Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
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2020
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Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019)
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2020
Dietmar Mähner
Bodo Tauch
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Erneuerung des Petersberg Tunnels. Dabei wurde im Rahmen eines Pilotprojektes erstmalig die Tunnel-im-Tunnel-Methode auf einer elektrifizierten Strecke der Bahn angewendet. Das Tunnelprofil wurde im Rahmen des Vortriebes aufgeweitet. Diese Arbeiten wurden mit Hilfe eines Tunnelaufweitungssystems (TAS) durchgeführt. Dabei musste die bestehende Oberleitung für die Elektrifizierung der Strecke in den Tunnelvortrieb integriert werden. Nach Ende der Vortriebsarbeiten wurde die Tunnelinnenschale aus Stahlbeton hergestellt. Mit diesem Projekt wurde das Spektrum der Tunnelerneuerung erheblich erweitert und kann somit auch bei anderen Projekten im elektrifizierten Streckennetz eingesetzt werden.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 89 Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019) Prof. Dr.-Ing. Dietmar Mähner, Institut für unterirdisches Bauen (IuB), FH Münster Corrensstraße 25, 48149 Münster, Deutschland Dipl. Ing. (Univ.) Bodo Tauch, DB Netz AG, Hahnstraße 49, 60528 Frankfurt a. Main, Deutschland Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Erneuerung des Petersberg Tunnels. Dabei wurde im Rahmen eines Pilotprojektes erstmalig die Tunnel-im-Tunnel-Methode auf einer elektrifizierten Strecke der Bahn angewendet. Das Tunnelprofil wurde im Rahmen des Vortriebes aufgeweitet. Diese Arbeiten wurden mit Hilfe eines Tunnelaufweitungssystems (TAS) durchgeführt. Dabei musste die bestehende Oberleitung für die Elektrifizierung der Strecke in den Tunnelvortrieb integriert werden. Nach Ende der Vortriebsarbeiten wurde die Tunnelinnenschale aus Stahlbeton hergestellt. Mit diesem Projekt wurde das Spektrum der Tunnelerneuerung erheblich erweitert und kann somit auch bei anderen Projekten im elektrifizierten Streckennetz eingesetzt werden. 1. Einsatz der Tunnel-im-Tunnel-Methode bei der Deutschen Bahn Die Tunnel-im-Tunnel-Methode [1] wurde bereits auf mehreren Strecken im Regionalverkehr erfolgreich erprobt und weiterentwickelt. Die Erprobung erfolgte dabei ausschließlich auf nicht elektrifizierten Strecken. Bei dieser Methode wird der Tunnelquerschnitt unter Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs, d.h. bei laufendem Betrieb, im Sprengvortrieb oder mit Meißeln aufgeweitet und gemäß den gültigen Anforderungen des Regelwerks mit einer neuen Stahlbetoninnenschale ausgebaut. Dazu wird zu Beginn der Bauarbeiten grundsätzlich das Fahrgleis in Tunnelmitte verlegt und während der Baumaßnahme im bauzeitlichen Gleiswechselbetrieb befahren. Nach Beendigung der Baumaßnahme wird der Tunnel wieder mit zwei befahrbaren Gleisen versehen. Die Einrichtung der Eingleisigkeit am Anfang sowie die Herstellung der Zweigleisigkeit am Ende der Tunnelaufweitung erfolgen zwar während einer geplanten Totalsperrpause, allerdings kann während der gesamten Baudurchführung die Bahnstrecke für den Bahnbetrieb aufrecht erhalten bleiben, Umleitverkehre werden dadurch nur teilweise notwendig bzw. sogar ganz eliminiert. Bei der Erneuerung des Petersberg Tunnels kommt die Tunnel-im-Tunnel-Methode nun erstmalig bei einer elektrifizierten Strecke zum Einsatz [2]. 