Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
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Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising
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2020
Marco Vogel
Moritz Bock
Manfred Keuser
Die neue Westtangente Freising soll die Stadt Freising vom stetig ansteigenden Verkehr entlasten. Eine Herausforderung dabei stellen insbesondere die Planung und Herstellung des dafür erforderlichen Tunnelbauwerks dar. Die Herstellung des ersten Abschnitts des insgesamt 705 m langen Tunnels erfolgt in bergmännischer Bauweise teilweise unter bestehender Bebauung mit geringer Überdeckungshöhe. Durch den Einsatz eines Acrylatgel-injizierten Spießschirms konnten Setzungen auf ein Minimum begrenzt werden. Als Übergangsbauwerk zum zweiten Abschnitt in Bohrpfahl-Deckelbauweise befindet sich ein ca. 30 m tiefer Bohrpfahlwandverbau. Aus den verschiedenen Aus- und Umsteifungsphasen während des Aushubs und dem Bau eines Schachtbauwerks sowie einer aufwändigen Grundwasserhaltung resultierten komplexe planerische und bautechnische Aufgabenstellungen. Im Bereich der Deckel- und Trogbauweise musste aufgrund fehlender bzw. zu hoch angetroffener dichter Bodenschichten (Stauer) eine Weichgelsohle sowie eine aufwändige HDI-Dichtschürze zusätzlich eingebracht werden, die das Grundwasser während der Bauzeit abhalten sollen.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 73 Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising Marco Vogel M.Sc. BUNG Ingenieure AG, München, Deutschland Dipl.-Ing. Moritz Bock EDR GmbH, München, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Manfred Keuser BUNG GmbH, München, Deutschland Zusammenfassung Die neue Westtangente Freising soll die Stadt Freising vom stetig ansteigenden Verkehr entlasten. Eine Herausforderung dabei stellen insbesondere die Planung und Herstellung des dafür erforderlichen Tunnelbauwerks dar. Die Herstellung des ersten Abschnitts des insgesamt 705 m langen Tunnels erfolgt in bergmännischer Bauweise teilweise unter bestehender Bebauung mit geringer Überdeckungshöhe. Durch den Einsatz eines Acrylatgel-injizierten Spießschirms konnten Setzungen auf ein Minimum begrenzt werden. Als Übergangsbauwerk zum zweiten Abschnitt in Bohrpfahl-Deckelbauweise befindet sich ein ca. 30 m tiefer Bohrpfahlwandverbau. Aus den verschiedenen Aus- und Umsteifungsphasen während des Aushubs und dem Bau eines Schachtbauwerks sowie einer aufwändigen Grundwasserhaltung resultierten komplexe planerische und bautechnische Aufgabenstellungen. Im Bereich der Deckel- und Trogbauweise musste aufgrund fehlender bzw. zu hoch angetroffener dichter Bodenschichten (Stauer) eine Weichgelsohle sowie eine aufwändige HDI-Dichtschürze zusätzlich eingebracht werden, die das Grundwasser während der Bauzeit abhalten sollen. 1. Einleitung Um die Stadt Freising insbesondere vom Durchgangsverkehr zu entlasten, ist eine Umfahrung im Westen der Universitätsstadt notwendig. Bereits 1972 war diese in den Flächennutzungsplan der Stadt aufgenommen worden. Da auch in Zukunft der Verkehr in und um Freising ansteigen wird, wird zur Entlastung der Innenstadt die Planung und der Bau der Westtangente Freising mit einer Länge von etwa 3,6 km und 12 Ingenieurbauwerke (11 Brücken und 1 Tunnel) vorangetrieben. Sie verknüpft die Staatsstraße 2084 im Nordwesten mit der Bundesstraße B11 im Südosten der Stadt. Im Nordabschnitt der Umfahrung, im Bereich des Ortsteils Vötting, befindet sich ein 705 m langes Tunnel- und Rampenbauwerk. Der Tunnelbereich wird dabei aufgrund der hydrogeologischen und baulichen Randbedingungen über 460 m in bergmännischer Bauweise und über 245 m in Deckel- und Offener Bauweise geplant, dessen Planung und Herstellung die Ingenieure vor eine große Herausforderung stellen. Der Spatenstich der Gesamtmaßnahme wurde im Mai 2015 abgehalten. Im Dezember 2016 begannen die Arbeiten für den Tunnel. Der feierliche Tunnelanstich fand im Mai 2017 statt. Der ursprünglich geplante Fertigstellungstermin des Tunnelbauwerks hat sich aufgrund von unvorhergesehenen geologischen Gegebenheiten von Ende 2019 auf Ende 2020 verschoben. Die Verkehrsfreigabe der Gesamtstrecke ist derzeit für Spätsommer 2021 geplant. 