eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 12/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
0101
2020
121

Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken

0101
2020
Maximilian  Kies
Simon Meißner
Joachim Michael
Jürgen Schmitt
In den Ingenieurwissenschaften und insbesondere im Bauingenieurwesen werden Risiken auf geplante Bauprojekte bezogen. Diese bestehen in unterschiedlichen Phasen eines Bauprojektes. Beginnend von der Projektierung über die Planungsphase bis hin zur Ausführungsphase und den anschließenden Gewährleistungszeitraum sind Risiken vorhanden. Jede der vorbeschriebenen Phasen beinhaltet teils gleichartige und teils unterschiedliche Risiken, die in einem Risikomanagementprozess behandelt werden. Dieser Prozess besteht vorwiegend aus dem Erkennen, Bewerten sowie dem Festlegen von Maßnahmen zur Vermeidung / Verringerung erkannter, aber auch allgemein bekannter Risiken. Der Risikomanagementprozess umfasst im Wesentlichen die Risikoidentifikation, die Risikoanalyse, die Risikosteuerung sowie die Risikoüberwachung. Die größte Herausforderung liegt hierbei in der Komplexität der Auswirkungen von und den erforderlichen Reaktionen auf unterschiedlichen Risiken in den verschiedenen Projektphasen. Risiken wie z. B. das Baugrundrisiko bestehen in der gesamten Projektphase. Am Beispiel des Projektgebietes Europaviertel in Frankfurt am Main soll eine geotechnische Risikoanalyse durchgeführt und Risiken an verschiedenen Projektbeispielen erläutert werden.
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12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 395 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Maximilian Kies (M. Eng.) Prof. Quick und Kollegen, Groß-Gerauer-Weg 1, 64295 Darmstadt Dr.-Ing. Simon Meißner Prof. Quick und Kollegen, Groß-Gerauer-Weg 1, 64295 Darmstadt Dr. rer. nat. Joachim Michael Prof. Quick und Kollegen, Groß-Gerauer-Weg 1, 64295 Darmstadt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schmitt University of Applied Sciences of Darmstadt, Haardtring 100, 64295 Darmstadt Zusammenfassung In den Ingenieurwissenschaften und insbesondere im Bauingenieurwesen werden Risiken auf geplante Bauprojekte bezogen. Diese bestehen in unterschiedlichen Phasen eines Bauprojektes. Beginnend von der Projektierung über die Planungsphase bis hin zur Ausführungsphase und den anschließenden Gewährleistungszeitraum sind Risiken vorhanden. Jede der vorbeschriebenen Phasen beinhaltet teils gleichartige und teils unterschiedliche Risiken, die in einem Risikomanagementprozess behandelt werden. Dieser Prozess besteht vorwiegend aus dem Erkennen, Bewerten sowie dem Festlegen von Maßnahmen zur Vermeidung / Verringerung erkannter, aber auch allgemein bekannter Risiken. Der Risikomanagementprozess umfasst im Wesentlichen die Risikoidentifikation, die Risikoanalyse, die Risikosteuerung sowie die Risikoüberwachung. Die größte Herausforderung liegt hierbei in der Komplexität der Auswirkungen von und den erforderlichen Reaktionen auf unterschiedlichen Risiken in den verschiedenen Projektphasen. Risiken wie z.B. das Baugrundrisiko bestehen in der gesamten Projektphase. Am Beispiel des Projektgebietes Europaviertel in Frankfurt am Main soll eine geotechnische Risikoanalyse durchgeführt und Risiken an verschiedenen Projektbeispielen erläutert werden. 1. Geotechnische Risikoanalyse Im Bauingenieurwesen ist der Begriff Risiko durch die multiplikative Verknüpfung von der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos mit dessen Schadensgröße definiert. Demnach besteht ein geringes Risiko dann, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses oder die hieraus resultierende Schadensgröße gering sind. Je größer die Schadensgröße und je höher die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist, desto größer ist auch das damit verbundene Risiko [1]. Die Aufgabenstellung besteht darin, die Folgen eines eintretenden Schadens zuverlässig abzuschätzen oder zu belegen und festzulegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein ungünstiges Ereignis oder ein Schaden eintritt. Dazu bedarf es eines hohen Maßes an Berufserfahrung und einer repräsentativen Datenbank auf die zurückgegriffen werden kann [1]. Im geotechnischen Bereich hängt das Risiko von einer großen Anzahl von Parametern und Bedingungen ab. Der Prozess der Risikoanalyse besteht gemäß Nussbaumer et al. [1] im Wesentlichen aus den vier Aufbaupunkten Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikosteuerung und Risikoüberwachung. Diese werden exemplarisch in der nachfolgenden Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: Schematischer Aufbau einer Risikoanalyse [1] 396 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Risiken können in nahezu allen Projektphasen von der Akquise bis zur Gewährleistungsphase auftreten und sich unterschiedlich auf die Projektentwicklung auswirken. Aus diesem Grund sollte im Fokus einer jeden Risikoanalyse stehen, dass Risiken die bereits vor Beginn der Bauausführung bekannt sind, weitestgehend zu minimieren sind und die erkannten Risiken mit allen Projektbeteiligten und Vertragspartnern besprochen werden müssen. Dieses Besprechen muss als ein Dialog verstanden werden, der zum Ziel hat, die identifizierten Risiken für alle Beteiligten transparenter zu machen und gleichzeitig die Verantwortungsbereiche beim Eintreten der Risiken klar festzulegen. [1] Als abschließenden Punkt für die Minimierung von Risiken kann noch die Beobachtungsmethode aufgeführt werden. Diese steht im unmittelbaren Zusammenhang zur der in der Risikoanalyse aufgestellten Prognose und dient deren Verifizierung und Validierung. Durch die Anwendung numerischer Verfahren können vor Baubeginn schon Prognosen zum Verhalten von Böden, wie beispielsweise deren Verformungs- und Spannungsänderungen, getroffen werden. Diese Prognosen gilt es im Zuge der Bauausführung mit der Beobachtungsmethode messtechnisch zu überwachen und das Verhalten des Systems zu beurteilen. Ein solcher detaillierter Überwachungsprozess kann maßgebend zur Erkennung von Risiken beitragen und das Eintreten von Risiken frühzeitig verhindern. 2. Beschreibung des Projektgebietes Europaviertel Frankfurt am Main 2.1 Lage und Topographie Das Europaviertel in Frankfurt befindet sich zwischen Messegelände und Hauptbahnhof. Hier wird das Projektgebiet auf dem ehemaligen Gelände des Güter-bahnhof als Entwicklungsgebiet realisiert werden. Als ein neues Stadtviertel mit Wohnungen, Büros, Hotels und sozialer Infrastruktur, Parks sowie Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten wurde im Jahr 2005 mit den Erschließungsarbeiten begonnen. Die nachfolgende Abbildung 2 gibt einen ersten Überblick über die Größe des rund 900.000 m² [2] großen Projektgebietes. Abbildung 2: Luftbildaufnahme [3] Das Projektgebiet wird in das Europaviertel West und Ost aufgeteilt. Die Grenze zwischen beiden Grundstücken bildet die in Abbildung 2 rot markierte Emser Brücke. 