eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 12/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
121

Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb

0101
2020
Jochen Fillibeck
Johannes Jessen
Bei der Planung von Tunnelbaumaßnahmen unter bestehender Bebauung stellt sich die Frage, welche Verformungen oberhalb des Tunnels auftreten und ob diese Verformungen bauwerksschädlich sind. Insbesondere bei innerstädtischen Schildvortrieben gestaltet sich die Setzungsprognose als eine anspruchsvolle Aufgabe, da neben geologischen Randbedingungen zusätzlich auch maschinell bedingte Einflussparameter (Stützdruck, Konizität, Schildschwanzverpressdruck,…) berücksichtigt werden müssen. Die Prognose von Setzungen bzw. Sackungen oberhalb eines Schildvortriebs kann durch die Auswertung von Erfahrungen und Messungen aus vorangegangenen Tunnelbauprojekten - der empirischen Prognose - oder aber durch numerische Setzungsberechnungen erfolgen. In dieser Veröffentlichung werden empirische und numerische Berechnungsverfahren zur Abschätzung der Setzungen bei Schildvortrieben dargestellt sowie deren Möglichkeiten und Grenzen erläutert. Anhand eines Praxisbeispiels - Tunnel Starnberg - wird die Anwendung der möglichen Verfahren zur Setzungsprognose veranschaulicht.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 131 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Fillibeck Zentrum Geotechnik, Technische Universität München, Deutschland M.Sc. Johannes Jessen Zentrum Geotechnik, Technische Universität München, Deutschland Zusammenfassung Bei der Planung von Tunnelbaumaßnahmen unter bestehender Bebauung stellt sich die Frage, welche Verformungen oberhalb des Tunnels auftreten und ob diese Verformungen bauwerksschädlich sind. Insbesondere bei innerstädtischen Schildvortrieben gestaltet sich die Setzungsprognose als eine anspruchsvolle Aufgabe, da neben geologischen Randbedingungen zusätzlich auch maschinell bedingte Einflussparameter (Stützdruck, Konizität, Schildschwanzverpressdruck,…) berücksichtigt werden müssen. Die Prognose von Setzungen bzw. Sackungen oberhalb eines Schildvortriebs kann durch die Auswertung von Erfahrungen und Messungen aus vorangegangenen Tunnelbauprojekten der empirischen Prognose - oder aber durch numerische Setzungsberechnungen erfolgen. In dieser Veröffentlichung werden empirische und numerische Berechnungsverfahren zur Abschätzung der Setzungen bei Schildvortrieben dargestellt sowie deren Möglichkeiten und Grenzen erläutert. Anhand eines Praxisbeispiels - Tunnel Starnberg wird die Anwendung der möglichen Verfahren zur Setzungsprognose veranschaulicht. 1. Einführung Beim oberflächennahen Tunnelbau im Lockergestein treten Verformungen infolge des Tunnelvortriebs auf, welche zu Rissen, Schiefstellungen und Undichtigkeiten an nahegelegenen Bauwerken führen können. Eine realistische Vorhersage von tunnelbauinduzierten Setzungen ist heutzutage ganz wesentlich um die Akzeptanz der Baumaßnahme in der Bevölkerung zu sichern. Neben numerischen Berechnungen eignen sich zur Setzungsprognose insbesondere empirische Verfahren, deren Eingangsgrößen sich aus früheren Erfahrungen ableiten lassen. 