverzichtbar. Neben der Modernisierung der bestehenden Systeme gibt es gegenwärtig vielfältige Aktivitäten zur Etablierung neuer Mobilitätslösungen, die die vorhandenen Strukturen des öffentlichen Verkehrs ergänzen oder ersetzen sollen. Damit zeigt sich nicht zuletzt auch das breite Interesse am öffentlichen Verkehr, der selbst natürlich auch einer Perspektive zur kontinuierlichen Weiterentwicklung nicht nur bestehender Systeme bedarf. Der Erfolg neuer Lösungsansätze hängt maßgeblich davon ab, ob die bestehenden Mobilitätsangebote durch günstigere Alternativen bei vergleichbarem Leistungsspektrum ersetzt werden können oder für ein erweitertes Mobilitätsangebot eine entsprechende volkswirtschaftliche bzw. nutzerbezogene Zahlungsbereitschaft besteht. Allerdings ist der Nachweis der Vorteilhaftigkeit neuer Lösungen in föderalen Strukturen mit den damit verbundenen diversitären Zuständigkeiten mitunter schwierig, wie zum Beispiel die gegenwärtige Diskussion zur Finanzierung des Deutschlandtickets zeigt. Um das Potenzial neuer Entwicklungen zeitnah erschließen zu können, sollten auch die Verfahren für föderal relevante Entscheidungsfindungen an die aktuellen Erfordernisse angepasst werden. Auch wenn diese wenigen Aspekte bereits die hohe Komplexität bei der sachgerechten Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs verdeutlichen, sollte uns das nicht abschrecken, sondern vielmehr motivieren, um den öffentlichen Verkehr mit seinen unbestrittenen Vorteilen auch künftig als attraktiven Bestandteil der Mobilitätssicherung auszubauen. Ihr Öffentlicher Verkehr im Aufwind? Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 3 DOI: 10.24053/ IV-2024-0033 Ullrich Martin EDITORIAL SEITE 22 Foto: © Sikov - stock.adobe.com Foto: © iStock.com/ Thomas Marx SEITE 12 SEITE 8 Foto: © iStock.com/ wenjin chen INFRASTRUKTUR 12 Bahnstrecken erfolgreich Reaktivieren Voraussetzungen für erfolgreiche Streckenreaktivierungen Stefanie Gäbler, Regina Weber, Philipp Rollin 16 Eisenbahninfrastruktur zielgerichtet ausbauen Nachfragegerechte Priorisierung von Infrastrukturmaßnahmen zur Steigerung der Kapazität Bastian Kogel, Fabian Stoll, Maren Maus POLITIK 8 Ist Indien eine zunehmende Alternative zu China? Dirk Ruppik LOGISTIK 22 KI im Transportmanagement - Wechsel in den Turbomodus Gardiner von Trapp 24 DTAC erprobt Roboter-Flotte an Flughäfen Deutsche Luftfracht-Abfertigung auf dem technologischen Sprung ins 21. Jahrhundert Manuel Wehner, Simon Lacoste 28 Von der Straße auf die Schiene Sattelauflieger im Kombinierten Verkehr - Herausforderungen und Lösungsansätze Ralf Elbert, Paul Bossong Schlagen Sie einfach nach: Fach- und Wissenschafts-Artikel aus Internationales Verkehrswesen finden Sie ab dem Jahr 2000 online in der Beitragsübersicht auf der Archiv-Seite im Web. www.internationalesverkehrswesen.de/ archiv THEMEN, SCHLAGWORTE, AUTOREN, ... Aktuelle Themen, Termine und das umfangreiche Archiv finden Sie unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 4 SEITE 58 Foto: © iStock.com/ Milos-Muller SEITE 32 Foto: © iStock.com/ Andrey Suslov INHALT September 2024 AUSGABE 4 I 2024 Infrastruktur anpassen, ausbauen, erneuern - Stadt- und Verkehrsplanung - Projekte (Straße, Wasser, Luft) - Instandhaltung - Sensorik und Software Erscheint am 18. November 2024 MOBILITÄT 32 (Autonome) On-Demand-Shuttles für den ländlichen Raum Entwicklung von Betriebskonzepten und Betreibermodellen am Beispiel der Region Erzgebirge Viktoriya Kolarova, Kerstin Stark, Marco Rehme, Vivien Langer, Steve Rother 38 Das Deutschlandticket in einer wohlfahrtsökonomischen Betrachtung Andreas Krämer 44 Das digitale ÖPNV-Taxi Plattformgesteuerte Taxi- und Mietwagenverkehre als Bestandteil einer differenzierten Bedienung im ÖPNV - Teil 2 Hubertus Baumeister, Horst Benz, Stephan Diekmann, Samir El-Zahab 48 Modalität und Shared Micro-Mobility Die Nutzung von Verkehrsmitteln unter multioptionalen Bedingungen Mathias Wilde, Lukas Riedelbauch 51 Pünktlich wie die Eisenbahn Weshalb ein zuverlässiger öffentlicher Verkehr (auch) aus psychologischer Perspektive relevant ist Michael Bissel 54 Die Transformation zur Mobilitätsverwaltung Alexander Rammert, Sven Hausigke TECHNOLOGIE 58 MaaS L.A.B.S. - ÖPNV in Cottbus Von statischen zu bedarfsgesteuerten Verkehrssystemen Philip Michalk, Juliana Habor, Martin Jung, Rico Metschke, Anne-Katrin Osdoba 62 Ein Radar für den Kombinierten Verkehr Delphi-Studie zur Maßnahmenermittlung und -bewertung für die Stärkung des KV in Deutschland Ralf Elbert, Yuerui Tang RUBRIKEN 03 Editorial 06 Kontrapunkt 10 Bericht aus Brüssel 66 Forum Buchbesprechung Veranstaltungen 70 Impressum Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 5 KONTRAPUNKT Alexander Eisenkopf DOI: 10.24053/ IV-2024-0034 Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 6 Verkehrsinfrastrukturinvestitionen pro Kopf - Schiene benachteiligt? Ein sinnvoller Vergleich würde die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zu den erbrachten Verkehrsleistungen ins Verhältnis setzen. Auf der Basis von „Verkehr in Zahlen“ können z. B. die realisierten Einheitskilometer (Personen- + Tonnenkilometer) je Euro jährliches Investment in die Verkehrsinfrastruktur berechnet werden. Im Durchschnitt der letzten Jahre betrug die Verkehrsleistung je Euro Investment in Deutschland auf der Straße das 3,8-fache der Schiene. Bezieht man die Verkehrsleistung auf das Bruttoanlagevermögen der jeweiligen Verkehrsinfrastrukturen, leistet die Straße etwa das Doppelte je in das System bereits investierten Euro. Dieser Vergleich macht zum einen klar, dass eine Aufteilung der staatlichen Infrastrukturinvestitionen in Erhalt, Neu- und Ausbau mit 51 % für die Schiene und 49 % für die Straße bereits eine klare Begünstigung des Schienenverkehrs darstellt, wenn man die erbrachten Verkehrsleistungen in die Betrachtung einbezieht. Zum anderen legt er nahe, dass es sehr teuer werden wird, über zusätzliche Investitionen in die Schieneninfrastruktur deren Verkehrsleistung wirksam zu steigern. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies ist kein Plädoyer, die Investitionen in die Schiene zurückzufahren und die Ertüchtigung der deutschen Schieneninfrastruktur zu vernachlässigen. Es sollte jedoch klar geworden sein, dass die plakative Begründung über vermeintlich zu niedrige Pro-Kopf-Investitionen allein nicht ausreicht, um deutlich erhöhte Investitionen zu rechtfertigen. ■ M it 115 Euro pro Kopf lagen die Ausgaben des Staates für Investitionen in die Schieneninfrastruktur in Deutschland laut Angaben der Allianz pro Schiene e.V. 2023 nur minimal über den Werten des Vorjahres. Real dürften die Investitionen aufgrund der starken Preissteigerungen für Material- und Personalkosten sogar das letztjährige Niveau unterschreiten. Erst im Zuge des starken Aufwuchses im Jahr 2024 und den Folgejahren soll sich die Situation verbessern. Mit einem europaweiten Vergleich der Kennzahl „Pro- Kopf-Investitionen“ möchte die Lobbyorganisation Allianz pro Schiene dem Publikum seit Jahr und Tag suggerieren, dass die Schiene in Deutschland zu kurz komme. So scheinen die Vergleichswerte für Länder wie Luxemburg (512 Euro), die Schweiz (477 Euro), Österreich (336 Euro), Schweden (277 Euro) und Norwegen (276 Euro) darauf hinzudeuten, dass in diesen Ländern paradiesische Verhältnisse für die Eisenbahn herrschen, während in Deutschland die Schieneninfrastruktur von der Politik vernachlässigt wird. Ein solcher Vergleich sagt aber wenig über die Effektivität und Effizienz von Investitionen in die Schieneninfrastruktur aus, zeugt von einem schlichten Politikverständnis und ist letztlich nur wenig belastbar. Selbstverständlich ist es interessant, die Ausgaben für die Schieneninfrastruktur als relative Größe zu analysieren. Investitionen pro Kopf in verschiedenen Ländern sind jedoch ein denkbar schlechtes Kriterium für eine solche Analyse, da sie die jeweiligen Leistungen des Schienenverkehrs (und weitere Imponderabilien wie etwa die verkehrsgeographischen und geologischen Bedingungen) ausklammern. Ohne deren Kenntnis könnte man auch auf die Idee kommen, dass die Schweiz sich eine „Teuerbahn“ leistet, und wir in Deutschland sehr effizient wirtschaften. Zumindest letzteres ist aber fraglich. Ein auf der Basis von Daten der OECD und des International Transport Forum aufgestellter Vergleich der europäischen Pro-Kopf-Investitionen in die Straßeninfrastruktur zeigt zudem, dass Deutschland zwar mit 198 Euro deutlich mehr Geld pro Einwohner in die Straße als in die Schiene lenkt; das gleiche gilt aber auch für die bereits genannten Länder Norwegen, Schweiz, Luxemburg und tendenziell Schweden. Offensichtlich wird in diesen Ländern die Schiene nicht präferiert, sondern es werden insgesamt Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur priorisiert. Nicht wirklich erklären kann die Allianz pro Schiene auch, warum die Pro-Kopf-Schieneninvestitionen in Ländern wie Spanien (70 Euro) und Frankreich (51 Euro), deren Bahnsysteme als gut funktionierend anzusehen sind, so niedrig sind. Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf zu aktuellen Themen der Verkehrsbranche schaft\Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft\Tourismus\VWL\Maschinenbau\Politikwissenschaft\Elektrotechnik\Mathematik&Statistik\Management\Altphilologie \Sport\Gesundheit\Romanistik\Theologie\Kulturwissenschaften\Soziologie\Theaterwissenschaft\Geschichte\Spracherwerb\Philosophie\Medien-undKommunikationswissenschaft\Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft\Tourismus\VWL\Maschinenbau\Politikwissenschaft\Elektrotechnik\Mathematik&Statistik\Management\Altphilologie\Sport\Gesundheit\Romanistik\Theologie\Kulturwissenschaften\Soziologie\Theaterwissenschaft\ Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\Bauwesen\ Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft\Tourismus \VWL\Maschinenbau\Politikwissenschaft\Elektrotechnik\Mathematik&Statistik\Management\Altphilologie\Sport\Gesundheit\Romanistik\Theologie\Kulturwissenschaften\Soziologie\Theaterwissenschaft\Geschichte\Spracherwerb\Philosophie\Medien-undKommunikationswissenschaft\Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\ Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft schaft\Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft\Tourismus\VWL\Maschinenbau\Politikwissenschaft\Elektrotechnik\Mathematik&Statistik\Management\Altphilologie \Sport\Gesundheit\Romanistik\Theologie\Kulturwissenschaften\Soziologie\Theaterwissenschaft\Geschichte\Spracherwerb\Philosophie\Medien-undKommunikationswissenschaft\Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft\Tourismus\VWL\Maschinenbau\Politikwissenschaft\Elektrotechnik\Mathematik&Statistik\Management\Altphilologie\Sport\Gesundheit\Romanistik\Theologie\Kulturwissenschaften\Soziologie\Theaterwissenschaft\ Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\Bauwesen\ Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft\Tourismus \VWL\Maschinenbau\Politikwissenschaft\Elektrotechnik\Mathematik&Statistik\Management\Altphilologie\Sport\Gesundheit\Romanistik\Theologie\Kulturwissenschaften\Soziologie\Theaterwissenschaft\Geschichte\Spracherwerb\Philosophie\Medien-undKommunikationswissenschaft\Linguistik\Literaturgeschichte\Anglistik\ Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft Bauwesen\Fremdsprachendidaktik\DaF\Germanistik\Literaturwissenschaft\Rechtswissenschaft\HistorischeSprachwissenschaft\Slawistik\Skandinavistik\BWL\Wirtschaft BUCHT I P P Jürgen Krieger (Hrsg.) 2. Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur Fachtagung über Planung, Bau, Betrieb, Unterhalt, Rückbau von Brücken, Tunneln, Schienen, Straßen, Wasserwegen digital 2023, 295 Seiten €[D] 148,00 ISBN 978-3-8169-3554-4 eISBN 978-3-8169-8554-9 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Der Fachkongress Digitale Transformation der Verkehrsinfrastruktur (DigiTraVe) widmet sich dem Austausch aktueller Erkenntnisse aus Wissenschaft, Industrie und Praxis auf dem Gebiet der digitalen Transformation der Baubranche. Dabei werden sowohl Potenziale und Herausforderungen digitaler Technologien aufgezeigt als auch Konzepte zur Verknüpfung von (zukünftigen) digitalen Entwicklungen mit der Verkehrsinfrastruktur präsentiert. Die Gewährleistung von Sicherheit, Dauerhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit stehen im Fokus des ganzheitlichen Lebenszyklusmanagements von Verkehrsinfrastrukturen. Vor dem Hintergrund des Lebenszyklus (Planung, Bauausführung, Betrieb, Unterhalt, Rückbau) werden Technologien und Methoden der Digitalisierung und digitalen Transformation diskutiert. Multi-Sourcing werden mehrere Lieferanten für dieselben Produkte genutzt. Lokalisierung und Regionalisierung verlagern Produktion und Beschaffung näher an die Endverbrauchermärkte, was zu kürzeren Lieferwegen und reduzierten Transportkosten führt. Staatliche Kampagne zur Positionierung Indiens als Alternative zu China Indiens Premierminister Narendra Modi setzt sich aktiv dafür ein, die größte Demokratie der Welt als attraktive Alternative zu China in den globalen Lieferketten zu etablieren [1]. Unter seiner Führung hat D ie Pandemie hat der globalen Industrie die Verletzlichkeit der weltweiten Lieferketten deutlich vor Augen geführt. Um die Supply Chains resilienter zu machen, steht neben anderen Maßnahmen zunehmend die Diversifizierung der Versorgungswege auf dem Programm. Dabei werden verschiedene Strategien wie geografische Diversifizierung und Multi-Sourcing verfolgt. Um Risiken zu streuen und die Abhängigkeit vom Land der Mitte zu reduzieren, werden zunehmend Materialien und Produkte aus anderen Ländern wie Indien, Bangladesch, Mexiko, Thailand, Vietnam und anderen südostasiatischen Staaten beschafft. Beim Indien mehrere Maßnahmen ergriffen, um ausländische Investitionen anzuziehen und die Produktionskapazitäten zu steigern. Zu den Maßnahmen gehören die Einführung des Programms „Make in India“, das darauf abzielt, Indien zu einem globalen Produktionszentrum zu machen und zudem umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur und Technologie zu fördern. Modi treibt auch Freihandelsabkommen voran und sucht neue wirtschaftliche Partnerschaften, um Indiens Position in der globalen Wirtschaft zu stärken. Die Regierung betont die Vorteile einer stabilen politischen Lage und eines großen, jungen Arbeitskräftepotenzials. Geopolitische Allianzen und wirt- Ist Indien eine zunehmende Alternative zu China? Lieferketten, Technologie, Maschinenbau, Lohnkosten, Infrastruktur Indien zieht zunehmend Großunternehmen und Mittelständler an, die sowohl Materialien und Bauteile günstig beschaffen als auch Produktionswerke und FuE-Abteilungen im Land aufbauen wollen. Ein Grund dafür sind auch die sehr niedrigen Lohnkosten von Facharbeitskräften. Dirk Ruppik POLITIK Lieferkettendiversifizierung Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 8 DOI: 10.24053/ IV-2024-0035 schaftliche Integration stehen ebenfalls im Fokus, um die Resilienz der Lieferketten zu erhöhen und die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Indiens Stärken und Schwächen Indien bietet bei der Diversifizierung globaler Lieferketten bedeutende Stärken, aber auch einige Herausforderungen [2]. Zu den Stärken gehört die große Verfügbarkeit an Rohstoffen, die essenziell für die meisten Industrien sind. Das Land verfügt über eine wachsende Basis an qualifizierten Fachkräften, was auch durch die hohe Anzahl an Ingenieuren und IT-Spezialisten belegt wird. Zudem sind die Lohnkosten in Indien im Vergleich zu vielen Ländern und auch China sehr viel niedriger, was die Produktion erheblich kosteneffizienter macht. Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche Monatslohn für Produktionsarbeiter in China laut dem Reshoring Institute bei etwa 1257 US-Dollar, während er in Indien deutlich niedriger bei rund 270 US-Dollar lag. Die indische Regierung verfolgt zudem aktiv eine unterstützende Strategie für ausländische Investitionen, die das Land zu einem globalen Produktionszentrum machen sollen. All das sind günstige Standortfaktoren für Beschaffung und Produktion. Zudem ist Indien aufgrund der Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte bei geringen Lohnkosten ein attraktiver Standort für Outsourcing in der globalen Forschung und Entwicklung. Der Trend wird nicht nur von Großkonzernen genutzt, sondern auch von deutschen Mittelstandsunternehmen. Die IT-Kompetenz in Indien eignet sich hervorragend, um Technologiezentren für die Entwicklung von Industrie 4.0 und für Servicefunktionen aufzubauen. Trotz dieser Vorteile gibt es auch Schwächen, die Indien überwinden muss. Die Infrastruktur in vielen Teilen des Landes ist noch unzureichend entwickelt. Dies betrifft Straßen, Eisenbahnen und Häfen, was die Effizienz der Lieferketten beeinträchtigen kann. Logistische Herausforderungen sind ebenfalls ein Hindernis, da das logistische Netzwerk in Indien noch nicht so ausgereift wie in anderen großen Produktionszentren der Region ist. Zusätzlich gibt es bürokratische und regulatorische Hürden, die ausländische Unternehmen nach wie vor abschrecken. Indien zieht jedoch aufgrund seiner Vorteile zunehmend internationale Unternehmen an, die ihre Lieferketten diversifizieren und widerstandsfähiger gestalten möchten. Indien lockt deutsche Unternehmen Indien ist ein wichtiger Beschaffungsmarkt für deutsche Einkäufer [3], insbesondere in den Bereichen Automobilzulieferung und Maschinenbau. Im Land sind 550 Mitgliedsunternehmen des Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau mit eigenen Niederlassungen vertreten. Indische Lieferanten bieten kostengünstige Alternativen, vor allem in der metallverarbeitenden Industrie, wie bei Kugellagern und Gussteilen. Maschinenbaubetriebe in Indien produzieren Textil-, Bau- und Werkzeugmaschinen zu wettbewerbsfähigen Preisen. Zudem betreiben über 1000 internationale Konzerne, darunter Siemens und Bosch, Forschungs- und Entwicklungszentren in Indien, um Produkte für Schwellenländer zu entwickeln. Indiens große Softwarebranche spielt ebenfalls eine zentrale Rolle im Export. Beispielsweise bezieht Volkswagen eine Vielzahl von Komponenten für seine Autos aus Indien, um seine Produktions- und Lieferketten zu diversifizieren und zu optimieren. Zu den wichtigsten aus Indien bezogenen Komponenten gehören Motorenteile, Getriebebauteile, elektronische Komponenten wie Steuergeräte und Sensoren sowie Karosserieteile. Darüber hinaus werden auch Interieur-Komponenten wie Sitze und Armaturenbretter sowie Fahrwerkskomponenten wie Radaufhängungen und Dämpfungssysteme aus Indien beschafft. Diese Beschaffung ermöglicht es Volkswagen, u. a. von den Kostenvorteilen und der hohen Fertigungskompetenz indischer Zulieferer zu profitieren. Die Volkswagen Marke Škoda Auto hat im Oktober 2023 in Puna ein neues Teileversandzentrum eröffnet [4]. Die 16000 Quadratmeter große Anlage dient als Verpackungsbereich für komplett zerlegte Bausätze (CKD) der Modelle Kushaq und Slavia, die nach Vietnam exportiert werden. Dort werden sie geschweißt, lackiert und montiert. Dies ist Teil der Strategie von Škoda, Synergien zwischen wichtigen Märkten zu nutzen und den ASEAN-Raum besser zu bedienen. Das Zentrum soll die Exportkapazitäten erhöhen und nachhaltige, qualitativ hochwertige Mobilität weltweit zugänglich machen. Bisher wurden die Modelle Karoq und Kodiaq in Vietnam aus europäischer Produktion angeboten. Ab 2024 beginnt die Montage von Fahrzeugen aus CKD-Kits aus Indien, zunächst mit dem Kushaq und anschließend dem Slavia. Škoda plant zudem, die Modelle Superb und Octavia in Vietnam einzuführen und die Enyaq-Serie als Reaktion auf die steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen hinzuzufügen. Die Igus GmbH investiert 100 Crore Rupien (ca. rund 11 Millionen Euro) in den Ausbau seiner Aktivitäten in Indien [5]. Das Unternehmen errichtet eine neue Anlage in Bengaluru auf einem vier Hektar großen Grundstück mit einer Fläche von 84000 Quadratmetern. Die Investition soll die Produktverfügbarkeit verbessern und wertschöpfende Prozesse stärken. In der ersten Bauphase wurden bereits 15 Crore Rupien (ca. 1,65 Millionen Euro) investiert. Ziel ist es, den Umsatz in Indien in den nächsten drei bis vier Jahren zu verdoppeln. Indien bietet aufgrund der genannten Vorteile deutschen Großunternehmen und ebenso Mittelständlern eine Alternative für die kostengünstige Beschaffung von Materialien und Bauteilen als auch für den Auf bau von eigenen Produktionswerken und FuE-Abteilungen. Trotz aller Euphorie sollte dabei aber nicht eine detaillierte Betrachtung der Nachteile wie der noch nicht ausreichenden Infrastruktur sowie bürokratischer und regulatorischer Hürden erfolgen. ■ LITERATUR [1] Modi Ramps Up Campaign to Position India as Alternative to China, Bloomberg, Mint [2] Rajesh Nath, Globalisierung & Urbanisierung, Indien - Resilientes Wachstum, Wilo SE [3] Neizel, Einkauf in Indien, Beschaffung in Indien: Länderanalyse für den Einkauf, Technik Einkauf, Verlag moderne Industrie GmbH [4] Škoda Auto: newly opened Parts Expedition Centre in India to supply the Vietnamese market, Škoda Storyboard [5] Igus to invest Rs 100 crore to strengthen operations in India, The Machinist, Worldwide Media Eingangsabbildung: © iStock.com/ wenjin chen Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Phuket (TH) dirkruppik@gmx.de Lieferkettendiversifizierung POLITIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 9 DOI: 10.24053/ IV-2024-0035 Politische Fliehkräfte erschweren globales Handeln der EU S tärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und europäische Industriepolitik - das sind die Buzzwords in Brüssel, wenn es um die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte der EU-Gesetzgeber für die neue fünfjährige Legislaturperiode geht. Diese Themen sollen, je nach politischer Lesart, den „Green Deal“ und den Auf bau einer nachhaltigeren Wirtschaft entweder von der Spitze der Prioritätenliste verdrängen, oder ihn zumindest so ausgestalten helfen, dass EU- Unternehmen gegenüber der weltweiten Konkurrenz nicht zurückfallen. Wenn Wettbewerbsfähigkeit und Industriepolitik tatsächlich die politische EU-Agenda prägen sollten, dann wird auch die Frage, welche ungenutzten Potenziale der Binnenmarkt noch bietet, auf der politischen Agenda weiter nach oben rücken. Nicht zufällig haben die EU-Staats- und Regierungschefs bereits Ideen zur möglichen Weiterentwicklung des Binnenmarktes beim ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta angefordert. Mit seinen Empfehlungen soll sich nun der EU- Ministerrat beschäftigen. Gute grenzüberschreitende Verkehrsverbindungen seien einer der Grundpfeiler des EU-Binnenmarktes, schreibt Letta zur Bedeutung der Transportwirtschaft. Das EU-Verkehrsnetz erlaube Unternehmen und Bürgern, von den Vorteilen des gemeinsamen Marktes zu profitieren, seine strategische Weiterentwicklung sei auch unverzichtbar, um den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu schaffen. Einen „echten Binnenmarkt im Bereich Verkehr“ habe die EU allerdings noch nicht geschaffen. Den größten Nachholbedarf beim Abbau nationaler regulatorischer und technischer Hürden sieht Letta bei der Eisenbahn. Aber auch im Straßen-, Luft- und Seeverkehr listet er noch Entwicklungspotenzial auf. Politisch zu verhandeln sind in der EU zum Beispiel die Fragen: Wie viel mehr Binnenmarkt für Lang-Lkw ist nötig, und wie lässt sich der grenzüberschreitende Gütertransport auf der Schiene ankurbeln? Doch trotz aller Bedeutung des Binnenmarktes: Die Europäer stellen einen immer kleineren Anteil der Weltbevölkerung, er ist bereits einstellig. Diese Entwicklung, Russlands Krieg gegen die Ukraine und zunehmende geopolitische Spannungen werden dazu führen, dass die EU sich künftig stärker um Weltpolitik kümmern muss. Auch im Transport, wie eine Konferenz der EU-Kommission zur zukünftigen Verkehrspolitik deutlich machte. Der Schutz von globalen Handelsrouten vor Gefahren wie den Huthi- Angriffen im Roten Meer und die Suche nach möglichen Alternativen dürfte ein wichtiges Thema werden. Ein Instrument der EU, Einfluss auf internationale Verkehrsinfrastruktur zu behalten, ist das Konnektivitätsprogramm „Global Gateway“. Hier gehe es darum, stabile Partnerschaften zu entwickeln, ohne andere Länder zu bevormunden, sagten Teilnehmer der Brüsseler Konferenz. Geld wird das auch kosten, was spannende Debatten über künftige verkehrspolitische Budgets erwarten lässt. Auch das Abschließen neuer Handelsverträge erfordert politische Initiativen der EU. Damit europäische Unternehmen beim Transport und Einsatz der für die Energiewende nötigen Rohstoffe und Energieträger eine starke Rolle spielen können. Und damit die EU nicht in ungesunde wirtschaftliche und politische Abhängigkeiten gerät. Die große Frage der neuen Legislaturperiode wird sein, ob die EU die politische Kraft für solche Initiativen finden wird, welche die gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit stärken sollen. Der zunehmende Einfluss nationalistischer und EU-skeptischer Parteien dürfte das schwieriger machen als bisher. Von den 720 Abgeordneten des neu gewählten Europäischen Parlaments gehören knapp 190 zu drei Rechtsaußenfraktionen und auch am anderen Ende des politischen Spektrums im Parlament gibt es nationalistische Parteien. Eine weitere Gefahr für die Handlungsfähigkeit der EU liegt in den Auswirkungen der Europawahlergebnisse auf die Politik der Mitgliedstaaten. Diese könnten künftig stärker durch die nationale Brille schauen und nationalistische Parteien könnten den Kurs stärker bestimmen. Die Parlamentsneuwahlen in Frankreich geben einen Hinweis darauf. Auch in Österreich stehen Wahlen bevor und die deutschen Landtagswahlen im Herbst haben ebenfalls das Potenzial, die politische Tektonik zu verändern. Es könnte sein, dass in der Folge Beschlüsse im gesamteuropäischen Interesse im Ministerrat komplizierter werden - dem mächtigsten Organ der EU. Dann wird es sicher nicht einfacher, sich gegen globale Wirtschaftsmächte wie China, die USA oder Indien zu behaupten. ■ \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 10 B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN DOI: 10.24053/ IV-2024-0036 Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Inmitten zunehmender Urbanisierung und einer weiterhin steigenden Anzahl zugelassener Fahrzeuge wird die Bedeutung von Parkbauten weiter zunehmen. Gleichzeitig streben immer mehr Städte an, autofrei zu werden. Parkbauten können dabei einen bedeutenden Beitrag zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrs und der Infrastruktur leisten. Die Art und Weise, wie sie gestaltet und genutzt werden, wurden in den letzten Jahren bereits an die sich ändernden Mobilitäts- und Nachhaltigkeitstrends angepasst. Dieser Prozess ist intensiv fortzusetzen. Konzeption, Technik und Management von Parkbauten nehmen eine Schlüsselrolle ein, um Mobilität zu gestalten, Innenstädte zu entlasten und gleichzeitig Ressourcen ef zienter zu nutzen. Das 11. Kolloquium Parkbauten bietet mit einem breiten Spektrum an planungsorientierten, bautechnischen, baubetrieblichen Vorträgen aus unterschiedlichen Fachbereichen, gehalten von anerkannten Experten, und Austauschmöglichkeiten eine ideale Plattform zur Bewältigung der dabei anstehenden Herausforderungen. Susanne Gieler-Breßmer (Hrsg.) 11. Kolloquium Parkbauten Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen Tagungshandbuch 2024 1. Au age 2024, 295 Seiten €[D] 148,00 ISBN 978-3-381-11821-2 eISBN 978-3-381-11822-9 Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 12 DOI: 10.24053/ IV-2024-0037 (Bild 1, [1]). Diese stillgelegten Strecken bergen ein großes Potenzial: In den Fällen, in denen Strecken nach der Stilllegung nicht entwidmet wurden, könnten Verbindungen reaktiviert und so das Schienennetz ressourcenschonend erweitert werden. Reaktivierungen von Schienenstrecken können dazu beitragen, den Modal Split des Schienenverkehrs zu erhöhen. Reaktivierungen leisten dabei nicht nur einen Beitrag zur Verkehrswende, sondern bedienen eine wichtige raumwirksame Verbindungsfunktion. Sie fördern die nachhaltige Entwicklung von urbanen Räumen und ihrem Umland. Zudem setzen sie Impulse für den ländlichen Raum und tragen zur E in gut ausgebautes Schienennetz hat vielfältige Vorteile für den Bahnverkehr. Es erhöht die Zugänglichkeit zum Bahnsystem und erschließt Regionen und Kunden, steigert die Kapazität und Resilienz des Gesamtnetzes durch Ausweichstrecken und ist die zentrale Voraussetzung für ein gutes und attraktives Angebot im Personen- und Güterverkehr. Angesichts der notwendigen Transformation zu einem nachhaltigen und umweltverträglichen Verkehrssystem ist dies wichtiger denn je. Dessen ungeachtet schrumpfte das deutsche Streckennetz in den vergangenen Jahrzehnten stark: Statistisch betrachtet wurde rund jeder vierte Streckenkilometer abgebaut Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Bundesgebietes bei. Ein Bahnanschluss erhöht die Attraktivität der Kommunen als Lebens- und Wirtschaftsstandort und unterstützt somit die Strukturpolitik [2] [3] [4] [5]. Um zukünftige Reaktivierungsprojekte zu unterstützen, erforscht das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung die Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren dieser Projekte. Es zeigen sich zentrale Tendenzen, die unabhängig von einzelnen Projekten und deren spezifischen Realisierungsbedingungen dazu beitragen, dass Streckenverbindungen wiederbelebt werden und langfristig tragfähig sind. Bahnstrecken erfolgreich reaktivieren Voraussetzungen für erfolgreiche Streckenreaktivierungen Reaktivierung, Verkehrswende, Verkehrskonzept, Mobilitätswende Reaktivierungen von Bahnstrecken sind ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende. Um erfolgreich zu sein, brauchen sie jedoch die richtigen Rahmenbedingungen. Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung haben ergeben, dass der wirtschaftliche Betrieb der reaktivierten Strecken, die Einbindung der Reaktivierung in ein verkehrliches Gesamtkonzept, ein optimiertes Nutzungspotenzial der Strecken und die Berücksichtigung strukturpolitischer Effekte einflussreiche Faktoren sind. In all diesen Bereichen liefert die Forschung Hinweise für einen Erfolg künftiger Reaktivierungsprojekte. Stefanie Gäbler, Regina Weber, Philipp Rollin INFRASTRUKTUR Reaktivierungen Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 13 DOI: 10.24053/ IV-2024-0037 metern der Güterverkehr wiederaufgenommen [10]. Weitere Reaktivierungsprojekte befinden sich in der Planung und Umsetzung. So hat die Deutschen Bahn AG stillgelegte Strecken im Umfang von 1.300 Kilometern mit verkehrlichem Potenzial ermittelt. Für aktuell 20 Strecken mit 245 Kilometern Gleislänge bestehen konkrete Reaktivierungsbemühungen. Die Streckenreaktivierungen sind unterschiedlich weit fortgeschritten, der Status reicht von der Konzeptidee über Machbarkeitsstudien und Nutzen-Kosten- Untersuchungen bis hin zu Planfeststellungsverfahren und Bautätigkeit. Weitere Strecken, sowohl für den Güterals auch den Personenverkehr, sollen in den nächsten Jahren folgen [11]. Die Allianz pro Schiene und sehr peripher 3 gelegenen Mittelzentren steigt der Anteil von Mittelzentren ohne Bahnanschluss auf bis zu 19 Prozent. Das bedeutet, dass Mittelzentren gerade außerhalb von Ballungsräumen seltener an die Bahn angebunden sind. Dabei sind zentrale Orte besonders in der Peripherie wichtig für die Sicherstellung der Daseinsvorsorge [7]. Erfolgreiche Reaktivierungen und weitere Reaktivierungspotentiale In Deutschland gab es in den letzten Jahren bereits erfolgreiche Reaktivierungen von Schienenstrecken. Zwischen 1994 und 2023 wurden über 900 Kilometern für den werktäglichen Personenverkehr reaktiviert. Im gleichen Zeitraum wurde auf über 300 Kilo- Entwicklung des Streckennetzes in den vergangenen Jahrzehnten Trotz der genannten Vorteile einer flächendeckenden Schieneninfrastruktur wurde das Streckennetz in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer kleiner. Betrug die Länge des Streckennetzes 1955 noch rund 53.700 Kilometer, wurde seitdem mehr als jeder vierte Streckenkilometer stillgelegt. Das entspricht mehr als 15.000 Kilometern. (Bild 1). Erst seit Ende der 1990er Jahre ist das Streckennetz weitgehend konstant geblieben. Im Jahre 2019 verkündete die DB ein Stilllegungsmoratorium, wonach keine weiteren Schienenstrecken stillgelegt werden sollen. Aufgrund der Stilllegungen besteht in Deutschland ein großes Potenzial für die Reaktivierung von Verkehrsverbindungen, insbesondere wenn die Strecken noch nicht entwidmet sind. Anbindung an den Schienenverkehr Die Reaktivierung stillgelegter Strecken stellt eine wichtige Option dar, um die Kapazitäten des Bahnverkehrs zu erhöhen und in der Fläche eine schnellere Wiederanbindung an den Schienenverkehr zu erreichen. Gerade in Gegenden, in denen Bahnstrecken Städte mit ihrem Umland verbinden, können Reaktivierungen darüber hinaus helfen, Pendelverkehre vom motorisierten Individualverkehr auf die Schiene und damit in den Umweltverbund zu verlagern. Dies kann wiederum Zubringerstraßen und Innenstädte entlasten. Das politische Ziel der nachhaltigen Raumentwicklung ist in Deutschland gesetzlich verankert [6]. Damit werden unter anderem ausgeglichene infrastrukturelle Verhältnisse in der Bundesrepublik und ihren Teilräumen angestrebt. Der Erreichung dieses Ziels wird in der Raumordnung mit dem Zentrale-Orte- Konzept Rechnung getragen, wonach Städte und Gemeinden den Status eines Grund-, Mittel- oder Oberzentrums erhalten können. Zwar unterscheiden sich die Konzepte zur Definition der zentralen Orte in den Bundesländern 1 , gemein ist ihnen jedoch die Wahrnehmung wichtiger Funktionen der Daseinsvorsorge für ihr Umland zur Unterstützung und Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse [7]. Gerade öffentliche Verkehrsmittel leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Mobilität im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge. Dennoch gibt es Städte und Gemeinden, welche als Mittelzentren (und damit als zentrale Orte) über keinen Bahnanschluss verfügen: Insgesamt haben 15 Prozent der Mittelzentren, trotz ihrer wichtigen Funktionen für das Umland im Sinne der Daseinsvorsorge, keinen Bahnanschluss (Bild 2). 2 Weitere 4 Prozent haben zwar einen Bahnanschluss auf ihrem Gebiet, allerdings keinen hochfrequentierten (weniger als 28 Abfahrten an einem Werktag, [8]). In den peripher und 53 685 38 394 10 000 20 000 30 000 40 000 50 000 60 000 1919 1930 1939 1955 1960 1970 1980 1989 1999 2009 2019 Eisenbahnnetz (in km) Rückbau: rund 15 000 Kilometer 12% 13% 19% 14% 15% 1% 2% 7% 14% 4% 0% 5% 10% 15% 20% 25% sehr zentral zentral peripher sehr peripher alle keine Bahnhaltestelle keine hochfrequentierte Bahnhaltestelle Bild 2: Mittelzentren nach Lage ohne (hochfrequentierte) Bahnhaltestellen. Keine hochfrequentierten Bahnhaltestellen mit weniger als 28 Abfahrten an einem Werktag (Haltestellen für ICE, IC, EC, Regionalverkehr). Bezugsjahr: 2020. Zentralörtlicher Status nach zentrale-Orte-Kategorien des BBSR (zusammengefasst). Kein Bahnanschluss, wenn innerhalb der administrativen Grenzen kein Bahnanschluss vorliegt. Quelle: [8], Darstellung des DZSF Bild 1: Entwicklung des deutschen Schienennetzes seit 1919. Gesamtlänge des öffentlichen Streckennetzes der Eisenbahn in Kilometern für Gesamtdeutschland (heutiger Gebietsstand, ohne nach den Weltkriegen abgetretene Gebiete, mit Saargebiet/ Saarland) in den Jahren 1919 bis 2019. Quelle [1] S. 4 Reaktivierungen INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 14 DOI: 10.24053/ IV-2024-0037 von Reaktivierungsprojekten. Begleitmaßnahmen und die Beachtung regionaler Besonderheiten sind oftmals entscheidende Erfolgsfaktoren. Begleitmaßnahmen können auf verschiedenen Ebenen - Bundes-, Landes-, Kreis- oder lokalen Ebene - ergriffen werden und reichen von verkehrlichen über administrative, politische, psychologische und raumordnerische Instrumente. Auf der lokalen und Kreisebene sind beispielsweise die frühe, proaktive Einbindung von Anwohnenden und ein abgestimmtes verkehrsmittelübergreifendes Verkehrsangebot zu nennen [15]. Besondere Herausforderungen ergeben sich bei Reaktivierungen im grenzüberschreitenden Verkehr. Neben technischen Unterschieden zwischen den Ländern ist der administrative und koordinative Aufwand für ein Reaktivierungsprojekt ungleich höher. So finden in den Ländern beispielsweise verschiedene Fördermechanismen und Priorisierungen Anwendung [15]. Aus Nutzendensicht stellen unter anderem ungenügendes grenzübergreifendes Ticketing, ein mangelndes Angebot grenzüberschreitender multimodaler Mobilität und das Fehlen einer zweisprachigen Kommunikation und Information in den Zügen Hemmnisse im grenzüberschreitenden Verkehr dar [16]. 4 Ziel einer erfolgreichen Reaktivierungsmaßnahme sollte es sein, das Nutzungspotenzial optimal auszuschöpfen und dadurch den Marktanteil der Schiene zu steigern. Es ist allerdings nicht selbstverständlich, dass eine reaktivierte Bahnstrecke tatsächlich genutzt wird. Das neue Angebot konkurriert mit der bekannten Verkehrsinfrastruktur und den gewohnten Mobilitätsroutinen. Diese zu verändern ist eine große Herausforderung. In einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung 5 gaben über die Hälfte der Befragten an, dass sie (noch) häuder Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schlagen außerdem insgesamt 277 Strecken mit 4.573 Kilometern zur Reaktivierung vor [2] [12] und zeigen, dass in den vergangenen Jahren 76 % der eingereichten Machbarkeitsstudien für Streckenreaktivierungen positiv ausgefallen sind [10]. Erfolgsfaktoren für Reaktivierungsprojekte Um zukünftige Reaktivierungen zu unterstützen, fokussieren einige Forschungsvorhaben am DZSF auf Erfolgsfaktoren von Reaktivierungen (Bild 3). Demzufolge hängt der Erfolg von Reaktivierungsvorhaben maßgeblich davon ab, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der Strecken gegeben ist, sie in ein (verkehrliches) Gesamtkonzept eingebettet sind, das vorhandene Nutzungspotential ausgeschöpft wird und weitere Auswirkungen, z. B. strukturpolitischer Art, beachtet werden. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Strecken ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Reaktivierung. Besonders Nebenbahnen waren in der Vergangenheit häufig von Stilllegungen aufgrund einer schlechten Kosten-Nutzen-Bilanz betroffen. Nebenbahnen sind weniger stark belastet als Hauptbahnen, bspw. verkehren weniger Züge mit geringeren Geschwindigkeiten und haben dadurch geringere Anforderungen an Infrastruktur sowie Leit- und Sicherungstechnik. Werden die sich daraus ergebenden Optimierungspotenziale sowohl im Bau und Betrieb als auch in der Leit- und Sicherungstechnik genutzt, könnten die Strecken mit geringeren Infrastrukturkosten modernisiert werden [13] [14]. Neben dem wirtschaftlichen Betrieb steigert auch die Einbettung in ein verkehrliches Gesamtkonzept die Erfolgsaussichten figer mit der Bahn fahren würden, wenn die Bahnhöfe verbessert würden. Einen nicht zu unterschätzenden Aspekt bei der Reaktivierung von Bahnstrecken stellt also auch die Gestaltung und Ausstattung der Bahnhöfe dar. Für einen bedarfsorientierten und modularem Maßnahmenkatalog, welcher dem Sektor voraussichtlich 2025 zur Verfügung stehen wird, werden derzeit im Auftrag des DZSF handlungspraktische Empfehlungen für eine Optimierung von Bahnhöfen erarbeitet [17]. Der Katalog unterstützt auch die Planung und Ausgestaltung von zu reaktivierenden Bahnhöfen. Die Reaktivierung von Bahnstrecken und Gestaltung der Bahnhöfe stellen „harte“ verkehrlich-infrastrukturelle Maßnahmen dar. „Sanfte Maßnahmen“ wie Motivations- und Informationsstrategien können zusätzlich dabei unterstützen, kognitive Unsicherheiten und Barrieren abzubauen und einen Umstieg auf schienengebundene Mobilität zu vereinfachen. Um deren Wirksamkeit im Kontext reaktivierter Bahnstrecken zu untersuchen, werden Befragungen und Workshops im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass sich Reaktivierungen positiv auf die Einstellungen der im Einzugsgebiet der Strecken lebenden Menschen auswirken und sanfte Maßnahmen das Potenzial haben, zum Ausprobieren des neuen Angebots zu motivieren [18]. Die strukturpolitischen Auswirkungen von Reaktivierungen gehen weit über den verkehrlichen Aspekt hinaus und können wirtschaftliche, räumliche, gesellschaftliche und Umwelteffekte bedingen. So trägt der Bahnsektor unter anderem durch seine Investitionstätigkeit zur wirtschaftlichen Entwicklung bei und sichert Kaufkraft und Wohlstand entlang der Wertschöpfungskette. Investitionen sind das Rückgrat für Wirtschaft und Beschäftigung, und damit ein wichtiger Treiber für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung [19]. Des Weiteren entfaltet der Bahnsektor wirtschaftliche Bedeutung in seiner Funktion als Arbeitgeber. Der Bahnsektor steht in Deutschland für eine Beschäftigung von rund einer halben Million Vollzeitäquivalenten entlang der Wertschöpfungskette, davon sind 397.600 Vollzeitäquivalente direkt im Bahnsektor beschäftigt [20]. Auf regionaler Ebene kann ein Bahnanschluss die Attraktivität von Kommunen als Lebens- und Wirtschaftsstandort erhöhen und die nachhaltige Entwicklung von urbanen Räumen und ihrem Umland unterstützen [21]. Auf diese Weise setzten Reaktivierungen Impulse im ländlichen Raum und unterstützen die Strukturpolitik. Reaktivierungen haben außerdem das Potenzial, die soziale Identität der Anwohnenden in den Kommunen und ihre Einstellung zu Investitionen in den Schienenverkehr positiv zu beeinflussen [22]. Um Bild 3: Erfolgsfaktoren von Reaktivierungsprojekten im Schienenverkehr INFRASTRUKTUR Reaktivierungen Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 15 DOI: 10.24053/ IV-2024-0037 Standortfaktor_Bahn.html, abgerufen am 29.11.2023. [22] Weber, R., Gäbler, S. und Rollin, P. (2023). Reaktivierung als Regionalpolitik - Der regionale Einfluss von Eisenbahninfrastruktur: Identität, politisches Vertrauen und ökonomische Perspektiven. Internationales Verkehrswesen (75) 1. S. 30-33. ENDNOTEN [1] So unterscheiden sich zentrale Orte in den Bundesländern beispielsweise in der durchschnittlichen Einwohnerzahl. Mittelzentren in Nordrhein- Westfalen verfügen im Durchschnitt über rund 48.000 Einwohner, Mittelzentren in Bayern jedoch nur über durchschnittliche 12.000 Einwohner. Während es in Bayern und Nordrhein- Westfalen 189 bzw. 192 Mittelzentren gibt, sind es beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern lediglich 18 [7]. 2] Zentralörtlicher Status nach zentrale-Orte- Kategorien des BBSR (zusammengefasst). Kein Bahnanschluss, wenn innerhalb der administrativen Gemeindegrenzen kein Bahnanschluss vorliegt [8]. Außerdem verfügen zwei Oberzentren über keinen Bahnanschluss auf ihrem Gemeindegebiet. Dabei handelt es sich um Waldsassen und Neuöttingen in Bayern. Waldsassen bildet zusammen mit der tschechischen Stadt Cheb ein Oberzentrum, Neuöttingen zusammen mit Altöttingen und Burghausen. [3] Kategorisierung nach der laufenden Raumabgrenzung des BBSR. Die Räume werden in die Gruppen sehr zentral, zentral, peripher, sehr peripher nach der potentiell erreichbaren Tagesbevölkerung klassifiziert [9]. [4] Eigene Datenerhebung: Im Rahmen des DZSF- Projektes „Reaktivierung von Bahnstrecken in Grenzregionen“ führte das beauftragte Konsortium fünf Online-Fokusgruppen durch (32 Teilnehmende, Oktober/ November 2023) [16]. [5] Im Rahmen des DZSF-Projektes „Bahnhof der Zukunft als Kern multimodaler Mobilitätsplattformen in Kommunen - Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs“ führte das beauftragte Konsortium eine, für die in Deutschland lebende Bevölkerung ab 18 Jahren repräsentative, Online-Befragung durch (4.005 Personen; Befragungszeitraum: Februar/ März 2023) [17]. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Thomas Marx www.allianz-pro-schiene.de/ themen/ infrastruktur/ reaktivierung-bahnstrecken/ , abgerufen am 04.01.2024. [11] DB (2021). Mehr klimafreundlicher Bahnverkehr in der Fläche: DB reaktiviert stillgelegte Strecken, https: / / www.deutschebahn.com/ de/ presse/ pressestart_zentrales_uebersicht/ Mehrklimafreundlicher-Bahnverkehr-in-der-Flaeche- DB-reaktiviert-stillgelegte-Strecken--6868342, abgerufen am 29.02.2024. [12] VDV (o.J.). Auf der Agenda: Reaktivierung von Eisenbahnstrecken, https: / / www.vdv.de/ reaktivierung-bahnstrecken.aspx, abgerufen am 23.11.2023. [13] Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung (o.J.). Kostenoptimierung Bau und Betrieb für Nebenbahnen, https: / / www.dzsf.bund. de/ SharedDocs/ Standardartikel/ DZSF/ Projekte/ Projekt_63_KostenoptNebenbahnen.html, abgerufen am 29.01.2024. [14] Maschek, U., Kahl, R. und Fietze, M. (2023). Entwicklung von Varianten für den Einsatz von ETCS auf Nebenstrecken, Eisenbahningenieur, März 2023, S. 57-60. [15] Berthold, K., Freser, J., Kämmerling, N., Mattern, N., Schwarzmann, R., Stapleton, T. und Kühn, A. (2022). Begleitende Maßnahmen für die Reaktivierung von Schienenstrecken, Berichte des Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung (32), DOI 10.48755/ DZSF.220018.01. [16] Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung (o.J.). Reaktivierung von Bahnstrecken in Grenzregionen, https: / / www.dzsf.bund.de/ SharedDocs/ Standardartikel/ DZSF/ Projekte/ Projekt_119_Reaktivierung_Bahnstrecken_in_ Grenzregionen.html, abgerufen am 04.01.2024. [17] Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung (o.J.). Bahnhof der Zukunft als Kern multimodaler Mobilitätsplattformen in Kommunen - Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs, https: / / www.dzsf.bund.de/ SharedDocs/ Standardartikel/ DZSF/ Projekte/ Projekt_93_Bahnhof_Zukunft.html, abgerufen am 04.01.2024. [18] Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung (o.J.). Sanfte Maßnahmen zur Begleitung der Reaktivierung von Bahnstrecken, https: / / www.dzsf.bund.de/ SharedDocs/ Standardartikel/ DZSF/ Projekte/ Projekt_112_ sanfte_Massnahmen_Reaktivierung.html, abgerufen am 04.01.2024. [19] Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung (o.J.). Untersuchung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Bahnsektors auf Grundlage der Investitionstätigkeit, https: / / www.dzsf.bund.de/ SharedDocs/ Standardartikel/ DZSF/ Projekte/ Projekt_110_Bedeutung_Bahnsektor_Investitionen.html, abgerufen am 29.11.2023. [20] Böttger, C., Maennig, W., Hartmann, E., Barsch, K., Waldmann, L., Specht, G. und Brockmann L. (2021). Untersuchung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Bahnsektors auf Grundlage der Beschäftigungswirkung, Berichte des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung (14), DOI 10.48755/ dzsf.210001.01. [21] Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung (o.J.). Standortfaktor Bahn - Die Bedeutung von Bahninfrastruktur für die Attraktivität einer Region als Lebens- und Wirtschaftsstandort. https: / / www.dzsf.bund.de/ SharedDocs/ Standardartikel/ DZSF/ Projekte/ Projekt _140_ den Erfolg einer Reaktivierung bewerten zu können, sollten möglichst alle Auswirkungen bekannt sein und berücksichtigt werden. Die Kommunikation der vielfältigen Auswirkungen kann zudem die Einstellungen zum Schienenverkehr beeinflussen. Reaktivierungen stellen ein wertvolles Instrument dar, um die Bahn zurück in die Fläche zu bringen. Sie erleichtern Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Bahnverkehr und unterstützen die Verkehrswende. Außerdem können Bahnanschlüsse Kommunen in vielerlei Hinsicht stärken. Die Forschungsprojekte des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung sorgen mit ihren Studien und Leitfäden für eine effiziente und bedarfsgerechte Ausrichtung entsprechender Vorhaben. ■ LITERATUR [1] Gäbler, S., Krause, M., und Rösel, F. (2021). 15 000 Kilometer Bahnstrecken weniger als vor 70 Jahren in Deutschland-Ost und West gleichermaßen betroffen. ifo Dresden berichtet, 28(04), 03-06. [2] VDV (2022). Auf der Agenda: Reaktivierung von Eisenbahnstrecken, 3. Auflage, https: / / www.vdv. de/ reaktivierung-von-eisenbahnstrecken-2020. pdfx, abgerufen am 04.01.2024. [3] Ahlfeldt, G. M., & Feddersen, A. (2018). From periphery to core: measuring agglomeration effects using high-speed rail. Journal of Economic Geography, 18(2), 355-390. [4] BBSR (2022). Räumliche Effekte reaktivierter Schienenstrecken im ländlichen Raum. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.), ISSN 1868-0097, BBSR- Online-Publikation, Bonn, 2022. [5] Deutscher Bundestag (2020). Reaktivierung von Schienenwegen in Deutschland, Drucksache 19/ 24290, https: / / dserver.bundestag. de/ btd/ 19/ 242/ 1924290.pdf, abgerufen am 29.02.2024. [6] §2 (2) Nr. 1 Raumordnungsgesetz. [7] Friedrich J., Dietrich P., und Furkert M. (2021). Zentrale Orte in Deutschland - Analysen zur Ausstattung, Konzeption, Lage und Dynamik. BBSR-Analysen KOMPAKT 11/ 2021. https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ veroeffentlichungen/ analysen-kompakt/ 2021/ ak-11-2021-dl.pdf; jsessionid=0AB779F77846DB8EBD5BADE083C A91EF.live11292? _ _blob=publicationFile&v=4, abgerufen am 29.02.2024. [8] BBSR (2021). Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung. INKAR. Ausgabe 2021. Hrsg.: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) - Bonn 2021. © 2021 Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn. [9] BBSR (2022). Laufende Raumbeobachtung - Raumabgrenzung, https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ forschung/ raumbeobachtung/ Raumabgrenzungen/ deutschland/ gemeinden/ Raumtypen2010_vbg/ Raumtypen2010_alt.html, abgerufen am 29.02.2024. [10] Allianz pro Schiene (o.J.). Reaktivierung von Bahnstrecken - Das Comeback der Schiene, https: / / Stefanie Gäbler, Dr., Wissenschaftliche Referentin, Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung gaeblerst@dzsf.bund.de Regina Weber, Dr., bis 12/ 2023: Wissenschaftliche Referentin, Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung; seit 01/ 2024: Bereichsleiterin Industrietransformation, Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE, Berlin regina.weber@igbce.de Philipp Rollin, Wissenschaftlicher Referent, Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung rollinp@dzsf.bund.de Reaktivierungen INFRASTRUKTUR klar zur Einführung des Deutschlandtaktes bekannt [2]. Wesentliche Voraussetzung für eine solche Verkehrsverlagerung und den Erfolg des Deutschlandtaktes ist das Vorhalten ausreichender Kapazitäten - sowohl infrastrukturals auch fahrzeugseitig. Insbesondere die Kapazität der Eisenbahninfrastruktur steht verkehrspolitisch oftmals im Fokus [3]. So sind bereits heute viele Eisenbahnstrecken und -knoten stark ausgelastet oder sogar überlastet [4]. Hinzu kommen temporäre Kapazitätseinschränkungen aufgrund von Einleitung Die Verlagerung von Verkehren auf die Schiene stellt einen wesentlichen Baustein einer nachhaltigen Mobilität und Reduzierung der CO 2 -Emissionen dar. Das verkehrspolitische Ziel der Bundesregierung im Schienenverkehr lautet, die Fahrgastzahlen bis 2030 im Vergleich zu 2019 zu verdoppeln und den Marktanteil im Güterverkehr auf 25 % zu erhöhen [1]. Trotz größerer Finanzierungslücken aufgrund einer zunehmend restriktiven Fiskalpolitik des Bundes hat sich die Politik Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen über weite Teile des Schienennetzes. Ein größerer Anteil der Schieneninfrastruktur kann die nachgefragte Menge an Zugfahrten daher kaum noch aufnehmen. Zugfahrten auf hochausgelasteten Strecken erleiden vielfach Verspätungen mit negativen Auswirkungen auf die netzweite Betriebsqualität [5]. Das prognostizierte Verkehrsmengenwachstum auf der Schiene erfordert daher zwingend kapazitätserweiternde Neu- und Ausbauten der Eisenbahninfrastruktur. Eisenbahninfrastruktur zielgerichtet ausbauen Nachfragegerechte Priorisierung von Infrastrukturmaßnahmen zur Steigerung der Kapazität Kapazität, Eisenbahninfrastruktur, Infrastrukturausbau, Verkehrsnachfrage, Dimensionierung, Wirtschaftlichkeit Die Kapazität der Eisenbahninfrastruktur steht im Rahmen verkehrspolitischer Fragestellungen oftmals im Fokus. So sind bereits heute viele Strecken und Knoten des Eisenbahnnetzes stark ausgelastet. Zur Bewältigung des prognostizierten Verkehrswachstums auf der Schiene ist der Neu- und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur zwingend erforderlich, jedoch sehr kostenintensiv und nur langfristig umsetzbar. Einer nachfragegerechten Priorisierung der umzusetzenden Infrastrukturmaßnahmen kommt daher im Rahmen einer netzweiten Steigerung von Kapazität und Betriebsqualität eine entscheidende Rolle zu. Bastian Kogel, Fabian Stoll, Maren Maus INFRASTRUKTUR Eisenbahninfrastruktur Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 16 DOI: 10.24053/ IV-2024-0038 Neu- und Ausbaumaßnahmen von Eisenbahninfrastruktur weisen üblicherweise jahrzehntelange Planungs- und Umsetzungszeiträume auf und erfordern jährlich Milliardeninvestitionen [6]. Die sorgfältige Priorisierung erforderlicher Infrastrukturmaßnahmen ist angesichts des Zeit- und Mittelbedarfs von entscheidender Bedeutung. Hierzu ist eine Identifikation zukünftiger und vorhandener Engpässe des Schienennetzes elementar. Die langfristige Infrastrukturdimensionierung erfolgt gegenwärtig insbesondere mittels analytischer Verfahren, die erforderliche Kapazitäten anhand grober Annahmen des zu erwartenden Fahrplanangebots ermitteln [7]. Die Detektion derjenigen Infrastrukturbereiche, die bereits heute zu Überlastungserscheinungen neigen, wird vor allem durch die Auswertung realer Betriebsdaten vorgenommen. Sowohl analytische als auch anhand realer Betriebsdaten abgeleitete Ergebnisse beziehen sich auf Zugzahlen je Infrastrukturabschnitt. Das strecken- und knotenspezifische Fahrgast- oder Transportvolumen sowie aktuelle und zukünftige Zugauslastungen sind für die Verfahren unerheblich. Konkret bedeutet dies, dass Verfahren Kapazitätsengpässe und Ausbauerfordernisse gegebenenfalls auch dann ermitteln, wenn die betrachteten Schienenwege im netzweiten Vergleich eine vergleichsweise geringe Nachfrage bündeln und die Zugfahrten nur in Teilen mit Fahrgästen bzw. Gütern ausgelastet sind. Die Bestimmung der Nachfragewirkung identifizierter Kapazitätsengpässe ist daher von eminenter Bedeutung, wenn Investitionen möglichst zielgerichtet und wohlfahrtsoptimierend erfolgen sollen. Kapazitätsbestimmung im Rahmen der langfristigen Infrastrukturdimensionierung Kapazität ist im Eisenbahnwesen als diejenige Zuganzahl definiert, welche auf einer Infrastruktur innerhalb eines betrachteten Zeitraums abgewickelt werden kann, ohne ein akzeptiertes Qualitätsniveau zu unterschreiten. Zur Kapazitätsermittlung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, darunter konstruktive, simulative und analytische Verfahren. Die Auswahl eines Verfahrens erfolgt u. a. in Abhängigkeit vom gewünschten Detailgrad der Abbildung von Infrastruktur und Betriebsprogramm sowie der Komplexität der Fragestellung. Zur langfristigen Infrastrukturdimensionierung werden derzeit insbesondere analytische Verfahren angewendet, welche auf der sogenannten Warteschlangentheorie basieren. Diese Verfahren erfordern nicht zwingend die Kenntnis eines detaillierten Fahrplans; allgemeine Angaben zum Betriebsprogramm (Anzahl Zugfahrten, Anteil Personenzüge und Zuordnung zu Zeitscheiben) sind hier ausreichend. Dies war im Rahmen der langfristigen Infrastrukturdimensionierung lange Zeit eine zweckmäßige Eigenschaft, da die Planung und Umsetzung von Neu- und Ausbaumaßnahmen viele Jahre in Anspruch nehmen und der exakte Fahrplan für die Zukunft oftmals noch nicht bekannt war. Mit der Einführung des Deutschlandtaktes liegen auch für langfristige Infrastrukturmaßnahmen detailliertere Informationen bezüglich der geplanten Zugfahrten vor, sodass sich die analytischen Verfahren hin zu einer mehr auf den Fahrplan ausgerichteten Sicht weiterentwickeln lassen [8, 9]. Die mithilfe analytischer Verfahren ermittelte Auslastung einer Infrastruktur wird einer auslastungsabhängigen Qualitätskenngröße gegenübergestellt. Dies sind i. d. R. Wartezeiten, die Züge in einer Bedienstelle (z. B. Strecke oder Bahnhof) erleiden, bis eine Abfertigung möglich ist. Grundsätzlich steigt die resultierende Wartezeit mit zunehmender Auslastung der Infrastruktur an (Bild 1). Bei einer geringen Auslastung der Infrastruktur weist diese noch ausreichende Kapazitätsreserven auf. Ist die Infrastrukturauslastung hingegen hoch, so ist von einer risikobehafteten bis mangelhaften Betriebsqualität auszugehen. Eine optimale Auslastung der Infrastruktur liegt vor, wenn die resultierenden Wartezeiten mit einem akzeptierten Qualitätsniveau übereinstimmen. Die Dimensionierung von Eisenbahninfrastruktur erfolgt auf Basis der entsprechenden Zuganzahl, welche als Nennleistung bezeichnet wird. Die Kapazitäten werden derzeit jeweils getrennt für Strecken, Fahrstraßenknoten und Gleisgruppen ermittelt. Eine netzweite Kapazitätsbetrachtung, die Wechselwirkungen mit anderen Elementen des Netzes berücksichtigt, ist folglich noch nicht gegeben. Diese wäre jedoch zur Dimensionierung langfristig geplanter Neu- und Ausbauvorhaben des Schienennetzes erforderlich. Ein Verfahren, das nutzbare Streckenkapazitäten unter Berücksichtigung netzweiter Abhängigkeiten ermittelt, befindet sich derzeit in der Entwicklung [10, 11]. Somit kann beispielsweise abgeschätzt werden, welche Netzabschnitte noch über Kapazitätsreserven verfügen oder wie sich unterschiedliche Infrastrukturauslastungen auf das gesamte betrachtete Netz auswirken. Identifikation aktueller Kapazitätsengpässe im Schienennetz Neben der beschriebenen Methodik zur langfristigen Infrastrukturplanung ist es sinnvoll, bei der Priorisierung von Maßnahmen auch das aktuelle Betriebsgeschehen zu berücksichtigen. Die Auswertung realer Betriebsdaten eignet sich dazu, bestehende Kapazitätsengpässe zu identifizieren. Eine zentrale Kenngröße zur Beurteilung des Engpassgeschehens ist die sogenannte Verspätungsschwere. Diese berücksichtigt den Verspätungszuwachs der Zugfahrten, die auf einem betrachteten Infrastrukturelement verkehren. Verspätete Zugfahrten werden zudem in Verspätungskategorien eingeteilt in Abhängigkeit davon, ob diese zuvor planmäßig verkehrten oder bereits Verspätungen aufgewiesen haben [12, 13]. Zur Visualisierung der Verspätungsentwicklung innerhalb einer Betriebsstelle oder eines Streckenabschnittes eignen sich Sunburst-Diagramme (Bild 2). Dargestellt ist die Verteilung auf die jeweiligen Verspätungskategorien (mittlerer Ring) sowie die Veränderung der Verspätungskategorie gegenüber dem zuvor gelegenen Infrastrukturbereich (äußerer Ring). Weist der betrachtete Infrastrukturabschnitt einen hohen Anteil an rot Bild 1: Entwicklung der Wartezeiten in Abhängigkeit der Zuganzahl und zugehörige Qualitätsstufen Eisenbahninfrastruktur INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 17 DOI: 10.24053/ IV-2024-0038 Herausforderungen einer nachfragegerechten Angebotsausweitung In straßengestützten Verkehrssystemen gelingt die Anpassung des Verkehrsangebotes an eine veränderte Verkehrsnachfrage im Vergleich zu schienengeführten Systemen in der Regel schneller und kostengünstiger. Aufgabenträger des städtischen Öffentlichen Straßenpersonenverkehrs (ÖSPV) sind etwa in der Lage, Betriebszeiten, Linienverläufe, Takte oder Gefäßgrößen binnen einer Fahrplanperiode an eine neue Nachfragesituation anzupassen. So lässt sich die Straßeninfrastruktur durch Vorrangregelungen, Bussonderspuren und weitere Maßnahmen vergleichsweise gut für den Mehrverkehr im ÖSPV ertüchtigen. Hinzu kommen Busflotten, die sich aus unterschiedlichen Gefäßgrößen einschließlich Reservefahrzeugen zusammensetzen. Aktuelle Herausforderungen stellen hier vor allem fehlendes Fahrpersonal, begrenzte Wartungs- und Abstellkapazitäten in den Betriebshöfen oder Baustellen im städtischen Straßenverkehrsnetz dar [14, 15]. Auch für das Lkw- Speditionsgewerbe zeigen sich zunehmend Engpässe beim Fahrpersonal und teilweise Überlastungs- und Ausfallerscheinungen des Straßennetzes [16]. Eine nachfragegerechte Planung von Eisenbahnverkehren steht indessen vor ungleich größeren Herausforderungen. Ein wesentliches Hemmnis für Angebotsausweitungen oder eine nachfragegerechte Justierung von Fahrzeiten und Anschlussbeziehungen sind die vorhandenen Infrastrukturkapazitäten. Der im Deutschlandtakt verankerte Leitgedanke, Bahninfrastrukturen entsprechend eines Zielfahrplans auszubauen [17], spiegelt sich in der gegenwärtigen eingefärbten Elementen auf, erfolgt dort ein häufiger Verspätungsauf bau, während grüne Elemente einen Abbau von Verspätungen und blaue Elemente ein konstantes Verspätungsgeschehen kennzeichnen. Der Abgleich der beiden Kenngrößen Verspätungsschwere und Nennleistung erlaubt eine erste Einordnung der Ursachen detektierter Kapazitätseinschränkungen: Liegen für den betrachteten Infrastrukturbereich sowohl eine hohe Verspätungsschwere als auch eine deutliche Überschreitung der Nennleistung vor, kann von einem infrastrukturbedingten Kapazitätsengpass ausgegangen werden. Weist hingegen die Verspätungsschwere einen hohen Wert auf, während die Nennleistung eingehalten oder unterschritten wird, kann dies durch wenig kapazitätsschonende Fahrplankonzepte begründet sein. In diesem Fall ist zu prüfen, ob sich der Kapazitätsengpass durch eine Optimierung des konstruierten Fahrplans beseitigen lässt. Da die Ursachen kritischer Verspätungszuwächse für die einzelnen Infrastrukturbereiche i. d. R. bekannt sind, lassen sich dauerhafte Infrastrukturengpässe zumeist gut von temporären Kapazitätseinschränkungen (z. B. Baumaßnahmen) unterscheiden. Die Verknüpfung der anhand analytischer Verfahren sowie Analysen des aktuellen Betriebsgeschehens gewonnenen Erkenntnisse ist elementar, um diejenigen Infrastrukturmaßnahmen zu priorisieren, die möglichst hohe Kapazitätssteigerungen versprechen und zudem die Betriebsqualität signifikant erhöhen. Darüber hinaus sollte eine solche Priorisierung stärker als bislang an der aktuellen und prognostizierten Fahrgast- und Transportnachfrage ausgerichtet werden. Planungspraxis noch unzureichend wider. Die Angebotsplanung der SPNV-Aufgabenträger wird durch vorhandene Infrastrukturengpässe eingeschränkt, die eine Reduktion der anvisierten Anzahl an Zugfahrten und der Fahrzeugkapazitäten, den Verzicht auf planmäßige Anschlüsse sowie weitere Einschränkungen zur Folge haben [18]. So ergeben sich vermehrt Situationen, in denen ähnlich gelagerten Trassenwünschen konkurrierender EVU innerhalb bestimmter Verkehrszeiträume nicht durch adäquate Trassenangebote entsprochen werden kann [19-21]. Das auf Hauptverkehrsrelationen konzentrierte Verkehrsmengenwachstum kann mitunter nicht durch eine entsprechende Ausweitung des Zugangebotes ausgeglichen werden [22, 23]. Budgetrestriktionen und zu lange Umsetzungszeiträume bei Schienenverkehrsprojekten Einem flächendeckenden Ausbau des Schienenverkehrsnetzes stehen indessen finanzielle und zeitliche Restriktionen entgegen. Die finanzielle Beschränkung ist durch die in Deutschland praktizierte Finanzierung des Neu- und Ausbaus der Bundesschienenwege vorwiegend aus Mitteln des Bundeshaushaltes begründet. Da auf schuldenfinanzierte Investitionen weitgehend verzichtet wird, hängt der verfügbare Investitionsumfang vom Steueraufkommen und den anteilig für Verkehrswegeinvestitionen eingeplanten Haushaltsmitteln ab. Die verausgabten Haushaltsmittel betrugen bis 2020 etwa 1,0 bis 1,5 Mrd. Euro jährlich und stiegen zuletzt auf etwa 2,0 Mrd. Euro an (Bild 3). Zeitliche Restriktionen beim Ausbau der Schienenwege resultieren im Wesentlichen aus langen Planungs- und Umsetzungszeiträumen sowie begrenzten Baukapazitäten. Die gängigen Priorisierungs- und Planungspraktiken bei Infrastrukturgroßprojekten haben zur Folge, dass der Neu- und Ausbau von Eisenbahnstrecken oder die Umgestaltung von Großknoten Jahrzehnte in Anspruch nimmt oder zwischenzeitlich zurückgestellt wird [6]. Vorhaben, die Milliardeninvestitionen erfordern, wurden typischerweise vor 20 bis 30 Jahren projektiert, ohne dass eine vollständige Realisierung stattgefunden hat. Für einige Vorhaben verzögerte sich der Baubeginn um viele Jahre oder Jahrzehnte, wie anhand von Auswertungen historischer Bundesverkehrswegepläne (BVWP) ersichtlich wird (Tabelle 1). Eine unzureichende Planungssicherheit hinsichtlich zukünftiger Projektvolumina behindert jedoch einen schnelleren Hochlauf der Baukapazitäten [25]. Infolgedessen ist zu befürchten, dass sich der Baubeginn und die Fertigstellung planfestgestellter Projekte weiter verzögern und die Baukostenentwicklung die allgemeine Inflationsrate übersteigen könnte. Bild 2: Beispielhafte Verspätungsauswertung eines Infrastrukturabschnitts INFRASTRUKTUR Eisenbahninfrastruktur Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 18 DOI: 10.24053/ IV-2024-0038 Gegenwärtig enthält der Bedarfsplan für die Bundesschienenwege, welcher nach der Methodik des BVWP aufgestellt wird, in der Kategorie „vordringlicher Bedarf “ mehr als 20 umfangreiche Vorhaben mit Investitionsvolumina von jeweils mindestens 2 Mrd. Euro (Tabelle 1). Die zukünftigen Investitionen für laufende und fest disponierte Vorhaben des vordringlichen Bedarfs wurden Ende 2021 auf etwa 38 Mrd. Euro beziffert. Hinzu kommen neue vordringliche Vorhaben ohne feste Finanzierungszusage mit einem Volumen von insgesamt etwa 45 Mrd. Euro [26]. Eine Abarbeitung der laufenden und fest disponierten Vorhaben des geltenden Bedarfsplans Schiene wäre daher unter der Annahme, dass die jährlichen verausgabten Haushaltsmittel zukünftig in einer ähnlichen Größenordnung liegen wie bisher, selbst unter Vernachlässigung von Kostensteigerungen frühestens Mitte der 2040er Jahre realistisch. Im selben Zeitraum bestünde kein Budget für neue bzw. zusätzliche Vorhaben. Angesichts der beschriebenen Restriktionen erscheint eine zeitnahe bzw. vollständige Umsetzung von Neu- und Ausbaumaßnahmen der Eisenbahninfrastruktur gefährdet. Umso mehr sollte der Fokus darauf liegen, den limitierten Handlungsspielraum bestmöglich auszuschöpfen. In diesem Zusammenhang ist die bisherige Praxis der Bundesverkehrswegeplanung zu hinterfragen, da sie viel Budget für einige wenige Großprojekte bindet, ohne deren rasche Umsetzung zu garantieren [6]. Die Kapazität der Eisenbahninfrastruktur wächst in der Folge nicht kontinuierlich entsprechend der tatsächlichen Verkehrsnachfrage, sondern sprunghaft in langjährigen Intervallen. Einige der besonders kostenintensiven Neu- und Ausbauvorhaben wirkten sich in der Vergangenheit zudem nur auf einen kleinen Teil des gesamtdeutschen Schienenverkehrs kapazitätssteigernd aus [30]. Stärkere Einbindung der Nachfrage bei der Priorisierung kapazitätserweiternder Maßnahmen Erforderlich ist es daher, die Priorisierung von kapazitätserweiternden Infrastrukturmaßnahmen stärker als bislang üblich an der aktuellen sowie kurzbis mittelfristig zu erwartenden Verkehrsnachfrage auszurichten. Investitionsentscheidungen sollten auf Bild 3: Investitionen des Bundes für den Neu- und Ausbau der Bundesschienenwege 2012- 2024 (VIA nach [24]) Vorhaben des vordringlichen Bedarfs (darunter laufende und neue Vorhaben) BVWP 1992 [27] BVWP 2003 [28] BVWP 2016 [29] Gesamtkosten (Stand 2021) [26] ABS / NBS Erfurt - Leipzig / Halle n. V. l. V. l. V. 3,0 Mrd. € ABS / NBS Frankfurt - Mannheim (- Karlsruhe) n. V. n. V. n. V. 4,4 Mrd. € ABS Hamburg - Büchen - Berlin (2. Ausbaustufe) l. V. l. V. l. V. 2,8 Mrd. € ABS / NBS Hamburg - Hannover n. V. n. V. n. V. 3,9 Mrd. € ABS / NBS Hamburg - Lübeck - Puttgarden n. V. n. V. 3,5 Mrd. € ABS / NBS Hanau - Würzburg / Fulda - Erfurt n. V. n. V. n. V. 3,7 Mrd. € ABS / NBS Hannover - Bielefeld n. V. n. V. 6,7 Mrd. € ABS Hof - Marktredwitz - Regensburg - Obertraubling n. V. n. V. 2,2 Mrd. € ABS / NBS Karlsruhe - Offenburg - Freiburg - Basel l. V. l. V. l. V. 16,1 Mrd. € ABS Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg - Leipzig / Dresden n. V. l. V. l. V. 2,7 Mrd. € ABS Leipzig - Dresden n. V. l. V l. V. 2,4 Mrd. € ABS Niederlande - Emmerich - Oberhausen n. V. n. V. l. V. 2,6 Mrd. € ABS / NBS Nürnberg - Erfurt n. V. l. V. l. V. 8,0 Mrd. € ABS München - Mühldorf - Freilassing l. V. l. V. l. V. 3,6 Mrd. € ABS München - Rosenheim - Kiefersfelden - Österreich n. V. n. V. 7,0 Mrd. € ABS / NBS Stuttgart - Ulm - Augsburg n. V. l. V. l. V. 5,0 Mrd. € ABS Stuttgart - Singen - Schweiz n. V. n. V. 2,1 Mrd. € RRX Köln - Düsseldorf - Dortmund / Münster - l. V. 4,0 Mrd. € Knoten Berlin inklusive Flughafenanbindung n. V. l. V. l. V. 6,9 Mrd. € Knoten Frankfurt, Hamburg, Mannheim, München n. V. n. V. 10,0 Mrd. € Knoten Dresden, Erfurt, Halle, Leipzig, Magdeburg n. V. l. V. l. V. 2,9 Mrd. € Blau: Laufendes / fest disponiertes Vorhaben (l. V.) des vordringlichen Bedarfs Grau: Neues Vorhaben (n. V.) des vordringlichen Bedarfs ABS = Ausbaustrecke NBS = Neubaustrecke Tabelle 1: Vordringlich eingestufte Neu- / Ausbauvorhaben der Schienenwege mit Gesamtkosten ab 2 Mrd. Euro Eisenbahninfrastruktur INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 19 DOI: 10.24053/ IV-2024-0038 sind diejenigen Infrastrukturelemente zu identifizieren, die im Betrieb regelmäßig von besonders hohen Verspätungszuwächsen betroffen sind [12, 13]. Durch eine kombinierte Betrachtung von Kapazitäts- und Verspätungskennzahlen ist anschließend zu bewerten, ob auf Strecken und in Knoten Restkapazitäten zur Verfügung stehen, die eine Angebotsverdichtung ermöglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zusätzlich geplante Zugfahrten auf ihrem gesamten Laufweg freie Netzkapazitäten benötigen [10, 11]. Stehen keine entsprechenden Kapazitätsreserven zur Verfügung, sind Alternativrouten für die gewünschte Quell-Ziel-Relation zu prüfen, welche überlastete Netzabschnitte möglichst umgehen, ohne die Beförderungs- und Transportzeiten zu sehr zu erhöhen. Können keine zusätzlichen Verkehre mehr eingeplant werden, ist ein Angebotsdefizit aufgrund zu geringer Infrastrukturkapazitäten festzustellen. Aus den vorhergehenden Analyseschritten ergeben sich zudem diejenigen Netzelemente, die sich maßgeblich kapazitätslimitierend auf Verkehrsrelationen auswirken [12, 13]. Darauf auf bauend sind geeignete Maßnahmen zur Reduzierung bzw. Beseitigung des Engpassgeschehens abzuleiten und deren Potenzial zur Steigerung der Kapazität zu ermitteln. Für jedes Maßnahmenpaket sind der prognostizierte Investitionsaufwand, Planungs- und Realisierungszeiten, die Anzahl zusätzlich möglicher Zugfahrten, die zu erwartende Betriebsqualität und die anzunehmende Verkehrsnachfragesteigerung darzulegen. Der gesamte Prozess ist Bild 4 zu entnehmen. Basierend auf den beschriebenen Kennzahlen können kapazitätssteigernde Infrastrukturmaßnahmen möglichst optimal auf das vorhandene Investitions- und Zeitbudget abgestimmt werden. Während das Investitionsbudget weitgehend den verfügbaren staatlichen Mitteln entspricht, stellt die Restzeit bis zur Erreichung der klimapolitisch motivierten Verkehrsverlagerungsziele eine sinnvolle Annahme für das Zeitbudget dar [32]. Ziel ist es, möglichst kostengünstige Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung zu priorisieren, die zugleich eine große Nachfragewirkung erzielen. Wichtig ist es dabei, das limitierte Zeitbudget einzuhalten. Kostenintensive, aber möglicherweise weniger nachfragewirksame Investitionen, oder Investitionen, die sich aufgrund sehr langer Umsetzungszeiträume erst binnen etlicher Jahre oder Jahrzehnte kapazitiv auswirken, würden entsprechend niedriger priorisiert. Die Bewertung der Maßnahmen sollte dabei in kurzen Zeitabständen aktualisiert werden. Schlussfolgerungen und Fazit Mit dem aufgezeigten Vorgehen würde sich die Bundesverkehrswegeplanung im Schie- Gesamtnetzes eine Ausweitung des Zugangebots besonders dringlich erscheint. Hierzu sind Schwellenwerte hinsichtlich tolerierbarer Zugauslastungen (Fahrgäste/ Sitzplätze; Ladeeinheiten/ Ladekapazitäten) zu definieren. Auslastungsgrenzen sollten explizit für nachfragestarke Zeiträume gelten, um das Verkehrsnachfrageverhalten realistisch abbilden zu können. Werden Schwellenwerte für eine kritische Anzahl an Verkehrstagen überschritten, sind nachgelagerte Prüfschritte einzuleiten. In einem ersten Schritt ist für die betroffenen Strecken und Knoten zu evaluieren, ob das bestehende Zugangebot die vorhandenen Infrastrukturkapazitäten bereits vollständig auslastet. Hierbei sind Ist-Zugzahlen mit den Nennleistungen, welche mit dem in [31] dargestellten analytischen Verfahren netzweit und automatisiert ermittelt werden können, abzugleichen. Darüber hinaus ist die Betriebsqualität des bestehenden Fahrplankonzepts anhand von Verspätungskennzahlen zu beurteilen. Es einer möglichst jahresscharfen Kenntnis der Verkehrsnachfrageströme basieren. Hierzu ist ein Erfassungssystem betrieblicher und vertrieblicher Kennzahlen erforderlich. Neben der Anzahl und zeitlichen Verteilung von Zügen je Betriebstag und Netzabschnitt sind Auslastungsdaten für Personen- und Güterzüge notwendig. Quell-Ziel-Beziehungen von Fahrgästen und Gütern sowie deren Umstiegsbzw. Umschlagsorte sind auf möglichst niedriger Aggregationsebene zu erheben und auszuwerten. Eine solche Erfassung ist dabei bundesweit und unternehmensübergreifend durchzuführen. Ausgehend von der erfassten Ist-Situation sind Prognosen für die zukünftige Entwicklung auszuarbeiten und bei erkennbaren Trendabweichungen - wie etwa im Fall der Covid- 19-Pandemie oder nach der Einführung des Deutschlandtickets - laufend anzupassen. Auf bauend auf dem zuvor skizzierten nationalen Erfassungs- und Prognosesystem ist zu beurteilen, in welchen Bereichen des Analyse Zugauslastungen A B a b Analyse der Infrastrukturauslastungen Analyse der Betriebsqualität Nachfrage im Personen- und Güterverkehr Infrastruktur- und Fahrplandaten Beurteilung der Restkapazitäten Ableitung kapazitiv wirksamer Infrastrukturmaßnahmen A B a b Berechnung Nachfragewirkung, Zeitaufwand, Kosten Haushaltsmittel Zeitbudget Klimaziele Nachfragewirkung Zeitaufwand Kosten Kapazitätsgewinn Detektion stark ausgelasteter Infrastrukturbereiche Maßnahmenpriorisierung Nachfrageermittlung Kapazitive Bewertung Priorisierung Definition von Schwellenwerten tolerierbarer Zugauslastungen Beurteilung der Fahrplankonzepte A b Bild 4: Vorschlag für eine stärkere Nachfrageorientierung kapazitätserweiternder Schieneninfrastrukturprojekte INFRASTRUKTUR Eisenbahninfrastruktur Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 20 DOI: 10.24053/ IV-2024-0038 [22] J. Hasselmann, Überfüllte Züge, ausgelassene Haltestellen: Bahnreisen aus Berlin an die Ostsee enden regelmäßig im Chaos. [Online]. Available: https: / / www.tagesspiegel.de/ berlin/ bahn-warntvor-fahrten-an-die-ostsee-haltestelle-berlingesundbrunnen-wegen-uberfullung-ausgelassen-10300573.html (accessed: Jun. 12 2024). [23] KCITF NRW, Jeder Fahrgast zählt: Statistik und Datenmanagement Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan NRW. [Online]. Available: https: / / www.kcitf-nrw.de/ planung-analysen/ statistikund-datenmanagement/ (accessed: Jun. 12 2024). [24] BMF, Bundeshaushalt interaktiv. [Online]. Available: https: / / www.bundeshaushalt.de/ DE/ Bundeshaushalt-digital/ bundeshaushalt-digital.html (accessed: Jun. 20 2024). [25] Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Ed., „Vorschläge für eine gemeinwohlorientierte Schieneninfrastruktur: Bauen ist Teil der Lösung,” Berlin, 2022. [26] BMDV, „Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2021,” Berlin, 2023. [27] Bund, „Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes: BSWAG,” 1993. [28] BMVBW, „Bundesverkehrswegeplan 2003,” Berlin, 2003. [29] BMVI, „Bundesverkehrswegeplan 2030,” Berlin, 2016. [30] M. Holzhey, „Schienennetz 2025 / 2030: Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland,” Dessau, 2010. Accessed: Jun. 12 2024. [Online]. Available: https: / / www.umweltbundesamt.de/ sites/ default/ files/ medien/ 461/ publikationen/ 4005.pdf [31] A. Pfeifer, B. Kogel, N. Nießen, S. Kurby, and U. Steinborn, „Zielgerichtete Infrastrukturdimensionierung durch eine netzweite Ermittlung der Kapazität,” Eisenbahntechnische Rundschau (ETR), no. 10, pp. 29-33, 2018. [32] BMWK, Ed., „Klimaschutz-Programm 2023: Überblickspapier,” Berlin, 2023. Accessed: Jun. 12 2024. [Online]. Available: https: / / www. bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Downloads/ U/ ueberblick s p apie rk lima s chut zpr o gr amm.p d f ? _ _ blob=publicationFile&v=2 Eingangsabbildung: © VIA [7] N. Nießen and B. Kogel, „Eisenbahninfrastruktur ökonomisch planen,” Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, vol. 85, pp. 194-213, 2014. [8] I. Gast and U. Steinborn, „Vermarktungskapazität wie viel Qualität verträgt der Markt? ,” Deine Bahn, no. 8, pp. 44-51, 2018. [9] S. Zieger, N. Weik, and N. Nießen, “The influence of buffer time distributions in delay propagation modelling of railway networks,” Journal of Rail Transport Planning & Management, vol. 8, 3-4, pp. 220-232, 2018, doi: 10.1016/ j.jrtpm.2018.09.001. [10] M. Maus, B. Kogel, F. Schröter, N. Nießen, and M. Fietze, „Kapazitätsbestimmung von Eisenbahnstrecken unter Berücksichtigung von Netzeffekten,” in Tagungsband IRSA 2023, Aachen, 2024, pp. 441-458. [11] M. Maus, B. Kogel, N. Nießen, and M. Fietze, „Entwicklung einer Methodik zur netzweiten Kapazitätsbestimmung,“ Eisenbahntechnische Rundschau (ETR), no. 5, pp. 24-28, 2023. [12] P. Scherer, B. Kogel, W. Lenze, M. Maus, N. Nießen, and M. Fietze, „Identifikation von Kapazitätsengpässen,” in Tagungsband IRSA 2023, Aachen, 2024, pp. 493-509. [13] S. Schotten, T. Büker, W. Lenze, B. Kogel, T. Noll, and M. Fietze, „Einblick DZSF-Projekt „Identifikation von Kapazitätsengpässen“,” Eisenbahntechnische Rundschau (ETR), no. 5, pp. 33-37, 2022. [14] VDV, Ergebnisse der VDV-Branchenumfrage Personal 2024: Schienengüter- und öffentlicher Personenverkehr. [Online]. Available: https: / / www. vdv.de/ vdv-branchenumfrage-personal-2024. pdfx? forced=true (accessed: Jun. 12 2024). [15] J. Henninger, J. Sauer, and C. Sommer, „Untersuchung zu kurzfristigen Kapazitätssteigerungen im VRS-Raum: Schlussbericht,” Köln, 2019. [16] Institut der deutschen Wirtschaft, Ed., „Faktencheck Güterverkehr in Deutschland: Von der fehlenden Infrastruktur zum Verlagerungspotenzial,” Köln, 2021. [Online]. Available: https: / / www.iwkoeln.de/ fileadmin/ user_upload/ Studien/ Gutachten/ PDF/ 2022/ Brosch%C3%BCre-Pro_ Mobilit%C3%A4t_Faktencheck_2021.pdf [17] SMA, Intraplan, Via-Con, and Trimode, „Abschlussbericht zum Zielfahrplan Deutschlandtakt. Grundlagen, Konzeptionierung und wirtschaftliche Bewertung,” Berlin, 2021. [18] Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Ed., „ÖPNV-Strategie 2030 für Baden-Württemberg: Gemeinsam die Fahrgastzahlen im ÖPNV verdoppeln,” Stuttgart, 2022. [19] K. Abelmann, Metronom hält abends wieder in Großburgwedel: Gemeinsame Presse-Information der Landesnahverkehrsgesellschaft mbH (LNVG) und der Region Hannover vom 18.12.2020. [Online]. Available: https: / / www. lnvg.de/ fileadmin/ media/ lnvg/ Pressemitteilungen/ 449_ME_haelt_wieder_in_GBW_LNVG_Region_Hannover.pdf (accessed: Jun. 12 2024). [20] I. Molenda, S. Stiehm, and H. Berns, „Standortfaktor Schienenverkehr: Die Bedeutung des Schienengüterverkehrs für das Rheinland,” Köln, 2023. Accessed: Jun. 12 2024. [Online]. Available: https: / / www.ihk.de/ blueprint/ servlet/ resource/ blob/ 5969926/ 4373b7bf1035a01569b0 b6a298e0a497/ standortfaktor-schienenverkehr- 2023-data.pdf [21] P. Neumann, „Berlin-Hamburg: Flixtrain nimmt der DB Trassen ab und nutzt sie dann nicht,” Berliner Zeitung, 29 Oct., 2022. https: / / www. berliner-zeitung.de/ mensch-metropole/ verkehrberlinhamburg-flixtrain-nimmt-der-db-trassenab-und-nutzt-sie-dann-nicht-wittenberge-deutsche-bahn-li.281369 (accessed: Jun. 12 2024). nenverkehr voraussichtlich auf deutlich kleinräumigere Vorhaben und eine nachfragegerechte Kapazitätsoptimierung der Bestandsinfrastruktur fokussieren. Die mit dem Deutschlandtakt anvisierten Fahrzeitreduktionen wären jedoch auf einigen Relationen vorläufig nicht erreichbar, da milliardenschwere Investitionen für Hochgeschwindigkeitsstrecken möglicherweise nicht oder nur in einem reduzierten Umfang priorisiert werden würden. Das gesamte Investitionsvolumen würde sich auf eine deutlich höhere Anzahl an Einzelprojekten aufteilen und einen erhöhten Koordinationsaufwand nach sich ziehen. Eine gesteigerte Anzahl an Bedarfsplanprojekten im Bestandsnetz stünde zudem vor der bereits heute omnipräsenten Herausforderung, den Eisenbahnbetrieb trotz Baumaßnahmen aufrechtzuerhalten bzw. baubedingte Sperrzeiten der Infrastruktur möglichst zu minimieren. Trotz dieser Herausforderungen erscheint der beschriebene Reformansatz zielführend, um die ambitionierten Verkehrsverlagerungs- und Klimaziele trotz vorhandener Budget- und Zeitrestriktionen zu erreichen. ■ LITERATUR [1] SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, and FDP, Eds., “Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP: Mehr Fortschritt wagen,” Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Berlin, 2021. [2] BMDV, Ed., „Vorhabenskonferenz: Bund, Länder und DB wollen die Umsetzung des Deutschlandtakts gemeinsam beschleunigen: Pressemitteilung vom 08. November 2023,“ Berlin. Accessed: Jun. 17 2024. [Online]. Available: https: / / assets. ctfassets.net/ scbs508bajse/ 4zIbtbNhQzdwmvv zidxJCR/ 2e025bd0f21035bdc1e23e4d8dccab1e/ Pressemitteilung _Bund-La_nder-DB-Vorhabenkonferenz.pdf [3] S. Henckel, „Kapazität wird reguliert: Interview mit Susanne Henckel, Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur,” Eisenbahntechnische Rundschau (ETR), 1+2, pp. 10-13, 2023. [4] DB InfraGO AG, Die DB InfraGO AG hat bisher 23 Schienenwege als überlastet erklärt. [Online]. Available: https: / / www.dbinfr a g o . c o m / r e s o u r c e / b l o b / 1 2 2 2 0 6 8 6 / b 1 b d35913645937527c21536e498412f/ Sachstand- UeLS-Strecken-data.pdf (accessed: Jun. 18 2024). [5] Deutsche Bahn and Statista, Anteil pünktlicher Züge und Reisender im Fernverkehr der Deutschen Bahn in den Monaten Januar 2023 bis April 2024. [Online]. Available: https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 1404488/ umfrage/ puenktlichkeit-der-fernzuege-der-deutschen-bahn/ (accessed: Jun. 18 2024). [6] F. Stoll and B. Kogel, „Erfolgreiche Zukunft des Schienenverkehrs in Deutschland? : Bewältigung aktueller Herausforderungen ohne beschleunigten Infrastrukturausbau nicht möglich,” Internationales Verkehrswesen, vol. 75, no. 2, pp. 24-31, 2023. Bastian Kogel, Dr.