eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 12/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
121

Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1

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2020
Bernd Schuppener
Norbert Vogt
Martin Ziegler
Im Jahre 2004 wurde die erste Generation der Eurocodes als europaweit anzuwendende Normen zur Bemessung im Bauwesen in den Mitgliedsländern des CEN eingeführt. Bis Ende September 2014 konnten die nationalen Spiegelausschüsse ihre Einsprüche zum EN 1997 einreichen und Ende 2015 haben die ersten Projekt Teams mit der Erarbeitung der neuen Normentexte begonnen. Statt zwei Teile wird die zukünftige EN 1997 drei Teile umfassen. Im Teil 1 „Allgemeine Regeln“ werden wie bisher alle grundsätzlichen Regelungen enthalten sein, die für die zwei anderen Teile der EN 1997 gelten werden. Der Teil 2 „Bodeneigenschaften“ wird den alten Teil 2 enthalten, ergänzt durch Regelungen für Untersuchungen an Fels. Der Teil 3 „Geotechnische Bauten“ wird die bisher im Teil 1 enthaltenen Abschnitte sowie zusätzliche Abschnitte z. B. über Bewehrte Erde und Baugrundverbesserungen enthalten. Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten Neuerungen und Änderungen des EC7 vor.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 13 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ Bernd Schuppener Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe, Deutschland Norbert Vogt Technische Universität München, München, Deutschland Martin Ziegler Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen, Deutschland Zusammenfassung Im Jahre 2004 wurde die erste Generation der Eurocodes als europaweit anzuwendende Normen zur Bemessung im Bauwesen in den Mitgliedsländern des CEN eingeführt. Bis Ende September 2014 konnten die nationalen Spiegelausschüsse ihre Einsprüche zum EN 1997 einreichen und Ende 2015 haben die ersten Projekt Teams mit der Erarbeitung der neuen Normentexte begonnen. Statt zwei Teile wird die zukünftige EN 1997 drei Teile umfassen. Im Teil 1 „Allgemeine Regeln“ werden wie bisher alle grundsätzlichen Regelungen enthalten sein, die für die zwei anderen Teile der EN 1997 gelten werden. Der Teil 2 „Bodeneigenschaften“ wird den alten Teil 2 enthalten, ergänzt durch Regelungen für Untersuchungen an Fels. Der Teil 3 „Geotechnische Bauten“ wird die bisher im Teil 1 enthaltenen Abschnitte sowie zusätzliche Abschnitte z. B. über Bewehrte Erde und Baugrundverbesserungen enthalten. Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten Neuerungen und Änderungen des EC7 vor. 1. Vorgeschichte Im Jahre 2004 wurde die erste Generation der Eurocodes mit europaweit anzuwendenden Normen zur Bemessung im Bauwesen in den Mitgliedländern des CEN von den zuständigen Subkomitees verabschiedet. In den Folgejahren wurden im Fachbereich Grundbau, Geotechnik die DIN 1054 „Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau“ und die DIN 4020 “Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke“ überarbeitet. Dabei wurden alle Regelungen gestrichen, die schon in der EN 1997-1 enthalten waren, und die zugehörigen national zu bestimmenden Parameter (NDP) der EN 1997-1 festgelegt, wie z. B. die Teilsicherheitsbeiwerte und die in Deutschland anzuwendenden Nachweisverfahren. Die Regelungen für die Einführung der Eurocodes erforderten, dass die NDP zusätzlich in einem gesonderten Nationalen Anhang zusammenzufassen sind. Abschließend wurden 2011 im Handbuch Eurocode 7 „Geotechnische Bemessung - Band 1 Allgemeine Regeln“ - die EN 1997-1, - der Nationale Anhang und - die überarbeitete DIN 1054 „Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau - Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1“ zusammengefasst, um dem Anwender die jetzt