Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
121
Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal
0101
2020
Bernhard Odenwald
Oliver Stelzer
Natascha Engels
Ulrike Schömig
Rainer Siemke
Matthias Freitag
Bereits zwei Jahre nach Inbetriebnahme der Sparschleuse Kriegenbrunn am Main- Donau-Kanal (MDK) mussten erste Schäden infolge Rissen, Betonschäden und undichten Stellen saniert werden. Auch in den folgenden Jahren traten immer wieder Schäden auf, die mehrere große Sanierungsmaßnahmen erforderlich machten. Durch diese konnte die Stabilität und Funktion der Schleuse zwar gesichert werden, die Probleme konnten aber nicht langfristig gelöst werden. Daher plant die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die Schleuse durch einen Neubau zu ersetzen. Die neue Schleuse wird als Einkammerschleuse in Massivbauweise mit einer nutzbaren Kammerlänge von 190 m, einer Kammerbreite von 12,5 m und einer Hubhöhe von 18,3 m sowie mit drei Sparbecken errichtet. Eine besondere Problemstellung ergibt sich durch den geringen Abstand zur bestehenden Schleuse, die während des Baus der neuen Schleuse ständig in Betrieb bleiben muss und für die eine Belastungsänderung aus dem Baugrund und dem Grundwasser aufgrund der Vorschädigung weitgehend vermieden werden muss.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 3 Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal Geohydraulische Einwirkungen Bernhard Odenwald, Oliver Stelzer Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), Karlsruhe Natascha Engels Wasserstraßen-Neubauamt (WNA) Aschaffenburg Ulrike Schömig Schömig-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Kleinostheim Rainer Siemke WTM Engineers GmbH, Hamburg Matthias Freitag KHP König und Heunisch Planungsgesellschaft mbH & Co. KG, Frankfurt a. M. Zusammenfassung Bereits zwei Jahre nach Inbetriebnahme der Sparschleuse Kriegenbrunn am Main- Donau-Kanal (MDK) mussten erste Schäden infolge Rissen, Betonschäden und undichten Stellen saniert werden. Auch in den folgenden Jahren traten immer wieder Schäden auf, die mehrere große Sanierungsmaßnahmen erforderlich machten. Durch diese konnte die Stabilität und Funktion der Schleuse zwar gesichert werden, die Probleme konnten aber nicht langfristig gelöst werden. Daher plant die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die Schleuse durch einen Neubau zu ersetzen. Die neue Schleuse wird als Einkammerschleuse in Massivbauweise mit einer nutzbaren Kammerlänge von 190 m, einer Kammerbreite von 12,5 m und einer Hubhöhe von 18,3 m sowie mit drei Sparbecken errichtet. Eine besondere Problemstellung ergibt sich durch den geringen Abstand zur bestehenden Schleuse, die während des Baus der neuen Schleuse ständig in Betrieb bleiben muss und für die eine Belastungsänderung aus dem Baugrund und dem Grundwasser aufgrund der Vorschädigung weitgehend vermieden werden muss. 1. Einleitung Die in den Jahren 1966 bis 1971 erbaute Schleuse Kriegenbrunn liegt bei MDK-km 48,66 in der Nähe von Erlangen (Bild 1). Sie hat eine Nutzlänge von 190 m, eine Kammerbreite von 12 m, eine große Hubhöhe von 18,30 m und wurde 1972 in Betrieb genommen. Aufgrund von Standsicherheitsdefiziten an der Schleuse ist der Bau einer neuen Schleuse erforderlich. Der Ersatzneubau ist seitlich des bestehenden Bauwerks mit einem Achsabstand von ca. 44 m vorgesehen (Bild 2). Um den Schiffsverkehr auf dem Main-Donau-Kanal aufrecht zu erhalten, muss die bestehende Schleuse während der Bauarbeiten weiter betrieben werden. Bild 1: Bau der bestehenden Schleuse Kriegenbrunn, im Hintergrund die Regnitz 4 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal Geohydraulische Einwirkungen Die Planungsleistungen werden im Auftrag des Wasserstraßen-Neubauamtes (WNA) Aschaffenburg durch eine Ingenieurgemeinschaft, bestehend aus der