-Ing., Oberingenieur, Verkehrswissenschaftliches Institut der RWTH Aachen, Mies-van-der-Rohe- Straße 1, 52074 Aachen kogel@via.rwth-aachen.de Fabian Stoll, M. Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Verkehrswissenschaftliches Institut der RWTH Aachen, Mies-vander-Rohe-Straße 1, 52074 Aachen stoll@via.rwth-aachen.de Maren Maus, M. Sc., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Verkehrswissenschaftliches Institut der RWTH Aachen, Miesvan-der-Rohe-Straße 1, 52074 Aachen maus@via.rwth-aachen.de Eisenbahninfrastruktur INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 21 DOI: 10.24053/ IV-2024-0038 Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) kann das Transportmanagement weiter verbessert werden. KI-Lösungen können zeitraubende Routineaufgaben automatisieren und so erhebliche Zeit- und Kostenvorteile mit sich bringen. Besonders für die effiziente Lagerverwaltung, die Optimierung der Lieferkette, prädiktive Analysen, die Verfolgung und Überwachung von Sendungen, die dynamische Preisgestaltung, die Ladeplanung und die Lieferantenauswahl ist die KI sehr gut einsetzbar. Zusätzlich können TMS durch die Anwendung von maschinellem Lernen auf historische Daten und Trends z. B. Transitzeiten genauer vorhersagen, Ka- N icht nur im Einzelhandel, auch im Transportmanagement geht es heutzutage nicht mehr nur um den günstigsten Preis und eine pünktliche Lieferung. Kunden erwarten oft eine Lieferung innerhalb von zwei Tagen, womöglich noch am selben Tag, mit Echtzeit-Updates während des gesamten Transports. Um mit diesen Erwartungen Schritt zu halten, investieren viele Unternehmen in ein möglichst robustes und funktionsreiches Transportmanagementsystem (TMS), das schnell auf Kundenwünsche reagieren und zugleich detailliertere Informationen bereitstellen soll. pazitäten planen und risikoreiche Sendungen (z. B. Waren, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, zeitkritische oder temperaturempfindliche Produkte) identifizieren. Eine kontinuierlich „lernende“ künstliche Intelligenz kann die Ressourcenbemessung erheblich verbessern und die Einhaltung rechtlicher und regulatorischer Standards gewährleisten. Beispielsweise lässt sich der Transport im Hinblick auf den CO 2 -Ausstoß optimieren, indem ein KI-Algorithmus darauf trainiert wird, anhand mehrerer Parameter die kürzeste Route auszuwählen oder umweltfreundlichere Transportmittel zu empfehlen. Das könnte besonders hilfreich KI im Transportmanagement - Wechsel in den Turbomodus Sprachmodelle, Transportmanagementsystem (TMS), Ressourcenbemessung, CO 2 -Ausstoß, Internet of Things (IoT) Steigende Kundenerwartungen und sich ständig ändernde Handelsvorschriften stellen eine echte Herausforderung für die Unternehmen in der Lieferkette dar. Innovation ist gefragt, um mithalten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Gardiner von Trapp LOGISTIK Künstliche Intelligenz Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 22 DOI: 10.24053/ IV-2024-0039 sein, wenn es um die Einhaltung der neuen Europäischen Normen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS) geht. Ein weiterer Vorteil von KI - und insbesondere von fortgeschrittenen Sprachmodellen - ist die Möglichkeit, Prozesse und die Nutzung von Business-Lösungen zu vereinfachen. Bald wird es möglich sein, komplexe Anliegen in einfacher Alltagssprache zu vereinfachen. KI-Lösungen werden dann in der Lage sein, diese zu verstehen und direkt darauf zu reagieren, ohne dass die Mitarbeiter Dateien, Dashboards oder andere spezifische Tools konsultieren müssen. Damit ist der Weg frei für eine rasante Digitalisierung, bei der die natürliche Sprache Prozesse vereinfachen wird. Weshalb Daten für die KI wichtig sind Für die Erstellung von KI-Lösungen sind Daten erforderlich. Dabei kommt es weniger auf die Datenmenge als vielmehr auf die Qualität und die Konsistenz der Daten an. Zwar können große Datensätze für das Training von Modellen durchaus von Vorteil sein. Die Anforderungen werden jedoch durch Faktoren wie Problemkomplexität, Modellarchitektur, Datenqualität usw. beeinflusst. Während einige komplexe Probleme umfangreiche Daten für effektives Lernen erfordern, können einfachere Aufgaben oder Modelle durchaus auch mit kleineren Datensätzen eine angemessene Leistung erbringen. Darüber hinaus sind Qualität und Relevanz der Daten von entscheidender Bedeutung, da qualitativ hochwertige Daten auch in kleineren Mengen wertvolle Erkenntnisse liefern können, während eine schlechte Datenqualität die Modellleistung unabhängig von der Datenmenge beeinträchtigen kann. Daher können große Datensätze zwar von Vorteil sein, die benötigte Datenmenge hängt jedoch vom spezifischen Kontext und den Anforderungen der jeweiligen Aufgabe ab. In der Supply Chain und im Transportsektor wird täglich eine große Menge an Daten generiert: Transportmanagementsysteme haben Zugriff auf Transportaufträge, Herkunfts- und Zielorte, Mengen und Arten von Gütern, Fristen sowie die verschiedenen verwendeten Transportarten. Tracking-Lösungen bieten einen detaillierten Einblick in den Datenverkehr. Frachtenbörsen erfassen Spot-Sendungen. Das IoT (Internet of Things) ermöglicht es u. a., den Standort eines Produkts und seines Behälters in Echtzeit, die Temperaturkontrolle etc. zu verfolgen. Bisher war es schwierig, Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Elementen herzustellen. Mit Hilfe von KI ist können schneller aussagekräftige Schlussfolgerungen gezogen werden als durch Standardanalysen von Mitarbeiter: innen. Die Anwendung auf den Transportbereich ist umso mehr gerechtfertigt, als der Sektor nach wie vor stark prozessorientiert ist, mit klar definierten Schritten. Diese Struktur begünstigt einen sequenziellen Verlauf. Ein TMS z.B. folgt einem definierten Ablauf vom Versand bis zum Bestimmungsort und umfasst die Erstellung eines Transportauftrags, die Auswahl der Transportfirma, die Lieferung, die Ankunft am Dock etc. Wie können Unternehmen am meisten von KI profitieren? Sowohl große als auch kleine Unternehmen können mit Hilfe der KI größere und komplexere Prozesse mit weniger Aufwand optimieren. Kleine Speditionen oder Familienunternehmen mit wenigen Lkws haben einen begrenzteren Anwendungsbereich für KI. Bei Unternehmen mit hoher Prozesskomplexität und -umfang (z. B. mehrere Standorte, mehrere Variablen) lässt sich eine höhere Kapitalrendite erzielen. Auch der IT-Reifegrad einer Firma und besonders der Datenreifegrad spielen eine Rolle. Auch wenn Modelle wie OpenAI es bereits ermöglichen, KI zur Verbesserung von Prozessen und Experimenten einzusetzen ist es entscheidend zu wissen, wie man diese Lösungen findet und auf die richtigen Probleme anwendet. Um solche Projekte durchführen zu können, ist daher eine ausgeprägte interne IT-Expertise von entscheidender Bedeutung. Vorteilhaft sind die Verfügbarkeit, die Quantität und die Qualität der Daten und die Digitalisierung von Prozessen. Eine große Anzahl von Eingaben und ein leistungsstarkes KI-Modell sind nur begrenzt wirksam, wenn die zugrunde liegenden Prozesse weitgehend manuell bleiben. Was sollten Unternehmen beim Einsatz von KI beachten? Da maschinelles Lernen und KI-Lösungen äußerst ressourcenintensiv sind, ist eine solide Datengrundlage für die Wertschöpfung unerlässlich. Das Organisieren, Verarbeiten, Speichern und Erstellen von Datensätzen ist sehr zeitaufwändig und zudem nur der erste Schritt zum Auf bau einer KI-Lösung. Der Einsatz dieser Technologie kann erhebliche Kosten verursachen und viel Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb sollte man sich fragen, ob bei der Entwicklung und Wartung einer KI-Lösung der Nutzen die Kosten überwiegt. Dazu gehören auch die Kosten für den Auf bau und die Wartung der Datenströme, die genau und aktuell sein müssen und deren Anreicherung auch später noch möglich sein muss. Die Effektivität des Einsatzes von KI-Lösungen hängt maßgeblich von der Verfügbarkeit von Daten und dem sinnvollen Umgang damit ab. Ein TMS ist eine Unternehmensanwendung. Wie bei jeder solchen Anwendung ist eine Benutzerschulung erforderlich, um sicherzustellen, dass das volle Potenzial ausgeschöpft wird. Mit KI - und insbesondere mit LLMs (Large Language Models) - kann dieser Schritt beschleunigt und das Tool leichter erlernbar gemacht werden. Letztendlich ist die KI ein ergänzendes Werkzeug und kein Zaubermittel, das alle anderen vorhandenen Werkzeuge ersetzen kann. Nehmen Sie CHAT GPT als Beispiel: während seine Stärken bei der Erstellung von Texten mittlerweile klar sind, hat sich auch gezeigt, dass die Zuverlässigkeit seiner Antworten auf verschiedene Fragen begrenzt ist. Ein fachkundiges menschliches Eingreifen ist weiterhin erforderlich, um Perspektiven und Nuancen einzubringen, die die KI möglicherweise nicht erfasst. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis gefunden werden, das zuverlässige Ergebnisse gewährleistet. ■ Eingangsabbildung: © Sikov - stock.adobe.com Gardiner von Trapp, Ph.D., Alpega Group Künstliche Intelligenz LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 23 DOI: 10.24053/ IV-2024-0039 vollständigen das Projektteam, namentlich CHI, DB Schenker, Lufthansa Cargo, LUG, Sovereign Speed, die Flughäfen Düsseldorf, Frankfurt, Köln-Bonn, Leipzig, München und Stuttgart sowie R+V als Versicherungspartner. In der Ausgabe Internationales Verkehrswesen (75) 2 aus dem Jahr 2023 werden die drei zentralen Themenfelder von DTAC bereits ganzheitlich erläutert: Erstens der standardisierte Datenaustausch zwischen allen Akteuren der Luftfrachttransportkette mittels ONE Record 1 . Zweitens - in dieser Projektbeschreibung fokussiert - Automa- D as Digitale Testfeld Air Cargo (DTAC) ist ein 2021 gestartetes und kürzlich um zwei Jahre verlängertes Forschungsprojekt zur Digitalisierung und Automatisierung der Luftfracht, gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit 13,7 Millionen Euro. Die DTAC-Konsortialführung obliegt dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML); wissenschaftlicher Partner ist die Frankfurt University of Applied Sciences (UAS). Einflussreiche Akteure der deutschen Luftverkehrsindustrie vertisierung und Autonomisierung in dispositiven Handling- und Transportprozessen der Luftfracht. Drittens neue Konzepte und Methoden zur Optimierung der Auslastung und Kapazitäten. Im zweiten Themenfeld (Automatisierung) finden zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe robotische Tests am DTAC-Partnerflughafen Stuttgart unter der Leitung der Frankfurt UAS statt. Zuvor, in Q2 2024, fanden zudem Tests am DTAC-Partnerflughafen München unter der Leitung des Fraunhofer IML statt, siehe Artikelstartbild. Die Tests umfassen insgesamt fünf roboti- DTAC erprobt Roboter-Flotte an Flughäfen Deutsche Luftfracht-Abfertigung auf dem technologischen Sprung ins 21. Jahrhundert Logistik, Luftfracht, Flughafen, Automatisierung, Robotik, Autonomes Fahren Im Bundes-Forschungsprojekt Digitales Testfeld Air Cargo (DTAC) finden derzeit robotische Tests an den Partnerflughäfen München und Stuttgart statt. Dabei werden fünf robotische Lösungen standortübergreifend entlang der realen Prozesskette analysiert. Die Luftfracht-Bodenabfertigung weist im Vergleich zu anderen Branchen einen geringen Automatisierungsgrad auf. Durch Technologietransfer sollen effizientere Prozesse erreicht werden. Der Forschungsansatz untersucht die Auswirkungen und Potenziale aktueller robotischer Technik in der Luftfracht. Die fünf Testlösungen werden vorgestellt, Ergebniserwartungen formuliert und ein Ausblick auf den weiteren Projektverlauf gegeben. Manuel Wehner, Simon Lacoste LOGISTIK Luftfracht Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 24 DOI: 10.24053/ IV-2024-0040 sche Lösungen, die standortübergreifend entlang der realen Prozesskette intensiv untersucht werden. Die Luftfracht-Bodenabfertigung weist im Vergleich zu anderen Branchen, wie bspw. der Seehafenlogistik, einen geringen Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad auf. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie stehen u. a. in Zusammenhang mit der notwendigen Flexibilität in Bezug auf zu konsolidierende Waren sowie mit vielschichtigen Anforderungen der unterschiedlichen Flugzeugmodelle und Fluggesellschaften in Bezug auf die Beladung. Grundsätzlich besteht Potenzial, durch Technologietransfer aus anderen Industriebereichen und spezifische Weiterentwicklungen effizientere Prozesse in der Luftfrachtabfertigung zu etablieren. Der zentrale Forschungsansatz umschließt die Frage, welche Luftfracht-bezogenen Auswirkungen bzw. Potenziale der aktuelle robotische Stand der Technik aufweist. Daraus werden verschiedene Fokusthemen abgeleitet wie beispielsweise die Frage nach geeigneten Anwendungsfällen, Limitationen und Flexibilität automatisierter Systeme, Integration in Flughafen- und Leitstand-spezifische Software-Umgebungen uvm. Die folgende Projektbeschreibung erläutert die Testlösungen sowie den Zusammenhang zwischen den beiden Testfeldern an den Flughäfen Stuttgart und München. Im Anschluss werden die erwarteten Ergebnisse umrissen und ein Ausblick auf den weiteren DTAC-Projektverlauf geworfen. Was wird am Flughafen Stuttgart getestet? Lösung 1: Auto-DollyTug (Frachtschlepper, siehe Bild 1) - übernimmt ULDs direkt vom High Loader an den Flugzeugpositionen und transportiert sie zu den Frachthallen. Der Auto-DollyTug der britischen Firma Aurrigo ist ein elektrisches Fahrzeugmodell mit einer integrierten Ladefläche für einen standardisierten „Unit Load Device (ULD)“- Container. Die Funktion eines klassischen Schleppfahrzeugs wird mit der eines Containertransporters verbunden. Das bedeutet, dass ein Fahrzeug einen Container ohne weiteren Übergabeschritt vollautomatisiert zum High Loader 2 transportieren kann. Hiermit kann selbst bei Personalengpässen ein funktionierender Abfertigungsprozess rund um die Uhr gewährleistet werden. Die Kombination der beiden Funktionen führt insbesondere bei KEP-Airlines (KEP steht für Kurier-, Express- und Paketdienste) zu einem Mehrwert, weil aufgrund des Geschäftsmodells die Ladereihenfolge nicht im Vorhinein klar ist. Der Auto-DollyTug wird seit mehreren Jahren in England und Singapur fortlaufend weiterentwickelt. Im Rahmen von DTAC wird das Fahrzeug erstmalig in Deutschland in einem sechswöchigen Testzeitraum eingesetzt und intensiv in Bezug auf Vorfeld- und Luftfracht-spezifische Fahrsituationen untersucht. Dies beinhaltet insbesondere die folgenden Aspekte: Fahren auf der Flugzeugposition, Andocken an High Loadern sowie an Casterdecks mitsamt Warenübergabe und -übernahme, hybrides Nutzungsmodell mit geschleppten Anhängern (sog. Dollys) sowie die automatisierte Lastübergabe. Was wurde kürzlich am Flughafen München getestet? Lösung 2: Spot (Roboterhund, siehe Bild 2) - patrouilliert zur Identifikation und Standortweitergabe lagerfähiger Paletten. Der Roboterhund Spot des US-amerikanischen Herstellers Boston Dynamics wurde vom Fraunhofer CML (Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen) als innovative Lösung im Bereich der mobilen Robotik erworben und im Hamburger Hafentechniklabor weiterentwickelt. Im DTAC patrouilliert Spot autonom durch Hallenbereiche, identifiziert spezielle, lagerfähige Hochregal-Paletten (GLP genannt), liest deren Palettencodes aus und übermittelt diese zusammen mit der jeweiligen Position an einen Leitstand. Dadurch können andere fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) den Transportauftrag übernehmen. Lösung 3: Emma (Gabelstapler, siehe Bild 3) transportiert spezielle Paletten zum automatisierten Hochregallager und später von dort weiter zur Aufnahmeposition für den Abholer. Emma ist ein durch die Götting KG nachträglich automatisierter Gabelstapler der E20-Serie von Linde. Mit Emma wird der gesamte Standard-Warenfluss um das automatisierte Hochregallager abgebildet. Lagerfähige Paletten werden nach Identifikation durch Spot aufgenommen, zu standardisierten Einlagerungsstellen transportiert und dort abgeladen. Meldet sich ein Abholer an, so fährt Emma vollautomatisiert zu den Auslagerungsstellen, nimmt die Paletten dort auf und stellt diese nach entsprechendem Transportweg im Bereich der LKW-Rampen (RFS Truck Docks, wobei RFS für Road Feeder Service, zu Deutsch: Luftfrachtersatzverkehr, steht) bereit. Lösung 4: O³dyn (Paletten-Transportroboter, siehe Bild 4) transportiert Europaletten zwischen den Lagerhallen der DTAC- Partner. O³dyn ist ein hochdynamischer, omnidirektionaler Palettentransportroboter, der sowohl indoor als auch outdoor fahren kann. Entwickelt durch das Fraunhofer IML im Rahmen des BMDV-geförderten Projekts Bild 1: Auto-DollyTug im Testeinsatz am Flughafen Stuttgart. © DTAC-Projekt, Simon Lacoste Bild 2: Spot auf Sucheinsatz beim DTAC- Partner Cargogate Munich Airport. © Fraunhofer IML, Vinzenz Neugebauer Bild 3: Emma transportiert eine Lagerpalette zum automatisierten Hochregallager. © Fraunhofer IML, Vinzenz Neugebauer Bild 4: O³dyn auf Verbindungsfahrt zum DTAC-Partner CHI. © Fraunhofer IML, Vinzenz Neugebauer Luftfracht LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 25 DOI: 10.24053/ IV-2024-0040 darauf ab, das Potenzial zur Reduzierung wiederholender Tätigkeiten und zur Unterstützung der Beschäftigten zu ermitteln. Darüber hinaus werden die Flexibilität des Roboters außerhalb der Testhallen erprobt und Erkenntnisse für die weitere Entwicklung gewonnen werden. Wie stehen die fünf Lösungen an zwei Standorten im Zusammenhang? Der Einsatz der fünf Lösungen erfolgt überwiegend entlang der realen Import-Prozesskette (siehe Bild 6). Nach Landung und Parkierung des zu entladenden Flugzeugs werden ULDs über einen (aktuell noch herkömmlichen) High Loader ausgeladen. Der Auto-DollyTug übernimmt die ULDs vom High Loader und transportiert sie zur zugewiesenen Lagerhalle (#1-A bis #1-C in Bild 6). Dort werden die ULDs (aktuell noch von Menschenhand) entladen; die Ware wird auf Lagerpaletten gepackt. Spot identifiziert diese auf der Patrouille (#2) und baut somit eine Auftrags-Warteschlange für Emma auf. Emma arbeitet diese Warteschlange ab, lagert die Paletten in ein automatisiertes für Leitstandsanwendungen nach neuesten Schnittstellenspezifikationen wie VDA5050 und für den automatisierten Einsatz im Mischverkehr ist geplant. Lösung 5: evoBOT (mobiles Robotersystem, siehe Bild 5) - balanciert selbständig auf einer Achse und kann somit auch in engen Hallenbereichen einzelne Waren bzw. Paketstücke abfertigen. Der erste evoBOT-Prototyp wurde ebenfalls durch das Fraunhofer IML im Rahmen des BMDV-geförderten Projekts „Silicon Economy“ entwickelt, mit dem Ziel, ein innovatives Konzept für einen autonomen Transportroboter zu schaffen. Der evoBOT, basierend auf dem Prinzip eines inversen Pendels, zeichnet sich durch Kompaktheit, Schnelligkeit und Wendigkeit aus und kann in der Intralogistik vielfältige Aufgaben übernehmen. Die maximale Aufnahmelast vom Boden beträgt aktuell ca. 35 Kilogramm; balanciert werden können jedoch deutlich größere Lasten. Für DTAC steht in München eine Versuchsfläche mit drei Röntgenscannern zur Verfügung, um umfassende Tests des evo- BOT durchzuführen. Diese Tests zielen „Silicon Economy“, kann O³dyn Europaletten mit bis zu 350 Kilogramm Gewicht automatisiert aufnehmen, transportieren und bereitstellen. Die Hardware- und Softwarekomponenten sind als Open-Source- Lösung verfügbar. In DTAC werden Transporte zwischen drei Partner-Lagerhallen über eine gemeinsame Betriebsstraße durchgeführt. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung Bild 6: Gesamtablauf und Zusammenhang der Roboter-Lösungen in beiden Testfeldern. © Fraunhofer IML, Manuel Wehner u. Tran Nguyen Bild 5: evoBOT stellt ein Paket beim DTAC- Partner DB Schenker ab. © Fraunhofer IML, Vinzenz Neugebauer LOGISTIK Luftfracht Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 26 DOI: 10.24053/ IV-2024-0040 Eingangsabbildung: © DTAC-Roboterflotte und Projektteam am Flughafen München (Bildquelle: Fraunhofer IML, Vinzenz Neugebauer) ENDNOTEN 1 ONE Record beschreibt ein standardisiertes Datenmodell entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Luftfrachtindustrie, von Sender zu Empfänger, mittels einer sicheren Web-API. Mehr Informationen unter https: / / www.iata.org/ en/ programs/ cargo/ e/ one-record/ 2 High Loader sind Hubfahrzeuge, welche direkt am geparkten Luftfahrzeug andocken und somit den Be- und Entladevorgang für Luftfracht ermöglichen. lichkeiten und Grenzen der aktuellen Technik in der Luftfrachtabfertigung auf. Die Erkenntnisse werden aktuell ausgewertet und fortan schrittweise im nationalen und internationalen Kontext veröffentlicht. Wie soll es nach Abschluss der Tests weitergehen? DTAC wurde im Mai 2024 um zunächst zwei Jahre bis ins Jahr 2026 verlängert. Im zweiten Themenfeld zur Automatisierung und Autonomisierung in dispositiven Handling- und Transportprozessen der Luftfracht (siehe oben) soll die verbleibende Projektlaufzeit dafür genutzt werden, die luftfahrtspezifischen Lösungen weiterzuentwickeln. Ziel ist die Erkenntnisse der beiden bisherigen Testfelder in Stuttgart und München zu kombinieren und identifizierte Fokusthemen detaillierter zu erforschen. Insbesondere soll ein neuer autonomer Luftfracht- Roboter - auf Basis von O³dyn, aber größer, leistungsstärker sowie vernetzter - entwickelt und entlang der End-zu-End-Prozesskette getestet werden. Dies umschließt u.a. die Frachtübergaben zwischen Partnern vor Ort, die Schnittstellen zwischen Luft- und Landseite, die Übergänge zwischen Hallen- und Außenbetrieb sowie die neuralgischen, Flughafen-spezifischen Fahrsituationen auf dem Vorfeld ein. Hierfür wird zunächst Sensorik gezielt ausgewählt und getestet, um passende Komponenten für den Fahrzeugbau zu integrieren. Eine Simulation soll helfen, den Einsatz des autonomen Fahrzeugs zu planen und den Einsatz autonomer Fahrzeugflotten im Mischverkehr an Flughäfen vorzubereiten. Das autonome Fahrzeug soll mit einer Leitstands-Software nach neuesten Datenstandards überwacht und gesteuert werden. Nach ausgiebigen Labortests sollen erneut umfassende robotische Praxistests an den DTAC-Partnerflughäfen stattfinden. ■ Weitere Details zum Digitalen Testfeld Air Cargo (DTAC): www.digitales-testfeld-air-cargo.de Hochregallager ein (#3-A) und steht ebenfalls für Auslagerungen bzw. Bereitstellungen für Abholer zur Verfügung (#3-B). An der Bereitstellfläche übernimmt O³dyn Europaletten direkt von den Lagerpaletten und transportiert diese zu anderen Partner-Lagerhallen (#4), wie in Bild 7 erkennbar ist. Dort fertigt evoBOT die einzelnen Waren bzw. Pakete von der Europalette ab (#5). Vergleichbar mit einem Tower für Flugzeuge übernimmt zunehmend eine agnostische Leitsystemsoftware die Überwachung und Steuerung der Roboter-Flotte. In DTAC kommt aktuell die Open-Source- Leitsystemsoftware openTCS, entwickelt vom Fraunhofer IML, zum Einsatz. Fahrerlose Transportfahrzeuge lassen sich relativ leicht integrieren, besonders bei Kommunikation gemäß Schnittstellenspezifikation VDA5050. Diese kann unidirektional (Statusmeldungen) oder bidirektional (Transportaufträge, Flottenkoordination) erfolgen. Im bisherigen DTAC-Verlauf liegt der Fokus auf dem Monitoring der Testfahrzeuge und der Einbindung der Infrastruktur, insbesondere des automatisierten Hochregallagers. Der Einsatz von Leitsystemsoftware soll im weiteren Projektverlauf (siehe unten) auf kommerzielle Softwarelösungen ausgeweitet werden. Welche Ergebnisse sind zu erwarten? Das Projekt zeichnet sich durch eine wissenschaftlich fundierte und strukturierte Herangehensweise in einem realen Versuchsumfeld aus. Mit insgesamt über 1.500 Tests an den Flughäfen Stuttgart und München bildet DTAC eines der weltweit ersten umfassend wissenschaftlich begleiteten Testfelder für autonomes Luftfrachthandling ab. Die Tests sind in verschiedene Kategorien unterteilt und zielen darauf ab, die technischen Möglichkeiten und Potenziale autonomer Frachtabfertigung zu analysieren und zu demonstrieren. Durch Störungstests werden gezielt Vorbehalte gegenüber der Technologie adressiert sowie Resilienz und Flexibilität geprüft. Das Projekt soll realistische Anwendungsfelder schaffen und die Integration neuer Lösungen in bestehende Flotten fördern. Mit der Automatisierung von Transporten soll die Effizienz gesteigert und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Beschäftigte sollen sich stärker auf Tätigkeiten mit Ermessensspielraum fokussieren können, wie bspw. die sichere Verbauung von Fracht, Beschädigungen sowie Sonderfälle aller Art. DTAC unterstützt somit datenbasiert die Investitionsentscheidungen von Industrieunternehmen und zeigt objektiv die Mög- Manuel Wehner, M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Luftverkehrslogistik, Fraunhofer IML, Frankfurt am Main manuel.wehner@iml.fraunhofer.de Simon Lacoste, M.Eng., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Verkehrsingenieurwesen, Frankfurt UAS, Frankfurt am Main simon.lacoste@fb1.fra-uas.de Bild 7: Nach Bereitstellung der Lagerpalette durch Emma übernimmt O³dyn die darauf befindliche Europalette. © Fraunhofer IML, Ursula Ostermann Luftfracht LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 27 DOI: 10.24053/ IV-2024-0040 auf die Schiene die Flexibilität des Straßengüterverkehrs im Vor- und Nachlauf mit der Effizienz der Schiene im Hauptlauf. So verursacht der Transport auf der Schiene weniger als ein Fünftel der Treibhausgasemissionen des Transports auf der Straße [4]. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr erwartet daher, dass die im schienengebundenen KV transportierten Gütermengen im Zeitraum von 2019 bis 2051 um 76 % steigen werden [5]. Mit dieser Verlagerung geht jedoch auch eine erhöhte Nutzung von Sattelaufliegern als Ladungsträger im KV einher, wie die Entwicklung der vergangenen Jahre bereits zeigt: Während 2005 der Anteil der Sattel- I n Anbetracht des Green Deals der Europäischen Union, der eine Reduktion der transportbezogenen Treibhausgasemissionen um 90 % bis 2050 vorsieht [1], hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Marktanteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 von heute 19 % (2022, [2]) auf 25 % zu erhöhen [3]. Daraus resultiert eine teilweise Verlagerung des dominierenden Straßengüterverkehrs (72 % der 2022 erbrachten Beförderungsleistung, [2]) auf die Schiene. Der Kombinierte Verkehr (KV) ist prädestiniert dafür, diese Verlagerung aufzunehmen, denn er verbindet durch ein Umschlagen des Ladungsträgers (z. B. Container oder Sattelauflieger) von der Straße auflieger an der Beförderungsleistung im KV noch bei 9 % lag, lag er 2023 bereits bei 34 % [6]. Spediteure, die Sattelauflieger im Vor- und Nachlauf des KVs einsetzen, profitieren zwar beispielsweise vom erhöhten zulässigen Gesamtgewicht (bis zu 44 Tonnen statt 40 Tonnen, [7]) und der Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot [8], allerdings bringt die Nutzung von Sattelaufliegern im KV jedoch auch einige Herausforderungen für die beteiligten Akteure mit sich, wie wir nachfolgend beleuchten. Heutige Situation Durch die Nutzung der Schiene im Hauptlauf des Transports und die Nutzung der Von der Straße auf die Schiene Sattelauflieger im Kombinierten Verkehr - Herausforderungen und Lösungsansätze Kombinierter Verkehr, Dekarbonisierung, Horizontaler Umschlag, Digitale Plattformen, Terminals Der Kombinierte Verkehr (KV) verbindet die Flexibilität des Straßengüterverkehrs mit der Umweltfreundlichkeit des Schienengüterverkehrs. Eine Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene geht jedoch auch mit einer erhöhten Nutzung von Sattelaufliegern im KV einher. Um die daraus resultierenden Herausforderungen zu bewältigen, sind technische und organisatorische Lösungsansätze sowie die Interdependenzen zwischen ihnen zu betrachten, um den KV ganzheitlich zu stärken. Ralf Elbert, Paul Bossong LOGISTIK Kombinierter Verkehr Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 28 DOI: 10.24053/ IV-2024-0041 Straße im Vor- und Nachlauf erfordert der KV zusätzliche Akteure, die im klassischem unimodalen Straßengüterverkehr nicht vertreten sind. So führt ein klassischer Spediteur den Vor- oder Nachlauf mit seinen eigenen LKW durch und nutzt dabei die Dienstleistungen von Intermodal Operateuren. Diese wiederum kaufen Zugkontingente von Eisenbahnunternehmen (EVUs) und bieten sie Spediteuren oder Verladern an. Darüber hinaus bedarf es eines Umschlags der Güter in intermodalen Terminals. Diese Terminals gelangen bereits heute an ihre Kapazitätsgrenze, was die Abfertigung und Zwischenlagerung von Containern oder Sattelaufliegern anbelangt [9]. Den tendenziell größeren Terminalbetreibern, EVUs und Intermodal Operateuren steht eine fragmentierte Spediteurslandschaft gegenüber: So haben 64 % der Unternehmen des gewerblichen Güterverkehrs in Deutschland weniger als zehn Mitarbeiter, 45 % der Unternehmen besitzen maximal drei LKW und 51 % der Unternehmen werden in der Rechtsform des Einzelunternehmens geführt [10]. Organisatorische Herausforderungen und Lösungsansätze Für diese kleinen, meist regional fokussierten Spediteure ist der Vorlauf vom Startort zum Versandterminal in der Regel gut organisierbar. Die Koordination des Nachlaufs vom Empfangsterminal zum Zielort kann jedoch eine Herausforderung darstellen. Für Spediteure mit regionalem Fokus kann es schwierig sein, Partner zu finden, die den Nachlauf hunderte Kilometer entfernt vom Startpunkt des Transports durchführen oder Waren in die entgegengesetzte Richtung versenden, um einen paarigen Verkehr zu ermöglichen und somit den Rücklauf leerer Sattelauflieger zu vermeiden. Darüber hinaus geht der Wechsel zum KV mit einer Umstellung des Geschäftsmodells der Spediteure einher: Wenige, lange Fernfahrten werden durch viele, kurze regionale Touren ersetzt. Eine Konsequenz daraus kann sein, dass dem Spediteur dann auch mehr Sattelauflieger zur Disposition bereitstehen müssen, um die bestehenden Zugmaschinen und Fahrer auch weiterhin angemessen auslasten zu können. Eine weitere Herausforderung erwächst aus der Vielzahl der beteiligten Akteure: Übergibt ein Spediteur seinen Sattelauflieger an ein Terminal, so verliert er die direkte Kontrolle über den Sattelauflieger, was zu einer erschwerten Nachvollziehbarkeit von Schäden führen kann, die bspw. beim Umladen oder unterwegs durch Schotterflug entstehen können. Zur Adressierung dieser Herausforderungen existieren verschiedene Lösungsansätze. Digitale Plattformen können ein Baustein sein, um Spediteure an unterschiedlichen Orten der Transportkette zusammenzubringen und somit das Finden von Partnern zur Durchführung des Nachlaufs zu erleichtern. Digitale Plattformen können jedoch auch dazu dienen, freie Kapazitäten zu vermarkten und somit den Rücklauf eines leeren Sattelaufliegers zu vermeiden. Auch Terminals können durch eine Erweiterung ihres Geschäftsmodells diese Herausforderungen adressieren. So bieten einige Terminals über die eigentliche Umschlagsdienstleistung hinaus bereits zusätzliche Dienstleistungen an, wie z. B. die Bereitstellung von Depots für leere Ladeeinheiten (primär Container) sowie die Durchführung des Nachlaufs. Terminalbetreiber könnten ein „Terminal Haulage“ Geschäftsmodell, welches den Umschlag sowie den Vor- und Nachlauf von Sattelaufliegern abdeckt, somit als Pendant zum in der Seefracht existierenden „Merchant“ bzw. „Carrier Haulage“ Geschäftsmodell etablieren. Außerdem könnten Tauschpools, ähnlich einer sogenannten Virtual Container Yard für Überseecontainer, dazu beitragen, die Zahl der benötigten Sattelauflieger zu reduzieren und Leerfahrten zu vermeiden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit von Schäden an Sattelaufliegern könnten darüber hinaus kameragestützte Systeme den Zustand des Sattelaufliegers erfassen, um in Verbindung mit KV-spezifischen Versicherungen potenzielle Beschädigungen am Sattelauflieger nachvollziehen bzw. regulieren zu können. Bereits heute werden solche kameragestützten Systeme zur Erkennung von Schäden und zur Erfassung der Ladung eingesetzt [11, 12]. Technische Herausforderungen und Lösungsansätze Eine Grundvoraussetzung für den Umschlag von Sattelaufliegern in Terminals ist i. d. R. die Kranbarkeit des Sattelaufliegers. Das bedeutet, dass der Sattelauflieger vertikal durch einen Kran von der Straße auf den Taschenwagen eines Zuges umgeschlagen wird. Allerdings waren im Jahr 2021 von 115.000 produzierten Sattelaufliegern lediglich 11 % kranbar, sodass für eine Vielzahl der Sattelauflieger technische Alternativen zum vertikalen Umschlag gefunden werden müssen [13]. Es existieren bereits Ansätze, die es ermöglichen, auch nicht kranbare Sattelauflieger vertikal umzuschlagen. Das System NiKRASA (siehe Bild 1, links) nutzt beispielsweise eine Metallkonstruktion, auf die der Sattelauflieger aufgefahren wird und welche anschließend samt Sattelauflieger von einem Kran bewegt werden kann Bild 1: Technische Lösungsansätze für den Einsatz von Sattelaufliegern im KV. Links: NiKRASA (Bildquelle: TX Logistik) Rechts: TruckTower (Bildquelle: TruckTower) Kombinierter Verkehr LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 29 DOI: 10.24053/ IV-2024-0041 Rotterdam hat zur Verbindung seiner Seefrachtterminals ein vergleichbares System mit dem Namen „Container Exchange Route (CER)“ in Betrieb genommen. Auf eigens errichteten Trassen verkehren hier LKW zum Austausch von Containern zwischen den Terminals. Ursprünglich als autonom fahrendes System geplant, findet der Transport aktuell jedoch mit personengeführten LKW statt. [15, 16] Implikationen der Lösungsansätze Es zeigt sich, dass bereits vielfältige Lösungen existieren, um eine zunehmende Zahl von Sattelaufliegern im KV transportieren zu können. Bild 2 ordnet diese schematisch in die KV-Transportkette ein und verdeutlicht, dass die Umsetzung solcher Lösungsansätze mit bedeutenden Implikationen für die Geschäftsmodelle bestehender Akteure verbunden sein kann. Um diese Implikationen zu strukturieren und die damit verbundenen Interdependenzen aufzeigen zu können, eignet sich das Diamond-Modell nach Leavitt [17]. Es dient dazu, Auswirkungen auf die durchzuführende Aufgabe, die Unternehmensstruktur, die genutzte Technologie und die Menschen im betreffenden Unternehmens systematisch zu beleuchten. Wie die Anwendung des Diamond-Modells in der Bild 2 zeigt, haben die gezeigten Lösungsansätze das Potenzizepte, Sattelauflieger analog zu Containern stapelbar zu machen. Das System Stack-X ermöglicht dies mittels spezieller Metallkonstruktionen und lässt auch das gemischte Stapeln von Sattelaufliegern und Containern zu. Um den vertikalen Raum noch stärker ausnutzen zu können, könnten aber auch Parkhaus-ähnliche Lösungen, wie z. B. das System TruckTower (siehe Bild 1, rechts), für den Einsatz in KV- Terminals angedacht werden. Es ist aber auch der Einsatz autonom fahrender LKW denkbar, die Sattelauflieger bei Bedarf von einem Depot, das sich in der Nähe des Terminals befindet, dem Terminal zubringen und somit eine Auslagerung der Abstellflächen aus dem Terminal auf umliegende Flächen ermöglichen würden. Der Hafen [14]. Die Metallkonstruktion verbleibt mit dem Sattelauflieger im Taschenwagen des Zuges und ermöglicht somit ein vertikales Entladen im Empfangsterminal. Weitere Möglichkeiten zur Verladung nicht kranbarer Sattelauflieger stellen horizontale Verladesysteme dar. Hierbei wird der Sattelauflieger auf spezielle Wagen verladen, ohne ihn dafür anheben zu müssen. Systeme wie Modalohr, Cargobeamer, Helrom Trailer Rail oder Megaswing Duo ermöglichen beispielsweise das horizontale Beladen mittels ausschwingbarer oder herausschiebbarer Wagenelemente, sodass der Sattelauflieger auf den Wagen aufgefahren werden kann. Um dem Platzmangel in Terminals zu begegnen, existieren darüber hinaus Kon- Implikation / Lösungsansatz Aufgabe Struktur Technologie Mensch ① Digitale Plattformen - Identifikation von Partnern für Vor- und Nachlauf - Vermeidung von Leerfahrten - Neue Geschäftsbeziehungen mit Plattformanbietern und Frachtführern im Vor- und Nachlauf - Integration digitaler Plattformen in bestehende IT-Systeme - Investition in neue IT- Systeme - Schulung des Personals im Umgang mit digitalen Tools - Schaffung von Akzeptanz für digitale Tools ② Ermöglichen der Kranbarkeit / Horizontaler Umschlag - Erhöhte Flexibilität in der Nutzung von Sattelaufliegern im KV und außerhalb des KVs - Anpassung der Prozesse in Umschlagsterminals - Investition in alternative Umschlagstechnologien - Schulung des Personals in der Bedienung der neuen Umschlagstechnologien ③ Tauschpool / Terminal Haulage - Erhöht Flexibilität insbesondere für kleinere Spediteure in der Nutzung von Sattelaufliegern - Etablierung eines Sattelauflieger-Management-Teams beim Terminalbetreiber - Umstrukturierung der Disponierungsfunktion bei Spediteuren - Implementierung eines Sattelauflieger-Management-Systems beim Terminalbetreiber - Investition in Sattelauflieger durch Terminalbetreiber - Sensibilisierung des Personals für Sattelaufliegertausch / -miete - Schulung des Terminalpersonals für die Wartung von Sattelaufliegern ④ Versicherungen und kameragestützte Kontrollsysteme - Reduktion finanzieller Risiken - Erhöhte Nachvollziehbarkeit von Schäden - Kooperation mit Versicherungsunternehmen - Etablierung eines Schadensmanagementprozesses - Investition in Kamerasysteme - Integration des Schadensmanagements in IT-Systeme - Sensibilisierung des Personals für den Umgang mit Schäden an Sattelaufliegern - Erhöhter Fokus auf Sicherheitsbewusstsein ⑤ Vertikale Lagerung von Sattelaufliegern - Maximierung der Nutzung der verfügbaren Terminalflächen - Anpassung der Prozesse in Umschlagsterminals - Investitionen in neue Lagertechnologien - Schulung des Personals in der Bedienung der neuen Lagertechnologien ⑥ Autonome Zubringer zur Auslagerung von Terminal-Stellflächen - Gesteigerte Effizienz durch Reduktion der Wartezeiten für LKW im Terminal - Erhöhung der Verfügbarkeit von Zwischenlagerflächen im Terminal - Anpassung der Prozesse in Umschlagsterminals - Stellflächen außerhalb des Terminals werden benötigt - Investitionen in Transporttechnologie - Schulung des Personals im Umgang mit autonomen Systemen - Schaffung von Akzeptanz für autonome Lösungen 1 4 3 5 6 2 Bild 2: Übersicht der diskutierten Lösungsansätze (grau) entlang der KV-Transportkette und Systematisierung ausgewählter Implikationen (nach Leavitt [17]) LOGISTIK Kombinierter Verkehr Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 30 DOI: 10.24053/ IV-2024-0041 12. Deutsche Bahn. Künstliche Intelligenz bringt im Schienengüterverkehr große Effekte, https: / / www.deutschebahn.com/ de/ presse/ presse-regional/ pr-muenchen-de/ aktuell/ presseinformationen/ Kuenstliche-Intelligenz-bringt-im-Schienengueterverkehr-grosse-Effekte-10876188 (Abruf 11.07.2024). 13. Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Studie zur Abschätzung der umwelt- und verkehrspolitischen Folgen einer europaweiten verpflichtenden KV-Fähigkeit von Standard- Sattelaufliegern in Deutschland, https: / / bmdv. bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ G/ foerderungder-kranbarkeit-von-sattelaufliegern-endberichtkkvt-e11.pdf? _ _blob=publicationFile (Abruf 04.07.2024). 14. TX Logistik. Nikrasa, https: / / www.txlogistik.eu/ leistungen/ nikrasa/ (Abruf 04.07.2024). 15. Port of Rotterdam. Container Exchange Route (CER), https: / / www.portofrotterdam.com/ en/ building-port/ ongoing-projects/ container-exchangeroute-cer (Abruf 05.07.2024). 16. Port Technology International. Port of Rotterdam suspends Container Exchange Route tender, https: / / www.porttechnology.org/ news/ port-ofrotterdam-suspends-container-exchange-routetender/ (Abruf 05.07.2024). 17. Leavitt, H.J. Managerial Psychology: An Introduction to Individuals, Pairs, and Groups in Organizations. Chicago: Univ. of Chicago Press, 1975. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Tryaging LITERATUR 1. European Commission. The European Green Deal, h t t p s : / / e u r l e x . e u r o p a . e u / r e s o u r c e . html? uri=cellar: b828d165-1c22-11ea-8c1f-01aa- 75ed71a1.0002.02/ DOC_1&format=PDF (Abruf 16.01.2024). 2. Statistisches Bundesamt. Beförderungsmenge und Beförderungsleistung nach Verkehrsträgern, 2024. 3. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Masterplan Schienenverkehr, https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ E/ m a s t e r p l a n s c h i e n e n v e r k e h r-2 0 2 0 . p d f ? _ _ blob=publicationFile (Abruf 04.07.2024). 4. IML. Praxisleitfaden für den Kombinierten Verkehr, https: / / www.iml.fraunhofer.de/ content/ dam/ iml/ de/ documents/ OE%20320/ Infoseiten%20Projekte/ ERFA_KV-Praxisleitfaden_Auflage_3_2020.pdf (Abruf 04.07.2024). 5. Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose 2021-2022, https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ K/ prognose-berichtgleitende-langfrist-verkehrsprognose.pdf? _ _blob=publicationFile (Abruf 03.07.2024). 6. Statistisches Bundesamt. 46131-0017: Beförderte Güter, Beförderungsleistung, Ladeeinheiten, Container (Eisenbahngüterverkehr): Deutschland, Jahre, Hauptverkehrsbeziehungen, Art der Ladeeinheit, Ladezustand, 2024. 7. Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung: StVZO, 2024. 8. Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Straßenverkehrs-Ordnung: StVO, 2024. 9. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. Verkehrsverlagerungspotenzial auf den Schienengüterverkehr in Deutschland, https: / / bmdv. bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ G/ MKS-Wissenschaftliche-Untersuchungen/ studie-verkehrsverlagerungspotenzial-schienengueterverkehr. pdf? _ _blob=publicationFile (Abruf 04.07.2024). 10. Bundesamt für Güterverkehr. Struktur der Unternehmen des gewerblichen Güterkraftverkehrs und des Werkverkehrs, https: / / www.balm.bund. d e / S h a r e d D o c s / D o w n l o a d s / D E / S t a t i s t i k / U n t e r n e h m e n / U s t a t / U s t a t _ 2 0 2 0 . p d f ? _ _ blob=publicationFile&v=2 (Abruf 04.07.2024). 11. ASE GmbH. Rahmenauftrag für Duisburger Hafen AG, https: / / www.ase-gmbh.com/ b/ rahmenauftrag-fur-duisburger-hafen-ag (Abruf 11.07.2024). al, den Transport von Sattelaufliegern im KV (Aufgabe) effizienter zu gestalten. Dies bedarf aber auch einer Anpassung der etablierten Prozesse (Struktur), insbesondere in Umschlagsterminals. Darüber hinaus sind technologieintensive Lösungsansätze (Technologie) wie autonome Zubringer oder neue Lagersysteme mit nicht vernachlässigbaren Investitionskosten verbunden, deren Amortisationsdauer individuell bewertet werden muss. Schließlich ist jedoch die Sensibilisierung des Personals (Mensch) und die entsprechende Schulung zum Einsatz neuer Technologien unabdingbar, um eine hohe Akzeptanz und damit auch den Erfolg der eingesetzten Lösungen sicherzustellen. Ausblick Da eine weitere Dekarbonisierung der Transportketten unerlässlich ist, um die nationalen und internationalen Klimaziele zu erreichen, rückt der KV weiter in den Fokus zukünftiger Gütertransporte. Der Ausbau bestehender Infrastruktur ist jedoch mit hohen Investitionen verbunden und kann lange Zeit in Anspruch nehmen, sodass es unerlässlich ist, die bestehende Infrastruktur mit gezielten technischen oder organisatorischen Maßnahmen effizienter zu nutzen. Jeder der vorgestellten Lösungsansätze kann somit ein kleines, aber wichtiges Puzzlestück zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs darstellen, indem er die Attraktivität des KVs als umweltfreundliche Alternative zum reinen Straßengüterverkehr schrittweise steigert. Nichtsdestotrotz zeigt die Systematisierung ausgewählter Implikationen mit Hilfe des Leavitt-Modells, dass es äußerst wichtig ist, den KV als Gesamtsystem zu betrachten, in welchem die Interdependenzen zwischen den einzelnen Lösungsansätzen bei der Umsetzung nicht vernachlässigt werden dürfen. ■ Ralf Elbert, Prof. Dr., Leiter des Fachgebiets Unternehmensführung und Logistik, Technische Universität Darmstadt. Hochschulstraße 1, 64289 Darmstadt elbert@log.tu-darmstadt.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-9337-9173 Paul Bossong, M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik, Technische Universität Darmstadt. Hochschulstraße 1, 64289 Darmstadt bossong@log.tu-darmstadt.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-5915-6152 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 31 DOI: 10.24053/ IV-2024-0041 wickeln und nachhaltiger gestalten sowie bestmöglich mit den weiteren Verkehrsträgern verbinden. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie „WIR! - Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert. In dem Vorgängerprojekt „Smarte Mobilitätsketten im ländlichen Raum“ wurden bereits erste konzeptionelle Ansätze für die nahverkehrliche Feinerschließung Einleitung Im Projekt „UseXS - User-Experience Autonomes Shuttle“ werden bedarfsorientierte öffentliche Verkehrsangebote im ländlichen Raum untersucht. Es ist ein Vorhaben der Forschungsplattform „Smart Rail Connectivity Campus“ (SRCC) 1 am Standort Annaberg-Buchholz. Der Schwerpunkt des SRCC liegt auf der angewandten Erforschung, Entwicklung und Erprobung von Technologien, die den Schienenverkehr weiterentder überwiegend dörflichen Strukturen im Erzgebirgskreis durch den Einsatz von bedarfsorientierten bzw. „On-Demand“- Mobilitätsangeboten entwickelt. Darauf auf bauend werden im Projekt „UseXS“ umsetzungsreife Betriebs- und Betreiberkonzepte für (autonome) On-Demand-Shuttles und ein Umsetzungskonzept entwickelt. Um die Anforderungen der potenziellen Nutzer und Nutzerinnen einfließen zu lassen, fanden Untersuchungen zur Nutzer- (Autonome) On-Demand-Shuttles für den ländlichen Raum Entwicklung von Betriebskonzepten und Betreibermodellen am Beispiel der Region Erzgebirge Autonome Shuttles, Betriebskonzepte, Betreiberkonzepte, On-Demand-Verkehr, ÖPNV Im Projekt „UseXS - User-Experience Autonomes Shuttle“ wurden Ansätze für eine ÖPNV-Feinerschließung der überwiegend dörflichen Strukturen im Erzgebirgskreis entwickelt. Der Fokus lag dabei auf dem On-Demand-Einsatz autonomer Shuttles zur Verbesserung des öffentlichen Mobilitätsangebots. Der Artikel fasst die Ergebnisse einer iterativen Konzeptionierung unter Beteiligung regionaler Stakeholder zusammen. Dabei wurden anhand von Expertenworkshops sowie Einzelinterviews Betriebskonzepte, Betreibermodelle sowie ein Umsetzungskonzept für die Realisierung derartiger neuer Mobilitätsangebote erarbeitet. Viktoriya Kolarova, Kerstin Stark, Marco Rehme, Vivien Langer, Steve Rother Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 32 DOI: 10.24053/ IV-2024-0042 MOBILITÄT ÖPNV akzeptanz und „User Experience“ statt, die den pilothaften mehrtägigen Einsatz eines autonomen Shuttles begleiteten. Diese Analysen stehen nicht im Fokus des vorliegenden Beitrags, es wird allerdings an geeigneten Stellen darauf verwiesen. Die Erarbeitung der Betriebs-, Betreiber- und Umsetzungskonzepte erfolgte in einem iterativen und partizipativen Prozess über die Projektlaufzeit hinweg unter Beteiligung lokaler und regionaler Akteure mittels Workshops sowie strukturierter Einzel- und Gruppeninterviews. Aus den Diskussionen ergab sich der Wunsch eines zeitnahen Einsatzes neuer Bedarfsverkehre. Da ein regulärer autonomer Einsatz angesichts der technischen Reife derzeit noch nicht möglich ist, fokussierte sich die Konzeptentwicklung auf einen nicht-autonomen Betrieb. Der vorliegende Artikel fasst die bisherigen Ergebnisse zusammen und diskutiert Herausforderungen und Lösungsansätze für den Einsatz von bedarfsorientierten Mobilitätsangeboten im ländlichen Raum. Betriebskonzept und Einsatzszenarien Vorgehen Die Erarbeitung des Betriebskonzepts erfolgte zunächst im Rahmen eines Workshops mit regionalen Akteuren (u. a. Bürgermeister und weitere Vertreter der kommunalen Selbstverwaltung, von Mobilitäts- und Technologieanbietern sowie der Wirtschaftsförderung). Die Beteiligung diente dazu, lokale Expertise einzusammeln und die Herausforderungen sowie Erfolgsbedingungen für einen Einsatz im Erzgebirgskreis zu identifizieren. Dazu wurde ein vorstrukturierter „Betriebskonzept-Baukasten“ (siehe Bild 2) (nach dem Vorbild von Stark et al. (2019)) verwendet, mit dem sich die Ausprägungen wesentlicher Betriebsparameter spezifizieren lassen. Die seitens des Projektteams konsolidierten Ergebnisse aus dem Workshop in Form eines ausgearbeiteten Betriebskonzepts wurden im Rahmen von Experteninterviews diskutiert und weiterentwickelt. Zudem wurden in Übereinstimmung mit den lokalen und regionalen Akteuren verschiedene Annahmen getroffen, um die Auswahl realistischer Einsatzszenarien zu begrenzen. Zum einen ist dies die Annahme, dass ein Bedarfsverkehr im Erzgebirge aufgrund der Nachfragestruktur und der eher großen Distanzen als Zu-/ Abbringer eingerichtet werden sollte und nicht als Tür-zu-Tür-Angebot. Zum anderen sollten sich die Einsatzszenarien an den Rahmenbedingungen und Zielstellungen für so ein neues Mobilitätsangebot orientieren. Um die jeweils resultierenden unterschiedlichen Anforderungen transparent zu machen, wurden ‒ auf bauend auf einem Basiskonzept ‒ ein Mindest- und ein Maximal-Szenario entwickelt: das EinsatzszenarioGelegenheitsnutzung und das Einsatzszenario Alternative zur Autonutzung. Als drittes relevantes Ein- Bild 1: Bilder aus einem pilothaften Einsatz von einem autonomen Shuttle und einem konventionellen Shuttle (ERZmobil) in Gelenau Bild 2: Auszug aus dem Betriebskonzept-Baukasten Merkmale Ausprägungen Betrieb Route / Start- und Endpunkt On Demand Feste Route (Linie) Haltestellen keine physisch virtuell Betriebszeiten In bestimmten Zeitfenstern 24/ 7 Integration ÖPNV-Angebot Angebot als Zu- und Abbringer Keine Integration Verkehrsbündelung/ Pooling Ja, mit Begrenzung der zusätzl. Reisezeit durch Umwege < 30 min Ja, mit Begrenzung der möglichen Zustiege nein Betriebsgebiet Überregional (z. B. landkreisübergreifend) Regional (z. B. landkreisweit) Lokal begrenzt (z. B. bestimmte Straßen/ Korridore) Straßenart, Geschwindigkeitsvorgaben (Haupt-)Straße innerorts (= 50 km/ h) Verkehrsberuhigte Straße (< 50 km/ h) Straße außerorts (> 50 km/ h) Angebotsstruktur Preismodell ÖV-Tarif-Integration vollintegriert in ÖV-Tarif Aufpreis zur ÖV-Fahrkarte eigenes Preissystem Finanzierung Öffentliche Abgeltung Kostendeckende Ticketgestaltung Private Finanzierung/ Beteiligung Zielgruppen Ältere (> 65) Kinder / Schüler Berufspendelnde Allgemeinbevölkerung Mitfahroption Kollektiv (viele Mitreisende) Ride-pooling (wenige Mitreisende) Einzelbeförderung Nachfragevolumen Groß tageszeitlich variierend Gering ÖPNV MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 33 DOI: 10.24053/ IV-2024-0042 Vorbuchungszeit von etwa 30 Minuten zu setzen. Die Nutzung soll über einen Aufpreis auf das reguläre ÖPNV-Ticket möglich sein. Fahrzeugtechnisch sollen elektrische Kleinbusse mit neun Sitzen, ergänzt um Busse mit 20 Sitzen zum Einsatz kommen. Der Vorteil von 9-Sitzern ist, dass sie mit dem normalen Führerschein (der Klasse B) geführt werden dürfen, sodass der potenziell verfügbare Fahrpersonalpool größer und die Personalgewinnung einfacher ist. Das Fahrzeug muss über Land fahren und daher eine Fahrgeschwindigkeit von mindestens 50 km/ h leisten können. Langfristig ist der Einsatz hochautomatisierter Fahrzeuge zu durchdenken, wodurch kein Fahrpersonal erforderlich wäre und die Möglichkeit eines Betriebs rund um die Uhr realistisch werden könnte. Obwohl der ursprüngliche Fokus auf autonomen On-Demand-Shuttles lag, lässt sich aus Diskussionen im Rahmen der Expertenrunden ableiten, dass Automatisierung zwar Potenziale für die Optimierung des Betriebs von On-Demand-Flotten besitzt (insbesondere im Hinblick auf die Einsparung von Fahrpersonal, dessen Gewinnung zunehmend eine Herausforderung darstellt, sowie von entsprechen Personalkosten), aber aufgrund der für den Einsatz im ländlichen Raum noch nicht ausgereiften Technik nur eine in der sehr langen Frist verfügbare Option sein wird. Einsatzszenarien Wie oben bereits erwähnt, wurden drei Einsatzszenarien definiert. Das Mindestszenario stellt eine Angebotsverbesserung des ÖPNV für die Allgemeinbevölkerung und Gelegenheitsnutzende dar. Das Maximalszenario einer Attraktivierung des ÖPNV für Berufspendelnde für den Umstieg vom Pkw auf den ÖPNV ist hingegen voraussetzungsreicher und erfordert höhere Investitionen. Denn für den täglichen Arbeitsweg beispielsweise reicht es nicht, nur am Wohnort besser angebunden zu werden, sondern es muss die komplette Reisekette verbessert werden. Mindest- und Maximal-Einsatzszenario unterscheiden sich im Wesentlichen in Bezug auf folgende Merkmale: variierende Anforderungen an die benötigte Flottengröße, Auswahl und Verteilung der Hubs, garantierte Betriebszeiten, Anzahl und Zeitdauer akzeptierter Pooling-Umwege und daraus resultierende Verbindungsqualität. Das Mindest-Einsatzszenario entspricht einer Gelegenheitsnutzung, während das Maximal-Einsatzszenario eine Alternative zum privaten Auto darstellen könnte. Das satzszenario für die Region hat sich in den Interviews zudem Tourismus herausgestellt. Basis-Betriebskonzept Der Bedarfsverkehr soll in erster Linie als Zu- und Abbringer des regionalen und überregionalen Öffentlichen Verkehrs sowie zur besseren Erreichbarkeit von „Points of Interest“ (POI) - Orte für die Versorgung, Kultur- und soziale Einrichtungen sowie Arbeitsstandorte - dienen. Insbesondere sollen bisher durch den ÖPNV nicht oder sehr schlecht erschlossene Gebiete angebunden, ein zusätzliches Angebot zwischen den regulären Linienbusabfahrten und ein Betrieb in den klassischen Schwachlastzeiten früh morgens, spät abends sowie am Wochenende eingerichtet werden. Aus Nutzerperspektive soll es ein landkreisweites Angebot geben, das heißt, einzelne Angebote der Kommunen im Landkreis sollen in ein übergeordnetes System integriert sein, ähnlich aussehen und in gleicher Weise funktionieren. Der Bedarfsverkehr soll dabei in das regionale Verkehrssystem eingebunden sein. Dazu soll ein Netz aus geeigneten Verkehrsknotenpunkten (= Hubs) mit engmaschigen virtuellen Haltepunkten (z. B. alle 200 Meter) aufgebaut werden, die als Start- und Zielpunkte für die Bedarfsbusse dienen. An den Hubs besteht der Anschluss an weitere Mobilitätsangebote wie regionale Buslinien und Regionalzüge, und es stehen je nach Größe des Hubs idealerweise auch Versorgungseinrichtungen der Bereiche Handel, Gesundheit, Kultur, Soziales, Freizeit und Bildung zur Verfügung. Bei der Hubnetzgestaltung sollten daher geeignete Standorte identifiziert werden, an denen eine Ansiedlung entsprechender Dienstleistungen wirtschaftlich darstellbar ist oder bereits vorhandene Infrastrukturen aufgewertet werden können. Die garantierten Mindest-Betriebszeiten sowie maximalen Reisezeiten sollen auf den am Hub abgehenden Linien- und Zugverkehr ausgerichtet und gegebenenfalls an den Öffnungszeiten der genannten Versorgungseinrichtungen oder den Arbeits-/ Werkszeiten von größeren Arbeitgebern in der Region orientiert sein. Die Buchung soll im Regelfall online bzw. über eine digitale Anwendung erfolgen. Für die Buchung ist eine Registrierung erforderlich, damit Nutzungsdaten erhoben werden können. Das Bedarfsverkehrssystem soll so datenbasiert lernen und weiterentwickelt werden, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, welche Verbindungen zu welchen Zeiten wie stark nachgefragt werden. Als Kompromiss zwischen Flexibilität und garantierter Verfügbarkeit ist eine Maximal-Einsatzszenario weist im Vergleich zum anderen Szenario folgende Charakteristiken auf: hohe Anforderungen an die Anzahl gleichzeitig verfügbarer Fahrzeuge mit ausreichenden Kapazitäten, garantierte Betriebszeiten unter der Woche auch in Randzeiten, Auswahl der Zielorte (=Haltestellen) und Verteilung der Hubs unter Berücksichtigung lokaler und regionaler Arbeitsstandorte, Vorhandenes regionales öffentliches Verkehrsangebot, das die Fahrgäste aufnehmen und weiterbefördern kann. Aufgrund der hohen Anforderungen des Maximal-Einsatzszenarios wurde dieses als Anfangsszenario zunächst verworfen, es stellt eine eher mittelbis langfristige Perspektive dar. Als zusätzliches (drittes) Einsatzszenario für die Erzgebirgsregion wurde die Schaffung touristischer On-Demand-Angebote (Einsatzszenario „Tourismus“) identifiziert, das aber noch in Ausarbeitung ist. Erfolgsbedingungen Während bei den wesentlichen Kernparametern eines „idealen“ Betriebskonzepts eine weitgehende Übereinstimmung der Expertenmeinungen vorherrschte, wurden zugleich auch unterschiedliche Herausforderungen bzw. wichtige Umsetzungshürden und Erfolgsbedingungen des Betriebskonzepts identifiziert und hervorgehoben. Hierzu zählen u. a.: 1. Finanzierung: Für die über einen Pilotbetrieb hinausgehende dauerhafte Umsetzung von On-Demand-Mobilitätsangeboten braucht es Finanzierungskonzepte, die über den Status quo der klassischen ÖPNV-Finanzierung hinausgehen und neue Finanzierungsquellen erschließen. Denkbar ist beispielsweise eine Ko-Finanzierung durch davon profitierende größere Arbeitgebende, durch Wohngebietsentwickler und Wohnungsgesellschaften oder durch Kurtaxen im Tourismus-Einsatzszenario. 2. Bedarfsgerechtigkeit und Verbindungsqualität des übergeordneten ÖV-Netzes: Im Gesamtkreis besteht ein Verbesserungsbedarf bspw. aufgrund noch bestehender Angebotslücken. 3. Wahrung der Interessen und Sicherstellung des Commitments aller benötigten Stakeholder (hinsichtlich Bereitstellung finanzieller, materieller und immaterieller Ressourcen, Engagement und Unterstützung) 4. Frühzeitige Einbindung der lokalen Bevölkerung: Erfahrungen aus früheren Testbetrieben neuartiger Mobilitätsangebote zeigen, dass die Einbindung MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 34 DOI: 10.24053/ IV-2024-0042 der lokalen Bevölkerung vor der Planung eines Pilotbetriebs (z. B. auch bei der Wahl des Einsatzgebiets) erfolgversprechender für die Akzeptanz des Angebots ist als eine Öffentlichkeitskommunikation erst zu Beginn des Pilotbetriebs (siehe Kolarova et al., 2020). 5. Technik und Infrastruktur: Wie bereits oben erwähnt, ist der Einsatz autonomer Fahrzeuge stark von der Reife der Technik insbesondere für die herausfordernden Einsatzbedingungen im ländlichen Raum abhängig. Diese Themenkomplexe wurden bei der Erarbeitung des Umsetzungskonzepts wieder aufgegriffen, mit Experten diskutiert und bei der Entwicklung eines Umsetzungsplans berücksichtigt. Betreibermodelle Vorgehen Die Erarbeitung von Betreibermodellvarianten erfolgte in einem Workshopformat mit demselben Teilnehmerkreis regionaler Akteure wie bei der Entwicklung des Betriebskonzepts. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, welche Verantwortungsträger für die Planung und Ausführung der einzelnen Aufgaben bei einer Bereitstellung von On-Demand-Angeboten zuständig sein sollten. Die Workshopteilnehmer wurden gebeten, Varianten zu erarbeiten, deren Plausibilität zu prüfen und Präferenzen im Sinne von erwarteter Vorteilhaftigkeit und Umsetzungswahrscheinlichkeit anzugeben. Hierfür wurde eine zweigeteilte Workshopmethodik konzipiert und in parallelen Kleingruppendiskussionen umgesetzt, um zunächst (1) zu klären, welche Marktrollen existieren, um damit den Grad der Wertschöpfungsintegration zu bestimmen, und dann (2) den identifizierten Marktrollen Trägermodelle zuzuordnen. Für den Schritt (1) wurde literaturbasiert 2 eine generische Wertschöpfungskette, bestehend aus den vier Hauptfunktionen Fahrzeugbereitstellung, Fahrzeugbetrieb/ Personenbeförderung, Pooling und Routing sowie Betrieb der Kundenschnittstelle erarbeitet, mit jeweils zugehörigen Aufgaben unterlegt und zur Diskussion gestellt. Die Experten erarbeiteten Vorzugsvarianten für durch verschiedene Marktrollen abzudeckende Marktfunktionen und eruierten das Für und Wider der Konfigurationen. Für Schritt (2) wurde den Teilnehmern als Grundlage für eine Zuordnung von Trägermodellen die in Bild 3 dargestellte Übersicht mit den drei Trägermodell-Grundformen „staatlich“, „kommerziell“ und „zivilgesellschaftlich“ und jeweiligen prinzipiellen Vor- und Nachteilen als Handreichung gegeben. Die Zuordnung (regionaler) Praxisakteure, also Unternehmen oder öffentliche Institutionen, die als entsprechende Betreiber zum jeweiligen Trägermodell passen, konnte im Expertenworkshop nur andiskutiert werden. Dieser Aspekt wurde daher in den sich anschließenden Einzelinterviews mit Experten vertieft, welche auch zur Validierung und finalen Anpassung der erarbeiteten Betreibermodellvarianten dienten. Betreibermodelle In Bild 4 sind die vier erarbeiteten Konfigurationen von Marktrollen und zugehörigen Trägermodellen dargestellt. Die Konfiguration K1, in der alle Funktionen der Wertschöpfungskette in einer Hand liegen, stellt ein in der Erzgebirgsgemeinde Zwönitz mit dem Linienbedarfsverkehr des ERZmobil bereits in der Praxis existierendes Betreibermodell dar. Es wurde von den einbezogenen Experten jedoch nicht als ideal angesehen, da es aufgrund hoher Investitionsbedarfe in Fahrzeuge und die IT-Plattformen mit Einstiegshürden für weitere lokale Angebote verbunden ist. Gelingt es, Kosteneinsparungen durch die Mitnutzung existierender Ressourcen (Zugriff auf große Flotten bzw. Plattformen entsprechender Betreiber in den Konfigurationen K2 oder K3) zu realisieren, so sinken diese Hürden und es können Skaleneffekte realisiert werden. In Konfiguration K4 wurde zudem die Rolle eines übergeordneten Orchestrators postuliert, der zum einen örtliche Fahrdienstbetreiber auch bei Fahrzeugbereitstellung und -betrieb unterstützt, etwa durch das Bereitstellen von Ersatzfahrzeugen und Ersatzpersonal oder die Übernahme von Flottenmanagementaufgaben, und zum anderen auf der Ebene des gesamten Verkehrsraums für eine Angebotskoordinierung, -optimierung und Qualitätssicherung sorgt. Als ausschlaggebend für die sich tatsächlich durchsetzende Konfiguration werden die Vorstellungen der konkreten Akteure gesehen, die in einem gemeinsamen Finanzierungsmodell zueinanderfinden. Für zivilgesellschaftliche Organisationsformen wie Sport-, Kultur- und Freizeitvereine werden die Ansprüche an die identifizierten Marktrollen als zu herausfordernd angesehen. Zur Erfüllung der Marktrollen konnten folgende potenzielle Praxisakteure identifiziert werden: als Flottenbetreiber: Shuttlehersteller, Betreiber regulärer ÖPNV-Flotten, überregionale Shuttleflottenbetreiber, Public- Private-Partnerships (PPP) aus öffentlicher Hand und dem Wohnungs-, Tourismus-, Gesundheitswesen oder regionaler Großarbeitgeber, als Software-/ Plattformbetreiber: Betreiber existierender ÖPNV-Kundenschnitt- Bild 3: Mögliche Trägermodelle im Spektrum zwischen Daseinsvorsorge, Gemeinwohl und Gewinnerzielung ÖPNV MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 35 DOI: 10.24053/ IV-2024-0042 Kick-off-Phase: In dieser Phase werden alle für die erfolgreiche Umsetzung nötigen Stakeholder zusammengebracht, ein gemeinsames Verständnis von Problemen (u. a. Identifizierung abgehängter Gebiete sowie von Mobilität abgehängten Personenkreisen), Zielen (u. a. Ziel-Mobilitätsangebot bzw. Mindesterreichbarkeit), Mitteln und Prozessen entwickelt sowie die erwartbaren Ressourcen und Bereitstellungskonditionen geklärt. Wie in der vorgeschalteten „Willensbildungs- und Ideenfindungsphase“ soll auch an dieser Stelle eine aktive Suche nach Promotoren für das Vorhaben erfolgen, insbesondere auf Landkreisebene und unter den politischen Verantwortlichen. Potenzielle Querfinanzierungsmöglichkeiten für das Vorhaben sind auszuloten - je nach Einsatzszenario durch Beteiligung von Wirtschaft, Tourismus, Kommunen sowie sonstigen Fördermöglichkeiten für Pilotprojekte. Zu betonen sind an dieser Stelle betriebswirtschaftliche Betrachtungen und die langfristige Finanzierungsplanung, um Pilotprojekte ohne klares Konzept zur Anschluss- und Langfristfinanzierung zu vermeiden. Die Übertragbarkeit von Bestzeugzulassungs- und weitere Genehmigungsprozesse lagen dabei nicht im Fokus der Betrachtung. Insgesamt wurden fünf formelle Umsetzungsphasen identifiziert: 1) Kick-off- Phase, 2) Strategieentwicklungsphase, 3) Vorbereitung des Pilotbetriebs, 4) Pilotbetrieb, 5) Realbetrieb (siehe Bild 4). Die Phasen bzw. Schritte orientieren sich an Luchmann (2024). Als ein vorgeschalteter Schritt wurde von den Stakeholdern eine weniger formelle Phase, nämlich eine „Willensbildungs- und Ideenfindungsphase“ vorgeschlagen, in der eine kleinere Gruppe von Enthusiasten und Promotoren das Vorhaben zur Einführung des neuen Mobilitätsangebots initiiert. Die Phasen sind als iterativ anzusehen, in jeder Phase sollten Abbruchserwägungen sowie „Schritt-zurück“bzw. „Zurück-an-den- Anfang“-Kriterien (wie etwa Anschlussfinanzierungsfragen) definiert werden, da davon auszugehen ist, dass während jeder Phase aufgrund des Neuheitsgrads des Mobilitätsangebots neue, zuvor nicht eingeplante Herausforderungen bei der Umsetzung auftreten könnten. stellen oder öffentlicher Plattformbetreiber für den ganzen Verkehrsraum, multimodale Mobilitätsplattformen, Software-as-a-Service-Anbieter, als Fahrzeugbetreiber im engeren Sinne: regionale Verkehrs-, Reisebus- und Taxiunternehmen, Kommunen selbst oder kommunale Unternehmen wie Stadtwerke. Umsetzungskonzept und -herausforderungen Vorgehen Unter Stakeholderbeteiligung wurde ein Umsetzungskonzept für die Realisierung entsprechender Betriebs- und Betreiberkonzepte erarbeitet. Dabei wurden zunächst einzelne Phasen für die Umsetzung und Arbeitsschwerpunkte durch das Projektteam definiert. In einem Workshop wurden diese Phasen mit Vertretern der bereits im vorherigen Workshop eingebundenen Stakeholdergruppen sowie mit Akteuren regionaler Verkehrsunternehmen, der Landkreisverwaltung, von Sozial- und Fahrgastvertretungen sowie aus dem Bereich Tourismus und Regionalentwicklung diskutiert, ergänzt und angepasst. Die Diskussionsergebnisse zeigen die wesentlichen Herausforderungen in den einzelnen Umsetzungsphasen auf. Umsetzungskonzept Der nachfolgend dargestellte Umsetzungsprozess ist als ein prototypischer Ablauf anzusehen, entlang dessen sich inhaltliche und strategische Ziele definieren und schrittweise umsetzen lassen. Detaillierte Prozesse innerhalb der Phasen wie Fahr- Bild 4: Mögliche Konfigurationen (K) von Marktrollen und Trägermodellen Bild 5: Phasen eines iterativen Umsetzungsprozesses MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 36 DOI: 10.24053/ IV-2024-0042 [5] Simoudis, E. (2017). A New Value Chain For On- Demand Shared Mobility. 25.04.2017. URL: https: / / corporate-innovation.co/ 2017/ 04/ 25/ a-new-value-chain-for-next-generation-mobility/ (abgerufen am 27.03.2024). [6] Van Audenhove, F.-J., Ali, S., Salem, J. et al. (2020). Rethinking on-demand mobility. Turning roadblocks into opportunities. Luxembourg: Arthur D. Little. [7] Luchmann, I. (2024). Handbuch für Kommunen. Autonomes Fahren im ÖV. 8. VDV-Zukunfskongress mobility move 2024. ENDNOTEN 1 https: / / www.smart-rail-campus.de/ 2 Vgl. u. a. Agora Verkehrswende (2023), S. 17 f.; Van Audenhove, F.-J., Ali, S., Salem, J. et al. (2020), S.10; Chagan, M. (2017); Simoudis, E. (2017). Eingangsabbildung: © iStock.com/ Andrey Suslov Sicherstellung der Akzeptanz des Mobilitätsangebots. Realbetrieb: Die Überführung in den Realbetrieb sowie der Realbetrieb selbst sind ebenfalls als agile Prozesse zur weiteren Betriebsoptimierung konzipiert, die durch regelmäßiges Monitoring, Evaluieren und Anpassen gekennzeichnet sind. Bisheriges Fazit und Ausblick Dieser Beitrag diskutierte mögliche Betriebskonzepte, Betreibermodelle und Umsetzungsschritte für On-Demand-Verkehre im Erzgebirgskreis. Bedarfsverkehre für die erste/ letzte Meile und zum Lückenschluss haben das Potenzial, den öffentlichen Verkehr bzw. die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern. Für eine erfolgreiche Umsetzung neuartiger Mobilitätskonzepte in der Region lässt sich festhalten, dass ein frühzeitiges und den Gesamtprozess begleitendes Stakeholder-Engagement und der Auf bau von strategischen Partnerschaften entscheidend sind. Ein regionales Austauschformat, bei dem Erfahrungen, Herausforderungen und Bedenken zur Sprache gebracht werden können, kann ein wesentliches Element hierfür darstellen. Als zentrale Herausforderung zeigt sich die Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung. Eine Finanzierung allein über Fördermittel ist einerseits nicht nachhaltig und erlaubt kaum einen Regelbetrieb, andererseits setzt auch der erforderliche Eigenanteil von Förderprogrammen bei angespannten Haushaltslagen viele Gemeinden und Landkreise - so auch den Landkreis Erzgebirge - unter Druck. Daher muss das Ziel darin bestehen, den ÖPNV in ländlichen Räumen wie dem Erzgebirge neu zu denken und tragfähige Finanzierungskonzepte jenseits klassischer Instrumente zu finden, bei denen etwa auch Nutznießende wie z. B. große Arbeitgeber in die Verantwortung genommen werden. ■ LITERATUR [1] Stark, K., Gade, K., & Heinrichs, D. (2019). What Does the Future of Automated Driving Mean for Public Transportation? Transportation Research Record, 2673(2), 85-93. https: / / doi. org/ 10.1177/ 0361198119827578 [2] Kolarova, V., Stark, K., & Lenz, B. (2020). Projekt „DIVA-Gesellschaftlicher Dialog zum vernetzten und automatisierten Fahren“. [3] Agora Verkehrswende (2023). Leitfaden Mobilitätsoffensive für das Land. Wie Kommunen mit flexiblen Kleinbussen den ÖPNV von morgen gestalten können. Berlin. [4] Chagan, M. (2017). Analysis of the next-generation mobility value chain. Synapse Partners. 25.03.2017. URL: https: / / synapsepartners.co/ analysis-of-the-next-generation-mobility-valuechain/ (abgerufen am 27.03.2024). Practice-Beispielen, wie dem ERZmobil in der Region, sollte in dieser ersten Phase nach der Initiierung geprüft werden. Strategieentwicklung: Nachdem die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung in der Kick-off-Phase gesetzt wurden, erfolgen in dieser Phase eine detailliertere Bedarfsanalyse, die Entwicklung einer konkreten Zielvision, die Definition der Umsetzungsstrategien, die Klärung der einzusetzenden Technik, die Planung und Umsetzung von Beteiligungsformaten von Stakeholdern, Bürgerinnen und Bürgern sowie die Kalkulation der konkret erforderlichen Ressourcen für Personal und Betrieb. An dieser Stelle wird zum einen der Bedarf an Fahrzeug- und Infrastrukturbeschaffungen, Genehmigungen, Zulassungen sowie sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen Stakeholdern geklärt. Zum anderen sind unterschiedliche Datenquellen (z. B. Mobilitätsverhaltens-, ÖPNV-Nutzungs- und Angebotsdaten, qualitative Erhebungen) zur Analyse des Mobilitätsbedarfs bei diversen Nutzersegmenten sowie zur Identifizierung von „weißen Flecken“ im öffentlichen Mobilitätsangebot einzubeziehen. Auch hier sind Fragen der anschließenden Finanzierungsoptionen und verschiedene Trägermodelle detaillierter zu prüfen, vor allem im Hinblick auf eine dauerhafte Etablierung über die Pilotphase hinaus. Nicht zuletzt ist ein Prozess für das Monitoring, die Evaluation und Optimierung des Pilotbetriebs zu erarbeiten. Vorbereitung des Pilotbetriebs: In dieser Phase erfolgen die Bereitstellung des erforderlichen Personals und der Finanzmittel, die konkrete Definition von Zuständigkeiten und Aufgaben der Stakeholder, die Fahrzeug-, Infrastruktur- und Technikbeschaffung sowie die Zulassung und die Klärung aller rechtlichen Angelegenheiten. Insbesondere der letztgenannte Punkt kann mit langwierigen Prozessen verbunden sein. Hier könnten mit entsprechendem Vorlauf evtl. Verantwortliche vorab als Stakeholder miteinbezogen werden. Pilotbetrieb: In dieser Phase wird das erarbeitete Betriebskonzept zunächst in einem Testbetrieb umgesetzt. Im Rahmen des Testbetriebs erfolgt ein kontinuierliches Monitoring, eine Evaluation und Optimierung des Betriebs, insbesondere mit Blick auf die Eignung für und die Überführung in einen Regelbetrieb. Noch im Laufe des Pilotbetriebs soll die finale Umsetzung der Anschlussfinanzierung erfolgen. Während dieser Phase ist die Fortführung des Dialogs mit der lokalen Bevölkerung bzw. mit den (potenziellen) Nutzenden von hoher Bedeutung für die Vertrauensbindung und Viktoriya Kolarova, Dr.rer.nat. Gruppenleiterin „Automatisiertes und vernetztes Fahren“ Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung viktoriya.kolarova@dlr.de Kerstin Stark, Dr.rer.pol. Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung kerstin.stark@dlr.de Marco Rehme, Dipl.-Kfm. Dipl.-Vw. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität Chemnitz, Zentrum für Wissens- und Technologietransfer marco.rehme@zwt.tu-chemnitz.de Vivien Langer, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Technische Universität Chemnitz, Zentrum für Wissens- und Technologietransfer vivien.langer@zwt.tu-chemnitz.de Steve Rother, Dr.rer.pol. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität Chemnitz, Professur Unternehmensrechnung und Controlling steve.rother@wiwi.tu-chemnitz.de ÖPNV MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 37 DOI: 10.24053/ IV-2024-0042 Netzes hätten genutzt werden können. Dies betrifft nicht den alleinigen, aber einen zentralen Punkt in der Evaluierung des Tickets. Gerade zum ersten Geburtstag des Deutschlandtickets reihen sich entsprechend kritische Urteile aneinander an und beklagen im Kern dasselbe Problem, sei es von VDV- Präsident Wortmann („Was es noch nicht geleistet hat und vielleicht auch noch nicht leisten konnte, ist, wirklich einen Beitrag dazu zu leisten, mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV zu holen …“ [4]), Sterzenbach Deutschlandticket: Kaum Effekte für die Verkehrswende? Die Kritik am Deutschlandticket - in einigen Teilen berechtigt - ist so alt wie das Ticket selbst und im Prinzip eine nahtlose Anknüpfung an die Diskussionen rund um das 9-Euro-Ticket [1]. Kritisiert wird beispielsweise, dass die Verlagerungseffekte vom Pkw sehr gering sind (vgl. [2], [3]) und sich daher kaum nennenswerte Klimaeffekte ergeben, oder dass die Subventionen für das Ticket besser für einen Ausbau des ÖPNV- („Weder wurde das postulierte Ziel einer Verkehrsverlagerung erreicht …“ [5]) oder Follmer und Knie beschrieben („Zusammengenommen zeigt sich, dass das Ticket bisher kaum einen Entlastungseffekt verzeichnen kann. Es wird auf wenige Autofahrten verzichtet …“ [6]). 1 Werden dann gleichzeitig mögliche Kosten durch das Ticket von jährlich bis zu 5 Mrd. Euro in den Raum gestellt [7], entsteht unweigerlich der Eindruck einer extrem schlechten Kosten-Nutzen-Bilanz. Trotz Das Deutschlandticket in einer wohlfahrtsökonomischen Betrachtung Deutschlandticket, Externe Effekte, Verkehrsmittelverlagerung, Kosten-Nutzen-Analyse Bisherige Analysen und Evaluierungen zum Deutschlandticket sind in der Regel auf einzelne Aspekte ausgerichtet, während eine gesamthafte und wohlfahrtsökonomische Bewertung fehlt. Auf Basis des eigenen Datenmaterials, erweitert um neue Forschungsergebnisse, wird versucht, diese Lücke zu schließen. Obwohl in der öffentlichen Diskussion teilweise der Eindruck entsteht, das Ticket sei eine Belastung für die Gesellschaft, zeigt die eigene Analyse hohe Nutzenwerte, die primär durch die Konsumentenrente der Verbraucher und die Reduzierung der externen Kosten für die Pkw-Nutzung bestimmt sind. Der kumulierte Nutzen übersteigt die Kosten des Tickets und generiert in einer konservativen Betrachtung einen volkswirtschaftlichen Netto-Nutzen von fast 2 Mrd. Euro jährlich. Andreas Krämer MOBILITÄT Deutschlandticket Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 38 DOI: 10.24053/ IV-2024-0043 Abb. 1 0 OpinionTRAIN (Sep. 2023) 98% 2% 0% 65% 27% 8% Alt-Abo-Kunden Neu-Abo-Kunden Fahrten-Kannibalisierung Fahrten-Verlagerung Fahrten induziert 85% 12% 3% Alle Kunden 94% 5% 1% 70% 24% 6% Alt-Abo-Kunden Neu-Abo-Kunden 81% 16% 4% Alle Kunden OpinionTRAIN (Sep. 2023) Wohnort (Zielort) >Wohnort, Verbund >Verbund, <100 km >Verbund, >100 km 18,5 7,0 3,0 2,2 Ø 30,7 Anzahl der Fahrten pro Monat mit dem DT* Wohnort (Zielort) >Wohnort, Verbund >Verbund, <100 km >Verbund, >100 km 16,8 8,9 3,1 2,4 Ø 31,1 * Befragung am Ende des Kalendermonats: (1) Abfrage der Nutzungstage, (2) Abschätzung der Fahrten nach Fahrt- Typen (Validierung der Schätzwerte). Alternative zum DT (Fahrten)** ** Randomisierte Abfrage der individuell genutzten Fahrtentypen; Gewichtung nach Fahrten. 