Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
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Digitalisierung im Baugrund
0101
2020
Ilja Prinz
In Anbetracht der Vielzahl an möglichen Anwendungsfällen für digitale Baugrundmodelle wie zum Beispiel: Baugrubenplanung, Modelle für Tunnel-, Bahn- und Straßenstrecken, Deiche, Schleusen etc… stellt sich, wie in 2.1 erläutert, nicht die Frage nach dem „ob“, sondern dem „wann“ und „wie“ der Baugrundmodelle im BIM Prozess. Sie veranschaulichen sehr gut die örtlichen Gegebenheiten und ermöglichen einen schnellen Zugriff auf benötigte Informationen im gesamten Planungszeitraum. Entgegen vieler Aussagen, mitunter von Softwarelieferanten, dass es momentan keine Software gäbe um Baugrundmodelle zu erstellen, mussten wir feststellen, dass entweder keine gesonderte Software als die gängige CAD und GIS Tools notwendig ist, oder es doch schon zusätzliche Werkzeuge gibt, die das Bearbeiten der Schichten erleichtert. Aus unserer Sicht steht der Implementierung der Baugrundmodelle im BIM Prozess nichts im Wege.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 47 Digitalisierung im Baugrund - Erfahrungen und Ansätze Dipl.-Ing. (FH) Ilja Prinz, CDM Smith Consult GmbH, Mannheim Zusammenfassung In Anbetracht der Vielzahl an möglichen Anwendungsfällen für digitale Baugrundmodelle wie zum Beispiel: Baugrubenplanung, Modelle für Tunnel-, Bahn- und Straßenstrecken, Deiche, Schleusen etc… stellt sich, wie in 2.1 erläutert, nicht die Frage nach dem „ob“, sondern dem „wann“ und „wie“ der Baugrundmodelle im BIM Prozess. Sie veranschaulichen sehr gut die örtlichen Gegebenheiten und ermöglichen einen schnellen Zugriff auf benötigte Informationen im gesamten Planungszeitraum. Entgegen vieler Aussagen, mitunter von Softwarelieferanten, dass es momentan keine Software gäbe um Baugrundmodelle zu erstellen, mussten wir feststellen, dass entweder keine gesonderte Software als die gängige CAD und GIS Tools notwendig ist, oder es doch schon zusätzliche Werkzeuge gibt, die das Bearbeiten der Schichten erleichtert. Aus unserer Sicht steht der Implementierung der Baugrundmodelle im BIM Prozess nichts im Wege. 1. Einleitung Der Begriff Digitalisierung steht im ursprünglichen Sinn für das Umwandeln analoger Werte/ Informationen in digitale Formate (Daten). Diese digitalen Daten lassen sich dann IT-gestützt mannigfaltig bearbeiten, manipulieren und auswerten. Im heutigen Sprachgebrauch steht der Begriff der Digitalisierung gleich mit der digitalen Revolution, die sich in allen Bereich vollstreckt. Im privaten Sektor sind Smartphones schon nicht besonderes mehr. So wird die analoge Welt durch Systeme wie das „Body Tracking“, „Smart Home“, Amazons „Alexa“ usw. weiter mit der digitalen Welt verwoben. In der Technik beschäftigt man sich schon länger mit „Big Data“ dem autonomen Fahren, der virtuellen und erweiterten Realität. In der Politik und Gesellschalt hat das Thema spätesten mit dem Stufenplan Digitales Planen und Bauen und dem Digitalrat der Bundesregierung an Relevanz und Unterstützung gewonnen. Die Vor- und Nachteile der Digitalisierung im Bauwesen werden schon seit einiger Zeit unter dem Schlagwort „Building Information Modeling“ (BIM) zusammengefasst und wurden bereits an vielen Stellen und für unterschiedlichste Anwendungsfälle erörtert und diskutiert. Im Folgenden möchte ich insbesondere die Digitalisierung im Baugrund in den Fokus nehmen und näher beleuchten. 2. Digitalisierung im Baugrund. 