eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 12/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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2020
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Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden

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2020
Damir Dedic
Michael Jänke
Beim Neubau einer S-Bahn Brücke in der Nähe von München wurde ein Brückenneubau zunächst neben dem bestehenden Bahndamm errichtet und anschließend in einer Sperrpause in die endgültige Lage eingeschoben. Der anstehende Baugrund weist in den oberen Schichten keine ausreichende Tragfähigkeit für die Verschub– und Gründungsmaßnahme auf, weshalb hierfür eine innovative Lösung nötig war. Dafür wurde der rund 800 Tonnen schwere Überbau inklusive Verschubeinrichtung auf zwei vorab eingebauten Spundwandachsen aufgeständert. Der Verschub und der damit verbundene vertikale Lastabtrag der Brücke erfolgte lediglich über die zwei Spundwandachsen. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Besonderheiten der Baumaßnahme im Hinblick auf das vertikale Tragverhalten von Spundwänden, anhand der gesammelten Erfahrungen, sowohl für die Planung als auch für die Ausführung, dargestellt.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 329 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden Damir Dedic Ed. Züblin AG, Zentrale Technik, Technisches Büro Tiefbau, München, Deutschland Michael Jänke Ed. Züblin AG, Zentrale Technik, Technisches Büro Tiefbau, München, Deutschland Zusammenfassung Beim Neubau einer S-Bahn Brücke in der Nähe von München wurde ein Brückenneubau zunächst neben dem bestehenden Bahndamm errichtet und anschließend in einer Sperrpause in die endgültige Lage eingeschoben. Der anstehende Baugrund weist in den oberen Schichten keine ausreichende Tragfähigkeit für die Verschub- und Gründungsmaßnahme auf, weshalb hierfür eine innovative Lösung nötig war. Dafür wurde der rund 800 Tonnen schwere Überbau inklusive Verschubeinrichtung auf zwei vorab eingebauten Spundwandachsen aufgeständert. Der Verschub und der damit verbundene vertikale Lastabtrag der Brücke erfolgte lediglich über die zwei Spundwandachsen. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Besonderheiten der Baumaßnahme im Hinblick auf das vertikale Tragverhalten von Spundwänden, anhand der gesammelten Erfahrungen, sowohl für die Planung als auch für die Ausführung, dargestellt. 1. Projektvorstellung 1.1 Bauvorhaben Die Gemeinde Poing ist ein Vorort im Osten Münchens und ist über das S-Bahn-Netz an die Metropolregion angeschlossen. Gemäß einem Verlangen der Gemeinde, soll die bestehende zweigleisige Eisenbahnüberführung (EÜ) rückgebaut und durch eine neu Eisenbahnüberführung ersetzt werden. Dabei treten die Gemeinde Poing und die DB Netz AG als gemeinsamer Bauherr auf. Abbildung 1: Neu geplante EÜ als Rahmenbauwerk Im geplanten Kreuzungsbereich verlaufen die beiden Streckengleise von München kommend in einer langen Geraden von Südwest nach Nordost auf einem ca. 4,0 Meter hohen Bahndamm. Die neu zu errichtende EÜ ist als Rahmenbauwerk mit einer Spannweite von 18 Meter konzipiert. Aufgrund der angetroffenen zum Teil als weich angesprochenen Bodenschichten soll das Bauwerk auf Bohrpfählen tiefgegründet werden. Die ebenfalls neu zu errichtende unterführende Straße wird aufgrund des hohen Grundwasserstandes als Grundwasserwanne im Nachgang ausgeführt. Der Eingriff in den Schienenverkehr soll bei der stark frequentierten Strecke auf ein Minimum gehalten werden. Als Bauverfahren wurde deshalb eine Herstellung der Brücke in Deckelbauweise mit Herstellung des Überbaus neben dem bestehenden Bahnkörper und anschließendem Verschub geplant. 