Kolloquium Bauen in Boden und Fels
kbbf
2510-7755
expert verlag Tübingen
0101
2020
121
Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel
0101
2020
Annette Lächler
Holger Jud
Generell weisen die Schichten des Gipskeupers im Stuttgarter Talkessel in Abhängigkeit der Überdeckung und Morphologie unterschiedlich weit fortgeschrittene Gipsauslaugungen auf. Diese äußern sich im unteren Hangbereich und Hangfuß durch starke Hohlraumbildung und Schichtverbiegungen sowie Verbrüchen. Im Nesenbachtal und Talrandbereich sind häufig Sackungen und plombierte Dolinen anzutreffen.
Das Vorhandensein von Hohlräumen oder plombierten Dolinen sollte bereits während der Erkundung nicht außer Acht gelassen werden, im Zuge der Planung jedoch mit einbezogen werden, so dass dann ein Antreffen während der Bauausführung die notwendigen statischen Umplanungen, die in der Regel große bauzeitliche Verzögerungen mit sich bringen, bereits konzipiert sind. In dieser Veröffentlichung soll an verschiedenen Projekten im Stuttgarter Talkessel die Problematik dargestellt und die Herangehensweise, Planungskonzepte und deren Umsetzung in der Ausführung vorgestellt werden.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 389 Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel Dr.-Ing. Annette Lächler Smoltczyk & Partner GmbH, Stuttgart, Deutschland Holger Jud Smoltczyk & Partner GmbH, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Generell weisen die Schichten des Gipskeupers im Stuttgarter Talkessel in Abhängigkeit der Überdeckung und Morphologie unterschiedlich weit fortgeschrittene Gipsauslaugungen auf. Diese äußern sich im unteren Hangbereich und Hangfuß durch starke Hohlraumbildung und Schichtverbiegungen sowie Verbrüchen. Im Nesenbachtal und Talrandbereich sind häufig Sackungen und plombierte Dolinen anzutreffen. Das Vorhandensein von Hohlräumen oder plombierten Dolinen sollte bereits während der Erkundung nicht außer Acht gelassen werden, im Zuge der Planung jedoch mit einbezogen werden, so dass dann ein Antreffen während der Bauausführung die notwendigen statischen Umplanungen, die in der Regel große bauzeitliche Verzögerungen mit sich bringen, bereits konzipiert sind. In dieser Veröffentlichung soll an verschiedenen Projekten im Stuttgarter Talkessel die Problematik dargestellt und die Herangehensweise, Planungskonzepte und deren Umsetzung in der Ausführung vorgestellt werden. 1. Geologische Randbedingungen Im Bereich des Stuttgarter Talkessels stehen unter der quartären Überdeckung die rund 100 m mächtigen Schichten des Gipskeupers (Grabfeld-Formation) an. In die Abfolge, die überwiegend aus Schlufftonstein besteht, sind Sulfatgesteine aus Anhydrit und Gips eingeschaltet. Im Stuttgarter Talrand bzw. Talkessel sind vornehmlich die Schichten des Mittleren Gipshorizontes, die Dunkelroten Mergel, der Bochinger Horizont sowie die Grundgipsschichten anzutreffen. So weisen beispielsweise die an der Basis des Gipskeupers gelegenen Grundgipsschichten bei einer ursprünglichen Mächtigkeit von 16 m bis 22 m einen Sulfat-gesteinsanteil von bis zu 60 % auf. Unter mächtiger Überdeckung, wie auf der Filder-hochfläche, sind die Sulfatgesteine weitgehend vor der Verwitterung geschützt. Am Talrand und im unteren Hangbereich des Stuttgarter Talkessels hingegen findet eine aktive Verkarstung der wasserlöslichen Sulfatgesteine statt, die so genannte Gipsauslaugung. Sie greift entlang von Störungen, Klüften und Schichtflächen an. Bei ausreichender Mächtigkeit des Sulfatgesteins können durch die Gipsauslaugung Lösungshohlräume mit mehreren Metern Durchmesser entstehen. In Abbildung 1 ist beispielshaft ein Hohlraum dargestellt, der im Zuge der Baumaßnahme des Bank- und Verwaltungszentrums am Stuttgarter Hauptbahnhof auf Höhe der Baugrubensohle vorgefunden wurde. Dieser Hohlraum hatte eine Gesamtkubatur von rund 6 m³ und einen mittleren Durchmesser von rund 2 m. Abbildung 1: Vorgefundener Hohlraum im Mittleren Gipshorizont mit Wasser gefüllt. 