Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
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2020
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Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute
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2020
Bettina Bastian
Vor einigen Jahren lautete ein ähnlicher Beitrag an gleicher Stelle: „Projektbearbeitung im Tiefbau von Morgen: modellbasiert und durchgängig. Vision oder schon Realität?“. Die modellbasierte Projektbearbeitung wurde damals noch als „neue Planungsmethode“ vorgestellt.
Inzwischen ist sie - vor allem in den Gewerken des Hochbaus - schon weit entwickelt und auch im Spezialtiefbau immer häufiger im Einsatz (egal ob in der klassischen Angebotsbearbeitung, Ausführungsplanung oder in der Projektentwicklung), so dass wir heute bereits auf zahlreiche Praxisbeispiele für modellbasierte Projektbearbeitungen aus fast allen Planungs-Leistungsphasen der HOAI zurückblicken können. Dabei können die verschiedensten Anwendungsfälle abgedeckt werden.
Die Durchgängigkeit ist leider (noch) nicht immer gegeben: Es fehlt die Anbindung an die Statik. Auch die Interaktion der Spezialtiefbauelemente mit dem umgebenden Boden ist noch nicht zufriedenstellend gelöst. Außerdem haben BIM-Modelle aus dem Spezialtiefbau noch nicht den Weg auf die Baustelle gefunden.
Dieser Beitrag beschreibt Praxisbeispiele aus der Planung, die mithilfe eines BIM-Modells realisiert wurden.Dabei werden zunächst die für die Planung im Spezialtiefbau relevanten/maßgeblichen Anwendungsfälle kurz beschrieben und anschließend konkrete Beispiele aus Sicht der Fachplanung vorgestellt.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 39 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung Dipl.-Ing. (FH) Bettina Bastian Ed. Züblin AG, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Vor einigen Jahren lautete ein ähnlicher Beitrag an gleicher Stelle: „Projektbearbeitung im Tiefbau von Morgen: modellbasiert und durchgängig. Vision oder schon Realität? “. Die modellbasierte Projektbearbeitung wurde damals noch als „neue Planungsmethode“ vorgestellt. Inzwischen ist sie vor allem in den Gewerken des Hochbaus schon weit entwickelt und auch im Spezialtiefbau immer häufiger im Einsatz (egal ob in der klassischen Angebotsbearbeitung, Ausführungsplanung oder in der Projektentwicklung), so dass wir heute bereits auf zahlreiche Praxisbeispiele für modellbasierte Projektbearbeitungen aus fast allen Planungs-Leistungsphasen der HOAI zurückblicken können. Dabei können die verschiedensten Anwendungsfälle abgedeckt werden. Die Durchgängigkeit ist leider (noch) nicht immer gegeben: Es fehlt die Anbindung an die Statik. Auch die Interaktion der Spezialtiefbauelemente mit dem umgebenden Boden ist noch nicht zufriedenstellend gelöst. Außerdem haben BIM-Modelle aus dem Spezialtiefbau noch nicht den Weg auf die Baustelle gefunden. Dieser Beitrag beschreibt Praxisbeispiele aus der Planung, die mithilfe eines BIM-Modells realisiert wurden.Dabei werden zunächst die für die Planung im Spezialtiefbau relevanten/ maßgeblichen Anwendungsfälle kurz beschrieben und anschließend konkrete Beispiele aus Sicht der Fachplanung vorgestellt. 1. Begriffserläuterungen Unter „modellbasierter“ Planung ist die Projektbearbeitung auf Grundlage eines dreidimensionalen Modells des Bauwerks zu verstehen. Dieses objektorientierte Modell kann entweder aus reinen 3D-Geometrien bestehen oder auch zusätzliche Informationen (Metadaten) enthalten, die als Attribute (alphanumerische Eigenschaften) an den Objekten anhängen und in weiteren Prozessen genutzt werden können. In diesem Fall spricht man von BIM-Modellen (Building Information Model/ ling = Bauwerksdatenmodell/ ierung; auch: Building Information Management). Eine Festlegung bezüglich Art und Umfang der zusätzlichen Informationen muss - abhängig von der geplanten Verwendung und dem Zweck des Modells - bereits bei Projektbeginn bzw. Beginn der Modellerstellung stattfinden. 