Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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2020
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Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“
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2020
Sigfried Nagelsdiek
Dirk Siewert
Die fortschreitende Digitalisierung wird auch in Deutschland das Arbeiten innerhalb der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben stark verändern. Ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Umsetzung der BIM-Methodik in der gesamten Wertschöpfungskette ist u.a. die klare Definition von Anforderungen (Daten, Prozesse, Qualifikation), Qualitätsmerkmalen und Schnittstellen sowie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Alle Baubeteiligten sind deshalb aufgefordert sich kurzfristig an den aktuell laufenden Abstimmungs- und Regelungsprozess zu beteiligen.
Die BFA Spezialtiefbau hat dies getan und bereits im Dezember 2017 ein Technisches Positionspapier zur Thematik herausgegeben, das nun in einer überarbeiteten und ergänzten Fassung vorliegt. Diesen Beitrag zu BIM im Spezialtiefbau halten wir für wichtig, da unser Spezialgewerk – obwohl es ein wichtiges Glied in der stark fragmentierten Wertschöpfungskette Bau darstellt – derzeit noch nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit behandelt wird. Die BIM-Methode kann aber nur erfolgreich angewendet werden, wenn der Gesamtprozess funktioniert und die Baubeteiligten ihre Aufgaben kennen und partnerschaftlich wahrnehmen
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 33 Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ Die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht ausführender Unternehmen Siegfried Nagelsdiek Ed. Züblin AG - Zentrale Technik Technisches Büro Tiefbau, Albstadtweg 3, 70567 Stuttgart, Deutschland Dipl.-Ing. Dirk Siewert Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB), Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin, Deutschland Zusammenfassung Die fortschreitende Digitalisierung wird auch in Deutschland das Arbeiten innerhalb der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben stark verändern. Ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Umsetzung der BIM-Methodik in der gesamten Wertschöpfungskette ist u.a. die klare Definition von Anforderungen (Daten, Prozesse, Qualifikation), Qualitätsmerkmalen und Schnittstellen sowie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Alle Baubeteiligten sind deshalb aufgefordert sich kurzfristig an den aktuell laufenden Abstimmungs- und Regelungsprozess zu beteiligen. Die BFA Spezialtiefbau hat dies getan und bereits im Dezember 2017 ein Technisches Positionspapier zur Thematik herausgegeben, das nun in einer überarbeiteten und ergänzten Fassung vorliegt. Diesen Beitrag zu BIM im Spezialtiefbau halten wir für wichtig, da unser Spezialgewerk - obwohl es ein wichtiges Glied in der stark fragmentierten Wertschöpfungskette Bau darstellt - derzeit noch nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit behandelt wird. Die BIM-Methode kann aber nur erfolgreich angewendet werden, wenn der Gesamtprozess funktioniert und die Baubeteiligten ihre Aufgaben kennen und partnerschaftlich wahrnehmen. 