1.2 Geologie Die Geologie des Projektgebiets ist durch die Sedimente der Risseiszeit geprägt. Im Bereich der Eisenbahnüberführung ist unterhalb der anthropogenen Auffüllung, gefolgt von quartären Kiesen, das Altmoränenmaterial anzutreffen. Je nach Feinkornanteil liegt die Moränen- 330 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden ablagerung als kiesig-sandiger Ton oder schluffige Sande und Kiese vor, die in den Geschiebemergel über gehen. Abbildung 2: Idealisiertes Bodenprofil [14] Der aufgeschüttete Bahndamm weist in Wechsellagerungen künstliche Bodenauffüllungen in Form von sandig, schluffigen Kiesen bzw. kiesig, sandigen Schluffen auf. Die Wechsellagerungen weisen insgesamt eine weiche bis steife Konsistenz bzw. deren kiesdominierte Schichten eine lockere Lagerungsdichte auf [14]. Der Bahndamm kann daher als gering tragfähig bezeichnet werden. Ein Querschnitt des angetroffenen Bodens ist in Abbildung 2 dargestellt. In den oberen Tiefenmeter des gewachsenen Bodens weisen die Kiese nur eine geringe Tragfähigkeit auf. Tieferliegende Kiesschichten haben allerdings eine mitteldicht bis dichte Lagerung. Unterhalb der Kiese wurden, in unterschiedlichen Tiefen, Moränenablegungen in Form von Geschiebemergel (stark sandige Tone) in halbfester Konsistenz angetroffen. Die oberen Kiese führen ab einer Tiefe von ca. 2.0 m ungespanntes Grundwasser. Der Bemessungswasser-stand ist somit knapp unterhalb der Geländeoberfläche. 2. Brückenherstellung in seitlicher Lage Erneuerungen von Eisenbahnbrücken im bestehenden Netz der Bahn stellen immer einen erheblichen Eingriff in den betrieblichen Ablauf dar. Die Sperrung der Gleise soll stets auf ein Minimum reduziert werden. Das Herstellen der Brücke in seitlicher Lage und Einschub während einer kurzen Sperrpause sind daher häufig eingesetzte Bauverfahren bei der Erneuerung von Eisenbahnbrücken [13]. Die gängigsten Systeme für Einschubrahmen werden in der RiL 804.9040 aufgeführt. 2.1 Rahmenbauweise Die gängiste Variante ist das Erstellen von integralen, fugen- und lagerlosen Rahmenbauwerken und der Einschub in einer Sperrpause. Die Brücke ist zum Beginn des Verschubvorgangs als Stahlbetonrahmen inklusive Flügelwände, Überbauabdichtung und Geländer nahezu vollständig fertig gestellt (Abbildung 3). Abbildung 3: Brückenherstellung & Verschub in Rahmenbauweise Der Einschub erfolgt mit Hydraulik Pressen auf eigens erstellten Verschubbahnen oder Gleitebenen, die unterhalb der Brücke auf Fertigteil-Fundamenten angeordnet werden (Abbildung 4). Die Verschubbahnen beinhalten den Verschubträger und die Fertigteil-Fundamente. Die Fertigteil-Fundamente haben i.d.R. Abmessungen von ca. 1,5 x 1,0 x 0,3 m. Abbildung 4: Verschubträger auf Fertigteil-Fundamenten Bei der Rahmenbauweise kommt i.d.R. eine Flachgründung mit ggfs. erforderlichem Bodenaustausch zum Einsatz. Bei einer notwendigen Tiefgründung ist das Bauverfahren nur bedingt geeignet. 