2. Bergmännische Bauweise Die ersten 460 m des Tunnels von Bau-km 0+300 bis 0+760 werden in bergmännischer Bauweise vorgetrieben. Die Schwierigkeiten hierbei waren insbesondere der heterogene tertiär geprägte Baugrund sowie die teilweise geringe Überdeckungshöhe von bis zu 5 m neben bestehender Bebauung. Zudem wurde vorab eine umfangreiche Brunnengalerie zur Absenkung des Grundwasserstandes im Vortriebsbereich errichtet. Der Spritzbetonvortrieb mit vorauseilender Sicherung wurde in Kalottensowie Strossen- und Sohlquerschnitt unterteilt. Je nach geologischen Verhältnissen sind im Vorfeld unterschiedliche Vortriebsklassen festgelegt worden, die sich im Wesentlichen hinsichtlich der vorauseilenden Sicherung und der Abschlagslänge unterscheiden. Zur Beurteilung der bei der Herstellung des Tunnels auftretenden Setzungen bzw. Setzungsmulden an der Ge- 74 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising ländeoberfläche wurden vor Beginn der Baumaßnahme und als Grundlage für die Überwachung während des Vortriebs 2D Verformungsberechnungen durchgeführt. Die Ergebnisse der statischen Berechnungen mit variierenden Bodenkennwerten wurden anschließend bei der Definition der Warn- und Alarmwerte herangezogen. Durch das Anbringen verschiedener Messpunkte an der Außenschale für die Untertagemessungen und an der Geländeoberfläche für die Obertagemessungen konnten während des Vortriebs alle wesentlichen Verformungen erfasst werden. Abbildung 1: Messquerschnitt für die Obertagemessungen im Bereich der bergmännischen Bauweise [1] Insbesondere für den Bereich mit geringer Überdeckungshöhe und nebenliegender Bebauung wurde zusätzlich ein Deformationsmonitoringsystem der Firma Leica Geosystems AG errichtet, das eine permanente, onlinebasierte Aufzeichnung von Oberflächenverformungen und somit eine schnelle Auswertung der auftretenden Verformungen ermöglicht hat. Hierdurch konnten mögliche vortriebverursachten Setzungen frühzeitig erkannt und so auf die Sicherungsmaßnahmen im Vortrieb Einfluss genommen werden. 2.1 Acrylatgel injizierter Spießschirm Im Bereich von Bau-km 0+600 bis 0+760 wurde gemäß Ausschreibung eine Sicherung mit Rohrschirm vorgesehen. Grund hierfür sind die unmittelbar im Einflussbereich des Tunnelvortriebs liegende Bebauung, die geologischen Verhältnisse, geringe Überdeckungshöhe sowie die angenommene Verkehrslast einer Anliegerstraße über dem Tunnel. Mit fortschreitendem Bauablauf wurde abweichend zur ursprünglichen Planung der Straßenbereich „Am Mitterfeld“ aufgrund des Baubetriebs und der Baulogistik gesperrt, wodurch der Ansatz einer oberflächennahen Verkehrslast entfallen und mit einer geringeren Auflast gerechnet werden konnte. Infolge der Reduzierung der rechnerischen Beanspruchungssituation konnten weitere Lösungsansätze für die Vortriebssicherung in diesem Bereich untersucht werden. Als vorauseilende Sicherung für den Vortrieb im Regelbereich vor dem o.g. Bereich wurde ein Bohrspießschirm eingebaut. Dabei wurde jedoch festgestellt, dass beim Einbohren der 4 bzw. 6 m langen Spieße (D = 51 mm) ein relativ großer Materialaustrag einhergeht. Dies hatte das Auftreten von Setzungen begünstigt. Daher wurden im weiteren Vortrieb die