2. Projektvorstellung Petersberg Tunnel Der Petersberg Tunnel liegt bei Bullay auf der zweigleisigen Bahnstrecke von Koblenz nach Perl. Diese Strecke ist dem Fern- und Ballungsnetz zugeordnet. Nicht nur für den Personenverkehr mit der Anbindung an Koblenz und Trier ist diese Strecke von großer Bedeutung. Sie dient insbesondere auch für den Güterverkehr als wichtigste Hauptabfuhrstrecke in Richtung Luxemburg und genießt damit einen sehr hohen Stellenwert im Streckennetz der Deutschen Bahn. Ziel der DB Netz AG ist die Bahnstrecke Koblenz - Perl langfristig als Bestandteil des Transeuropäischen Netzes (TEN) zu erhalten. Sowohl die Erhöhung des Sicherheitsniveaus als auch die Erhaltung der Bahnstrecke für Güter- und Personenverkehr sind von hohem öffentlichem Interesse. Der Tunnel hat eine Länge von 368 m und wurde 1879 fertiggestellt. Das vorhandene Mauerwerk aus Schiefer und Kalkbruchstein weist Mächtigkeiten von ca. 0,85 m auf, im Portal reduziert sich die Dicke auf ca. 0,70 m. Die Mauerwerkskonstruktion des Tunnels ist ein Maulprofil ohne Sohle, der Tunnel wird derzeit dräniert. Der Tunnel befindet sich im Bereich der Moselmulde des Rheinischen Schiefergebirges. Diese wird aus einer mächtigen Schichtenfolge von Sand-, Schluff- und Tonsteinen aufgebaut. Durch die intensive tektonische Beanspruchung sind die Gesteine stellenweise intensiv geklüftet und weisen zahlreiche Störungen auf. Die maximale Überdeckungshöhe liegt etwa in Tunnnelmitte und beträgt ca. 95 m. 90 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019) Die vorhandene Mauerwerkskonstruktion am Petersberg Tunnel wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte vielfach saniert und ausgebessert. Im Rahmen vergangener Instandsetzungsmaßnahmen wurde das Mauerwerk großflächig mit einer dünnen Spritzbetonschale ertüchtigt. Vor der Sanierung wurden u.a. Mauerwerksausbrüche, lose Fugen, Ablösungen und Risse im Spritzbeton sowie diverse Feuchtstellen dokumentiert. Im Rahmen von regelmäßigen Begutachtungen wurde eine stetige Verschlechterung der Bauwerksqualität festgestellt, so dass eine wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr gegeben ist. Bild 1 und 2: Baustelle am Südportal Die Umsetzung der Regelquerschnitte der Deutschen Bahn erfordert im Zusammenhang mit der Maßnahme auch die Erweiterung des Gleisabstandes von 3,50 m auf 4,00 m und den Einbau von durchgehenden Fluchtwegen. Die Aufgabenstellung zur Erneuerung des Petersberg Tunnels sah vor, den Bahnverkehr auch bei Aufweitung des Tunnelprofils und Einbau einer neuen Tunnelinnenschale weitestgehend aufrecht zu erhalten. Lediglich für das Sprengen während der Aufweitung sowie für das Aus- und Einheben von Bauteilen über der Oberleitung waren kleinere Sperrpausen zugelassen. Aus diesem Grund wurde die Aufweitung des Tunnels mithilfe der Tunnel-im-Tunnel-Methode vorgesehen. Mit den Bauarbeiten wurde im Jahr 2017 begonnen. Der eigentliche Tunnelvortrieb startete im Januar 2018 und wurde im Oktober 2018 abgeschlossen. 3. Bauphasen Vor Beginn der Baumaßnahme wurde die Strecke im Bereich des Petersberg Tunnels zweigleisig befahren. Im Rahmen einer vierwöchigen Sperrung der Strecke im Mai 2017 wurden zuerst die Oberleitung, die Schienen sowie der Oberbau im Tunnel demontiert. Daran schloss sich der Einbau der Hilfsfundamente für das TAS sowie der Aufbau der Schutzeinhausung an. Danach wurde die Schutzeinhausung mit einem speziellen Fahrzeug in den Tunnel in einzelnen Elementen eingefahren. An diese Schutzeinhausung wurde für die Bauzeit eine Deckenstromschiene installiert. Weiterhin wurde das Gleisbett mit einem mittig verlegten Gleis hergestellt, so dass der Schienenverkehr im Bereich des Tunnels während der gesamten Bauphase eingleisig (im Gleiswechselbetrieb) durch den Tunnel geführt werden kann. Das Einheben des TAS von der Baustelleneinrichtungsfläche neben dem Tunnelportal auf die Hilfsfundamente erfolgte im August 2017 in einer zusätzlichen nächtlichen Sperrpause. Im Februar 2018 wurde mit den Vortriebsarbeiten vom Südportal aus begonnen. Dazu wurde