2.2 Deckelbauweise Bei einer erforderlichen Tiefgründung und hoch anstehendem Grundwasser kann die Deckelbauweise sinnvoll sein. Basis der Deckelbauweise ist die Konzeption integraler Rahmenbauwerke, die als monolithischer Rahmen in zwei getrennten Abschnitten, Widerlager inkl. Tiefgründung und Überbau(platte), hergestellt werden [13]. Eine bildliche Abfolge der beschriebenen Deckelbauweise ist in den Abbildungen 5 bis 8 dargestellt. Zunächst werden in einer Sperrpause vom bestehenden Gleisbereich aus Bohrpfähle eingebracht, die im Endzustand der Tiefgründung des Bauwerks dienen. Zeitgleich werden vor und hinter den Bohrpfählen Spundwände zur 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 331 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden Sicherung der Baugruben und zur Aufnahme von Hilfsbrücken eingebracht (Abbildung 5). Abbildung 5: Bauverfahren „Deckelbauweise“ - Herstellung Gründungspfähle (grau) & Spundwandlager inkl. Totmann (rot) Anschließend wird in Seitenlage außerhalb des Gleisbereichs und ohne Beeinträchtigung des Bahnbetriebs der Überbau in Stahlbetonbauweise auf der vorgefertigten Verschubbahn erstellt. Die Herstellung der Widerlager inkl. Flügelwände erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. Für den Einschub der Überbauplatte in Endlage wird eine weitere Sperrzeit benötigt (Abbildung 6). In dieser Sperrpause erfolgt auch der Teilaushub des bestehenden Bahndamms. Unmittelbar nach Positionierung des Überbaus werden die Hilfsbrücken einseitig auf dem eingeschobenen Überbau und auf den äußeren Spundwänden aufgelagert. Danach werden die Gleise wieder eingebaut und die Strecke für den Zugverkehr freigegeben [13]. Abbildung 6: Bauverfahren „Deckelbauweise“ -Einschub vorgefertigte Brückenplatte und Einbau Hilfsbrücken Unter dem „rollendem Rad“ erfolgt innerhalb der kleinen Baugruben unter den Hilfsbrücken die Herstellung der Rahmenecken bzw. die monolithische Verbindung zwischen Großbohrpfählen und dem Überbau (Abbildung 7). Für das Betonieren der Rahmenecken ist eine Sperrzeit notwendig. Abbildung 7: Bauverfahren „Deckelbauweise“ - Herstellung Widerlager und Flügelwände unter „rollendem Rad“ Nach vollständiger Aushärtung der betonierten Rahmenecken werden die Hilfsbrücken ausgebaut und die Bauwerkshinterfüllung eingebaut. Zum Abschluss der Baumaßnahme erfolgen die Herstellung des Regeloberbaus und der Einbau der bahntechnischen Gewerke [13]. Anschließend kann die Unterführung bzw. die Grundwasserwanne hergestellt werden (Abbildung 8). Abbildung 8: Bauverfahren „Deckelbauweise“ - Fertiggestellte Rahmenbrücke Die Deckelbauweise eignet sich in Hinblick auf die Erneuerung von bestehenden Eisenbahnbrücken, besonders bei folgenden Randbedingungen [13]: - hoher Grundwasserspiegel - beschränktes Baufeld (Bauen im Bestand - dichte Bebauung) - ungeeigneter Baugrund für Flachgründung - Überbauung eines Fließgewässers - stark befahrener unterführter Verkehrsweg - stark frequentierte Bahnstrecke mit kurzen Sperrzeiten und hoher Streckengeschwindigkeit 3. Ausgeführte Variante Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten bei der Baumaßnahmen in Poing (unzureichender Tragfähiger Boden, hoher Grundwasserspiegel & stark frequentierter Bahnstrecke) wurde die neue EÜ im Herstellverfahren „Deckelbauweise“ ausgeführt. 