Bohrspieße durch Rammspieße ersetzt. Durch das Rammen der Rohre konnte ein Bodenaustrag vollständig vermieden werden. Zudem wird durch die beim Rammen der Spieße entstehende Bodenverdrängung das Sandgefüge verdichtet, was wiederum zu einer Reduzierung möglicher Bodenausrieselungen zwischen den Spießen führt. Im betrachteten Bereich von Bau-km 0+600 bis 0+760 führt der Tunnel sehr nahe unter bestehender Bebauung vorbei. Hier mussten Setzungen bzw. insbesondere Setzungsmulden, welche zu Schiefstellungen der Gebäude führen könnten, auf ein Minimum begrenzt werden, um das Risiko möglicher Schäden an der Bebauung gering zu halten. Beim geplanten Vortrieb mittels Rohrschirm wurde das Risiko von Schäden unter Beachtung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen im Vortrieb insbesondere aufgrund des Herstellungsverfahrens als kritisch beurteilt. Abbildung 2: Geländeschnitt Querschnitt im Bereich der bergmännischen Bauweise mit Bebauung [2] Das Sicherheitskonzept wurde daher an die anstehenden Bedingungen in diesem Bereich angepasst, damit der Tunnel sicher und gleichzeitig in wirtschaftlich optimierter Arbeitsweise hergestellt werden kann. Die Arge Tunnel Vötting hat in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Geotechnik der TU München, verschiedenen Ingenieurbüros und Materialherstellern die bereits zuvor angewandte vorauseilende Sicherung mittels Rammspießschirm geringfügig modifiziert, sodass optimale Vortriebsverhältnisse geschaffen werden konnten. Im Zuge der Optimierung wurden Perforationslöcher in einem Raster von 50 cm in die Spießrohre gebohrt, wodurch es möglich war, Injektionen über die Spieße zu setzen. Mittels des gerammten Spießschirms in Kombination mit dem gezielten Injizieren eines Acrylatgels über die Spieße wird das Gebirge um den auszubrechenden Querschnitt herum zu einem geschlossenen und stabilen Schirm vergütet, um den nächsten Abschlag zu sichern. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 75 Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising Abbildung 3: Skizze des Acrylatgel-injizierten Spießschirms [4] Da Zement- oder Feinstzementsuspensionen, aufgrund der vorhandenen geringen Durchlässigkeit der anstehenden Böden zur Vergütung nicht geeignet sind, wurde Acrylatgel verwendet, welches beim Einbringen eine ähnliche Viskosität wie Wasser aufweist. Mit dem Injizieren und anschließendem Erhärten des Acrylatgels entsteht eine Verkittung des Materials, sodass ein Durchrieseln von Lockergestein zwischen den Sicherungsmitteln größtenteils ausgeschlossen werden kann. Durch die gebirgsschonendere Einbaumethode gegenüber dem Herstellungsverfahren des Rohrschirms und dem Ausbleiben von Materialaustrag infolge Bohrungen können herstellungsbedingte Verformungen größtenteils verhindert werden. Zudem konnten mögliche Verformungen durch Verzicht auf die für den Rohrschirm nötige Aufweitung des Ausbruchsquerschnitts vermieden werden. Da der Acrylatgel-injizierte Spießschirm somit bei gleichwertigem Sicherheitsniveau weniger baubedingte Schwierigkeiten als der Rohrschirm aufweist, wurde dieses Vortriebsverfahren bis zum Vortriebsende fortgeführt. Ein weiterer wichtiger Grund für diese Weiterführung ist, dass keine Umstellung des Herstellungsverfahrens für die Vortriebsmannschaft erforderlich ist und die Vortriebszeit somit insgesamt verkürzt werden konnte. Zur Herstellung des Rammspießschirms werden die perforierten Rohrspieße mittels Außenhammer in den Baugrund gerammt. Eine aufgeschweißte geschlossene Spitze des Spießes schützt dabei vor eindringendem Bodenmaterial. Durch die im Durchmesser 10 mm breiten Perforationsbohrungen, die sich im Bereich 1,70 m vom Spießmund entfernt über eine Länge von 1,30 m