2. BIM-Ziele und -Anwendungsfälle in der Planung Der Zweck der Erstellung und Verwendung eines BIM-Modells als zentrale Informationsquelle für alle Beteiligte innerhalb eines Projekts muss zunächst projektspezifisch in sogenannten BIM-Zielen formuliert werden. Die ARGE BIM4INFRA2020 nennt hierfür folgende mögliche übergeordnete Ziele einer Projektbearbeitung mit der BIM-Methode: - Verbesserung der Kommunikation und Schnittstellenkoordination zwischen den Projektbeteiligten - Erhöhung der Planungssicherheit, insbesondere in Form gesteigerter Termin- und Kostensicherheit - Erhöhung der Transparenz (Nachverfolgbarkeit von Entscheidungen und Konsequenzen sowie von entstandenen Kosten) - Damit einhergehende Minimierung von Risiken - Effizienzgewinn durch Verwendung des „Wie-gebaut“-Modells für den Betrieb und nachgelagerte Arbeiten 40 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung Zur Realisierung der beschriebenen BIM-Ziele werden sogenannte Anwendungsfälle (im Folgenden kurz: AwF) definiert. Die ARGE BIM4INFRA2020 beschreibt die BIM-Anwendungsfälle als „[…] Prozesse, die unter Verwedung von BIM Modellen zur Erreichung der festgelegten Ziele beitragen.“ In einer ihrer Handreichungen [1] führt die ARGE BI- M4INFRA2020 insgesamt 20 Haupt-Anwendungsfälle für alle Phasen eines Bauvorhabens an, die sich sowohl inhaltlich als auch in der Benennung an den Leistungsbildern der HOAI orientieren. Quelle: https: / / bim4infra.de/ wp-content/ uploads/ 2019/ 07/ BIM4INFRA2020_AP4_Teil6.pdf In obiger tabellarischer Darstellung sind diese AwF entsprechend ihres passendsten Umsetzungszeitpunktes gruppiert und in Relation zu den HOAI-Leistungsphasen (LPH) 1-9 sowie zur Betriebsphase gebracht. Diese Zuordnung hat keinen verbindlichen Cahrakter, sondern soll als Anregung dienen. Darüber hinaus können projektspezififsch weitere AwF formuliert werden, wie beispielsweise der Austausch von Testmodellen vor Projekt-/ Planungsbeginn oder eine simple Mengenermittlung für die Darstellung auf dem Plan oder Bestellung von Materialien. Für die Planung ist nur ein Teil dieser AwF relevant. Deshalb werden nachfolgend nur diejenigen kurz beschrieben, die auch in den folgenden Praxisbeispielen zum Einsatz kamen. Hierbei wird z. T. aus dem Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ [2] sowie den Empfehlungen des DAUB für BIM im Tunnelbau [3] zitiert. Dabei wird die Nummerierung aus obiger Darstellung verwendet: 2.1 AwF 1 Bestandserfassung & Baugrundmodellierung Die Bestandserfassung ist Planungsgrundlage für alle nachfolgenden AwF. Im Spezialtiefbau geht diese jedoch noch über die Erfassung aller relevanten ober- und unterirdisch bestehenden Strukturen (Bebauung, Sparten, Infrastruktur, Brunnen, Reste von Verbauten etc.) hinaus: Für die Baugrund-Bauwerks-Interaktion spielt auch die Darstellung des umgebenden Baugrundes als „Bestand“ eine zentrale Rolle (z. B. für die Wahl des Verfahrens oder der Lage von Bauteilen). Er wird deswegen z. T: sogar als eigener Anwendungsfall hervorgehoben. 2.2 AwF 2 Planungsvariantenuntersuchung Die modellbasierte Gegenüberstellung von verschiedenen Planungsvarianten zur Entscheidungsfindung wird sowohl in den Leistungsphasen 1-3 durchgeführt als auch bei einer Angebotsbearbeitung seitens ausführender Firma. Sie erleichtert die Analyse und Bewertung hinsichtlich Kosten, Terminen, Verfahren, Machbarkeit etc. 2.3 AwF 3 Visualisierung Eine bedarfsorientierte Visualisierung auf Basis des BIM-Modells dient als verständliche Grundlage für Projektbesprechungen, Kundengespräche und Öffentlichkeitsarbeit. Visualisierungen führen zu einer eindeutigen Kommunikation und unterstützen die