390 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel Diese Lösungshohlräume können weit aus höhere Kubatur aufweisen. So wurde ein Hohlraum im oben genannten Projekt, der sich schlotförmig über 7 m im Mittleren Gipshorizont sowie in den Dunkelroten Mergeln erstreckte, mit einem mittleren Durchmesser von 3,3 m und einer Gesamtkubatur von rund 60 m³ vorgefunden. Eine Auslaugung findet nicht nur in den sulfathaltigen Gesteinen des Gipskeupers statt, sondern davon betroffen sind auch die Schichten des Muschelkalk, der ab Basis des Gipskeupers in rund 20 m Tiefe, überlagert von den Schichten des Lettenkeupers, angetroffen wird. Diese Hohlräume sind jedoch nicht Gegenstand der Veröffentlichung. Bricht das Hohlraumgewölbe bei Überschreiten der Standfestigkeit ein, wandern Nachbrüche durch die überlagernden Schichten nach oben und können Dolinen (Erdfälle oder Subrosionssenke) an der Erdoberfläche hervorrufen. Im Zentrum des Stuttgarter Talkessels, in der eigentlichen Talaue, ist die Gipsauslaugung und die damit einhergehende Nachsackung der überlagernden Schichten in aller Regel bereits vollständig abgeschlossen. Frühere Hohlräume sind verstürzt. Die resultierenden Dolinen sind mit seitlich nachstürzendem und eingeschwemmtem Material plombiert. In nachfolgender Abbildung 2 ist exemplarisch eine Höhenabwicklung einer plombierten Doline aus dem selbigen, vorab genannten Projekt dargestellt. Abbildung 2: Durch quartäre Talablagerung plombierte Doline. Eine Hohlraumbildung, die zur Herausbildung einer Doline führt, kann sich im Stuttgarter Talkessel nicht nur auf eine Gipsauslaugung beschränken. Vielmehr kann eine Hohlraumbildung, die zur Herausbildung einer Doline führt bis in den verkarstungsfähigen Muschelkalk reichen. Diese Dolinenfüllung ist in der Regel ebenfalls mit holozänen Deckschichten und verstürztem Gipskeupermaterial verfüllt. Die Durchmesser von plombierten Dolinen sind unterschiedlich groß, angetroffen wurden bei Bauvorhaben Abmessungen im mittleren Durchmesser zwischen wenigen Dezimetern bis wenigen Hundertmetern. Sowohl nicht erkundete Hohlräume als auch plombierte Dolinen unter der Baugrubensohle stellen für die Tragfähigkeit der Gründung und somit für das Bauwerk ein Risiko dar. Hohlräume können zu einem unbestimmten Zeitpunkt verstürzen und einbrechen, die quartären Verfüllungen der Dolinen weisen in der Regel eine deutlich niedrigere Steifigkeit und Tragfähigkeit im Vergleich zu den gründungsfähigen Schichten des Gipskeupers auf. In den nachfolgenden Kapiteln werden mögliche Herangehensweisen, beginnend von der Erkundung bis zur Ausführung bei Bauprojekten im Stuttgarter Talkessel erläutert. 2. Erkundung von Hohlräumen und Dolinen Bereits während der Planung des Erkundungsprogrammes bei Bauvorhaben im Stuttgarter Talkessel müssen, wenn möglich, Informationen des umliegenden Baugrundes eingeholt werden, um ggf. bekannte Subrosionssenken im geologischen Modell zu berücksichtigen bzw. die Kenntnis zu erlangen, inwieweit die Gipsauslaugungen fortgeschritten sind. Eine Erkundung von Hohlräumen oder plombierten Dolinen mittels Kernbohrungen ist in der Regel zufallsbedingt, da die Abmessungen der Hohlräume und der plombierten Dolinen in ihrem Durchmesser stark variieren. Um vorab Informationen über etwaige Hohlräume oder plombierte Dolinen zu erhalten, können geophysikalische Untersuchungen durchgeführt werden, wobei dieses Verfahren zumeist dann zum Einsatz kommt, wenn Verdachtsflächen eingegrenzt werden können. Im nachfolgenden Kapitel wird im Detail auf diese Methode eingegangen. Eine zielführendere Methode für die Erkundung von Hohlräumen sind im Raster abgeteufte Vollbohrungen, beispielweise mit einem Ankerbohrgerät. Angetroffene