1. Einleitung 1.1 Vorstellung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie vertritt zusammen mit seinen 16 ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedsverbänden die Interessen von 2.000 mittelständischen und großen Bauunternehmen. Die Mitgliedsunternehmen - teilweise mit europäischen Muttergesellschaften - schaffen über 250.000 Arbeitsplätze am Wirtschaftsstandort Deutschland, bilden Jahr für Jahr hunderte Fachkräfte aus, fördern die universitäre Ausbildung zum Ingenieur und tragen damit zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstand in Deutschland bei. Als Wirtschaftsverband setzt er sich für die Interessen der deutschen Bauindustrie gegenüber Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene ein. Das Ziel ist eine bedarfsgerechte Investitionspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden, eine sachgerechte Vergabe öffentlicher Bauaufträge und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen im Bauvergabe- und Bauvertragsrecht sowie im Steuer-, Wettbewerbs- und Unternehmensrecht. Als Arbeitgeberverband ist er Partner bei Tarifverhandlungen, engagiert sich im Bereich der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung und setzt sich gegen illegale Praktiken ein. Die Bundesfachabteilung Spezialtiefbau innerhalb des Hauptverbandes ist der Zusammenschluss führender deutscher Spezialtiefbauunternehmen mit nationalem und internationalem Tätigkeitsgebiet. Das Umsatzvolumen der BFA-Mitglieder beträgt ca. 1 Mrd. Euro. 1.2 Arbeitskreis BIM im Spezialtiefbau - Historie und Ziele Die Digitalisierung der Baubranche führt auch im Spezialtiefbau zu massiven Veränderungen in den Prozessen, sowohl in der Angebotsals auch in der Ausführungsphase. Ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Um- 34 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ Die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht ausführender Unternehmen setzung der BIM-Methodik ist unter anderem die klare Definition der Anforderungen an die Daten, an die Prozesskette, an die Qualitätsmerkmale und an die Schnittstellen. Voraussetzung ist aber auch eine partnerschaftlich orientierte Zusammenarbeit aller am Planungs- und Bauprozess Beteiligten. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat mit dem im Dezember 2015 veröffentlichen Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ für den öffentlichen Sektor in Deutschland die Richtschnur bis 2020 und darüber hinaus vorgegeben. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Bundesfachabteilung Spezialtiefbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. im Dezember 2016 ein Workshop „BIM im Spezialtiefbau“ initiiert, um das Thema mit seinen Mitgliedsfirmen zu diskutieren. Die Teilnehmer des Workshops waren sich einig, dass die fortschreitende Digitalisierung das Arbeiten innerhalb der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben stark verändern wird und dass dem Gewerk Spezialtiefbau in der aktuellen BIM Entwicklung noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die ausführenden Spezialtiefbauunternehmen wollten Ihre Anforderungen zu diesem Thema in den laufenden Abstimmungs- und Regelungsprozess in Form eines Positionspapieres einbringen. Abbildung 1: Titelblatt So entstand der Arbeitskreis BIM im Spezialtiefbau, der dann in 2017 seine Arbeit aufnahm und in diskussionsreichen Sitzungen ein Positionspapier erarbeitet hat. Dem Arbeitskreis „BIM im Spezialtiefbau“ gehören zahlreiche Firmenvertreter an, so dass die unterschiedlichsten Sichtweisen auf das Thema in das vorliegende Positionspapier eingeflossen sind. Die erste deutsche Fassung wurde dann im Dezember 2017 veröffentlicht und steht als Druckversion und digital zur Verfügung. Eine englische Übersetzung folgte dann im April 2019, die jedoch nur in digitaler Form bereitgestellt wird. Ziel des Positionspapieres ist es, die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht der zukünftigen Konsumenten der Modelldaten, hier den bauausführenden Spezialtiefbauunternehmen in Deutschland, aufzuzeigen. Das Positionspapier dient dazu - die Anforderungen an andere Baubeteiligte, die im BIM Prozess beteiligt sind (u.a. an den Auftraggeber und an die Planer), zu definieren. - die Schnittstellen zu anderen Baubeteiligten zu beschreiben. - zu beschreiben, welche