gültigen Bemessungsregeln nutzerfreundlich in einem Dokument zu Verfügung zu stellen. Satzungsgemäß ist alle 5 Jahre eine Überprüfung und ggf. Überarbeitung von europäischen Normen durchzuführen. Da es sich bei den Eurocodes um erste Fassungen handelte, bei denen eine große Zahl von Einsprüchen und Änderungswünschen zu erwarten waren, hat sich das CEN auch frühzeitig um eine Finanzierung der umfangreichen Überarbeitung bei der Europäischen Kommission bemüht. Außerdem hat man die Frist verlängert, um die Erfahrungen mit den neuen Eurocodes im ausreichenden Umfang berücksichtigen zu können. Gleich nach der Einführung der EN 1997-1 in den Mitgliedsländern des CEN im Jahr 2004 hat das zuständige Sub-Komitee (SC7) 14 sog. Evolution Groups (EG) eingerichtet, die die Überarbeitung der EN 1997 vorbereiten sollten. Die EGs arbeiteten auf drei Aufgabenfeldern: - die in der EN 1997-1 schon enthaltenen Bemessungsverfahren für geotechnische Bauwerke sollten kritisch überprüft und ggf. ergänzt werden, - für bisher in der EN 1997-1 nicht behandelte geotechnische Bauwerke sollten Entwurfsregeln und Bemessungsverfahren entwickelt werden (z. B. Bewehrte Erde und Baugrundverbesserungen), 14 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ - für bisher in der EN 1997-1 nicht behandelte Fragestellungen sollten Grundsätze für die Bemessung aufgestellt werden (z. B. für die Felsmechanik sowie dynamisch beanspruchte geotechnische Bauwerke) und - Regeln für Nutzerfreundlichkeit der EN 1997-1 insbesondere im Hinblick auf seinen Aufbau und seinen textlichen Umfang sollten entwickelt werden. - In Deutschland wurde nach der Einführung der Eurocodes für die Bemessung von Bauwerken erhebliche Kritik laut: Die aus 58 Normen mit mehr als 5.200 Seiten bestehenden Eurocodes seien für die tägliche Arbeit der planenden Ingenieure ungeeignet und entmutigten die Anwender. Den Eurocodes wurde vorgeworfen, - sie seien zu umfangreich, - in Teilen unklar, - manchmal trivial, - enthalten zu viel Lehrbuchwissen und - sind deshalb nicht nutzerfreundlich. Im Januar 2011 wurde daher von der Deutschen Bauindustrie und den Bauingenieurvereinigungen die Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen e.V. kurz PraxisRegelnBau (PRB) mit dem Ziel gegründet, die Diskussion für die nächste Generation der Eurocodes vorzubereiten. Dazu sollten verbesserte Entwürfe erarbeitet werden. An der Initiative zur Gründung der PRB war auch die Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e. V. (DGGT) als Gründungsmitglied beteiligt. Sie lud im Mai 2011 in der Praxis arbeitende Geotechniker zur Gründung einer Projektgruppe Geotechnik ein. In Deutschland bereiteten sich seit 2011 die zuständigen DIN-Ausschüsse Sicherheit im Erd- und Grundbau und Untersuchungen von Boden und Fels im Rahmen der PRB auf die Überarbeitung der EN 1997-1 vor. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag zum einen bei der redaktionellen Straffung beider bereits existierender Teile der EN 1997-1 zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit und der Durchführung von Vergleichsberechnungen zur Harmonisierung der bisher in der EN 1997-1 vorgeschlagenen Bemessungsverfahren. Die Ergebnisse dieser Arbeiten flossen dann in die Beratungen zur Neufassung der EN 1997-1 ein. Bis zum 30.9.2014 konnten die Mitgliedsländer ihre Einsprüche zum sog. Systematic Review der bestehenden EN 1997-1 einreichen. Von Deutschland wurden um 50 % bzw. 70 % redaktionell gestraffte Fassungen des Teils 1 bzw. des Teils 2 der EN 1997 und Vorschläge zur Behandlung von numerischen Nachweisverfahren eingereicht. Weitere fachliche Einsprüche wurden nicht gemacht, da die von den EGs erarbeiteten Vorschläge eine gute Grundlage für eine Überarbeitung erwarten ließ. Im Frühjahr 2015 wurde die finanzielle Förderung für die Erarbeitung der 2. Generation der Eurocodes von der Europäischen Kommission bewilligt. Der erteilte Auftrag sieht für alle Eurocodes folgende Schwerpunkte bei der Überarbeitung vor: - eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit durch - weitgehend einheitliche Gliederung aller Eurocodes und - Straffung durch Wegfall von Wiederholungen und erläuternden Lehrbuchtexten sowie - eine Reduzierung der national zu bestimmenden Parameter (NDP) und optionalen Nachweisverfahren. 