Hohlräume können dann im Zuge der Erkundung bereits verfüllt werden. Diese Methode wird in der Regel erst während der Bauausführung in Höhe der Baugrubensohle durchgeführt, da somit Bohrmeter eingespart werden können und das notwendige Equipment bereits auf der Baustelle ist. Die Details der Durchführung werden in Kapitel 3 beschrieben. Wird eine plombierte Doline bereits während der Erkundung angetroffen, sollte die Abmessung der Doline eingegrenzt werden, um eine Planungssicherheit vorab zu erlangen. Eine Eingrenzung kann je nach Zugänglichkeit des Baufeldes mit weiteren Erkundungsbohrungen, Drucksondierungen oder auch mit geophysikalischen Messverfahren vorgenommen werden. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 391 Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel Das aufschlussreichste Verfahren ist hierbei eine Nacherkundung mittels Erkundungsbohrungen, die in Abhängigkeit der Tiefe auch als Kleinbohrungen ausgeführt werden können. Zudem können durch die direkte Baugrunderkundung ggf. zusätzliche Bodenproben für eine Qualifizierung des plombierten Auffüllungsmaterials gewonnen werden. Möglich ist auch eine Nacherkundung mittels Drucksondierungen. Dies wurde ebenfalls bereits in Stuttgarter Bauprojekten eingesetzt, birgt jedoch Schwierigkeiten in der Ausführung und Interpretation. So konnte aufgrund vorhandener Hindernisse innerhalb von oberflächennah anstehenden künstlichen Auffüllungen die Sondierungen nicht ausgeführt werden bzw. mussten abgebrochen werden. Häufig anzutreffende steinige Einlagerungen in quartären Dolinenfüllungen, wie auch in Fließerden bekannt, können zu Abbrüchen oder Missinterpretationen bei der Bewertung führen. Fraglich war beispielsweise bei einem Sondierpunkt, ob das Festsetzten durch ein Hindernis in Auffüllungen/ quartären Dolinenfüllungen oder bereits der Gipskeuper in Form der Bleiglanzbank angetroffen worden sei. Desweiteren erfordert die Auswertung der indirekten Erkundung mittels Drucksondierung Erfahrungswerte für die Schichten des Gipskeupers, um eine stratigraphische Zuordnung der Spitzenwiderstände und dem Reibungsindex gegenüberzustellen. Positive Erfahrungen für eine sichere Eingrenzung von plombierten Dolinen konnte mittels geophysikalischen Messungen gesammelt werden. Hierzu wurde beispielsweise ein seismischse Messverfahren (Multichannel Analysis of Surface Waves - MASW-Verfahren) eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird die Schwerwellengeschwindigkeit in Abhängigkeit der Tiefe gemessen. Auf Grund der zumeist geringeren Steifigkeit der Verfüllung plombierten Dolinen kann anhand geringerer Scherwellengeschwindigkeiten im Vergleich zu den Messwerten in den Schlufftonsteine des Gipskeupers die Abmessung bei ausreichend großen Abmessungen gut abgeschätzt werden. Nachfolgend wird in Abbildung 3 exemplarisch eine Auswertung der geophysikalischen Messung dargestellt. Hierbei kann man ab einer Tiefe von ca. 225 mNN die Abgrenzung der Doline auf Grund der geringeren Schwerwellengeschwindigkeiten gut erkennen und eingrenzen. Abbildung 3: Verteilung von Schwerwellengeschwindigkeiten in einem Messprofil aus [1] Im beschriebenen Beispiel wurde die Größe mit Hilfe von zwei Messprofilen in der Fläche eingegrenzt, siehe Abbildung 4: Abbildung 4: Darstellung des Verdachtsbereichs im Grundriss aus [1] Beim Baugrubenaushub konnten die mittels der Messungen abgeschätzten Größe der plombierten Doline bestätigt werden. 3. Umgang während der Planungsphase und Ausführungsphase Sind bei der der Erkundung keine Hinweise auf Hohlräume oder plombierte Dolinen festgestellt worden, sollten dennoch bei Bauvorhaben mit potenziellen Hohlräumen und plombierten Dolinen in der Planung Tragwerke so ausgelegt werden, dass auf eventuelle Schwächezonen reagiert werden kann und in der Arbeitsvorbereitung für die Ausführung Handlungsvorgaben erarbeitet werden, die kurzfristig während der Baumaßnahmen umsetzbar sind. Mögliche Vorgehen werden nachfolgend beschrieben und bewertet. 