eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 12/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
121

BIM im Verkehrswegebau

0101
2020
Jens Hoffmann
Julia Zimmermann
Die Anwendung von Building Information Modeling (kurz BIM) ist heute vielfach auf den Hoch- sowie Ingenieurbau fokussiert, da die etablierten Werkzeuge und Methoden sich nicht ohne weiteres auf den Verkehrswege- bzw. Streckenbau der Straße und Schiene übertragen lassen. Im vorliegenden Beitrag werden bereits bestehende Möglichkeiten der Anwendung von BIM in der Angebots- wie auch Ausführungsphase und deren Nährwerte für den Verkehrswegebau beschrieben. Überdies wird dargestellt, welchen Beitrag insbesondere die öffentliche Bauherrenschaft durch eine Verfügbarmachung von digitalen Grundlagen mit der Ausschreibung leisten kann bzw. muss und welche Bedeutung die Zieldefi nition zur Weiterverwendung der Daten für Betrieb und Unterhaltung hat, um die BIM Entwicklung zu fördern und die inhaltlichen Ziele des BMVI Stufenplanes erreichbar zu gestalten.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 9 BIM im Verkehrswegebau - Anwendung im Rahmen der operativen Angebotsbearbeitung und Ausführung Jens Hoffmann STRABAG AG - Zentrale Technik, Wien, Österreich Julia Zimmermann STRABAG AG - Verkehrswegebau (UB 6H), Köln, Deutschland Zusammenfassung Die Anwendung von Building Information Modeling (kurz BIM) ist heute vielfach auf den Hochsowie Ingenieurbau fokussiert, da die etablierten Werkzeuge und Methoden sich nicht ohne weiteres auf den Verkehrswegebzw. Streckenbau der Straße und Schiene übertragen lassen. Im vorliegenden Beitrag werden bereits bestehende Möglichkeiten der Anwendung von BIM in der Angebotswie auch Ausführungsphase und deren Nährwerte für den Verkehrswegebau beschrieben. Überdies wird dargestellt, welchen Beitrag insbesondere die öffentliche Bauherrenschaft durch eine Verfügbarmachung von digitalen Grundlagen mit der Ausschreibung leisten kann bzw. muss und welche Bedeutung die Zieldefinition zur Weiterverwendung der Daten für Betrieb und Unterhaltung hat, um die BIM Entwicklung zu fördern und die inhaltlichen Ziele des BMVI Stufenplanes erreichbar zu gestalten. 1. Einleitung BIM gilt als eine der grundlegenden Antworten der Bauindustrie auf die Digitalisierung. Es inkludiert eine rasche wie nachhaltige Veränderung bestehender Arbeitsmittel und -prozesse sowie der daran geknüpften Tätigkeitsprofile. Insofern werden sich neue und erweiterte Anforderungen an viele der heute und zukünftig am Bau tätigen Menschen stellen. BIM ist daher Herausforderung und Chance gleichermaßen. Sicher ist zudem, dass die Durchgängigkeit der Daten und die inhaltliche wie zeitliche Verschränkung der Prozesse mehr denn je ein partnerschaftliches Arbeiten in der Entwurfs- und Realisierungsphase aller am Bau Beteiligten erfordern wird. Ein verändertes Vergaberecht für öffentliche Bauverträge wie auch fortschrittliche Vertragsmodelle (Partneringbzw. Allianzmodelle, Early Contractor Involvements (ECI)) werden hiermit einher gehen. 2. BIM im Verkehrswegebau Erste Infrastrukturprojekte mit BIM-Teilleistungen sind bereits in Österreich (Asfinag) in Ausschreibung und Ausführung. Weitreichender sind diesbezügliche Pilotierungen in Deutschland gediehen, wo ein Ende 2015 verabschiedeter Stufenplan des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) den verbindlichen Einsatz von BIM bei der Planung, Ausschreibung und Realisierung von öffentlichen Infrastrukturprojekten ab dem Jahr 2020 regelt. Jedoch bei näherer Betrachtung dieser ersten Pilotprojekte sowohl in Österreich als auch in Deutschland wird deutlich, dass mehrheitlich der klassische Ingenieur-, respektive Brückenbau zentrale Elemente dieser Vorhaben sind. Erd- und Straßenbauleistungen spielen hier bis dato keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle, was aus Sicht der Verfasser im Gesamtkontext zwar nachvollziehbar aber nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere die Vorgänge in der Bestandserfassung, Mengenermittlung, -abrechnung bis hin zur Bauwerksdokumentation werden von BIM besonders profitieren. Gründe für die festzustellende Unterrepräsentanz liegen sicherlich in