Schömig-Plan Ingenieurgesellschaft (Kleinostheim), WTM Engineers (Hamburg) und KHP (Frankfurt a. M.) erbracht. Von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) wurden die für die Planung des Schleusenneubaus maßgebenden Einwirkungen aus dem Grundwasser ermittelt, wobei charakteristische Grundwasserdrücke für die unterschiedlichen Bemessungssituationen festgelegt wurden. Dies betrifft sowohl die auf den Baugrubenverbau in den unterschiedlichen Bauphasen als auch die auf das fertiggestellte Bauwerk einwirkenden Wasserdruckkräfte. Dabei mussten die Angaben für die charakteristischen Grundwasserdrücke in Abhängigkeit des Planungsfortschritts mehrfach angepasst und konkretisiert werden. Weiterhin wurden unterschiedliche Maßnahmen empfohlen, um negative Einwirkungen aus dem Grundwasser auf den Baugrubenverbau, das fertiggestellte Schleusenbauwerk und die Bestandsschleuse soweit möglich zu reduzieren. Bild 2: Neue Schleuse und Sparbecken neben dem Bestand 2. Standortuntersuchung Für die neue Schleuse wurden verschiedene Standorte in einer Variantenstudie untersucht. Der verfügbare Planungskorridor ist aufgrund örtlicher Begrenzungen stark eingeschränkt (östlich angrenzendes Umspannwerk, westlich angrenzendes Gewerbegebiet, am Ende des unteren Vorhafens querende BAB A3). Eine Verschiebung des Schleusenstandortes ins Unterwasser sowie eine Verlagerung der Schleuse westlich neben den Bestand war daher nicht realisierbar. Bautechnische und Standsicherheitsaspekte (erforderliche Verlängerung des Unterwasserkanalabschnittes bis auf Höhe der geschädigten Bestandsschleuse mit erheblichen, bauzeitlichen Sicherungsmaßnahmen) verhindern eine Verschiebung Richtung Oberwasser. Als Vorzugsvariante ergab sich daher der Standort auf der Ostseite in Parallellage zur bestehenden Schleuse (Bild 3). Bild 3: Neuer Schleusenstandort als Ergebnis der Variantenuntersuchung Im Rahmen der Standortuntersuchung wurde auch der günstigste Abstand zur schadhaften Bestandsschleuse ermittelt. Die zur Herstellung der neuen Schleuse notwendige Baugrube mit Tiefen von 20 bis 29 m ist dabei von entscheidender Bedeutung. Bereits in einer frühen Planungsphase wurden dazu die Auswirkungen von Aushub- und Rückbauzuständen auf die Bestandsschleuse untersucht. Zur Untersuchung wurden die bestehende Schleusenkammer einschließlich angebundener Sparbecken und die geplante Baugrube mit dem umgebenden Erdreich in einem FE-Modell abgebildet (Bild 4). Bild 4: FE-Modell der Bestandsschleuse und der Baugrube für die neue Schleuse Es zeigte sich, dass infolge der Aushubzustände Defizite bei der Biege- und Schubtragfähigkeit an der Bestandsschleuse auftreten, die auch durch Zusatzmaßnahmen an der Baugrube (vorgespannte Steifen, Aushub im Pilgerschritt etc.) nicht verhindert werden können. Auch eine Vergrößerung des Abstandes zur Bestandsschleuse in nautisch vertretbarer Größe wurde untersucht, brachte aber keine bedeutende Verbesserung. Um die in den Aushubzuständen zu erwartenden Überschreitungen bei Biege- und Schubtragfähigkeit verträglich zu machen, wurde eine Ertüchtigung der kritischen Querschnitte an der Bestandsschleuse geplant und bereits ausgeführt. 3. Anordnung der Sparbecken Die Sparbecken sind im Bestand, wie bei vielen Schleusen dieses Baualters in terrassenförmiger, aufsteigender Bauweise unmittelbar neben der Schleusenkammer angeordnet. Diese Anordnung bei der vorhandenen großen Hubhöhe zu stark unsymmetrischen Belastungszuständen und hat wesentlich zu den heute bestehenden Standsicherheitsdefiziten beigetragen. Bereits beim Bau der danach erstellten Schleusen am MDK (in den 1980er Jahren) wurden die Sparbecken daher von der 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 5 Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal Geohydraulische Einwirkungen Schleusenkammer