3.1 Planung Das Risiko möglicher Hohlräume bzw. die Gefahr plombierter Dolinen ist im zu betrachtenden Baufeld aus geologischen Zusammenhängen im Rahmen des geotechnischen Berichts zu beschreiben und zu bewerten. Basierend auf dieser Bewertung kann auch unter Berücksichtigung des aufgehenden und zu gründenden 392 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel Bauwerks bereits in der Planung durch die Wahl des Tragwerks auf Risiken aus Untergrundbereichen mit verminderter Tragfähigkeit oder Steifigkeit reagiert werden. Besonders eignet sich eine Gründung auf einer statisch wirksamen Bodenplatte, da damit die mögliche Heterogenität des Baugrunds infolge von Dolinen und der daraus eventuellen Verminderung der vertikalen Bettung im Zusammenhang mit lokal vorhandenen Dolinen bereits in gewissem Umfang bei der Bemessung der Bodenplatte berücksichtigt werden kann. Resultierende Beanspruchungen können durch eine Grenzbetrachtung mit sinnvollen Annahmen ermittelt werden. Bereits im Vorfeld berücksichtigte Schwächezonen in der Größenordnung von 3 m mal 3 m mit einem Bettungsmodul von etwa 25 % des ungestörten Bauwerks, die an beliebiger Stelle unterhalb der Gründungsplatte liegen kann, haben sich bereits bewährt. Bei einer Gründung auf Einzel- und Streifenfundamenten, insbesondere bei hochbelasteten Fundamenten sind andere Maßnahmen im Rahmen der Bauausführung für den Fall eines Antreffens plombierter Dolinen vorzuhalten, da „Bettungsausfall“ die Gebrauchstauglichkeit, im schlimmsten Fall die Tragfähigkeit nicht mehr eingehalten ist. 3.2 Hohlraumrisiko Bei entsprechendem Risiko ist bei beiden Gründungsarten Hohlraumerkundung im Zuge der Baumaßnahme mittels Erkundungsbohrungen von der Baugrubensohle aus empfehlenswert. Wird das Bauwerk auf Bohrpfählen gegründet, ist in Abhängigkeit der Einbindetiefe und dem Hohlraumrisiko zu entscheiden, ob eine Hohraumerkundung unterhalb des Pfahlfußes erforderlich wird oder nicht. Hierbei sollte die Gefahr aus der Stratigraphie und den Erfahrungen der umliegenden Bauvorhaben eingestuft werden. Etwaige Hohlräume im Bereich des Pfahles werden bei der Herstellung durch erheblichen Verbrauch an Mehrbeton erkannt und somit plombiert. Schon während der Herstellung der Baugruben, also der Herstellung von Pfahl-und Verbauelementen ist eine detaillierte Dokumentation der Schichtprofile, der Soll- Ist-Verbrauch des Betons sowie Mehrverbrauch von Ankerzement bei der Verpressung der Anker zwingend notwendig. Nur so können mögliche Versturz-Strukturen vorab erkannt und frühzeitig darauf reagiert werden. Als sogenannte Hohlraumerkundungen, insbesondere unter hoch beanspruchten Stützen und Außenwänden haben sich Vollbohrungen mit kleinem Durchmesser bewährt. Die Anordnung der Bohrungen erfolgt meist systematisch und sollte dem Tragwerk angepasst werden. In Regel werden Bohrungen so angeordnet, dass mit einer Bohrung etwa 25 m² abgedeckt sind. Die Tiefe der Bohrungen hängt von der Belastung ab, in der Regel muss die Erkundungstiefe der Setzungseinflusstiefe entsprechen. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass für die Erkundungsbohrungen eine wasserrechtliche Erlaubnis gemäß §37 WG notwendig wird, da zusätzlich zu einer Einbindung in das Grundwasser oder einer Bohrtiefe größer 10 m die Lage dieser Bauprojekte größtenteils den baulichen Randbedingungen der Heilquellenschutzverordnung Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart-Berg vom 11.06.02 unterliegen. Bei der Ausführung sollten beim Bohren der Anpressdruck und eventuelle Spülverluste dokumentiert werden. Beim Verfüllen sind die Soll- und Ist-Volumen an Verfüllgut gegenüberzustellen. Als Verfüllgut wird eine