2. Vortriebsbedingte Einflussgrößen auf Setzungen Neben geologischen Randbedingungen haben beim Schildvortrieb zusätzlich maschinell bedingte Größen einen Einfluss auf die auftretenden Verformungen. Dazu zählen insbesondere: - der Stützdruck an der Ortsbrust - die Schildschwanzverpressung (Material, Erhärtungszeit, Injektionsdruck, …) - die Größe des Ringspalts, welcher sich aus den nachfolgenden Größen zusammensetzt (siehe Abb. 1): - Überschnitt des Schneidrads - Konizität des Schildmantels - Dicke des Schildmantels - Schildschwanzdichtung Abb. 1: Ringspalt beim Schildvortrieb In der aktuellen Literatur zur Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb sind unterschiedliche Abhängigkeiten zwischen vortriebsbedingten Kenngrößen und resultierenden Setzungen beim Schildvortrieb untersucht worden (siehe z.B. [1-3]). Anhand von künstlichen neuronalen Netzen (siehe Abb. 2) wurde versucht, den Einfluss einzelner Parameter genauer zu beschreiben. 132 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung Abb. 2: Struktur eines künstlichen neuronalen Netzes mit Einflussparametern zur Setzungsprognose [3] Beispielsweise wurde in [2] ein Zusammenhang zwischen Volume loss und Stützdruck hergestellt (siehe Abb. 3). Dabei zeigte sich, dass sich der Volume loss mit zunehmendem Stützdruck tendenziell verringert. Abb. 3: Volume Loss in Abhängigkeit vom Stützdruck nach [2] Anhand derartiger Untersuchungen konnten allerdings nur allgemeine Tendenzen abgeleitet, nicht aber genauer quantifizierbare Rückschlüsse für die Setzungsprognose gezogen werden. Dafür sind die jeweiligen projektspezifischen Randbedingungen zu unterschiedlich und die Anzahl an streuenden Einflussfaktoren zu groß. Als Fazit der vielfältigen Untersuchungen zu den verschiedenen möglichen Einflussgrößen kann man zusammenfassen, dass es eine große Anzahl möglicher Einflussgrößen gibt, die sich aber gegenseitig beeinflussen, so dass es insgesamt nicht möglich ist deren Einfluss genau zu quantifizieren. Daher ist es auch nicht möglich, die auftretende Setzungsmulde konkret zu prognostizieren, sondern man kann nur Bandbreiten möglicher Setzungsmulden ggf. in Verbindung mit Auftretenswahrscheinlichkeiten angegeben. 3. Vorgehen zur Prognose von Setzungen und des damit verbundenen Schadenspotentials Zur Setzungsprognose können sowohl numerische Berechnungen wie auch empirische Verfahren, deren Eingangsgrößen sich aus früheren Erfahrungen ableiten, herangezogen werden. Zur Beurteilung des Schadenspotentials von Gebäuden infolge von Baugrundverformungen wird von Burland [4] eine dreistufige Vorgehensweise empfohlen (siehe Abb. 4). Abb. 4: Beurteilung des Schadenspotentials von Setzungen nach Burland [4] Zunächst werden nur die Tangentenneigungen 1/ n und maximalen Setzungen s max der Gesamtsetzungsmulde betrachtet. Die Einflüsse aus dem Bauwerk bleiben unberücksichtigt („greenfield“-settlements). Werden die Grenzwerte unterschritten, sind keine weiteren Untersuchungen notwendig. Werden die Grenzwerte überschritten, muss im 2. Schritt zusätzlich die max. horizontale Dehnung eh,max und die Krümmung DR im Bauwerksbereich ebenfalls unter „greenfield conditions“ bestimmt werden. Dies sind die Eingangsgrößen zur Bestimmung der Schadenskategorie nach Burland [4]. Wenn unter Berücksichtigung dieser Parameter eine Schadenskategorie größer als 2 ermittelt wird, sind detailliertere Untersuchungen (3D-FE-Berechnungen) notwendig, bei denen auch das Bauwerk modelliert und dessen Steifigkeit berücksichtigt wird (Schritt 3). Die Berücksichtigung der Bauwerkssteifigkeit führt im Vergleich zu Schritt 2 meist zu geringeren Dehnungen und damit zu einem geringeren Schadenspotential. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 133 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung 4. Empirische Setzungsprognose nach Fillibeck Empirische Verfahren verwenden in der Regel die Gauß-Funktion zur Beschreibung der durch den Tunnelbau an der Oberfläche entstehenden Setzungsmulde. Deren Eingangsgrößen sind der Wendepunktabstand i und das Volumen der Setzungsmulde je m Vortrieb dividiert durch den Ausbruchsquerschnitt, der so genannte Volume loss VL s . Nachfolgend wird das empirische Verfahren nach Fillibeck vorgestellt, mit dem i und VL s für Spritzbeton- und Schildvortriebe bestimmt werden kann. Es wurde aus einer großen Anzahl sorgfältig ausgewählter und überprüfter Messquerschnitte abgeleitet. Aufgrund der großen Anzahl vergleichbarer Messquerschnitte war es möglich, der Größe der Setzungsmulde eine Auftretenswahrscheinlichkeit zuzuordnen. Es lassen sich damit Aussagen über die Überschreitungswahrscheinlichkeit der Tangentenneigung bzw. der maximalen Setzung der prognostizierten Setzungsmulde treffen. Die dargestellten Auswertungen sind das Ergebnis von Forschungen, welche im Rahmen einer Habilitation am Zentrum Geotechnik der TU München zusammengestellt wurden [5]. Dort sind die Auswertungen auch im Detail beschrieben und erläutert sowie die Vorgehensweisen dargestellt und begründet. 4.1 Mathematische Beschreibung der Quersetzungsmulde Betrachtet wird die Setzungsmulde senkrecht zum Vortrieb. Wie Vergleiche gezeigt haben, kann die Setzungsmulde geeignet durch die Normalverteilungsfunktion nach Gauß beschrieben werden [6, 7]. Die Setzung s(x) an der Stelle x wie auch das Volumen der Setzungsmulde V s an der Geländeoberfläche je m Vortrieb sind durch zwei Parameter, die maximale Setzung smax sowie den Abstand des Wendepunkts der Gaußfunktion von der Tunnelachse i bestimmt (Gl. 1 und Abb. 5). (1) Der Wendepunktabstand i entspricht nach Gauß der Standardabweichung. Abb. 5: Definitionen zur Beschreibung der Setzungsmulde [5] Die Querschnittsfläche der Setzungsmulde V s kann als Volumen je m Vortrieb verstanden werden und wird gemäß Abb. 5 bestimmt. Definiert man den Volumenverlust VL s als das Verhältnis zwischen der Querschnittsfläche der Setzungsmulde V s und der des Tunnels At, so kann die Unbekannte s max alternativ auch durch VL s ausgedrückt werden (Gl. 2). VL s wird nachfolgend, wie in der Literatur üblich, als Volume loss bezeichnet und an Stelle von s max neben i als zweiter Parameter zur Beschreibung der Setzungsmulde verwendet. (2) 4.2 Ermittlung von Volume Loss und Wendepunktabstand beim Schildvortrieb In den nachfolgenden Betrachtungen wurden ausschließlich Schildvortriebe mit druckhafter Ortsbruststützung (Hydro-, Erddruck- und Druckluftschildvortriebe) berücksichtigt, da diese in setzungsrelevanten Bereichen im Lockergestein maßgeblich sind. Für die Untersuchungen zum Volume loss beim Schildvortrieb konnten über 100 Messquerschnitte von Baumaßnahmen, die zwischen 1995 und 2011 ausgeführt wurden, ausgewertet werden. Vortriebe vor 1995 wurden nicht berücksichtigt, da sich seitdem die Maschinentechnik wesentlich verbessert hat und sich damit auch geringere Setzungen einstellten (siehe Abschnitt 5). Die nachfolgenden Ergebnisse gelten im Lockergestein, jedoch