abgerückt. Für den Ersatzneubau der Schleuse Kriegenbrunn wurde aus diesem Grunddaher ebenfalls eine abgerückte Anordnung der Sparbecken gewählt, mit einem Abstand von ca. 34 m zur Schleusenkammer. Unter Berücksichtigung des vorhandenen Geländeverlaufes und zur Verbesserung der Zugänglichkeit zu den Becken sind die Sparbecken in absteigender Reihung angeordnet, so dass das hoch gelegene Sparbecken der Schleusenkammer zugewandt ist (Bild 5). Bild 5: Querschnitt der neuen Schleuse mit den Sparbecken 4. Baugrund- und Grundwasserverhältnisse Die Schleuse liegt am westlichen Rand des Regnitztales. Im Bereich der geplanten Baugrube für die neue Schleuse Kriegenbrunn stehen unterhalb von Auffüllungen und einer geringmächtigen quartären Deckschicht Gesteine des mittleren Keupers an (Bild 6). Unter einer oberen Keupersandsteinschicht (Blasensandstein) folgen die Schluff- und Tonsteine der Lehrbergschichten, die von einer unteren Sandsteinschicht (Lehrberg-Sandstein) unterlagert werden. Darunter folgt eine weitere Schluff- und Tonsteinschicht (Grenzletten der Lehrbergschichten). Bild 6: Querschnitt des Baugrundaufbaus mit Baugrube und bestehender Schleuse Der obere Sandstein bildet einen ungespannten Grundwasserleiter mit freier Grundwasseroberfläche, dessen Basis durch die darunter anstehenden Schluff- und Tonsteine gebildet wird. Die Mächtigkeit des wassergesättigten Grundwasserleiters über dieser Grundwasserbasis ist zumeist gering (ca. 0,5 - 2 m). Lediglich im o. g. Auffüllungsbereich östlich der bestehenden Schleusenkammer und in dem daran anschließenden, geohydraulisch verbundenen Bereich der Sandsteinschicht ist die wassergesättigte Mächtigkeit deutlich größer. Der untere Sandstein bildet einen gespannten Grundwasserleiter, dessen Basis und Deckschicht durch die darunter und darüber anstehenden Schluff- und Tonsteinschichten gebildet werden. Die Grundwasserströmung verläuft in beiden Grundwasserstockwerken von südsüdwestlicher nach nordnordöstlicher Richtung und damit ungefähr vom Oberwasser zum Unterwasser der Schleuse. Dabei erfolgt auch eine Durchströmung des Auffüllungsbereiches östlich der bestehenden Schleuse, in dem der Grundwasserstand im südlichen Bereich der Schleusenkammer durch die in der östlichen Kammerwand angeordnete Dränage abgesenkt wird. 5. Baugrubenkonzept Für den Bau der neuen Schleuse ist eine ca. 30 m tiefe Baugrube zu erstellen (siehe Bild 6). Das Baugrubenkonzept wird maßgeblich von der Interaktion zwischen Baugrube und bestehender Schleuse bestimmt. Die Beanspruchungen der bestehenden Kammer in den einzelnen Bauphasen dürfen deren Betrieb nicht gefährden. Diese Problematik wurde anhand umfangreicher Berechnungen mit der Finite-Elemente-Methode untersucht (siehe Bild 4). Daraus ergibt sich für das Baugrubenkonzept ein sehr steifes System mit einem mehrfach ausgesteiften Verbau aus Bohrpfahlwänden. Um die Absenkung des zwischen der Bestandsschleuse und der Baugrube anstehenden Grundwasserspiegels während des Aushubs der Baugrube möglichst gering zu halten, sind die Baugrubenumschließungswände der Hauptbaugrube (Schleusenkammer) wasserdicht als überschnittene Bohrpfahlwände konzipiert. Lediglich für die Teilbaugruben der Sparbeckenzuläufe, die sich auf der von der Bestandsschleuse abgewandten Seite der Hauptbaugrube befinden, ist eine wasserdurchlässige Bauweise durch aufgelöste Bohrpfahlwände vorgesehen. Da in diesem Bereich größere Änderungen des Grundwasserstands toleriert werden können, kann durch die wasserdurchlässige Bauweise der Grundwasserdruck auf die Verbauwände deutlich reduziert werden, was eine deutlich wirtschaftlichere Bauweise erlaubt. 