Daten, wann und vom wem, geliefert werden müssen, um einen BIM-Prozess umzusetzen. - die oftmals sehr allgemeine Definition von BIM im Bauprozess zu präzisieren und zu ergänzen. Die wesentlichen Themenblöcke im Positionspapier hierzu sind mögliche BIM Anwendungen im Spezialtiefbau, die Datenaustauschszenarien, die Anforderungen an die Modellinhalte und an Datenaustauschformate, die Sicherung der Modellqualität, sowie der Vorschlag für ein Klassifizierungssystem. Das Positionspapier und damit die Sichtweise ausführender Spezialtiefbauunternehmen wurde in der Folge bei regionalen und überregionalen Tagungen inhaltlich präsentiert und zur Diskussion gestellt. Um in einen vertieften Dialog mit ausgewählten Fachleuten treten zu können, hatte die BFA im März 2019 zu einen Expertendialog „Weiterentwicklung BIM im Spezialtiefbau“ in das Haus der Deutschen Bauindustrie in Berlin eingeladen. Der Teilnehmerkreis bestand aus Vertretern der Spezialtiefbauunternehmen, Vertretern von Auftraggebern, Ingenieurbüros und Hochschulen. Der Fokus dieser Veranstaltung war auf die Ausführungspraxis gerichtet, wobei das Positionspapier die Diskussionsgrundlage bildete. Diskutiert wurde dabei insbesondere die Anforderungen im BIM-Prozess an andere Baubeteiligte (u.a. Bauherr, Planer) und die Definition der Schnittstellen zu anderen Baubeteiligten. Die Entwicklungen rund um das Thema BIM und Digitalisierung sind sehr dynamisch und noch lange nicht abgeschlossen. So ist der Arbeitskreis weiterhin aktiv und zum Jahreswechsel 2019 / 2020 erschien die zweite überabeitete und ergänzte Fassung des Positionspapieres. 2. BIM Anwendungsfälle im Spezialtiefbau Die BIM Anwendungsfälle und deren konkrete Umsetzung im Projekt werden anhand der projektbezogenen BIM-Ziele im BIM-Abwicklungsplan (BAP) auf Basis der Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) vereinbart. Die Umsetzung der Anwendungsfälle stellt einen komplexen Prozessablauf dar, der sich auf unter- 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 35 Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ Die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht ausführender Unternehmen schiedliche Werkzeuge der Digitalisierung abstützt und die Mitwirkung aller Projektbeteiligten voraussetzt. In Anlehnung an die BIM4Infra2020-Anwendungsfälle wurden für den Spezialtiefbau bislang zehn relevante Anwendungsfälle abgeleitet. Für die vollumfängliche Umsetzung einiger Anwendungsfälle sind noch nicht alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, gleichwohl können Teilaspekte heute schon implementiert werden. Nachfolgend werden fünf ausgewählte Anwendungsfälle näher beschrieben. 2.1 Bestandserfassung und 3D Baugrundmodellierung Im Fachmodell Bestand werden alle relevanten ober- und unterirdisch bestehenden Strukturen (Bebauung, Sparten, Infrastruktur, Brunnen, Reste von Verbauarbeiten etc.) erfasst. Die Eingangsdaten hierfür können u. a. aus Bauwerksakten, Spartenplänen, Vermessungen und Laserscans entnommen werden. Bei der Überlagerung mit anderen Teilmodellen ist das Fachmodell Bestand grundlegend, um z.B. eine Kollisionsprüfung durchführen zu können. Auch der anstehende Baugrund stellt Bestand dar. Da die Interaktion der Spezialtiefbaumaßnahmen mit dem umgebenden Boden eine zentrale Rolle bei der Planung und Ausführung von Spezialtiefbauprojekten einnimmt (z. B. für die Wahl des Verfahrens oder der Lage von Bauteilen), bedarf es eines eigenen Fachmodells Baugrund. Die Anforderungen an dieses Teilmodell werden in einem separaten Kapitel beschrieben. 