3.1 Verschublagerdetail Die Baugrundaufschlüsse konnten im Bereich des Bahndamms und unterhalb der geplanten Verschubbahn keinen ausreichend tragfähigen Boden aufweisen. Es konnte daher nicht gewährleistet werden, dass der Verschubvorgang und 332 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden das Absetzten des 800 Tonnen schweren Überbaus auf dem Bahndamm ohne unverträgliche Setzungen stattfindet. Deshalb wurde das Verschubkonzept angepasst, indem vorab Spundwände auf der gesamten Länge der Verschubachse eingebracht wurden. Der Verschubträger (ausgesteifter HEB-Träger) wurde auf die Spundwand angeschweißt. Somit erfolgt der Einschub auf zwei Spundwandlagern (siehe Abbildung 9). Zwischen dem Verschubträger und einem nach unten gerichtetem U-Profil (sog. Schlitten) wurde das Teflongleitlager eingebracht. Teflon verringerten den Gleitwiderstand, sodass nur ca. 2-4 % der vertikalen Last als Horizontale Verschubkraft erforderlich sind. Abbildung 9: Detail Verschubbahn auf Spundwand Beim Verschub gleitet der Schlitten (auf dem sich die Überbauplatte befindet) auf dem ausgesteiften HEB-Träger. Der Einschub und dementsprechend auch der vertikale Lastabtrag der Brücke erfolgt über die Spundwandlager. Die flachgegründeten Verschubplatten wurden somit durch tiefgegründete Spundwände ersetzt. Abbildung 10: Auflagerung Überbau(platte) auf Verschubträger/ Spundwand Um ein nachträgliches anheben / herabsetzten des Brückenüberbaus zu ermöglichen wurden zwischen Verschubträger und Unterkante Brückenüberbau 5 Pressen pro Brückenseite eingebaut. Der Aufbau des Verschubeinheit ist Abbildung 9 und 10 dargestellt. 3.2 Einschub der Brücke Anhand der folgenden Auszüge aus der 3D Planung und Bilder Vorort soll der ausgeführte Bauablauf erläutert werden: - Herstellung der Bohrpfähle (blau) und Einbringen der Spundwände (rot) in Sperrpause auf vorab vergrößertem Bahndamm (Orange) Abbildung 11: Einbau Pfähle (Blau) & Spundwände inkl. Totmann (Rot) Abbildung 12: Herstelung von Pfählen & Spundwänden mit 4 Geräten in Streckensperrung - Herstellung Überbau in verschobener Lage auf vorab eingebrachten Spundwänden inkl. der Verschubbahn 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 333 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden Abbildung 13: Herstellung Überbau in seitlicher Lage Abbildung 14: Fertiggestellte & aufgeständerter Überbau auf Verschubbahn - In Sperrpause: Rückbau der Gleise, Teilaushub Bahndamm und Einschub des Überbaus mit Auflagerung auf den vorab vorbereiteten Verschubbahnen. Abbildung 15: Einschub Überbau(-platte) & Teilaushub Bahndamm Abbildung 16: Einschub Überbauplatte auf (Spundwand-) Verschubbahn - Einbau der Hilfsbrücken und Gleise, anschließende Freigabe der Brücke für Schienenverkehr. Überbau lagert nach wie vor nur auf den Spundwänden auf. Abbildung 17: Einbau Hilfsbrücken und Gleise Abbildung 18: Eingebaute Hilfsbrücken und Gleise auf Überbau(platte) - Widerlager und Flügelwände unter „rollendem Rad“ herstellen. Nach vollständiger Aushärtung der betonierten Widerlager, Hilfsbrücken ausbauen und die Bauwerkshinterfüllung einbauen. Abschließend Herstellung des Regeloberbaus und Einbau der bahntechnischen Gewerke. 334 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden Abbildung 19: Herstellung Widerlager & Flügelwände unter „rollendem Rad“ 4. Zum Nachweis der vertikalen Tragfähigkeit von Spundwänden Wie in dem vorherigen Kapitel beschrieben ist die Verschubbahn auf einer Spundwand aufgeständert. Der Stahlbetonüberbau hat ein Eigengewicht von ca. 800 Tonnen. Während des Verschubs und während der Herstellung der Widerlager unter „rollendem Rad“ wird die Gesamte vertikale Last von den Spundwänden aufgenommen. Entsprechend der hohen Anforderung