den bisher geringen Erfahrungen mit BIM im Erd- und Straßenbau begründet. Wiederum hierfür ursächlich sind vermutlich die initial für den Hochbau entwickelten BIM-Prozesse und -hilfsmittel, welche auf die Bedingungen des Ver-kehrswegebaus nur sehr bedingt anwendbar sind. Abb. 1: Isometrie 3D-Straßenmodell 10 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 BIM im Verkehrswegebau - Anwendung im Rahmen der operativen Angebotsbearbeitung und Ausführung 3. BIM in der Angebotsphase Auch wenn die Nachfrage nach BIM im Verkehrswegebau (BIM.VWB) seitens der öffentlichen Hand noch sehr überschaubar ist, besitzt dieses Gewerk für die STRA- BAG einen enormen Stellenwert. Folglich wurde entschieden, die maßgebenden BIM.VWB - Prozesse zunächst konzernintern zu erarbeiten. Inhaltich orientieren sich diese Entwicklungen an den 20 Anwendungsfällen (AwF) des BMVI Stufenplanes. STRABAG hat ab dem Jahr 2017 bewusst die Phase der Angebotserstellung in den Fokus der Entwicklung gerückt. Hier spiegeln sich bereits viele der definierten Anwendungsfälle wider. Angebotsbearbeitungen bieten infolge ihrer kurzen Dauer, dem damit hohen Durchsatz sowie den verhältnismäßig konstanten wie reproduzierbaren Rahmenbedingungen (Grundlagen, Zielstellungen) ideale Entwicklungsvoraussetzungen. Auch gewährleistet die Bearbeitung von Realprojekten ein Anwenden unter Echtzeitbedingungen sowie eine frühzeitige Einbindung wesentlicher operativer Belange in die Entwicklung. Abb. 2: Prinzipdarstellung BIM.VWB Als ausgesprochen hinderlich erweist sich jedoch, dass den Ausschreibungen anstatt den aus der Vorprojektierung ohnehin existenten digitalen CAD-Plänen oder Modelldaten zumeist nur PDF-Dateien mit nicht parametrisierten 2D-Informationen beiliegen. Aus diesem Grund sind im Rahmen der Angebotsbearbeitung immer noch erhebliche Aufwendungen zu betreiben, um diese abgereicherten Informationen auf die 3D Modellbasis zu reproduzieren. Selbiges gilt auch für die Bereitstellung digitaler Informationen zur Geländebzw. Bestandsgeometrie. Auch diese Informationen sind häufig nicht Gegenstand der Ausschreibungen. 3.1 Modellierung und Mengenableitung Je nach Dokumentenlage, Komplexität und Terminsituation des konkreten Projektes gelingt es im Rahmen der Angebotsphase, die Gewerke Erd- und Oberbau für alle wesentlichen Haupt- und Nebenwege mit geeigneter Trassierungssoftware modellhaft abbzw. nachzubilden (vgl. Abb. 3). Durch die Verwendung einer entsprechenden Modellstruktur und Attributierung der einzelnen Schichten, lassen sich die Modellmengen positionsbezogen ableiten und mit dem Leistungsverzeichnis dynamisch verknüpfen, was eine recht genaue Gegenüberstellung der ausgeschriebenen Mengen mit den Entwurfsmengen ermöglicht. Parallel der Modellierung erfolgt i.d.R. eine Geländeaufnahme im Feld, die oft erst eine Verlässlichkeit der Modellmengen sicherstellt. Abb. 3: Schema Schichtmodell Dammkörper Mit fortschreitender Verbreitung des BIM werden zukünftig auch im Verkehrswegebau die fortgeschriebenen Fachmodelle der Entwurfs- und Genehmigungsphase Gegenstand der Ausschreibung sein (müssen). 3.2 Modellbasierte Kalkulation und Terminplanung Neben den eigentlichen Modellmengen erlauben bestehende Schnittstellen zwischen verschiedener Trassierungssoftware und der Kalkulationssoftware (bei STRABAG iTWO von RIB) eine unmittelbare Ableitung eines Leistungsverzeichnisses bzw. die mengenspezifische Befüllung eines hinterlegten Muster-LVs, welches bei Änderungen innerhalb des Modells automatisiert fortgeschrieben wird. Selbiges gilt auch für die Ableitung der Vorgangsdaten für die Bauzeitplanung, bspw. in die Terminplanungssoftware TILOS, nebst eines stationsgebundenen Massenbandes über die Gesamtstrecke. Dieses Massenband kann wiederum Grundlage einer ressourcenbasierten Bauzeitplanung sein. Die dynamische Verknüpfung der Positionen und Vorgänge mit dem Modell erlaubt es, verhältnismäßig rasch Planungsvarianten auf Baukosten- und Terminrelevanz zu bewerten oder logistische Transportabläufe sowie erforderliche Ressourcen vorauszuplanen. 