2.2 Mengenermittlung Mengen und Bauteillisten können aus dem Modell abgeleitet werden. Dazu werden die geometrischen und semantischen Eigenschaften der Elemente ausgewertet. Alles, was mengenmäßig ausgewertet werden soll, muss auch im Modell enthalten sein. Die Mengenermittlung kann in verschiedenen Phasen und für verschiedene Aufgaben durchgeführt und in Listen für eine weiterführende Verwendung (u.a. für Ausschreibung, Kalkulation, Arbeitsvorbereitung) ausgegeben werden. Spezifische Anforderungen an die Mengenermittlung im Spezialtiefbau, wie die Berücksichtigung von Zwischenzuständen (z. B. Überschnitt bei Pfählen) und die Interaktion zwischen verschiedenen Elementen (z. B. bei der schichtbezogenen Mengenermittlung), müssen dabei berücksichtigt werden. Die Ausgabe erfolgt i.d.R. noch Listenform, da eine direkte Übergabe aus dem Modell in ein Kalkulationsprogramm zwar grundsätzlich möglich ist, aber aufgrund fehlender Standards in Deutschland die Verknüpfungen zwischen den Bauteilen und den Positionen des Leistungsverzeichnisses für jedes Projekt neu zu definieren sind. Das ist noch sehr zeitaufwändig und findet in der Praxis nur geringe Akzeptanz. 2.3 Termin- und Logistikplanung BIM-Modelle werden mit einem Terminplan verknüpft, um daraus Simulationen des Bauablaufs zu erstellen. Hierfür werden den Vorgängen des Terminplans jeweils bestimmte Elemente des Modells zugeordnet. Die Verknüpfung kann auf verschiedenen Detailstufen erfolgen, bspw. auf Ebene der Bauteilgruppen (z. B. Pfahlwand) oder einzelner Bauteile (z. B. Pfahl, Anker, Steckträger, Schlitzwandlamelle). Auf dieser Basis ist es möglich, vorab die generelle Herstellbarkeit des Bauwerks zu prüfen. Durch die Überprüfung auf räumliche und zeitliche Konflikte, Durchführung von Variantenvergleichen und durch eine Plausibilisierung der Leistungsansätze kann eine Optimierung des Bauablaufs erreicht werden. 2.4 Koordination der Spezialtiefbaugewerke / Kollisionsprüfung Die Koordination der Spezialtiefbau-Gewerke soll auf Basis einer modellbasierten Kollisionsprüfung durchgeführt werden. Die verschiedenen Fachmodelle werden in einem Koordinationsmodell zusammengeführt und anschließend einer (teil-)automatisierten Kollisionsprüfung und systematischen Konfliktbehebung unterworfen. Abbildung 2: Fachmodelle und Koordinationsmodell Die Kollisionsprüfungen im Spezialtiefbau haben eine große Bedeutung und sind sowohl für den Endzustand als auch für temporäre Zustände durchzuführen. Dabei sind Überschneidungen und die erforderlichen Mindestabstände untereinander (z. B. bei Ankern) oder zu bestehenden Bauteilen (Sparten, Bestandsgebäude etc.) unter Beachtung der Herstelltoleranzen und der eingesetzten Baumaschinen (z.B. Ankerbohrgerät) zu berücksichtigen. Die Modelle stellen eine echte Planungshilfe dar und durch frühzeitig erkannte Überschneidungen werden Schäden in der Ausführung vermieden. 36 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ Die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht ausführender Unternehmen 2.5 Planableitung Aus einem Fachmodell, das eine ausreichend große Detailtiefe besitzt, lassen sich 2D-Ausführungspläne einschließlich aller für die Ausführung notwendigen Listen (Koordinatenlisten, Materiallisten, Bohr-, und Trägertabellen, u.a.) direkt in der gewohnten 2D-Qualität ableiten. Die bisherige Erfahrung bei Ausführungsplanungen zeigt, dass sich einzelne, aber doch wesentliche, Planungsschritte im Planungsprozess nach vorne verschieben. Der Gesamtaufwand ist aber mit einer reinen 2D Planung vergleichbar. Der Vorteil der modellbasierten Planung zeigt sich dann v. a. bei Änderungen und Ergänzungen, die nur einmal im Modell vorgenommen werden müssen. Für die Baustelle sind immer noch 2D Pläne Standard, ein Transfer des Modells auf die Baustelle findet noch nicht statt. 