eJournals Internationales Verkehrswesen 77/1

Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Automatisiertes Fahren

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BDL-Präsidium fordert klares Bekenntnis zum Luftverkehrsstandort Deutschland Branchenverband richtet sechs Kernforderungen an künftige Bundesregierung K urz vor der Bundestagswahl haben die Spitzenvertreter der deutschen Luftverkehrswirtschaft, die Mitglieder des Präsidiums des Branchenverbandes BDL, sechs Kernforderungen an die künftige Bundesregierung formuliert. Ziel ist es, die massiven Wettbewerbsverzerrungen zulasten der heimischen Luftverkehrswirtschaft zu beseitigen, attraktive Standortbedingungen für den Luftverkehr zu schaffen und die Anbindung der deutschen Wirtschaft an ihre internationalen Märkte zu stärken. Wettbewerbsverzerrungen, wie hohe staatliche Standortkosten, einseitige EU-Regulierungen sowie höhere Kosten im EU-Asien-Verkehr aufgrund der Sperrung des russischen Luftraums, belasten den Luftverkehr hierzulande enorm. Angesichts der anhaltend schwachen Konjunktur in Deutschland kann eine verbesserte Luftverkehrsanbindung neue Impulse für Wirtschaftswachstum setzen. Dafür braucht es ein klares Bekenntnis der künftigen Bundesregierung zum Luftverkehrsstandort Deutschland. Rund 245 Millionen Passagiere sind im Jahr 2024 an den deutschen Flughäfen gestartet oder gelandet, davon über 95 Prozent auf internationalen Reisen. Kein anderes Verkehrsmittel verbindet Menschen, Kulturen und Märkte stärker miteinander als das Flugzeug. Die Entwicklung des Luftverkehrsstandortes Deutschland ist spätestens seit den Jahren der Corona-Krise überaus besorgniserregend. Bei der Erholung des Angebotes nach der Pandemie fallen die deutschen Flughäfen immer weiter hinter andere europäische Standorte zurück: Im Sommer 2025 erreicht das Angebot in Deutschland lediglich 91 Prozent des Niveaus von 2019, während es im übrigen Europa bereits auf 109 Prozent des Vor-Corona-Niveaus steigt. Die Schere zwischen der Entwicklung in Deutschland und dem übrigen Europa geht immer weiter auseinander. Die überhöhten staatlichen Standortkosten und nicht mehr wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen gefährden zunehmend die Anbindung der deutschen Wirtschaft an ihre internationalen Märkte. Auf dem Spiel stehen nicht nur Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der deutschen Luftverkehrswirtschaft, sondern auch in vielen anderen Bereichen der exportorientierten deutschen Industrie. Ohne politische Gegenmaßnahmen drohen Unternehmen über kurz oder lang in andere Länder mit attraktiveren Standortbedingungen abzuwandern. Die sechs Kernforderungen im Einzelnen: ƒ Die Luftverkehrsteuer als wesentlicher Grund für die hohen Kosten muss abgeschafft werden. ƒ Luftsicherheit: Sicherheit hat in der Luftfahrt in jedem Bereich und zu jeder Zeit höchste Priorität und ist ein wesentliches Gemeinwohlinteresse. Deshalb sollte sich der Bund stärker an den Kosten für das Luftsicherheitspersonal bei den Passagier- und Gepäckkontrollen beteiligen und auf eine effizientere Personaleinsatzplanung hinwirken. Zudem muss der Gebührendeckel für Sicherheitskontrollen wieder auf ein wettbewerbsfähiges Niveau gesenkt werden. ƒ Flugsicherung: Um die Flugsicherungsgebühren wirksam zu reduzieren, sollte eine anteilige staatliche Finanzierung geprüft werden. Deutschland sollte zudem dem Beispiel anderer europäischer Länder folgen, die pandemiebedingte Einnahmeausfälle der Flugsicherung teilweise durch Mittel aus ihrem Staatshaushalt beglichen haben. ƒ Die neue Bundesregierung sollte zeitnah Vorschläge für die Änderung des EU-Klimaschutzpaketes „Fit for 55“ vorlegen. In Brüssel sollte sie verstärkt darauf hinwirken, Wettbewerbsverzerrungen (Beimischungsquote und Emissionshandel) zulasten des Luftverkehrs in Europa abzubauen, zum Beispiel durch eine endzielbezogene Klimaabgabe. ƒ Die nationale Quote für Power-to- Liquid-Kraftstoffe (PtL/ E-Kerosin) ab 2026 muss zudem schnellstmöglich gestrichen werden. Sie steht im Widerspruch zum EU-Recht und ist faktisch nicht erfüllbar. ƒ Europäische Vorgaben sollten grundsätzlich 1: 1 umgesetzt werden. „Gold Plating“ - die Übererfüllung von EU- Regulierungen - darf nicht stattfinden. ▪ zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BDMV) das Handbuch „Autonomes Fahren im öffentlichen Verkehr“ veröffentlicht. Ein Forschungsteam des KIT hat daran mitgewirkt und den aktuellen Stand der Technik von autonomen Bussen im ÖPNV betrachtet. A utonome Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr könnten zukünftig eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bieten. Um Kommunen, Mobilitätsanbieter und Verkehrsverbünde bei der Integration autonomer und vernetzter Technologien in den ÖPNV „Kommunen oder Verkehrsbetriebe können das