3.3 Weiterführender Nutzen Wie wir in zahlreichen Pilotprojekten erfahren durften, beeinflusst die neue, modellbasierte Arbeitsweise auch die Kommunikation innerhalb der Projektteams. So werden die über eine Plattform verfügbaren Fachmodelle verstärkt zur Abstimmung von Bauabläufen und zur 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 11 BIM im Verkehrswegebau - Anwendung im Rahmen der operativen Angebotsbearbeitung und Ausführung Klärung von Gewerkenahtstellen genutzt (vgl. Abb. 4). Wo konventionell oft mehrere Pläne „gewälzt“ und „viele Worte verloren“ werden, erlauben Visualisierungen, Überblendungen und Vergrößerungen oft ein rascheres thematisches Verständnis vom Baugeschehen. Zur verstärkten Nutzung dieser Technologie trägt sicherlich auch bei, dass viele am Markt verfügbare Datenbanken den Zugriff auf den aktuellen Datenstand auch außerhalb des Büros über Smartphones und Tablets erlauben. Abb. 4: Isometrie integriertes Straßen-/ Brückenmodell Ein weiterer, wesentlicher Nutzen der geschaffenen Datenbasis liegt in der Bereitstellung für die Arbeitsvorbereitung der Ausführungsphase. Die im Zuge der Angebotsbearbeitung generierten Informationen sind konventionell mehrheitlich im Wissenstand der beteiligten Personen gebunden und stehen den Baustellen in der oft sehr terminkritischen Startphase nur bedingt zur Verfügung. Die modellbasierte Angebotsbearbeitung schafft auch hier deutlich bessere Voraussetzungen. 4. BIM in der Ausführung Der Übergang von der Akquisitionsphase zur Ausführung darf auch für die Nutzung und insbesondere Fortschreibung der Daten keinen Umbruch darstellen. Die in der Angebotsphase genutzten Visualisierungen können insbesondere in der Kommunikation mit dem Bauherrn, Anrainern, den eigenen Mitarbeitern und Zulieferern genutzt werden. Planungsänderungen werden während der Bauausführung ebenso im Modell mitgeführt wie Aufmaße zu den jeweils erreichten Bautenständen. Der Einsatz von Drohnen- oder Lasertechnologie (Mobile Mapping) schafft bereits heute effiziente Möglichkeiten, verlässliche wie nahezu tagesaktuelle Informationen zum Baugeschehen zu erheben. Morgen werden auch die auf dem Baufeld agierenden Baugeräte Informationen zum Bautenstand liefern. Dass hierfür entsprechende Voraussetzungen in der Netzabdeckung und dem Datenfunk einhergehen müssen, sei nur am Rande erwähnt und soll nicht davon abhalten, die bestehenden technologischen Möglichkeiten und deren Weiterentwicklungen zügig voran zu treiben. Die weiterhin gegebene Verknüpfung der Modelldaten mit dem Leistungsverzeichnis und dem Terminplan bietet wiederum die Basis, den Leistungsstand der Baustelle modellbasiert nachzuverfolgen. Wie Pilotierungen in Österreich zeigten, können Leistungen in den Gewerken des Erd- und Oberbaus direkt aus den Modellen (zwischen-) abgerechnet werden. Einzig die für die öffentlichen Bauverträge nach wie vor bindenden Abrechnungsregeln setzen dem Einsatz dieser Technologie Grenzen. Die hier erforderlichen Novellierungen sind aktuell Arbeitsgegenstand verschiedener Gremien. Abb. 5: Schema Lebenszyklus Straße 5. BIM im Betrieb Abseits allem Nutzen in der Angebotswie Ausführungsphase werden die Daten in Ihrer Gesamtheit zukünftig besonders dem Betrieb und der Erhaltung der Straßen- und Schienenwege dienen (vgl. Abb. 5). So können bspw. Personen, die sich mit der Zustandsfeststellung und -bewertung befassen in situ auf Geometrie, Planung, Ausstattung, existierende Fotos und Nach-weisprotokolle zugreifen. Gleich dem ist die Möglichkeit gegeben, erhobene Informationen unmittelbar zurückfließen zu lassen. Auch die Planung und Koordinierung von baulichen und betrieblichen Erhaltungsmaßnahmen sowie von Ausbaumaßnahmen wird direkt von diesen Informationen profitieren. BIM wird vertiefte Möglichkeiten aufzeigen, bautechnische, baubetriebliche sowie betriebs- und volkswirtschaftliche Anforderungen in der systematischen Erhaltungsplanung des Anlageguts von öffentlichen Bauherren zu berücksichtigen, zu bewerten und einzusetzen. Wichtig ist, dass die Anwendungsfälle für BIM im Betrieb definiert werden, um die Modelldatenbanken aus der Angebots- und Ausführungsphase im Hinblick darauf anzureichern. Hierin liegt die Aufgabe der öffentlichen Bauherrenschaft, nicht zuletzt um eine Umsetzung des Stufenplanes zu gewährleisten. Pilotieren geht über Studieren…