nicht in Böden mit geringerer als weicher Konsistenz und nicht in sehr locker gelagerten oder strukturempfindlichen Böden. Diese Abgrenzung ist erforderlich, da beispielsweise die dynamische Beanspruchung durch die Vortriebsmaschine zu relevanten zusätzlichen Setzungen führen kann. Dies kann mit dem hier beschriebenen Verfahren nicht erfasst werden. Nach den Auswertungen ist beim Hydroschildvortrieb der Volume loss tendenziell am kleinsten, allerdings ist der Unterschied nur gering. Auch zeigten sich keine eindeutigen Unterschiede bei verschiedenen Untergrundverhältnissen und Stützdrücken. Es wurden daher nachfolgend alle Vortriebe unabhängig von den geologischen Gegebenheiten und der Art der Ortsbruststützung zusammen betrachtet. In Abb. 6 ist der ermittelte Volume loss in Abhängigkeit von A t/ z0 dargestellt. Wie die Regressionsfunktion (Potenzansatz) zeigt, nimmt der Volume loss mit dem Verhältnis A t/ z0 ab. Um den Volume loss wieder in Abhängigkeit vom Vertrauensbereich angeben zu können, wurde der untersuchte Bereich in 3 Abschnitte unterteilt, für jeden Abschnitt das Konfidenzintervall ermittelt und dann mit einer Ausgleichsfunktion (Potenzansatz) für den Gesamtbereich angenähert. In Abb. 6 sind die Gleichungen zu Ermittlung des Volume loss für einen Vertrauensbereich von 50% und 99% wiedergegeben. 134 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung Abb. 6: Volume loss beim Schildvortrieb [5] Für die Praxis ist es ganz wesentlich, dass bei den hier untersuchten Querschnitten der Volume loss immer deutlich unter dem Wert VL s = 2,0 % lag. Dieser Wert wird in der Literatur häufig immer noch für Schildvortriebe angegeben. Die gemessenen, geringeren VL s -Werte werden mit Weiterentwicklungen in setzungsrelevanten Bereichen, wie z.B. der Ringspaltverpressung und der Stützdruckeinstellung, begründet. Daher entstehen bei neueren Vortrieben kleinere Setzungen und so kann hierfür ein kleinerer maximaler Volume loss-Wert angegeben werden. Aufgrund der vorhandenen Schwankungen wird jedoch vorgeschlagen, bei der Prognose von Setzungen keinen Volume loss kleiner 0,35 % zu berücksichtigen, wie er sich bei sehr großen A t/ z0 -Werten ergeben würde. Unter Berücksichtigung von Literaturangaben (z.B. [8, 9]) die wiederum auf verschiedenen Vortriebsauswertungen basieren, werden zur Ermittlung von Setzungsmulden folgende Bandbreiten möglicher Wendepunktabstände vorgeschlagen. Baugrund i [m] nichtbindig locker bis mitteldicht 0,25 bis 0,5 · z 0 mitteldicht bis dicht 0,4 bis 0,6 · z 0 bindig weich bis steif 0,3 bis 0,6 · z 0 steif bis halbfest/ fest 0,5 bis 0,9 · z 0 Tab. 1: Ermittlung des Wendepunktabstands i [5] Da die Ergebnisse der Literaturangaben streuen, sind für Bandbreiten der Lagerungsdichte / Konsistenz auch Bandbreiten der Wendepunktabstände angegeben. Dabei kann der geringeren Konsistenz / Lagerungsdichte ein geringer Wendepunktabstand und der höheren Konsistenz / Lagerungsdichte ein höherer Wendepunktabstand zugeordnet werden. Bei der Wahl eines geeigneten Wendepunktabstands i muss berücksichtigt werden, dass mit abnehmendem i die maximalen Tangentenneigungen, Dehnungen und Krümmungen größer werden, weshalb bei Gebäuden direkt über dem Tunnel das Schadenspotenzial steigt. Allerdings steigt das Schadenspotenzial auch mit dem Volume loss. Um nicht ein unrealistisch hohes Schadenspotenzial zu errechnen, werden 2 Grenzbetrachtungen vorgeschlagen: Fall 1 berücksichtigt einen Volume loss mit hohem Vertrauensbereich (VL s,99% ) bei einem mittleren Wendepunktabstand i und Fall 2 einen Volume loss mit mittlerem Vertrauensbereich (VL s,50% ) bei kleinem i (geringe Konsistenz bzw. Lagerungsdichte). 