Entscheidungsfindung. Entweder: „statisch“ in Form von 3D-pdf oder Bauphasenplänen oder „dynamisch“ mithilfe von z. B. Bauablaufsimulationen (nach Verknüpfung mit dem Terminplan) 2.4 AwF 5 Koordination der Fachgewerke Die Koordination der Fachgewerke soll auf Basis einer modellbasierten Kollisionsprüfung durchgeführt werden. Die Fachmodelle werden in einem Koordinationsmodell zusammengeführt und anschließend einer (teil-) automatisierten Kollisionsprüfung und systematischen Konfliktbehebung unterworfen. Kollisionsprüfungen im Spezialtiefbau sind sowohl für den Endzustand als auch für temporäre Zustände durchzuführen. Dabei sind Überschneidungen und die erforderlichen Mindestabstände untereinander (z. B. Anker) oder zu bestehenden Bauteilen (Sparten, Bestandsgebäude etc.) unter Beachtung der Herstelltoleranzen und der eingesetzten Baumaschinen (z.B. Ankerbohrgerät) zu berücksichtigen. 2.5 AwF 7 & AwF 14 Planableitung Einer der Haupt-AwF in der Planung. Für die direkte Ableitung von 2D-(Ausführungs-)Plänen einschließlich aller notwendigen Listen (Koordinatenlisten, Materiallisten, Bohrtabellen u. a.) aus dem Fachmodell muss es 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 41 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung eine ausreichende Detailtiefe besitzen. Nicht modellierte Detailpunkte oder Standarddetails müssen bei Erfordernis auf den Ausführungsplänen ergänzt werden. Der Unterschied zwischen den AwF 7+14 besteht im Ausarbeitungsgrad 2.6 AwF 9 Planungsfreigabe Eine Planungsfreigabe durch den Bauherrn bzw. seinen Architekten allein anhand des Modells ist bereits möglich und auch in Anwendung. Eine Prüfung und Freigabe in statischer oder geotechnischer Hinsicht ist aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen aktuell noch nicht umsetzbar. Dagegen ist eine Durchführung der Prüfläufe zur Freigabe der Planung auf Grundlage von 2D-Plänen, die ausschließlich aus BIM-Modellen abgeleiteten wurden, inzwischen sehr gebräuchlich und verbreitet. 2.7 AwF Mengenermittlung (als Grundlage für z. B. AwF 10 Kostenschätzung und Kostenberechnung & AwF 11 LV/ Ausschreibung/ Vergabe) Die Mengenermittlung erfolgt durch Quantifizierung der modellierten Objekte und Daten. Dabei müssen alle erforderlichen Mengen aus dem Modell abgeleitet werden können. Spezifische Anforderungen an die Mengenermittlung im Spezialtiefbau, wie die Berücksichtigung von Zwischenzuständen (z. B. Überschnitt) und die Interaktion zwischen verschiedenen Elementen (z. B. bei schichtbezogener Mengenermittlung), müssen dabei auswertbar sein. Die Mengenermittlung kann in verschiedenen Phasen und für verschiedene Aufgaben durchgeführt und für eine weiterführende Verwendung (u.a. Ausschreibung, Kalkulation, Arbeitsvorbereitung) ausgegeben werden. Je nach vereinbartem AwF erhöht sich ggf. der Aufwand bei der Erstellung bzw. Aufbereitung eines Modells. Vor diesem Hintergrund ist vor Bearbeitungsbeginn stets eine Prüfung der Zweck- und Verhältnismäßigkeit durchzuführen. Eine Modellerstellung kann bereits ab Leistungsphase 1 beginnen und bis in die As-Built-Dokumentation fortgeführt werden oder erst auf Grundlage einer bereits abgeschlossenen Entwurfs- oder Genehmigungsplanung beginnen. 3. Beispiel: Projektbearbeitung von Entwurfsbis Ausführungsplanung 3.1 Projektbeschreibung Beim ersten Beispiel handelt es sich um die schlüsselfertige Erstellung eines 5 bis 7 geschossigen Wohnbaus in zwei Baukörpern inkl. Tiefgarage mit vorausgehendem Abriss von 5 Bestandsgebäuden. Insgesamt werden dabei ca. 190 Wohnungen auf einer Grundstücksfläche von ca. 5.200 m² und knapp 15.000 m² (BGFoiR) realisiert. Die Baugrube besitzt Abmessungen von ca. 76 m x 52 m. Aktuell ist LPH 5 abgeschlossen. Der Baubeginn fand in 2019 statt. Die Nachbarbebauung hat in diesem Fall keinen Einfluss auf die Maßnahme. Ausgangssituation zu Beginn der Planung: Der Bestand auf dem Baufeld ist oberirdisch abgebrochen, inkl. der Decken über dem UG; die Kellerräume sind verfüllt. Die Bohrungen für den Verbau der aktuellen Maßnahme müssen innerhalb und direkt vor den bestehenden Außenwänden gebohrt werden. 