befinden, wird anschließend das Acrylatgel gezielt in den Baugrund injiziert. Durch die geringe Viskosität des Gels, dringt es auch in die vorhandenen Porenhohlräume ein und verkittet das Material. Im Vorfeld zu dieser innovativen Vortriebtechnologie wurden zwei Versuchsreihen in-situ durchgeführt. Dabei wurden 7 Rammspieße in die rechte Hälfte der Ortsbrust unter Verwendung des Acrylatgels Rubbertite (Fa. TPH) und 8 Spieße in den Stützkern mit dem Acrylatgel Variotite (Fa. TPH), jeweils mit einem Abstand von etwa 20 cm, gerammt. Als Spieße wurden 4 m lange Stahlrohre mit einem Durchmesser von 51 mm und einer Wandstärke von 4,5 mm gewählt. Der Injektionsdruck wurde bei beiden Versuchsreihen zwischen 1,3 bis 2 bar eingestellt, was einer Pumpleistung von etwa 4 bis 5 l/ min entspricht. Abbildung 4: Ansicht des Versuchsfelds Stützkern [5] Für die Versuche wurden 2 m lange Injektionslanzen mit Einfachpacker verwendet. Für die Bauausführung wurden allerdings mehrfach verwendbare, mechanische Packer vorgesehen. Zur Bewertung und Überprüfung des Injektionserfolgs wurden die Injektionskörper freigelegt und untersucht. Im Versuchsfeld der Ortsbrust konnte bereits beim ersten Abschlag injiziertes Material erkannt werden. Der Injektionskörper bildete sich jedoch nicht nur im unmittelbar umliegenden Bereich der Spieße aus, sondern auch in den nicht erforderlichen nebenliegenden Bereichen, insbesondere unterhalb des Spießschirms. Im Stützkern wurde eine schnellere Reaktionszeit mit einer angepassten Injektionsmenge gewählt, sodass sich der Injektionskörper unmittelbar im Spießbereich ausbildete. Durch die gewählten Parameter konnte in diesem Versuchsfeld der gewünschte Injektionserfolg erreicht werden. Die Verfestigung begann etwa 40 cm vor der ersten Austrittsöffnung und war bis zum Ende des Injektionsbereichs durchgehend ausgebildet. Auch der Bereich zwischen den Spießen wurde durch das eingebrachte Material ausreichend verfestigt. Abbildung 5: Injektionskörper im Versuchsfeld des Stützkerns [5] 76 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising Mit der Durchführung der Versuche konnte ein erfolgreiches Verfahren getestet werden, was als vorauseilende Sicherung für den Vortrieb der bergmännischen Bauweise bis hin zum Giggenhauser Schacht verwendet wurde. 3. 3. Schachtbauwerk Giggenhauserstraße Das Schachtbauwerk befindet sich im Übergangsbereich der bergmännischen Bauweise (Norden) zur Deckelbauweise (Süden) und wird im Schutze einer ca. 30 m tiefen überschnittenen Bohrpfahlwand errichtet. Der Bohrdurchmesser der Bohrpfähle beträgt 1,20 m mit einem Überschnitt von 30 bis 35 cm. Zur Abfangung unterschiedlicher Aushubtiefen in der Baugrube wird eine zusätzliche Reihe mit kürzeren Bohrpfählen in der Mitte angeordnet. In der westlichen Hälfte der Baugrube wird ein Schachtbauwerk (Betiebstechnik) hergestellt, in der östlichen Hälfte der Baugrube wird der Tunnel in Offener Bauweise errichtet. Abbildung 6: Draufsicht des Schachtbauwerks [1] 3.1 Bauphasen Zur Aussteifung der Baugrube sind vier temporäre Steifenlagen erforderlich. Die unterschiedlichen Aushubebenen befinden sich kurz unterhalb der jeweiligen Gurtung, sodass diese ohne Schwierigkeiten eingebaut werden können. Schrittweise werden danach mit dem Einbau der Ebenen des Schachtbauwerks die Steifenlagen rückgebaut, sodass das Schachtbauwerk die aussteifende Funktion übernimmt. Die ersten beiden Steifenroste werden mit dem jeweiligen Aushub eingebaut. Im Zuge des Einbaus des dritten Steifenrosts wird im östlichen Teil der Baugrube eine Sprießplatte eingebaut, die im Bauzustand Lasten aufnimmt. Nach dem vollständigem Aushub mit einer Differenz zwischen GOK und Baugrubensohle von ca. 23,3 m im Westen bzw. 