5. Volume Loss Werte bei aktuellen Schildvortrieben Im Rahmen einer Masterarbeit [10] am Zentrum Geotechnik der TU München erfolgte eine Literaturauswertung mit dem Ziel, weitere bei Schildvortrieben gemessene VL s -Werte für die Prognose des Volume loss-Werts berücksichtigen zu können und damit gegebenenfalls den Aussagewert zu verbessern. Zur Überprüfung der in [5] angegebenen Volume Loss-Werte bei Schildvortrieben, wurde eine Literaturrecherche durchgeführt. Es konnten 85 maschinell aufgefahrene Messquerschnitte MQS (siehe Tab. 2 berücksichtigt werden, die in der Literatur gut dokumentiert und ausgewertet wurden. Vorab wurden die Messquerschnitte einer Plausibilitätskontrolle unterzogen und es wurden nur Messquerschnitte herangezogen, die nicht durch Besonderheiten oder Unplanmäßigkeiten (z.B. Störungen beim Vortrieb) beeinflusst waren. Einschränkend sei hier erwähnt, dass selbst in sehr gut dokumentierten Veröffentlichungen nicht jedes Detail beim Vortrieb bzw. der Geologie beschrieben werden kann. Unbekannte Einflussgrößen führen z.B. dazu, dass es unter vermeintlich gleichen Vortriebsrandbedingungen eines Vortriebs zu größeren Schwankungen beim VL s kommt. Aber auch die Wahl von Einflussgrößen, wie z.B. der Stützdruck oder der Schildschwanzverpressdruck erfolgt je nach Vortrieb unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten, was im Vergleich zu entsprechenden Schwankungen beim VL s -Wert führen muss. Dem wird bei der empirischen Ermittlung des VL s -Werts auf der sicheren Seite liegend dadurch Rechnung getragen, dass keine Mittelwerte, sondern hohe Unterschreitungswahrscheinlichkeiten bei der Prognose der Setzungsmulden berücksichtigt werden. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 135 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung Projekt Schildart Anzahl MQS Hong-Kong, U-Bahn [11] Hydro 14 Singapur, Thomson East Cost Line, Baulos T208 [12] Hydro 5 Athen, Elliniko Erweiterung [3] Erddruck 6 Thessaloniki, U-Bahn-Linie 1 [3] Erddruck 4 Mailand, U-Bahn-Linie 5 [13] Erddruck 34 Hsichu (Taiwan), Chu-Kung 161 kV unterirdische Stromtrasse [14] Erddruck 4 Chengdu (China), Phase 1 der U-Bahn-Linie 1 [15] Erddruck 1 Xi´an (China), U-Bahn-Linie 2 [16] Erddruck 5 Izmir (Türkei), Phase 1 des Schienenverkehr Masterplans [1] Erddruck 11 Warschau, U-Bahn-Linie 2 [17] Erddruck 1 Tab. 2: Aktuelle Messquerschnitte zur Validierung der VLs-Werte nach [10] In Abb. 7 und Abb. 8 sind die VL s -Werte der Messquerschnitte aus Tab. 2 im Vergleich zu denen aus Fillibeck [5] getrennt nach Erddruck- und Hydroschildvortrieb dargestellt. Abb. 7: VL s -Werte Erddruckschild Abb. 8: VL s -Werte Hydroschild Vergleicht man die Ergebnisse der Erddruckschildvortriebe mit denen aus [5], so zeigt sich, dass zumindest bei A t/ z0 -Werten < 3,5 bei den neueren Vortrieben tendenziell höhere VL s -Werte ermittelt wurden und weiterhin die Streuungen sehr groß sind. Ein Grund hierfür könnte sein, dass kleine A t/ z0 -Werte mit einer großen Überdeckung einhergehen, wodurch der Einfluss der Messungenauigkeit auf das