Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2020
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Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich
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Thomas Hohlfeld
Florian Köllner
Der Einsatz von geophysikalischen Verfahren bietet umfangreiche Möglichkeiten, einen entscheidenden Beitrag bei der Beantwortung komplexer geotechnischer Fragestellungen zu leisten. Über die Verknüpfung von punktuellen geotechnischen Aufschlüssen mit flächenhaften oder räumlichen geophysikalischen Verfahren, kann eine wesentlich genauere Datenbasis für die Planung der nachfolgenden Untersuchungen, wie z. B. des gezielten Ansatzes von direkten Aufschlüssen, erzeugt werden.
In diesem Beitrag wird anhand von zwei Beispielen aus der Praxis erläutert, welchen Beitrag der Einsatz geophysikalischer Verfahren im Rahmen der Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten liefern kann. Modernste geophysikalische Messtechnik sowie die kombinierte Lage- und Höhenvermessung durch DGPS und/oder Tachymetrie erlauben die Schaffung einer umfangreichen digitalen Datenbasis, auf die im Planungsprozess fragestellungsbezogen zurückgegriffen werden kann.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 279 Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich Dipl.-Geophysiker Thomas Hohlfeld & Dipl.-Geograph Florian Köllner GGL Geophysik und Geotechnik Leipzig GmbH Zusammenfassung Der Einsatz von geophysikalischen Verfahren bietet umfangreiche Möglichkeiten, einen entscheidenden Beitrag bei der Beantwortung komplexer geotechnischer Fragestellungen zu leisten. Über die Verknüpfung von punktuellen geotechnischen Aufschlüssen mit flächenhaften oder räumlichen geophysikalischen Verfahren, kann eine wesentlich genauere Datenbasis für die Planung der nachfolgenden Untersuchungen, wie z.B. des gezielten Ansatzes von direkten Aufschlüssen, erzeugt werden. In diesem Beitrag wird anhand von zwei Beispielen aus der Praxis erläutert, welchen Beitrag der Einsatz geophysikalischer Verfahren im Rahmen der Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten liefern kann. Modernste geophysikalische Messtechnik sowie die kombinierte Lage- und Höhenvermessung durch DGPS und/ oder Tachymetrie erlauben die Schaffung einer umfangreichen digitalen Datenbasis, auf die im Planungsprozess fragestellungsbezogen zurückgegriffen werden kann. 1. Geophysikalische Verfahren Die nachfolgenden Betrachtungen konzentrieren sich auf die geophysikalischen Verfahren der Geoelektrik, der Gravimetrie und des Georadars. Die gleichfalls für diese Fragestellungen nutzbaren Verfahren der Seismik und der Bohrlochgeophysik werden hier nicht näher erläutert. 1.1 Widerstandsgeoelektrik Geoelektrische Messungen erfassen die Verteilung des spezifischen elektrischen Widerstands im Untergrund. Zur Messung wird in der Regel eine Vierelektrodenanordnung verwendet. Dabei wird an zwei Elektroden ein alternierender Gleichstrom in den Boden eingespeist (Stromelektroden A und B) und an zwei anderen Elektroden die Potentialdifferenz erfasst (Messsonden M und N). Aus den gemessenen Größen Spannung und Stromstärke sowie einem aus der Messgeometrie abgeleiteten Konfigurationsfaktor lässt sich der scheinbare spezifische elektrische Widerstand berechnen. Für die Erkundung in horizontaler und vertikaler Richtung wird nach dem aktuellen Stand der Technik das Verfahren der 2D-geoelektrischen Widerstandsmessung (auch geoelektrische Tomografie oder Sondierungskartierung genannt) eingesetzt. Bei den hier beschriebenen geoelektrischen Messungen werden mehrere Kabelbäume mit Elektroden in einem bestimmten Abstand auf den Profilen ausgelegt. Danach startet ein