2.1 Warum brauchen wir digitale Baugrundmodelle Für die meisten Bauvorhaben sind Baugrundinformationen signifikant wichtige Ausgangsinformationen. Sie entschieden über Risiken, Machbarkeit und nicht zuletzt über das notwendige Budget. Umso wichtiger ist es, dass diese Informationen von Beginn an digital erfasst und im richtigen Format den Fachplanern zur Verfügung stehen. Die digitale Aufbereitung der Baugrundaufschlüsse und der Gutachten in bspw. einem 3D-Model, das neben den geometrischen auch noch die geologischen Parameter des Baugrunds beherbergt, könnte von allen Fachplanern genutzt werden und würde im globalen BIM Kontext aufgehen. Der wichtigste Aspekt für ein digitales Baugrundmodell ist die Erfassung und medienbruchfreie Weiterverarbeitung der Daten. Der klassische Weg ist die Aufschlussdokumentation vor Ort (Papier) der eine Eingabe der Daten in eine Datenbank (Access oder SQL) folgt, aus der dann ggf. Profile gezogen werden, um die Schnittzeichnungen zu erstellen (dwg oder dgn). Neben den möglichen Fehlerquellen, die sich bei der Nutzung der unterschiedlichen Formate ergeben, können diese 2D Ergebnisse des genannten Prozesses nicht in den BIM Prozess einer Baumaßnahme eingepflegt und verarbeitet werden. Da sich mittlerweile aber nicht mehr die Frage stellt ob BIM im Bauwesen Einzug hält, sondern mit welchen Folgen und Anforderungen an die Planer, ist eine Kompatibilität des Baugrunds mit den anderen Modellen eine Notwendigkeit. Nicht zu Letzt aus dem Wunsch des „single source of truth“ eines BIM Modells sollten die Baugrundinformationen im Modell Einzug finden. 48 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Digitalisierung im Baugrund - Erfahrungen und Ansätze 2.2 Vorteile der digitalen (BIM) Baugrundmodelle - Leichtere und konstante Zugänglichkeit zu den wichtigsten Informationen des Gutachtens im 3D Modell (ABER: Keine Ablöse des Gutachtens! ) - Abbildung des gesamten Baugrunds, keine Reduktion auf Schnitte. - Schnelle Anpassung bei neuen Informationen/ Aufschlüssen/ Ergänzungen - Baugrundmodelle können neben den geometrischen und geotechnischen auch die chemischen Informationen beinhalten (Kontaminationen) -> Mehrere Fachmodelle - Bessere Veranschaulichung für „nicht Geotechniker“ - Softwaregestützte Verarbeitung aller Daten -> Effizienzsteigerung 2.3 Wie könnte die Digitalisierung im Baugrund aussehen Neue Werkzeuge verändern alte Arbeitsweisen. Heutzutage sind mächtige Datenbankwerkzeuge vorhanden, die neben einer dynamischen Arbeitsweise an den Daten, und dem Einsatz von Handhelds bei der Erfassung, auch noch eine direkte Verbindung zu den gängigen CAD und GIS Tools bieten. Das Ziel ist es möglichst effizient und genau ein 3D Baugrundmodell zu erstellen und dieses mit den nötigen Metadaten zu versehen. Um hier zu dem gewünschten Erfolgen zu kommen, haben wir folgende Grundsätze für digitale Baugrundmodelle aufgestellt. - Bisherige Prozesse wie die Erfassung, Haltung, und Bearbeitung der Daten, Modellierung, Kommunikation, usw. revidieren und ggf. neugestalten. - Grundlage aller Bearbeitung ist immer direkt die Datenbank der Aufschlüsse. - Keine Wiederholungen der Prozesse in der Bearbeitung. („Mach es einmal, dafür aber richtig.“) - Kombination aus GIS und CAD in der Modellierung. - Ausgabe sind immer 3D Modelle. - Eigenschaftssätze der Modelle nach Erfordernis. - Kompatibilität mit anderen CAD Systemen essentiell-> Ausgabe als IFC 3. Erfahrungen aus der Praxis 3.1 Ausbaustrecke Emmerich-Obernhausen (BIM Baugrubenmodell) „Die rund 73 Kilometer lange Strecke Emmerich- Oberhausen ist ein Teilstück des wichtigen europäischen Güterverkehrskorridors von Rotterdam nach Genua. Durch den stetig wachsenden Güter- und Personenverkehr hat die zweigleisige Strecke ihre Leistungsgrenze erreicht. Ziel des durchgehenden dreigleisigen Ausbaus ist es, die Streckenkapazität zu erweitern und die betrieblichen Abläufe zu optimieren.