im Schutz des TAS der Tunnel im First- und Ulmenbereich um ca. 2,5 m und im Widerlagerbereich um ca. 3 m aufgeweitet und anschließend mit Spritzbeton (Dicke: 20 bis 30 cm), Ankern, Ausbaubögen und Matten gesichert. Die Abschlagslängen variierten dabei zwischen 0,75 m und 1,75 m. Der Vortrieb (Länge 330 m) für den Tunnel endete im Oktober 2018. Nach der Rückfahrt des TAS wurden die Sohlen für die Widerlager vorbereitet. Anschließend erfolgte die Herstellung des Widerlagers ab Januar 2019. Nach dem Aufbau und Einheben des Bewehrungswagens, des Schalwagens sowie drei Nachbehandlungswagen wurde ab März 2019 mit der Herstellung der Gewölbeblöcke von Nord nach Süd begonnen. Im November 2019 erfolgte im Rahmen einer vierwöchigen Totalsperrpause u.a. der Ausbau der Schutzeinhausung, der Rückbau der Hilfsfundamente sowie die Herstellung des Gleisschotters mit zwei Gleisen. Auch die betriebstechnische Ausstattung, der Einbau der Entwässerungsleitungen sowie die Installation der Oberleitung erfolgten in diesem Zeitraum. Als letztes wurde die Leit- und Sicherungstechnik für den Endzustand angeschlossen. Am Ende der Sperrpause ist der Tunnel dann wieder für den zweigleisigen Betrieb fertig gestellt. Nachfolgendes Bild 3 zeigt die beschriebenen Bauphasen. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 91 Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019) Bild 3: Einzelne Bauphasen bei der Anwendung der Tunnel im Tunnel Methode 4. Konzeption Tunnelaufweitungssystem (TAS) Um während der Bauarbeiten einen gesicherten elektrifizierten Fahrbetrieb aufrecht zu erhalten und dabei gleichzeitig den Bahnbetrieb von den Bauarbeiten einwandfrei zu trennen, wurde das befahrene Gleis durchgängig mit einer zusätzlichen fest installierten Schutzeinhausung versehen. Innerhalb dieser Schutzeinhausung war im Firstbereich eine Stromschiene zur Führung der Oberleitung installiert. Bild 4: Längsschnitt Tunnelaufweitungssystem Im Zwischenraum von Schutzeinhausung und neuer Tunnelaußenschale kam das TAS, das sich in einer Führungsschiene auf einem Streifenfundament autark fortbewegte, zum Einsatz. Es bestand aus drei Abschnitten (Bild 4), der erste Abschnitt war mit einem hydraulisch hochfahrbaren Gewölbeschutz bestückt, das sich während des Vortriebs zwischen Schutzeinhausung und alter Tunnelinnenschale drückte und so mögliche Auflockerungen an dem Mauerwerk, hervorgerufen durch Einflüsse aus Sprengen, Meißeln, Baggern sowie möglichen Lastumlagerungen auffangen konnte. Auf dem zweiten Abschnitt, dem mittleren Teil, waren die Arbeitsgeräte wie Bohrhammer und Ankerbohrgerät angebracht. Auf dem dritten Abschnitt waren die Aggregate zur Energieversorgung untergebracht. Bei anderen Projekten wurde im Vorfeld der Bestandstunnel durch Einbau einer Systemankerung gesichert. Dies stellt jedoch einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand dar, der beim Petersberg Tunnel durch den hochfahrbaren Gewölbeschutz vermieden wird (Bild 5). Bild 5: Tunnelaufweitungssystem (beweglich) mit Einhausung (fest stationiert) 92 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019) Bild 6: Tunnelaufweitungssystem (beweglich) mit Einhausung (fest stationiert) Das TAS musste so konzipiert werden, dass über einen Bohrhammer an der Firste der Ausbruch getätigt werden konnte. Im seitlichen Ulmenbereich wurde über zwei Teilschnittmaschinen, die sich auf der Fahrsohle in Höhe der Widerlager bewegten, der Tunnelausbruch getätigt. Über verfahrbare und umklappbare Arbeitsbühnen konnten die Ausbaubögen sowie die Matten eingebaut werden. Der Auftrag des Spritzbetons, die Herstellung der Bohrlöcher für die Systemankerung und der Spieße erfolgte durch jeweils zwei im seitlichen Bereich des TAS angebrachte Spritzbetonmanipulatoren sowie