6. Wasserhaltung Während dem Baugrubenaushub und dem Bau der neuen Schleuse ergibt sich aufgrund des tief unter der Grundwasseroberfläche des oberen Sandsteins und der Auffüllung liegenden Aushubniveaus ein Grundwasserzustrom zur 6 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal Geohydraulische Einwirkungen Baugrubensohle der Schleusenbaugrube, der innerhalb der geringer durchlässigen Schluffsteinschicht die Baugrubenumschließungswände unterquert. Durch diesen mittels Restwasserhaltung in der Schleusenbaugrube gefassten Grundwasserzustrom zur Baugrube wird eine Absenkung des Grundwasserstandes im Auffüllungsbereich zwischen Baugrube und Bestandsschleuse verursacht. Für den Nachweis der Standsicherheit der Bestandsschleuse ist es einerseits erforderlich, dass der Grundwasserstand einen maximalen Wert nicht überschreitet, um den Grundwasserdruck auf die Kammerwand für den Lastfall „Schleuse auf Unterwasserstand“ zu begrenzen. Andererseits ist aber auch ein Mindestgrundwasserstand für den Lastfall „Schleuse auf Oberwasserstand“ erforderlich, um den erforderlichen stützenden Grundwasserdruck zu gewährleisten. Um diese Vorgaben einzuhalten, ist es erforderlich, den Grundwasserstand zwischen der Bestandsschleuse und der Baugrubenumschließung der neuen Schleuse während der Bauzeit ungefähr auf Höhe der Dränage in der Kammerwand der Bestandsschleuse zu halten. Um dies zu erreichen ist eine bis in den Schluffstein einbindende Dichtwand zwischen der bestehenden Schleuse und der Baugrubenumschließung der neuen Schleuse am nördlichen Ende der Schleuse geplant, durch die der horizontale Grundwasserabstrom in der Auffüllung und der oberen Sandsteinschicht verhindert wird. Die bestehende Dränage ist weiterhin zur Kontrolle des Grundwasserstands in diesem Bereich vorgesehen. Durch einen Umbau des Dränagesystems soll dabei bereichsweise sowohl eine Absenkung des Grundwasserstands durch Exfiltration von Grundwasser als auch, falls erforderlich, eine Anhebung des Grundwasserstands durch Reinfiltration von Grundwasser ermöglicht werden. 7. Auftriebssicherheit der Baugrubensohle Die untere Sandsteinschicht befindet sich ca. 7 m unterhalb der geplanten Baugrubensohle innerhalb der mächtigen Schluffsteinabfolge und weist eine mittlere Mächtigkeit von ca. 4 m auf. Auf Grundlage der Ergebnisse der geohydraulischen Erkundung des Baugrunds ist davon auszugehen, dass die hydraulische Gebirgsdurchlässigkeit der Sandsteinschicht deutlich größer als die der über- und unterlagernden Schluffsteinschichten ist und dass das Grundwasserpotential in der unteren Sandsteinschicht bis zu ca. 16 m über der Baugrubensohle liegt. Aufgrund der Durchlässigkeitsunterschiede ist anzunehmen, dass der Potentialabbau nahezu ausschließlich in der Schluffsteinschicht unterhalb der Baugrubensohle stattfindet. Deshalb kann der Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen nach DIN EN 1997-1 [1] in Verbindung mit DIN 1054 [3] für die verbleibende Felsschicht innerhalb der Baugrubenumschließung beim Aushub der Baugrube bis zur geplanten Baugrubensohle ohne Verringerung des Grundwasserpotentials in der unteren Sandsteinschicht nicht geführt werden. Zur Sicherung der Baugrubensohle gegen Aufschwimmen sind deshalb Entspannungsbrunnen in der Baugrube vorgesehen, in denen das Grundwasser aus der Sandsteinschicht aufgrund der Überdruckes bis zur Baugrubensohle aufsteigt, wo es gesammelt und abgepumpt werden kann. Die Entspannungsbrunnen werden als Überlaufbrunnen ausgebildet. Sie sind von oberhalb des ungestörten Grundwasserspiegels aus herzustellen und beim Ziehen der Bohrverrohrung mit Filterkies zu verfüllen. Die Kiessäulen und damit die Überlaufhöhen der Entspannungsbrunnen werden danach sukzessive mit dem Aushub der Baugrube gekürzt (Bild 7). Bild 7: Grundwasserentspannungsbrunnen Für den Nachweis der unterhalb der Baugrubensohle anstehenden Schluffsteinschicht gegen Aufschwimmen muss das Grundwasserpotential in der unteren Sandsteinschicht um ca. 8 m abgesenkt werden. Auf Grundlage der durchgeführten Grundwasserströmungsberechnung sind dazu 32 jeweils bis zur Unterkante der unteren Sandsteinschicht reichende Entspannungsbrunnen mit Abständen von ca. 5 m in den Eckbereichen der Baugrube und von ca. 15 bis 30 m im mittleren Bereich erforderlich. 