gilt ein besonderes Augenmerk dem Nachweis der vertikalen Tragfähigkeit von Spundwänden. Abbildung 20: Widerstände und Einwirkungen bei Vertikalbelastung einer Spundwand Beim Nachweis der Abtragung der Vertikalkräfte in den Untergrund ist nachzuweisen, dass die von oben nach unten gerichtet lotrechte Einwirkung von der Spundwand in den Untergrund abgeleitet werden kann und die Wand nicht versinkt. Σ V d ≤ R d mit - V d = Bemessungswert der senkrechten Beanspruchung - R d = Bemessungswert des Widerstandes der Wand Bei dem beschriebenen Projekt ist die vertikale Last im Wesentlichen das Eigengewicht des Brückenüberbaus zzgl. der Ausbaulasten und die Verkehrslasten aus 2-Gleisigem Zugverkehr. Für den Nachweis der vertikalen Lastabtragung bieten die einschlägigen Regelwerke teilweise stark voneinander abweichende Nachweisformat [8] die im folgenden Kapitel beschrieben werden. Grundsätzlich gibt es für die Nachweisführung zwei unterschiedliche Modelle (Abbildung 21). - Methode „Erddruck“ berücksichtigt die nach oben gerichtete Vertikalkomponente der Auflagerkraft Bvk als Widerstandsgröße. Eine zusätzliche Mantelreibung wird im Bereich der statisch erforderlichen Einbindelänge nicht berücksichtigt. - Methode „Mantelreibung“ berücksichtigt eine definierte Mantelreibung, einseitig auf der Länge der statisch erforderlichen Einbindelänge als Widerstandsgröße. Der Ansatz der Widerstände gemäß Methode „Mantelreibung“ führt in der Regel zu kürzeren Einbindelängen [11] und ist in der Praxis gängiger. Bei der Ermittlung der wirksamen Fußaufstandsfläche gibt es mehrere Ansätze, die je nach Regelwerk zu unterschiedlichen Spitzendrücken führen können. Mit Änderung des Nachweisformats in der aktuellen EAB (5. Auflage, 2012) ergeben sich im Vergleich zur 4. Auflage der EAB (2006) i.d.R. wesentlich größere Einbindelängen. Dieser Sachverhalt soll mit der kommenden 6. Auflage der EAB (2020) teilweise wieder angepasst werden [12]. Abbildung 21: Ansatz der Einwirkungen und Widerstände für den Nachweis gegen Versagen bodengestützter Wände durch Vertikalbewegung [5] Für alle hier beschriebenen Regelwerke bildet sich grundsätzlich der vertikale Gesamtwiderstand der Spundwand Rk aus Spitzenwiderstand qb,k und Mantel-reibung qs,k multipliziert mit den jeweils rechnerisch ansetzbaren Flächen. R k = A b · q b,k + A s · q s,k 4.1 EAB 2006 - 4. Auflage Die Erfahrungswerte für Mantelreibung und Spitzendruck für Spundwände sind in der EAB (2006), Anlage 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 335 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden A10 wiederzufinden. Dabei gilt, dass der Ansatz der Erfahrungswerte nur dann berechtigt ist, wenn folgende Bedingungen für den unter der Baugrubensohle anstehenden Boden zutreffen: Nichtbindige Böden müssen mindestens - eine Lagerungsdichte D > 0,40 bei einer Ungleichförmigkeitszahl C U < 3 - oder D > 0,55 bei C U > 3 - oder einen Sondierspitzenwiderstand q c ≥ 10 MN/ m² aufweisen. Bei bindigen Böden soll eine annähernd halbfeste Beschaffenheit vorhanden sein. Des Weiteren ist es möglich die Erfahrungswerte um 25% zu erhöhen, falls der Boden folgende Bedingungen erfüllt: Bei nichtbindigen Böden müssen mindestens - D > 0,55 bei CU < 3 - oder D > 0,65 bei CU > 3 - oder q c ≥ 15 MN/ m² vorliegen Bei bindigen Böden wird eine annähernd feste bzw. harte Beschaffenheit verlangt. Der Erfahrungswert für den Spitzendruck q b,k ergibt sich nach