3.2 BIM-Bearbeitung (AwF, Grundlage, Modellinhalt, Detaillierungsgrad) Bei diesem Projekt wurde auf Vorschlag des AN ab LPH 3 modellbasiert geplant. Folgende AwF wurden gemeinsam formuliert und vereinbart und im BIM-Abwicklungsplan festgehalten: Ausschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis des projektspezifischen BIM-Abwicklungsplanes Die Fachplanung Spezialtiefbau war nur in folgende Punkte involviert: - Erstellung eines 3D-Fachmodells, jedoch ohne vorherige Übergabe eines Testmodells - Übergabe des Fachmodells zur 3D-Koordination - 2D-Planableitung (für Entwurf, Genehmigung und Ausführung) - Mengenermittlung (in Form von Bauteillisten/ Tabellen auf den Plänen) Grundlage für die Erstellung des Verbaumodells waren zunächst nur 2D-Grundrisse aus LPH 2, da die ARCHbzw. TWP-Modelle zum Zeitpunkt des Modellierstarts im Spezialtiefbau noch nicht vorlagen. Inhalte des Fachmodells Spezialtiefbau waren: - Trägerbohlverbau bestehend aus den Einzelbauteilen Bohrung, Träger und Ausfachung - Rückverankerung (Litzenanker) 42 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung - Spundwandkästen, bestehend aus einzelnen Doppelbohlen, mit Unterwasserbetonsohle (UWBS, für Doppelparker- und Aufzugsunterfahrten) Der Bestand auf dem Baufeld wurde nicht modelliert, sondern anhand der 2D-Grundlagen für die Verbauplanung berücksichtigt. Eine spätere Übernahme der Bestandswände aus dem referenzierten Bauwerksmodell zeigte jedoch beste Übereinstimmung. Bei der ersten Modellzusammenführung stellte sich heraus, dass Hochbaugewerke und Spezialtiefbauplaner mit unterschiedlichen Ursprüngen gearbeitet hatten; eine diesbezügliche Festlegung wurde vor Bearbeitungsbeginn weder seitens Fachplaner SPT abgefragt noch seitens BIM-Koordination mitgeteilt. Eine nachträgliche Verschiebung des Verbaumodells an die korrekte Position war in der nativen Software aufgrund verschiedener Randbedingungen (vorherige durchgeführte Bearbeitungsschritte, Grenzen der Software etc.) jedoch nicht mehr möglich, so dass die Korrektur der Lage für eine problemlose Zusammenführung der Fachmodelle nur noch sehr umständlich mithilfe von zusätzlichen Dateien und Bearbeitungsschritten gelöst werden kann und bei jedem Modellversand erneut ausgeführt werden muss. Bereits nach den ersten Kollisionskontrollen konnten Überschneidungen der Verbauträger-Oberkanten mit der über die Untergeschosse hinausragenden UG-Decke identifiziert werden. Infolgedessen konnten die Trägeroberkanten noch vor Bestellung, Ausführung etc. mithilfe einer Vorböschung nach unten korrigiert werden, Schwierigkeiten auf der Baustelle und unvorhersehbare Kosten wurden vermieden. Weiterhin konnte im Zuge der Kollisionsprüfung zwischen TGA und Verbau auch eine Kollision einer Leitung mit einem Verbauträger frühzeitig erkannt werden. In Konsequenz konnte die Leitungsführung angepasst werden, da die Lage des Trägers bereits fix war. Trotz intensiver Koordination wurden aber nicht alle Kollisionspunkte rechtzeitig erkannt, so z. B. eine weitere bereichsweise Kollision des Rohbaus mit den Verbauoberkanten; für eine Vermeidung war es in diesem Fall inzwischen zu spät, jedoch kann mit diesem Wissen entsprechend reagiert/ Zeit eingeplant werden für die Behebung/ Lösung (Abbrennen der Träger). Während einer Planungsbesprechung unter Zuhilfenahme des Koordinationsmodells fiel auf, dass der Arbeitsraum zwischen Kelleraußenwand und Verbau bereichsweise vergleichsweise groß war. Der Grund hierfür lag in einem Bodenplattensporn aus vorherigen Phasen/ Entwürfen, der jedoch für den