Messzyklus mit einer Multi-Elektroden-Apparatur, bei dem vom kleinsten Abstand zwischen zwei Elektroden bis zum maximal möglichen Abstand eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufstellungsweiten an jedem Punkt des Profils vermessen werden kann. In Abbildung 1 ist das schematische Messprinzip der geoelektrischen Tomografie dargestellt. Abb. 1: Dargestellt ist eine Prinzipskizze einer 2D-geoelektrischen Messung mit der Anordnung der Elektroden nach Schlumberger. Die Elektroden sind in der Form A-M-N-B angeordnet. Die Elektroden A und B dienen zur Stromeinspeisung und die Elektroden M und N zur Spannungsmessung. 280 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich Das Verfahren erlaubt eine detaillierte Erkundung des geologischen Schichtenaufbaus des Untergrunds sowohl in lateraler als auch in vertikaler Richtung entlang der vermessenen Profile. Durch eine Vermessung auf mehreren Parallelprofilen lassen sich auch räumliche Aussagen zum Untergrund (3D-Modellierung) gewinnen. Die geoelektrische Tomographie eignet sich sehr gut zur Detektion von Störungen und Verkarstungen. In der Regel zeichnen sich diese durch niedrige spezifische elektrische Widerstände aus, indem sie sich von den hohen spezifischen elektrischen Widerständen des umgebenden Gesteins unterscheiden. Bei der Planung von geoelektrischen Messungen muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Auflösung mit der Zunahme der erforderlichen Erkundungstiefe deutlich abnimmt. Als Faustformel kann gelten, dass eine geoelektrische Erkundung von Störungen und Hohlräumen mit hoher Auflösung bis etwa 20 m Tiefe und mit guter Auflösung bis etwa 50 m Tiefe durchführbar ist. Auch in größeren Tiefen können aussagekräftige Ergebnisse bei günstigen Randbedingungen, wie z.B. bei hoch leitfähigen Strukturen, erzielt werden. 1.2 Gravimetrie Bei gravimetrischen Messungen erfolgt eine hochempfindliche Erfassung der Erdschwerebeschleunigung, aus der direkt eine Aussage zur Dichteverteilung im Untergrund abgeleitet werden kann. Werden geringe Punktabstände (circa 1 bis 5 m) verwendet und gleichzeitig hohe Anforderungen an Messgenauigkeit und Auflösungsvermögen gestellt, spricht man üblicherweise von mikrogravimetrischen Messungen. Das Messprinzip der gravimetrischen Messungen ist in Abbildung 2a bis c dargestellt. Abbildung 2a zeigt einen Schnitt durch eine Auflockerungsstruktur (zum Beispiel eine Doline), die mit Material gefüllt ist, welches eine geringere Dichte besitzt als das umgebende Material. Bei den gravimetrischen Messungen werden hochempfindliche Instrumente - sogenannte Gravimeter - eingesetzt, die im Allgemeinen aus einem Masse-Feder-System bestehen. Entsprechend der mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz beschriebenen gegenseitigen Anziehung von Massen ergibt sich über der Rinne eine geringere Streckung der Feder des Messsystems als über dem dichteren Umgebungsgestein (siehe Abbildung 2b). Die dazugehörige Messkurve ist im Teil c) von Abbildung 2 dargestellt. Abb. 2: Dargestellt ist hier das Prinzip der Gravimetrie an einer Auflockerungsstruktur (z.B. einer Doline) nach LINDNER & CASTEN (1997) Gravimetrie; in: Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien und Altlasten, Band 3: Geophysik, Berlin; Springer Verlag. Der Einsatz insbesondere mikrogravimetrischer Messungen hat sich für das Auffinden von Verkarstungszonen oder Hohlräumen als geeignet erwiesen, da Hohlräume, die wasser- oder luftgefüllt sind, sowie zugehörige Auflockerungszonen stets Massenbzw. Dichtedefizite darstellen (Dichte von Luft 0 g/ cm3, von Wasser 1,0 g/ cm3 und des umgebenden Materials 2,0 bis 2,7 g/ cm³). Somit zeichnen sich solche Strukturen im üblicherweise