1% 17% 10% 1% 24% 11% 1 1 DT Lab (Okt. 2023); Validierungsstudie DT Lab (Okt. 2023); Validierungsstudie 2 2 vieler punktueller Evaluierungsversuche fehlt eines: Die holistische Betrachtung des Deutschlandtickets im Sinne einer Kosten- Nutzen-Analyse [1]. Vor diesem Hintergrund sollen im folgenden Beitrag im ersten Schritt die Ergebnisse einer eigenen Studie in Hinblick auf die Anzahl der Fahrten mit dem Deutschlandticket sowie die Nachfrageverlagerungen - insbesondere vom Pkw - betrachtet und auf Robustheit hin untersucht werden. Im zweiten Schritt werden die eigenen Ergebnisse mit anderen Studien verglichen und hinsichtlich Konsistenz und Plausibilität geprüft. In einer erweiterten Betrachtung wird im dritten Schritt der Versuch einer wohlfahrtsökonomischen Bewertung des Deutschlandtickets unternommen, indem die mit dem Ticket verbundenen Kosten und Nutzen zu einem wohlfahrtsökonomischen Gesamtbild saldiert werden. Wirkungen des Deutschlandtickets: Nachfragesteigerung und Verkehrsmittelverlagerung Um ein in sich schlüssiges Bild über die Wirkungen des Deutschlandtickets (DT) zu erhalten, ist es erforderlich die Aspekte (1) Nachfragesteigerung im Nahverkehr, (2) Fahrtenverlagerung und induzierter Verkehr sowie (3) Veränderung der Gesamtmobilität im direkten Kontext zu betrachten. Nachfragesteigerung im Nahverkehr Wie stark die Nachfragesteigerungen durch das Deutschlandticket sind, kann in Anbetracht der ansonsten relativ unklaren Datenlage vergleichsweise deutlich bestimmt werden. Sicher ist auch, dass die Nachfragezuwächse nach Streckentyp unterschiedlich sind. Bereits zum Marktstart veröffentlichte O2 Mobilfunk-Analysedaten, die einen starken Nachfragezuwachs auf der Schiene auswiesen [8]. DB Regio beziffert das Nachfrageplus auf 28 % ([9]). Geringer sind die Zuwächse im städtischen Bereich. Der Hamburger Verkehrsverbund sieht beispielsweise einen Fahrgastzuwachs von ca. 16 % durch das Deutschlandticket (Mittel der Monate Mai bis Aug. 2023 [10]). Fahrtenverlagerung und induzierter Verkehr Die Untersuchung und Hochrechnung der Verlagerungswirkungen erfolgt auf Basis der eigenen Studie OpinionTRAIN, die im Sep./ Okt. 2023 speziell das Deutschlandticket untersucht hat. Befragt wurden 2.484 Personen ab 18 Jahren in Deutschland (davon 535 mit DT-Besitz; Nutzung eines Online-Access-Panels zur Rekrutierung der Probanden; 28.9.-3.10.2023; Dauer der Kernbefragung ca. 11,5 Minuten). Um die Repräsentativität der Daten sicherzustellen, wurden die Daten in einem mehrstufigen Prozess gewichtet. Im Rahmen einer Folgestudie wurden etwa einen Monat später zentrale Parameter für die Evaluierung (Fahrtenverlagerung und Zahlungsbereitschaften) experimentell überprüft [1]. Wie aus Bild 1 erkennbar wird, beträgt die Ticketnutzung in beiden Studien durchschnittlich 31 Fahrten pro Monat, der Schwerpunkt der Nutzung liegt jeweils beim Wohnort, während längere Wege eher die Ausnahme darstellen. 2 Auch die Verlagerungswirkungen zeigen ein ähnliches Muster in beiden Studien. Insgesamt handelt es sich bei etwa 10-11 % der Fahrten mit dem Deutschlandticket um substituierte Auto-Fahrten. In eine Verkehrsleistungs- Perspektive übersetzt, entspricht das etwa 13-14 % der Personenkilometer. Tabelle 1 ordnet diese Ergebnisse in den aktuellen Forschungsstand ein. Veränderungen der Gesamtmobilität Zu fragen ist darüber hinaus, ob sich durch das Deutschlandticket das Ausmaß an Mobilität insgesamt erhöht hat. Dafür geben die eigenen Projekte und Untersuchungen keine Anhaltspunkte, genauso wie unabhängig davon erfasste oder beobachtete Daten ([11], [8]). Erst unter Einbeziehung der Aspekte Nachfrageveränderung im Nahverkehr, bei alternativen Verkehrsmitteln und bei der Gesamtmobilität ist eine ordentliche Kalibrierung empirischer Daten möglich ([10], [1]). Die eigene Studie und weitere Untersuchungen deuten auf eine deutliche Nachfrageverlagerung vom Pkw zum Nahverkehr. Selbst die bundesweite Studie des VDV, die aufgrund von Designeffekten den induzierten Verkehr über- und die Nachfrageverlagerung unterschätzt [1] weist für Jan./ Feb. 24 eine Fahrtenverlagerung vom Pkw von etwa 8 % der Fahrten mit dem Deutschlandticket aus, und das in einer Phase mehrerer Streikperioden [13]. Nutzen aus dem Deutschlandticket Um eine wohlfahrtsökonomische Analyse des DT durchzuführen, werden die gesellschaftlichen Nutzen und Kosten einzeln Bild 1: Mittlere Anzahl der Fahrten mit und Alternativen zum Deutschlandticket (DT) Deutschlandticket MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 39 DOI: 10.24053/ IV-2024-0043 der wissenschaftlichen Literatur neben dem Begriff der Willingness-to-Pay (WTP) auch die Willingness-to-Accept (WTA) genutzt und argumentiert, der Betrag der WTA übertreffe die WTP [18]. Neben dieser Zuordnung lässt sich die Perspektive für den Nutzen der Verbraucher auch erweitern [19]. Für Verkehrsprojekte lassen sich drei verschiedene relevante wirtschaftliche Nutzenkomponenten heranziehen ([20], [21]): Erstens Nutzenwerte, die sich aus der direkten Inanspruchnahme des Verkehrsangebots ableiten (dies wird im konservativen Ansatz der Kosten-Nutzen- Analyse abdeckt), zweitens Optionswerte, die auf der zukünftigen potenziellen Nutzung einer Dienstleistung basieren (ständige Verfügbarkeit eines bestimmten Angebots), und drittens Nicht-Nutzungswerte, die unabhängig von einer gegenwärtigen oder zukünftigen Nutzung sind. Reduzierung der externen Kosten des Pkw-Verkehrs Der Verkehrssektor bringt externe Effekte nicht nur in Form von Klimaeffekten mit sich, sondern auch durch Unfälle und Stauzeiten. Sie belaufen sich auf etwa 115 Mrd. Euro jährlich. Davon entfallen mehr als 90 % auf den Pkw-Verkehr [22]. Gelingt es durch monetarisiert und dann saldiert. Bei den Nutzenkomponenten werden nachfolgend primär die Aspekte des Nutzens für die Verbraucher und die Reduzierung externer Kosten des Autoverkehrs diskutiert. Konsumentenrente und Entlastung bei den Verbrauchern Beim ersten Teilaspekt stellt die Konsumentenrente eine wichtige Nutzenkomponente dar. Sie errechnet sich auf Individualebene als Delta zwischen der maximalen Zahlungsbereitschaft der Nutzer und dem effektiv bezahlten Preis (de Rus 2021 [15]). Als Methode zur Messung der maximalen Preisbereitschaft der Verbraucher kommt das von exeo entwickelte Instrument „PSM- Plus“ zum Einsatz ([16], [17]). Bild 2 zeigt die kumuliert absteigende Verteilung der Zahlungsbereitschaften, differenziert nach den beiden Teilgruppen der Ticket-Nutzer und der Ticket-Nichtnutzer. Als mittlere Konsumentenrente je DT und Monat errechnet sich ein Wert von 16,90 Euro, in der Hochrechnung ergibt sich bei einem Bestand von 11 Mio. DT-Besitzern eine kumulierte Konsumentenrente von 2,2 Mrd. Euro p. a. in der Gruppe der Deutschlandticket-Nutzer. Dieser Betrag dürfte konservativ angesetzt sein, wird doch in das Deutschlandticket, Pkw-Verkehr zu substituieren, wird diese gesellschaftliche Last verringert. In einem konservativen Ansatz werden die externen Kosten der Pkw-Nutzung auf knapp 10 Cent je Pkm geschätzt. Werden die eigenen Untersuchungsergebnisse herangezogen, errechnen sich bei einem Bestand von 11 Mio. Deutschlandtickets Einsparungen (volkswirtschaftlicher Nutzen) von etwa 1,4 Mrd. Euro p. a. [1]. Allerdings werden in einigen Studien auch deutlich höhere Kostensätze für externe Kosten der Pkw-Nutzung in die Diskussion eingebracht, die sich im Bereich von 16 Euro Ct. je Pkm [23] bis 23 Euro Ct. je Pkm bewegen [24]. Eine zusätzliche Nutzenkomponente, die hier nicht detailliert beschrieben wird, sind positive Impulse durch das Deutschlandticket für den Handel und die Gastronomie. Kosten durch das Deutschlandticket Entgangene Einnahmen in der Nahverkehrsbranche Die Einführung des DT bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Tarifgestaltung der Verkehrsunternehmen. Da Zeitkarten in der Regel das wichtigste Tarifsegment darstellen und gleichzeitig die Preise sehr Studie Besonderheiten Zusatznachfrage für den Nahverkehr Ergebnisse zur Fahrtenverlagerung Gesamtmobilität Quelle exeo und Rogator / OpinionTRAIN und DT Lab Eigeninitiative Studie (Sep. 23); zusätzlich Validierungsstudie (Okt. 23) Mehrverkehrsquote: 15 % (18 % Fahrtensteigerung); fast identische Werte im DT Lab Etwa 3 % der Fahrten mit dem DT sind induziert, 12 % aus anderen Verkehrsmitteln verlagert, 11 % vom Auto Kein Anhaltspunkt für deutlich höheres Mobilitätsniveau insgesamt Krämer (2024) [1] RC / Forsa; Befragung via Online Panel; Wohnbevölkerung ab 14 Jahren; 83.381 Interviews (Mai-Dez. 2023) VDV Kernstudie zur DT-Evaluierung; Studiendesign ähnlich zum 9-Euro-Ticket Mehrverkehrsquote: 25 % (33 % Fahrtensteigerung) Bis zu 13 % aller Fahrten mit dem DT sind induziert, 12 % aus anderen Verkehrsmitteln verlagert (7,1 % Auto oder Motorrad, auch Sharing-Modelle; fast 8 % in der Messung Jan./ Feb. 2024) Keine Aussage; implizit legen die Ergebnisse eine deutliche Mobilitätserweiterung nahe VDV und DB (2024a) [12], VDV und DB (2024b) [13] GfK; Passive Wegemessung per Smartphone; Vergleich Wege Jan-Apr. 2023 und Mai-Dez. 2023 Parallelstudie zur bundesweit ausgerichteten VDV-Befragung Nach Einführung des DT steigt bei DT-Nutzern der Anteil der ÖPNV- Fahrten um 7%-Punkte (Delta zur Kontrollgruppe ohne DT) Der Pkw-Modalanteil sinkt um 5 %-Punkte (Delta zur Kontrollgruppe ohne DT). Keine Aussage VDV und DB (2024c) [14] Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, ISI, Studie MobilKULT, Onlinestudie Repräsentativer Forschungsansatz; Panelerhebung; > 2.000 Befragte in 5 Messwellen (2 BL) Um 9 %-Punkte erhöhter ÖPNV-Fahrtenanteil ab Mai 23 bei Personen mit Besitz eines DT Um 5 %-Punkte reduzierter Fahrtenanteil beim Pkw (Verbrennerauto, e-Auto, Carsharing) Keine Zunahme der Gesamtmobilität Helferich et al. (2024) [11] Infas / MOBICOR (Jan. 24) Befragung (CATI), Nutzer Linienbus / Bahn mit dem DT in den letzten 2 Tagen Mehrverkehrsquote 26 % beim Bus und 16 % bei der Bahn (35 % bzw. 19 % Fahrtensteigerung) Nachfrageverlagerung vom Auto in 15 % (Bus) bzw. 4 % (Bahn) der Fahrten Keine direkte Aussage; implizit leichte Zunahmen (2-7 % induzierter Verkehr) Follmer und Knie (2024) [6] O2 Telefónica; Modellierung von Mobilfunkdaten (Vergleich Jun. 23 zu Jun. 19) Beobachtungsdaten; Erfasst werden Fahrten ab 30 km; keine Stichprobe, sondern Vollerhebung Seit Einführung des DT erhöhte Zahl der werktäglichen Pendlerfahrten mit dem Zug (+28 %) Sinkende Zahl der längeren Pendlerfahrten mit dem Auto (-12 %) Keine Zunahme der Gesamtmobilität O2 Telefónica (2023) [8] Tabelle 1: Forschungsstand zu den Auswirkungen des Deutschlandtickets (DT) auf die Verkehrsnachfrage MOBILITÄT Deutschlandticket Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 40 DOI: 10.24053/ IV-2024-0043 häufig oberhalb der 49-Euro-Grenze liegen, kommt es unweigerlich zu Einnahmenverlusten. Diese werden teilweise kompensiert, wenn Menschen, die den Nahverkehr bisher nur sporadisch genutzt haben, sich für einen dauerhaften Besitz des DT entscheiden. Im Saldo kommt es für die Verkehrsunternehmen im Nahverkehr zu Einnahmenverlusten von ca. 2,1 Mrd. Euro (erstes Jahr). Dazu wurden die individuellen Ausgaben der DT-Besitzer vor und mit Ticketbesitz verglichen. Dieser Betrag ist geringer als die Kosten von 3 Mrd. Euro, die Bund und Länder als Finanzhilfe für den Nahverkehr zur Verfügung stellen und die vereinfachend als „Kosten des Deutschlandtickets“ beschrieben werden. Nicht angesetzt sind in der Kalkulation zusätzliche Kapitalkosten für den Auf bau von Beförderungskapazitäten, weil Nachfrage-Peaks in größerem Umfang nicht erkennbar waren. Hintergrund ist, dass auch bei weiterer Erholung der Nachfrage nach Ende der Corona-Pandemie noch zu Beginn des Jahres 2023 berichtet wird, es bestünde eine Nachfrage-Lücke von etwa 10 % ggü. 2019 [25]. Im Apr. 2024 berichtete das Statistische Bundesamt zur Nachfrageentwicklung im ÖPNV, 2023 seien im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen noch immer knapp 8 % weniger Fahrgäste unterwegs gewesen als vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 [26]. In diesem Kontext führt traffiQ-Chef Reinhold aus: „Das Deutschlandticket sprengt unsere Kapazitäten (ÖPNV in Frankfurt) nicht“ [27]. Daher ist im ersten Jahr der Markteinführung nicht von nennenswerten marginalen oder sprungfixen Produktionskosten durch das Deutschlandticket auszugehen. Entgangene Einnahmen beim Bahnfernverkehr und im Buslinienverkehr Weiterhin sind die Nachfrageverlagerungen vom Bahnfern- und -busverkehr zugunsten des SPNV zu betrachten, die wiederum mit Einnahmenverlusten der betroffenen Unternehmen einher gehen. Die Argumentation der Bundesnetzagentur, die basierend auf einer einfachen Zeitreihenanalyse zu den Fahrgastzahlen im Schienennah- und -fernverkehr schlussfolgert, „dass die Einführung des Deutschlandtickets nicht zu Nachfragerückgängen im Fernverkehr geführt hat“ [28], erscheint nicht schlüssig, betrachtet man die spezifische Wettbewerbsstellung insbesondere auf kurzen Strecken [29]. Weitere Kostenpositionen sind nicht angesetzt. Wohlfahrtsökonomische Betrachtung des Deutschlandtickets In einer konservativen Bewertung liegt der kumulierte jährliche Nutzenbetrag des DT (Konsumentenrente, Einsparung externer Kosten des Pkw-Verkehrs, Impulse für den Handel/ Gastronomie) bei fast 4 Mrd. Euro. Darüber hinaus ergeben sich weitere Nutzenkomponenten, die nicht monetarisiert wurden, zum Beispiel Imagegewinne für den Standort Deutschland und den Nahverkehr, Initialpunkt zu strukturellen Veränderungen oder verbesserte soziale Teilhabe (Bild 3). Werden diesem Beitrag die spezifischen Kosten gegengerechnet, verbleibt ein Nettonutzen in Höhe von ca. 1,7 Mrd. Euro [1]. Dies ist insofern beachtlich, entsteht doch in der öffentlichen Diskussion wegen einer übermäßigen Fokussierung auf die Probleme der Finanzierung des Nahverkehrs - und hier insbesondere des DT - der Eindruck, das Ticket zum Preis von monatlich 49 Euro stelle eine volkswirtschaftliche Belastung dar. Wie die eigenen Analysen zeigen, ist das Gegenteil der Fall. Werden zudem optimistischere Annahmen gemacht, die anerkennen, dass erstens ein Kundennutzen auch bei Personen entstehen kann, die das Ticket aktuell nicht besitzen (aber eine Nutzung in Frage kommt oder das Ticket grundsätzlich für einen guten Schritt halten, zum Beispiel in Richtung Verkehrswende oder verbesserte soziale Teilhabe), 1 Abb. 2 Konsumentenrente und Zahlungsbereitschaft für das Deutschlandticket bei Ticket-Nutzern und Nicht-Nutzern 1) Prozent der Befragten (kumuliert absteigend) Preis für das DT in EUR/ Monat ø 62,9 EUR Besitz DT Kein Besitz DT 1) Der Preis des Deutschlandtickets wird durch die Förderung der Bunderegierung möglich. Wenn Sie einmal an die Leistung des Deutschlandtickets denken (bundesweite Nutzung des Nahverkehrs): Welcher Preis für ein solches Ticket wäre für Sie ... 1. teuer, aber gerade noch angemessen, 2. so teuer, dass Sie das Ticket nicht mehr kaufen würden. Zahlungsbereitschaft aus den beiden Preispunkten ermittelt (Mittelwert). 2) 80 % der DT zum Preis von 49 EUR und 20 % der DT zum Preis von 34 EUR. Der Nutzen des Tickets für die Bevölkerung bezieht sich nur auf die Ticket-Nutzer. Der Nutzenbeitrag ergibt sich über die aggregierte Konsumentenrente (Delta zwischen dem mittleren gezahlten Preis von 46,00 Euro / Monat 2) und der mittleren Zahlungsbereitschaft von 62,90 Euro / Monat). Die Konsumentenrente liegt bei ca. 203 Euro pro Jahr und je DT-Nutzer, d.h. hochgerechnet bei ca. 2,23 Mrd. Euro pro Jahr. Konservative Schätzung Konsumentenrente Der Nutzen des Tickets für die Bevölkerung bezieht sich nicht nur auf die Ticket-Besitzer. Erweiterter Nutzenbetrag im Sinne eines „Total Economic Value”: Summe der individuellen Zahlungsbereitschaften der Ticket-Nutzer und Nicht-Nutzer . Zusätzlich zu A wird für Nicht-Besitzer des Tickets mit Kaufpotenzial ein Betrag von 16,90 Euro pro Monat (für 4 Monate) angesetzt: Die Konsumentenrente beläuft sich auf 3,1 Mrd. Euro pro Jahr. Optimistische Schätzung Konsumentenrente DT-Zahlungsbereitschaft A B Bild 2: Nutzenbeitrag des Deutschlandtickets auf Basis der DT-Zahlungsbereitschaft Der Autor befasst sich in seinem neuen Buch ausführlich mit den Analysen und Ergebnissen: New Mobility - vom 9-Euro-Ticket zur Verkehrswende? Umsetzung, Wirkungen und Herausforderungen für den ÖPNV in Deutschland Deutschlandticket MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 41 DOI: 10.24053/ IV-2024-0043 die Verkehrsunternehmen fokussiert ist), sondern generiert stattdessen Wohlstandsgewinne. Zu hoffen ist, dass die vorgelegten Analyseergebnisse zu einem Perspektivwechsel beitragen und vor allem ein oft genutztes Narrativ als unzutreffend entlarven: „Angebotsausbau oder Deutschlandticket, wir müssen uns für eines entscheiden.“ In einem positiven Ausblick führt die Akzeptanz des Tickets in der Bevölkerung und die Bestätigung positiver Wohlfahrtseffekte zu Impulsen auf unterschiedlichen Ebenen, die beides ermöglichen, erstens eine breitere und bessere Finanzierung des Nahverkehrs und zweitens ein preislich planbares Deutschlandticket. ■ LITERATUR [1] Krämer, A. (2024): New Mobility - vom 9-Euro- Ticket zur Verkehrswende? Umsetzung, Wirkungen und Herausforderungen für den ÖPNV in Deutschland. Springer Gabler, Wiesbaden. [2] Mietzsch, O. (2024): Das 49 Euro Deutschlandticket: Game Changer für die Zukunft des ÖPNV? KSV-Verlag, Köln. [3] UBA (2023): CLIMATE CHANGE 39/ 2023 - Projektionsbericht 2023 für Deutschland gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2018/ 1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 663/ 2009 von Untersuchungsmechanismen ohne ausreichende Verzahnung (z. B. Beobachtung und Trackinganalyse per Smartphone). In der Hochrechnung erscheinen CO 2 -Einsparungen von jährlich 3 Mio. t bereits in der Einführungsphase realistisch, wichtig ist aber, weitere Wirkungen einzubeziehen, die über die Klimaeffekte des Deutschlandtickets hinausgehen. Gelingt es, Verkehr vom Pkw zum Nahverkehr zu verlagern, gehen damit Verringerungen der erheblichen externen Kosten des Pkw-Verkehrs einher, die die Gesellschaft als Ganzes, nicht der einzelne Autofahrer trägt. Neben den Verkehrsunternehmen gebührt der Sicht der Bevölkerung eine Aufmerksamkeit, die medial vielfach fehlt. Die Unterstützung für das Deutschlandticket ist groß und geht weit über das Segment der Ticket-Nutzer hinaus. Unabhängig von den eigenen Untersuchungsergebnissen [1] stellen aktuelle Erhebungen (z.B. vom RWI) fest, dass die Fortführung des Deutschlandtickets zum Preis von 49 Euro zu den verkehrspolitischen Maßnahmen zählt, die von der Bevölkerung am stärksten akzeptiert werden (70 % Zustimmung). Von Experten oft negiert, sieht die Bevölkerung in diesem Angebot einen Schritt in Richtung Verkehrswende. Dieser Schritt stellt aber nicht eine Belastung für die deutsche Volkswirtschaft dar (dieser Eindruck entsteht durch die große Gewichtung des Themas Kosten in der medialen Berichterstattung, die auf zweitens ein höher angesetzter Kostensatz von 15 Cent je Pkw für die externen Kosten des Pkw-Verkehrs zugrunde gelegt wird, dann errechnet sich sogar ein volkswirtschaftlicher Nettonutzen von ca. 3,4 Mrd. Euro p. a. Es soll an dieser Stelle nicht der Eindruck entstehen, dass mit den vorgelegten Zahlen ein Anspruch auf absolute Wahrheit besteht. Schon deshalb wird primär die konservative Abschätzung als Bezugspunkt herangezogen, und zwar unter Berücksichtigung, dass Kosten-Nutzen- Analysen immer im Verdacht stehen, stark durch subjektive Sichten und damit verbundene Verzerrungen beeinflussbar zu sein [30]. Außerdem kann aus diesem Stand der Analyse nicht auf ein volkswirtschaftliches Optimum geschlossen werden. Eigenen Abschätzungen zufolge ist der Wohlfahtseffekt bei einem DT-Preis von 39 Euro größer als bei 49 Euro [1]. Aber: Eine Situation mit DT ist gesamtwirtschaftlich deutlicher besser als eine ohne das DT. Ausblick Im Falle des DT ergibt sich die Gesamtevaluation nicht aus der Summe einzelner Medienberichte oder Expertenmeinungen. Der Weg zu einer holistischen Betrachtung startet bei einer inhaltlichen Diskussion, welche Verlagerungseffekte realistisch sind. Dies erfordert eine vernetze Datenanalyse [1] und weniger einen parallelen Auf bau Bild 3: Volkswirtschaftliche Wirkungen des Deutschlandtickets in einer konservativen und optimistischen Betrachtung 2 Abb. 3 Kosten-Nutzen-Analyse für das Deutschlandticket in den ersten 12 Monaten (Mio. Euro) 2.231 1.375 334 3.940 2.108 76 46 1.710 Kundennutzen/ Kosteneinsparung 1) Vermeidung externer Effekte 2) Wertschöpfung Handel und Gastronomie 3) Summe der Nutzenkomponenten 4) Verlust Einnahmen NV Verlust Einnahmen Bahn FV Verlust Einnahmen Bus Volkswirtschaftlicher Nutzen 1) Kumulierte Zahlungsbereitschaft oberhalb des Ticketpreises (Konsumentenrente). 2) Mittlerer Wert an aggregierten externen Effekten je km multipliziert mit den substituierten Pkm vom Pkw. 3) Durch das Deutschlandticket induzierte Mehrausgaben in Handel und Gastronomie. 4) Es werden nicht alle Effekte quantifiziert: Imagegewinn für die NV-Branche und für den Standort Deutschland; Initialpunkt für strukturelle Veränderungen in der Branche / Digitalisierung; Komplexitätsreduktion und verbesserte soziale Teilhabe. Annahme: Vertriebskosten-Wirkungen im ersten Jahr neutral. Basis: 11 Mio. Deutschlandtickets im Jahresmittel 5.615 3.385 334 2.108 76 46 Optimistische Variante Konservative Variante 3.098 2.182 MOBILITÄT Deutschlandticket Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 42 DOI: 10.24053/ IV-2024-0043 24.1.2023, https: / / www.vdv.de/ 230124-pm-bilanz-2022-und-d-ticket.pdfx (Abruf: 26.9.2023). [26] Destatis (2024): Fahrgastzahl im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen 2023 um 7 % gestiegen. Pressemitteilung Nr. 142 vom 8. April 2024. [27] Pfeiffer-Goldmann, D. (2024): Deutschlandticket füllt Frankfurts Bahnen. Frankfurter Neue Presse, v. 01.05.2024. [28] Bundesnetzagentur (2024): Bericht Marktuntersuchung Eisenbahnen. Kurzerhebung Berichtsjahr 2023. Bonn, Mai 2024. [29] Krämer, A. (2023): Einfluss des Deutschlandtickets auf die Wettbewerbsstellung des SPFV. Eisenbahntechnische Rundschau (71), H. 9, S. 16-21. [30] Flyvbjerg, B.; Bester, D. W. (2021): The cost-benefit fallacy: Why cost-benefit analysis is broken and how to fix it. Journal of Benefit-Cost Analysis (12), H. 3, S. 395-419. ENDNOTES [1] Interessanterweise folgt im letzten Beispiel die Interpretation einer Darstellung empirischer Ergebnisse, nach denen das Deutschlandticket zu einer Fahrtenverlagerung vom Pkw in der Größenordnung von 4-15 % der Fahrten mit dem Deutschlandticket führt. [2] Nach einer Umstellung der Berechnungsmethodik liegt in der bundesweiten VDV-Studie der Mittelwert der Fahrten pro DT ab Herbst 2023 bei 35 Fahrten pro Monat, während in den ersten Monaten der Markteinführung noch etwa 49 Fahrten ausgewiesen wurden. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Gestur Gislason [13] VDV und Deutsche Bahn (2024b): Evaluation zum Deutschland-Ticket, Bericht zur bundesweiten Marktforschung - 1. Quartalsbericht 2024, Berlin, 17. Mai 2024. [14] VDV und Deutsche Bahn (2024c): Evaluation zum Deutschland-Ticket, Bericht zur passiven Wegemessung, Berichtszeitraum Januar-Dezember 2023. Berlin 5. April 2024. [15] de Rus, G. (2021): Introduction to cost-benefit analysis: looking for reasonable shortcuts. Edward Elgar Publishing. [16] Krämer, A. (2019): Price setting in a VUCA world: a simple approach to re-interpret the van-Westendorp-approach (PSM). GOR Conference, Cologne, March 7, 2019. [17] Krämer, A.; Burgartz T. (2022): Kernfunktion Pricing: Was ist der optimale Preis und wie lässt er sich bestimmen? In: Krämer, A., Burgartz, T. (Hrsg.), Kundenwertzentriertes Management. Springer Gabler, Wiesbaden, S. 115-143. [18] Grutters, J. P.; Kessels, A. G.; Dirksen, C. D.; Van Helvoort‐Postulart, D.; Anteunis, L. J.; Joore, M. A. (2008): Willingness to accept versus willingness to pay in a discrete choice experiment. Value in Health (11) H. 7, S. 1110-1119. [19] Humphreys, M.; Fowkes, A. S. (2006): The significance of indirect use and non-use values in transport appraisal. International Journal of Transport Economics (33), H. 1, S. 17-35. [20] Dushin, A. V.; Yurak, V. V. (2018): Authors‘ approach to the total economic value: essentials, structure, evolution. Eurasian Mining, 1, 11-15. [21] Chang, J. S. (2010): Estimation of option and nonuse values for intercity passenger rail services. Journal of Transport Geography (18), H. 2, S. 259- 265. [22] Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, FÖS (2024): MIV und ÖPNV im Kostenvergleich. Einsparung gesellschaftlicher Kosten durch den öffentlichen Personennahverkehr, Studie 04/ 2024. [23] Schröder, D.; Kirn, L.; Kinigadner, J.; Loder, A.; Blum, P.; Xu, Y., Lienkamp, M. (2023): Ending the myth of mobility at zero costs: an external cost analysis. Research in Transportation Economics (97), 101246. [24] Gössling, S.; Kees, J.; Litman, T. (2022): The lifetime cost of driving a car. Ecological Economics (194), 107335. [25] VDV (2023): Klimaschutz im Verkehr braucht ein erfolgreiches Deutschland-Ticket und eine Ausbauoffensive im ÖPNV. Pressemitteilung v. und (EG) Nr. 715/ 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie §10 (2) des Bundes- Klimaschutzgesetzes. Erstellt vom Öko-Institut, Fraunhofer ISI, IREES GmbH und Thünen-Institut. [4] Kaiser J., Thiele, P. (2024): Fragen und Antworten zum 49-Euro-Ticket: Deutschlandticket: Teurer Flop oder Erfolg? SWR aktuell v. 1.5.2024, https: / / www.swr.de/ swraktuell/ faq-deutschlandticket-49-euro-bilanz-flop-erfolg-kritik-zukunftpreis-100.html (Abruf: 28.5.2024). [5] Sterzenbach, R. (2024): Verkehrspolitik und Deutschlandticket - eine Betrachtung der Wirklichkeit. Bus & Bahn, 03. Juni 2024, https: / / www. busundbahn.de/ nachrichten/ personen-positionen/ detail/ news/ verkehrspolitik-und-deutschlandticket-eine-betrachtung-der-wirklichkeit. html (Abruf: 18.6.2026). [6] Follmer, R.; Knie, A. (2024): Mobilitätsreport No. 9, Mit Homeoffice und Deutschlandticket in die Mobilitätszukunft? Ergebnisse aus Beobachtungen per repräsentativer Befragung, April 2024, Bonn. [7] Neumann, P. (2023): Bahnexperte zum Deutschlandticket: „Ich wünsche mir, dass es wieder abgeschafft wird“. Berliner Zeitung v. 30.04.2023. [8] O2 Telefónica (2023): Das Deutschlandticket bewirkt deutlich mehr Pendel- und Wochenendfahrten. O2 Telefónica Mobility Monitor - Ausgabe 3 v. 24.07.2023. https: / / www.telefonica.de/ news/ corporate/ 2023/ 07/ o2-telefonica-mobility-monitor-ausgabe-3-das-deutschlandticket-bewirktdeutlich-mehr-pendel-und-wochenendfahrten. html? tag=%23mobility _monitor; cat=blogartikel (Abruf: 16.06.2024). [9] Deutsche Bahn (2024): Evelyn Palla: „Das Deutschland-Ticket hat den gesamten Regionalverkehrsmarkt auf den Kopf gestellt“. https: / / www.deutschebahn.com/ de/ konzern/ Aktuelles/ Evelyn-Palla-Das-Deutschland-Tickethat-den-gesamten-Regionalverkehrsmarkt-aufden-Kopf-gestellt--12842056 (Abruf: 18.6.2024). [10] Krämer, A.; Korbutt, A. (2023): Das Deutschlandticket aus Sicht des hvv und in der bundesweiten Betrachtung. In: Internationales Verkehrswesen (75), H. 4, S. 10-14. [11] Helferich, M.; Tröger, J.; Dütschke, E. (2024): Deutschlandticket-Impulsgeber für nachhaltige Mobilität? In: Internationales Verkehrswesen (76), H. 2, S. 30-36. [12] VDV und Deutsche Bahn (2024a): Evaluation zum Deutschland-Ticket: Bericht zur bundesweiten Marktforschung - Jahresbericht 2023. Berlin, 4.4.2024. Andreas Krämer, Prof. Dr., ist Vorstandsvorsitzender der exeo Strategic Consulting AG in Bonn und Direktor des VARI (Value Research Institute), Iserlohn. andreas.kraemer@exeo-consulting.com Deutschlandticket MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 43 DOI: 10.24053/ IV-2024-0043 gung“ nach § 46 Abs. 3 PBefG). Damit sind je nach Größe eines Landkreises etwa 100 bis 500 Fahrzeuge des Gelegenheitsverkehrs für das System des ÖPNV-Taxis verfügbar (in der doppelten Zuständigkeit eines Landkreises für den ÖPNV und den Gelegenheitsverkehr kann dieser das System des ÖPNV-Taxis optimal steuern). Über öffentliche Dienstleistungsaufträge des Aufgabenträgers bestellte On-Demand- Verkehre (ODM-Verkehre) kann dagegen nur eine kleine Fahrzeugflotte finanziert werden (derzeit ca. +/ - 250 Tsd. € p. a. pro Die Wirtschaftlichkeit des ÖPNV-Taxis Das System des ÖPNV-Taxis ist für den Aufgabenträger sehr kostengünstig, weil keine Vorhaltekosten wie bei vertraglich bestellten Bedarfsverkehren entstehen. Damit kann der Aufgabenträger mit seinem ihm zur Verfügung stehenden Budget deutlich mehr Bedarfsverkehre für seine Bürger gewährleisten. Zusätzlich steht potenziell die gesamte Taxiflotte eines Landkreises für den ÖPNV zur Verfügung (zzgl. die Flotte der Mietwagen mit einer „Mischgenehmi- Fahrzeug an 365 Tagen mit 16 Betriebsstunden am Tag inkl. digitaler Infrastruktur). Die fehlende Effizienz bezieht sich aber nicht auf die Kostenseite der wettbewerblichen Anbieter, die hinsichtlich des Fahrbetriebes an die des Gelegenheitsverkehrs heranreicht und gleichzeitig eine grundsätzlich höhere Qualität für die Fahrgastbedienung gewährleistet. Das Effizienzproblem besteht vielmehr auch darin, dass die Besetzungsquoten der Fahrzeuge durch Fahrgäste bei der reinen Flächenbedienung bei 1,2 bis 1,4 Fahrgästen pro Fahrt liegen, und es außer- Das digitale ÖPNV-Taxi Plattformgesteuerte Taxi- und Mietwagenverkehre als Bestandteil einer differenzierten Bedienung im ÖPNV - Teil 2 Plattformgesteuerter ÖPNV, differenzierte Bedienformen, Integration des Gelegenheitsverkehrs in den ÖPNV Nachdem im ersten Teil des Beitrags die strategische Bedeutung des Gelegenheitsverkehrs für den ÖPNV und das Modellprojekt des Landkreises Vechta beschrieben wurde, beschäftigt sich nun der zweite Teil mit der Wirtschaftlichkeit des ÖPNV-Taxis und den Chancen von On-Demand-Mischverkehren. Zum Abschluss wird über erste Erfahrungen im Landkreis Vechta und die dort weiter geplanten Schritte berichtet. Hubertus Baumeister, Horst Benz, Stephan Diekmann, Samir El-Zahab MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 44 DOI: 10.24053/ IV-2024-0044 dem nicht durchgängig Fahrtaufträge gibt, aber die laufenden Betriebskosten (insbesondere Lohnkosten) trotzdem weiter anfallen und vom Aufgabenträger in diesem Fall verbindlich zu tragen sind. Dies führt zu einer negativen „Fahrgasteffizienz“ in der Form, dass der durchschnittliche Zuschuss des Aufgabenträgers pro Fahrt und Fahrgast sehr hoch ist, was kommunalpolitisch oftmals nicht mehr akzeptiert werden kann. Eine dauerhafte Finanzierung von ODM- Verkehren der regionalen ODM-Verkehre durch den Bund in Höhe von 3,437 Mrd. € p. a. dürfte wenig realistisch sein. Eine erste wissenschaftliche Untersuchung mit einer Mengen-Kosten-Analyse hat daneben ergeben, dass die flächendeckende Einführung einer neuen On-Demand-Fahrzeugflotte wirtschaftlich nicht tragfähige Ergebnisse zur Folge hat. Ein Landkreis in Baden- Württemberg hat aktuell in sechs Clustern (Bedienräumen) einen direkten wirtschaftlichen Vergleich von Zuschusshöhen zwischen ODM-Busshuttle (finanziert durch öffentlichen Dienstleistungsauftrag) und ÖPNV-Taxi (finanziert durch eine allgemeine Vorschrift) vorgenommen. Dabei zeigt sich, dass der ODM-Bus-Shuttle in jedem Cluster knapp um den Faktor 2 teurer als das ÖPNV-Taxi war. Voraussichtlich Ende 2024 werden diese Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht. Für die etwa 110 von Bund und Ländern geförderten ODM-Projekte werden mittelfristig die Förderungen auslaufen und die Aufgabenträger werden entscheiden müssen, ob sie Zuschüsse künftig selbst tragen können und wollen. Insofern ist das ÖPNV-Taxi auch vor dem Hintergrund der immer geringer werdenden finanziellen Spielräume der Kommunen oftmals eine wirtschaftlich angemessene Option, um den ÖPNV mit den Vorteilen von ODM-Verkehren zu verbessern. Chancen von ODM-Mischverkehren Kleine ODM-Flotten mit z. B. 10 Fahrzeugen und Kosten von etwa +/ - 2,5 Mio. € p. a. habe eine erhebliche systemimmanente verkehrliche Schwäche zur Fahrgastbeförderung im ÖPNV, weil ihre Kapazitäten schnell ausgeschöpft werden können und somit viele Fahrtwünsche nicht erfüllt werden. Allerdings sind ODM-Verkehre in Form von Bus- Shuttles in Kombination mit ÖPNV-Taxis als sich ergänzende ODM-Mischverkehre insbesondere auch in den Ballungsgebieten gut vorstellbar. Hierzu werden die Bus- Shuttles im Richtungsbandbetrieb eingesetzt und als Linienverkehr genehmigt (vgl. www.moobilplus.de). Bei den Bus-Shuttles handelt sich verkehrlich gesehen nicht um ODM-Flächenbedienungen. Diese Verkehre gewährleisten aber - nach Anruf - durch Fahrplan und Linienweg eine hohe Qualität für die Fahrgäste und könnten mit einem ITF-orientierten Rasterfahrplan noch weiter optimiert werden. Notwendig ist aber aus wirtschaftlichen Gründen immer eine hohe Bündelung von Fahrgästen in diesen Kleinfahrzeugen (mit einer Besetzungsquote von z. B. drei bis vier Fahrgästen pro Fahrt). Ein solcher Verkehr ist dann gegenüber dem ÖPNV-Taxi aufgrund seiner Verlässlichkeit als Premiummarke des ÖPNV grundsätzlich vorzugswürdig, selbst wenn dieser Verkehr ggf. höhere Zuschüsse als das ÖPNV-Taxi benötigt. Auch ist es denkbar, dass in Metropolregionen die Nachfrage der Fahrgäste nach Bus-Shuttles auch in der Flächenbedienung so hoch ist, dass das ÖPNV-Taxi wirtschaftlich nicht vorteilhafter ist. Auch in diesen Fällen sind dann vertraglich bestellte Bus-Shuttle dem Modell des ÖPNV- Taxi vorzuziehen. Der Flexibus des MVV im Landkreises München könnte beispielsweise nach den bisherigen Fahrgastzahlen das Potenzial hierfür haben (www.flexibus.net). Mit der - bislang zeitlich ungewissen - Einführung von ODM-Fahrsystemen mit hoher Automatisierung ohne Fahrer (Level 4 nach Standard SAE J3016) wird erwartet, dass sich mangels Fahrerkosten die Wirtschaftlichkeit von bestellten Bus-Shuttles deutlich verbessert, obwohl die Technikkosten für solche Systeme bislang unbekannt sind. Für den Richtungsbandbetrieb könnte dies eher zu vermuten sein, bei einer Flächenbedienung mit geringer Besetzungsquote wird man Zweifel anmelden dürfen. Unabhängig davon kann das ÖPNV-Taxi selbst bei Einführung autonomer ODM- Fahrsysteme auf einer dritten Ebene immer ergänzende Funktionen erfüllen, weil u. a. eine flexible Haustürbedienung und insbesondere eine individuelle Fahrgastbetreuung oftmals notwendig sind. Es können somit drei aufeinander abgestimmte Betriebsebenen für eine differenzierte Bedienung im ÖPNV mit einer vollständigen Flächenbedienung geschaffen werden: Ebene 1: Buslinienverkehr Ebene 2: Bus-Shuttle im Richtungsbandbetrieb oder erweitert im Level 4 - Betrieb Ebene 3: ÖPNV-Taxi Der Buslinienverkehr wurde im Landkreis Vechta durch den moobil+Ruf bus ergänzt und durch das moobil+-Taxi noch weiter verbessert, so dass für die Fahrgäste eine Flächenbedienung im ÖPNV gewährleistet wird. Die Region Hannover startete 10/ 2023 mit 100 Fahrzeugen einen ODM-Verkehr auf der Ebene 2. Die Ergebnisse mit ihren Auswirkungen auf den bisherigen Linienverkehr und einem möglichen ergänzenden Bedarf des ÖPNV-Taxi werden bundesweit von hohem Interesse sein. Neben den verkehrlichen Auswirkungen wird auch die Kosten/ Nutzen-Analyse („Fahrgasteffizienz“) dieser drei Verkehrsformen im Mittelpunkt stehen, was durch wirtschaftliche Untersuchungen zu begleiten ist. Mit dem ÖPNV-Taxi gewinnen ansonsten die Taxiunternehmen mit dem Aufgabenträger im ÖPNV neben den gesetzlichen Krankenkassen einen neuen institutionellen Kunden, der die Existenzfähigkeit des eigenwirtschaftlichen Gewerbes im Gelegenheitsverkehr im ländlichen Raum sichert. Das Verkehrsangebot mit dem Taxi ist gerade außerhalb der Großstädte zunehmend aufgrund des Mindestlohns und erheblich gestiegener sonstiger Kosten in Gefahr und Taxi- und Mietwagenfahrten werden für die Bevölkerung mehr denn je zum Luxus. Soweit aber neue Flotten von gemeinwirtschaftlich bestellten ODM-Verkehren mit einem preisgünstigen ÖPNV-Tarif neben dem Taxigewerbe im ländlichen Raum durch die ÖPNV-Aufgabenträger umfassend etabliert werden, ist die betriebswirtschaftlich notwendige Aufgabe steuerzahlender Taxiunternehmen in vielen Regionen wahrscheinlich, was Taxis für Fahrgäste im ländlichen Raum in vielen Fällen zum Verschwinden bringen würde, was ein geringeres Verkehrsangebot für die Fahrgäste zur Folge hätte. Dies kollidiert aber mit der grundsätzlichen Verpflichtung der Kommunen mit einer Zuständigkeit als Behörde für den Gelegenheitsverkehr, die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes zu schützen (vgl. § 13 Abs. 4 PBefG), die als Verkehrsform im PBefG für die Fahrgäste verankert ist. Beihilfenrechtlich haben die ÖPNV-Aufgabenträger bei ODM-Verkehren im Wege von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen seit 2016 die Verhältnismäßigkeit ihrer Marktintervention und die kostenwirksame Erreichung ihrer Ziele gemäß Art. 2a Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 2 VO 1370/ 2007 zu beachten. Nach Auffassung der Kommission muss es zunächst eine erkennbare verkehrliche Nachfrage geben, die nicht ohne eine (zumindest teilweise) gemeinwirtschaftliche Verpflichtung erfüllt werden kann. Hierbei ist der gemeinwirtschaftlichen Maßnahme der Vorzug zu geben, die zur Erfüllung des so ermittelten Bedarfs die Grundfreiheiten am wenigstens einschränkt und das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts am wenigstens beeinträchtigt. Mit anderen Worten: Der gemeinwirtschaftliche Markteingriff des ÖPNV-Aufgabenträgers ist auf das Notwendigste zu beschränken. Hierfür ist eine Kosten-Wirksamkeitsanalyse der ÖPNV-Aufgabenträgers im Rahmen des Strategiepapiers (z. B. Nahverkehrsplan) gemäß Art. 2a Abs. UAbs. 2 und 3 VO 1370/ 2007 notwendig. Diese kann dazu führen, dass auf den Einsatz eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages für z. B. ODM-Verkehre in der bisherigen Art zu verzichten ist und stattdessen das Finanzierungsinstrument einer allgemeinen Vorschrift z. B. im Mo- ÖPNV MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 45 DOI: 10.24053/ IV-2024-0044 formationen, Beratung und Hilfestellungen bei der Buchung und Bezahlung der Fahrten zur Verfügung. 3. Die Bezahlung der ÖPNV-Taxi-Fahrten erfolgt auf Basis eines integrierten, kreisweiten ÖPNV-Tarifs für moobil+Ruf bus- und ÖPNV-Taxi-Fahrten. Der von den Fahrgästen zu tragende Zuschlagtarif für das ÖPNV-Taxi-Fahren kann durch die Möglichkeit zur Bündelung mehrerer Fahrten und der Möglichkeit der Zubuchung durch weitere Fahrgäste deutlich reduziert werden. Die Kosten der Fahrgäste für das ÖPNV-Taxi können weiter durch eine finanzielle Beteiligung Dritter (Kommunen, Betrieb, Krankenkasse etc.) vermindert werden. 