wasserarme, sedimentationsstabile und sulfatbeständige Zement-Bentonit-Suspension mit einem w/ z-Faktor von 0,45 - 0,5 empfohlen, die vorab mit der Unteren Wasserbehörde abgestimmt werden muss. Wird das Sollvolumen um ca. 30 % überschritten, wird das Erkundungsraster um die entsprechende Bohrung verkleinert und somit der etwaige Hohlraum verfüllt. Durch eine sachgerechte Dokumentation der Herstellung und Verfüllung durch die ausführende Baufirma sowie intensive Begleitung der Maßnahme kann somit von einer Verschließung von Hohlräumen im Baugrund ausgegangen werden. Diese Methode hat zugleich den Vorteil, dass vorhandene Klüfte verfüllt werden und somit eine Gebirgsvergütung stattfindet. In Abbildung 5 ist beispielshaft eine Hohlraumerkundung mittels Ankerbohrgerät dargestellt: Abbildung 5: Hohlraumerkundung mittels Ankerbohrgerät Mit dieser Herangehensweise wurde bereits bei unzähligen Bauprojekten mit Erfolg durchgeführt und regelmäßig Hohlräume verfüllt. Beispielsweise wurden beim Neubau des ZNB des Katharinenhospitals an zwei Bohrungen Suspensionsmengen von jeweils rund 4.000 l, also Hohlräume in der Größenordnung von knapp 4 m³ verpresst. Beim Großprojekt Stuttgart 21, PFA 1.1 wurde sogar im Bereich des Bauabschnittes BA2/ 3 (Nordkopf) im Bereich der ehemaligen Bahndirektion eine Verfüllmenge von rund 20.000 l an Zementsuspension dokumentiert. 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 393 Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel Als Alternative zu den Erkundungsbohrungen können, wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, flächigen geophysikalischen Messungen von der Gründungssohle aus durchgeführt werden. Dies wurde bereits ebenfalls bei mehreren Projekten realisiert. Unserer Erfahrung nach ist damit eine eindeutige Erkundung von Hohlräumen nicht gegeben. Dies liegt vermutlich in der meist kleinen Größe in Verbindung mit Grundwasserfüllung begründet. Da im Bereich erkundeter Hohlräume zur Verfüllung oder im Bereich von Verdachtsflächen zur Kontrolle der ohnehin Bohrungen und Injektionen (Gebirgsvorvergütung) erforderlich sind, kann meist auf vorgelagerte geophysikalische Untersuchungen aus Zeit- und Kostengründen verzichtet werden. 3.3 Plombierte Dolinen Wird während des Baugrubenaushubs eine plombierte Doline angetroffen, sollte zunächst die Lage, die Abmessungen bestimmt sowie das Verfüllmaterial hinsichtlich der bodenmechanischen Eigenschaften klassifiziert werden. In Abbildung 6 ist beispielshaft eine Kartierung der Doline auf Höhe der Baugrubensohle dargestellt: Abbildung 6: Plombierte Doline Abhängig vom Bauprojekt kann gegebenenfalls mittels Erkundungsbohrungen / Rammsondierungen die Qualität zur Tiefe hin näher bestimmt werden. Weißt die Dolinenfüllung eine geringere Steifigkeit als das Gipskeupermaterial auf, werden Ertüchtigungen in der Gründungsebene erforderlich. Die Art der Ertüchtigung ist abhängig von der gewählten Gründung des Bauwerks. Eine mögliche Ertüchtigung, insbesondere bei Flächentragwerken ist die Verbesserung des Baugrundes durch Einbringen von zusätzlichen säulenartigen Traggliedern oder Mikro-Pfählen (siehe Abbildung 7) in einem definierten Raster. Damit kann die Steifigkeit des Baugrunds im Bereich der Plombierung der Doline so zu ertüchtigt werden, dass keine Änderungen am Tragwerk erforderlich werden. Abbildung 7: Ertüchtigung der Flächenbettung mittels Gewi-Pfähle In der Planungsphase sollte geprüft werden, ob für eine derartige Ertüchtigung bereits im Vorfeld Bemessungsregeln vereinbart werden können, die ein schnelles Umsetzen von Maßnahmen beim Antreffen von plombierten Dolinen ermöglichen. Als vereinfachte Bemessungsregel hat sich bewährt, die sich durch Säulen/ Pfähle abzutragende Last aus einer der Differenzbetrachtung unterschiedlicher Bettungsansätze für den betreffenden Bodenplattenbereich zu