2.2 Historie und Altbebauung Im Jahr 1996 wurde entschieden, dass der Güterbahnhof stillgelegt werden soll. Die Einstellung des Betriebs erfolgte 1998, woraufhin 1999 das Frankfurter Planungsbüro Albert Speer & Partner (AS&P) beauftragt wurde, einen Rahmenplan für die zukünftige Entwicklung des Projektgebietes zu erstellen [4]. Im nachfolgenden Bild findet sich eine Luftbildaufnahme des ehemaligen Güterbahnhofes in Mitten des Projektgebietes. Abbildung 3: Luftbildaufnahme Hauptgüterbahnhof Frankfurt am Main 1997 [4] Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Güterbahnhof immer wieder Ziel der Luftangriffe auf Frankfurt im zweiten Weltkrieg war, was die Thematik der Kampfmittelfreiheit im Projektgebiet zu einem Thema mit großer Bedeutung bei der Erstellung einer Risikoanalyse macht. 2.3 Baugrund und Grundwasserverhältnisse Das Projektgebiet des Europaviertes liegt aus geologischer Sicht innerhalb des Mainzer Beckens am Nordrand der großtektonischen Grabenstruktur des Rheintalgraben [5]. Unter künstlichen Auffüllungen folgen die Schichten des Quartärs mit unterschiedlichen Dicken. Die Schichten des Quartärs bestehen aus fluviatilen Terrassensedimenten des Mains (Sande, Kiese und Schluffe) sowie aus Lössablagerungen und dessen Umlagerungs- und Verwitterungsprodukten und werden von Sedimenten des Tertiärs unterlagert. Das Tertiär wird im Projektgebiet von den Hydrobienschichten des Miozäns gebildet, die aus einer unregelmäßigen Abfolge von Tonen, Kalksteinbänken, Algenriffen und Hydrobiensandlagen bestehen und zusammenfassend unter dem Begriff, Frankfurt Formation bekannt sind. Sie erreichen eine Dicke von bis zu 100 m. Unter den Hydrobienschichten folgen die sogenannten 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 397 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Inflatenschichten, die im Vergleich zu den Hydrobienschichten felsiger und somit weniger zusammendrückbar ausgebildet sind. Bei der Erkundung des Gebietes des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs im Westen des Projektgebietes wurde u. a. eine dem Pliozän (Tertiär) zuzuordnende Rinne bis in eine Tiefe von ca. 16 bis 20 m unter der Geländeoberfläche erkundet. Im südlichen-östlichen Bereich des Projektgebietes ergab sich die Oberkante der pliozänen Rinne bei Erkundungsbohrungen zwischen ca. 6 bis 12 m unter der GOF bis in eine Tiefe von ca. 12 m bis 20 m unter GOF. Die Lage dieser mit Sanden, Kiesen, Schluffen und zum Teil mit stark schluffigen, feinsandigen Tonen verfüllten Rinne ist auch im Ausschnitt der geologischen Karte in der folgenden Abbildung 4 dokumentiert. Abbildung 4: Geologische Karte 3 [5] Die pliozäne Rinne trennt hierbei bereichsweise das Quartär von den tertiären Schichten des Miozäns. Der Grenzbereich zwischen Quartär und Tertiär verläuft erfahrungsgemäß sehr wellig und kann exemplarisch der Abbildung 5 entnommen werden. Diese stellt einen Baugrundschnitt im Projektgebiet dar. Abbildung 5: Schnitt durch den südöstlichen Bereich des Projektgebietes Im Projektgebiet sind sowohl die quartären Sande und Kiese als auch die tertiären Sande, Kiese sowie die Klüfte der Kalksteinbänke grundwasserführend. Die Bereiche der tertiären Tone und Schluffe führen selbst kein Grundwasser und besitzen daher eine absperrende Wirkung. Im Bereich der pliozänen Rinne bilden die quartären und tertiären Sande und Kiese einen Grundwasserleiter. Nach heutigem Kenntnisstand kann für die Bauzeit der Grundwasserstand GWBau zu 93,00 mNN angenommen werden. 3. Risikokatalog Projektgebiet Europaviertel Frankfurt am Main Die Erstellung eines Risikokataloges für das Projektgebiet Europaviertel in Frankfurt am Main ist ein zentraler Punkt bei der Durchführung einer geotechnischen Risikoanalyse für ein Projektgebiet. Da dieser Risikokatalog nach Fertigstellung zahlreicher Bauprojekte im Europaviertel sowie während der Bauausführung aktueller und in Planung befindlicher weiterer Projekte erstellt wurde, können Erkenntnisse und Risiken, die vorab erkannt wurden bzw. sich in den fertig gestellten Projekten bereits verwirklicht haben, hinzu gezogen und so eine Vielzahl möglicher Risikoereignisse aufgelistet werden, die mit einer Gefährdung des Projekterfolges in Verbindung stehen. Die aufgelisteten Risiken des Risikokatalogs beziehen sich hierbei nur auf jene Risiken, die aus dem Systembzw. dem Baugrundrisiko im Projektgebiet resultieren und soll als eine Checkliste für die Risikoanalyse von Projekten fungieren, als Speicher für Informationen dienen und einen Überblick über mögliche Risiken und deren Einstufung geben. 3.1 Aufbau des Risikokataloges Projektgebiet Für die Erstellung des Risikokataloges wurden in einem ersten Schritt die Inhaltspunkte festgelegt und die jeweiligen Kategorien (RK) des Risikokataloges definiert. Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile des Kataloges sowie deren Einteilungen aufgeführt: RK 1 Projektrisiken und Risikokategorien RK 2 Definition und Auswirkung des Risikos RK 2.1 Risikoarten, Teilrisiken und Folgerungen und Maßnahmen RK 2.2 Auswirkungen des Risikos RK 3 Zugehörigkeit des Risikos RK 3.1 Baugrundrisiko RK 3.2 Systemrisiko RK 4 Risikobewertung RK 4.1 Schadensausmaß des Risikos RK 4.2 Eintrittswahrscheinlichkeit RK 5 Scoring Ergebnis und Risikowert Der Inhaltspunkt Projektrisiko des Risikokataloges bezieht sich auf die verschiedenen Kategorien, die mit unmittelbaren Risiken für ein geotechnisches Projekt zusammenhängen. Unter dem Begriff Kategorie werden hierbei die drei maßgebenden geotechnischen Disziplinen des Tunnelbaus, der Gründung von Bauwerken sowie des Herstellens von Baugruben verstanden. Der übergeordnete Inhaltspunkt Definition und Auswirkung des Risikos beschreibt die Hauptteile des Risikokataloges. Hier wird neben den verschiedenen Risikoarten, wie beispielsweise der Inhomogenität des Baugrundes oder dem Grundwasser, auch auf die Teilrisiken der ein- 398 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken zelnen Risikoarten eingegangen sowie Folgerungen und Maßnahmen gegen diese Risiken entwickelt. Abschließend werden die Auswirkungen der Risiken auf den Projektablauf bzw. deren Einfluss auf das Projektgeschehen thematisiert. 3.2 Risikoarten, Teilrisiken und Folgerungen Insgesamt wurden im Risikokatalog neun Risikoarten (RA) definiert, die entweder dem Baugrundrisiko, dem Systemrisiko oder beiden dieser Risiken zugeordnet werden können. Diese neun Risikoarten lauten wie folgt: RA 1 Inhomogenität des Baugrundes RA 2 Grundwasser RA 3 geogene/ anthropogene Hindernisse im Baugrund RA 4 Anthropogene (herstellungsbedingte) Belastung des Bodens RA 5 Erdbeben RA 6 Erschütterungen RA 7 Gründung RA 8 Planfeststellungsverfahren RA 9 Allgemeine Risiken RA 1 - Inhomogenität des Baugrundes Der Baugrund ist durch eine große Inhomogenität der anstehenden Schichten im Projektgebiet aus vorwiegend Tonen, Schluffen, Sanden und Kiesen (Quartär und Tertiär) gekennzeichnet. Aus der Inhomogenität des Baugrundes und dessen Bestandteilen resultiert eine Vielzahl von Risiken, die eindeutig dem Baugrund bzw. dem Systemrisiko zugeordnet werden und die einen großen Einfluss auf die Bauwerke nehmen können, die auf ihm gegründet werden. In der folgenden Tabelle sind die ermittelten Teilrisiken, die der Risikoart der Inhomogenität des Baugrundrisikos entstammen, aufgeführt sowie deren Folgerungen und Maßnahmen erläutert. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA 1.1 Natürliche Streuung der boden- und felsmechanischen Kennwerte φ/ c - Beeinflussung Standsicherheit - Erkundungsdichte erhöhen - rechnerische Nachweise mit Variation der Parameter - bedingte oder nicht mögliche Optimierungsmaßnahmen RA 1.2 Große Bandbreite Durchlässigkeitsbeiwert (horizontal und vertikal) - Über-/ Unterschätzung der Wassermenge - Anpassung Wasserhaltung Baugrube - zusätzl. Entkopplung/ Ableitung in Kanal/ Versickerungsbecken - Pumpversuche/ Backanalysis GW RA 1.3 Unterschiedliche Steifigkeiten innerhalb einer Bodenschicht - Setzungsmaß - Setzungsdifferenzen/ Verkantung/ Winkelverdrehung - rechnerische Nachweise mit Variation der Steifigkeit RA 1.4 Unterschiedliche Schichthöhen des Baugrundes - Über-/ Unterschätzung Tragfähigkeit/ Standsicherheit - Erkundungsdichte erhöhen - rechnerische Nachweise mit Variation der Schichthöhen RA 1.5 Kalksteinbänke/ Algenkalkriffe (Wasserdurchlässigkeit/ Steifigkeit) - Über-/ Unterschätzung der Wassermenge - Anpassung Wasserhaltung Baugrube - Dichtigkeit der Baugrube - Setzungsdifferenzen/ Verkantungen - Abrasivität - Bohrbarkeit/ Herstellbarkeit RA 1.6 Qualität (Einbaudichte/ Material) rückverfüllte Bereiche Güterbahnhof - Baugrundaustausch/ Bodenverbesserung - Deponierung/ Entsorgung erforderlich - Erkundungsdichte erhöhen RA 1.7 Pliozäne Rinne - Über-/ Unterschätzung der Wassermenge - Über-/ Unterschätzung der Tragfähigkeit - Dichtigkeit der Baugrube - Erkundungsdichte erhöhen RA 1.8 Kontamination des Bodens/ geogene Belastung - Baugrundaustausch/ Bodenverbesserung - Deponierung/ Entsorgung erforderlich - Erkundungsdichte erhöhen - detaillierte Beprobung/ Analytik - Prüfung Wiederverwertbarkeit oder Deponierung Tabelle 1: Teilrisiken RA 1 Inhomogenität Baugrund 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 399 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken RA 2 - Grundwasser Im Projektgebiet des Europaviertes gibt es mehrere Baugrundschichten, die grundwasserführend sind. Hierzu zählen mitunter die quartären Sande und Kiese, die tertiären Sande, Kiese, die Porengrundwasserleiter sind sowie der Kalksteinbänke, die als Kluftbzw. Karstgrundwasserleiter einzustufen sind. Die nicht wasserführenden Schichten der tertiären Tone und Schluffe haben eine absperrende Wirkung, die oftmals für die Grundwasserentspannung von Baugruben genutzt wird. Im Bereich der pliozänen Rinne bilden die quartären und tertiären Sande und Kiese einen gemeinsamen Grundwasserleiter. Das Grundwasser bildet neben der Inhomogenität des Baugrundes die zweite Risikoart und beinhaltet die folgenden Teilrisiken: Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA 2.1 bauzeitlicher Grundwasserstand Falls < GWBau: - Überschätzung Entnahmemenge Falls > GWBau: - Unterschätzung Entnahmemenge/ Auftrieb der Sohle / Auswirkung auf Verbau - Grundwassermonitoring - Sofortmaßnahmen entwickeln (Alarm und Handlungsplan) RA 2.2 Herstellung eines hydraulischen Kurzschlusses zwischen den Grundwasserstockwerken - Dichtigkeit der Baugrube - Bohrpfahlherstellung mit Wasserauflast - ggf. Verpressung der Bohrpfähle - Anpassung der Planung (Baugrubensohle/ Gründungsdesign) RA 2.3 Grundwasseraufstau durch Baugrubenumschließung/ Gründung - ggf. ergänzende hydromechanische Berechnungen - Maßnahmen gegen GW-Aufstau (z.B Düker, GW-Fenster) und gegen Verockerung/ Versinterung RA 2.4 Nicht ordnungsgemäß verfüllte Erkundungsbohrungen - mögliche Beeinträchtigung Tunnelvortriebskonzept - Wassereintritt in Baugrube - Maßnahmen zur Verfüllung/ Verpressung - zusätzl. Wasserhaltungen RA 2.5 Anthropogene/ geogene Belastung des Grundwassers - Auflagen aus wasserrechtlicher Genehmigung umsetzen - Grundwassersanierungsmaßnahmen - Abreinigungsanlagen - getrennte Wiederversickerung (quartär/ tertiäres Stockwerk) - Erkundungsmaßnahmen und Analytik Tabelle 2: Teilrisiken RA 2 Grundwasser RA 3 - Geogene/ anthropogene Hindernisse im Baugrund Hinter dieser Risikoart sind geogene Hindernisse, wie Findlinge größeren Durchmessers und anthropogene Hindernisse, wie Altfundamte, Ankerlitzen oder Leitungskabel zu verstehen, die einen Einfluss auf die Herstellung oder Durchführung von Baumaßnahmen im Baugrund hervorrufen können. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA 3.1 Herstellbarkeit des Baugrubenverbaus (Schlitzwand, Bohrpfahlwände) - Änderung des Baugrubensicherungskonzepts - Maßnahmen zur Dichtigkeit der Baugrube - Abrasivität RA 3.2 Herstellbarkeit des Gründungsdesigns (Gründungspfähle, Einzelfundament) - Setzungsmaß - Setzungsdifferenzen/ Verkantung - Änderung des Gründungsdesigns - Abrasivität RA 3.3 Einfluss auf Tunnelvortieb - Beschädigung der TVM (Verschleiß Disken, Diskenwechsel, Schildblockade) - Anpassung des Vortriebskonzeptes - Vortriebsstillstand - Abrasivität RA 3.4 Kampfmittel - Gefahr Baustelle und Umfeld - Stillstand und Baustopp - Fokus und Erhöhung der Art der Genauigkeit der Kampfmittelfreimessung RA 3.5 Antreffen künstlicher Hindernisse (Baugrubenumschließung, Fundamente, Dichtsohlen, Leitungen) - Setzungsdifferenzen/ Verkantung - Abrasivität - historische Erkundung - geophysikalische Erkundung Tabelle 3: Teilrisiken RA 3 geogene/ anthropogene Hindernisse im Baugrund RA 4 - Anthropogene (herstellungsbedingte) Belastung des Baugrundes Eine Kontamination des Baugrundes kann auf Baustellen, die mit verschiedenen Suspensionen, Injektion oder generell dem Einsatz verschiedenster Baumaschinen arbeiten, erfolgen. Aus diesem Grund sind ein sorgsamer Umgang und der korrekte Verfahrensablauf, beim 400 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Einsatz solcher Maßnahmen von großer Bedeutung. In der nachfolgenden Tabelle wird diese Risikoart, entsprechend der Position im Risikokatalog, aufgeführt. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA 4.0 Kontamination des Baugrundes durch Baumaßnahmen - Auflagen aus wasserrechtlicher Genehmigung umsetzen - eingeschränkte Wiederverwertbarkeit - ggf. Deponierung/ Zwischenlagerung - Sanierungsmaßnahmen Tabelle 4: Teilrisiken RA 4 anthropogene (herstellungsbedingte) Belastung des Baugrundes RA 6 - Erschütterungen Unter der Risikoart der Erschütterungen werden alle Risiken zusammengefasst, die durch Erschütterungseinwirkungen von Baugeräten oder bspw. den laufenden U-Bahnbetrieb und der hieraus resultierenden Geräuscheinwirkung des Schalls, entsteht. Aus der Risikoart der Erschütterungen resultieren drei Teilrisiken, die in der folgenden Tabelle aufgeführt werden. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA 6.1 Erschütterungseinwirkungen auf benachbarte bauliche Anlagen (Wohngebäude/ industrielle Anlagen) - Sanierungsmaßnahmen - Stillstand der Baustelle bei benachbarten sensiblen Rechenzentren - Anpassung Bauablauf/ Verbaukonzept - architektonisches und geotechnisches Beweissicherungsverfahren - Abschirmungskonzepte RA 6.2 Verformungen und Setzungen durch Fahrbetrieb - Sanierungsmaßnahmen - architektonisches und geotechnisches Beweissicherungsverfahren - Konzeptentwicklung gegen Erschütterungen RA 6.3 Schall durch Erschütterungseinwirkungen - können behördliche Auflagen hervorrufen - Schallschutztechnisches Beweissicherungsverfahren - eingeschränkte Bauzeit - Maßnahmenplan für Störfälle - zusätzliche Lärmschutzauflagen Tabelle 5: Teilrisiken RA 6 Erschütterungen RA 7 - Gründungen Die Teilrisiken, die hier mit der Risikoart der Gründungen und Baugruben aufgeführt werden, überschneiden sich teilweise mit Teilrisiken der Risikoart Inhomogenität des Baugrundes, können aber dennoch als eigenständige Risiken angesehen werden. Unter diesen Risiken sind jene Risiken zu verstehen, die durch die Gründung von Bauwerken und der Herstellung von Baugruben zum einen das Bauwerk selbst und zum anderen benachbarte Bauwerke beeinträchtigen können. Diese Beeinträchtigungen können aus der Gründung selbst oder aus Mitnahmeverschiebungen bzw. dem Baugrund resultieren. Die Tabelle 6 stellt die Teilrisiken dieser Risikoart dar. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen 7.1 Gründung: Gebrauchstauglichkeit Verkantung/ Winkelverdrehung Baugrube: Verformbarkeit - Setzungsdifferenzen/ Verkantung - Mitnahmeverschiebung - Anpassung Verbaukonzept - numerische Berechnungen, Variatio der Bodenkennwerte - Mess- und Beweissicherungskonzept 7.2 Mitnahmeverschiebungen - Verkantung von benach. Anlagen - Herstellungsbedingte und unvermeidbare Verschiebungen - Stop Bauausführung, Anpassung der Planung - rechnerische Nachweise für Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit - Mess- und Beweissicherungskonzept - Alarm- und Handlungsplan 7.3 Gründungsart - kostengünstig verbunden mit hohen Setzungen: Flachgründung - stark setzungsreduzierend und kostenintensiv: Pfahlgründung - optimierter Gründungsansatz: Kombinierte Pfahl-Plattengründung - Vorsorgegutachten für geplante Tunnel - zusätzliche Gründungsmaßnahmen für geplante/ bestehende Tunnel - Einhaltung vorgegebener Abstände für Erschließungsflächen Tabelle 6: Teilrisiken RA 7 Gründungen 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 401 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken RA 8 - Planfeststellungsverfahren Die Risikoart des Planfeststellungsverfahrens ist nicht zwingend ein Risiko, das direkt dem System- oder Baugrundrisiko zugeordnet werden kann, dennoch sollte es in diesem Risikokatalog erwähnt werden, da es gerade im Projektgebiet zwei Teilrisiken mit großer Bedeutung gibt. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA 8.1 Freihalten von Bauflächen - Einhaltung vorgegebener Abstände für Erschließungsflächen RA 8.2 Bemessung auf spätere Bauvorhaben - zusätzliche Gründungsmaßnahmen für geplante/ bestehende Tunnel - Einhaltung vorgegebener Abstände für Erschließungsfläche - rechnerische Nachweise für Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit - Mess- und Beweissicherungskonzept - Alarm- und Handlungsplan Tabelle 7: Teilrisiken RA8 Planfeststellungsverfahren RA 9 - Allgemeine Risiken Diese abschließende Risikoart befasst sich mit allgemeinen Risiken, die ein Projekt beeinflussen können. Hierunter sind neben starken Witterungseinflüssen auch das Antreffen von Kulturüberresten im Baugrund zu verstehen. Die Teilrisiken sowie deren Folgerungen und Maßnahmen sind in Tabelle 8: aufgeführt. Teilrisiko Nr. Teilrisiko Folgerung und Maßnahmen RA9.1 Eintreten nicht absehbarer Risiken (Naturkatastrophe, Brandfall) - Baustop - Störfallkonzept mit Maßnahmenplan RA 9.2 Antreffen von Kulturüberresten - Baustop - archäologische Vorerkundung - geophysikalische Vorauserkundung Tabelle 9: Allgemeine Risiken 3.3 Auswirkungen der Risiken Ein wesentlicher Inhaltspunkt des Risikokataloges sind die Auswirkungen der einzelnen Teilrisiken. Beispielhaft wurde in den vorhergehenden Kapiteln auf einige Auswirkungen und Folgen der verschiedenen Risiken eingegangen. Weiter soll es durch den Risikokatalog möglich sein, die Auswirkungen eines Risikos auf einen bestimmten Aspekt (Bauzeit, Baukosten Schadenshöhe etc.) direkt zu erkennen. Deshalb werden im Folgenden die Auswirkungen der identifizierten Risiken aufgeführt und eine Abkürzung entsprechend ihrer Bezeichnung im Risikokatalog gegeben. Auswirkung des Risikos auf: Abkürzung: Bauzeit BZ Baukosten BK Schadenshöhe SH Standsicherheit SI Gebrauchstauglichkeit GT Zusätzlicher Erkundungsbedarf EK Forschungsbedarf (bspw. numerische Berechnungen) FB Zusätzliche planerische und bautechnische Maßnahmen MS Tabelle 10: Auswirkungen des Risikos 3.4 Bewertung und Schadensausmaß bei Eintritt der Risiken Die Grundstruktur dieses Risikokataloges ist so aufgebaut, dass in einem ersten Schritt die zu untersuchenden Risikokategorien erfasst, Risiken und Teilrisiken zusammengestellt werden und anschließend eine Gewichtung der unterschiedlichen Einflussgrößen erfolgt. Die Bewertung erfolgt zum einen durch die Eintrittswahrscheinlichkeit und zum anderen, nach der Auswirkung für das Projekt. Die nachfolgende Tabelle beschreibt die Eintrittswahrscheinlichkeiten, mit der die einzelnen Teilrisiken bewertet wurden. Eintrittswahrscheinlichkeit Wert [-] Beschreibung sehr klein 1 mögliches, aber unwahrscheinliches Risiko klein 2 vermutetes Risiko mittel 3 groß 4 erwartetes Risiko sehr groß 5 Tabelle 11: Eintrittswahrscheinlichkeiten Risikokatalog Bei der Wahl der Eintrittswahrscheinlichkeiten und der Bedeutung und Auswirkungen wurde bewusst ein einfaches Bewertungssystem mit einer Einteilung von 1 bis 5 402 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken gewählt, da eine detaillierte Einteilung aufgrund fehlender Daten und repräsentativer Ergebnisse noch nicht für das Projektgebiet möglich ist. Bedeutung Wert [-] Auswirkung: unbedeutend 1 BZ, BK, SH, SI, GT, EK, FB, MS gering 2 mittlere 3 bedeutend 4 sehr große 5 Tabelle 12: Bewertung der Risiken, hier: Auswirkung/ Bedeutung Der Risikowert ergibt sich aus dem Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Bedeutung des Risikos. Aus den Risikowerten kann eine Einteilung über die Relevanz der Risiken getroffen werden. Diese Einteilung resultiert aus den Scoring-Ergebnissen und soll für diesen Risikokatalog ebenfalls in fünf Risikograde unterteilt werden. Diese sind in Tabelle 13 dargestellt. Risikograd Scoring - Ergebnis sehr klein < 5 klein 6 - 10 mittel 11 - 15 groß 16 - 20 sehr groß 21 - 25 Tabelle 13: Bewertung des Risikogrades Risiken, die einen Risikograd von < 5 aufweisen, können als eher unbedeutende Risiken angesehen werden. Die Risiken zwischen den Risikograden 6-10 sind nur als gering bezüglich ihrer Bedeutung für das Projektgeschehen einzustufen. Ab einem Grad von 11 erlangen die Risiken schon einen größeren Einfluss, der das Projektgeschehen negativ beeinflussen kann. Risiken, die einen Risikograd von 21-25 erzielen, sind als äußerst bedeutend einzustufen und bedürfen der genaueren Betrachtung, der Festlegung von Maßnahmen und einer Überwachung. 