3. Baugrundmodell Ein durchgängiger BIM Prozess im Spezialtiefbau erfordert ein 3D-Fachmodell Baugrund. Das Baugrundmodell ist für den Spezialtiefbau eine wesentliche Planungs- und Ausführungsgrundlage und als solche durch den Auftraggeber zur Verfügung zu stellen. Das 3D- Baugrundmodell stellt die digitale Umsetzung des im Geotechnischen Bericht entwickelten und beschriebenen Baugrundmodells dar und wird i.d.R. durch den geotechnischen Sachverständigen erstellt. Die Verantwortung zur Fortführung des Fachmodells Baugrund infolge weiterer Erkenntnisse während der Bauausführung ist vorab in den AIA und im BAP festzulegen. Das Fachmodell Baugrund besteht aus der Erdoberfläche in Form eines digitalen Geländemodells und einem Bodenschichtenmodell. Dieses Partialmodell muss neben allen geometrischen Daten auch die Schichtinformationen und Bodenkennwerte des Baugrunds enthalten. Das Fachmodell Baugrund dient zur Ableitung von Längs- und Querschnitten an beliebiger Stelle, z.B. als Grundlage für eine statische Berechnung oder zur Bestimmung der Oberkante einer tragfähigen Schicht oder eines abdichtenden Horizontes. Neben der Darstellung der eigentlichen Schichtung sollen auch die Ausgangsdaten im Schichtenmodell sichtbar sein, das sind zum Beispiel die Aufschlussbohrungen mit den zugehörigen Vermessungsdaten. Es sind sowohl durchgängige als auch auslaufende Schichten, Einschlüsse und Linsen sowie der Grundwasserstand darzustellen. Zur modellbasierten Ermittlung von Erdmassen ist die Verknüpfung und Verschneidung des Baugrundmodells mit den entsprechenden Teilmodell Baugrube und/ oder mit dem Teilmodell Verbau erforderlich. So können schichtbezogene Aushubmengen, Auftrags- und Abtragsmassen ermittelt werden. Genauso kann die Ermittlung von schicht- und bauteilabhängigen Verbaumassen (wie z.B. Bohrgut, Schlitzwandaushub, Bohrmeter in Fels) erfolgen. Das Modell ist digital zur Verfügung zu stellen, so dass es ermöglicht ist, die zuvor genannten Anwendungen umzusetzen. Die verschiedenen Softwareprodukte, die aktuell zur Verfügung stehen, decken bisher nur Teilaspekte der Prozesskette ab. Ein durchgängiger, dynamischer Prozess ist noch nicht möglich. Abbildung 3: Isometrie 4. Anforderungen an die Modellelemente Ergänzend zu den Forderungen an die Modellinhalte der unterschiedlichen Teilmodelle werden im Positionspapier auch Mindestanforderungen an einzelne Modellelemente gestellt. Die Mindestanforderungen an einzelne Modellelemente wurden in Abhängigkeit der zuvor definierten Austauschszenarien in einer Anlage zum Positionspapier tabellarisch erfasst. Hierbei wurden die Modellelemente den Fachmodellen Baugrund, Bestand, Bauwerk und dem Fachmodell Spezialtiefbau zugewiesen. Die geforderten Eigenschaften wurden auf Gewerke bezogen zusammengefasst und der Bauphase, in welcher die Informationen zur Verfügung stehen müssen, zugeordnet. Dabei ist diese Attributliste als Minimalanforderung zu verstehen, um mit dem Fachmodell grundsätzlich weiter arbeiten zu können bzw. um die in der jeweiligen Bauphase notwendigen Informationen (z.B. für die Kalkulation) zu erhalten. 5. 5. Datenaustausch 5.1 Datenaustauschszenarien und Datenformat Bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken mit Hilfe der BIM-Methodik, arbeiten die beteiligten Parteien kollaborativ auf Basis von digitalen Gebäudedatenmodellen zusammen. Dabei werden die Modelle ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten ausgetauscht. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 37 Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ Die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht ausführender Unternehmen Um Anforderungen an die Modellinhalte klarer zu fassen, wurden im Positionspapier vier Datenaustauschszenarien definiert. Dabei wurden nur die Rollen Ausschreibender, Planer und Ausführender betrachtet. Weitergehende Vertragsverhältnisse und Rollen wurden nicht berücksichtigt. AS1 - Ausschreibung AS2 - Ausführungsplanung AS3 - Werkplanung AS4 - Bauwerksdokumenation („as-Built“) Für die Übergabe der Modelle ist ein standardisiertes, neutrales Datenformat zu wählen, idealerweise ergänzt um die proprietären Originaldateien. In der Bautechnik ist hier beispielhaft das Datenaustauschformat „Industry Foundation Classes“ (IFC) zu nennen. Die Austauschformate und dazugehörigen Schemaund/ oder Programmversionen sind mit allen Beteiligten zu Projektbeginn abzustimmen und im BAP festzuhalten, ebenso wie die Exporteinstellungen. Idealerweise werden diese vorab anhand von Testmodellen verifiziert und ggf. angepasst. Konkrete Vorgaben an zu nutzende IFC-Entitäten werden nicht gemacht, da für Bauteile des Spezialtiefbaus in der Regel spezifische Modellelemente verwendet werden, welche aus den Autorensystemen meist nur als IfcBuildingElementProxy-Entität sauber exportiert werden können. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, behilft man sich mit einem Klassifikationssystem. 5.2 Klassifizierungssystematik Die Strukturierung der Datenmodelle auf Basis von projektweit einheitlichen Klassifikationen ermöglicht es, Elementtypen und die enthaltenen Informationen eindeutig und einheitlich zu identifizieren und damit Modelle standardisiert auswerten zu können. Dies ist insbesondere für die Umsetzung der Anwendungsfälle „Mengenermittlung“ und „Kostenplanung und Ausschreibung“ relevant. Da Elemente des Spezialtiefbaus häufig nicht in der gewünschten Detaillierung in bekannten Klassifizierungssystemen (z.B. Uniclass) gelistet sind, wird, in Ergänzung zu den definierten Mindestanforderungen an Modellelemente, auch ein Klassifizierungssystem für den Spezialtiefbau definiert. Das Klassifikationssystem ist hierarchisch in der Abfolge Gewerk -> Funktion -> Bauteilgruppe -> Bauteil aufgebaut. Der SPTB1.0-Code generiert sich aus diesen einzelnen Ebenen: XX-XX-XXX-XXX Attribut Wert SPTB1.0-Gewerk 10 SPTB1.0-Funktion 50 SPTB1.0-Bauteilgruppe 070 SPTB1.0-Bauteil 140 SPTB1.0-Code 10-50-070-140 Abbildung 4: Beispiel SPTB1.0-Code Um Sprachbarrieren zu vermeiden wurde eine numerische Struktur gewählt. Den Anwendern steht es frei, ob am Modellelement alle Ebenen und der SPTB1.0-Code als Attribut hinterlegt wird oder nur der SPTB1.0-Code zur Anwendung kommt. Die Eigenschaft am Modellelement wird als SPTB1.0-Code bezeichnet. Für die beteiligten Bauherren, Architekten und Fachplaner ist die einheitliche Bauteilklassifikation die Basis für eine strukturierte Planung und somit für die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauleistungen. Durch die Verwendung desselben Klassifikationssystems können die Bauwerksdatenmodelle strukturiert und absprachelos zwischen den Softwaresystemen ausgetauscht werden. 6. Sicherung der Modellqualität Maßnahmen zur Qualitätssicherung von BIM-Modellen lassen sich in drei Arten unterteilen: die geometrische, die funktionale und die inhaltliche Prüfung. Eine Qualitätssicherung ist jeweils bei der Übergabe von Informationen bzw. Teilmodellen als Ausgangs- und Eingangsprüfung durchzuführen. Vor der Übergabe des bearbeiteten Fach- oder Teilmodells prüft der Informationsautor im Rahmen seiner Eigenprüfpflicht die Datenkonsistenz, die geometrische Detaillierung und die Attributierung nach den gestellten Mindestanforderungen. Vor der weiteren Verwendung werden die in einer gemeinsamen Datenumgebung geteilten Teilmodelle vom Informationsempfänger im Rahmen einer Vollständigkeitsprüfung auf Inhalt, Version, Nomenklatur und Format geprüft. In der zweiten Stufe der Qualitätssicherung wird die Qualität und Konsistenz der Fach- oder Teilmodelle mehrerer Modellersteller geprüft. Der Informationsempfänger führt hierzu die zur Qualitätssicherung und Koordinierung geeigneten, bereinigten und in sich geprüften Teilmodelle zu einem Koordinationsmodell zusammen. Am konsolidierten Modell können nun auch die geometrischen, funktionalen und inhaltlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen durchgeführt werden. Eine Planung der Qualitätssicherungsmaßnahmen soll bereits bei der Erstellung des BIM-Abwicklungsplans (BAP) berücksichtigt werden. Die Anforderungen der im Projekt umgesetzten Anwendungsfälle (AwF) bilden die Basis der Mindestanforderungen und Prüfkriterien. 7. Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das vorliegende Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ die Sichtweise und die Anforderungen bauausführender Spezialtiefbau-unternehmen zusammenfasst und diese zur Diskussion stellt. Ein durchgängiger BIM Prozess erfordert von allen Projektbeteiligten von Beginn an ein gemeinschaftliches und partnerschaftliches Denken und Handeln mit klaren Auf- 38 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ Die Anforderungen an die Fachmodelle des Spezialtiefbaus aus Sicht ausführender Unternehmen gaben und Schnittstellen. Das heißt z. B dass die Vorleistungen durch den Bauherrn und dessen Fachplaner, wie zum Beispiel Baugrund und Bestand, in Form fachspezifischer Teilmodelle zu erbringen sind. Diese Teilmodelle müssen dann auch digital weiter verarbeitbar übergeben werden. Die Umsetzung der BIM Methodik im Spezialtiefbau erfordert aus unserer Sicht: - eine modellbasierte Projektbearbeitung von Anfang an - ein digitales Baugrundmodell - ein einheitliches Klassifizierungssystem zur Typisierung der Bauteile im Spezialtiefbau - eindeutige Schnittstellen/ Datenaustauschformate - vereinheitlichte Leistungsverzeichnisse - inhaltlich abgestimmte Anwendungsfälle Das modellbasierte Arbeiten und die konsequente Umsetzung der BIM-Methodik verändert das Planen und Bauen im Spezialtiefbau aus unserer Sicht für alle beteiligten Parteien positiv im Sinne einer Qualitätssteigerung durch die Transparenz der Prozesse. Die Entwicklungen rund um das Thema BIM und Digitalisierung sind sehr dynamisch und noch lange nicht abgeschlossen. So wird der Arbeitskreis weiterhin aktiv sein und das Positionspapier überabeiteten und ergänzen. Literaturverzeichnis [1] Arbeitskreis BIM im Spezialtiefbau in der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Technisches Positionspapier - BIM im Spezialtiefbau (12/ 2017) [2] Arbeitskreis BIM im Spezialtiefbau in der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Technisches Positionspapier - BIM im Spezialtiefbau (01/ 2020) [3] Arbeitskreis Digitales Bauen im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Technisches Positionspapier - BIM im Hochbau (12/ 2018): [4] Arbeitskreis Digitales Bauen im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. Technisches Positionspapier - BIM im Strassenbau (06/ 2019): [5] BIM4INFRA2020 - Umsetzung des Stufenplanes „Digitales Planen und Bauen“ (09/ 2018): [6] Arbeitskreis BIM im Untertagebau im Deutschen Ausschuss für unterirdisches Bauen e.V. (DAUB) - Digitales Planen, Bauen und Betreiben von Untertagebauten (02/ 2019) Autor Arbeitskreis „BIM im Spezialtiefbau“ der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau im HDB Obmann des Arbeitskreises: Dipl.-Ing.(FH) Siegfried Nagelsdiek, Ed. Züblin AG Beteiligte Unternehmen: BAUER Spezialtiefbau GmbH Bickhardt Bau AG Implenia Spezialtiefbau GmbH Ingenieurservice Grundbau GmbH Keller Grundbau GmbH Max Bögl Bauservice GmbH & Co. KG Stump-Franki Spezialtiefbau GmbH Wayss & Freytag Ingenieurbau AG Züblin Spezialtiefbau GmbH Kontakt Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB) Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin Tel. +49 30 21286-232 Dipl.-Ing. Dirk Siewert tiefbau@bauindustrie.de www.bauindustrie.de/ themen/ bundesfachabteilungen/ spezialtiefbau/