4. Die von der öffentlichen Hand eingesetzten Ressourcen werden insofern effizient genutzt, indem von der Mobilitätsplattform keine ÖPNV-Taxi-Fahrten angeboten werden, wenn ein Fahrtwunsch durch ein anderes ÖPNV-Angebot auf zumutbarer Weise erfüllt werden kann. Weiter werden je nach Fahrtwunsch ÖPNV-Taxi-Fahrten als Zu- und Abbringer zu anderen ÖPNV-Angeboten dynamisch erzeugt, wodurch den Fahrgästen intermodale Reiseketten mit Anschlusssicherungsfunktionen als bargeldlos bezahlbares Komplettpaket zur Verfügung gestellt werden können. Als Verkehrsdienstleistungserbringer können sich grundsätzlich alle Taxi- und Mietwagenunternehmen mit einer Mischkonzession in den Pilotkommunen diskriminierungsfrei beteiligen. Die Vergabe der einzelnen Fahraufträge wird auf die beteiligten Unternehmen gleichmäßig verteilt, so dass es keine Bevorzugung einzelner Unternehmen gibt, was bei Vergabe der Leistungen an einzelne Unternehmen der Fall wäre. Mit der Einführung des ÖPNV-Taxis wird die Branche der Taxi- und Mietwagenunternehmen gestärkt, indem die Auslastung der Fahrzeuge deutlich verbessert werden kann. Nächste Schritte im Landkreis Vechta Im Landkreis Vechta wird es weiter darum gehen, Kinderkrankheiten hinsichtlich der definierten Prozesse, der Buchungsplattform und des Zusammenspiels aller am ÖPNV-Taxi beteiligten Akteure zu beseitigen. Gleichzeitig sollen Fahrgäste für das neue Angebot durch gezielte Marketing-Aktivitäten gewonnen werden. Schließlich wird es auch darum gehen, den Anteil des Landkreises an den Taxi-Kosten dahingehend auszutarieren, dass die Aufwände auch bei stark steigender Nachfrage für den Landkreis überschaubar bleiben und das Angebot für die Fahrgäste nach wie vor ausreichend attraktiv bleibt. Diesbezüglich könnte es mit steigenden dell des ÖPNV-Taxi einzusetzen ist. Dies würde den Markt des eigenwirtschaftlichen Taxiverkehrs im Pflichtfahrbereich am wenigstens beeinträchtigen bzw. die Taxi- Unternehmen könnten den Einfluss des ÖP- NV-Angebots auf ihren sonstigen Pflichtfahrbereich durch die von ihnen steuerbare Verfügbarkeit ihrer Fahrzeuge für den Einsatz als ÖPNV-Taxi selbst regeln. Der ÖPNV-Aufgabenträger hat aber einen weiten Beurteilungsspielraum bei seinen gemeinwirtschaftlichen Maßnahmen, die nur bei offensichtlichen Beurteilungsfehlern zur Beihilfenrechtswidrigkeit seiner gemeinwirtschaftlichen Finanzierung führt. Hinsichtlich z. B. der Einbeziehung der Taxiflotte kann er ihre Verfügbarkeit, Geeignetheit, Mitwirkungsbereitschaft und Qualität prüfen und dann einer zu bestellenden Busflotte den Vorzug geben. Allerdings ist er dann verpflichtet, nachzuweisen, dass seine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung „notwendig“ und im Hinblick auf den wirklichen Bedarf „verhältnismäßig“ ist. Die mit dem ÖPNV-Taxi bereits erreichten Ziele Mit der Einführung des ÖPNV-Taxi in den ersten Pilotkommunen im Landkreis Vechta konnten die folgenden Ziele erreicht werden: 1. Taxifahrten sind als ÖPNV-Taxi zum vollwertigen Teil des ÖPNV im Landkreis geworden, wodurch nun fast rund um die Uhr ein öffentliches Mobilitätsangebot im kompletten Bereich der Pilotkommunen von oder zu allen für die Kommunen wichtigen festen oder virtuellen Haltestellen vorhanden ist. Damit können alle Einwohnerinnen und Einwohner dieser Kommunen auch ohne eigenen PKW an Abenden und an Wochenenden die für sie wichtigen Ziele in beiden Kommunen und damit auch wichtige Umsteigepunkte zu Zielen außerhalb des Landkreises erreichen. Mobilitätseingeschränkte Personen erhalten mittels ÖPNV-Taxi eine in den ÖPNV integrierte Beförderungsmöglichkeit von Adresse zu Adresse innerhalb der Pilotkommunen. Eine Adressbedienung wird auch denjenigen Fahrgästen geboten, deren Fußweg zum nächsten Haltepunkt einen maximalen Wert (aktuell 1.000 Meter) übersteigt. 2. Fahrgästen des ÖPNV-Taxi erhalten über die Mobilitätsplattform den gleichen Zugang zum Fahrtangebot, wie er auch Fahrgästen von moobil+Ruf bus-Fahrten zur Verfügung steht: ÖPNV-Taxi-Angebote können auf die gleiche Weise wie Ruf busangebote beauskunftet, gebucht und bargeldlos bezahlt werden. Neben der Mobilitätsplattform einschließlich App steht auch den Fahrgästen des ÖP- NV-Taxi die Mobilitätszentrale mit In- Nutzerzahlen nötig werden, Dritte zur Beteiligung an den Kosten der Fahrgäste zu gewinnen und/ oder die Zahl der verkehrlich wichtigen Haltepunkte des ÖPNV-Taxi auf stark nachgefragten Relationen zu konzentrieren. Die technischen Voraussetzungen zur Durführung solcher Maßnahmen wurden bereits mit der Entwicklung der Mobilitätsplattform geschaffen. Eine wichtige Rolle als finanzieller Unterstützer von ÖPNV-Taxi-Fahrten könnte dabei den Krankenkassen zukommen, da mittels ÖPNV-Taxi viele der bisher von den Krankenkassen separat zu tragenden Patientenbeförderungen von den ÖPNV-Taxis als ÖPNV übernommen werden könnten. Für die Unternehmen des Gelegenheitsverkehrs würde sich dadurch nichts ändern; sie würden die gleiche Vergütung wie bei der jeder anderen ÖPNV-Taxi-Fahrt erhalten. Die Krankenkassen könnten aber anstatt der von ihnen bisher zu tragenden Kosten z. B. den ÖPNV-Taxi-Zuschlagtarif für Patienten übernehmen und den Landkreis bei der Aufrechterhaltung des ÖPNV-Taxi-Systems unterstützen. Der Pilotbetrieb wurde zunächst nur mit Taxi- und nicht mit Mietwagenunternehmen gestartet. Um langfristig über genügend Ressourcen für das Angebot des ÖPNV-Taxi zur verfügen, sollen künftig auch Mietwagenunternehmen nach und nach als ÖPNV-Taxi eingebunden werden. Allerdings wird es aus rechtlichen Gründen nötig sein, dass für die als ÖPNV-Taxi zum Einsatz kommenden Fahrzeuge eine sog. Mischkonzession nach § 46 Abs. 3 PBefG erteilt wird, so dass alle als ÖPNV-Taxi eingesetzten Fahrzeuge mit Taxigenehmigungen ausgestattet sind. Dabei wird der Landkreis bei der Erhöhung der Taxigenehmigungen im Lichte von § 13 Abs. 4 PBefG Vorsorge dafür tragen müssen, dass negative Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des ansässigen Taxigewerbes ausbleiben. Das ÖPNV-Taxi-Angebot wird im ersten Halbjahr 2024 auf alle Städte und Gemeinden im Landkreis Vechta ausgedehnt werden. Dies wird zum einen deshalb einfach möglich sein, da der Landkreis für das ÖP- NV-Taxi-Angebot keine Grenzen zwischen Kommunen vorgesehen hat: Es gibt landkreisweit nur ein großes Bediengebiet, und sobald auch Haltepunkte von neuen Kommunen dazu kommen, gehören auch diese zum ÖPNV-Taxi-Gebiet. Zum anderen ist der Zuschlagtarif für das ÖPNV-Taxi ausschließlich von der Entfernung und nicht von den Grenzen zwischen Städten und Gemeinden abhängig. Insofern kann es auch zu weiten ÖPNV-Taxi-Fahrten kommen, deren Finanzierung aber über den Zuschlagtarif mitgeregelt ist. Mit der kreisweiten Ausdehnung sollen die Auswirkungen des neuen Angebots auf MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 46 DOI: 10.24053/ IV-2024-0044 das Mobilitätsgesamtsystem weiter untersucht werden. So gilt es, den Fragen nachzugehen, welche Auswirkungen das System auf die Branche der Taxi- und Mietwagenunternehmen tatsächlich hat, welche Wirkungen vom neuen Angebot auf den restlichen ÖPNV ausgehen und inwiefern das ÖPNV-Taxi sowohl zur Mobilitätsgrundversorgung im Landkreis beitragen als auch zum Teil einer echten Alternative zum motorisierten Individualverkehr werden kann. Projektbeteiligte: An dem Projekt zur Konzeption und Realisierung des ÖPNV-Taxis im Landkreis Vechta waren folgende Personen und Stellen beteiligt: Rechtsanwalt Dr. Hubertus Baumeister (BBG und Partner): Entwicklung des juristischen Konzeptes gemäß Europa- und Personenbeförderungsrecht Dipl.-Ing. Horst Benz (kreamobil GmbH): Entwicklung konzeptueller Grundlagen, Definition Prozesse und Spezifikation Software, Projektsteuerung Stephan Diekmann (Landkreis Vechta): Projektleitung, Kommunikation mit Taxi-Unternehmen Samir El-Zahab (NBSW Nahverkehrsberatung): Entwicklung des betriebswirtschaftlichen Modells auf digitaler Basis zur beihilfenrechtskonformen Abrechnung mit Taxi-Unternehmen Thomas Krause (Linne & Krause): Definition wesentlicher Parameter zur Abrechnung mit Taxi-Unternehmen Dipl.-Ing. Martin Einhoff (Trapeze Group Deutschland GmbH): Projektleitung bei der Realisierung der Mobilitätsplattform Rechtsanwalt Dennis Steinke (BBG und Partner): Entwicklung der Sondervereinbarung als allgemeine Vorschrift der VO 1370/ 2007 mit den Taxiunternehmen Florian Wegmann (ehemals Landkreis Vechta): Entwicklung konzeptueller Grundlagen, zu Beginn des Projektes Projektleitung ■ Eingangsabbildung: © Landkreis Vechta, Steinkamp ENDNOTEN [1] Im Landkreis Rottweil konnte in früherer Zeit durch das Engagement eines Taxiunternehmers eine Besetzungsquote von zwei Fahrgästen in der Woche und vier Fahrgästen am Wochenende pro Fahrt erreicht werden. Deshalb wird es künftig wichtig werden, die Taxiunternehmen in den Prozess eines erfolgreichen Fahrgast-Poolings mit einzubeziehen. [2] Für das ODM-Projekt KNUT der Stadt Frankfurt/ M. führen Dietl/ Rupprecht/ Schreiber: Erfolge und Herausforderungen randstädtischer On-Demand-Verkehre am Beispiel KNUT, DER NAHVER- KEHR 5, 2023, 50 (53 f.) zum Kostendeckungsgrad aus, dass dieser mit Förderung bei 28 % und ohne Förderung bei 2 % liegen würde und ein Sprung der Nutzerzahlen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit unwahrscheinlich sei. [3] Vgl. das VDV-Finanzierungsgutachten, 10/ 2021, S. 38. [4] Weißhand/ Mehlert: On-Demand: Wirtschaftlich tragfähig als digitales AST 2.0? , DER NAHVER- KEHR, 1+2 2023, 56; grundsätzlich kritisch zu den ODM-Verkehren; Zachow; Wird On-Demand der A 380 des ÖPNV? , DER NAHVERKEHR, 3/ 2023, 51. [5] Stödter/ Houbertz: On-Demand-Verkehr als Allheilmittel des ÖPNV im ländlichen Raum? , der Fahrgast 3/ 2023, 32 (32 f.). [6] Stödter/ Houbertz: Fn. 12, 32 (35 f.). [7] Vgl. hierzu schon Mehlert, Die Einführung des AnrufBus im ÖPNV, 2001, 101 ff. [8] ABl. d. Europäischen Union v. 26.06.2023, C 222/ 1, Bekanntmachung der Kommission über die Auslegungsleitlinien zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/ 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, 2023/ C 222 [9] Linke, VO (EG) 1370/ 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste, 2./ 2019, Art. 2a, Rn. 14. [10] Vgl. Linke, a.a.O., Art. 2a, Rn. 23 [11] Kommission (Fn. 14), Seite C 222/ 9. [12] EuG, Urt. v. 01.03.2017, T-366/ 13, Rn. 105, dem folgt die Kommission (Fn. 17), Seite C 222/ 8. [13] EuG, Urt. v. 01.03.2017, T-454/ 13, Rn. 134. [14] In der neuen Mobilitätsplattform wäre eine Unterteilung in verschiedene Bediengebiet rein technisch möglich, so dass umsteigefreie ÖPNV-Taxi- Fahrten beispielsweise nur innerhalb der Gebiete bestimmter Städte und Gemeinden möglich wären. Derzeit wird aber kein Grund für eine solche Einschränkung der Fahrgäste gesehen. Hubertus Baumeister, Dr., Rechtsanwalt, BBG und Partner, Contrescarpe 75A, 28195 Bremen, baumeister@bbgundpartner.de Horst Benz, Dipl.-Ing., Geschäftsführer kreamobil GmbH, Odenwaldstraße 162a, 64372 Ober-Ramstadt, horst.benz@kreamobil.de Stephan Diekmann, Landkreis Vechta, Zuständig für moobil+, Ravensberger Str. 20, 49377 Vechta, 2632@landkreis-vechta.de Samir El-Zahab, nbsw nahverkehrsberatung, Partner, Galileistr. 2, 69115 Heidelberg, el-zahab@nbsw.de Monique Dorsch Öffentlicher Personennahverkehr Grundlagen und 25 Fallstudien mit Lösungen 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage 2023, 357 Seiten €[D] 37,90 ISBN 978-3-8252-5970-9 eISBN 978-3-8385-5970-4 Dieses Lehr- und Fallstudienbuch bietet sowohl eine theoretische Einführung in die Thematik als auch 25 Fallstudien mit Lösungen. Im Zentrum der Theorie stehen die strategischen Aktionsfelder der Verkehrsunternehmen und -verbünde sowie die jeweiligen Rahmenbedingungen. Die gewählten Beispiele weisen durchwegs eine hohe Komplexität auf. Geeignete Instrumente zur Analyse und Lösung solcher Problemstellungen bietet die Methodik des vernetzten Denkens. Daher erläutert die Autorin zudem die Anwendung der diesbezüglichen Instdie Autorin zudem die Anwendung der diesbezüglichen Instdie Autorin zudem die Anwendung der diesbezüglichen Inst rumente. Zu jeder Fallstudie wird ein Lösungsvorschlag angeboten. Die Fragestellungen zu den einzelnen Fällen können je nach Interesse und Schwerpunktsetzung variiert werden, was die Fälle universeller einsetzbar bzw. anwendbar macht. Anzeige ÖPNV MOBILITÄT gestaltung bereitet. Aber auch hier sind wir weit entfernt von einer echten Mobilitätswende - weiterhin dominiert das Automobil die Straßen. Die Antwort auf die Frage, was Menschen bewegt, auf das eigene Auto zu verzichten und Alternativen für ihre Fortbewegung zu nutzen, kann Aufschluss darüber geben, wie alternative Verkehrssysteme besser an die Bedürfnisse angepasst werden können [1]. Mobilitätswandel - Shared Micro-Mobility Die Mobilitätswende braucht vielfältige Verkehrsangebote und gut abgestimmte Alternativen zum privaten Pkw. Zumindest in den größeren Städten, mit ihren Angeboten des öffentlichen Personennahverkehrs, mit Bike- und E-Scooter-Sharing und Infrastruktur für das Rad, scheint allmählich der Weg für eine multioptionale Mobilitäts- Mit dem Ziel, Hinweise darauf zu erhalten, wie die Menschen sich in der Stadt fortbewegen und insbesondere neuere Mobilitätsdienstleistungen in ihren Alltag integrieren, hat die Hochschule Coburg in der Metropolregion Nürnberg mehr als 500 Nutzende des öffentlichen Personennahverkehrs und von Sharing-Angeboten zu ihrer Verkehrsmittelnutzung befragt [2]. Im Ergebnis konnten vier Typen mit je eigenen Modalität und Shared Micro-Mobility Die Nutzung von Verkehrsmitteln unter multioptionalen Bedingungen Mobilitätstypen, Verkehrsmittelnutzung, Intermodalität Wie gestalten Menschen ihre Mobilität in einer Stadt, in der sie eine Vielzahl von Mobilitätsoptionen vorfinden? Um diese Frage zu beantworten, befragte die Hochschule Coburg mehr als 500 Nutzende von öffentlichen Verkehrsmitteln und Sharing-Angeboten in der Metropolregion Nürnberg zu ihrer Verkehrsmittelnutzung. Die Analyse ergab vier verschiedene Nutzungstypen. Deren Schnittmengen geben Hinweise auf Optionen der Verkehrsverlagerung unter multioptionalen Rahmenbedingungen. Mathias Wilde, Lukas Riedelbauch Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 48 DOI: 10.24053/ IV-2024-0045 MOBILITÄT Nutzungsanalyse Einstellungen und Nutzungsmustern identifiziert werden. Nutzungstypen der Verkehrsmittelwahl Die Studie erfolgte in zwei Schritten: In einer ersten, qualitativen Phase wurden leitfadengestützte Interviews mit Personen geführt, die regelmäßig Bike- oder E- Scooter-Sharing-Angebote nutzen. Darauf auf bauend erfolgte eine zweite, quantitative Phase: eine Online-Befragung zur Verkehrsmittelnutzung im Zusammenhang mit Sharing-Angeboten. Die Befragung fand im Zeitraum zwischen Oktober und November 2022 in der Stadt Nürnberg statt, an der 505 Personen teilnahmen. Die Erhebung enthielt Fragen zur Verkehrsmittelnutzung, aber auch zu den Motiven und Einstellungen, die die Menschen mit ihrer Verkehrsmittelnutzung verbinden. Aus den Antworten konnten vier Typen der Verkehrsmittelnutzung herausgearbeitet werden. (1) Fahrradfahrer: innen Für die Gruppe der Fahrradfahrer: innen ist das Fahrrad mit Abstand das Hauptverkehrsmittel. Daneben nutzen sie aber auch regelmäßig den ÖPNV, erkennbar an einem hohen Anteil (59 %) an Zeitkarteninhaber: innen. Ein herausstechendes Merkmal ist die Bedeutung der Intermodalität, wobei sie insbesondere bei ungünstigen Wetterbedingungen das Fahrrad mit dem öffentlichen Verkehr kombinieren. Eine Kombination von Sharing-Angeboten und öffentlichem Verkehr nutzen sie vorrangig dann, wenn sie Reisezeitvorteile erzielen können. (2) ÖPNV Power-User Als ÖPNV Power-User bezeichnen wir diejenigen, die den öffentlichenVerkehrvornehmlich als ihr Haupttransportmittel angeben und typischerweise eine Zeitkarte besitzen. Mit 62 % Jahreskarteninhaber: innen und 13 % Monatskarteninhaber: innen nutzt diese Gruppe vor allem für berufliche oder ausbildungsbezogene Wege den öffentlichen Verkehr. Mit einem vergleichsweise niedrigeren Führerscheinbesitz (68 %) und geringerer Pkw-Verfügbarkeit (62 %) wohnen die Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe zumeist in Innenstadtlagen, was auf eine gute ÖPNV-Anbindung hinweist. (3) Flexible und multimodale Verkehrsmittelnutzer: innen Flexible und multimodale Verkehrsmittelnutzer: innen nutzen sowohl den privaten Pkw, den ÖPNV sowie Sharing-Angebote in wechselnden Anteilen. Es ist die Gruppe, die im Vergleich zu den anderen am häufigsten Sharing-Angebote nutzt und bei mehreren Anbietern registriert ist. Obwohl sie multimodal unterwegs sind, also mit verschiedenen Verkehrsmitteln vertraut sind, ist ihr Mobilitätsverhalten wenig intermodal. Wenn sie dennoch intermodal unterwegs sind, stellen sie den Zeitgewinn heraus und kombinieren Shared Micro-Mobility mit öffentlichen Verkehrsmitteln. (4) Autofahrer: innen Bei den Personen der Gruppe der Autofahrer: innen dominiert der eigene Pkw als Hauptverkehrsmittel. Sie nutzen alternative Verkehrsmittel für Alltagswege nur selten. Zwar bestehen Berührungspunkte auch zu Alternativen, aber die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Sharing-Dienste bleibt eine Ausnahme. In den wenigen Fällen, bei denen sie auf den Pkw verzichten, bevorzugen sie eher Shared Micro-Mobility als öffentliche Verkehrsmittel, da sie Letztere als zu unflexibel wahrnehmen. Sie fahren gelegentlich mit dem Fahrrad, jedoch überwiegt die Bequemlichkeit des Pkw, um das Fahrrad dauerhaft in die Alltagsmobilität einzubinden. Schnittmengen der Gruppen Die Einteilung in die vier Gruppen gibt Hinweise für eine zielgruppenspezifische Ansprache, ist darüber hinaus aber wenig überraschend. Jedoch öffnet ein Blick auf die Überschneidungsbereiche der Gruppen untereinander eine Perspektive für Ansätze zur Verkehrsverlagerung. So konnte bei der Eingrenzung der Gruppen festgestellt werden, dass auf einen Teil der Personen sowohl Merkmale der einen als auch der anderen Gruppe zutreffen. Die Gruppen sind also nicht überschneidungsfrei, es bestehen Schnittmengen. Bild 1 stellt die Anteile der Gruppen innerhalb der Stichprobe dar und zeigt deren Schnittmengen. Bei der Aufteilung muss beachtet werden, dass es sich bei der Stichprobe nicht um einen Bevölkerungsquerschnitt handelt, sondern um Personen, die mit Sharing-Angeboten zumindest in Berührung gekommen sind. Zudem sind E-Scooter Nutzende im Vergleich zu anderen Sharing- Angeboten überrepräsentiert. Daher sollen weniger die Anteile interessieren, sondern vielmehr, wie sich die Schnittmengen darstellen. Optionen der Verkehrsverlagerung unter multioptionalen Bedingungen Für die Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität in der Stadt sind die Optionen von Bedeutung, die es den Menschen ermöglichen, statt des motorisierten Individualverkehrs eine nachhaltigere Form der Fortbewegung in ihren Alltag zu integrieren. Bestehende Betrachtungen von Shared Micro-Mobility im Zusammenhang mit der Verkehrsmittelnutzung konzentrieren sich häufig auf die Substitutionsrate, um schädliche Effekte (Umstieg vom Umweltverbund) oder erwünschte Effekte (Umstieg vom Pkw) quantifizieren zu können [3]. Ein Blick auf die Schnittmenge der Nutzungstypen ermöglicht hingegen eine systemische Perspektive, die die Wechselwirkung zwischen den Verkehrsangeboten einbezieht. Die Schnittmenge zwischen der Gruppe der Fahrradfahrer: innen und der Gruppe der ÖPNV Power-User ist in unserer Betrachtung am stärksten ausgeprägt. Sie verweist auf die Symbiose zwischen Fahrrad und öffentlichem Verkehr und ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Integration des Fahrrads in den öffentlichen Verkehr die Attraktivität beider Verkehrsmittel steigert [4]. Autofahrer: innen 20 % Fahrradfahrer: innen 36 % ÖPNV Power-User 39 % Multimodale Verkehrsmittelnutzer: innen 20 % 3 % 14,5 % 3,5 % 10 % 9 % Bild 1: Anteile der Mobilitätstypen innerhalb der Stichprobe und deren Schnittmengen (n=505, eigene Erhebung, schematische Darstellung) Nutzungsanalyse MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 49 DOI: 10.24053/ IV-2024-0045 Fazit Die hier aufgezeigten Typen der Verkehrsmittelnutzung unter multioptionalen Bedingungen und insbesondere deren Schnittmengen verweisen auf die Bedeutung einer gezielten, am (potenziellen) Nutzenden orientierten Infrastruktur- und Angebotsgestaltung, die nicht nur einzelne Verkehrsmittel, sondern deren synergetische Integration berücksichtigt. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Vielfalt der Nutzungspräferenzen anzuerkennen, um die Vorteile multioptionaler Bedingungen für eine nachhaltige Mobilität im Alltag der Menschen zu nutzen. ■ LITERATUR [1] vgl. Wilde, M./ Klinger, T. (2017): Städte für Menschen: Transformationen urbaner Mobilität. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (48), S. 32-38. [2] Forschungsprojekt DiVers, Wandel des MobilitätsverhaltensundDienstleistungenderVersicherungswirtschaft, Projektpartner: HUK-COBURG, VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg, PB Consult GmbH, VOI Technology Germany GmbH, gefördert durch das Programm zur Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften - Fachhochschulen des Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, 6. Förderrunde (2021-2024). Wenn sie auch gering ausgeprägt ist, muss doch die Überschneidung der Gruppe der Autofahrer: innen mit der Gruppe der Fahrradfahrer: innen als bemerkenswert herausgestellt werden. Denn obwohl einige der Personen der Autofahrer: innen eine Präferenz für das E-Scooter-Sharing angegeben haben, scheinen die Potenziale für eine Verkehrsverlagerung eher beim Fahrrad zu liegen. Das unterstützt eine Studie, die die Ursachen für den Verzicht auf das Fahrrad untersucht hat. Demnach liegt bei den Nicht-Radfahrenden der Anteil jener, die das Fahrrad absolut ablehnen, bei gerade einmal 33 %. Alle anderen wären für das Fahrrad zu motivieren, sollten Infrastruktur und andere Rahmenbedingungen einladender sein [5]. Alle weiteren Schnittmengen zwischen den drei Gruppen der Fahrradfahrer: innen, ÖPNV Power-User sowie den flexiblen und multimodalen Verkehrsmittelnutzer: innen bestätigen die Wirkung vielfältiger Mobilitätsoptionen in der Stadt. Für die Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität wäre demnach relevant, wie die Gruppe der Multimodalen dazu bewegt werden kann, häufiger oder sogar ganz auf das eigene Auto zu verzichten. [3] vgl. etwa Reck, D./ Martin, H./ Axhausen, K. W. (2022): Mode Choice, Substitution Patterns and Environmental Impacts of Shared and Personal Micro-Mobility. In: Transportation Research Part D: Transport and Environment 102, S. 103-134. [4] Blechschmidt, A./ Czowalla, L./ Lanzendorf, M. (2018): Fahrrad und öffentlichen Verkehr gemeinsam denken: Die Verknüpfung von Fahrradmobilität mit öffentlichem Verkehr als Beitrag zu Daseinsvorsorge und Klimaschutz. Frankfurt am Main. (= Arbeitspapiere zur Mobilitätsforschung 19). [5] Popp, M./ Rau, H./ Mahne-Bieder, J. (2024): Auf dem Weg zum Fahrradland - Barrieren von Nichtradfahrer*innenidentifizie-renundüberwinden.In: Standort, Zeitschrift für Angewandte Geographie. https: / / doi.org/ 10.1007/ s00548-023-00903-9. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Mananya Kaewthawee Mathias Wilde, Prof. Dr., Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik, Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg mathias.wilde@hs-coburg.de Lukas Riedelbauch, M.Eng., Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik, Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg lukas.riedelbauch@hs-coburg.de Anzeige Tourismus ist ohne Verkehr undenkbar. Dabei ist die Bandbreite touristischer Verkehrsunternehmen vielfältig. An Bord eines Kreuzfahrtschiffs oder eines Luxuszugs ist das Fortbewegungsmittel sogar die touristische Hauptattraktion. Das Handbuch stellt die theoretischen Grundlagen von Tourismus sowie Verkehr vor und geht im Detail auf die unterschiedlichen Verkehrsunternehmen ein. Dazu zählen Mietwagen, Busreisen, Schifffahrt sowie Luft- und Bahnverkehr. Es skizziert jeweils Forschungsstand, Entwicklungen, gesetzliche Rahmenbedingungen, Anbieter und Nachfrager sowie Strategien für die wichtigsten Verkehrsunternehmen. Auch die Sonderbereiche des touristischen Verkehrs finden Berücksichtigung, ebenso Verkehrskonzepte für Destinationen. Sven Groß Handbuch Tourismus und Verkehr 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Au age 2024, 349 Seiten €[D] 59,00 ISBN 978-3-8252-8837-2 eISBN 978-3-8385-8837-7 Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Buchtipp Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de MOBILITÄT Nutzungsanalyse Zuverlässigkeit Defizite im Vergleich zum eigenen Pkw wahrgenommen werden[1,2]. Auch in Deutschland gehören Beschwerden über die Bahn zum Alltag [3]. Im ersten Quartal 2024 kam es durch mehrere Streiks zu zusätzlichen Zugausfällen. Neben den direkten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von Streiks belegen Studien eine verschlechterte Zuverlässigkeitswahrnehmung sowie einen langfristigen Fahrgastrückgang [4]. Es ist hierbei nicht das Ziel A ngesichts gravierender ökologischer, sozialer und ökonomischer Herausforderungen des autodominierten Verkehrssektors kommt dem öffentlichen Verkehr eine wichtige Rolle zu. Um Bürger/ innen von der Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu überzeugen, ist es notwendig, dass dieser gegenüber dem Auto als konkurrenzfähig empfunden wird. Studien deuten jedoch darauf hin, dass insbesondere im Hinblick auf dieses Beitrags, die Legitimität von Streiks in Frage zu stellen. So zeigten beispielsweise Gewerkschaften und Klimaaktivist/ innen, dass Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen mit Forderungen nach einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verknüpft werden können [5]. Ziel dieses Artikels ist es vielmehr darzustellen, inwiefern psychologische Erkenntnisse zur Erklärung der genannten langfristigen Auswirkungen beitragen kön- Pünktlich wie die Eisenbahn Weshalb ein zuverlässiger öffentlicher Verkehr (auch) aus psychologischer Perspektive relevant ist Öffentlicher Verkehr, ÖPNV, Verspätung, Streik, Psychologie, Wahrnehmung Vor dem Hintergrund des allgemein niedrigen Pünktlichkeitsniveaus im Fernverkehr sowie streikbedingter Zugausfälle befasst sich dieser Beitrag aus psychologischer Perspektive mit der Rolle eines zuverlässigen öffentlichen Verkehrs für die Verkehrswende. Ausgehend von Erkenntnissen aus der Entscheidungsforschung wird erläutert, wie unterschiedliche Prozesse die Häufigkeitseinschätzung von Zugverspätungen und -ausfällen systematisch verzerren. Darauf aufbauend wird diskutiert, inwieweit sich dies auf das Mobilitätsverhalten auswirkt und welche Maßnahmen ergriffen werden können. Michael Bissel DOI: 10.24053/ IV-2024-0046 Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 51 Psychologie MOBILITÄT nen. Darauf auf bauend werden Möglichkeiten skizziert, mit denen sich diese Auswirkungen begrenzen ließen. Verfügbarkeitsheuristik - worum geht es? Im Alltag sind unsere (kognitiven) Ressourcen für Entscheidungen oft begrenzt. In diesen Fällen stellen Heuristiken gedankliche „Abkürzungen“ dar, mit deren Hilfe Menschen mit geringerem gedanklichen Aufwand zu guten Lösungen kommen können [6]. Bei Urteilen über die Wahrscheinlichkeit kann die so genannte Verfügbarkeitsheuristik jedoch zu systematischen Verzerrungen führen. Diese auf Amos Tversky und den kürzlich verstorbenen Nobelpreisträger Daniel Kahneman zurückgehende Heuristik besagt, dass Menschen die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses anhand der kognitiven Verfügbarkeit beurteilen. Diese beschreibt, wie einfach es uns fällt, passende Beispiele in Erinnerung zu rufen [6,7]. Da die tatsächliche Häufigkeit einen Faktor darstellt, erscheint dies zunächst nachvollziehbar. Die Verfügbarkeit wird jedoch von weiteren Einflussfaktoren verzerrt (siehe Bild 1), die nicht mit der tatsächlichen Häufigkeit zusammenhängen müssen [6,7]. So können Ereignisse einfacher abgerufen werden, wenn sie häufig in den Medien oder im sozialen Umfeld diskutiert werden oder mit starken Emotionen verbunden sind [6]. Diese verzerrten Häufigkeitseinschätzungen können unser Handeln beeinflussen. Die Rolle von verzerrten Häufigkeitseinschätzungen für die Verkehrswende In mehreren Studien wird die Rolle der Verfügbarkeitsheuristik im Mobilitätskontext diskutiert. So wird erläutert, dass persönliche Erfahrungen und „Horrorgeschichten“ aus dem sozialen Diskurs einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung des öffentlichen Verkehrs haben können [8]. Andere Forscher/ innen argumentieren, dass aufgrund des Vorhandenseins eines Fahrplans kleinere Verspätungen im Alltag bei öffentlichen Verkehrsmitteln stärker wahrgenommen werden als bei Fahrten mit dem eigenen Auto [9]. Weiterhin wird die Rolle der Verfügbarkeitsheuristik im Medienkontext diskutiert. So wird häufig von einprägsamen Ereignissen wie Zugunfällen berichtet, was zu einer Überschätzung dieser Ereignisse führen kann [10]. Es ist daher beachtenswert, dass in Deutschland Verspätungs- und Streikerfahrungen mit der Bahn zu den Mobilitätsthemen mit der höchsten Präsenz in sozialen Medien gehören [3]. Auch in den klassischen Medien rufen Streiks häufig eine breite Medienpräsenz hervor. So wird über die Tarifverhandlungen berichtet, über Notfahrpläne informiert und über die Legitimität der Forderungen diskutiert. Dies führt dazu, dass Streiks unabhängig von der tatsächlichen Betroffenheit kognitiv verfügbar sind. Darüber hinaus wird allgemein darauf hingewiesen, dass in den Medien häufig Autofahren mit Prestige und Freiheit verknüpft wird, während der öffentliche Verkehr als unkomfortabel dargestellt wird [11]. Schließlich erscheint es im Hinblick auf die Rolle von Emotionen naheliegend, dass Erfahrungen im Kontext von Bahnstreiks oder sonstigen Komplikationen mit starken Emotionen verknüpft sein können. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn diese mit einer privaten Urlaubsreise oder einem wichtigen beruflichen Ereignis kollidieren. Auch erläutern Forscher/ innen, dass seltene Ereignisse wie die Krankheit eines Kindes aufgrund der Emotionalität in ihrer Häufigkeit überschätzt werden. Diese kognitive Verzerrung kann jedoch dazu führen, dass Menschen aufgrund seltener Ereignisse nicht auf ein eigenes Auto verzichten möchten [8]. Zusammenfassung und Implikationen Wie im Rahmen dieses Beitrags skizziert wurde, können Komplikationen im öffentlichen Verkehr nicht nur aufgrund ihrer direkten Effekte (zum Beispiel Zugausfälle an Streiktagen), sondern auch durch indirekte Effekte einen negativen Einfluss auf die Verkehrswende haben. Dies verdeutlicht zunächst die Notwendigkeit eines zuverlässigen öffentlichen Verkehrs, mit dem die tatsächliche Häufigkeit negativer Erfahrungen verringert werden kann. Hierfür sind langfristige Investitionen in den öffentlichen Verkehr und eine stärkere Gemeinwohlorientierung erforderlich [3]. Gleichzeitig wurde dargestellt, dass neben der tatsächlichen Häufigkeit auch weitere Faktoren unsere Häufigkeitseinschätzung und damit mittelbar auch unser Verhalten beeinflussen. Aus der Forschung Bild 1: Schematische Darstellung verschiedener Einflussfaktoren auf die kognitive Verfügbarkeit cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen MOBILITÄT Psychologie Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 52 DOI: 10.24053/ IV-2024-0046 LITERATUR [1] Anable, J., & Gatersleben, B. (2005). All work and no play? The role of instrumental and affective factors in work and leisure journeys by different travel modes. Transportation Research Part A: Policy and Practice, 39(2-3), 163-181. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.tra.2004.09.008 [2] Steg, L. (2003). Can Public Transport Compete Withthe Private Car? IATSS Research, 27(2), 27-35. https: / / doi.org/ 10.1016/ S0386-1112(14)60141-2 [3] Laser, S. (2023). Obsoleszenz statt Transformation im Schienenverkehr (Working Paper 25). Universität Siegen. https: / / doi.org/ 10.25819/ UBSI/ 10201 [4] Van Exel, N. J. A., & Rietveld, P. (2001). Public transport strikes and traveller behaviour. Transport Policy, 8(4), 237-246. https: / / doi.org/ 10.1016/ S0967-070X(01)00022-1 [5] Candeias, M., Krull, S., & Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.). (2022). Spurwechsel: Studien zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion: eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. VSA: Verlag. [6] Eller, E., Lermer, E., Streicher, B., & Sachs, R. (2013). Psychologische Einflüsse auf die individuelle Einschätzung von Risiken. https: / / doi. org/ 10.13140/ RG.2.2.32362.57288 [7] Tversky, A., & Kahneman, D. (1973). Availability: A heuristic for judging frequency and probability. Cognitive Psychology, 5(2), 207-232. https: / / doi. org/ 10.1016/ 0010-0285(73)90033-9 lassen sich daher unter anderem drei Implikationen ableiten, die sich auch kurzfristig umsetzen ließen: Erstens sollten Fahrgäste im Falle von Streiks oder sonstigen Komplikationen rechtzeitig und zuverlässig informiert werden, so dass sie Alternativen planen können. Hierbei sollte auch Wert darauf gelegt werden, welche Informationen (zum Beispiel tatsächliche Fahrzeit statt Verspätungen) in den Vordergrund gestellt werden [9]. Zweitens kann gezielt die Risikowahrnehmung emotionaler Ereignisse adressiert werden, indem Alternativen als „Sicherheitsnetz“ angeboten werden. Hierzu zählen Ersatzangebote wie Fahrgemeinschaften oder digitale Lösungen wie Homeoffice, die die negativen Auswirkungen von Komplikationen reduzieren [11]. Drittens ist es aus psychologischer Sicht wichtig, dass im medialen und sozialen Diskurs auch Vorteile und positive Erfahrungen mit dem öffentlichen Verkehr (auch für Dienst- und Urlaubsreisen) sowie Herausforderungen mit anderen Verkehrsmitteln diskutiert werden [3,9]. Dies könnte nicht zuletzt im betrieblichen Mobilitätsmanagement umgesetzt werden [11]. ■ [8] Alta Planning & Behavioural Insights Team. (2017). Applying Behavioural Insights to Transportation Demand Management. https: / / altago. com/ resources/ behavioral-insights-transportation-demand-management/ [9] Garcia-Sierra, M., van den Bergh, J. C. J. M., & Miralles-Guasch, C. (2015). Behavioural economics, travel behaviour and environmental-transport policy. Transportation Research Part D: Transport and Environment, 41, 288-305. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.trd.2015.09.023 [10] Gaker, D., & Walker, J. L. (2011). Insights on Car-Use Behaviors from Behavioral Economics. In K. Lucas, E. Blumenberg, & R. Weinberger (Hrsg.), Auto Motives (S. 107-120). Emerald Group Publishing Limited. https: / / doi. org/ 10.1108/ 9780857242341-005 [11] Whillans, A., Sherlock, J., Roberts, J., O’Flaherty, S., Gavin, L., Dykstra, H., & Daly, M. (2021). Nudging the commute: Using behaviorally informed interventions to promote sustainable transportation. Behavioral Science & Policy, 7(2), 27-49. https: / / doi.org/ 10.1353/ bsp.2021.0011 Eingangsabbildung: © iStock.com/ andresr Michael Bissel, Doktorand, Technische Universität Berlin, Marchstraße 23, 10587 Berlin Anzeige In diesem Buch wird die Thematik Schätzen auf die Projektwelt angewandt. Wer kennt sie nicht, die großen Bauprojekte, die meist deutlich teurer werden und länger dauern als geschätzt. Egal ob es sich um die Elbphilharmonie handelt, den Berliner Flughafen oder Stuttgart 21. Verschiebungen und Kostensteigerungen sind an der Tagesordnung. In der agilen Projektwelt verspricht man sich deutlich bessere Schätzungen als bei den klassischen Verfahren. Zum einen findet der klassische Projektplan im agilen Kontext keine Anwendung, zum anderen sind die Planungszyklen deutlich kürzer. Dieser Band konzentriert sich darauf, die Hauptursachen für Fehleinschätzungen zu beleuchten und Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität von Abschätzungen aufzuzeigen. Er ist mitnichten als ein Plädoyer gegen Abschätzungen zu verstehen, sondern steht ganz im Sinne Dwight D. Eisenhowers Aussage: Plans are useless, but planning is essential. Jörg Brüggenkamp, Peter Preuss, Tobias Renk Schätzen in agilen Projekten nuggets 1. Au age 2024, 75 Seiten €[D] 17,90 ISBN 978-3-381-12511-1 eISBN 978-3-381-12512-8 Buchtipp cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Psychologie MOBILITÄT muss, sondern die Folge individueller Mobilitätsentscheidungen von Menschen. Diese Entscheidungen wiederum, die wir alle tagtäglich treffen, bestimmen am Ende wie, wann und wo Verkehr entsteht. Sie nicht nur nachzuvollziehen, sondern langfristig auch zielorientiert planen zu können, ist das große Potential einer Mobilitätsplanung. Für ein Funktionieren der Mobilitätsplanung braucht es leistungsstarke Strukturen und Prozesse, die nicht nur den Verkehr oder die Infrastruktur in den Blick nehmen, sondern fachübergreifend den Menschen und seine Mobilitätsbedarfe analysieren, Ziele und Interessen moderieren und das Mobilitätsumfeld gestalten können. Hierfür braucht es erstens die Expertise, die qualitativen Aspekte der Mobilität verstehen und mithilfe von Untersuchungsmethoden analysieren zu können. Zweitens werden Prozesse benötigt, welche es Politik und Gesellschaft ermöglichen, an der Entwicklung von Mobilitätszielen mitzuwirken. Und drittens braucht es konkrete Konzepte und Maßnahmen, wie die Mobilität der Menschen entsprechend den entwickelten Zielen Hintergrund Allen Menschen eine gleichwertige Mobilität zu gewährleisten und dabei gleichzeitig den entstehenden Verkehr umwelt- und klimaverträglich zu organisieren, ist die große Herausforderung unserer Generation. Umfassende Transformationen finden aktuell bei den persönlichen Mobilitätsstilen, den technologischen Möglichkeiten sowie den gesellschaftlichen Normen statt. Dieser Mobilitätswandel führt dazu, dass von Gesellschaft und Politik immer stärker die Planung in die Verantwortung genommen wird, die neu entstehenden Mobilitätsbedarfe mit den weiterwachsenden Verkehrsmengen in Einklang zu bringen und eine sozial-ökologische Transformation des Mobilitätssektors voranzubringen. Hierfür hat sich mittlerweile das Konzept der Mobilitätsplanung hervorgetan, das die Abhängigkeit der klassischen Verkehrsplanung vom technischen Artefakt auflöst und die Menschen mit ihren Bedürfnissen in den Blick nimmt. Aus Perspektive der Mobilitätsplanung ist Verkehr kein naturwüchsiger Prozess, der lediglich gemanagt werden verändert werden kann. Erst in diesem Dreiklang (vgl. Bild 1) funktioniert eine mobilitätsorientierte Planung und ermöglicht es den Planerinnen und Planern nicht nur den Verkehr, sondern seine Ursachen effektiv zu verändern. Dis bisherigen Strukturen und Prozesse in den öffentlichen Verwaltungen sind für diese Aufgabenfelder nicht ausgelegt [2]. Eindrücklich zeigt beispielsweise das Bundesverkehrsministerium durch die funktionale Trennung seiner Verwaltungsbereiche in Straße, Schiene, Wasser und Luft, wie segregiert die Planung von Verkehr bis heute gelebt wird. So verwundert es nicht, weshalb Deutschland bis heute noch keine bundesweite Mobilitätsstrategie oder Mobilitätsziele hat, wenn die Bundesverwaltung zum Großteil damit beschäftigt ist, die einzelnen Verkehrsträger im Verteilungskampf durch Parallelfinanzierungen möglichst üppig auszustatten. Auch die Verwaltungen in den Bundesländern und Kommunen sind noch nicht für diese neuen Anforderungen vorbereitet. Jedoch können wir seit einigen Jahren in deutschen Städten vermehrt Transforma- Die Transformation zur Mobilitätsverwaltung Mobilität, Planung, Verkehr, Verwaltung, Transformation, Deutschland Aktuell befinden wir uns in einer Transformation von der klassischen Verkehrsplanung hin zu einer Mobilitätsplanung. Öffentliche Verwaltungen spielen für die Planung in Deutschland eine zentrale Rolle und sind damit maßgebend für den Wandel. Bis heute sind die öffentlichen Planungsstrukturen jedoch noch maßgeblich auf den Verkehr und nicht auf die Mobilität ausgerichtet. Wir diskutieren in diesem Text wichtige Transformationsbedarfe auf dem Weg zu einer Mobilitätsplanung und stellen fünf zentrale Anforderungen für Mobilitätsverwaltungen aus unseren Forschungen vor. Alexander Rammert, Sven Hausigke MOBILITÄT Verwaltung Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 54 DOI: 10.24053/ IV-2024-0047 tionsbemühungen beobachten. Hier werden die klassischen Stadtentwicklungs- und Verkehrsbehörden immer häufiger integriert und mit individual- und mobilitätsbezogenen Fachbereichen aufgewertet. Transformationsbedarfe in den Verwaltungen In der historischen Entwicklung hat sich die Planung in deutschen Verwaltungen von einer Infrastrukturzu einer Verkehrsplanung gewandelt und ist nun im Begriff, sich zu einer Mobilitätsplanung weiterzuentwickeln (vgl. Abb. 2). Deutlich wird diese Transformation am Begriff der kommunalen Daseinsvorsorge, der anfänglich mit der Bereitstellung von öffentlichen Infrastrukturen, später mit der Sicherstellung verkehrlicher Erreichbarkeit und heutzutage mit der individuellen Befähigung zu einem guten Leben assoziiert wird. Begleitet wurde dieser Wandel des Planungsverständnisses durch die ungewollten Nebeneffekte, welche die angebotsorientierte Bereitstellung von Infrastrukturen oder die effizienzorientierte Beschleunigung der Verkehrsströme erzeugten. Die daraus resultierenden, dispersen Siedlungsstrukturen und weiterwachsenden Verkehrsmengen führten letztendlich dazu, dass mittlerweile international von der Politik und ihrer Planung eine nachhaltigere Verkehrsentwicklung angestrebt wird. Die Verkehrspolitik fokussiert sich auf die individuelle Mobilität und versucht, Erreichbarkeit zu gewährleisten, ohne Verkehr zu benötigen. Da jedoch die Bundesebene in Deutschland bis heute Gesetze und Strategien kaum an das Ziel angepasst hat, nachhaltige Mobilität umzusetzen, obliegt es den Bundesländern und Kommunen, eigene Spielräume zu nutzen und neue Strukturen und Prozesse für eine Mobilitätsplanung zu etablieren. Die Bundesländer beschließen daher sukzessive Mobilitätsgesetze, um die nationalen und internationalen Zielkriterien einer nachhaltigen Mobilität eine rechtliche Grundlage zu geben. Auf Ebene der EU wurde mit den Sustainable Urban Mobility Plans auch auf strategischer Ebene ein Wandel hin zur Mobilitätsplanung eingeleitet, die mitunter auch in Deutschland seit 2013 anstelle von Verkehrsentwicklungsplänen zur Anwendung kommen [3]. Mit den Forderungen nach mehr Mobilität und weniger Emissionen bei besserer Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit und vom Verkehrswachstum entkoppelten Wirtschaftswachstum sind bei dem ausgebauten Verkehrssystem nun Maßnahmen erforderlich, die über die klassischen Pull-Maßnahmen von Infrastruktur- und Verkehrsmanagement hinausgehen. Um die Zielkriterien zu erreichen, muss das Repertoire durch Push-Maßnahmen sowie Maßnahmen im Bereich von Stadtentwicklung, Wirtschaft, Soziales, Gesundheit, Umwelt, Tourismus, Sport und Ordnung ergänzt werden. In unseren Forschungen haben wir uns der dafür notwendigen Transformation der Verwaltungen in ganz Deutschland gewidmet. Ziel war es herauszufinden, welche Anforderungen eine zukunftsfähige Mobilitätsplanung erfüllen muss und welche Barrieren und Hemmnisse dabei zutage treten. Dazu gibt es bereits zahlreiche Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass zwar flächendeckende Bemühungen für eine Transformation zur Mobilitätsverwaltung in deutschen Kommunen festzustellen sind, aber gleichzeitig Fortschritte nur beschwerlich und punktuell erzielt werden. Die langfristige Verbreitung von Mobilitätsplanung ist Voraussetzung, um auch in Deutschland die Mobilität und nicht nur den Verkehr planen zu können. Dabei wird oftmals auf folgende Faktoren eingegangen, die zum Erfolg führen können oder als Hindernis wirken, je nachdem wie sie auf kommunaler Ebene ausgeprägt sind: Einbindung relevanter Akteure, Politische Unterstützung, fachübergreifende Organisationsstrukturen, Partizipation und Kommunikation, Akzeptanzschaffung, zeitliche Koordination, räumliche übergreifende Planung, Finanzierung und Evaluation [4; 5]. Diese Faktoren sind für eine erfolgreiche Mobilitätsplanung Grundvoraussetzung und können zum Ziel der nachhaltigen Mobilität in der Kommune entscheidend beitragen. Offen bleibt, weshalb bis heute viele dieser Erfolgsfaktoren nur schleppend in den Planungsinstitutionen - sprich den Verwaltungen - ankommen. Die Wissenschaft zeigt hierfür zwei notwendige Katalysatoren, die über die Transformationsgeschwindigkeit entscheiden: die Zielorientierung sowie das Change-Management. Die Zielorientierung ist ein extrinsischer Faktor zur Legitimation der Mobilitätsplanung. Umso stärker sich alle Entscheidungstragenden sowie die Lokalbevölkerung darüber einig sind, welche Ziele mit welchen Mitteln verfolgt werden sollen, desto schneller ist die Mobilitätsplanung handlungsfähig, die legitimierten Mittel anzuwenden. Die Art und Weise der Konsensbildung oder Kompromisserzielung ist ein wichtiges und vieldiskutiertes Kriterium, welches die Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend beeinflusst. Die Festlegung innerhalb von Mobilitätsgesetzen oder strategischen Planwerken auf Landesebene ist beispielsweise ein stark unterstützendes Mittel, einzelne Fallbeispiele in allgemeinen Festlegungen aufzulösen, anstatt jeden Fall aufs Neue auszudiskutieren. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Verwaltung in der Zielorientierung liegen vor allem im Interessen- und Erwartungsmanagement der Stakeholder sowie in der Politikberatung. Dabei ist in der Öffentlichkeitsarbeit sowie bei den Beteiligungen eine transparente, umfassende und zielgruppenangemessene Kommunikation vonnöten, die am Konsens und nicht am Problem orientiert ist. Eine flächendeckend strategische Vorgehensweise kann dabei helfen, individuelle Streitpunkte schneller aufzulösen und das Gesamtbild im Auge zu behalten. Das Change-Management ist hingegen ein intrinsischer Faktor zur Steigerung von Effizienz und Effektivität der Planung. Die Mobilität ist ein querschnittsorientiertes Handlungsfeld und erfordert dementsprechend ämter- und fächerübergreifende Zusammenarbeit. Das bedeutet nicht nur, sich miteinander abzustimmen, sondern auch Handlungen gemeinsam zu koordinieren, damit Effekte in ihrer Gesamtwirkung auftreten können. Ein gutes Beispiel sind die Adaptionen des ‚Superblock-Konzepts‘ in deutschen Städten, bei denen über die Verhinderung des Kfz-Durchgangsverkehrs aus einem Wohnquartier hinaus auch der öffentliche Raum gestaltet werden soll, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. So ist der mobilitätsfördernde Effekt immer dann Bild 1: Die drei Aufgabenfelder der Mobilitätsplanung [1] Bild 2: Schwerpunkte der Planung im zeitlichen Verlauf Verwaltung MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 55 DOI: 10.24053/ IV-2024-0047 tinuität des Change-Managements ist die Reproduktion durch weitere Personen im Umfeld notwendig - insbesondere in der administrativen Führung. Aber nicht nur die Vorgesetzten können top-down dazu beitragen, auch die Sachbearbeitenden haben bottom-up das Recht und die Möglichkeit, bei der Reproduktion der institutionalisierten Vorgehensweise Gestaltungsräume für eine Mobilitätsplanung zu nutzen. Sie ergeben sich aus den gesellschaftlichen Diskussionen über soziale Normen und deren Anwendungen in Einzelfällen, die in Summe das Gesamtbild der Mobilität verändern können. In einigen Kommunen werden für die Aufgabe der Mobilitätswende bereits Mobilitätsmanager*innen, Abteilungen oder Stabsstellen eingesetzt, um den Wandel zu überblicken und querschnittsorientiert zu gestalten. Damit wird der normative Anspruch einer Verwaltungstransformation in Form zuständiger Personen und Teams strukturell verkörpert. Alle Handlungsfelder der Mobilitätsplanung müssen auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet werden: Analyse, Entscheidungsfindung, Strategie, Kommunikation, Finanzen und Monitoring [6]. Da die Mobilitätsplanung über die gesetzlich verpflichtenden Aufgaben aus Verkehrssicherungspflicht oder Bauträgerschaft hinausgeht, ist sie eine unverbindliche Tätigkeit der Ämter. Diese Situation bewirkt, dass in einigen Kommunen sich Personen dieser Aufgaben proaktiv annehmen und in anderen Kommunen sich wiederum niemand für die Gestaltung als verantwortlich betrachtet. Die ambitionierten Mobilitätsgesetze der Länder sind eine wichtige Unterstützung der Legislative zur Mobilitätsplanung, allerdings müssen auch die Verwaltungsvorschriften entsprechend angepasst und die Ämter ausbesonders groß, wenn ergänzend auch Maßnahmen zur Förderung des lokalen Gewerbes sowie der gesellschaftlichen Integration gemeinsam mit Bildungs- und Sozialeinrichtungen umgesetzt werden. Die Aufgabe benötigt aber erhöhten Koordinations- und Abstimmungsaufwand, der ein zentrales Problem für die fachspezialisierte und oftmals geringfügig ausgestattete Verwaltung darstellt. Planerinnen und Planer benötigen die Kompetenzen, Methodenkenntnisse und Ressourcen, um fachbereichs- und ämterübergreifend planen zu können. Die ohnehin stattfindende demographische Transformation der Verwaltungsmitarbeitenden ist hierfür zu nutzen und sollte von einem öffentlichen Personal- und Arbeitsrecht flankiert werden, das es erlaubt, Umstrukturierungen zielorientiert gestalten zu können [6]. Die Universitäten haben bereits begonnen, den Verwaltungsnachwuchs in diesen neuen Arbeitsfeldern zu diversifizieren. Die Rolle der Politik Doch wieso schaffen es trotz dieser vorherrschenden Rahmenbedingungen in Deutschland einige Kommunen bereits jetzt, Mobilitätsplanung erfolgreich umzusetzen? Ein Faktor, der sowohl für die Zielorientierung als auch für das Change-Management entscheidend ist, ist die starke politische Führung. Transformativer Strukturwandel ist nur möglich, wenn er von einzelnen Personen verstanden, verkörpert und vorgelebt wird. Nur durch die Maßgabe des Führungspersonals, inwieweit Veränderungen in den Verwaltungen stattfinden sollen und dürfen, halten sich die Mitarbeitenden in ihren Interpretationen der Arbeit in der oftmals noch hierarchischen und starren Verwaltung auch daran und setzen diesen Maßstab an die Erfüllung ihrer Aufgabe. Für die Konreichend mit Personal und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Ebenso muss die Bundesregierung bei der Novellierung der Bundesgesetze zukünftig mehr Mobilität wagen. Viele der Gesetze sind reformbedürftig, wie das vom VCD 2021 vorgeschlagene Bundesmobilitätsgesetz aufzeigt [7]. Nach langen Verhandlungen unterstützt jetzt zumindest eine StVO-Novelle, die den Kommunen mehr Freiheiten einräumt, Mobilität mit einfachen Begründungsaufwand proaktiv zu planen, anstatt qualifizierte Gefahrenlagen oder umfassende Verkehrskonzepte zur Veränderung des Straßenraums nachzuweisen. Dadurch liegt es jetzt an der Kommunalpolitik, auf Grundlage der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen durch Agenda-Setting, personelle und finanzielle Mittel sowie der Nutzung des rechtlichen Ermessensspielraums die Mobilität zu planen. Proaktive politische Führungsfiguren haben einen großen Einfluss auf die institutionelle Wahrnehmung, Bewertung und Handlung durch die Definition von Werten und Normen, an denen sich auch die Verwaltung orientiert. Anforderungen an moderne Mobilitätsverwaltungen Am Ende steht die Herausforderung, diese disparaten Planungsstrukturen in Deutschland zu funktionierenden Mobilitätsverwaltungen zu transformieren. Dies reduziert auf der einen Seite den personellen und finanziellen Ressourceneinsatz innerhalb der Verwaltung, da weniger widersprüchliche Konzepte und mehr fachübergreifende Strategien entwickelt werden (Effizienzkriterium). Auf der anderen Seite erhöht es die Wirksamkeit der Planung auf die Mobilität, da die Konzepte und Maßnahmen miteinander abgestimmt sind und dadurch Synergieeffekte entstehen (Effektivitätskriterium). Eine Mobilitätsverwaltung ermöglicht es, letztendlich die verschiedenen Handlungsfelder integriert unter gemeinsamen Zielkriterien und Strategien zu gestalten und gleichzeitig effizienter die öffentlichen Ressourcen für die sozial-ökologischen Transformation der Mobilität einzusetzen (vgl. Bild 3). Damit diese administrative Transformation, die bereits in vielen deutschen Städten und Kommunen vorangetrieben wird, gelingen kann, muss der politische Wille für eine dementsprechende Veränderungen vorhanden sein. Nur gemeinsam mit der Politik kann diese grundlegende Umstrukturierung planerischer Verantwortlichkeiten gelingen, dass zeigen die wenigen Erfolgsbeispiele aus München, Hannover, Bremen oder Hamburg [8]. Am Ende muss der Mehrwert einer Mobilitätsverwaltung sowohl für die Politik als auch für die Gesellschaft klar erkennbar sein. Nur dann kann eine flächendeckende Transformation gelingen. Bild 3: Beispielhafter organisatorischer Aufbau einer Mobilitätsverwaltung [1] MOBILITÄT Verwaltung Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 56 DOI: 10.24053/ IV-2024-0047 Damit die Mobilitätsverwaltung auch tatsächlich einen Mehrwert für die Gesellschaft entfalten kann und nicht nur dem Namen nach Mobilität plant, muss sie einige grundlegende Anforderungen erfüllen. Aus unseren langjährigen Forschungen mit deutschen Planungsinstitutionen haben wir fünf Anforderungen identifizieren können, die für das Funktionieren einer modernen Mobilitätsverwaltung entscheiden sind. Erst wenn diese auf institutioneller Ebene gewährleistet sind, können die vollen Gestaltungspotenziale der Mobilitätsplanung in Deutschland ausgeschöpft werden. 1. Die Politik muss für das gesamte Mobilitätssystem einen normativen Rahmen schaffen. Dieser ermöglicht es nicht nur den Mobilitätsverwaltungen, sondern auch privaten Akteuren und Unternehmen an der Erreichung der Mobilitätsziele mitzuwirken oder sich bei Entgegenwirken rechtfertigen zu müssen. Insbesondere die vielzähligen privaten Mobilitätsdienstleister ebenso wie die zivilgesellschaftlichen Initiativen im Mobilitätsbereich können so in den Lösungsprozess integriert werden. Im besten Fall wird die Einhaltung des normativen Rahmens durch gesetzliche oder ordnungsrechtliche Verankerungen abgesichert. 2. Die Mobilitätsverwaltung muss in der Lage sein, fachübergreifende Mobilitätsstrategien gemeinsam mit der Politik und der Gesellschaft entwickeln zu können. Hierfür braucht sie die Ermächtigung innerhalb der Institution, die relevanten Fachbereiche, wie Raumentwicklung, Verkehrsplanung und Mobilitätsmanagement, zur Kooperation und Zielabstimmung zu verpflichten. Weiterhin ist es von großer Bedeutung, dass die Mobilitätsstrategie neben einer Vision auch konkrete Zielkriterien für die Planung enthält. Diese müssen für alle Akteure transparent zugänglich sein. 3. Die Mobilitätsverwaltung muss aktiv das Mitwirken lokaler Akteure und Unternehmen an der Planung forcieren. Die Vielzahl der Stakeholder im Bereich der Mobilität hat zur Folge, dass eine Institution realistischerweise nicht allein die Bearbeitung eines solchen Planungsfelds bewerkstelligen kann. Vielmehr werden Formen der ‚kollaborativen Governance‘ unter Einbeziehung vielfältiger Akteure und Initiativen für den Umgang mit Mobilitätsfragen immer wichtiger [9]. Die Mobilitätsverwaltung muss deshalb die Expertise besitzen, relevante Akteure und Zielgruppen identifizieren, ansprechen und im Planungsprozess involvieren zu können. 4. Die Mobilitätsverwaltung muss als Moderatorin und Mediatorin zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sowie den politischen Vertretenden auftreten. Insbesondere da mobilitätsbezogene Maßnahmen in die individuellen Freiheiten und Gewohnheiten der Menschen eingreifen, ist eine umfängliche Aufklärung und Beteiligung der Betroffenen unumgänglich. Die Mobilitätsverwaltung hat dafür Sorge zu tragen, dass Mobilitätsziele nicht gegeneinander ausgespielt werden und eine gerechte Balance zwischen den individuellen Interessen der Betroffenen und den gesamtgesellschaftlichen Zielen erreicht wird. Hierfür ist es notwendig, die Akteure aus Politik und Gesellschaft bedarfsgerecht anzusprechen und mögliche Konfliktlinien frühzeitig zu identifizieren. 5. Die Mobilitätsverwaltung muss in der Lage sein, die relevanten Kenngrößen zur Mobilität feststellen und bewerten zu können. Hierfür brauchen die Mobilitätsplanenden Kenntnisse über Methoden und Verfahren, wie die Erreichbarkeit, der Verkehr sowie die individuellen Fähigkeiten und Wahrnehmungen untersucht und interpretiert werden können. Dieses Wissen muss im Anschluss so aufbereitet werden, dass die externen an der Planung beteiligten Akteure aus anderen Fachbereichen, der Politik und der Gesellschaft ausreichend Kenntnis besitzen, um planungsrelevante Entscheidungen zu treffen. Erst mit der Erfüllung aller fünf Anforderungen kann von einer vollwertigen und integrierten Mobilitätsverwaltung gesprochen werden. Der Weg dorthin ist mitunter lang und viele Städte greifen mit einer Umbenennung ihrer Fachbereiche und Ämter dieser Transformation voraus. Dies ist insofern legitim, als dass Politik und Planung in diesen neuen Mobilitätsämtern, -referaten, -abteilungen oder Stabstellen aktiv an der Transformation hin zu einer tatsächlichen Mobilitätsverwaltung arbeiten. Ist dies nicht der Fall, bleibt der Mobilitätsbegriff lediglich ein Feigenblatt, um das angestaubte Image der Verkehrsbehörde mit mobilitätsbezogenen Vokabeln aufzufrischen. Nur wenn alle Handlungsfelder, Ämter, Abteilungen und Entscheidungstragenden ihren Beitrag zur Transformation der Verwaltung leisten, kann sie voranschreiten. Veto-Playern aus Politik, Verwaltung oder Gesellschaft muss zugehört und ihre Bedenken ernst genommen werden. Gleichzeitig müssen sie bei der Problemlösung in die Verantwortung genommen und aktiv an der Lösungsfindung beteiligt werden, um Blockaden zu überwinden. Verschiedene Sichtweisen müssen besprochen, Verlustängste gegenüber den neuen Wirklichkeiten abgewogen sowie Überlastungen koordiniert und entgegengewirkt werden. Dafür muss ein einheitliches Bild von Mobilität und Mobilitätsplanung entstehen, an dem alle teilhaben und mitwirken wollen. Die Verwaltung spielt für die Mobilitätsplanung eine zentrale Rolle und hat die Möglichkeit, zukünftig als Treiber des Mobilitätswandels die Verantwortung zu übernehmen. Voraussetzung ist, dass ihre eigenen Prozesse und Strukturen an die Herausforderungen angepasst werden. ■ LITERATUR [1] Rammert, A (2024): Mobilitätsplanung. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden. https: / / doi. org/ 10.1007/ 978-3-658-43265-2 [2] Hausigke, S (2024): Die Grenzen der Verwaltung für nachhaltige Mobilität. Journal für Mobilität und Verkehr, (20): 28-36. https: / / doi.org/ 10.34647/ jmv.nr20.id137 [3] German Partnership for Sustainable Mobility (GPSM) (2015): Recommendations for Mobility Master Planning. https: / / transformative-mobility. org/ multimedia/ recommendations-for-mobilitymaster-planning/ [4] Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes Nordrhein- Westfalen (ILS NRW) (2005): Umsetzung und Akzeptanz einer nachhaltigen Verkehrspolitik - NAPOLI. https: / / d-nb.info/ 1015098835/ 34 [5] Stein, T, Klein, T, Lindner, S (2022): Was hemmt die Umsetzung der kommunalen Radverkehrsplanung? Erste Ergebnisse aus dem laufenden BMBF-Forschungsprojekt „KoRa - Beseitigung von Umsetzungshemmnissen in der kommunalen Radverkehrsplanung - soziotechnische Innovationen und kommunale Steuerungsmöglichkeiten“. https: / / difu.de/ publikationen/ 2022/ was-hemmtdie-umsetzung-der-kommunalen-radverkehrsplanung [6] Raffer, C, Buchmann, F, Schneider, S (2023): Erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation in der Kommunalverwaltung. Deutsches Institut für Urbanistik. https: / / difu.de/ publikationen/ 2023/ erfolgreiche-nachhaltigkeitstransformation-inder-kommunalverwaltung [7] VCD (2021): Entwurf für die Regelungsinhalte eines Bundesmobilitätsgesetzes. https: / / www.vcd. org/ bundesmobilitaetsgesetz [8] UBA (2023): Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Umgestaltung des Straßenraums. Ein Blick in die deutsche und europäische Praxis. https: / / www.umweltbundesamt.de/ publikationen/ schluesselfaktoren-fuer-eine-erfolgreiche [9] Pucci, P, Vecchio, G (2019): Enabling mobilities. Planning tools for people and their mobilities. Springer; Politecnico Milano, Cham, Milano. https: / / doi. org/ 10.1007/ 978-3-030-19581-6 Eingangsabbildung: © Sven Hausigke Alexander Rammert, Dr.-Ing., Geschäftsführer, STRATMO, Hubertusstraße 13, 12163 Berlin rammert@stratmo.de Sven Hausigke, M.Sc., Promovend, Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung, TU Berlin, Sekr. SG 4, Salzufer 17 - 19, 10587 Berlin sven.hausigke@ivp.tu-berlin.de Verwaltung MOBILITÄT Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 57 DOI: 10.24053/ IV-2024-0047 die Dynamisierung und bedarfsgerechte Anpassung des öffentlichen Verkehrssystems ab, um eine flexiblere Nutzung vorhandener Kapazitäten zu ermöglichen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verbesserung der Mobilitätsangebote in schrumpfenden Regionen, indem beispielsweise statische Linienverkehre durch On-Demand-Verkehrslösungen ersetzt werden, ohne dabei die Kosten zu erhöhen. Die Innovation liegt dabei in der Einbindung von On-Demand-Verkehren in den regulären ÖPNV-Betrieb, mit ÖPNV- Ressourcen und der Anschlusssicherung an vorhandene Linienverkehre. Kern des Ansatzes ist eine IT-Lösung der IVU, aufbauend auf der IVU.suite, die bereits heute integraler Bestandteil des Betriebsleitsystems vieler ÖPNV-Betriebe ist. Das Projekt verfolgte zudem das Ziel, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen dieser neuen Mobilitätsansätze zu untersuchen, um eine nachhaltige und stadtverträgliche Transformation des Mobilitätssystems zu fördern. Ein prakti- Das Projekt Im Angesicht gegenwärtiger Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Überschreitung von Schadstoff-Grenzwerten, markantem Bevölkerungswachstum sowie einer zunehmenden Verkehrsbelastung stehen Städte in Deutschland und Europa vor komplexen Aufgaben. Diese Situation wird durch das Auftreten neuer Mobilitätsdienstleister verschärft, die mit traditionellen öffentlichen Verkehrsnetzen konkurrieren und dabei oft zu einer Erhöhung der Anzahl der Fahrzeugbewegungen beitragen. Gleichzeitig müssen sich insbesondere schrumpfende Städte und ländliche Regionen mit steigenden Kosten für die Mobilitätsinfrastruktur auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund hat das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt MaaS L.A.B.S. ein innovatives Mobilitätskonzept entwickelt, das öffentliche Verkehrsbetriebe in die Lage versetzen soll, effektiv auf diese Entwicklungen zu reagieren. MaaS L.A.B.S. zielt auf sches Beispiel für die Anwendung dieser innovativen Ansätze bietet das Testgebiet in der Stadt Cottbus, wo Teile des bestehenden Linienverkehrs der Cottbusverkehr GmbH zu einem bedarfsgesteuerten Betrieb umgestaltet werden sollen. Die Ausgangslage Die Stadt Cottbus hat gegenwärtig etwa 100.000 Einwohner. Das Testgebiet für das dynamische Bedarfsverkehrssystem beschränkt sich zunächst auf die Anruf-Buslinie 18 im westlichen Cottbuser Stadtteil Ströbitz sowie die angrenzenden Bereiche. Neben der Linie 18 befinden sich in diesem Bereich Haltestellen der Tram-Linien 2 und 3 sowie der städtischen Buslinien 12 und 16 sowie einiger überregionaler Buslinien. Im betrachteten Testgebiet wohnen 15.800 Einwohner. Die gegenwärtige Abdeckung des ÖPNV im Testgebiet kann folgender Grafik entnommen werden (Bild 1). Etwa ein Viertel der Einwohner im Testgebiet findet heute eine ÖPNV-Haltestelle MaaS L.A.B.S. - ÖPNV in Cottbus Von statischen zu bedarfsgesteuerten Verkehrssystemen ÖPNV, Bedarfsverkehr, RBL, Mobilitätsdienstleister, Mobilitätsansätze Eine zunehmende Anzahl von Haushalten verzichtet auf den eigenen Pkw. Gleichzeitig drängen solitäre Mobilitätsanbieter auf den Markt, die dazu tendieren, dem ÖPNV in öffentlicher Trägerschaft Fahrgäste zu entziehen, und dabei mehr Fahrzeugbewegungen bewirken. Parallel sehen sich Städte zunehmend mit höheren Kosten der Daseinsvorsorge bei der Bereitstellung von Mobilitätsangeboten konfrontiert. Das BMBF-geförderte Projekt MaaS L.A.B.S. ertüchtigt ÖPNV-Unternehmen, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, indem flexible Bedarfsverkehre direkt in das Bestandsangebot integriert werden. Philip Michalk, Juliana Habor, Martin Jung, Rico Metschke, Anne-Katrin Osdoba TECHNOLOGIE ÖPNV Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 58 DOI: 10.24053/ IV-2024-0048 innerhalb von 200 Metern Laufdistanz vor. Rund 13 % der Einwohner müssen mehr als 400 Meter zu Fuß bis zur nächsten Haltestelle zurücklegen. Um den Zugang zum ÖPNV für Menschen zu erleichtern, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ist im Projekt MaaS L.A.B.S. neben der Flexibilisierung der Routenführung der Rufbuslinie 18 auch eine Erweiterung der Zugänglichkeit implementiert worden. Dies wurde durch die Einrichtung von sogenannten virtuellen Haltestellen umgesetzt, die bedarfsgesteuert auf der neuen Linie bedient werden (Bild 2). Virtuelle Haltestellen sind durch die Genehmigungsbehörde zuzulassen. Sie sind aber in aller Regel nur durch eine Markierung (etwa an einem Lichtmast) gekennzeichnet, verfügen nicht über die übliche Ausstattung mit Überdachung oder Sitzgelegenheit und können dadurch schnell und in deutlich größerer Anzahl (und Dichte) im Bediengebiet angelegt werden. Die Erweiterung des Haltestellennetzwerks bewirkt eine signifikante Verbesserung der Zugänglichkeit zum ÖPNV im Testgebiet. Über die Hälfte der Einwohner und somit mehr als doppelt so viele Menschen wie zuvor erreichen die nächste Haltestelle nun in maximal 200 Metern Laufdistanz. Weitere 42 % müssen höchstens 400 Meter und weniger als 1 % der Einwohner müssen mehr als 600 Meter bis zum nächsten Haltepunkt zurücklegen. Die Erschließung schwach versorgter Gebiete führt damit aus Kundensicht zu einer Steigerung der Angebotsqualität und aus Betreibersicht grundsätzlich zu einer Erhöhung des Fahrgastpotenzials insgesamt. Die Innovation Die Flexibilität von ÖPNV-Angeboten besteht häufig darin, dass Fahrten erst nach Bedarfsanmeldung durchgeführt werden. Die Fahrten beruhen jedoch meistens auf vorgeplanten Fahrwegen und Abfahrtszeiten. Das MaaS L.A.B.S.-Projekt verfolgte den Ansatz, sowohl die zeitliche als auch die räumliche Flexibilität zu steigern. Das entwickelte Betriebskonzept sieht vor, dass Fahrten erst nach Bedarfsanmeldung geroutet werden, sodass die Fahrwege dynamisch entstehen. Somit lassen sich mehr potenzielle Haltestellen integrieren und damit auch die Fußwege zur nächsten Haltestelle für die Fahrgäste verkürzen. Eine Bindung an vorgeplante Abfahrtszeiten entfällt. Dadurch kann die Fahrt besser an die zeitlichen Bedürfnisse der Fahrgäste und die Ankunfts- und Abfahrtszeiten anderer Verkehre angepasst werden. Das Konzept sieht auch eine Anschlusssicherung vor. Weiterhin wird die Buchung verbessert: Die telefonische Buchungsmöglichkeit (aus dem klassischen Ruf busverkehr) soll bestehen bleiben. Zusätzlich können Fahrten direkt in der Auskunfts-App der jeweiligen Verkehrsbetriebe oder des übergeordneten Verkehrsverbunds gebucht werden. Bisherige App- oder Web-basierte Lösungen sind losgelöst von anderen ÖPNV-Angeboten und ermöglichen nur die Betrachtung der Bedarfsverkehre. Die neue Lösung sieht vor, dass die gesamte Reisekette beauskunftet und ohne Weiterleitung an eine externe Plattform direkt gebucht werden kann. Durch die Digitalisierung des Prozesses können kürzere Voranmeldezeiten realisiert werden. Für Verkehrsbetriebe stehen Digitalisierung und somit Automatisierung von Bild 1: Laufdistanz zur nächsten ÖPNV-Haltestelle im Testgebiet, Status quo Bild 2: Laufdistanz zur nächsten ÖPNV-Haltestelle im Testgebiet, MaaS L.A.B.S. ÖPNV TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 59 DOI: 10.24053/ IV-2024-0048 Das oben beschriebene Konzept wurde für das Verkehrsgebiet in Cottbus konkretisiert. Die schwach ausgelastete Linie 18 (heute eine Anruflinie) soll in einen On-Demand- Verkehr im Sektorbetrieb überführt werden. Das Konzept des Sektorbetriebs ist in Bild 3 dargestellt. Das Bedarfsangebot fungiert als Zu- oder Abbringer. Daher muss bei der Buchung die Anschlusshaltestelle zu anderen ÖPNV-Verkehren als Einstiegs- oder Ausstiegshaltestelle gewählt werden. Bei einer Voranmeldung bzw. mehreren Voranmeldungen wird ein optionaler Fahrweg geroutet, der die Fahrgastanfragen gebündelt berücksichtigt. Bleiben Voranmeldungen aus, findet keine Fahrt statt. Eine Vielzahl von Bedarfshaltestellen (sogenannte virtuelle Haltestellen) kann angeboten werden. In Bild 4 ist die IVU.suite dargestellt, eine Standardlösung der IVU. Teile davon sind auch bei Cottbusverkehr im Einsatz. Die IVU. suite wurde im Rahmen des MaaS L.A.B.S.- Projektes erweitert, um die oben beschriebene Betriebskonzepte zu unterstützen. Bei der Erweiterung musste sichergestellt werden, dass alle bisherigen Funktionalitäten nicht beeinträchtigt werden, da diese Standardlö- Betriebsabläufen im Fokus. Bisher wird mit vorgeplanten Fahrten gearbeitet, die je nach Bedarf gefahren werden oder ausfallen. Die Leitstellensoftware unterstützt diese Art von Verkehren bisher nur bedingt. Viele Verkehrsunternehmen greifen daher noch zu Stift und Papier, um Buchungen vorzumerken. Fahrer werden nicht automatisch über anstehende Fahrten benachrichtigt, sondern müssen häufig telefonisch kontaktiert werden. Die Fahrt selbst wird oft nicht wie klassische Linienfahrten in der Leitstelle erfasst, da diese häufig von Subunternehmern mit kleinen Fahrzeugen ohne Bordrechner durchgeführt werden. Das entwickelte System ermöglicht, dass dynamisch erzeugte Fahrten automatisiert von der Auskunfts-App über standardisierte Schnittstellen in das Leitstellensystem übertragen werden und wie herkömmliche vorgeplante Fahrten erscheinen. Bei der Fahrterzeugung wird eine optimale Route durch das Verkehrsnetz ermittelt und werden verschiedene Fahrgastanfragen gebündelt. Somit lassen sich Fahrgastwünsche effizient erfüllen. Dieses Verfahren läuft im Hintergrund ab und verlangt kein Eingreifen von Leitstellenmitarbeitern. (Eine Ausnahme stellt die telefonische Buchung dar. Dafür müssen Telefonanfragen entgegengenommen und Fahrten vom Disponenten über eine Benutzeroberfläche ins Leitstellensystem eingepflegt werden.) Die Übertragung der Fahrten von der Leitstelle zum Bordrechner im Fahrzeug erfolgt automatisch. Sollte kein festinstallierter Bordrechner vorhanden sein, können mobile Endgeräte eingesetzt werden. Wird die Fahrt durchgeführt, erscheint diese wie herkömmliche Fahrten in der Leitstelle inklusive der Möglichkeit der Ortung für Echtzeitinformationen für Disponenten und Fahrgäste. Der Disponent kann analog zu vorgeplanten Fahrten dispositive Maßnahmen durchführen. Anschlusssicherungen können automatisiert werden. sung auch von vielen anderen Verkehrsunternehmen produktiv genutzt wird. Die IVU. suite wurde dahingehend modifiziert, um dynamisch erzeugte Fahrtverläufe, die nicht in den Plandaten vorhanden sind, entgegennehmen und verarbeiten zu können. Dazu wurde das Datenmodell grundlegend überarbeitet. Bisher wurden Verweise auf Fahrwege in den Plandaten genutzt, um Fahrten abzubilden. Da dynamisch erzeugte Fahrtverläufe nicht in den Plandaten vorkommen, wurden nun sogenannte ausgerollte Fahrten modelliert, die den kompletten Fahrtverlauf beschreiben. Die IVU.suite wurde angepasst, um das neue Datenmodell nutzen zu können. Bild 5 zeigt den Prozess der Fahrterzeugung und -übermittlung. Der Fahrgast erhält in der Fahrplanauskunft eine Reiseroute vorgeschlagen. Ist darin eine Bedarfsfahrt enthalten, die vorab angemeldet werden muss, kann diese dort direkt gebucht werden, ohne auf eine andere Plattform weitergeleitet zu werden. In diesem Prozess sind sowohl die Fahrplanauskunftsplattform als auch das Routing und Fahrtbündelungssystem beteiligt. Die dynamisch erzeugten Fahrten werden an das Leitstellensystem und weiter an das Fahrzeug übermittelt. Die Schnittstelle 1 (vgl. Bild 5) dient dazu, Buchungen von Bedarfsfahrten aus einem Auskunftssystem zu ermöglichen. Sie baut auf der Standardschnittstelle Travellers‘ Realtime Information and Advisory Standard (TRIAS) bzw. die VDV-Schrift 431-2 „Echtzeit Kommunikations- und Auskunftsplattform EKAP“ auf. Im MaaS L.A.B.S.-Projekt wurden Erweiterungen für diese Schnittstelle erarbeitet, welche in die VDV-Schrift Version 1.4 eingeschlossen sind. Die TRIAS-Schnittstelle wurde um die Dienste Verfügbarkeitsanfrage, Buchenanfrage und Stornoanfrage ergänzt. Die Schnittstelle 2 (vgl. Bild 5) dient dazu, gebündelte Fahrten aus dem Routingsystem, die durch (mehrere) Fahrgastanfragen dynamisch geroutet wurden, ins Leitstellensystem zu übertragen. Sie baut auf der Standardschnittstelle, spezifiziert in der VDV-Schrift Bild 3: Konzept Sektorbetrieb; links: Haltestellennetz, rechts: Fahrweg nach Voranmeldung (beispielhaft) Bild 4: Die IVU.suite für Busse und Bahnen TECHNOLOGIE ÖPNV Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 60 DOI: 10.24053/ IV-2024-0048 459 Ist-Daten-Schnittstelle „Nachfragegesteuerte Verkehre (AST)“, auf und wurde im Rahmen des Projektes modifiziert. Die Schnittstelle 3 (vgl. Bild 5) ist eine IVU-interne Schnittstelle, um Fahrten von der Leitstelle zum Bordrechner zu senden. Das bestehende Verfahren wurde erweitert, um Fahrten, die nicht in den Solldaten enthalten sind, übertragen zu können. Die Nutzersicht Zu Anfang des Jahres 2021 wurde eine Online- Umfrage bei Bürgerinnen und Bürgern in der Stadt Cottbus durchgeführt. Ziel war zu eruieren, ob ein flexibilisiertes Mobilitätsangebot bei den Nutzenden in Cottbus Akzeptanz finden würde und welche Ansprüche an ein solches Angebot bestehen. Für die Auswertung der Umfrage konnten 171 vollständige Fragebögen herangezogen werden. Die Umfrage erfolgte auf Basis einer möglichen Umstellung von drei Linien (Rufbuslinie 18 und nächtliche Tram-Ersatzlinien 2N und 3N) in einen bedarfsorientierten Korridorverkehr mit virtuellen Haltestellen. Das untersuchte Angebot umfasste die Bestellung des Busses über die VBB-App des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg (VBB) oder telefonisch bei der Cottbusverkehr GmbH bis zu 30 Minuten vor Abfahrt mit der Angabe von Start- und Zielort, der Abfahrts- oder Ankunftszeit sowie der Anzahl der mitfahrenden Personen. Der Fahrgast erhält bei der Buchung die Information über die genaue (ggf. virtuelle) Abfahrtshaltestelle und kann ein reguläres Ticket für die Fahrt nutzen. Als Änderungen durch den neuen Bedarfsverkehr wurden den Umfrageteilnehmenden die Erweiterung des Haltestellennetzes durch virtuelle Haltestellen sowie eine Verkürzung des Weges zur nächsten Haltestelle genannt. Die Busse fahren flexibel im Bediengebiet, unabhängig von einem festen Fahrplan, sodass Fahrgäste dann auch an Haltestellen ein- oder aussteigen können, die normalerweise nicht auf der Strecke des üblichen Linienbusses liegen, wodurch kleine Umwege von wenigen Minuten entstehen können. Die Auswertung der Umfrageergebnisse ergab, dass das Angebot von der Mehrheit der Befragten als positiv angesehen wird. Für die Mehrheit der Nicht- ÖPNV-Nutzenden stellt es eine interessante Alternative zu ihrem aktuellen Verkehrsmittel dar. Die Mehrheit der bereits ÖPNV-Nutzenden sieht den Bedarfsverkehr als Verbesserung gegenüber dem jetzigen Angebot bzw. als Nutzungserleichterung an. Die beiden am häufigsten genannten Gründe, warum Pkw- und Rad-Fahrende sowie Fußgängerinnen und Fußgänger nicht den ÖPNV nutzen, waren ein unpassendes Angebot (Fahrplan, Verbindung etc.) und mangelnde Flexibilität. Von den am Angebot interessierten Teilnehmenden wird daher der größte Vorteil des Bedarfsverkehrs in der Buchung des Busses zu passenden Zeiten gesehen. Das Zeitfenster für die Buchung (zwischen Bestellung und Abfahrt) sollte so kurz wie möglich gehalten werden. Für 44 % der Befragten ist ein Zeitfenster von 30 Minuten akzeptabel, für 30 % maximal 20 Minuten, und 26 % der Befragten sehen sogar nur ein Zeitfenster von maximal 10 Minuten als akzeptabel an. Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich also eine kürzere Vorbuchungszeit als die bislang geplanten 30 Minuten. Die Sicht von Cottbusverkehr Der Fachkräftemangel einerseits sowie gestiegene Mobilitätsansprüche andererseits stellen Verkehrsunternehmen heute vor große Voraussetzungen. Gerade in den dünn besiedelten Gegenden ist es schwierig, mit dem konventionellen Linienbus eine bedarfsgerechte ÖPNV-Erschließung anzubieten. Ein flexibler Bedarfsverkehr, der zwischen starken Busachsen existiert, kann hier helfen, eine wichtige Lücke in der Angebotsgestaltung zu schließen. Im Schülerverkehr mit homogener Nutzerklientel, aber sehr heterogenen Bedienzeiten aufgrund unterschiedlicher Stundenplankonstellationen sind kleine Gefäßgrößen, die flexibel eingesetzt werden, der richtige Weg. Die Disposition dieser Verkehre auf Basis einer Plattformlösung mit der Möglichkeit der Onlinebuchung unter voller Integration in die Leitstellensystemlandschaft wird bei Cottbusverkehr weiterhin verfolgt. Fazit und Ausblick Mit der Entwicklung der Betriebskonzepte und der Weiterentwicklung der Softwarekomponenten und der Schnittstellen zu anderen Systemen wurden wichtige Grundlagen geschaffen, um räumlich und zeitlich flexible Bedarfsverkehrsformen in die bestehenden IT-Systeme von Verkehrsunternehmen zu integrieren. Dynamisch geroutete, nicht vorgeplante Fahrten können wie herkömmliche Linienverkehre in der Leitstelle und auf dem Bordrechner behandelt werden. Im Forschungsprojekt MaaS L.A.B.S. wurde das System entwickelt und auf Machbarkeit geprüft. Die nächsten Schritte sehen vor, das System im Feld weiter zu erproben und die Bedienelemente und Abläufe durch eine nutzerzentrierte Gestaltung weiter zu verbessern. Verkehrsunternehmen, die Gebiete mit schwachen Auslastungen bedienen oder bereits Bedarfsverkehrslösungen haben, die aber isolierte Einzellösungen sind, können von dieser integrierten Lösung profitieren. ■ Eingangsabbildung: © iStock.com/ Milos-Muller Bild 5: Systemübersicht (vereinfacht) Philip Michalk, Dipl.-Ing. Koordinator der Forschungsgruppe Verkehrslogistik Technische Hochschule Wildau michalk@th-wildau.de Juliana Habor, Dr.-Ing. Forschung und Lehre IVU Traffic Technologies AG, Aachen HAB@ivu.de Martin Jung, M. Eng., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Hochschule Wildau, Forschungsgruppe Verkehrslogistik martin.jung@th-wildau.de Rico Metschke, Dipl.-Ing. Verkehrsangebotsplanung Cottbusverkehr GmbH Rico.Metschke@cottbusverkehr.de Anne-Katrin Osdoba, Dipl.-Wirtsch.