2. Der Entwurf der EN 1997-1 von Oktober 2019 2.1 Struktur der EN 1997 Schon zur Auftragserteilung hat sich das für die EN 1997- 1 zuständige Subkomitee 7 (SC7) darauf geeinigt, die zukünftige EN 1997 neu zu strukturieren und in 3 Teile zu gliedern: - Im Teil 1 „Allgemeine Regeln“ werden alle grundsätzlichen Regelungen zu Bemessungssituationen, Nachweisverfahren, Grenzzuständen und charakteristischen Werten zusammengefasst, die für die 2 anderen Teile der EN 1997 gelten werden. Dabei ist vorauszuschicken, dass in der EN 1990 übergreifend für die gesamte Normenfamilie 2004 bereits allgemeine Regeln festgelegt werden. Der neue Titel dieser Norm: „Basis of structural and geotechnical design“ macht deutlich, dass hier auch Regeln für die EN 1997 gesetzt werden. - Der Teil 2 „Bodeneigenschaften“ wird den alten Teil 2 enthalten, ergänzt durch Regelungen für Untersuchungen an Fels und als Grundlage für dynamische Nachweise sowie zu weiteren Untersuchungen wie z. B. geophysikalische Verfahren. - Der Teil 3 „Geotechnische Bauten“ wird die bisher im Teil 1 enthaltenen Abschnitte zu Flächengründungen, Pfahlgründungen, Ankern, Stützbauwerken, hydraulisch verursachtem Versagen, Gesamtstandsicherheit und Erddämmen sowie zusätzliche Abschnitte z. B. über Bewehrte Erde und Baugrundverbesserungen (Ground Improvement) umfassen. Um der neuen Struktur der EN 1997 bei der Bearbeitung Rechnung zu tragen, wurden 3 Working Groups (WG) eingerichtet (siehe Bild 1). Jede WG besteht aus Task Groups (TG), denen jeweils ein Projekt Team (PT) zugeordnet ist. Die PTs setzen sich aus je 6 Mitgliedern einschließlich eines Vorsitzenden zusammen. Die PT-Mitglieder wurden auf Grundlage einer europaweiten Ausschreibung ausgewählt und haben einen Vertrag, der ihre Aufgaben mit einem Zeitplan sowie ein ergänzendes budgetiertes Honorar für ihre ehrenamtliche Arbeit und die erforderlichen Reisen enthält. Die PTs erarbeiten die Textvorschläge für die neue Fassung der EN 1997. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 15 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ Bild 1: Organisation der Überarbeitung Parallel arbeiten zu jedem PT eine oder mehrere TGs, deren Mitarbeiter nicht finanziell unterstützt werden. Die Aufgabe der in ihnen vertretenen Experten ist, die Project Teams fachlich zu beraten und zu unterstützen, die Arbeiten der Evolution Groups zu verwenden und die Einsprüche zu sichten und zu bewerten, die im Rahmen des Systematic Review eingegangen waren. Sie unterstützen - ohne verbindliche Vorgaben machen zu können - die PTs bei der Ausformulierung der neuen Normentexte. Die ersten PTs und TGs haben Ende 2015 mit ihrer Arbeit begonnen. Ein erster Entwurf für den Teil 1 „Allgemeine Regeln“ wurde im April 2016 veröffentlicht und es folgten weitere Fassungen, inzwischen auch für die Teile 2 und 3. Es werden dabei mehrere Entwurfsphasen durchlaufen, der erste und zweite Entwurf kann jeweils von den Experten der TGs sowie von nationalen Spiegelausschüssen kommentiert werden, Der dritte Entwurf wird dann als Final Draft den Nationalen Normungsinstituten mit der Bitte um Zustimmung zugestellt. Das ist insbesondere dann vorgesehen, wenn alle 3 Einzelteile der Norm zusammenhängend vorliegen und aufeinander abgestimmt sind. Nach Vorliegen der nationalen Rückmeldungen erstellt dann der SC 7 mit Hilfe einer geplanten Ad-hoc-Arbeitsgruppe das Final Document, welches dann zum Formal Vote der Nationen gebracht wird. Da zwischendurch auch noch Übersetzungen und formale Prüfungen stattfinden müssen, ist frühestens Ende 2021/ Anfang 2022 mit diesem Formal Vote zu rechnen. 