“ (DB Netzte 2019) 3.1.1 Aufgaben - Erstellen der BIM Teil- und Fachmodelle des Baugrunds auf Basis der vorhandenen Baugrundgutachten (PDF) - Aufnehmen und plausibilisieren der vorhandenen geotechnischen Grundlagen und Gutachten in den BIM-Prozess - Übernehmen des digitalen Geländemodells (DGM) bzw. des digitalen Höhenmodells - Ableitung der 2D-Planungen z.B. Schnitte bzw. der Fachinhalte aus dem Fach- und Gesamtmodell nach Auftraggeber-Richtlinie (bei Bedarf) 3.1.2 Herangehensweise 1. Digitalisierung der Unterlagen. a. Bohrpunkte in den Lageplänen wurden georeferenziert und als Objekt im CAD erfasst. Siehe Abb. 3.1.2.1 -> Ausgabe als CSV und einlesen in die Datenbank. Abb. 3.1.2.1: Lageplan mit Bohrpunkten b. Bohrprofile wurden aus den Gutachten in eine Datenbank übertragen. Datenbank seitens AG waren nicht vorhaben bzw. konnte nicht zur Verfügung gestellt werden 2. Klassifizierung der unterschiedlichen Schichten zu Schichtgruppen. Siehe Abb. 3.1.2.2 (Geotechnische Sachverstand erforderlich) 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 49 Digitalisierung im Baugrund - Erfahrungen und Ansätze Abb. 3.1.2.2: Bohrprofile mit Schichtgruppen 3. Strukturierung und Aufbereitung der Datenbank zur Modellerstellung. Siehe Abb. 3.1.2.3 Abb. 3.1.2.3: Datenbank mit Bohrprofilen und Schichtgruppe 4. Erstellung des Modells Siehe Abb. 3.1.2.4 Abb. 3.1.2.4: Modell mit Schichten 3.1.3 Ergebnis Aus der oben skizzierten Herangehensweise entsteht ein parametrisches und dynamisches Baugrundmodell das mit den entsprechenden Metainformationen angereichert wird. Siehe Abb. 3.1.3.1 Abb. 3.1.3.1: parametrisches und dynamisches Baugrubenmodell Das Modell erlaub es einen Überblick der Geologie über die knapp 73 km jederzeit im BIM Modell zu haben. Wie schon erwähnt ersetzt das Modell aber unserer Meinung nach nicht das geschriebene Wort des Gutachtens. 3.2 Deichverlegung Lippe (Haltern/ Marl) In Haltern-Lippramsdorf und Marl (HaLiMa) werden auf 5,6 Kilometern Länge die Hochwasserschutzdeiche erneuert. Die bestehenden Deiche am Nord- und Südufer der Lippe werden durch neue, zurückverlegte Dämme ersetzt. Es entsteht durch die Deichverlegung der Lippe eine Auenfläche von rund 60 Hektar. Die Gesamtmaßnahme beträgt ca. 7,5 Jahre Bauzeit. Dabei werden insgesamt circa 3,2 Millionen Kubikmeter Bodenmassen verbaut. Eine technische Besonderheit ist die Höhe der Deiche, die bis zu 13,5 m beträgt. In diesem Gebiet ergeben sich durch u. a. bergbauliche Tätigkeiten des Bergwerks Auguste Victoria/ Blumenthal Senkungen der Geländeoberfläche, die nachteilige Auswirkungen auf die Wasserwirtschaft und speziell auf den Hochwasserschutz haben. Um den Senkungen zu begegnen sowie den hochwasserschutzrechtlichen Anforderungen der §§ 68 WHG zu genügen, sind die Deichrückverlegung und Lippegestaltung erforderlich. 3.2.1 Aufgabe - Erstellen eines dreidimensionalen Baugrundmodells auf Basis vorhandener Baugrundgutachten (PDF) und während der Bauausführung zusätzlich gewonnener Aufschlüsse (GeoDIN). - Übernehmen des digitalen Geländemodells (DGM) bzw. des digitalen Höhenmodells u.a. aus Überflugdaten. - Einarbeitung der Prüfstellen und Prüfergebnisse der Kontrollprüfungen der Verdichtung während der Bauausführung in Abhängigkeit des QS-Planes. - Ausarbeitung eines Deichbuches mit Darstellung der einzelnen Bauteile/ Baukörper des Deiches und Dokumentation der Herkunft der Böden. 