folgender Gleichung: q b,k = 600 +120· (t g - 0,5) m in kN/ m² t g = tatsächliche Einbindetiefe der Wand unterhalb BGS Der Spitzendruck ist somit tiefenabhängig. In Abhängigkeit der Spundwandgeometrie wird die umhüllende Fußfläche mit einem Faktor [9] reduziert. Die wirksame Aufstandsfläche ist: A b = χ · h in m²/ m Abbildung 22: wirksame Fußaufstandsfläche Ab & Anpassungsfaktor χ gemäß RADOMSKI [9] Die Mantelreibung wird, bei der Voraussetzung das ein ausreichend tragfähiger Boden vorhanden ist, mit q s,k = 60 kN/ m² berücksichtigt. Der Gesamtwiderstand der Spundwand ist somit: R k = A b · (600,0 + 120,0 · (t g - 0,5)) +A s · 60,0 4.2 EAB 2012 - 5. Auflage Im Vergleich zur 4. Auflage der EAB wurden bei der 5. Auflage der EAB (2012) sowohl die Erfahrungswerte für Mantelreibung q s,k und Spitzendruck q b,k als auch die Vorgehensweise zu Ermittlung der anzusetzende Fußaufstandsfläche Ab angepasst. Der Fußwiderstand wird nicht mehr mit der wirksamen Aufstandsflächen und zugeordneten Erfahrungswerten für den Spitzenwiderstand, sondern mit der Schneidenfläche und dem Sondierwiderstand der Drucksonde ermittelt [11]. Auf eine Zunahme des Spitzenwiderstands mit der Tiefe wurde verzichtet. Abbildung 23: wirksame Aufstandsfläche A b und Mantelfläche A s [4] Änderungen ergaben sich auch bei den Erfahrungswerten für die charakteristische Mantelreibung der EAB in der 5. Auflage gegenüber der 4. Auflage. Als Datengrundlage standen hauptsächlich Bauvorhaben aus dem Norddeutschen Raum zur Verfügung [6]. Für bindige Böden werden keine Erfahrungswerte in der aktuellen Auflage genannt. Tabelle 1: Erfahrungswerte für den charakteristischen Spitzendruck q b,k und für die charakteristische Mantelreibung q s,k von Spundwänden in nichtbindigen Böden [4] Aufgrund der Anpassung der Erfahrungswerte und der Änderung der Vorgehensweise zur Ermittlung der anzusetzenden Fußaufstandsfläche Ab ergeben sich im Vergleich zur 4. Auflage der EAB (2006) häufig wesentlich größere Einbindelängen. Die Unterschiede sind in Abbildung 20 dargestellt [11]. Abbildung 24: Vergleich Rd der EAB (2012) und EAB (2006) mit Variation der Lagerungsdichte in nichtbindigem Boden [11] 4.3 Entwurf EAB 2020 - 6.Auflage Aufgrund der bedeutenden Unterschiede hinsichtlich der erforderlichen Einbindelänge der Spundwand von der EAB 2012 zur EAB 2006 wurde durch den Arbeitskreis 336 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden „Baugruben“ die Anpassung zur Regelung der vertikalen Tragfähigkeit von Baugruben beschlossen [12]. Dabei soll das Nachweisformat der EAB 2012-5. Auflage unverändert bleiben. Die 6. Auflage der EAB soll lediglich wieder an das Sicherheitsniveau bzw. an die Wirtschaftlichkeit der 4.Auflage angelehnt werden. Die Erfahrungswerte der Mantelreibung im nicht bindigen Boden werden aus der EAB 5. Auflage (2012) ohne Veränderungen übernommen. Zusätzlich werden Erfahrungswerte für bindige Böden eingeführt [12]. Damit wird eine für praktische Anwendung vorhandene Lücke der 5. Auflage der EAB geschlossen. Die Erfahrungswerte des Spitzendrucks werden im Vergleich zur EAB 5. Auflage um 20-25 % erhöht. Tabelle 2: Erfahrungswerte für den charakteristischen Spitzendruck q b,k und für die charakteristische Mantelreibung q s,k von Spundwänden in nichtbindigen Böden [12] Tabelle 3: Erfahrungswerte für den charakteristischen Spitzendruck q b,k und für die charakteristische Mantelreibung q s,k von Spundwänden in