2.2 Schadensfolgeklassen und Geotechnische Kategorien Schon der aktuell gültige Eurocode EN 1990 „Grundlagen der Tragwerksplanung“ enthält im informativen Anhang B „Zuverlässigkeit im Bauwesen“ Vorschläge zu einem Klassifizierungssystem. Dazu gehören Schadensfolgeklassen und Zuverlässigkeitsklassen sowie Differenzierungen der Überwachungsmaßnahmen bei der Planung und der Herstellung von Bauwerken. Diese Klassifizierung der EN 1990 wurde bisher in der Geotechnik nicht übernommen, allerdings wurde ein System in Form von vereinfachten Geotechnischen Kategorien (GK) eingeführt, das auch in die DIN 1054 und DIN 4020 einfloss. Verkürzt gesagt werden die Bauwerke und der Baugrund in 3 Kategorien eingeteilt. Die GK1 umfasst kleine Bauwerke mit geringen Belastungen und einfachem Baugrund, bei dem eine konstruktive Bemessung auf Grundlage von Erfahrungen möglich ist. GK2 enthält die üblichen geotechnischen Bauwerke, für die schriftliche Nachweise für die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit erforderlich sind, GK3 vor allem schwierige Gründungen mit hohen Lasten und besonderen Anforderungen an die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit. In der Praxis ist die Festlegung der GK manchmal strittig, weil die Grenzen zwischen den GK nicht eindeutig sind. Um die Einstufung in eine Geotechnische Kategorie besser zu hinterlegen, hat man nun bei der Überarbeitung der EN 1997 in Anlehnung an die EN 1990 Schadensfolgeklassen (CC) und Geotechnische Komplexitätsklassen (GCC) eingeführt, aus deren Kom- 16 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ bination sich dann eine geotechnische Kategorie (GK) ergibt. Diese soll bei der Bemessung von geotechnischen Bauwerken eine Differenzierung im Hinblick auf die Anforderungen zur Sicherstellung der geforderten Zuverlässigkeit ermöglichen. Je nach geotechnischer Kategorie ergeben sich unterschiedliche Anforderungen für die Baugrunduntersuchungen, die Planung und Bemessung, die Prüfung und die Herstellung des Bauvorhabens. Wie die Tabellen der CC und der GCC sowie die Kombinationstabelle in den einzelnen Ländern gefüllt wird, bleibt ihnen selbst überlassen, sie sind national zu bestimmende Parameter (NDP). Man kann Schadensfolgeklassen auf bestimmte Phasen des Bauens beschränken oder sogar ganz auf sie verzichten. Entsprechend dem aktuellen Entwurf ist es auch möglich, GKs direkt zu definieren, wie dies in Deutschland bisher gehandhabt wurde. Da eine Einführung von Schadensfolgeklassen im Bauwesen erhebliche finanzielle und juristische Folgen haben wird, muss zuvor die grundlegende Frage geklärt werden: Wer klassifiziert die Bauwerke in Schadensfolgeklassen? Die Bauaufsicht -beraten durch Normenausschüsse - oder der Bauherr - beraten durch den Ingenieur? Für den EC 7 haben die Schadensfolgeklassen keine zwingenden Folgen. 2.3 Numerische Verfahren Erheblich ausgebaut werden die Regelungen zur Bemessung mit numerischen Verfahren, die bislang in der EN 1997-1 zwar zugelassen, aber für die praktische Anwendung nicht normativ geregelt waren. Beim Entwurf einer Baugrubenwand mit numerischen Verfahren wird vorgesehen, dass die Nachweise sowohl mit abgeminderten Scherparametern (Material Factoring Approach (MFA)) als auch mit erhöhten Beanspruchungen und reduzierten Widerständen (Effects Factoring Approach (EFA)) durchgeführt werden sollen. 