- Ing. (FH) Wissenschaftliche Mitarbeiterin Technische Hochschule Wildau, Forschungsgruppe Verkehrslogistik osdoba@th-wildau.de ÖPNV TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 61 DOI: 10.24053/ IV-2024-0048 Umsetzbarkeit und ihres Einflusses auf den Marktanteil zu bewerten. Dabei werden sowohl neue als auch bereits bekannte Ansätze betrachtet, um ein umfassendes Bild der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen zu zeichnen. Insgesamt wurden 23 Maßnahmen bewertet. Diese Maßnahmen verteilen sich auf die Bereiche Politik (9 Maßnahmen), Infrastruktur (6 Maßnahmen), Kooperation & Koordination (4 Maßnahmen) sowie Technologie & Markt (4 Maßnahmen). Sie sind den entsprechenden Bereichen in den Bilden 1 bis 4 zugeordnet. Die Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse über vielversprechende Maßnahmen, die sowohl in der Forschung als auch in der unternehmerischen Praxis aufgegriffen werden können. Eine Delphi-Studie über zwei Befragungsrunden wurde als methodisches Instrument T echnische Entwicklungen, wie beispielsweise die Digitale Automatische Kupplung und die Digitalisierung mit neuen Anwendungsmöglichkeiten für datengetriebene Planung und künstliche Intelligenz, eröffnen vielversprechende Perspektiven zur Steigerung der Attraktivität des Schienengüterverkehrs. Das vom Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt durchgeführte Projekt „KV-Radar 2023“ untersucht diese neuen Entwicklungen gezielt im Kontext des Kombinierten Verkehrs (KV, hier der Kombinierte Straßen-/ Schienengüterverkehr) und analysiert deren Einsatzmöglichkeiten für die beteiligten Akteure. Ziel des „KV-Radars“ ist es, Maßnahmen zur Stärkung des KV hinsichtlich ihrer zur Konsensfindung unter Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern in einem mehrstufigen Prozess gewählt. Die Ergebnisse des „KV-Radars“ aus dem Jahr 2021 dienen als Basis [1], um die Entwicklungsdynamiken bezüglich der Umsetzbarkeit und Wirkung von Maßnahmen zur Stärkung des KV zu identifizieren. Durch die erneute Durchführung der Studie werden die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit der zu beobachtenden Maßnahmen im KV bestimmt und Zukunftsszenarien projiziert. Die Bewertung der Meinungen der im KV tätigen Personen erweitert und verfeinert die zuvor identifizierten Maßnahmen, um ein tieferes Verständnis für die aktuellen Dynamiken im Markt zu gewinnen. Indem die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der bereits identifizierten oder teilweise im- Ein Radar für den Kombinierten Verkehr Delphi-Studie zur Maßnahmenermittlung und -bewertung für die Stärkung des KV in Deutschland Digitalisierung, Infrastruktur, Delphi-Studie Das Projekt „KV-Radar 2023“ vom Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt untersucht Maßnahmen zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs (KV) und deren Umsetzungsmöglichkeiten. Ziel dieser Delphi-Studie ist es, Maßnahmen in den Bereichen Politik, Infrastruktur, Kooperation & Koordination sowie Technologie & Markt hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und ihres Einflusses auf den Marktanteil zu bewerten. Die Studie zeigt, dass 19 Maßnahmen einen hohen Einfluss auf den Marktanteil haben könnten, jedoch einen hohen Umsetzungsaufwand erfordern. Ralf Elbert, Yuerui Tang Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 62 DOI: 10.24053/ IV-2024-0049 TECHNOLOGIE Kombinierter Verkehr plementierten Maßnahmen aus der ersten Durchführung erneut bestimmt werden, können die zeitbezogenen Entwicklungen des KV abgeschätzt und fundierte Einblicke in die Entwicklungspfade des Kombinierten Verkehrs gegeben werden. Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass 19 von 23 Maßnahmen einen hohen Einfluss auf den Marktanteil haben könnten, jedoch einen hohen Umsetzungsaufwand erfordern. Diese Maßnahmen befinden sich im zweiten Quadranten oben links und umfassen vor allem alle infrastrukturellen Maßnahmen sowie Maßnahmen im Bereich der Kooperation und Koordination. Diese Einschätzung verdeutlicht, dass die Stärkung des KV ein langfristiger Prozess ist, bei dem eine sorgfältige Abwägung verschiedener Maßnahmen notwendig ist. Einige Maßnahmen wurden jedoch als vergleichsweise leicht umsetzbar eingestuft, wie beispielsweise die stärkere Ausrichtung der Ausbildungsinhalte in Logistik und Transport auf den KV, die Aussetzung der CO2-Steuer bzw. Maut für den KV im Vor- und Nachlauf sowie der Ausbau des kontinuierlichen Trackings von Verkehrsträgern. Diese könnten bereits in einem mittelbis kurzfristigen Zeitrahmen Wirkung zeigen. Die Einschätzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forschungsprojekts sind jedoch nicht immer einstimmig. Die größten divergierenden Meinungen ergeben sich, wie in Bild 5 dargestellt, bei der Erhöhung der Terminaldichte in nachfragestarken Regionen durch Bau neuer Terminals hinsichtlich des Einflusses auf den Marktanteil im Bereich Infrastruktur sowie bei der finanziellen Förderung von kranbarem Equipment für Transportunternehmen und der Aussetzung der CO2-Steuer/ Maut für den KV im Vor- und Nachlauf hinsichtlich der Umsetzbarkeit im Bereich Politik. Zwischen den vier Bereichen lässt sich kein klarer Unterschied erkennen, ob die Meinungen besonders einheitlich oder unterschiedlich sind. Auch zwischen den beiden Bewertungskriterien herrscht ein ähnliches Bild. Im Vergleich zu den Ergebnissen des vorherigen „KV-Radars“ zeigten sich 2023 besonders starke Entwicklungen bei Maßnahmen wie der Durchsetzung von Tariflöhnen für alle Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer, der Erhöhung der Lkw-Maut auf tatsächliche und Folgekosten sowie dem Ausgleich des Nutzlastnachteils kranbarer Sattelauflieger durch Erhöhung des zulässigen Gewichts. Bild 6 zeigt, dass alle drei Maßnahmen als leichter umsetzbar als vor zwei Jahren eingeschätzt werden, was auf eine größere Zuversicht in der politischen Unterstützung hinweist. Der Einfluss auf den Marktanteil bei der Erhöhung der Lkw-Maut ist stark gestiegen, was die Konkurrenz des Straßenverkehrs zum Schienengüterverkehr un- Erhöhung der Trassenpriorisierung für Schienengüterverkehre Schnellere und vereinfachte Genehmigungsverfa hren für KV Einführung eines landesweiten Konzepts für (Umschlag-)Flächen für den KV Finanzielle Förderung der Einrichtung neuer Schienenrelationen Mehr Fördermittel und bessere Förderbedingungen für den KV Erhöhung der LKW- Maut auf tatsächliche und Folgekosten Finanzielle Förderung von kranbarem Equipment für Transportunternehmen Aussetzung von CO2-Steuer/ Maut für KV im Vor- und Nachlauf Ausbildungsinhalte in Logistik und Transport stärker auf KV fokussieren 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 1: Maßnahmen im Bereich Politik Linderung des Personalmangels an LKW- Fahrern durch Erhöhung der Attraktivität der Arbeit im Vor- und Nachlauf des KV Erhöhung der Terminaldichte in nachfragestarken Regionen durch Bau neuer Terminals Erhöhung der Kapazität/ Produktivität bestehender Terminals/ Automatisierung von Terminals Erweiterung von Abstellflächen bestehender Terminals Ausbau der Umschlagskapazitäten in Terminals für 740m Züge Ausbau/ Erweiterung Vorbahnhöfe zur Entlastung von Terminals 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 2: Maßnahmen im Bereich Infrastruktur Stärkung europäischer Kooperationen im Bereich Schiene Etablierung digitaler Plattformen zum Datenaustausch im Bereich KV Bilaterale Kooperation zwischen Terminals zur bestmöglichen Auslastung von Zügen Standardisierung der zu übermittelten Daten 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 3: Maßnahmen im Bereich Kooperation und Koordination Kombinierter Verkehr TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 63 DOI: 10.24053/ IV-2024-0049 terstreicht. Obwohl der Straßenverkehr für den Vor- und Nachlauf des KV erforderlich ist, kann er aufgrund seiner hohen Flexibilität viel Marktanteil vom KV abziehen. Der Straßenverkehr für den KV profitiert jedoch von der Kabotage-Freiheit [2], was zu geringeren Kosten führen kann. Die Einschätzung des Einflusses auf den Marktanteil beim Ausgleich des Nutzlastnachteils kranbarer Sattelauflieger hat sich deutlich verschlechtert. Hier zeigte sich, dass nicht nur die zusätzlichen Gewichte und das reduzierte Volumen durch diese Funktion Nachteile bringen, sondern auch die hohen Beschaffungskosten solcher Behälter die Speditionen, die hauptsächlich auf Straßenverkehre setzen, nicht zur Umrüstung motivieren. Am wenigsten verändert haben sich die Maßnahmen zum Ausbau der Umschlagskapazitäten in Terminals für 740-Meter- Züge, zur Etablierung digitaler Plattformen zum Datenaustausch im Bereich KV sowie zur bilateralen Kooperation zwischen Terminals zur bestmöglichen Auslastung von Zügen. Insgesamt lässt sich erkennen, dass der geschätzte Einfluss der Maßnahmen auf den Marktanteil leicht gesunken ist, während die Umsetzbarkeit im Durchschnitt leicht gestiegen ist. Obwohl der KV als ein Bereich mit graduellen Veränderungen angesehen wird, haben die letzten Jahre gezeigt, dass auch hier dynamische Entwicklungen stattfinden können. Deshalb wird die Studie im zweijährigen Turnus erneut durchgeführt, mit der nächsten Erhebung im vierten Quartal 2024. Interessierte sind herzlich eingeladen, ihre Expertise und Erfahrungen im KV einzubringen, um die Erkenntnisse der Studie zu überprüfen und zu ergänzen und die Weiterentwicklung des KV zu unterstützen. ■ LITERATUR [1] Elbert R, Gleser M (2022) KV-Radar - Stärkung des Kombinierten Verkehrs. Internationales Verkehrswesen (74 (2)): 23-25 [2] Verordnung (EG) Nr. 1072/ 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (Neufassung). In: ABl. L 300, S 72-87 Eingangsabbildung: © Yuerui Tang Ralf Elbert, Prof. Dr., Technische Universität Darmstadt elbert@log.tu-darmstadt.de Yuerui Tang, M.Sc., Technische Universität Darmstadt tang@log.tu-darmstadt.de Förderung innovativer Umschlagstechnologien Ausbau des durchgehenden Trackings von Verkehrsträgern Etablierung zentraler digitaler Buchungsplattformen im Bereich KV Einführung digitale automatische Kupplung 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 4: Maßnahmen im Bereich Technologie und Markt Aussetzung von CO2-Steuer/ Maut für KV im Vor- und Nachlauf (Politik) Finanzielle Förderung von kranbarem Equipment für Transportunternehmen (Politik) Erhöhung der Terminaldichte in nachfragestarken Regionen durch Bau neuer Terminals (Infrastruktur) 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch (Politik) Bild 5: Top 3 divergierende Meinungen Ausgleich des Nutzlastnachteils kranbarer Sattelauflieger durch Erhöhung des zulässigen Gewichts (Politik) Erhöhung der LKW- Maut auf tatsächliche und Folgekosten (Politik) Durchsetzung von Tariflöhnen landesweit für alle LKW Fahrer (Politik) 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit 2023 2021 sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 6: Top 3 Entwicklungen 2021-2023 TECHNOLOGIE Kombinierter Verkehr Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 64 DOI: 10.24053/ IV-2024-0049 All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren | abo@narr.de expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Foto von Jon Tyson auf Unsplash DOI: 10.24053/ IV-2024-0050 Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 66 nichts gelernt - auch nicht über das Wesen der Mobilität. Die Vertreibung aus dem Paradies vergleicht Knoflacher mit dem Übergang von der Mikrozur Makromobilität. Technische Hilfsmittel wären hier hilfreich. Das Rad beispielsweise hatte aber in der Evolution keine größere Bedeutung, denn es benötigt ebene Wege und Energie, sie zu errichten - es handelt sich daher erst um eine relativ kurze Errungenschaft. Das Fahrrad bildet hier einen einsamen Höhepunkt energetischer Effizienz, die nicht konsequent genug genutzt wurde. Makromobilität erreichte ihre Blüte erst später durch die Nutzung von externer, fossiler Energie. Der sprunghafte Zuwachs an Antriebsenergie erfolgte allerdings ohne „adäquat entwickeltes Hirn beim Menschen“, um Konsequenzen verantwortungsvoll verarbeiten zu können. Knoflacher schildert in der Folge die Entwicklung des Verkehrssystems vom Fußgeher über die Bahn bis zum Auto mit der Folge, dass der öffentliche Raum durch die Autofahrer „still enteignet“ wurde. D as neue Buch von Hermann Knoflacher ist in einer Zeit entstanden, in der wir mit dem Corona-Virus zu leben gelernt haben. Wir sollten in dieser Zeit zu Experten in Sachen „Viren“ geworden sein und den Umgang mit diesen erlernt haben. Auch wenn Hermann Knoflacher hier ein absolut dichtes Buch geschaffen hat und es schwerfällt, allen Aspekten gerecht zu werden, sollte es nachvollziehbar sein, warum Knoflacher diesen Titel gewählt hat. In seinem Buch greift er als Ausgangspunkt auf die griechische Mythologie und die Handlungen der Protagonisten zurück, die offensichtlich bis heute gültig sind. Er schlägt die Brücke vom Feuer des Prometheus bis hin zum Feuer in den Brennkammern der Motoren mit allen Folgeerscheinungen. Die zentrale Rolle der Energie und der Umgang damit werden angesprochen, in der Folge das Problem der Übernutzung, die unsere Existenz gefährdet. Offensichtlich hat man aus der Menschheitsgeschichte vom Alten Testament bis zum Mittelalter Die Folgen der Beschleunigung sind gravierende Veränderungen der Strukturen und eine Gefährdung der Sozialbeziehungen. Der Mensch greift damit bedenkenlos in komplexe Systeme ein. Die überlebende, von dieser Entwicklung bis heute profitierende Wirtschaft dachte nicht daran, ihre Vorteile aufzugeben. Henry Ford als Gründer moderner Ökonomie gelingt es beispielsweise, Energie in Gewinn und Geld umzuwandeln. Es kam nach Knoflacher zu einer langen Phase der gedankenlosen Bequemlichkeit mit einer Umgestaltung nicht nur der Straßen, sondern auch der Gesellschaft nach den Wünschen der Automobilkonzerne. Die europäische Stadt- und Verkehrsplanung entwickelte sich nach US-Vorbild - der öffentliche Verkehr (ÖV), Fußgeher und Radfahrer wurden ignoriert. Beispielsweise hat der Neoliberalismus in vielen Ländern zum Aufkauf der Straßenbahnen geführt, um sie in der Folge einzustellen. Knoflacher zeigt in der Folge Missstände während der Automobilentwicklung Virus Auto 4.0? eine Buchbesprechung von Josef Michael Schopf ErstE HilfE für diE KünstlErsEElE Hermann Knoflacher Lebensraum für Mensch und Natur in Stadt und Land VIRUS AUTO 4.0 FORUM Buchbesprechung Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 67 DOI: 10.24053/ IV-2024-0050 tionsprinzips durch die Trennung von Nutzen und Schaden. Auf nahezu allen Ebenen erfolgt eine positive Rückmeldung über den großen Erfolg des „Energiesklaven“ Auto an den Hypothalamus. Es gibt demnach keine technische Entwicklung, die die Evolution so erfolgreich zurückgedreht hat wie das Auto. COVID-19 hat eindrucksvoll bewiesen, wie ein Virus ganze Systeme der Menschheit in kürzester Zeit verändert. Dies gilt auch für das Virus Auto, wenn die Menschen nicht rechtzeitig lernen, sich wieder den Gesetzmäßigkeiten der Natur einzugliedern. Die Basis der bisherigen Entwicklung liegt in der Verwechslung individueller Erfahrungen im System mit dem Systemverhalten sowie „der Umstülpung im Hirn, wo das Kleinhirn das Großhirn untergräbt“ und die Wahrnehmung verändert. Mit seinem „Gehzeug“ versucht Knoflacher die Sicht auf die Realität und den Raumanspruch des Autos anschaulich nachvollziehbar zu machen. Er tut dies auch, indem er das Denken in „Stundenkilometern und Pkw-Einheiten“ analysiert. Dabei resultiert jede Mobilität außer Haus aus einem Mangel in diesem selbst. Dieser Mangel kann aus der Zunahme der Autofahrten gemessen werden, das wird jedoch als „Fortschritt“ und positiv als „Wachstum“ bejubelt - die Nähe aber zerstört. Auf der anderen Seite entstehen durchaus Maßnahmen und Projekte, die in Richtung einer Milderung der Situation wirken, aber im Endeffekt keine nachhaltigen Systemänderungen darstellen. In der Folge zählt Knoflacher etliche umgesetzte, gut gemeinte Maßnahmen auf, die auch teilweise Wirkungen zeigen können, aber die grundsätzliche Ansteckung mit dem Virus Auto nicht verhindern und vor allem Symptombehandlungen anbieten. Die Folgen beschreibt Knoflacher drastisch von der Zerstörung räumlicher Qualität bis hin zum Regieren gegen die Bürger. Eine wirksame Lösung der Verkehrsprobleme fällt allerdings schwer, weil sich die Menschen ein nachhaltiges Verkehrssystem kaum mehr vorstellen können. Widerstand regt sich z. B. fast immer, wenn es um niedrigere Tempolimits geht, trotz der Vielfalt an positiven Wirkungen. Auch 30/ 80/ 100 orientiert sich „an der maximalen Toleranz gegenüber der Bequemlichkeit der Autofahrer - aber immerhin“. Schließlich beruft sich Knoflacher auf Prinzipien der Hygiene bei der Virenbehandlung - wirksame Therapien müssen an den Ursachen ansetzen. Sie sollen „ein Leben ohne Autozwang und eine Befreiung aus der Diktatur des Autos“ ermöglichen. Wesentlich dabei ist der Zugang, dass es „eigentlich gar nicht ums Auto geht, sondern um uns“! kopplungen in komplexen Systemen waren auch nur schwer zu bewältigen, dies gilt speziell für die Garagenordnungen. Knoflacher beschreibt nun viele Fassetten der Zerstörung des Lebensraumes durch das Auto. Als Sackgasse sieht Knoflacher Lösungen auf Basis von E-Autos. Damit behält die Autolobby weiter das „Heft in der Hand“ und die anhaltende Faszination für Autos überdeckt diese Sackgasse. Mehrfache positive Rückkopplungen ermöglichen es, Zerstörungsprozesse auszublenden und Lösungen in der „Beseitigung von Engstellen“ zu sehen. Dies geschieht unter Bezug auf oberflächliche Erscheinungsformen und nicht auf der Grundlage von tieferen Ursachen des Systemversagens. Knoflachers Neugier führte ihn schon in den 1970er Jahren zum Erkennen von Systemwirkung und Systemverhalten und die Notwendigkeit von interdisziplinären Ansätzen. So greift er etwa bei den Fahrbahnbreiten auf das Verhalten von Wollhandkrabben zurück oder auf die Bienensprache beim Zugangsweg zu ÖV-Haltestellen. Hier kommt er zum Schluss, dass unsere Empfindungen energiegesteuert sind und damit unterste Evolutionsschichten betreffen. Es musste den Autofahrer „vom Hocker hauen“, wenn er sich mit der „halben Körperenergie 10x schneller“ fortbewegen konnte. So sieht Knoflacher im Autofahrer eine „neue Spezies“ mit Werteverschiebungen auf vielen Ebenen, die er sich leisten will und damit auf Effizienz im Energie- und Ressourcenverbrauch verzichtet. Konrad Lorenz hat die Wechselbeziehung von Informationsgewinn und Energiegewinn beschrieben, daraus entstanden alle Strukturen und ihre optimale Einbindung in das Bestehende. Das Auto durchbricht nach Knoflacher diesen Vorgang und verändert das Verhalten der gesamten Gesellschaft. Er vergleicht dies mit dem Eindringen von Viren in eine Zelle - das Auto dringt in die „Zelle des Individuums“ ein und beeinflusst es in seinem Sinn. Allerdings betrifft ein Virus in der Folge nicht nur die Zelle, sondern den gesamten Organismus, so das Auto auch nicht nur das Individuum, sondern die ganze Gesellschaft. Das „Virus Auto“ greift auf tiefste Evolutionsschichten zu - weit unterhalb der Vernunft. Dazu kommt die Ansteckung mit dem Virus schon durch frühkindliche Prägung. Dadurch sind Versuche, das Genom durch das Hirn zu kontrollieren, nicht erfolgreich. Knoflacher begründet dies umfangreich und schildert die Auswirkungen auf die Gestaltung der Umwelt von der gebauten Umwelt über die Technik bis hin zu den Medien. So wird das „Ich zum Auto und das Auto zum Ich“. Knoflacher beschreibt weiters die Pervertierung eines bisher erfolgreichen Evoluschonungslos auf. Allerdings sieht er in notwendigen Änderungen der Randbedingungen für den Autoverkehr ein generelles Problem - Wahlniederlagen der durchführenden Partei sind zu befürchten. Er weist nach, dass die Macht des Autos dank billiger Energie größer ist als die des Hirns - aber „Luxus-SUVs stehen ebenso im Stau wie ein kleiner Gebrauchter“. Ein wesentliches Kapitel beschäftigt sich mit „Verkehrswesen und Verkehrspolitik im Bann der Mobilität“. Ausgegangen wird im traditionellen Verkehrswesen von Mobilitätswachstum offenbar „aus dem Nichts“ und „Wachstum“ wird aus der Erfahrung positiv belegt. Dies führte zu einem selbstverstärkenden Regelkreis mit: mehr KFZ- Verkehr - mehr Fahrbahnen - mehr KFZ- Verkehr. Knoflacher durchbrach diesen Regelkreis erstmals im Wiener Verkehrskonzept 1980, als er sich für den später so genannten „Umweltverbund“ stark machte. Interessant werden die Beschreibung und Interpretation von „Mobilität“, die die gängige Sichtweise zurechtrücken: Die Zahl der zweckgebundenen Wege ist konstant und ebenfalls die dafür aufgewendete Zeit. Allerdings wurde die Geschwindigkeit zur Leitgröße und damit die steigenden Weglängen. Geschwindigkeit öffnet die Tür für Politik und Bauwesen bis hin zum fragwürdigen Gebrauch des BNP, selbst Verkehrsunfälle - die Geschwindigkeit ist leider ein wesentlicher Risikofaktor für Fehler - leisten hier einen positiven Beitrag. Daher ist der Umgang mit Daten und Information wesentlich für das Verständnis von Mobilität. Diese war nach Knoflacher immer beschwerlich und teilweise nur durch geistige Mobilität zu kompensieren. Im Gegensatz dazu sorgt das mühelose Dahingleiten im Auto für ein erhebendes Gefühl - „eine gute Sache“ - weshalb man darüber nicht weiter nachzudenken braucht: Autofahren wird zum Synonym für Mobilität. Dementsprechend wird der Motorisierungsgrad als Indikator für die Wirtschaftsentwicklung genutzt. Dabei wird die „Melkkuh der Nation“ immer fetter wie am Beispiel der SUVs zu sehen. Das Autovirus führt augenscheinlich zum Realitätsverlust in den Köpfen der Käufer und stärkt die Macht der Autolobby und die Ohnmacht der Verkehrspolitik. Selbst die StVO mit § 1 Abs. 1: „Eine Straße mit öffentlichem Verkehr ist eine Straße, die von allen unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann“, wurde in der Praxis mit den bekannten Folgen auf den Autoverkehr reduziert. Zudem versucht das Rechtssystem das Verkehrssystem ohne Verständnis für die Gesetze des MIV zu bewältigen. Mit kurzfristigen Maßnahmen wurden langfristige Wirkungen erzeugt - Probleme wurden „weggebaut“. Indirekte, nicht lineare Folgen mit verzögerten Rück- Buchbesprechung FORUM Das Problem „Virus Auto“ wird nun zwar erkannt, aber das Virus zeigt sich hartnäckig und mutiert immer wieder, um attraktiv zu bleiben. Die Eingrenzung des Virus wird daher schwierig, harte Eingriffe erfordern Mut und langen Atem - von Planern und der Politik, denn das Virus verstellt den Blick auf mögliche Medikamente und ein gesundes Umfeld. Bei Gesprächen im Bekanntenkreis konnte ich das immer wieder feststellen. Die Hoffnung, die mit diesem Buch verbunden ist, liegt darin, dass ein „Mensch, der mit dem Leben um sich verbunden ist, beginnen wird über die Situation nachzudenken! “ Es ist zu hoffen, dass viele Menschen dieses Buch mit der notwendigen Offenheit lesen. ■ zips sein, speziell unter Einbeziehung der abgestellten Fahrzeuge. Es muss sich lohnen, den Umweltverbund für die Mobilität zu wählen. E-Fahrzeuge sichern dem Auto lediglich weiterhin seinen Platz, trotz noch immer vieler negativer Folgen. Unter den heutigen Bedingungen sieht Knoflacher eine „sanfte Landung aus den gewohnten Höhen unserer Anspruchsgesellschaft“ mit jedem Tag schwinden. In den Nachbemerkungen fasst Knoflacher seine Analyse der Dinge noch einmal eindringlich zusammen. Allein die 432 Seiten des Buches zeigen auf, wie komplex die Thematik ist, trotzdem liest es sich aufgrund der Kapiteleinteilung flüssig und kurzweilig. Knoflacher arbeitet das Thema umfassend und mit deutlichen Worten ab - bis zum bitteren Ende des „Virus Auto“ - in Grenzen ist aber ein Leben mit dem Virus sogar möglich. Wenn wir wieder an Covid-19 denken, würde die Fußgängerzone etwa dem „Lock down“ entsprechen und die „FFP2-Maske“ dem vergrößerten Zugangsweg zum Auto. In der Folge geht er auf die Gestaltung von möglichen Katalysatoren ein und der Frage, wie sie auf unser Verhalten wirken. Die Basis bildet dabei die Betrachtung des Menschen als (unbewusst) reaktionsfähiges Teilchen im Transportsystem und dessen Umfeld. Als einen grundlegenden Akt der Hygiene sieht er vor, dass Individualfahrzeuge nicht in die Nähe menschlicher Aktivitäten gelangen dürfen. Er schlägt in diesem Sinn eine neue Garagenordnung im Gegensatz zur Reichsgaragenordnung vor. In rigorosen Tempolimits sieht Knoflacher einen rationalen Start in die notwendige Richtung. Demgegenüber beschreibt er die Ursachen der gegenwärtigen Misere von der Raumplanung bis zum Gesetzgeber. Im Gegensatz dazu zeitigen richtige Lösungen auf Ebene der Ursachen viele positive Synergien und Wirkungen, die Knoflacher am bestehenden Rechtssystem der Raumordnung prüft. Wesentlich wird eine Eingliederung des Autoverkehrs in die Mechanismen der Marktwirtschaft und des Verursacherprin- Josef Michael Schopf, Dr., Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, Institut für Verkehrswissenschaften, TU Wien, Karlsplatz 13/ 230-01, A-1040 Wien, Österreich FORUM Buchbesprechung In unserer heutigen Zeit, die geprägt ist von einer Vielzahl disruptiver technologischer und wirtschaftlicher Veränderungen, stehen Projekte im Fokus der Aufmerksamkeit. Für die Projektbeteiligten ergeben sich dabei immer öfter immense Herausforderungen. Dieses Buch bietet Ihnen in einer außergewöhnlich prägnanten Weise 365 Impulse für die Projektleitung, welche Sie zum (Nach-)Denken über Ihr eigenes Führungsverständnis, Ihre individuellen Wertevorstellungen und Ihr persönliches Handlungsgeschick in komplexen Projektsituationen anregen sollen. Martin Barth, Margit Sarstedt Impulse für die Projektleitung Mit 365 alten Weisheiten durch den Projektalltag 1. Au age 2024, 147 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-381-11971-4 eISBN 978-3-381-11972-1 Buchtipp Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Anzeige DOI: 10.24053/ IV-2024-0051 Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 69 men und Projekte gebündelt besprechen zu können als auch um neue Impulse für Aktivitäten zu bekommen, die wir bei uns im Unternehmen anstoßen wollen.“ Besucherin Christina Alexandrowiz von National Rail Express ergänzt: „Wir sind hierhergekommen, um uns über neue Produkte und Entwicklungen für die ÖPNV-Branche zu informieren. Unsere Reise hat sich definitiv gelohnt! “ Tiefgehende Fachgespräche an den Messeständen Auch die rund 250 Ausstellenden aus 30 Nationen verzeichneten eine hohe Qualität der Gespräche am Stand: Stefan Harsch, COO Public Transport bei T-Systems International: „Wir sind erschöpft, und das ist ein sehr gutes Zeichen. Der Stand war überlaufen, wir haben extrem viele gute Gespräche geführt, sei es am Stand oder bei den Networking Events. Hier trifft sich das Who’s Who des ÖPNV, und wir sind froh, dabei zu sein! “ Der Geschäftsführer von AMCON, Olaf Clausen, war ebenfalls sehr zufrieden: „Die IT-TRANS zeigt, wie toll es ist, dass es eine Messe gibt, die genau auf unsere Zielgruppe zugeschnitten ist. Das hat sich an der sehr hohen Besucheranzahl bei uns am Stand gespiegelt. Zeitweise gab es kaum Verschnaufpausen für unser Messeteam.“ Iker Estébanez Mediavilla, Head of International Business Development bei gmv, ergänzt: „Die IT-TRANS war für uns eine interessante und wertvolle Erfahrung: Sie ermöglichte uns, mit relevanten Besuchern in Kontakt zu treten, die ein großes Interesse und Verständnis für Technologien für den öffentlichen Verkehr haben.“ Rund 6.500 Expertinnen und Experten aus allen sieben Kontinenten machten die diesjährige Veranstaltung erneut zu einer globalen Plattform, um die aktuellen Herausforderungen der Branche zu diskutieren und Lösungen zu erarbeiten. Dabei konnte die Fachmesse im Verhältnis zur Konferenz ein Plus an Besuchenden erzielen und damit ihre Marktposition weiter ausbauen. Themen am Puls der Branche: KI, Big Data & Co. Künstliche Intelligenz war eines von zahlreichen Zukunftsthemen, die auf der IT-TRANS eine Rolle spielten. Dabei ging es an den Ständen ebenso wie bei der Konferenz um die Frage, wie große Datenmengen mithilfe von KI und automatisierten Prozessen eine bessere Planung, Ressourcensteuerung und Höchste Kundenzufriedenheit und internationale Strahlkraft - Startschuss für Ausgabe 2026 erfolgt Eine durchweg positive Resonanz der Ausstellenden und Teilnehmende aus aller Welt machten die IT-TRANS 2024, die führende internationale Fachmesse und Konferenz für intelligente Lösungen im öffentlichen Personenverkehr, in der Messe Karlsruhe erneut zum globalen Schaufenster und Benchmark für Digitalisierung. Drei Tage lang zeigten rund 250 Ausstellende aus 30 Ländern Lösungen, die die Mobilität von morgen attraktiver, effizienter und nachhaltiger machen. Gleichzeitig bildete die aktuelle Messe den Startschuss für eine erfolgreiche Ausgabe der IT-TRANS 2026, für die die erste von zwei Hallen bereits jetzt ausverkauft ist. Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Messe Karlsruhe: „Wir sind Experten darin, Lösungen, Produkte und Themen sichtbar zu machen und die Akteure und Vordenkenden für die Mobilität der Zukunft an einem Ort zusammen zu führen. Mit seinem einzigartigen Ökosystem aus Global Playern, exzellenten Forschungseinrichtungen und innovationsfreudigen Verkehrsbetrieben ist Karlsruhe die optimale Gastgeberin für die Macherinnen und Macher im Kontext des öffentlichen Personenverkehrs.“ Dr. Volker Wissing, Minister für Digitales und Verkehr, betonte in seiner Eröffnungsrede ebenso die Bedeutung der IT-TRANS: „Mithilfe der Digitalisierung können regionale Verwaltungen den wachsenden Bedarf an nachhaltiger Mobilität decken. Umso besser ist es, dass die IT-TRANS sich auf diese digitalen Lösungen und ihre relevanten Anwendungsbereiche fokussiert.“ Wie wichtig die IT-TRANS als Branchentreffpunkt ist, zeigt auch die Besuchendenbefragung: 95 Prozent bestätigten, dass alle aktuellen Themen, die rund um die Digitalisierung im ÖPV wichtig sind, auf der IT- TRANS gespielt wurden. Dieser Themenfokus zieht ein einzigartiges Fachpublikum an, das in dieser Zusammensetzung ausschließlich auf der IT-TRANS zu finden ist. Für Claus Emmerich, Bereichsleiter Angebot bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist die IT-TRANS im Kalender gesetzt: „Die IT-TRANS ist für uns im Team ein fester Termin, da wir bei der Angebotsplanung und Fahrgastinformation bei den Berliner Verkehrsbetrieben sehr datenorientiert arbeiten. Hier treffen wir viele der Hersteller, die für uns relevant sind - sowohl um aktuelle The- Attraktivität ermöglichen. Weitere Schwerpunkte lagen auf der Effizienz- und Prozessoptimierung durch digitale Tools zum Abbau von Personalengpässen, komfortable Ticketinglösungen auch für ÖPV-Gelegenheitsnutzende sowie On Demand-Lösungen und autonomes Fahren auf der letzten Meile. IT-TRANS 2026: Aus dem Markt, für den Markt Die nächste IT-TRANS findet vom 3. bis zum 5. März 2026 in der Messe Karlsruhe statt. Der Weltverband für öffentliches Verkehrswesen UITP wird Sessions zu relevanten Branchenthemen an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und ÖPV beisteuern, während die Messe Karlsruhe als alleinige Veranstalterin agiert. Zukünftig ergänzt für die kommenden Ausgaben der IT-TRANS ein Steering Committee unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Pischon, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe VBK und AVG und des Karlsruher Verkehrsverbunds KVV, sowie VDV-Landesgruppenchef Baden-Württemberg, sowie eine Exhibition und Programme Committee die langjährige Expertise der Messe Karlsruhe. Dieses bei der Messe Karlsruhe intensiv gelebte Konzept ermöglicht eine aktive Mitgestaltung der Branche an der IT-TRANS. So rückt die Veranstaltung noch näher an die Marktbedürfnisse heran. IT-TRANS Projektleiter Markus Kocea freut sich auf die Weiterentwicklung des Events gemeinsam mit dem Markt: „Erstes Ergebnis für die kommende Ausgabe ist ein optimiertes Hallenkonzept mit einem Plus an Workshop- und Austauschformaten, die Menschen, Produkte und Know-how näher zusammenbringen. Unsere Besuchenden wie Ausstellenden spiegeln uns schon heute: Die IT-TRANS ist ihr Ort für Begegnung, Business und Inspiration. Hier wird die Mobilität von Morgen Wirklichkeit.“ Pressesprecher Daniel Ackers vom VDV eTicket Service zieht ein positives Fazit von der aktuellen Veranstaltung: „An unseren neuen Themen wie dem eticore Ticketstandard bestand großes Interesse. Wir konnten viele Kunden vor Ort begrüßen und hatten gute Gespräche.“ Der VDV eTicket Service gehört zu den Unternehmen, die auch 2026 wieder mit dabei sein werden. Bereits jetzt ist die erste von zwei Hallen für die nächste Ausgabe ausgebucht. Die nächste IT-TRANS findet vom 3. bis zum 5. März 2026 in der Messe Karlsruhe statt. ■ IT-TRANS 2024 - überzeugt als globales Schaufenster für die Mobilität der Zukunft Veranstaltungen FORUM Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 70 GREMIEN ǀ IMPRESSUM Herausgeberbeirat Gerd Aberle Dr. rer. pol. Dr. h.c., Professor emer. der Universität Gießen und Ehrenmitglied des Herausgeberbeirats Sebastian Belz Dipl.-Ing., Generalsekretär EPTS Foundation; Geschäftsführer econex verkehrsconsult GmbH, Wuppertal Uwe Clausen Univ.-Prof. Dr.-Ing., Institutsleiter, Institut für Transportlogistik, TU Dortmund & Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), Vorsitzender, Fraunhofer Allianz Verkehr Johann Dumser Director Global Marketing and Communications, Plasser & Theurer, Wien Florian Eck Dr., Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums e.V., Berlin Alexander Eisenkopf Prof. Dr. rer. pol., ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen Michael Engel Dr., Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften e. V. (BDF), Berlin Ottmar Gast Dr., ehem. Vorsitzender des Beirats der Hamburg-Süd KG, Hamburg Ute Jasper Dr. jur., Rechtsanwältin Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf Oliver Kraft Geschäftsführer, VoestAlpine BWG GmbH, Butzbach Magnus Lamp Programmdirektor Verkehr Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Köln Herausgeberkreis Kay W. Axhausen Prof. Dr.-Ing., Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT), Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil., Leiter Institut für Luftfahrt und Logistik, TU Dresden Hans-Dietrich Haasis Prof. Dr., Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Maritime Wirtschaft und Logistik, Universität Bremen 76. Jahrgang Impressum Titelbild: © iStock.com/ den-belitsky Herausgeber Prof. Dr. Kay W. Axhausen Prof. Dr. Hartmut Fricke Prof. Dr. Hans Dietrich Haasis Prof. Dr. Sebastian Kummer Prof. Dr. Barbara Lenz Prof. Knut Ringat Verlag expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Tel. +49 7071 97 97 0 info@narr.de www.narr.de Redaktionsleitung Dipl.-Phys. Ulrich Sandten-Ma Tel. +49 7071 97 556 56 redaktion@internationales-verkehrswesen.de Redaktion Patrick Sorg, M.A. Tel. +49 7071 97 556 57 redaktion@internationales-verkehrswesen.de Korrektorat: Dr. Grit Zacharias Anzeigen Ursula Maria Schneider Tel. +49 611 71 60 585 ursula.maria.schneider@t-online.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 61 vom 01.01.2024 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 85853 881 abo-service@narr.de Erscheinungsweise 4 x im Jahr mit einer Ausgabe International Transportation Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist vier Wochen vor Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren Jahresabonnement Inland: print EUR 225,00 inkl. Versandkosten / eJournal EUR 210,00 (inkl. MWSt.) Jahresabonnement Ausland: print EUR 238,00 / eJournal EUR 210,00 (inkl. VAT) Einzelheft print: EUR 39,00 (inkl. MWSt.) + Versand Das Abonnement-Paket enthält die jeweiligen Ausgaben als Print-Ausgabe oder eJournal mit dem Zugang zum Gesamtarchiv der Zeitschrift. Campus-/ Firmenlizenzen auf Anfrage Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Elanders Waiblingen GmbH, Waiblingen Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. ISSN 0020-9511 eISSN 2942-7800 www.narr.de/ agb Ullrich Martin Univ.-Prof. Dr.-Ing., Leiter Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen, Direktor Verkehrswissenschaftliches Institut, Universität Stuttgart Ralf Nagel Ehem. Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Hamburg Jan Ninnemann Prof. Dr., Studiengangsleiter Logistics Management, Hamburg School of Business Administration; Präsident der DVWG, Hamburg Uta Maria Pfeiffer Abteilungsleiterin Mobilität und Logistik, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin Tom Reinhold Prof. Dr.-Ing., Geschäftsführer, traffiQ, Frankfurt am Main Wolfgang Stölzle Prof. Dr., Ordinarius, Universität St. Gallen, Leiter des Lehrstuhls für Logistikmanagement, St. Gallen Detlev K. Suchanek Publisher/ COO, GRT Global Rail Academy and Media GmbH | PMC Media, Hamburg Matthias von Randow Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Peer Witten Prof. Dr., Vorsitzender der Logistik- Initiative Hamburg (LIHH), Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group Hamburg Oliver Wolff Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln Sebastian Kummer Prof. Dr., Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik, Wien Barbara Lenz Prof. Dr., ehem. Direktorin Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Berlin Knut Ringat Prof., Geschäftsführer und Vorsitzender der Geschäftsführung der Rhein-Main- Verkehrsverbund GmbH, Hofheim am Taunus \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP Markus Palic, Konstantin O. Papailiou, Guntram Schultz Freileitungen und Kabel in Hoch- und Höchstspannungsnetzen kompakt 1. Au age 2023, 256 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-381-10481-9 eISBN 978-3-381-10482-6 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Das Buch enthält alle wesentlichen Grundlagen der Freileitungs- und Kabeltechnik im Hoch- und Höchstspannungsbereich in allgemein verständlicher Form. Inhalt Historie und Grundlagen des Hoch- und Höchstspannungsleitungsbaus - Aufbau und Struktur elektrischer Versorgungsnetze - Trassengestaltung - Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeit - Maste, Leiterseile, Isolatoren und Armaturen - Mastgründung, Mastbau und Seilzug - Kabelkonstruktionen- und Garnituren, gasisolierte Rohrleitungen - Kabel für die Hochspannungs-Gleichstromübertragung - Vergleich der technischen Eigenschaften - Blindleistungsverhalten und übertragbare Leistung - Teilverkabelung - Gesamtkosten-Vergleich - zukünftige Entwicklungen in der Stromübertragung Zielgruppe Einsteiger und Seiteneinsteiger in das Thema Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen und -kabel sowie Beteiligte an Plan- und Genehmigungsverfahren. Beschäftigte bei Netzbetreibern, Komponentenherstellern und Dienstleistern, die mit der Netzplanung, der Leitungsplanung, dem Bau von Freileitungen, der Verlegung von Kabeln und mit der Herstellung von Komponenten und Zubehör befasst sind. Mitglieder von Bürgerinitiativen im Rahmen von Leitungsbau-Projekten sowie Angehörige von Parlamenten, Ministerien, Agenturen und Genehmigungsbehörden, die sich mit dem Netzausbau befassen. 6. Brückenkolloquium Fachtagung über Beurteilung, Instandsetzung, Ertüchtigung und Ersatz von Brücken Die alle zwei Jahre stattfindende Fachtagung mit begleitender Ausstellung und geselligem Abendempfang bietet eine ideale Plattform für die aktuellen Herausforderungen im Brückenbau: - Gewinnen Sie Einblicke in neueste Entwicklungen und Trends - Stellen Sie Ihre Fragen zu Fachbeiträgen aus Forschung, Industrie und Praxis - Erweitern Sie Ihr Netzwerk und nutzen Sie den persönlichen Erfahrungsaustausch THEMEN DER FACHTAGUNG Für das 6. Brückenkolloquium sind rund 70 Plenar- und Fachvorträge zu folgenden Themen geplant: - Beurteilung und Bewertung des Zustands - Bauwerksverhalten - Tragfähigkeit, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Resilienz - Instandsetzung, Ertüchtigung, Ersatz- und Rückbau - Innovative Bauweisen, Bauverfahren und Bauprodukte - BIM im Lebenszyklus Ostfildern bei Stuttgart 01. + 02. Oktober 2024 Mehr Informationen und Anmeldung: www.tae.de/ 50035 Technische Akademie Esslingen e.V., An der Akademie 5, 73760 Ostfildern Kontakt: bauwesen@tae.de, T +49 711 340 08 - 35, www.tae.de Jetzt anmelden!