zu erkundenden Tiefenbereich von circa 10 bis 15 m bei entsprechender Größe als ein Minimum im Schwerefeld ab. Ein Hohlraum kann nach einer Faustregel mit einer gravimetrischen Erkundung dann erfasst werden, wenn das Verhältnis von Überdeckung zu Hohlraumdurchmesser kleiner ist als etwa 3 : 1. Für diese Abschätzung wird ein möglichst großer Kontrast der physikalischen Parameter vorausgesetzt (also ein luftgefüllter Hohlraum). Bei Hohlräumen mit einer Wasser- oder Feinkornfüllung reduziert sich dieses Verhältnis auf etwa 2 : 1 bzw. sogar 1 : 1. Somit erweist es sich für den Einsatz des Verfahrens als günstig, dass der für die Sicherheit des Bauuntergrunds kritischste Fall (offener Hohlraum) die stärkste gravimetrische Anomalie erzeugt. Stärkere Erschütterungen, zum Beispiel von Baumaschinen, können die gravimetrischen Messungen stören oder im Extremfall gar verfälschen und sollten deshalb während der Messungen vermieden werden. 1.3 Georadar Mit Georadarmessungen können Veränderungen der elektrischen Eigenschaften des Untergrundes, im Speziellen der Dielektrizitätskonstante ε sowie der elektri- 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 281 Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich schen Leitfähigkeit σ, durch das Aussenden und Empfangen elektromagnetischer Wellen linien- und flächenhaft abgebildet werden. Elektromagnetische Wellen werden mit einer Antenne an der Oberfläche abgestrahlt, an geologischen Schichtgrenzen und anthropogenen Objekten im Untergrund reflektiert oder gestreut und wiederum an der Oberfläche mit einer Antenne empfangen. Sowohl die Tiefenreichweite als auch das Auflösungsvermögen hängen dabei entscheidend von den elektrischen Eigenschaften des Untergrundes sowie den ausgewählten Arbeitsfrequenzen ab, die für den ingenieurtechnischen Bereich zumeist zwischen 100 und 1000 MHz liegen. Unter Vernachlässigung materialspezifischer Werte der Dielektrizitätskonstante, Leitfähigkeit und Dämpfung des Untergrundes wird beispielsweise mit der 400 MHz-Antenne, für eine mittlere Wellengeschwindigkeit von 0,13 m/ ns, eine mittlere Wellenlänge von ungefähr 0,3 m und eine vertikale Auflösung bis 0,15 m erwartet. Die erreichbaren Erkundungstiefen liegen für das 400 MHz Antennensystem typischerweise bei 2 bis maximal 4 m. Werden Bauwerksstrukturen im Kontext der Materialprüfung untersucht, kommen Frequenzen > 1000 MHz mit Wellenlängen im Subdezimeterbereich zum Einsatz. Ein wesentlicher Vorteil des Georadars gegenüber anderen geophysikalischen Messmethoden liegt in der hochgradigen Effizienz des Verfahrens begründet: Die kompakte Bauart der zumeist als Dipolantenne konzipierten Systeme, mit Sender und Empfänger in einer Einheit, erlaubt eine zügige Befahrung des Untergrundes oder des Mauerwerkes durch einen Messingenieur. Abb. 3: Dargestellt ist hier das Prinzip der Methode. Schichtgrenzen, Fundamente sowie Rohre und Leitungen sind typische Strukturen und Objekte, die mit dem Georadar im Kontext einer Baugrunderkundung lokalisiert werden. Nach Blindow (2005) Gravimetrie; in: Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien und Altlasten, Band 3: Geophysik, Berlin; Springer Verlag. Die Antennensysteme können außerdem an Fahrzeuge montiert werden, so dass versiegelte Beton-, Pflaster- oder Asphaltflächen genauso schnell oder gar schneller messbar sind, als Wiesen und Feldwege. In der Praxis sind somit profilweise angelegte, kontinuierliche Messungen durch das Schieben oder Ziehen des Antennensystems möglich, die je nach Messraster auch eine hochdetaillierte flächenhafte Strukturabbildung des Untergrundes ermöglichen. Mit dem Georadar können so mehrere Kilometer Strecke an einem Tag vermessen werden. 