2.4 Neue Begriffe Auch bisherige Begriffe werden präziser definiert wie z. B. der repräsentative Wert X rep einer Bodenkenngröße. Er stellt denjenigen Wert dar, der in der Grenzzustandsgleichung angesetzt wird. Das war im Prinzip auch schon bisher so, allerdings wurde dafür der Begriff des charakteristischen Wertes verwendet. Auf der Einwirkungsseite stellte der charakteristische Wert die einfachste Stufe des repräsentativen Wertes dar. Der repräsentative Wert selbst konnte dann noch durch Anwendung von Einwirkungskombinationen verändert werden. Da dies bei der Festlegung einer Bodenkenngröße entfällt, entspricht der jetzige repräsentative Wert dem bisherigen charakteristischen Wert. Der repräsentative Wert wird aus einer der beiden nachfolgenden Gleichungen bestimmt: Χ rep = η Χ nom (4.1.a) Χ rep = η Χ k (4.1.b) Der nominale Wert einer Bodenkenngröße X nom ist dabei ein vorsichtig geschätzter Wert, der im Grenzzustand wirkt. Er wird aus Versuchsergebnissen durch Erfahrung oder aus Kenntnis der Örtlichkeit abgeleitet. Es kann sich um einen Mittelwert oder einen oberen oder unteren Grenzwert handeln. Der charakteristische Wert X k ist hingegen auf statistischer Basis zu ermitteln. Der Umwandlungsfaktor η, soll ggf. Maßstabseffekte und Einflüsse von Alterung, Feuchtigkeit u. a. berücksichtigen. Diese Einflüsse sollten nach unserem Verständnis allerdings schon bei der Festlegung des nominalen Werts berücksichtigt werden, so dass η = 1 gesetzt werden kann. Hinsichtlich der neuen Definition eines charakteristischen Wertes ist zu bedenken, dass wir nur in seltenen Ausnahmefällen eine ausreichende Zahl von abgeleiteten Bodenkennwerten aus Feld- und Laborversuchen zur Verfügung haben, um eine statistische Auswertung vornehmen zu können. In der Regel werden wir weiterhin die nominalen Werte auf Grundlage unserer Erfahrung als vorsichtige Schätzung auf der Basis von abgeleiteten Bodenkennwerte (derived values) festlegen, so wie es in der derzeit gültigen Fassung der EN 1997-1 für dort noch so genannte charakteristische Werte vorgesehen ist. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, Bodenkennwerte, die aus Rückrechnungen und Bauwerksbeobachtungen gewonnen werden, als beobachtete Bodenkennwerte (monitored values) X monitored einzuführen. Sie sollen vor allem für Prognosen von Bauwerksverhalten und -verformungen Verwendung finden. In den erforderlichen Berichten über Baugrunduntersuchungen muss erläutert werden, auf welchem Weg die repräsentativen Bodenkennwerte ermittelt worden sind und welche Zuverlässigkeit sie haben. Weiterhin sind die Namen der Grenzzustände STR, GEO, UPL, HYD, FAT verschwunden und das Nachweisformat ist vereinheitlicht worden. Statt der Design Approaches DA1, DA2 und DA3 (Nachweisverfahren) sind jetzt auf der Einwirkungsbzw. Beanspruchungsseite Design Cases DC 1 bis 4 und auf der Widerstandsseite ein Material Factoring Approach (MFA) bzw. ein Resistance Factoring Approach (RFA) eingeführt worden. 2.5 Hydraulische Nachweise In Zukunft wird EN 1990 im Zusammenhang mit Wasserdrücken von vorrangiger allgemeiner Bedeutung sein. Dort werden Wasserdrücke aufgeteilt in ständige, veränderliche und außergewöhnliche Beanspruchungen, die dann ggfs. auch mit verschiedenen Teilsicherheitsbeiwerten zu belegen sind. In der neuen EN 1997-1 wird aber ergänzend geregelt, dass neu so benannte repräsentative Grundwasserdrücke festzulegen sind. Dieser Begriff ist sehr hilfreich und sollte in der Zukunft anstelle des Begriffes „Bemessungswasserstand“ verwendet werden, um Missverständnisse im Hinblick auf den Bemessungswert von Wasserdrücken zu vermeiden. Im Regelfall wird wohl der repräsentative Grundwasserdruck, 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 17 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ z. B. die einem 50-jährigen Ereignis zugeordnete Beanspruchung als Berechnungsgrundlage verwendet werden. Der zugehörige Teilsicherheitsbeiwert wird dann demjenigen von ständigen Beanspruchungen entsprechen, um zu Bemessungswerten zu gelangen. Hier wird aktuell diskutiert, ob dieser Wert 1,2 oder 1,35 betragen soll. Der Bemessungswert kann aber auch in direkter Festlegung oder durch Festlegung eines fixen Zuschlags zum repräsentativen Wert gebildet werden. Das Format des Auftriebsnachweises ist derart umstrukturiert worden, dass darin zukünftig Bemessungswerte der Widerstände direkt verwendet werden. Beim Nachweis des hydraulischen Grundbruchs wird das Verfahren nach Terzaghi empfohlen, wobei statt des Vergleichs von Strömungskraft und effektiver Gewichtskraft der ungünstig wirkende Porenwasserdruck mit Spannungen aus den Wichten von Wasser und Boden verglichen werden. Der dabei empfohlene Teilsicherheitsbeiwert γ HYD für den Hydraulischen Grundbruch in der Gleichung 8.3 entspricht mit γ HYD = 0,67 einem Globalsicherheitsbeiwert nach Terzaghi von η = 1,5. Weiterhin wird der Nachweis gegen interne Erosion und Piping über den Vergleich von auftretenden und kritischen Gradienten empfohlen. 2.6 Grundbruchnachweis Die Nachweisverfahren DA1, DA2 und DA3 werden in EN 1990 durch sogenannte Design Cases (DC) in Verbindung mit den erwähnten Ansätzen für die Widerstande (MFA oder RFA) ersetzt. Dabei ist ein Verfahren, welches dem Verfahren DA2* entspricht und bei dem Teilsicherheitsbeiwerte immer erst ganz am Ende von Berechnungen angewandt werden, nicht mehr in identischer Form vorhanden. Allerdings kommt die Kombination von DC4 mit RFA dem bisherigen DA2* sehr nahe. Es werden hierbei nur die veränderlichen Einwirkungen bereits vorab mit dem Faktor 1,50/ 1,35 multipliziert. Dies sind die Teilsicherheitsbeiwerte für veränderliche und ständige Einwirkungen im DC1. Allerdings ist dieses DA2* ähnliche Verfahren nicht mehr für alle geotechnischen Anwendungen vorgesehen, für die bisher DA2* angewendet wurde. Dies gilt insbesondere für den Nachweis von Flachgründungen und hat dadurch direkte Auswirkungen auf den Grundbruchnachweis. Die aktuelle Ausgabe der EN 1997-1 7 ergänzt durch DIN 1054 ermöglicht für den Grundbruchnachweis, den charakteristischen Grundbruchwiderstand mit dem Neigungsbeiwert und der Exzentrizität der charakteristischen Einwirkungen zu berechnen. Das zugeordnete Verfahren dazu wird als DA 2* bezeichnet. Es führt dazu, dass die Fundamentabmessungen sich identisch zu denen ergeben, die traditionell mit dem Globalsicherheitssystem ermittelt wurden. Das setzt formal eine komplexe Regelung voraus, denn die Teilsicherheitsbeiwerte der Einwirkungen zur Ermittlung von Lastneigung und Lastexzentrizität (= 1) sind anders als die Teilsicherheitsbeiwerte zur Ermittlung des Bemessungswertes der Beanspruchung (= 1,35 und 1,5 für ständige bzw. veränderliche Einwirkungen). Dieses Vorgehen mit dem Ergebnis besonders wirtschaftlicher Fundamentabmessungen findet in Europa aber keine allgemeine Zustimmung und ist tatsächlich weniger robust als das Verfahren DA 2, bei dem der Neigungsbeiwert und die Exzentrizität zur Ermittlung des charakteristischen Grundbruchwiderstandes mit den Bemessungswerten der Einwirkungen berechnet werden. Das wird an folgendem Bild 2 erläutert. Die blaue Kurve zeigt Kombinationen von Vertikallasten und Horizontallasten, die nach der in DIN 4017 enthaltenen Grundbruchformel gerade grundbruchsicher sind und damit den charakteristischen Grundbruchwiderstand in Abhängigkeit von der Vertikallast V darstellt. Reduziert um den Teilsicherheitsbeiwert γgr (siehe grüne Pfeile) ergibt sich die entsprechende Kurve für den Design-Wert des Grundbruchwiderstandes. Hier ist