Bohrgeräte. Hierbei ist anzumerken, dass im Zuge der Konzeption der Ankerbohrgeräte hinsichtlich der Leistungsfähigkeit auch mögliche Ankerungen mit größerem Ankerdurchmesser entsprechend in der Ausschreibungsphase berücksichtigt werden mussten. Der Abtransport des Ausbruchmaterials erfolgte durch spezielle Muldenfahrzeuge hinter den Teilschnittmaschinen, die unter sehr beengten Randbedingungen agierten. Die Schutzeinhausung sowie das TAS wurden auf Streifenfundamenten gegründet, die in Tunnellängsrichtung verliefen. Diese Streifenfundamente mussten das Eigengewicht des TAS (Gewicht ca. 225 Tonnen) und der Einhausung sicher in den Baugrund ableiten. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wurde für den Ausbruch ein Baggervortrieb, aber auch Sprengvortrieb vorgesehen. Dies bedeutet auch, dass das TAS alle Einwirkungen aus dem Sprengvortrieb aufnehmen musste (Bild 7). Dafür waren auch die Hilfsfundamente entsprechend zu dimensionieren. Aufgrund der hohen horizontalen Lasten (Sprengdruck auf TAS) mussten die Fundamente mit vorgespannten GEWI-Stäben rückverankert werden. Die hierfür notwendigen Arbeiten bedürfen eines nicht unerheblichen Zeitaufwands und führen zu Beeinträchtigungen des Bauablaufs. Alternative Konzeptionen zur Aufnahme dieser Horizontalbeanspruchung sollten daher bereits im Vorfeld detailliert untersucht und abgestimmt werden. Bild 7 : Sprengvortrieb Bild 8: Vortrieb mittels Bohrhammer 5. Vortriebsklassen Die Aufweitung des Tunnels erfolgte mit einer Sicherung nach den Prinzipien der Spritzbetonbauweise. Für den Petersberg Tunnel wurden in der Planung insgesamt 6 Vortriebsklassen entworfen. Der Einbau der Sicherungsmittel wurde immer vom TAS aus durchgeführt. Dies bedeutete, dass vom TAS im gesamten Vortriebsbereich der Einbau von Spritzbeton, das Bohren von Ankern und Spießen sowie der Einbau von Matten und Ausbaubögen sichergestellt werden musste. Bild 4 zeigt die Ausstattung des TAS mit den entsprechenden Gerätschaften. Dabei variierte die Abschlagslänge zwischen 1,75 m (VKL 4A1) und 1,00 m (VKL 6A4). Die Dicke der Spritzbetonschale wurde in Abhängigkeit der einwirkenden Gebirgsbelastungen mit 20 bis 30 cm ausgeführt. Die Bewehrung der Spritzbetonschale wurde immer berg- und luftseitig eingebaut. Als Bewehrung wurden Matten Q188 und Q257 verwendet. Beim Vortrieb wurden stellenweise als vorauseilende Sicherung Spieße eingebaut. Diese weisen eine Länge von 3 bis 5 m, einen Durchmesser von 32 mm auf und wurden mit einem Abstand zueinander von ≤ 25 cm gesetzt. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 93 Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019) Die Ortsbrust wurde zur Sicherung stellenweise mit einer Spritzbetonschicht von 3 bis 5 cm versiegelt. In ausgeprägten Störzonen wurden auch Ortsbrustanker eingebaut. Die Ankerung der Spritzbetonschale erfolgte durch SN-Anker oder Injektionsbohranker (Ankerlänge 4 bis 5 m, Tragkraft ≥ 245 kN, Ankerraster: 1 Anker auf 2 bzw. 3 m²). Im Falle von Nachankerungen zur Verminderung von Verformungszuwächsen waren Injektionsbohranker mit bis zu 10 m Länge vorgesehen. Die Ausbaubögen wurden als 3-Gurt Gitterträger konzipiert. Das Konzept der Vortriebsarbeiten sah zunächst einen Vorlauf des Gewölbes (Höhe Ausbruch bis ca. 8,56 m) vor. Mit einem ausreichenden Abstand (> 10 m) wurde anschließend das Widerlager (Höhe Ausbruch ca. 1,00 m) nachgeholt. Die Abschlagslänge der Widerlager betrug das Doppelte der Abschlagslänge im Gewölbe. Nachdem erste Erfahrungswerte mit dieser Art des Vortriebs gesammelt worden sind, wurde das Verfahren dahingehend optimiert, dass das Gewölbe zusammen mit dem Widerlager gleichzeitig und ohne räumlichen Versatz ausgebrochen wurde. Hierbei wurden dann, zur Erzielung einer sofortigen