aktuellen Zeitpunkt als nicht mehr erforderlich identifiziert wurde. So konnte der Architekt aufgrund einer optischen Auffälligkeit in der Visualisierung des Bauvorhabens die Raumgeometrie für das Untergeschoss optimieren; dieser Umstand war auf den 2D-Plänen nicht aufgefallen. Aufgrund der unmittelbaren Lage der Bohrungen/ Träger vor den Bestandswänden wäre bei klassischer Anordnung der Ausfachung zwischen den HEB-Trägern zunächst zusätzlicher Kraftschluss mittels Hinterfüllung zwischen Ausfachung und Kellerwand herzustellen gewesen. Um dies zu vermeiden wurde eine Variante Ausfachung hinter den Trägern vorgeschlagen. Da zunächst unklar war, welche Variante von der Baustelle bevorzugt werden würde und vom Prüfer freizugeben gewesen wäre, wurden im Modell 2 Varianten vorgehalten, so dass auch kurzfristig und schnell auf die gewünschte Option gewechselt werden konnte. Modellausschnitt: Detail Verbauträger Bei diesem Projekt wurde von LPH3 bis LPH5 durchgehend anhand eines einzigen 3D-Modells geplant, welches bei den Phasenübergängen jeweils gesichert und anschließend fortgeschrieben wurde. Die Änderungen, die sich während der Projektphasen ergaben, wurden in diesem einen Modell umgesetzt und waren so direkt in den abgeleiteten Plänen sichtbar. (LPH3: erforderliche Unterfahrten für Doppelparker und Aufzüge (Spundwandkästen + Unterwasserbetonsohle) LPH4: Entfall der Doppelparker-Unterfahrten LPH5: keine Unterfahrten mehr) 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 43 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung Kollisionsprüfung Verbau - TGA 3.3 Lessons learned - Eine Abstimmung und Festlegung eines gemeinsamen Ursprungs vor Beginn der Bearbeitung ist bei geplanter Zusammenführung von mehreren Modellen unerlässlich! Eine Lagekorrektur im Nachgang ist oft nur mit erhöhtem und unnötigem Aufwand zu realisieren. - Schon in den Phasen vor der Ausführungsplanung können Kollisionen und „Planungsfehler“ beseitigt werden. - Planungsänderungen über die verschiedenen Phasen hinweg waren in den Planableitungen ohne Zusatzaufwand umsetzbar; zwar handelte es sich bei diesem Beispiel um den Entfall von Bestandteilen, jedoch auch die Ergänzung von Objekten im BIM-Modell ist durch die direkte Ableitung der Pläne und Bauteillisten aus der 3D-Geometrie in den entsprechenden Planansichten zeitgleich umgesetzt. - Ein Modell sollte von Beginn an auch im Hinblick auf die Verwendung in nachfolgenden LPH sinnvoll strukturiert werden. 4. Beispiel aus der Angebotsbearbeitung 4.1 Projektbeschreibung Der geplante Klinik-Neubau in diesem Beispiel für eine Angebotsbearbeitung umfasst neun Obergeschosse mit Technikzentrale, eine Hubschrauberplattform sowie drei Untergeschosse, die zum Teil als Tiefgarage genutzt werden. Das Baufeld grenzt unmittelbar an ein Bettenhaus, ein Palliativzentrum sowie ein Versorgungsgebäude. Im Rahmen der Baufeldfreimachung müssen zunächst eine bestehende Feuerwehrzufahrt verlegt und fünf bestehende Klinikgebäude der Uniklinik aus den Baujahren 1930 bis 2008 auf dem Grundstück abgerissen werden. Während der gesamten Baumaßnahme ist der Betrieb in der Uniklinik aufrechtzuerhalten. Beeinträchtigungen für Patienten, Klinikmitarbeiter und Anwohner sind so gering wie möglich zu gestalten, dies betrifft unter anderem Immissionen durch Lärm, Staub oder Vibrationen. Für die Erstellung des Neubaus ist eine wasserdichte Baugrube mit einer Tiefe bis etwa 23m unter GOK und eine Unterwasserbetonsohle mit Auftriebsankern sowie bereichsweise ein rückverankerter Trägerbohlverbau vorgesehen. Aufgrund der komplexen Abläufe unter Berücksichtigung der beengten Platzverhältnisse wurden für die Angebotsabgabe Bauablaufsimulationen in Form von Videos für verschiedene Herstellungsvarianten erstellt. Hierfür wurden 3D-Modelle mit Terminplänen verknüpft. Die Terminplan-Erstellung erfolgte durch die Arbeitsvorbereitung in der operativen Einheit, die Modellierung der Spezialtiefbaumaßnahmen übernahm die planende Einheit. 