50 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Digitalisierung im Baugrund - Erfahrungen und Ansätze 3.2.2 Herangehensweise 1. Digitalisierung der bestehenden Unterlagen (PDF) Hier wurden bestehende (analoge) Gutachten und Bohrprofile und unterschiedliche GeoDin Datenbanken in eine Datenbank gebracht. Gemäß der Prämisse an einer Datenbank arbeiten zu wollen. 2. Erstellung mehrere Fachmodelle a. Bohrsäulen Siehe Abb. 3.2.2.1 Abb. 3.2.2.1: Bohrsäulen als Modell b. DPH Diagramme Siehe Abb. 3.2.2.2 c. Verdichtungsprüfung/ Einbaukontrolle (grün Wert erreicht, rot Wert nicht erreicht) Siehe Abb.3.2.2.3 Abb. 3.2.2.3: Darstellung der Prüfstellen im Modell d. Schichtenmodell Siehe Abb. 3.2.2.4 Abb. 3.2.2.4: Schichtmodell 3.2.3 Ergebnis Momentan befindet sich das Model weiterhin noch in der Bearbeitung. Doch schon jetzt wurden die Stärken der Kombination aus CAD und GIS sichtbar. Die im CAD erstellten Schichtenmodelle wurden durch GIS Daten (Einbaukontrolle) ergänzt und zusammengebracht. An beliebigen Stellen können Metainformationen den einzelnen Objekten der Fachmodelle beigefügt werden bzw. wurden bereits beigefügt. Aus der Kombination der unterschiedlichen Fachmodelle mit unterschiedlicher Informationsdichte entsteht ein digitales Modell der Baugrundverhältnisse und Informationen was nicht nur zur Planung, sondern aus zum Betrieb genutzt werden kann. Auch wenn es vielleicht verfrüht wäre dieses Modell ein digitales Deichbuch zu nennen, ist der Ansatz und die bisherige Reife sehr nah an dieser Idee. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 51 Digitalisierung im Baugrund - Erfahrungen und Ansätze 4. Dos and Don’ts mögliche Optimierungsschritte Dos: - Eine Revision der bisherigen Prozesse ist lohnenswert. Häufig gibt es viele Möglichkeiten die Arbeit mit passenden Werkzeugen effizienter zu gestalten. - Im Zuge der Veränderungen der Prozesse sollte aber der Mensch nicht zu kurz kommen. Klare Anweisungen und Projekthandbücher sind hilfreich. Motivierten Kollegen gelingt der Einstieg in die neue Arbeitsweise aber sehr schnell. Oft sind diese um die Erleichterung sogar dankbar. - Im Zuge der Bearbeitung der Beispielprojekte und weiterer Projekte bei denen ein Baugrundmodell erforderlich war hat sich herausgestellt, dass in Abhängigkeit der Anwendungsfälle ein effizientes Arbeiten dann gelingt, wenn man die Werkzeuge CAD und GIS sehr eng mit einander verknüpft. - In Abhängigkeit der Anwendungsfälle kann es manchmal hilfreich sein statt eines großen Modells mehrere Fachmodelle auszugliedern. - Trotz nichtvorhandener Kategorien für den Baugrund im IFC Format ist der Export und die Weitergabe über das selbe elegant und schnell. Don’ts - Digitale Baugrundmodelle sind nur ein Mittel um die Informationen des Baugrunds in das „große“ BIM Modell zu transportieren und dort bereitzustellen. Baugrundmodelle lösen aber auf keinen Fall das geschriebene Wort des Gutachtens ab. Dieses sollte klar kommuniziert werden. - Augenblicklich sind keine Kategorien im IFC Format vorhanden um Baugrundmodelle vernünftig abzulegen. Hier sollte die Informationsstruktur in jedem Projekt mit dem BIM Manager im Vorfeld geklärt werden. - Wiederholungen in den Arbeitsprozessen auf Grund von Medienbrüchen sind ineffizient und frustrierend. Das sollte wo möglich vermieden werden. Einmal erfasste Daten sollten kein zweites Mal erfasst werden müssen.