Ergebnis zunimmt, da die maximalen Setzungen abnehmen während die Breite der Setzungsmulde zunimmt. Beim Hydroschildvortrieb passen die neueren Messwerte sehr gut zu den Angaben nach [5]. Insgesamt wird die bereits früher getroffene Annahme bestätigt, dass beim Erddruckschildvortrieb tendenziell leicht größere VL s -Werte entstehen als beim Hydroschildvortrieb. Der Verfasser sieht vor, dass die in [5] getroffenen Angaben demnächst konkretisiert und unter der Angabe von Unterschreitungswahrscheinlichkeiten veröffentlicht werden. 6. Anwendungsbeispiel - Tunnel Starnberg Nachfolgend wird das Vorgehen zur Setzungsprognose am Beispiel des Tunnel Starnberg veranschaulicht. Zur Verkehrsentlastung der Stadt Starnberg soll die örtliche Bundesstraße B2 über eine Länge von ca. 1,8 km in den Untergrund verlegt werden. Für die Herstellung des bergmännischen Tunnelabschnitts ist ein Schildvortrieb (Ø » 12,5 m) vorgesehen, wobei mehrere Bestandsgebäude mit unterschiedlicher Überdeckung unterfahren werden (siehe Abb. 9). Um den Bedarf möglicher Kompensationsmaßnahmen zur Schadensvermeidung infolge von Baugrundverformungen abschätzen zu können, wurden vorab die Setzungen prognostiziert. 136 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung Moräne, Kies mit geringmächtigen Sand-/ Tonzwischenschichten Fluviatil abgelagerte Sande mit Tonzwischenschichten Moräne, Ton mit geringmächtigen Sand-/ Kieszwischenschichten Seeton mit Sandzwischenschichten Fluviatil abgelagerte Kiese und Sande mit feinkörnigen Zwischenschichten Konglomerat (Nagelfluh) Tertiäre Sande und Sandsteine Tertiäre Tone/ Schluffe und Ton-/ Schluffsteine Auffüllung Abb. 9: Geologischer Längsschnitt Tunnel Starnberg Im ersten Schritt wurden alle Gebäude im Einflussbereich des Tunnels unter Berücksichtigung des Lageplans und des geologischen Längsschnitts selektiert. Im zweiten Schritt wurden die Setzungen für diese Gebäude anhand des empirischen Verfahrens nach Fillibeck [5] prognostiziert. Als Eingangsgrößen wurden sowohl geometrische als auch geologische Randbedingungen, nicht aber maschinelle oder gebäudespezifische Einflussgrößen, berücksichtigt. Anhand der ermittelten Tangentenneigungen unterhalb der Gebäude, konnten potentiell gefährdete Gebäude eingegrenzt werden. Gemäß Burland (siehe Abb. 4) wurde davon ausgegangen, dass ab einer Tangentenneigung < 1/ 500 detaillierte FE-Berechnungen erforderlich werden. Dies war für lediglich ein Gebäude (siehe Abb. 10) der Fall, so dass hierfür eine ergänzende 3D-FE-Berechnung mit detaillierter Modellierung des Vortriebs unter Berücksichtigung der Gebäudesteifigkeit ausgeführt wurde. Abb. 10: Lageplan des modellierten Gebäudes Die 3D-FE-Berechnungen erfolgten mit dem Programm Plaxis 3D. Dabei ist es möglich, folgende Maschinenparameter zu berücksichtigen (siehe auch Abb. 11): - Ortsbruststützung - Konizität des Schildes - Pressenkraft beim Vorschub der Schildvortriebsmaschine - Ringspaltverpressung 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 137 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung Abb. 11: Modellierung des Schildvortriebs Die Berechnungen erfolgten unter Variation der verschiedenen Eingangsgrößen in relevanten Grenzen, um eine Bandbreite möglicher Setzungen zu erhalten. Das Gebäude wurde mittels Balken- und Plattenelementen simuliert. Vereinfachend wurden nur die Wände sowie die