15,7 m im Osten und dem Anbringen der letzten Steifenlage werden schrittweise die Sohle, Decken und Wände des Schachtbauwerks eingebaut. Dabei wird die jeweilige Steifenlage oberhalb der zuletzt eingebauten Sohle bzw. Decke entfernt und anschließend Wände und Decken der Ebenen darüber hergestellt. Nach der Herstellung der zweiten Decke und dem Ausbau des zweiten Steifenrosts erfolgte der Durchbruch der Bohrpfahlwände zwischen dem Bereich der bergmännischen und offenen Bauweise. Abbildung 7: Ansichten des Schachtbauwerks in der Bauphase 10 [1] Aufgrund von Anpassungen im Bauablauf im Zuge der Ausführung kam es innerhalb des Schachts teilweise zu Umplanungen der einzelnen Phasen. Die hohe Komplexität der unterschiedlichen Aus- und Umsteifungsphasen und deren Schnittstellen untereinander erfordern anspruchsvolle Planungs- und Ausführungsleistungen. 3.2 Grundwasserhaltung Für den Aushub der Baugrube war aufgrund der geologischen Untersuchungen und Empfehlungen der Einbau einer Innenwasserhaltung vorgesehen. Zudem zeigte sich aus den Bohrungen, dass unter dem ersten Stauer weitere Stauerschichten und dazwischenliegende wasserführende Sandschichten vorhanden sind. Für den Aushub der tiefen Baugrube waren ohne Zusatzmaßnahmen die Nachweise gegen hydraulischen Grundbruch und Sohlaufbruch somit nicht gegeben. Zur Einhaltung der Nachweise war daher die Herstellung eines Überlaufbrunnens zur Grundwasserentspannung vorgesehen. Im Zuge des fortschreitenden Aushubs und der kontinuierlichen Wasserhaltung zeigt sich jedoch, dass die geplante Entspannung im zweiten Aquifer nicht erreicht werden konnte, woraufhin der weitere Aushub eingestellt werden musste. Im Folgenden wurden weitere Aufschlussbohrungen erstellt, wobei sich sehr heterogene Baugrundverhältnisse insbesondere in Bezug auf die Durchlässigkeiten gezeigt haben. Zur zusätzlichen Entspannung wurden daher vier weitere Entspannnungsbrunnen in der Baugrube hergestellt. Da auch diese Maßnahme nicht den geplanten Erfolg bzw. Entspannung bewirkte, wurde in Abstimmung mit allen Beteiligten entschieden, die Aushubkote soweit wie möglich anzuheben, um die o.g. Nachweise einzuhalten. Die baulichen Auswirkungen auf das Bauwerk konnten durch Ersatzmaßnahmen ausgeglichen werden. Zur Berücksichtigung von Pumpausfällen wurde die Wasserhaltung redundant ausgelegt. Zudem wurde baubetrieblich die Möglichkeit geschaffen, die Baugrube innerhalb von 15 Minuten (Rufbereitschaft) fluten zu können. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 77 Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising Nach einer Unterbrechung der Aushubarbeiten von knapp 4 Monaten konnte nach Herstellung der o.g. Maßnahmen die weiteren Arbeiten unterbrechungsfrei und erfolgreich ausgeführt werden. 4. Deckelbauweise / Offene Bauweise Im südlichen Abschnitt von Bau-km 0+770 bis 0+960 wird der Tunnel über eine Länge von ca. 180 m in Bohrpfahldeckelbauweise mit tiefliegendem Deckel hergestellt. Der restliche geschlossene Bereich sowie der Portalblock und der bis Bau km 1+145 reichende Bereich mit Trogquerschnitt werden in offener Bauweise hergestellt. 4.1 Konstruktionen und Bauverfahren Auf Grund des hohen Grundwasserstandes war die Einbindung der Bohrpfähle in eine tiefe Stauerschicht geplant, um die Restwasserhaltung beim Aushub und Vortrieb mit einer innenliegenden Wasserhaltung zu ermöglichen. Da in diesem Bereich unter einer Deckschicht von ca. 2 bis 3 m (Auffüllungen) gering tragfähige Böden (Torfe) mit einer Mächtigkeit von 3 bis 4 m anstehen, wurde bereichsweise eine Überlastschüttung bis ca. 2,5m aufgebracht sowie Vertikaldräns in den Torf eingebaut, um die Tragfähigkeit der Böden für die Bohrpfahlarbeiten sicherzustellen. Nach