bindigen Böden [12] Zusätzlich erfolgt der Hinweis, dass bei einer abgegrabenen Wand ein erhöhter horizontaler Spannungszustand gegeben ist und deswegen die die Erfahrungswerte der Mantelreibung nach Tabelle 2 und 3 zwischen Baugrubensohle und theoretischem Fußpunkt der Verbauwand verdoppelt werden dürfen. Bei numerischen Untersuchungen konnte eine Erhöhung der Mantelreibung gegenüber der beim Erdruhedruckzustand von 260 bis 400 % nachgewiesen werden [7]. Der Ansatz der Verdopplung der Mantelreibung kann ebenfalls in der EAU (2012) wieder gefunden werden [5]. 4.4 EA-Pfähle/ DIN 1054 Da in der aktuellen Auflage der EAB (2012) keine Erfahrungswerte für bindige Böden gegeben werden, kann auf die Nachweisführung gemäß DIN 1997-1 bzw. DIN 1054 zurückgegriffen werden [1]. Generell ändert sich an der Nachweismethode gegenüber der EAB (2012) nichts, jedoch wird zur Bestimmung der Erfahrungswerte für Mantelreibung und Spitzendruck auf die aktuelle Auflage der EA-Pfähle verwiesen [2]. Da zur Ermittlung der Fußaufstandsfläche bei Spundwänden in der EA-PFÄH- LE keine Aussagen gemacht werden, wird die wirksame Fläche nach EAB (2012) angesetzt (Abbildung 23). Die Tabellen 5.1 bis 5.4 in der EA-Pfähle enthalten sowohl für nichtbindige als auch für bindige Böden eine Spanne von Erfahrungswerten für den Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS) und der Gebrauchstauglichkeit (SLS). Die gegebenen Werte beziehen sich auf eingerammte Pfähle aus Stahlbeton und Spannbeton. Mit Hilfe der Modellfaktoren nach Becker & Kempfert [6] können die Werte auch auf Spundwände übertragen werden. - Modellfaktor für den Spitzendruck η b = 1,30 - Modellfaktor für die Mantelreibung η s = 0,45 In Bezug auf den Nachweis der vertikalen Lastabtragung von Spundwänden zeigt die Nachweisführung gemäß EA-Pfähle unter Berücksichtigung der Modellfaktoren gemäß Becker & Kempfert [6] ähnliche Ergebnisse wie der Entwurf des Nachweisformats der 6.Auflage der EAB (2020). 4.5 Vergleichsrechnung der erforderlichen Einbindetiefe Aufgrund der unterschiedlichen Ansätze der Erfahrungswerte erfolgt an dieser Stelle ein Vergleich der erforderlichen Einbindetiefe gemäß den in Kapitel 4.1 bis 4.4 beschriebenen Regelwerken. Zusätzlich wird die erforderliche (Spundwand-)Einbindelänge gemäß den Vorgaben/ Erfahrungswerten des Baugrundgutachtens [14] hinzugezogen. Dabei wird die Methode „Mantelreibung“ betrachtet. Folgende Eingangsparameter werden für die Vergleichsrechnung angesetzt: V d,max = 900 kN/ m (g d,Brücke + q d,Zug ) Lagerungsdichte qc ≥ 25 MN/ m Spundwandprofil Larsen 606 n 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 337 Verschub einer Brücke auf Spundwandlager: Ausführungsbeispiel zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden Abbildung 25: Vergleich der erforderlichen Einbindetiefe der Spundwand unterhalb der Baugrubensohle infolge der Last aus Brückenüberbau & Schienenverkehr Die Vergleichsrechnung zeigt, dass eine Berechnung nach EAB 2006 - 4.Auflage die geringste Einbindelänge ergibt. Im Vergleich zur 5.Auflage ist bei diesem Bauvorhaben ein Zuwachs der Einbindelänge von ca. 60 % zu vermerken. Die Werte gemäß Baugrundgutachten orientieren sich stark an der aktuell gültigen EAB 2012 - 5. Auflage. Der neue Entwurf der EAB 2020 - 6. Auflage [12] zeigt eine Reduzierung der Einbindetiefe um ca. 30% im Vergleich zur aktuellen EAB und ist vergleichbar mit den Ergebnissen der EA-Pfähle. 