Streifenfundamente und die Bodenplatte des Untergeschosses modelliert (siehe Abb. 12). Abb. 12: Modellierung eines Gebäudes in Plaxis 3D mit Hilfe von Balken- und Plattenelementen In Abb. 13 sind beispielhaft die ermittelten Setzungen unmittelbar unterhalb des Gebäudes dargestellt. Abb. 13: Verformungen unterhalb der Streifenfundamente nach der Schilddurchfahrt unter dem Gebäude Es ist gut zu erkennen, dass die Setzungen unter dem Gebäude ganz überwiegend geringer sind als diejenigen neben dem Gebäude, was insbesondere an der Steifigkeit des Streifenfundaments und der Wandsteifigkeit liegt. Abseits des Gebäudes passt die Setzungsmulde größenordnungsmäßig gut mit der empirischen Setzungsberechnung überein (greenfield-conditions). Die weitere Beurteilung des Schadenspotentials erfolgte anhand der Auswertung von Setzungsdifferenzen zwischen relevanten Stützen. Insgesamt waren diese Werte so gering, dass davon ausgegangen werden kann, dass das Gebäude selbst unter Berücksichtigung ungünstiger Randbedingungen ohne relevante Schäden unterfahren werden kann. Literatur [1] A. Unlutepe, V. Tellioglu und B. Arioglu, „Predicted and observed ground deformations due to TBM tunnel excavations on the Izmir Metro Project (Stage 1)“. Ungarn, 2009. [2] V. Fargnoli, D. Boldini und A. Amorosi, „TBM tunnelling-induced settlements in coarse-grained soils: The case of the new Milan underground line 5“, Tunnelling and Underground Space Technology, Jg. 38, S. 336-347, 2013. [3] S. P. Koukoutas und A. I. Sofianos, „Settlements Due to Single and Twin Tube Urban EPB Shield Tunnelling“, Geotech Geol Eng, Jg. 33, Nr. 3, S. 487-510, 2015. [4] J. B. Burland, „Assessment of risk of damage to buildings due to tunnelling and excavation“ in 1st Int. Conf. on Earthquake Geote. Engineering, Tokyo, 1995. [5] J. Fillibeck, „Oberflächensetzungen beim Tunnelvortrieb im Lockergestein - Prognose, Messung und Beeinflussung“. Habilitationsschrift, Technische Universität München, 2012. [6] R. B. Peck, „Deep excavations and tunneling in soft ground“ in Proc. 7th International Conference Soil Mechanics and Foundation Engineering, S. 225-290. [7] B. Schmidt, „Settlements and ground movements associated with tunneling in soils“. Dissertation, University of Illinois, Urbana, 1969. 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Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Möglichkeiten der Prognose von Setzungen beim Schildvortrieb - Stand der Technik und praktische Anwendung fügbar unter: http: / / www.ats.org.au/ wp-content/ uploads/ 2017/ 11/ The-Challenges-of-Tunnellingwith-Slurry-Shield-Machines-in-Mixed-Ground_ Russell-Connors.pdf. [13] V. Fargnoli, D. Boldini und A. Amorosi, „Twin tunnel excavation in coarse grained soils: Observations and numerical back-predictions under free field conditions and in presence of a surface structure“, Tunnelling and Underground Space Technology, Jg. 49, S. 454-469, 2015. [14] Y.-S. Fang, C.-M. Lin und C. Liu, „Ground settlement due to shield tunneling through gravelly soils in Hsinchu“, JGS Special Publication, Jg. 2, Nr. 42, S. 1501-1506, 2016. [15] C. He, K. Feng, Y. Fang und Y.-c. Jiang, „Surface settlement caused by twin-parallel shield tunnelling in sandy cobble strata“, J. Zhejiang Univ. Sci. A, Jg. 13, Nr. 11, S. 858-869, 2012. [16] C. Zhu und N. 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