erkennbar, dass mit der teilsicherheitsbedingten Reduktion des V-Last-Anteils je nach Größe der Basis-Horizontallast der Spielraum für zusätzliche H-Lasten sehr verschieden ist. An der mit „1“ gekennzeichneten Stelle liegt er bei einem Faktor von 4,2, ohne einen Grundbruch auszulösen. und an der mit „2“ gekennzeichneten Stelle ist er auf 1,3 reduziert. Die violett markierte Linie begrenzt das Verhältnis H/ V nach Maßgabe des Gleitens. Für eine beispielhaft vorhandene charakteristische Lastkombination V k und H k , die in der Grafik durch einen blauen Punkt gekennzeichnet ist, ergeben sich die zugehörigen Design-Werte V d und H d (braun gekennzeichnet), wobei in typischen Fällen die H-Last eine variable Last ist und mit dem Teilsicherheitswert 1,5 beaufschlagt wird, während die V-Last zum größten Teil aus ständigen Eigengewichtslasten besteht und mit einem Faktor von 1,0 oder 1,35 beaufschlagt wird. Damit ändert sich gegenüber dem charakteristischen Fall die Lastneigung. Die blaue Gerade kennzeichnet das Beibehalten der jeweiligen Lastneigung und führt mit den charakteristischen Lastwerten zu einem anderen Punkt auf der Kurve für den charakteristischen Grundbruchwiderstand (Verfahren DA 2*) als die grüne Kurve mit den Design-Lasten (Verfahren DA 2). Dadurch verringern sich der charakteristische Wert und auch der Bemessungswert des Grundbruchwiderstandes, was bei zulässiger Ausnutzung der Größen zu unwirtschaftlicheren Fundamenten führt. Gleichzeitig verringert sich aber auch die Robustheit gegenüber unerwarteten zusätzlichen Horizontallasten, für die weniger Reserven verbleiben. 18 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ Bild 2: Ergebnisse von Grundbruchberechnungen mit Vertikal- und Horizontallasten - charakteristische Werte und Bemessungswerte des Grundbruchwiderstands bei Anwendung der Nachweisverfahren DA2 und DA2*. Da aber gerade H-Lasten oft eine große Variabilität aufweisen, wird aktuell überlegt, auf Sonderregeln zur Beibehaltung von Regelungen zu verzichten, die eine Beibehaltung der Wirkungen des Verfahrens DA 2* für den 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 19 Neue Konzepte im Entwurf der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik - Teil 1: Allgemeine Regeln“ Grundbruchnachweis ermöglichen. Der begrenzte wirtschaftliche Nachteil wird belohnt durch eine nachweislich größere Robustheit und eine europa-einheitliche klar nachvollziehbare, physikalisch logische Lösung. Dies gilt insbesondere für den unteren Teil der Kurve für den Grundbruchwiderstand, bei dem die H-Lasten dominieren. Sie ermöglicht außerdem, auf den bisher in Deutschland üblichen Nachweis der Begrenzung der Exzentrizität auf b/ 3 bzw. b/ 6 zu verzichten, da für die Bemessungswerte der Einwirkungen mit entsprechend größerer Lastneigung und Exzentrizität bereits der Grundbruchwiderstand der verkleinerten Ersatzfläche gegeben ist. Die erhebliche Auswirkung der Exzentrizität aus charakteristischen oder Bemessungswerten der Einwirkungen auf den charakteristischen Grundbruchwiderstand wird hier nicht weiter diskutiert. 2.7 Nutzerfreundlichkeit Eingangs war dargestellt worden, dass die deutschen Einsprüche zur derzeit gültigen EN 1997 weniger die technischen normativen Regelungen betrafen als die Nutzerfreundlichkeit. Diese war wegen der vielen Lehrbuchtexte, Wiederholungen und unübersichtlicher Gliederung unbefriedigend und erforderte eine Straffung. Das Thema „Nutzerfreundlichkeit“ wurde wiederholt von deutscher Seite auf den Sitzungen des SC7 angesprochen. Allerdings mit wenig Erfolg, weil die Diskussion von der Lösung von technischen normativen Regelungen dominiert wurde, die den Delegierten der meisten Mitgliedsländer wichtiger waren als die eher redaktionellen Probleme. Außerdem