4.2 BIM-Bearbeitung (AwF, Grundlage, Modellinhalt, Detaillierungsgrad) Für diese Angebotsbearbeitung wurden durch die Beteiligten folgende AwF umgesetzt: - Bestandserfassung (inkl. Baugrund) - Planungsvariantenuntersuchung - Visualisierung - Mengenermittlung Bauablaufsimulationen wurden sowohl für den Amtsentwurf als auch für zwei unterschiedliche optimierte Alternativen erstellt. Aus diesem Grund war die Erstellung von drei Varianten des 3D-Modells erforderlich. In allen drei Optionen wurden neben den angebotenen Spezialtiefbaumaßnahmen auch die abzubrechenden Bestandsbauwerke auf dem Baufeld (Gebäude und Tunnel) dargestellt. Außerdem wurde die angrenzende Nachbarbebauung abgebildet. Der im östlichen Baufeld befindliche und umzuverlegende Abwasserkanal wurde sowohl in seiner aktuellen als auch in der neuen Lage modelliert. Auch die Geländeoberfläche sowie die Bodenschichten und die geplanten Aushubschritte wurden umgesetzt. Auch der Bauherr hatte offensichtlich ein eigenes 3D-Modell (isometrische Darstellung der Baugrube auf dem Ausschreibungsplan), welches jedoch erst sehr spät und im ifc-Format übergeben wurde, weshalb es lediglich noch dem geometrischen Abgleich mit dem selbst erstellten Modell dienen konnte. Alle drei Modell-Versionen der Maßnahme waren in einer einzigen Datei enthalten, wobei die in allen Darstellungen jeweils unveränderten Bestandteile (Bestandsbebauung, Boden) nur ein einziges Mal erstellt werden mussten, und nicht dreimal. Für die realitätsnahe Darstellung in den Simulationen musste trotz des engen Zeitrahmens während einer Angebotsbearbeitung sehr detailliert modelliert werden, d. h. die Verbauwände wurden mit allen Einzelbestandteilen: 44 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung Primär-/ Sekundär-Pfähle, Bohrungen, Träger, Anker; Die Unterwasserbetonsohle war nicht als Ganzes sondern in Feldern analog Herstellung darzustellen, mehrere hundert Auftriebspfähle waren einzeln abzubilden - für jeden Vorgang des Terminplanes mussten entsprechende Objekte vorhanden sein. Für die erleichterte Verknüpfung der Modellobjekte mit den Vorgängen des Terminplans mussten bestimmte Attribute der einzelnen Objekte mit vorher abgestimmten Werten angereichert werden, was durch die frühzeitige Festlegung von Beginn an leicht berücksichtigt werden konnte. Jedoch wurden Änderungen im Terminplan und bei Bauteilabmessungen durch die Arbeitsvorbereiter nicht immer (rechtzeitig) an die Modellersteller weitergegeben, so dass die Korrekturen im 3D-Modell erst nach Übergabe an die Bearbeiter der Verknüpfungen als zusätzlicher Aufwand anfielen. Als „Abfallprodukt“ wurden die vom Modell ausgeworfenen Mengen für einen Abgleich mit den zuvor konventionell ermittelten Massen herangezogen, welcher - bis auf minimale Abweichungen aufgrund z. T. überschlägiger Ermittlung per Hand - große Übereinstimmung ergab. Modellvariante Bohrpfahlwand, Trägerbohlverbau, UWBS, GEWI mit benachbarter Bestandsbebauung 4.3 Lessons learned Enge Abstimmung und Absprachen von Beginn an zwischen Modellerstellern, techn. Bearbeitern, Kalkulatoren und Terminplanern und ein kontinuierlicher Informationsaustausch über Änderungen sind für eine effizientes Modellieren und ein optimales Ergebnis für die Angebotsabgabe von immenser Bedeutung. 