Herstellung des Verbaus mussten die die Torfe im Zuge des Aushubs entfernt und durch einen tragfähigen Bodenaustausch bis UK Deckel ersetzt werden. Größtenteils ist dabei eine Kopfaussteifung für den Aushub erforderlich. Sobald der Deckel eingebaut ist, können die Steifen zurückgebaut und die Baugrube mit dem Aushubmaterial verfüllt werden. Abbildung 8: Aussteifungslagen Dock 1 Nach Herstellung und Überschüttung der Deckel kann der Aushub unter dem Deckel mittels Baggervortrieb durchgeführt werden, wobei der Aushub in Kalotte und Stroße/ Sohle unterteilt war. Aufgrund der geologischen und statischen Randbedingungen war im Zuge des Stroßen-/ Sohlvortriebs der Einbau einer abschlagsweise einzubringenden Sprießplatte (bewehrter Beton, 35 cm stark) mit einer Länge von ca. 2 m zur Sicherung der Bohrpfähle notwendig. Nach Erreichen einer vorgegebenen Mindestfestigkeit zwischen 6 und 15 N/ mm² durfte der nächste Abschlag erfolgen. Daraus ergeben sich Vortriebsgeschwindigkeiten von ca. 0,5 bis 1 Abschlag pro Tag unter dem Deckel. Zwischen Bau km 0+950 und 0+980 wird der Tunnel in offener Bauweise hergestellt. Die Baugrube wird mit überschnittenen, bereichsweise ausgesteiften Bohrpfählen sowie einer rückverankerten Unterwasserbetonsohle gesichert. Der Aushub erfolgt im Nassbaggerverfahren. Das Tunnelende zw. Baukm 0+980 und 1+145 wird als wasserdichter Trog hergestellt. Die Sicherung erfolgt hier ebenso mit überschnittenen Bohrpfählen und einer rückverankerten Unterwasserbetonsohle. Die Gründung des Trogs wird im Bereich bis 1+067 als Flachgründung über der UW Sohle ausgeführt. Der Bereich von Bau-km 1+070 bis 1+145 (Dock 7) wurde abweichend zum Vertrag auf Grund des günstigen niedrigen Wassersstades ohne Bohrpfahlverbau mit geböschten Baugruben errichtet. Zur Sicherstellung eines veträglichen Trag- und Setzungsverhaltens der Tröge oberhalb der darunterliegenden gering tragfähigen Torfschichten war es erforderlich je Block bis zu 6 schräge Gründungspfähle herzustellen und monolithisch mit der Sohle zu verbinden. Der Übergangsblock zwischen den beiden genannten Bereichen mit unterschiedlicher Gründungsweise wird halbseitig flach und auf der anderen Seite mittels 3 Bohrpfählen tief gegründet. Um den Einfluss der unterschiedlichen Gründungen auf das Tragwerk zu berücksichtigen, wurden im Zuge der statischen Berechnung Grenzwertbetrachtungen durch die Variation der Federsteifigkeiten der Flach- und Tiefgründung durchgeführt. Um die Sicherheit gegen Sohlaufbruch zu gewährleisten, wurde für das Dock 7 ein Bodenaustausch mit einer Kiesschicht vorgesehen, da sich die UK Sohle sowohl im Grundwasser als auch im Torfbereich befindet. Abbildung 9: Modell Übergangsblock mit halbseitiger Flach- und Tiefgründung 78 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Planerische und bautechnische Herausforderungen beim Tunnelprojekt Vötting auf der neuen Westtangente Freising 4.2 Weichgelsohle und HDI-Schürze Im Bereich der o.g. Deckelbauweise wurde im Abschnitt der Docks 2 und 3 im Zuge der Bohrpfahlherstellung der prognostizierte tiefliegende Stauer teilweise nicht bzw. in höherer Lage angetroffen. Damit war die bisher geplante Bauweise mit Restwasserhaltung nicht mehr möglich und die Nachweise gegen hydraulischen Grundbruch und Sohlaufbruch konnten nicht mehr eingehalten werden. Da im Bereich des zeitlich zuerst erstellten Abschnitts von Dock 2 die Fehlstelle nur lokal begrenzt festgestellt werden konnte, wurde entschieden die Herstellung des Deckels in Dock 2 fortzuführen. Bei der Herstellung der Bohrpfähle in Dock 3 zeigte sich jedoch, dass der Umfang der Fehlstelle größer war als zunächst angenommen. Weitere Aufschlussbohrungen im Umfeld der Fehlstelle bestätigten