3.5 Scoring-Ergebnis Die aus dem Risikokatalog hervorgehenden Scoring-Ergebnissen und der hieraus resultierenden Einteilung in die Risikograde kann dem nachfolgende Diagramm entnommen werden und zeigt die Verteilung aller Teilrisiken in die verschiedenen Risikograde. Abbildung 6: Verteilung der Risikograde Aus der Verteilung der Risikograde geht hervor, dass es insgesamt vier Teilrisiken (1.3/ 5.0/ 6.2/ 8.1) gibt, die als eher unbedeutend und mit einer nur sehr geringen Schadensauswirkung auftreten. Diese vier Teilrisiken mit einem Risikograd von < 5 machen rund 13,3 % aller identifizierten Risiken aus. Der zweiten Kategorie der Risikograde von 6 bis 10 können insgesamt zehn Teilrisiken (1.5/ 1.6/ 2.1/ 2.2/ 2.3/ 2.5/ 3.2/ 3.3/ 4.0/ 9.2) zugeordnet werden, was einen Anteil von 33,3 % aller identifizierten Risiken ausmacht. Weiter geht aus der Verteilung hervor, dass sechs Teilrisiken (1.1/ 1.2/ 2.4/ 3.1/ 7.3/ 9.1) dem Risikograd mit einer mittleren Einstufung von 11 bis 15 entsprechen. Ihr Anteil an den Gesamtrisiken macht rund 20 % aller Risiken aus. Den Risikograd mit einer großen Bedeutung erreichen insgesamt neun (1.4/ 1.7; 1.8/ 3.4/ 3.5/ 6.1/ 6.3/ 7.2/ 8.2) Teilrisiken, die ein Scoring Ergebnis zwischen 16 und 20 aufweisen. Das entspricht insgesamt rund 30 % der identifizierten Risiken. Der höchste Risikograd wird einem Teilrisiko erreicht (7.1). Diesem Risiko, das 3,3 % aller Risiken ausmacht, kommt die größtmögliche Bedeutung zu. 4. Risikosimulationsrechnungen und Beispiele Einige der Teilrisiken aus dem Risikokatalog werden nun mit Risikosimulationsrechnungen bzw. Beispielen weiter erläutert und ihre Auswirkungen bezüglich der Schadenshöhe oder anderen Kostenfaktoren untersucht. Insgesamt wird auf die Risiken Grundwasserentspannung, 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 403 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Gebrauchstauglichkeit, pliozäne Rinne und das Risiko eines planfestgestellten Bereichs eingegangen. 4.1 Grand Tower - Grundwasserentspannung Nachfolgend wird eine Risikoberechnung für die Grundwasserentspannung des Grand Towers im östlichen Bereich des Europaviertels durchgeführt. Anhand dieser Risikoberechnung wird zum einen der Einfluss unterschiedlicher Schichtdicken der durchlässigen Schichten und zum anderen den Einfluss der Restwasserrate der Trogbaugrube auf die Gesamtkosten der Grundwasserentspannung untersucht. Das Bauvorhaben Grand Tower (siehe Abbildung 7) weist eine Fläche von rund 2.700 m² auf. Die Gründung des rund 172 m hohen Towers erfolgt anhand einer Kombinierten Pfahl-Plattengründung. Abbildung 7: Grand Tower - 05.12.2018 Die Herstellung der Untergeschosse erfolgt im Schutze einer wasserundurchlässigen Trogbaugrube. Die Baugrube weist Abmessungen von rund 40 m x 70 m auf. Die geplante Baugrubensohle liegt bei 8 m bis 11 m unter Geländeoberkante. Der bauzeitliche Grundwasserstand wurde mit GWBau = 93,00 mNN angesetzt. Im Zuge der Grundwasserhaltung wird der Grundwasserspiegel innerhalb der wasserundurchlässigen Trogbaugrube im Endaushubzustand auf 85,40 mNN abgesenkt. Die nachfolgende Abbildung soll einen Überblick über die Randbedingungen der Baugrube geben und den Sachverhalt weiter erläutern. Abbildung 8: Systemskizze Baugrube / Wasserhaltung Grand Tower Die Grundwasserentspannung bzw. Restwasserhaltung der Baugrube beinhaltet hierbei drei unterschiedliche Phasen der Entwässerung: - die Entwässerung der Baugrube im Zuge des Erdaushubs, - die kontrollierte Grundwasserentspannung der tertiären Grundwasserleiter unterhalb der Baugrubensohle (Kalksteinbänke und Hydrobiensande) zur Sicherung der Baugrubensohle - die Fassung und Förderung von Tagwasser (Niederschlag) Die Entwässerung der Baugrube und die kontrollierte Grundwasserentspannung der Kalksteinbänke und Hydrobiensande unterhalb der Baugrubensohle erfolgt mittels Entspannungsbohrungen und Förderbrunnen oberhalb des bauzeitlichen Grundwasserstandes. Die Grundwasserhaltung muss bis zum Erreichen der Auftriebssicherheit des Bauwerkes betrieben werden. Hierfür wurde eine Bauzeit von 8 Monaten erwartet. Die Berechnung der Gesamtmenge basiert auf Grundlage der Erfahrungen mit Grundwasserhaltungen / -entspannungen im Europaviertel. Bei einem bauzeitlichen Grundwasserstand und einer Einbindetiefe der Verbauwand von bis zu 20 m ergibt sich eine Entnahmemenge von ca. 60.000 m³. 4.1.1 Risikosimulationsrechnung Die Risikosimulationsrechnung der Grundwasserentspannung basiert auf der Variation zweier Parameter und deren Auswirkungen auf die Gesamtentnahmemenge. Als Variationsparameter wurden hier die Restwasserrate RW (Risiko A) und der freie Porenraum (Risiko B) angesetzt. Beide Parameter wurden hinsichtlich ihrer Größe und einer zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeit untersucht. Für die Restwasserrate ergaben sich insgesamt vier Risikogrößen (RA1 - RA4) mit unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten, die in der nachfolgenden Tabelle 14 dargestellt werden. Tabelle 14: Risiko A, Restwasserrate Für das Risiko B des freien Porenraumes ergaben sich zwei Größen (RB1, RB2), die mit unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten ausgewählt wurden. Tabelle 15: Risiko B, freier Porenraum 404 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Im Anschluss werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten aller Kombinationsmöglichkeiten des Risikos A mit dem Risiko B gebildet und die Entnahmemengen ermittelt. Tabelle 16: Berechnung der Entnahmemengen Aus allen Kombinationsmöglichkeiten gehen insgesamt acht unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten hervor. Insgesamt streut die Entnahmemenge der Grundwasserentspannung zwischen 44.489 m³ (Risiko RA1/ Risiko RRB2) und 113.380 m³ (Risiko RA4/ Risiko RRB1). Die Abbildung 9 zeigt die Entnahmemengen, die aus den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten resultieren. Auf der Primärachse ist hierbei die Eintrittswahrscheinlichkeit in Prozent [%] und auf der Sekundärachse die Entnahmemenge in Kubikmetern [m³]. Auf der Abszisse finden sich die einzelnen Kombinationsmöglichkeiten der Risiken wieder. Abbildung 9: Kombinationsmöglichkeiten - Entnahmemengen Anhand dieser Ergebnisse und Eintrittswahrscheinlichkeiten ist es möglich, ein Risikoprofil für die Simulationsrechnung zu erstellen (Abbildung 10). Abbildung 10: Risikoprofil Aus dem Risikoprofil lassen sich Rückschlüsse bezüglich der Güte der Eingangsparameter ziehen. Verläuft beispielsweise das Risikoprofil flacher, so erreicht eine kleine Änderung der Überschreitungswahrscheinlichkeit eine größere