5. Beispiel aus der Ausführungsplanung 5.1 Projektbeschreibung Bei der beschriebenen Maßnahme handelt es sich um ein bis zu 60m hohes und dreifach unterkellertes Gebäude, in dem ein Hotel, ein Boardinghouse sowie Einzelhandel und Gastronomie untergebracht werden sollen. Das Projekt liegt innerstädtisch mit dichter und z. T. sehr sensibler Nachbarbebauung: Im Norden und Westen ist das Baufeld durch einen Anlieferungstunnel begrenzt, der der Versorgung des gesamten Areals dient. Bereichsweise kommen hier die Gründungspfähle dieses Tunnels ergänzt um eine Spritzbetonausfachung temporär als Verbauwand zum Einsatz. Die Baugrubensicherung auf der Ostseite wird mit einem vierfach rückverankerten Trägerbohlverbau ausgeführt. Dabei ist ein Geländesprung von ca. 14 m zu sichern. Eine besondere Herausforderung stellen hier die seit 2017 in Betrieb befindlichen Stadtbahntunnel der U12 dar, die den Verbau diagonal durchkreuzen und dann weiter durch die Untergeschosse der nahegelegenen Stadtbibliothek verlaufen. Nach Süden bilden die U-Bahntunnel zum Teil die Begrenzung der Baugrube. Ein Tunnel muss im Zuge der Aushubarbeiten einseitig freigelegt werden. Aufgrund des daraus resultierenden asymmetrischen Erddruckes erfährt der Tunnel eine horizontale Belastung. Diese wird sowohl über die Sohlreibung als auch durch die vorab neben dem Tunnel hergestellten Gründungspfähle des späteren Gebäudes aufgenommen. Die Bohrpfähle fungieren beim Freilegen des Tunnels bereits als seitliche Stützung. Die eigene Planung der Verbaumaßnahmen begann in der Genehmigungsphase und wurde anschließend in Ausführungsplanung überführt. Dabei wurde in einem Modell gearbeitet, das beim Übergang der Leistungsphasen gesichert wurde. Gesamtmodell Bestand, Verbau, Gründung, Baugrubensohle 5.2 BIM-Bearbeitung (AwF, Grundlage, Modellinhalt, Detaillierungsgrad) Obwohl die eigentliche Baumaßnahme als BIM-Projekt geplant und ausgeführt wird, bestand an die Verbauplanung keinerlei Anforderung. Aufgrund der sensiblen Nachbarbebauung und der komplexen Spezialtiefbaumaßnahme entschied man sich intern für eine modellbasierte Verbauplanung. Folgende AwF wurden dabei umgesetzt: - Bestandserfassung (ohne Baugrund) - Planungsvariantenuntersuchung 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 45 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung - Planableitung - Planungsfreigabe Ein Bestandsmodell für im Baugrund verbleibende Bauteile ist bis dato (noch) nicht gefordert… Zu Bearbeitungsbeginn wurden Modelle des geplanten Bauwerks, des Bestandes und auch des Verbaus übergeben, woraus lediglich die Pläne für die Genehmigung abgeleitet werden sollten. Die Modelle stellten sich allerdings als äußerst unzureichend dar: Beim Bestandstunnel war das Längsgefälle nicht berücksichtigt, das benachbarte Bibliotheksgebäude war gar nicht enthalten, der Andienungstunnel war nur unvollständig dargestellt. Aufgrund der beengten Verhältnisse war eine reelle Abbildung der Bestandsbauwerke jedoch unabdingbar, so dass zuerst eine Korrektur und Ergänzung des vorhandenen Bestandsmodells erforderlich war. Das Verbaumodell hatte lediglich informellen Charakter: es war weder die korrekte Aushubtiefe noch die damit verbundene erforderliche Anzahl von Ankerlagen berücksichtigt; Ankerkreuzungen und-kollisionen waren ungelöst, Trägerabstände nicht der Statik entsprechend, so dass eine komplette Neuerstellung des Modells unvermeidbar war. Aus der eigentlichen Aufgabenstellung, Pläne für die Genehmigung und anschließende Ausführung zu generieren, ergab sich somit das Erfordernis, ein eigenes Modell zu erstellen, welches sehr detailliert zu modellieren war, um möglichst wenig in 2D ergänzen müssen. So wurde der Verbau mit seinen Einzelbestandteilen Bohrungen, Trägern, Ausfachung, Kopfträger (als Auflager für Betonpumpen) inkl. Stegblechen, Anker etc. modelliert. Dies ermöglichte zudem die sehr zuverlässige Lösung von Kollisionen zwischen den Ankern und mit der sensiblen Bestandsbebauung. Auf Grundlage der detaillierten Bestands- und Verbaumodelle konnte außerdem das vermeintliche Anbohren einer Tunnelröhre mit dem Ankerbohrgerät ausgeschlossen werden: Nach exaktem Aufmaß und dessen Abbildung im Modell sowie Sichtung aller