Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
121
Bau eines Hochwasserschutzdamms auf gering tragfähigem Untergrund
0101
2020
Olaf Düser
In einem Teilprojekt des Hochwasserschutzprogramms Mindeltal wurde der Hochwasserschutz einer Ortslage durch einen Dammkörper realisiert. Die ursprünglich geplante Trassenlage des Damms lag in Bereichen mit gut tragfähigem Baugrund. Im Zuge von Umplanungen musste eine neue Trassenlage gefunden werden, die nun allerdings durch einen Bauabschnitt mit sehr geringer Untergrundtragfähigkeit führt. Aufgrund eines sehr beengten Baukorridors und ungünstiger Grundwasserverhältnisse kam ein Bodenersatz des gering tragfähigen Untergrunds nicht in Frage. Nach Diskussion diverser Bauvarianten wurde festgelegt, den Dammkörper schwimmend zu gründen. Für den Baustellenbetrieb und die Dammstandsicherheit wurde die Dammaufstandsebene mit hydraulisch wirkendem Bindemittel stabilisiert, und es wurden Geogitter zur Bewehrung eingebaut. Bei dieser Baumethode war mit großen Dammsetzungen zu rechnen. Zur Gewährleistung des Freibords wurde deshalb in den Damm eine Spundwand integriert, die bis in den tragfähigen Untergrund reicht. Die Hochwasserschutzeinrichtung ist inzwischen planmäßig realisiert.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 181 Bau eines Hochwasserschutzdamms auf gering tragfähigem Untergrund Olaf Düser Dr. Ebel & Co. Ingenieurgesellschaft für Geotechnik und Wasserwirtschaft mbH St.-Ulrich-Straße 21 88410 Bad Wurzach - Arnach Zusammenfassung In einem Teilprojekt des Hochwasserschutzprogramms Mindeltal wurde der Hochwasserschutz einer Ortslage durch einen Dammkörper realisiert. Die ursprünglich geplante Trassenlage des Damms lag in Bereichen mit gut tragfähigem Baugrund. Im Zuge von Umplanungen musste eine neue Trassenlage gefunden werden, die nun allerdings durch einen Bauabschnitt mit sehr geringer Untergrundtragfähigkeit führt. Aufgrund eines sehr beengten Baukorridors und ungünstiger Grundwasserverhältnisse kam ein Bodenersatz des gering tragfähigen Untergrunds nicht in Frage. Nach Diskussion diverser Bauvarianten wurde festgelegt, den Dammkörper schwimmend zu gründen. Für den Baustellenbetrieb und die Dammstandsicherheit wurde die Dammaufstandsebene mit hydraulisch wirkendem Bindemittel stabilisiert, und es wurden Geogitter zur Bewehrung eingebaut. Bei dieser Baumethode war mit großen Dammsetzungen zu rechnen. Zur Gewährleistung des Freibords wurde deshalb in den Damm eine Spundwand integriert, die bis in den tragfähigen Untergrund reicht. Die Hochwasserschutzeinrichtung ist inzwischen planmäßig realisiert. 1. Einleitung Geplant war zunächst die Ausführung eines 2÷3 m hohen Dammkörpers mit Böschungsneigungen um 1: 2,5 und einer Kronenbreite von 3 m. Der Freibord liegt bei einem Meter. Der Damm wird nur bei Hochwasserereignissen angestaut. Das Gelände wasser- und luftseitig wird landwirtschaftlich genutzt. Die planmäßige Dammkonstruktion mit binnenseitigem Begleitweg ist Abbildung 1 zu entnehmen. Baugrunderkundungen im Bereich der ursprünglich vorgesehenen Dammtrasse zeigten ausreichend tragfähigen Untergrund für die geplante Konstruktion. Die Standsicherheit konnte für die angetroffenen Baugrundverhältnisse nachgewiesen werden. Abbildung 1: Geplante Dammkonstruktion mit binnenseitigem Begleitweg. Im Zuge der weiteren Planungen wurde die Dammtrasse in einem Teilbereich verlegt. In Abbildung 2 sind der ursprüngliche Trassenverlauf A (Länge um 600 m) und der letztlich zur Ausführung gekommene Trassenverlauf B (Länge um 500 m) dargestellt. Später für den neuen Trassenabschnitt B1 ausgeführte Baugrunderkundungen zeigten u.a. mächtigere gering tragfähige Schichten im Untergrund. Erschwerend kam hinzu, dass im Bereich der gering tragfähigen Böden nur ein schmaler Baukorridor zur Verfügung stand. 