nennenswerte Änderung der Risikogröße. Dies deutet auf eine starke Streuung der Eingangsparameter hin. Im vorliegenden Fall ist das Risikoprofil steiler geneigt. Dies hat zur Folge, dass eine größere Änderung der Überschreitungswahrscheinlichkeit nötig ist, um die Risikogröße der Entnahmemenge zu erhöhen. [6] 4.1.2 Zusammenfassung Die Risikosimulationsrechnung einer Grundwasserentspannung hat gezeigt, dass die mit Erfahrungswerten berechneten Ergebnisse der Entnahmemenge von 60.000 m³ in 50 % aller Fälle bei den eigenständig gewählten und angesetzten Parametern noch überschritten wird. Im schlechtesten Fall wäre sogar mit einer Entnahmemenge von rund 114.000 m³ zu rechnen gewesen, was einer Verdopplung der Entnahmemenge gleicht. Zusätzlich besteht hierbei die Gefahr, dass das gesamte Grundwasserhaltungskonzept unterdimensioniert ist und die anfallenden Wassermengen nicht fassen kann, was bei einer Umplanung noch zu weiteren Kosten führen würde. Aus dem Risikokatalog geht noch eine Vielzahl an weiteren Risiken hervor, aus deren Summe ein erheblicher Kostenpunkt für den Bauherrn entstehen kann. Aus diesem Grund ist das Risiko der Grundwasserentspannung ein Risiko, das mit einer einfachen Simulationsrechnung erkannt werden kann und für das man sich bei dessen Eintritt mit einfachen Mitteln, wie bspw. einer zusätzlichen Kapazität beim Grundwasserhaltungskonzept, schützen kann. 4.2 Tower ONE - Verformung Nachbarbauwerke Das Beispiel Tower ONE beschäftigt sich mit der Risikosimulationsrechnung des am höchsten bewerteten Risiko aus dem Risikokatalog. Die Gebrauchstauglichkeit erreichte ein Scoring-Ergebnis von 25, was zum einen bedeutet, dass dieses Risiko als ein erwartetes Risiko gilt 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 405 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken und zum anderen besagt, dass das Schadensausmaß sehr hoch ausfällt. Die Lage des Bauvorhabens geht aus der folgenden Abbildung 11 hervor. Abbildung 11: Lage Bauvorhabe Tower ONE Insgesamt weist das Bauvorhaben Tower ONE eine Grundfläche von rund 5.000 m² auf. Der Tower mit einer Höhe von rund 190 m wird auf einer Kombinierten Pfahl-Plattengründung mit 68 Gründungspfählen und einer 3,5 m dicken Bodenplatte ausgeführt. Die Herstellung der Gründung und Untergeschosse erfolgt im Schutze einer wasserundurchlässigen Baugrube. Die Abmessung der Baugrube beträgt ca. 65 m x 95 m mit einer Tiefe von knapp 13 m. Als Baugrubensicherung ist eine einbis dreifach rückverankerte Schlitzwand geplant. Diese Risikosimulationsrechnung bezieht sich auf den mehrfach im Risikokatalog aufgeführten Punkt der Folgerungen und Maßnahmen: „numerische Berechnungen, Variation der Bodenkennwerte“. Aus diesem Grund wurden numerische Berechnung mit dem Programmsystem Plaxis 2D Version 2016 durchgeführt und der in Abbildung 11 gelb markierte Schnitt untersucht. In diesen numerischen Berechnungen werden verschiedenen Parameter, wie der bauzeitliche Grundwasserstand, die Schichthöhe der quartären Sande und Kiese sowie die Bodenkennwerte der Frankfurt Formation variiert. Ziel ist es, die Auswirkungen der aus der Herstellung der Baugrube und Gründung des Bauvorhabens Tower ONE resultierenden Setzungen und Mitnahmeverschiebungen auf den benachbarten Gebäudekomplex Skyline Plaza zu untersuchen. Hierbei soll durch die Variation der Paramater das Worst-Case Ergebnis hinsichtlich der Auswirkungen auf Skyline Plaza ermittelt und anschließend geprüft werden, ob die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes durch die Baumaßnahme gewährleistet ist. Nachfolgend ist ein Ausschnitt der numerischen Berechnungen dargestellt, welcher die horizontalen Verschiebungen in zwei maßgebenden Punkten untersucht. Abbildung 12: Darstellung der vertikalen Verschiebungen Baugrube - Tower ONE 4.2.1 Risikosimulationsrechnung Die Risikosimulationsrechnung der Gebrauchstauglichkeit basiert auf der Variation mehrerer Parameter und deren Auswirkungen auf die horizontale und vertikale Verschiebung festgesetzter Punkte. Als Variationsparameter wurden hier die Schichtdicke der quartären Sande und Kiese (Risiko A), die Streuung der Sichtkennwerte der Bodenschicht der Frankfurter Formation (Risiko B) und der bauzeitliche Grundwasserstand (Risiko C) angesetzt. Alle Parameter wurden hinsichtlich ihrer Größe und einer zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeit untersucht und sind in der nachfolgenden Tabelle 17 aufgeführt. Tabelle 17: Zusammenstellung der Risiken A, B, C Im Anschluss wurden wieder die Eintrittswahrscheinlichkeiten aller Kombinationsmöglichkeiten des Risikos A, Risiko B und Risiko C gebildet. Weiter wird für die zu untersuchenden Parameter die jeweilige Verschiebung im Punkt A und B aus dem numerischen Modell ermittelt. In den nachfolgenden Tabellen finden sich die Ergebnisse aller Kombinationsmöglichkeiten des Risikos A, B und C für die Auswertung. 406 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken In einem ersten Schritt wurden für die acht verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, die vertikalen Verformungen die durch Gründung des Hochhauses verursacht werden, für den Punkt B am Randbereich des Skyline Plaza ermittelt. Tabelle 18: Zusammenstellung der Risiken A, B, C Die größte vertikale Verschiebung des Punktes B von 4,80 cm entsteht sowohl bei der Kombination RA1/ RB2/ RC1 als auch bei RA1/ RB2/ RC2. Dies deutet darauf hin, dass die vertikale Verschiebung maßgebend durch das Risiko B (Streuung der Bodenkennwerte) beeinflusst wird. Die Kombinationsmöglichkeiten mit einem geänderten Grundwasserstand sowie einer variierten Schichtdicke der quartären Sande und Kiese haben nur einen geringen Einfluss auf die vertikale Verschiebung. Die nachfolgende Abbildung zeigt die vertikalen Verschiebungen der Risikokombinationen. Abbildung 13: Untersuchte Risiken A, B, C Aus Abbildung 13 geht hervor, dass erst ab der Kombination mit dem Risiko RB2 die vertikalen Verschiebungen im Punkt B stark ansteigen, was unmittelbar mit der Abminderung der Kennwerte der Frankfurt Formation zusammenhängt. Die Gründung des Hochhauses erfolgt überwiegend in der Schicht der Frankfurt Formation. Eine Abminderung der Tragfähigkeit dieser Schicht ist mit größeren Setzungen im Bereich des Hochhauses selbst und somit auch bei der benachbarten Bebauung Skyline Plaza verbunden. Das resultierende Risikoprofil der Untersuchungen zu den Risiken der Gebrauchstauglichkeit kann der folgenden Abbildung entnommen werden. Abbildung 14: Risikoprofil Gebrauchstauglichkeit Aus dem Risikoprofil geht hervor, dass das Gesamtrisiko einer vertikalen Verschiebung im Punkt B von 3,10 cm mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 50 % überschritten wird, während die Überschreitungswahrscheinlichkeit einer vertikalen Verschiebung von 2,90 cm, die aus Erfahrungswerten berechnet wurde, rund 90 % beträgt. 