Handbuch als Einstiegshilfe für das Thema autonome und vernetzte Verkehre betrachten“, sagt Eva Maria Knoch, Mitglied der Geschäftsführung im KIT-Zentrum Mobilitätssysteme und Leiterin der Forschungsgruppe „Nutzerzentrierte Fahrzeugkonzeption“ am Institut für Automatisiertes Fahren Handbuch für die Integration autonomer Busse im ÖPNV IM FOKUS Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 8 Partizipation von Menschen mit Behinderung Neben einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur steht für den DVR auch das Thema Partizipation im Vordergrund: „Menschen mit Behinderung müssen als Expertinnen und Experten an der Umsetzung barrierefreier Mobilität beteiligt werden“, fordert Wirsch. Die Expertise der Betroffenen müsse umfassend und frühzeitig in die Verkehrsplanung einbezogen werden. Mobilität müsse schon von der Barrierefreiheit her gedacht werden. Recht auf barrierefreie Mobilität In Deutschland hat etwa jeder zehnte Mensch eine schwere Behinderung, fast ein Drittel der Betroffenen ist über 75 Jahre alt. Mit dem demografischen Wandel wird auch der Anteil der Menschen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen weiter ansteigen. Oftmals fehlt es für diese Verkehrsteilnehmenden an Aufzügen oder Rollstuhlrampen. Parkplätze für Menschen mit Behinderung werden unbedacht oder dreist in Beschlag genommen. „Dabei ist barrierefreie Mobilität keine freiwillige Willensbekundung, sondern ein Recht, das in vielen Gesetzen und Verordnungen verankert ist. Dazu zählen die Behindertenrechtskon- A nlässlich des „Internationalen Tages der sozialen Gerechtigkeit der Vereinten Nationen“ am 20. Februar sprach sich der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) für eine barrierefreie Mobilität aus. „Soziale Gerechtigkeit bedeutet auch, grundsätzlich ohne besondere Erschwernisse und ohne fremde Hilfe sicher mobil sein zu können. Menschen mit Behinderung werden im Alltag jedoch häufig mit infrastrukturellen, physischen und kommunikativen Barrieren konfrontiert“, sagt DVR-Präsident Manfred Wirsch. Barrierefreie Infrastruktur Wenn es darum geht, barrierefreie Strukturen zu schaffen, stehen laut DVR zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen müsse der Straßenverkehr barrierefreier und kommunikationsfreundlicher gestaltet werden. Wer heute ein barrierefreies Mobilitätsangebot plane und auf baue, spare in Zukunft Kosten für den deutlich teureren Umbau. Die Digitalisierung erleichtere zudem die Umstellung auf inklusive Mobilität und deren Angebote. Smartphone-Apps könnten möglichst barrierefreie Routen durch den öffentlichen Raum aufzeigen. Zum anderen gehe es aus mobilitätspädagogischer Perspektive darum, Menschen durch eine adäquate Mobilitätsbildung umfassend auf die sichere Teilnahme am Straßenverkehr vorzubereiten. „Hinzu kommt, dass barrierearme Mobilitätsangebote auch Vorteile für Menschen ohne Behinderung bieten, die zum Beispiel durch eine Operation oder eine Verletzung vorübergehend eingeschränkt sind. Oder die schlichtweg mit Rollator, Gepäck oder Kinderwagen unterwegs sind. Wir alle können sehr schnell vorübergehend oder dauerhaft mobilitätsbehindert werden“, unterstreicht der DVR-Präsident. vention der Vereinten Nationen (UN-BRK), die Fahrgastrechteverordnung der EU, das Behindertengleichstellungsgesetz und das Personenbeförderungsgesetz“, erläutert Wirsch. „Auf dem Weg zu einem barrierefreien Straßenverkehr muss es zukünftig darum gehen, alle Potenziale auszuschöpfen, um Barrieren und Hürden in unserem Verkehrssystem abzubauen. Wir alle benötigen eine Mobilität, die sicher, inklusiv und nachhaltig ist. Der DVR wird sich im Sinne der Vision Zero weiter dafür engagieren, dass alle Menschen sicher unterwegs sein können. Dabei setzt er sich auch für eine aktive, vor allem aber sichere Teilnahme von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen am Straßenverkehr ein“, fasst Wirsch zusammen. Mobilität sei ein menschliches Grundbedürfnis und bedeute Unabhängigkeit sowie Teilhabe am sozialen Leben. ▪ Abbildungsnachweis: © iStock.com/ FooT Too Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Barrierefreiheit im Straßenverkehr Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT. Das praxisorientierte Handbuch legt einen besonderen Fokus auf autonome Klein- und Standardbusse. „Für die Entwicklung der Handlungsempfehlungen haben wir am FAST den Stand der Technik zu autonomen und vernetzten ÖPNV-Lösungen analysiert und gemeinsam mit weiteren Partnern aus Wissenschaft und Industrie in Workshops aufgearbeitet“, sagt Knoch. Das Ergebnis sei ein praxisnaher Leitfaden für alle, die sich für den Einsatz von autonomen und vernetzten Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr interessieren. (PM) ▪ www.kit.edu IM FOKUS Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 9