war auf höherer Ebene des TC 250 eine andere Definition des Begriffs der Nutzerfreundlichkeit eingeführt worden, die den strengen Auslegungen von PRB nicht entspricht. In der Sitzung des SC7 in Aarhus wurde 2018 in der Resolution 119 die zukünftige inhaltliche Weiterarbeit an der EN 1997-1 festgelegt. Bei der Abstimmung lehnte es die große Mehrheit der Delegierten ab, auch die Nutzerfreundlichkeit zum Thema bei der inhaltlichen Weiterarbeit an der EN 1997-1 zu machen. Für eine strenge Straffung des Entwurfs zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit (ease of use) sah die große Mehrheit des SC7 keinen Bedarf. Innerhalb der deutschen Delegation haben wir uns daher darauf verständigt, uns auf europäischer Ebene nicht mehr für die „Nutzerfreundlichkeit“ zu verkämpfen, sondern auf die Diskussion und Harmonisierung der technischen normativen Regelungen zu konzentrieren. Dies hat Auswirkungen auf den jetzt vorliegenden Entwurf von Oktober 2019, der nicht nur wieder etliche entbehrliche Texte und Wiederholungen enthält, sondern auch Abschnitte und informative Anhänge, die thematisch aus deutscher Sicht nicht in eine Bemessungsnorm gehören wie z. B. zu Herstellung, Bauüberwachung, Monitoring und Unterhaltung. 3. Ausblick Seit Ende Oktober liegen nun für die drei Teile der EN 1997 neue Entwürfe vor, zu denen bis Ende Januar von den nationalen Spiegelausschüssen über die nationalen Normungsinstitute Kommentare eingereicht werden können. Wesentliche inhaltliche Änderungen sind bei der weiteren Bearbeitung in der EN 1997-1 „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik — Teil 1: Allgemeine Regeln“ nicht zu erwarten. Bei den Teilen 2 und 3 ist dagegen die Diskussion an vielen Stellen noch offen und ermöglicht Änderungen, für die wir uns aktuell intensiv einsetzen. Eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit, die auch von anderen Fachbereichen des Bauingenieurwesens für sinnvoll und notwendig gehalten wird, lässt sich am einfachsten auf nationaler Ebene erreichen. Zu diesem Thema hat die PRB beim DIBt einen gemeinsamen F+E-Antrag aller Projektgruppen gestellt, der folgende Fragen beantworten soll: 1. Analyse der derzeit von den verschiedenen Project Teams und anderen Arbeitsgremien im CEN/ TC 250 vorbereiteten Vorentwürfe zu den Eurocodes und Vergleich mit den von deutscher Seite (DIN und PRB) vorgeschlagenen Verbesserungen; 2. Erarbeitung von Stellungnahmen zu diesen Vorentwürfen und zu weiteren Vorschlägen der verschiedenen Akteure auf der europäischen Ebene; 3. Zusammenstellung von Fragestellungen und Regelungsvorschlägen aus dem CEN/ TC 250, die für eine bauaufsichtliche Einführung ungeeignet sind; 4. Zusammenstellung von Fragestellungen und Regelungsvorschlägen aus dem CEN/ TC 250, die das Planen und Bauen für normale Anwendungen unnötig verkomplizieren und damit verteuern; 5. Erarbeitung eines Vorschlags, wie mit den Eurocodes in Deutschland umgegangen werden sollte insbesondere vor dem Hintergrund der bauaufsichtlichen Einführung. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wird die Projektgruppe Geotechnik der PRB beispielhaft einige Abschnitte der vorliegenden Fassungen der EN 1997 analysieren und das Straffungspotential zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit untersuchen. Dabei sollen die Struktur und die normativen technischen Regelungen der EN 1997 erhalten bleiben. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens sind dann Grundlage für die Entscheidung, ob es sinnvoll ist, auch die offizielle Schlussfassung der EN 1997 zur Verbesserung ihrer Nutzerfreundlichkeit zu straffen („Plan B“). Eine solche gestraffte Fassung der EN 1997 sollte dann von der Bauaufsicht parallel zum offiziellen Eurocode eingeführt werden.