4.2.2 Zusammenfassung Ziel der Risikosimulationsberechnung der Gebrauchstauglichkeit war es, durch die Variation der Eingangsparameter, das worst-Case Szenario bezüglich der Mitnahmeverschiebung durch das Herstellen der Baugrube und Gründung des Hochhauses zu finden. Hierbei wurde versucht, die Eingangsparamater so nachteilig wie möglich anzusetzen und diese dabei dennoch mit einer realistischen Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten. Diese Risikosimulationsrechnungen haben gezeigt, dass die Risikogrößen der Verschiebungen aus Gründung und Baugrubenherstellung, auch wenn sie nur eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit besitzen, von großer Bedeutung für Nachweise der Gebrauchstauglichkeit sein können. Nicht nur, dass bei falsch abgeschätzten Mitnahmeverschiebungen die Kosten eines Bauvorhabens stark steigen können, auch kann es zu einem Einstellen der Bautätigkeiten kommen, wenn bspw. die Standsicherheit bestehender Gebäude gefährdet wird. Die Rückschlüsse, die aus solchen Risikoberechnungen gewonnen werden können, sind neben Mess- und Beweissicherungsmaßnahmen auch Alarm- und Handlungspläne, die das Baugeschehen in einer detaillierteren Form überwachen und beim Erreichen bestimmter Mitnahmeverschiebungen gewisse Maßnahmen greifen, die weitere Verformungen verhindern. 5. DB Tower - Bodenschicht Pliozäne Rinne Die pliozäne Rinne ist eine mit 20 von 25 Punkten belegte Risikogröße aus dem Risikokatalog, die in diesem 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 407 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Kapitel noch einmal thematisiert werden soll. Ziel soll es sein, die Auswirkungen auf das Wasserhaltungskonzept bei Eintritt des Risikos zu untersuchen und die hieraus resultierenden Maßnahmen zu erläutern. Die Thematik der pliozänen Rinne wird anhand des Bauvorhabens DB-Tower behandelt. Das Projekt besteht aus einem 66 m hohen Hochhaus mit angrenzender Sockelbebauung auf eine durchgehenden 3-geschossigen Unterkellerung. Die Hochhauslasten werden über eine Kombinierte Pfahl-Plattengründung in den Baugrund eingeleitet. Der Baugrund im Projektgebiet besteht aus quartären Schichten, welche von pliozänen Sanden/ Schluffen unterlagert werden. Unterhalb der pliozänen Schichten folgen die Schichten des gering durchlässigen Landschneckenmergels sowie der Frankfurt Formation. Das Grundwasser steht ca. 4 m unter Gelände an. Abbildung 15: Baugrube DB Tower Die Lage der pliozänen Rinne in der Baugrube geht im vorliegenden Fall aus den Erkundungsmaßnahmen hervor, womit sich das Risiko der pliozänen Rinne in diesem Berechnungsbeispiel verwirklicht hat. In der Realität wurde die pliozäne Rinne durch ein detailliertes Erkundungsprogramm lokalisiert und während des Planungsvorganges auf die vorliegenden Verhältnisse eingegangen. Die Risikosimulationsrechnung zur pliozänen Rinne soll, unter Berücksichtigung des aktuellen Kenntnisstandes zeigen, mit welchen zusätzliche Entnahmemengen bei der Verwirklichung dieses Risikos zu rechnen ist. Abbildung 16 zeigt, dass die Verbauwand des DB Towers nicht wie geplant in den geringdurchlässigen Bodenschichten endet, sondern in einer nicht erkundeten, tieferen Rinne des Pliozäns. Hierdurch entsteht eine gewisse Leckage, durch die Grundwasser ungehindert der Baugrube zufließt. Abbildung 16: Baugrube DB Tower [7] Der ermittelte Zufluss zur Baugrube beträgt rund 32 m³/ h. Bei einer Bauzeit von 8 Monaten entsteht so eine zusätzlich zu fassende Gesamtmenge von 181.000 m³. Zusammenfassung Eine zusätzliche Menge von 181.000 m³ bei der Verwirklichung des Risikos der pliozänen Rinne machtdeutlich, welches Ausmaß das Risiko annehmen kann. Hier besteht nicht nur die Gefahr, dass das Wasserhaltungskonzept stark unterdimensioniert wurde, auch der Kostenfaktor, der durch das Ableiten dieser Wassermengen entsteht, kann mitunter sehr hoch ausfallen. Die pliozäne Rinne ist demnach ein Risiko, das weitreichende Folgen haben kann und bei Bauvorhaben im Europaviertel berücksichtigt werden sollte. Einschränken lässt sich dieses Risiko durch zusätzliche Erkundungsmaßnahmen sowie Wasserhaltungskonzepte, die bei Eintritt des Risikos über ein zusätzliches Potential an Fassungsvermögen verfügen. Weiter sollte im Rahmen der Herstellung des Baugrubenverbaus eine erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich des Antreffens von sandigen Schichten im Bereich der End Tiefe des Verbaus gelten und gegebenenfalls eine Anpassung der Tiefe der Verbauwand durchgeführt werden. 6. Bauvorhaben Güterplatz - Planfeststellung Das Teilrisiko der Bemessung auf spätere Bauvorhaben der Risikoart des Planfeststellungsverfahren wurde ebenfalls mit einem Scoring Ergebnis von 20 ermittelt und soll nun anhand des Bauvorhabens Güterplatz näher erläutert werden. Auf einer Gesamtfläche von rund 13.700 m² werden auf dem Projektgebiet Güterplatz der Wohnturm Eden mit einer Höhe von ca. 100 m, der Hotelturm The Spin mit einer Höhe von ca. 128 m sowie angrenzende Sockelbebauung realisiert. 408 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Abbildung 17: 3D Animation der geplanten Bebauung Direkt nördlich des Projektgebietes Güterplatz ist die Stadtbahn U5 planfestgestellt. Für diese geplante Maßnahme ist eine ausgesteifte Baugrube der Station Güterplatz (VGF) bis in eine Tiefe von 20 m vorgesehen. Das Projektgebiet Güterplatz mit den beiden Hochhäusern liegt innerhalb des Bereiches der Planfeststellung und unterliegt einer Veränderungssperre. Der Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt nicht die geplante Bebauung mit den beiden Hochhäusern. Somit mussten die beiden Hochhäuser derart geplant werden, dass keine zusätzlichen Einwirkungen infolge Baugrube und Gründung auf die geplante Station Güterplatz erfolgen. Die Herausforderungen bei der Verwirklichung des Bauvorhabens Güterplatz liegen in der Komplexität der Ausführung der bis zu 10,5 m tiefen Baugrube und der Kombinierten Pfahl-Plattengründungen der beiden Hochhäuser mit bis zu 42 m langen Gründungspfählen sowie in der erforderlichen Nachweisführung hinsichtlich möglicher Einwirkungen auf die Station Güterplatz in den verschiedenen Projektphasen. In der nachstehenden Abbildung 18 sind die Baugrube Güterplatz und die nördlich angrenzende geplante Baugrube Station Güterplatz (VGF) dargestellt. Abbildung 18: Lageplan der Baugrube Güterplatz [8] Die Nachweisführungen zur Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit für den Baugrubenverbau und die Gründung der beiden Hochhäuser als auch für die Auswirkungen auf die benachbarte Station Güterplatz erfolgte anhand von analytischen und numerischen Berechnungen. Die numerischen Simulationen wurden mittels zwei- und dreidimensionaler Finite-Elemente Berechnungen mit dem Programmsystem Plaxis 2D/ 3D durchgeführt. Abbildung 19: Numerisches Gesamtmodell [8] Die Erstellung des numerischen Modells, die Baugrundparameter sowie die Berechnungsphasen wurden in enger Abstimmung mit allen beteiligten Prüfern abgestimmt und gewählt. In Abbildung 20 ist ein Setzungsplot der Gebrauchstauglichkeitsberechnung von The Spin aufgeführt. Abbildung 20: Setzungsplot The Spin [8] Die numerischen Untersuchungen der Auswirkungen des Bauvorhabens Güterplatz auf die geplante Station Güterplatz erfolgten mittels Plate-Elementen mit vorgelagerten Interface-Elementen. Anhand dieser Interface-Elemente konnten die Normalspannungen flächig ausgewertet werden. Ausgewertet wurde die effektiven Normalspannungsverteilung σ‘ N . Es wurde die Differenz der des Einbaus der Verbauwand und der Phase der Gesamtlast G+Q+W-A ermittelt. Diese Auswertung der 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 409 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken Differenzspannungen zeigten, dass sich die effektiven Normalspannungen auf die Verbauwand Station Güterplatz für die Berechnungsphasen Primärspannungszustand und Aufbringen der Gesamtlast vernachlässigbar unterscheiden. 