vorliegenden 2D-Bestandsunterlagen konnte mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Bohrhindernis nicht um den Stadtbahntunnel handeln konnte, sondern lediglich um die nicht modellierte, 1m dicke Schutzschicht im direkten Umfeld der Röhre. Detailausschnitt Ankerkreuzung in vier Ankerlagen und zwischen Bestand 5.3 Lessons learned - Die Neuerstellung eines Modells ist häufig sinnvoller als Änderungen in einem übergebenen Modell vorzunehmen (Vollständigkeit, Richtigkeit) - Die detaillierte und realitätsnahe Darstellung des Bestands ist essentiell für die Lösung von Kollisionspunkten während der Planung - Vermeintliche Kollisionen auf der Baustelle konnten anhand des Modells schnell und sicher geklärt werden. 6. Fazit Nach wie vor ist festzustellen, dass dem Spezialtiefbau bei BIM-Projekten grundsätzlich nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, obwohl diese Fachmodelle oft nicht unwesentlich für die eigentliche Baumaßnahme bzw. für die umgebende Bestandsbebauung sind. Selbst wenn der Bauherr keine Anforderungen an dieses Gewerk stellt, weil es für ihn nur eine temporäre Maßnahme ist, sollte aus Eigeninitiative des Auftragnehmers nicht auf dieses Fachmodell verzichtet werden; dies hat sich in der Planerpraxis schon mehrfach als sehr wertvoll erwiesen. Doch nicht nur für die Koordination mit anderen Gewerken ist die Verwendung von Modellen hilfreich, auch für die gewerkeinternen Anwendungen in der Planung (Planableitung, Mengenermittlung, Kollisionsprüfung) hat sich die modellbasierte Arbeitsweise inzwischen etabliert, sowohl bei Ingenieuren als auch bei Konstrukteuren: wesentliche Vorteile der modellbasierten Bearbeitung ergeben sich nämlich bereits während der Erstellung der Planung, und nicht nur erst bei der Verwendung und Weiterverarbeitung eines fertigen 3D-Modells. Dabei ist projektspezifisch aber immer auch die Zweck- und Verhältnismäßigkeit von Modellerstellungen und BIM zu prüfen. Während 3D-Modelle im eigenen Haus in allen Phasen der Planung inzwischen sehr üblich sind, ist die Übernahme dieser Modelle auch in die Ausführungsphase und auf die Baustelle noch in der Erprobung Pilotphase/ . 7. Erläuterungen Stufenplan - Digitales Planen und Bauen: in Deutschland soll bis 2020 das Digitale Planen und Bauen unter Einsatz von Building Information Modeling zum Standard bei Infrastrukturprojekten des Bundes werden (BIM): Auf Basis digitaler Bauwerksmodelle können alle für den Lebenszyklus eines Bauwerks, von der Planung, 46 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Modellbasierte Projektbearbeitung im Spezialtiefbau heute - Praxisbeispiele Planung Bau bis hin in den Betrieb, benötigten Daten erfasst und zwischen den Beteiligten ausgetauscht und weiterbearbeitet werden; Der Stufenplan beschreibt die schrittweise Einführung. Die ARGE BIM4INFRA wurde im Oktober 2016 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beauftragt, über einen Zeitraum von zwei Jahren wichtige Voraussetzungen für die Umsetzung des BIM-Stufenplans zu schaffen. Quellen [1] ARGE BIM4INFRA2020 (Hrsg.): „Handreichung Teil 6: Steckbriefe der wichtigsten BIM-Anwendungsfälle“ (2019), https: / / bim4infra.de/ wp-con tent/ uploads/ 2019/ 07/ BIM4INFRA2020_AP4_Teil6. pdf [2] Bundesfachabteilung Spezialtiefbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (Hrsg.): Technisches Positionspapier „BIM im Spezialtiefbau“ (2017), https: / / www.bauindustrie.de/ themen/ bundesfach abteilungen/ spezialtiefbau/ technisches-positionspapier-bim-im-spezialtiefbau-122017/ [3] Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V. (DAUB) (Hrsg.): „Digitales Planen, Bauen und Betreiben von Untertagebauten. BIM im Untertagebau“ (2019), http: / / www.daub-ita.de/ fileadmin/ docu m e n t s / d a u b / g t c r e c 4 / g t c r e c 11 v 3 _ BIM_im _ U n tertagebau_05-2019.pdf