Lastabtragung der Gebirgslasten, die Ausbaubögen bis zur Widerlagersohle verlängert (Bild 9 und 10). Die Vortriebsarbeiten wurden messtechnisch überwacht. Im unmittelbaren Ortsbrustbereich erfolgte eine tägliche Messung an bis zu 5 Messpunkten pro Messquerschnitt. Bedingt durch die geringe Vortriebsgeschwindigkeit wurde ab 30 m hinter der Ortsbrust das Messintervall vergrößert. Die maximalen Abstände der Messquerschnitte an den Portalbereichen wurden auf jeweils 5 m begrenzt, im Tunnel lag dieser Abstand bei ≤ 10 m. Bild 9: Vortriebsklasse 4A1 (gleichzeitiger Ausbruch Gewölbe und Widerlager) Die Außenschale wurde nach der Methode der Finiten Elemente berechnet und dimensioniert. Die hierbei ermittelten Verformungen der Spritzbetonschale wurden als zulässige Verschiebungswerte für die einzelnen Ausbruchklassen vorgegeben. Dabei wurde auch ein Warnwert (2/ 3 vom zulässigen Wert) definiert. Im Falle des Erreichens dieses Warnwertes war vereinbart, dass alle Beteiligten automatisch alarmiert werden, um eine gemeinsame Evaluierung der Situation vorzunehmen und die weitere Vorgehensweise abzustimmen. Es ist festzustellen, dass die in der FEM-Berechnung ermittelten Verformungen der Spritzbetonschale beim Vortrieb nie erreicht wurden. Hier ist anzumerken, dass für die Berechnung ein Vorentspannungsfaktor der Ortsbrust, d.h. eine Reduktion des E-Moduls, angesetzt wurde. Der Wert dieser Vorentspannung wurde mit 0,6 angesetzt. Hauptsächlich sind für die Reduzierung zwei wesentliche Gründe zu nennen. Zum einen wurde der Tunnel bis 1879 gebaut. Als Tragkonstruktion diente damals eine massive Mauerwerksschale mit einer Hinterpackung im First- und Ulmenbereich. Es ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass bei der Herstellung des Tunnels schon eine Umlagerung des Gebirges in Verbindung mit der Bildung einer Schutzzone um den Tunnelquerschnitt eingesetzt hat. Die Aufweitung des Tunnels um bis zu 3 m hat wahrscheinlich diesen im Gebirge eingeprägten Spannungszustand nicht erheblich verändert. Zum anderen sind die geotechnischen Kennwerte für das Gebirge, auf der sicheren Seite liegend, wahrscheinlich so konservativ angesetzt worden, dass auch die ermittelten Verformungen entsprechend beeinflusst wurden. 94 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Anwendung der Tunnel-im-Tunnel-Methode auf elektrifizierten Strecken der Deutschen Bahn (Stand: 30.10.2019) Bild 10: Vortriebsklasse 6A4 (Versetzter Ausbruch Gewölbe und Widerlager) 6. Tunnelinnenschale Nach Abschluss der Vortriebsarbeiten erfolgte vom Nordportal aus die Herstellung der Tunnelwiderlager aus Stahlbeton. Anschließend erfolgte die Betonage der Tunnelinnenschale ebenfalls aus Stahlbeton. Die Innenschale weist eine Dicke von 40 cm auf und wurde aus wasserundurchlässigem Beton hergestellt. Die Blockfuge besteht aus innenliegenden Fugenbändern FMS 350 mit Mittelschlauch und Stahllaschen. Die Blocklänge liegt jeweils bei ≤ 10 m. Zwischen Innenschale und der Außenschale aus Spritzbeton wurde eine Gleitschicht eingebaut. Der Tunnel ist mit einer seitlichen Ulmendränage und einer Längsentwässerung unterhalb der Sohle hergestellt worden. Nach Fertigstellung der Tunnelinnenschale erfolgte die Ausrüstung des Tunnels. Dazu musste die Strecke für vier Wochen vollständig gesperrt werden, um die Schutzeinhausung inkl. Oberleitung zu entfernen, die Hilfsfundamente zurückzubauen, das mittige Betriebsgleis zu entfernen und danach die Oberleitung und die Gleise inkl. Schotter für den zweigleisigen Bahnbetrieb wieder einzubauen. Literaturverzeichnis [1] STUVA-Arbeitskreis „Tunnelsanierung“: Sachstandsbericht 2011, Bauverlag BV GmbH, 2011. [2] West, T.: Erneuerung elektrifizierter Bahntunnel „über“ Eisenbahnbetrieb, EI-Eisenbahningenieur, November 2015