2. Praxisbeispiele der geophysikalischen Verfahren 2.1 Hohlraumerkundung an der A6 bei Nürnberg In unmittelbarer Nähe zur Autobahn A6 wurden am Bauwerk BW 822C sowohl in Fahrtrichtung Nürnberg als auch in Fahrtrichtung Amberg Setzungen und dolinenartige Erdnachbrüche festgestellt (siehe Abbildung 4). Das Untersuchungsgebiet befindet sich geologisch innerhalb der Fränkischen Alb (Mittlere Frankenalb). Nach der geologischen Karte von Bayern wird die lokale Geologie des Gebiets von dunkelgrauen Riff-Dolomiten der Mittleren Kimmeridge-Schichten (Malm Delta, ki2, d, ri) bestimmt. Überdeckt werden die jurassischen Kalke von Alblehm mit Kreidesandresten. Im östlichen Untersuchungsgebiet steht Tafelbankiger Dolomit (ki2, d, b) an. Die Autobahn A6 wurde im untersuchten Gebiet aufgeschüttet. Abb. 4: Umzäunter, zugeschütteter Erdfall unmittelbar am Brückenbauwerk BW 822C. Mit Hilfe von geophysikalischen Messungen sollen als Teil der Baugrunderkundung Informationen über weitere Verkarstungserscheinungen (Hohlräume, Auflockerungszonen, alte verfüllte Erdfälle u. ä.) im Bereich des Bauwerks BW 822C gewonnen werden. Für die Erkundung der Karstphänomene wurden mikrogravimetrische und 2D-geoelektrische Messungen ausgeführt. Bei dem hier vorgestellten Projekt erfolgten die gravimetrischen Messungen auf einem Punkt- und Profilraster von 2 m x 2 m, dass im Bereich der Erdfälle auf 1 m x 1 m, teilweise sogar auf 0,5 m x 0,5 m verdichtet wurde. Die geoelektrischen Messungen erfolgten auf insgesamt 6 Profilen, bestehend aus 5 parallel zur A6 verlaufenden Profilen in WNW-OSO Richtung (zwei auf der Südseite der Autobahn, drei auf der Nordseite der Autobahn). Die 282 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich Länge dieser Profile beträgt jeweils 200 m. Sie wurden so angelegt, dass sich die Mitten der Profile auf Höhe des Weges und somit des Erdfalls befinden, sodass dort die höchste Eindringtiefe erreicht werden konnte. Zusätzlich wurde ein 100 m langes Profil (Profil P06) orthogonal zu den anderen Profilen entlang des Weges und unter dem Bauwerk gemessen. Das im Ergebnis der gravimetrischen Messungen berechnete Lokalfeld zeigt einige Bereiche, die durch negative Anomalien (hier blau dargestellt) geprägt sind (siehe Abbildung 5). Im Bereich des Erdfalls zeigen sich positive Schwerewerte. Dies ist auf die Verfüllung des Erdfalls mit Beton zurückzuführen. In unmittelbarer Umgebung sind westlich und östlich des Wirtschaftsweges negative Anomalien ersichtlich, die auf weitere Auflockerungen hinweisen können. Diese können aufgrund der aufgefüllten Böschungsbereiche allerdings nur gemeinsam mit der Geoelektrik und den Bohrergebnissen interpretiert werden. Neben diesen womöglich anthropogen verursachten Anomaliebereichen zeigen sich weitere Minima, die auf Auflockerungsbzw. Störungszonen hindeuten. Die relevanten Minimalzonen sind in Abbildung 5 rot umrandet. Abb. 5: Gravimetrisches Lokalfeld nördlich der Autobahn. Die Ergebnisse der geoelektrischen Messungen sind beispielhaft für die Profile P04 und P06 dargestellt (siehe Abbildung 6). Auf beiden Messprofilen sind markante Störungsbereiche zu erkennen. Auf Profil P04 sind im Bereich der Kernbohrung KB01 bei etwa Profilmeter 106 - 108 zum Teil sehr stark geklüftete Dolomitbereiche beschrieben, die diese Widerstandsverringerung innerhalb der hochohmigen Zone erklären. In diesem Teil des Messgebiets, der sich nur wenige Meter nordöstlich des Erdfalls befindet, muss deshalb von einer Störungszone und/ oder einer Auflockerungszone bzw. Hohlraumbildung ausgegangen werden. Auch im Bereich zwischen Profilmeter 34 - 42 und 80 - 86 lassen sich laterale Anomalien erkennen, die auf stärkere Klüftung und möglicherweise