182 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Bau eines Hochwasserschutzdamms auf gering tragfähigem Untergrund Abbildung 2: Ursprünglich geplante Trassenlage A und die zur Ausführung gekommene Trassenlage B für den Hochwasserschutzdamm sowie Bereich B1 mit größerer Torf-/ Anmoormächtigkeit. 2. Baugrund Im Bereich der Trasse A stehen unter Oberboden geringmächtige Aueablagerungen, teils mit stark organischen Partien, sowie bereichsweise schluffig-kiesige Auffüllungen und darunter Talkies an. Im Trassenbereich B1 stehen unter dem Oberbodenhorizont mächtigere Schichten in Form von Torf und Anmoor an. Bereichsweise erreichen diese Schichten Mächtigkeiten bis zwei Meter. Darunter folgt der Talkies. Der Grundwasserdruckspiegel im Trassenbereich B1 wurde ca. 0,8 m unter Geländeniveau erkundet. Den Hauptgrundwasserleiter stellt der stark wasserdurchlässige Talkies dar. Jahreszeitlich bedingt sind aufgrund des hydrogeologischen Regimes deutliche Potenzialschwankungen zu erwarten. Torf und Anmoor sind als äußerst kompressibel, sehr gering scherfest und gering bis sehr gering wasserdurchlässig einzustufen. Weiterhin sind in diesen Schichten auch nach Abschluss der Konsolidation infolge statischer Auflast (Belastung durch den Dammkörper etc.) durch Mineralisation andauernde Vertikalverformungen zu erwarten. 3. Randbedingungen an das Erdbauwerk Die Systembreite des in Abbildung 1 dargestellten Dammbauwerks musste unbedingt eingehalten, besser sogar noch unterschritten werden. Eine temporäre Verbreiterung des Baukorridors, z.B. während der Bauzeit, war nicht möglich. Bei Gründung des Dammbauwerks auf dem sehr gering tragfähigen und stark kompressiblem Baugrund sind Bauwerksverformungen zu begrenzen. Gemäß DIN 4084 muss in der vorliegenden Baugrundsituation ein Ausnutzungsgrad µ von unter 0,7 eingehalten werden. Der Freibord ist auch bei längerfristig auftretenden Bauwerkssetzungen gesichert einzuhalten. Der Dammkörper ist aus wasserhemmenden Erdstoffen aufzubauen, um die Sickerwassermengen zu begrenzen. Das natürliche Grundwasserregime darf durch die Baumaßnahme nicht nachteilig beeinflusst werden. Im Einstaufall wird der Grundwasserspiegel luftseitig des Dammkörpers ansteigen; der Sohldruck auf die gering tragfähigen Schichten steigt dabei auf ein Niveau an, bei dem hydraulische Geländeaufbrüche zu erwarten sind. Deshalb sind in den binnenseitigen Dammfuß Einrichtungen zur Sohldruckentspannung zu integrieren. Die Druckentspannung ist filterstabil gegenüber den umgebenden Erdstoffen aufzubauen. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 183 Bau eines Hochwasserschutzdamms auf gering tragfähigem Untergrund 4. Lösung für eine standsichere Dammausbildung Diskutiert wurde ein Bodenersatz der sehr gering tragfähigen Baugrundschichten gegen tragfähiges, gering wasserdurchlässiges Material. Eine standsichere Lösung ist beispielhaft in Abbildung 3 dargestellt. Abbildung 3: Dammkörper auf Bodenersatz. Bei dieser Lösung sind allerdings erhebliche Grundwasserhaltungsmaßnahmen mit negativer Beeinflussung der Umgebung einzukalkulieren. Weiterhin müsste der Baukorridor für den Bodenersatz über die maximal zulässige Breite hinaus vergrößert werden. Eine derartige Konstruktionsart konnte unter Berücksichtigung der Randbedingungen gemäß Kapitel 3 nicht weiterverfolgt werden. Nach Abstimmung zwischen den Fachdisziplinen Geotechnik und Wasserbau wurde unter Berücksichtigung der zuvor aufgeführten Randbedingungen eine standsichere Konstruktion entwickelt, bei der die maximale Systembreite sogar noch unter der erlaubten liegt. Die Konstruktion ist in Abbildung 4 wiedergegeben. Abbildung 4: Dammkörper auf stabilisierter Baugrundschicht mit Spundwand und Geogittern. Der Arbeitsablauf für den Dammaufbau wurde unter Berücksichtigung einer Zwischenkonsolidierungszeit (Abbau des Porenwasserüberdrucks in den organischen und bindigen Schichten) folgendermaßen ausgeführt: 1 Abschub und Lagerung Mutterboden. 2 Bereichsweiser Austausch des Torfs im Deckschichtbereich gegen schluffigen Kies/ Sand (Bodengruppe GU* gemäß DIN 18196). Auftrag und Einfräsen des Mischbindemittels. 3 Verdichtung der stabilisierten Baugrundschicht. 4 Herstellung der Sohldruckentspannung. 5 Auslegen der ersten Geogitterlage auf dem stabilisierten Erdplanum. Freihalten einer Rammtrasse im Bereich des späteren Spundwandeinbaus. 6 Einbau der ersten Lage Dammbaumaterial, Herstellung der binnenseitigen Fußdränage. Als Dammbaumaterial können sowohl schluffige Kies-Sand-Gemische (Bodengruppen GU÷GU* gemäß DIN 18196) als auch Kies-Sand-Gemische mit wenig Feinkorn (Bodengruppe GW gemäß DIN 18196) verwendet werden. Die Spundwand fungiert bei Verwendung von wasserdurchlässigen Dammbaustoffen als Innendichtung. 184 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Bau eines Hochwasserschutzdamms auf gering tragfähigem Untergrund 7 Einbau der zweiten Lage Geogitter (Rammtrasse freihalten). 8 Einbau der zweiten, dritten und ggf. vierten Lage Dammbaumaterial. 11 Einbau der Spundbohlen. Die Anordnung erfolgt mit Staffelung gemäß E41 der EAU 2012, Staffelmaß 1 m. Das Fußniveau jeder zweiten Doppelbohle liegt um einen Meter gegenüber der benachbarten Doppelbohle. 12 Weiterer Dammaufbau. Die Bindemittelart und -dosierung wurde nach Laborversuchen und Probeeinsatz in Testfeldern im Vorlauf der Baumaßnahme festgelegt. Die Geogitter wurden so dimensioniert, dass unter Berücksichtigung einer Beständigkeit von mindestens 100 Jahren bei einer maximalen Längendehnung von 2 % eine Zugkraft von mindestens 24 kN/ m aufgenommen werden kann. Das aus dem Bindemitteleinsatz resultierende basische Milieu ist bei der Dimensionierung der untersten Geogitterlage zu berücksichtigen. Als geotextiles Filter wurde ein Wasserbauvlies verbaut, das auf Filterstabilität gegenüber den Bodentypen A, B und C gemäß TLG 2018 geprüft war. Literatur DIN 4084: Baugrund- Geländebruchberechnungen, Beuth-Verlag, Berlin 01.2009 EAU 2012: Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen“, Häfen und Wasserstraßen, 11. Aufl., Verlag Ernst & Sohn, Berlin 2012 TLG 2018: Technische Lieferbedingungen für Geotextilien und geotextilverwandte Produkte an Wasserstaßen, Ausgabe 2018, BAW-Karlsruhe