8. Charakteristische Grundwasserstände Die aus den Grundwasserständen resultierenden Wasserdrücke stellen bei Schleusenbauwerken zumeist wesentliche Einwirkungen sowohl auf das fertiggestellte Bauwerk als auch auf die Baugrube bzw. die Baugrubenumschließung dar. Für eine einerseits sichere und andererseits wirtschaftliche Bemessung der Bauwerke ist deshalb eine sorgfältige Festlegung charakteristischer Werte nach DIN 19702 [4] für die Grundwasserbeanspruchung erforderlich. Im Gegensatz zu Bodenkennwerten weisen Grundwasserstände jedoch nicht nur örtlich sondern auch zeitlich eine hohe Variabilität auf, die bei der Festlegung charakteristischer Grundwasserstände berücksichtigt werden muss. Zusätzlich 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 7 Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal Geohydraulische Einwirkungen werden die Grundwasserverhältnisse durch die geplanten Bauwerke und Bauabläufe beeinflusst. Diese Einflüsse sowie das erforderliche Sicherheitsniveau und genehmigungsrechtliche Vorgaben sind maßgebend für die Festlegung charakteristischer Grundwasserstände. Aufgrund dieser unterschiedlichen, komplexen Randbedingungen ist eine frühzeitige Festlegung charakteristischer Grundwasserstände im geotechnischen Bericht nicht sinnvoll. Vielmehr sind die charakteristischen Grundwasserstände in Abstimmung mit dem Planer festzulegen und mit dem Planungsprozess fortzuschreiben. Dabei sind sowohl die Einflüsse der geplanten Maßnahmen und Bauwerke auf die Grundwasserstände als auch Einwirkungen des Grundwassers auf die Planung zu berücksichtigen. Die Festlegung charakteristischer Grundwasserstände erfordert eine ausreichende Anzahl von Grundwassermessstellen, eine möglichst lange Beobachtungsdauer sowie eine ausreichende zeitliche Auflösung der Messungen um Grundwasserhoch- und -niedrig-wasserstände erfassen zu können. Dabei ist ggf. die Abhängigkeit der Grundwasserstände von den Oberflächenwasserständen zu berücksichtigen. Falls nicht schon vorab vorhanden, sollten die Messstellen bereits zu Beginn der Baugrunderkundung hergestellt und möglichst mit automatisierten Erfassungssystemen ausgerüstet werden. Die Grundwassermessungen beinhalten die fachgerechte Auswertung und Validierung der Messwerte sowie die regelmäßige Überprüfung der Datenerfassung. Für die Tragfähigkeitsnachweise der einzelnen Bauteile der geplanten neuen Schleuse und der Baugrubenverbauten wurden charakteristische Grundwasserstände für die ständige Bemessungssituation (BS-P) sowie für vorübergehende (BS-T) und außergewöhnliche Bemessungssituationen (BS-A) festgelegt. Die charakteristischen Grundwasserstände dienen als Grundlage für die Ermittlung charakteristischer Einwirkungen (Grundwasserdruckkräfte) oder daraus resultierender charakteristischer Beanspruchungen (z. B. Querkräfte und Momente). Die Bemessungswerte der Einwirkungen oder Beanspruchungen ergeben sich aus den charakteristischen Größen multipliziert mit den jeweiligen Teilsicherheitsbeiwerten. Dabei unterscheiden sich die anzusetzenden Teilsicherheitsbeiwerte nach Bemessungssituationen, Wirkung (günstig/ ungünstig) und Art (ständig/ veränderlich/ außergewöhnlich) der Einwirkung sowie nach den zu führenden Nachweisen. Für bautechnische Nachweise sind die aus Wasser- und Grundwasserdrücken resultierenden Kräfte gemäß DIN 19702 [4] als veränderliche Einwirkungen einzustufen. Sie dürfen jedoch für die Wahl des Teilsicherheitsbeiwertes als ständige Einwirkungen berücksichtigt werden, wenn der Wasserbzw. Grundwasserdruck aufgrund