auch Auflockerungszonen hindeuten können. Auch auf Profil P06 sind insbesondere im Bereich der Unterführung sehr niedrige Widerstände registriert worden. Von PM 30 bis PM 70 ist deshalb mit einem stärker geklüfteten und verwitterten Bereich zu rechnen, der möglicherweise auch bereits größere Auflockerungszonen beinhaltet. Abb. 6: Vertikalschnitte der geoelektrischen Widerstandsmodellierung für das Längsprofil P04 (inkl. Kernbohrung KB01) und das Querprofil P06. Nach den Ergebnissen der geophysikalischen Untersuchungen (Geoelektrik und Gravimetrie) sind im Messgebiet vor allem nördlich der Autobahn Hinweise auf Bereiche mit starker Klüftung und Verwitterung sowie Störungszonen vorhanden, die teilweise bereits zu Auflockerungen oder Hohlräumen geführt haben, analog zu den Entwicklungen im Bereich des Erdfalls. Im Bereich des Erdfalls ist eine stärkere Klüftung / Verwitterung bis in größere Tiefe vorhanden. Nach den geoelektrischen Messergebnissen unterhalb des Bauwerkes der BAB A6 ist dort von einer stark verwitterten Zone auszugehen, die möglicherweise bereits mit größeren Auflockerungen korrespondiert. In den Ergebnissen der geoelektrischen Messungen und gravimetrischen Untersuchungen zeigen sich in einigen Abschnitten des Messgebiets Hinweise auf eine stärkere Verwitterung des anstehenden Kalksteins. Hier erfolgt eine Überprüfung des Untergrundes mit direkten Aufschlüssen, da diese Verwitterungen eine Vorstufe von möglichen Auflockerungszonen oder auch Hohlräumen darstellen (Abb. 7). Abb. 7: Lagekarte der festgestellten Anomalien nach den Ergebnissen der Gravimetrie und Geoelektrik 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 283 Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich 2.2 Strukturerkundung am Gördelerring in Leipzig Für eine erweiterte Baugrunduntersuchung sind am Gördelerring im Innenstadtbereich von Leipzig flächenhafte Georadarmessungen durchgeführt worden. Diese verfolgten vor allem das Ziel, technische Bestandsstrukturen der heute überbauten Frankfurter Brücke im Übergang zum Ranstädter Steinweg sowie Altfundamente des 1776 erbauten und 1943 zerstörten „Alten Theaters“ im baugrundbzw. ertüchtigungsrelevanten Tiefenbereich bis ca. 2 m unter GOK zu lokalisieren. Standardmäßig durchgeführte direkte Baugrundaufschlüsse erreichten aufgrund vorhandener Hindernisse häufig nur geringere Tiefen. Auf einer Messfläche von ca. 300 x 30 m Größe sind mit dem Georadar als zerstörungsfreie geophysikalische Messmethode in einem variablen Messraster von 1 bis 2 m in 2 Tagen ca. 8 000 Profilmeter erfasst worden (siehe Abb. 8). Parallel zur Georadarmessung mit dem 400 und dem 200 MHz-Antennensystem erfolgte eine synchronisierte Positionserfassung mit DGPS. Neben den Strukturen aus historischen Dokumenten und Planungsunterlagen können mit dem Georadar generell einzelne Objekte im Baugrund lokalisiert und in ihrer Größe beschrieben werden. Dies ist vor allem für die Aufwandsabschätzung bei der Ertüchtigung eines solchen Verkehrsknotens von immenser Bedeutung, da z.B. die Entfernung alter Fundamente u.U. mit größerem maschinellem und zeitlichem Aufwand verbunden sein kann. Abb. 8: Lage der Georadarprofile, der Altstrukturen sowie des Gewässerverlaufs der Wölbpleisse. Im Ergebnis konnte u.a. die Lage der Frankfurter Brücke, deren Doppelbogenstruktur im südlichen Brückenteil in Abb. 9 in einem Radargrammvertikalschnitt dargestellt ist, konkretisiert werden. Zur bisher angenommenen genauen Lage bestanden z.T. erhebliche Abweichungen. Außerdem konnte für den Bereich der Frankfurter Brücke die Mächtigkeit des im Wesentlichen nutzbaren Baugrundes auf 0,8 bis 1,0 m unter GOK abgeschätzt werden (siehe auch Abb. 9). Unterhalb