ermitteln ist. Da unter der Bodenplatte die anteilige Lastabtragung zu gleichen Setzungen s führen muss (Verformungsverträglichkeit) gilt: s D = s V (D = Doline; V = verbesserter Baugrund). Aus der Setzungsberechnung für den ungestörten Baugrund und den dazugehörigen Sohldruckspannungen σ V = (k D / k0) ∙ s0. mit k D =Bettungsmodul Doline k 0 = Bettungsmodul ungestörter Baugrund. Bei Annahme eines Verbesserungs-(Pfahl-)Rasters ergibt sich als Lastabtrag pro Rasterfläche zu: Q V = σ V ∙A [kN] mit A = Rasterfläche Säulen/ Pfähle (a ∙ a [m²]) Für die Verbesserungssäulen/ Pfähle werden für QV die folgenden Tragfähigkeitsnachweise geführt: - Lastübertragung (Lasteintrag) zwischen Verbesserungssäule und Baugrund mittels Mantelreibung. - Lastaustrag Verbesserungssäule am Pfahlfuß mittels Spitzendruck und Mantelreibung. - konstruktive bzw. geometrische Randbedingungen. Die für die Dimensionierung der Säulen erforderlichen Werte, Bettungsmodul und Tragfähigkeit innerhalb der Doline sind nach Aufnahme der Situation zu bestimmen. Wird eine Dolinenfüllung verminderter Tragfähigkeit im Bereich eines Gründungspfahles erkannt, können folgenden Maßnahmen zur Ausführung komme: - Ertüchtigung des im betroffenen Bereich vorgesehenen Pfahls mittels Anpassung der Pfahllänge, ggf. des Durchmessers, 394 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Umgang mit Hohlräumen und plombierten Dolinen im Stuttgarter Talkessel - Mantel-/ Fußverpressung (abhängig von der Verfügbarkeit bzw. Vorhalte- und Montagemöglichkeit von Verpressschläuchen und Mobilisierbarkeit der Verpresseinheit) oder - Pfahl der Ausführungsplanung belassen und Anordnung von Zusatzpfählen bzw. - eine Kombination aus Ertüchtigung des vorgesehenen Pfahls aus der Ausführungsplanung und Anordnung von Zusatzpfählen. Mögliche, auf das Tragwerk und die Untergrundverhältnisse angepasste Verfahren und Annahmen der Widerstandswerte sollten möglichst bereits in der Planungsphase mit dem Prüfer bzw. mit der ausführenden Baufirma besprochen werden, um somit beim Antreffen von plombierten Dolinen während der Bauausführung möglichst wenig Bauverzögerungen zu generieren und die zusätzlichen Leistungen bereits bei der Vergabe bepreist zu haben. 4. Zusammenfassung Hohlräume und plombierte Dolinen aus Gipsauslaugung treten im Stadtgeiet Stuttgart regelmäßig auf. Die Einschätzung des Auftretensrisikos bedarf neben der Baugrunderkundung die Auswertung vorliegender Daten aus der Umgebung und vertiefte Kenntnis der Geologie. Darauf aufbauend kann beginnend bei der Tragwerks-konzeption, der Planung, der Ausschreibung und im Zuge der Ausführung unter Nutzung von Erfahrungswerten aus vorangegangenen Bauvorhaben durch Erkundungen in der Bauausführung und durch in der Planung ausgearbeitete und abgestimmte Handlungskonzepte das Risiko von Bauzeitverzögerungen einerseits und einem Setzungsbzw. Tragfähigkeitsrisiko bereits im Vorfeld weitgehend minimiert werden. Voraussetzung ist hier neben dem Verständnis eines nicht zu erkundenden „Baugrundrisikos“ die Zusammenarbeit von Bauherrn, Planer und Berater, Behörden und der Ausführung. Der Erfolg eines reibungslosen Ablaufs beim Umgang mit, zwar erwartbaren, jedoch nicht erkundbaren und im Auftreten des Einzelfalls mit Bezug auf Lage, Größe und Qualität nicht vorhersehbarer oder beschreibbarer Gipsauslaugungserscheinungen kann nur im Zusammenspiel aller Beteiligten erfolgen. Dass das beschriebene Risiko aus Gispsauslaugung im Stuttgarter Talkessel und dessen Hangflanken beherrschbar auch ohne großen Einfluss auf den Bauablauf ist, haben die unzähligen bereits durchgeführten Projekte gezeigt. Literaturangaben [1] PFA 1.1 - Fachtechnische Stellungnahme zu den seismischen Messungen zur Abgrenzung der Doline im Bereich des Südkopfes des DB-Tunnels, Ingenieurgemeinschaft Stuttgart 21 Geotechnik, CDM, Dr. Spang.