6.2.1 Zusammenfassung Die Realisierung des Bauvorhabens Güterplatz hat gezeigt, dass anspruchsvolle Bauvorhaben im innerstädtischen Bereich direkt neben planfestgestellten Bereichen nicht immer nur eine Herausforderung der Bemessung und Nachweisführung sind, sondern ein vielfältiger Abstimmungsprozess unter der Mitwirkung aller an der Planung, Prüfung und Genehmigung beteiligter Dritter und deren Prüfer erfolgen muss. Auch hier konnten mit Hilfe der Verwendung von numerischen Studien Grundlagen und Prognosen geschaffen werden, die für die Durchführung und gewisse Risiken des Projektes unerlässlich sind. Die Auswertung der Veränderungen der effektiven Spannungen auf die Verbauwand der geplanten Station Güterplatz beim Bauvorhaben Güterplatz wären nur anhand analytischer Berechnungen nicht möglich gewesen. Zudem fungierten die numerischen Berechnungsergebnisse als Diskussionsgrundlage im Abstimmungsprozess und führten somit zu konstruktiven Lösungen im Planungsprozess. 7. Zusammenfassung Gemäß der aufgeführten Definition einer geotechnischen Risikoanalyse setzt sich eine Risikoanalyse aus den vier Aufbaupunkten Risikoidentifikation, Risikobewertung (Analyse), Risikosteuerung und Risikoüberwachung zusammen. Die Risikoidentifikation erfolgt am Beispiel der Bauprojekte im Europaviertel, wobei ausschließlich auf die Risiken Bezug genommen wird, die dem Baugrundbzw. dem Systemrisiko zugeordnet werden können. Aufgrund der Vielzahl an identifizierten Risiken wurde ein Risikokatalog erarbeitet, der die Möglichkeit bietet, alle erfassten Risiken in einer Tabelle zu bündeln, zu vergleichen und zu bewerten. Dieser Risikokatalog ist ein zentrales Dokument, da in ihm alle vier Aufbaupunkte einer Risikoanalyse zur Geltung kommen. Die Bewertung der einzelnen Risiken erfolgt anhand eines Scoring-Ergebnisses aus der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Auswirkung des Risikos. Anhand dieses Scoring-Ergebnisses konnten weitere Aussagen über die Relevanz bestimmter Risiken getroffen werden. Ein identifiziertes Risiko mit einem hohen Scoring-Ergebnis ist somit von besonderer Relevanz für die Risikoanalyse des Europaviertels und bedarf einer hohen Aufmerksamkeit sowie der Planung von Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos bzw. Minimierung möglicher Schäden beim Auftreten des Risikos. Die aus dem Risikokatalog gewonnen Erkenntnisse können anhand von Risikobeispiele und Risikosimulationsrechnungen mit den am höchsten bewerteten Ergebnissen aufgegriffen und nachvollziehbare Berechnungs- und Optimierungsansätze für diese Risiken dargestellt und erläutert werden. Mit Hilfe der Ergebnisse aus diesen Risikosimulationsrechnungen können verschiedene, im Risikokatalog aufgeführte Maßnahmen resultieren, die eine minimierende Wirkung des Risikos erzielen oder im Fall des Risikoeintritts den Fortbestand der Bauausführungen sicherstellen. Die Erstellung einer Risikoanalyse für das Projektgebiet Europaviertel bot einen weitläufigen Einblick in die Risikovielfalt von geotechnischen Fragestellungen bei verschiedensten Bauvorhaben. Da viele der identifizierten Risiken nicht nur im Projektgebiet, sondern unabhängig von der Lage des Bauvorhabens auftreten können, bietet es sich an, den Risikokatalog auch auf andere Bauvorhaben anzuwenden und diesen gegebenenfalls zu erweitern. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Eintrittswahrscheinlichkeiten und das Schadensmaß immer in Abhängigkeit zum geplanten Bauvorhaben und den lokalen Gegebenheiten gewählt werden sollten und nicht vom Projektgebiet Europaviertel übernommen werden können. Der Verwendung von Risikoanalysen sollte in der Geotechnik in der Zukunft wieder mehr Bedeutung zukommen. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Planung und Durchführung von Bauvorhaben zeitlich immer enger gestrickt wird, sollte sich Zeit für eine genaue Betrachtung der Risiken, die in Zusammenhang mit dem Bauvorhaben stehen, genommen werden. Durch Risikoanalysen besteht nicht nur die Möglichkeit, die geplanten Kosten einzuhalten, sondern auch die Einhaltung der Bauzeit zu gewährleisten. Im Vertragsverhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber kann eine Risikoanalyse im gegenseitigen Verständnis für die Zuständigkeiten und Aufgaben eine gute Grundlage für partnerschaftliches und zielorientiertes Bauen bilden. Literaturverzeichnis [1] M. Nussbaumer; U. Klotz; D. Reichert: Risikomanagement im Spezialtiefbau - Grundsätze und Erfahrungen aus der Praxis - Vorträge der Baugrundtagung in Mainz, 2002 [2] aurelis Real Estate GmbH & Co. KG: Home - Europaviertel. URL http: / / www.europaviertel.de/ - Überprüfungsdatum 2018-01-07 [3] Lausberg, Margarete: Modell für die moderne Stadt: Europaviertel: Die letzte große Freifläche der City wird Stadtteil des 21. Jahrhunderts. URL http: / / www.frankfurt.de/ sixcms/ detail.php? id=2855&_ ffmpar%5B_id_inhalt%5D=7673472. - Aktualisierungsdatum: 2018 - Überprüfungsdatum 2018-03-03 [4] Stadtplanungsamt Frankfurt am Main: Planungsgeschichte, Stadtplanungsamt Frankfurt am Main. URL http: / / www.stadtplanungsamtfrankfurt.de/ planungs- 410 12. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Januar 2020 Risikoanalysen für geotechnische Fragestellungen bei der Planung und Ausführung von Baugruben, Gründungen und Tunnelbauwerken geschichte_5200.html? psid=d). - Aktualisierungsdatum: 2018 - Überprüfungsdatum 2018-01-07 [5] Kümmerle, E.; Seidenschwann, G.: Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1: 25.000. 3., neu bearb. Aufl. Wiesbaden: Hessisches Landesamt für Bodenforschung, 1993 [6] Ziegler, M.: Risikosimulationsrechnungen - eine Möglichkeit zur Quantifizierung von Sicherheit und Risiko in der Geotechnik, Vorträge der Baugrundtagung in Mainz, 2002 [7] S. Meißner; M. Kies; M. Escher; M. Wegerl: DB Tower FFM: 13 m tiefe Baugrube mit nur einer Ankerlage unter besonderen geologischen Bedingungen, Bauen in Boden und Fels, 2020 [8] S. Meißner; J. Michael; H. Quick: Zwei Hochhäuser in direkter Nachbarschaft einer geplanten U-Bahnstation - 26. Darmstädter Geotechnik-Kolloquium, 2019