dies. Aufgrund der geotechnischen und baubetrieblichen Randbedingungen wurden vom Baugrundgutachter (Zentrum Geotechnik) auf Basis der neuen Aufschlüsse entsprechende Maßnahmen empfohlen. Demnach konnte im Dock 3 der Einbau einer tiefliegenden Dichtschicht mittels Weichgelsohle erfolgen, um die erforderliche Dichtigkeit und den Nachweis gegen Sohlaufbruch wieder herzustellen. Zur Gewährleistung einer vollflächigen Herstellung der Weichgelsohle wurde ein Bohrraster von 1,50 x 1,50 m definiert. Die Bohrlängen betrugen dabei ca. 25 m und die Mächtigkeit der Dichtsohle wurde mit 1,50 m vorgegeben. Durch eine intensive Überwachung aller Parameter während der Ausführung konnte die Dichtigkeit erfolgreich mittels eines Pumpversuchs bestätigt werden. Im Dock 2 war diese Maßnahme aufgrund des bereits eingebauten Deckels nicht möglich, da der Abriss des Deckels politisch nicht vertretbar gewesen wäre. Stattdessen kam hier die Herstellung einer gedüsten Dichtschürze zur Verlängerung der Bohrpfähle in eine tieferliegende Stauerschicht zur Ausführung. Die Bohrlängen betrugen hierbei knapp 30 m, der planmäßige Säulendurchmesser wurde mit 2,50 m gewählt. Auch hier konnte die Ausführung infolge einer intensiven Qualitätskontrolle sichergestellt werden. Die Dichtigkeitsprüfung ist aktuell noch nicht abgeschlossen. 5. Schlussbemerkung Die Westtangente Freising stellt eine wichtige Infrastrukturmaßnahme zur Entlastung der Innenstadt Freising vom Durchgangsverkehr dar. Dabei stellte vor allem der 705 m lange Tunnel unter dem Stadtteil Vötting auf Grund der Vielzahl an Bauweisen und Bauverfahren sowohl die Planung als auch die Ausführung vor große Herausforderungen. Nur durch eine kooperative Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie durch zielgerichtete und innovative Lösungsansätze konnten diese Herausforderungen auf der Baustelle beherrscht werden. Aufgrund von unvorhersehbaren ungünstigen Abweichungen in den geologischen und hydrologischen Gegebenheiten konnte die Maßnahme zwar nicht planmäßig abgewickelt werden, jedoch konnten die aufgetretenen Herausforderungen durch eine enge Zusammenarbeit Aller bewältigt werden. Die Stadt Freising wird mit geplanter Verkehrsfreigabe der Westtangente Freising bis Ende 2021 eine der größten Baumaßnahmen der Stadt abschließen und einen merklichen Beitrag zur Entlastung der Innenstadt leisten. 6. Projektbeteiligte Bauherr: Stadt Freising Objekt- und Tragwerksplaner: Projektgemeinschaft EDR GmbH - SEHLHOFF GmbH - Büro DR. H. M. Schober Bauausführung: ARGE Wayss & Freytag / Bauer Bodengutachter: Prof. Dr.-Ing. Norbert Vogt Zentrum Geotechnik TUM Prüfingenieur: Prof. Dr.-Ing. Manfred Keuser Literatur [1] Ausführungsunterlagen zu Neubau der FS 44 neu - Westtangente Freising, BA2 - Tunnel Vötting, Los 2.2 - Tunnelbauwerk [2] Ausschreibungsunterlagen zu Neubau der FS 44 neu - Westtangente Freising, BA2 - Tunnel Vötting, Los 2.2 - Tunnelbauwerk [3] EDR GmbH, Gelinjizierter Spießschirm, Westtangente Freising (Projektgemeinschaft DER GmbH - SEHLHOFF GmbH - Büro Dr. H. M. Schober), Dokument vom 29.08.2017 [4] Wayss & Freytag, Erläuterungsbericht: Vortriebsoptimierung durch acrylatgelinjizierten Spießschirm, Station 0 + 600 bis 0 + 760, 18.08.2017 [5] Wayss & Freyta, Versuchsbericht: In-situ-Injektionsversuche am 10.08.2017 für acrylatgelinjizierten Spießschirm, Kalotte TM 178 [6] Stadt Freising - Westtangente - Tunnelbau Vötting, https: / / www.freising.de/ rathaus/ westtangente/ tunnel bau-voetting [7] Stadt Freising - Westtangente, https: / / www.freising. de/ leben-wohnen/ westtangente [8] Hexagon Geosystems: Leica GeoMoS Monitoringlösung, https: / / leica-geosystems.com/ de-de/ products/ total-stations/ software/ leica-geomos