5. Zusammenfassung In den kommenden Jahren werden viele sanierungsbedürftige Brücken in Deutschland erneuert. Dabei ist das Herstellen der Brücke in seitlicher Lage und Einschub während einer kurzen Sperrpause eine bevorzugte Variante. Das Bauverfahren der Deckelbauweise ist bei der Voraussetzung gewisser Randbedingungen, eine sinnvolle Lösung zur Herstellung neuer Eisenbahnüberführungen. Der Verschub und die temporäre Auflagerung des Überbaus auf Spundwänden ist, wie dieser Beitrag zeigt, ein möglicher Lösungsansatz. Bei dem Bauvorhaben „Erneuerung der EÜ in Poing“ konnte der Verschub des rund 800 Tonnen schweren Überbaus erfolgreich bewerkstelligt werden. Die Tiefgründung der Verschubbahn auf Spundwänden erwies sich als richtige Lösung. Die Vorgehensweise bot sich insbesondere daher an, da für die Herstellung einer darauffolgenden Grundwasserwanne der unterführten Gemeindestrasse eine Trogbaugrube erforderlich ist. Die Spundwandtrog kann somit weitestgehend aus den Spundwänden der Verschubbahn ausgebildet werden. Die zu erwartenden Setzungen während des Verschubs betrugen ca. 5 mm und haben sehr gut mit den rechnerisch ermittelten Setzungen übereingestimmt. Literaturverzeichnis [1] DIN 1054: 12-2010; Baugrund - Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau - Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1 [2] EA Pfähle 2012; Empfehlungen des Arbeitskreises „Pfähle“, Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V., Ernst & Sohn, 2. Auflage [3] EAB 2006; Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“, Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V., Ernst & Sohn, 4. Auflage [4] EAB 2012; Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugruben“, Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V., Ernst & Sohn, 5. Auflage [5] EAU 2012; Empfehlungen des Arbeitskreises „Ufereinfassungen, Häfen und Wasserstraßen“, Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V., Ernst & Sohn,11. Auflage [6] Becker, P; Kempfert, H-G.: Zum Stand der vertikalen Tragfähigkeit von Spundprofilen aus Erfahrungswerten. Geotechnik 31 (2008), H.1 S.35-40. [7] Becker, P: Zum Nachweis der Abtragung von Vertikalkräften bei Verbauwänden. Bautechnik 94 (2017), H.3 S.190-199. [8] Schallück, C; Torben, P; Henke, S: Neuregelung des Nachweises der vertikalen Tragfähigkeit von Spundwänden in der EAU. Geotechnik 35 (2012), H.3 S.159-167. [9] Radomski, H; Untersuchungen über den Einfluss der Querschnittsform wellenförmiger Spundwände auf die statischen und rammtechnischen Eigenschaften. Mitteilungen des Instituts für Wasserwirtschaft, Grundbau und Wasserbau der Universität Stuttgart, Heft 10 (1968) [10] Bergholz, K; Herten, M: Proberammungen und Probebelastungen von Spundwänden am DEK-Nord. BAW Mitteilunge Nr. 95 (2012), S.125-138. [11] Baier, J: Vergleichsrechnungen zum Nachweis der Vertikalkräfte bei Spundwänden, Bachelorarbeit HTW Berlin (2017) [12] Kempfert, H-G; Becker, P; Kinzler, S: Bericht des Arbeitskreises Baugruben: Entwurf EB 85 und Anhang A 10. Bautechnik 95 (2018). H. 9 S. 684-692 [13] SSF Ingenieure: Erneuerung von bestehenden Eisenbahnbrücken (abgerufen am 05.11.2019), https: / / www.ssf-ing.de/ fileadmin/ web_data/ Down loads/ Broschueren/ Deutsch/ Erneuerungen_von_ bestehenden_Eisenbahnbruecken_DE.pdf [14] MMH Ingenieurgemeinschaft: Geotechnischer Untersuchungsbericht Strecke München Ost - Simbach (5600), Eisenbahnüberführung in km 17,040