geometrischer Randbedingungen begrenzt ist und der aus den Baugrundverhältnissen resultierende Einfluss auf den Grundwasserdruck zuverlässig ermittelt werden kann. Für geotechnische Nachweise sind die aus Wasser- und Grundwasserdrücken resultierenden Einwirkungen oder Beanspruchungen nach DIN EN 1997-1 [1] in Verbindung mit DIN EN 1997-1/ NA [2] und DIN 1054 [3] im Allg. - unabhängig von ihrer Einstufung als ständige oder veränderliche Einwirkung - zur Ermittlung der Bemessungswerte mit den Teilsicherheitsbeiwerten für ständige Einwirkungen zu beaufschlagen. Eine detaillierte Zusammenstellung der wesentlichen Regelungen für den Ansatz von Einwirkungen aus Grund- und Oberflächenwasser gibt Odenwald[5]. Für die ständige Bemessungssituation BS-P, also den Betriebszustand der Schleuse nach deren Fertigstellung, sind nach DIN 19702 [4] obere und untere charakteristische Werte für veränderliche Einwirkungen, die auch Einwirkungen aus Oberflächenwasser und Grundwasser umfassen, bis zu einer jährlichen Über- oder Unterschreitungswahrscheinlichkeit von einmal in der rechnerischen Lebensdauer des Bauwerks anzusetzen. Da bei Wasserbauwerken eine rechnerische Lebensdauer von 100 Jahren zugrunde gelegt wird, sind die oberen charakteristischen Grundwasserstände für eine jährliche Überschreitungswahrscheinlichkeit p = 1/ n = 0,01/ a zu ermitteln. D. h., die oberen charakteristischen Grundwasserstände sollten i. d. R. einem 100-jährlichen Grundwasserhochstand entsprechen. Auf Grundlage der Grundwassermessdaten wurden für die geplante neue Schleuse, differenziert nach Oberhaupt, Kammer, Unterhaupt, Auslaufbauwerk und Sparbecken, entsprechende obere und untere Grundwasserstände festgelegt. In der vorübergehenden Bemessungssituation BS-T sind Einwirkungskombinationen unter Berücksichtigung der Einwirkungen aus Grundwasserständen während Bauzuständen oder Revisionszuständen zu berücksichtigen. Für den Bauzustand wurden in Abstimmung mit dem Planer obere charakteristische Grundwasserstände für insgesamt 10 Teilbaugruben unter Berücksichtigung des detaillierten Bauablaufplans angegeben. Weiterhin wurden für das fertiggestellte neue Schleusenbauwerk obere charakteristische Grundwasserstände für den vergleichsweise kurzen Zustand während einer Trockenlegung der Schleuse zu Revisionszwecken, wiederum untergliedert nach den einzelnen Bauwerksteilen, festgelegt. Als außergewöhnliche Bemessungssituationen wurden für die Bauzeit die Auswirkungen eines hydraulischen Versagens eines relevanten Teilbereiches der Dichtung des oberen Vorhafens der Bestandsschleuse und für die fertiggestellte neue Schleuse die Auswirkungen einer vollständigen hydraulischen Unwirksamkeit der Dichtung im oberen Vorhafen untersucht. Daraus resultierend wurden wiederum obere charakteristische Grundwasserstände für die Baugrubenumschließungen 8 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Neubau der Schleuse Kriegenbrunn am Main-Donau-Kanal Geohydraulische Einwirkungen im Bauzustand und für die Schleusenbauwerke im Betriebszustand angegeben. Literatur [1] DIN EN 1997-1: 2009-09: Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln. Beuth Verlag, Berlin. [2] DIN EN 1997-1/ NA: 2010-12: Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln. Beuth Verlag, Berlin. [3] DIN 1054: 2010-12: Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau - Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1. Beuth Verlag, Berlin. [4] DIN 19702: 2013-02: Massivbauwerke im Wasserbau - Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit. Beuth Verlag, Berlin. [5] Odenwald, B. (2011): Ansatz von Einwirkungen aus Grund- und Oberflächenwasser nach neuen Normen. In: Tagungsband zum BAW-Kolloquium „Aktuelle geotechnische Fragestellungen bei Baumaßnahmen an Bundeswasserstraßen“ am 18. und 19. Oktober 2011, S. 81 - 89.