dieser Tiefe sind Hindernisse und/ oder Brückenstrukturen vorhanden. Abb. 9: Radargramm mit interpretierten Strukturen (Reflexionen) in einer Graustufenansicht (oben). Diese können dem Querschnitt des Brückenaufbaus z.T. zugeordnet werden. An verschiedenen Stellen, wie für den westlichen (linken) Bogen, weichen die Reflexionsstrukturen von den Bestandsunterlagen ab. Neben (Alt-)Fundamentstrukturen sind die Georadar-Ergebnisse der innerstädtischen Erkundung geprägt von einer Vielzahl von Leitungsfunden, die sich in den Radargrammen in Form von Diffraktionshyperbeln zeigen (siehe Abb. 10), aus deren Scheitellage sich Lage und Tiefen senkrecht überfahrener Leitungen ableiten lassen. Besonders deutliche Diffraktionen treten dabei an metallischen Leitungen auf, da der Kontrast der dielektrischen Eigenschaften zum umgebenden Untergrund besonders groß ist. Abb. 10: Radargramm mit Diffraktionshyperbeln der Leitungsscheitel und durchgehender Reflexion, die die Unterkante des Regelaufbaus markiert Mit Georadarmessungen kann speziell im innerstädtischen Bereich ein sinnvoller Beitrag zur Baugrunderkundung geleistet werden. Diese ermöglichen die zerstörungsfreie flächenhafte Erkundung von Bestands- oder Altstrukturen, die bei Neubau- oder Ertüchtigungsvorhaben ein erhebliches technisches Risiko darstellen können. Die Lokalisierung und Beschreibung solcher Strukturen führen zu einer realistischen Abschätzung des Arbeits- und Zeitaufwandes für die Baumaßnahme. Neben Fundamentstrukturen können auch Leitungen in Lage und Tiefe beschrieben und damit die Bestandsdo- 284 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Geophysikalische Untersuchungen für die Vorplanung und Begleitung von Bauprojekten im Karst und innerstädtischen Bereich kumentation überprüft und aktualisiert werden. Gerade vor dem Hintergrund der Medienvielfalt verschiedener Versorgungsträger im innerstädtischen Bereich erscheint dies sehr sinnvoll. Die Ergebnisse der Georadarmessung können, aufgrund der parallel erfolgenden Vermessung mit DGPS, direkt in Lagebzw. Bestandspläne aufgenommen und in die digitale Datenbasis eingepflegt werden. 3. Zusammenfassung Die hier vorgestellten drei geophysikalischen Methoden Geoelektrik, Gravimetrie und Georadar können sowohl als Methodenkombination, wie im Praxisbeispiel 1, als auch als Einzelverfahren einen wichtigen Beitrag für die Vorplanung und Begleitung von Bauvorhaben leisten. Die Geoelektrik und die Gravimetrie sind in den dargestellten Fallbeispielen vor allem mit der Erkundung karstbedingter Hohlräume in Verbindung gebracht worden. Bei der Erkundung derartiger Strukturen haben sich diese beiden Verfahren nachweislich sehr gut bewährt und als optimale Verfahrenskombination erwiesen. Hinweise sowohl zu den Möglichkeiten als auch den physikalisch bedingten Grenzen sind in den Beschreibungen der beiden Verfahren enthalten. Das Georadar erweist sich vor allem im innerstädtischen Bereich über versiegelten Flächen als nützliches Instrument für die zerstörungsfreie Lokalisierung von Hindernissen und zur Strukturerkundung. Seine kompakte Bauweise und effizienter Einsatz ermöglichen eine flächenhafte Erkundung von Tiefenbereichen bis 2 m unter GOK. Dabei bieten Asphalt- und Betonoberflächen gute Bedingungen für eine Ankopplung der Antennensysteme an den Untergrund bei gleichzeitig geringer Dämpfung der elektromagnetischen Wellen, was das Erreichen des hier dargestellten Tiefenbereichs sicherstellt. Das Georadar kann damit den Verlauf von indirekten Baugrundaufschlüssen bestimmten Schichtgrenzen flächenhaften untersuchen, auffällige Bereiche für direkte Aufschlüsse ausfindig machen und vor allem Lage und Tiefe von Altstrukturen identifizieren.