eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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Spezialtiefbau digital - Nutzung des digitalen Zwillings in der Bauausführung

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Marcus Daubner
In diesem Beitrag wird der Einsatz digitaler Methoden - beginnend mit der Arbeitsvorbereitung bis zum Abschluss der Ausführung - bei Projekten der BAUER Spezialtiefbau GmbH vorgestellt. Konkret wird auf den Nutzen der BIM basierten Planung in der Arbeitsvorbereitung und auf das automatisierte und strukturierte Datenmanagement - sowohl der Maschinenproduktionsdaten als auch der manuell erfassten qualitätsrelevanten Berichte - während der Ausführungsphase eingegangen. Der Nutzen des Digitalen Zwillings zur Prozessoptimierung, zur Fehlkostenreduktion, zum effektiveren Berichtswesen und die Weiterverwendung der As-Built Informationen im BIM oder GIS Prozess wird in diesem Zuge erläutert.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 41 Spezialtiefbau digital - Nutzung des digitalen Zwillings in der Bauausführung Dipl.-Ing. Marcus Daubner BAUER Spezialtiefbau GmbH, Schrobenhausen, Deutschland Zusammenfassung In diesem Beitrag wird der Einsatz digitaler Methoden beginnend mit der Arbeitsvorbereitung bis zum Abschluss der Ausführung bei Projekten der BAUER Spezialtiefbau GmbH vorgestellt. Konkret wird auf den Nutzen der BIM basierten Planung in der Arbeitsvorbereitung und auf das automatisierte und strukturierte Datenmanagement sowohl der Maschinenproduktionsdaten als auch der manuell erfassten qualitätsrelevanten Berichte während der Ausführungsphase eingegangen. Der Nutzen des Digitalen Zwillings zur Prozessoptimierung, zur Fehlkostenreduktion, zum effektiveren Berichtswesen und die Weiterverwendung der As-Built Informationen im BIM oder GIS Prozess wird in diesem Zuge erläutert. Bauer Spezialtiefbau GmbH verfolgt den Ansatz einer systematischen digitalen Erfassung aller relevanten Daten aus Planung, Herstellung und Qualitätskontrolle, sowie deren integrale Vernetzung und automatisierte Auswertung. Vor allem die weitergehende Nutzung der Plandaten im Herstellprozess und die automatisierte Rückführung der Produktionsdaten in die Bestandsdokumentation stellen ein zentrales Anliegen dar. Da durch die prozessübergreifende Datennutzung der BIM Kontext etwas weiter gefasst wird, werden alle digitalen Bauprozesse in der Bauer Gruppe unter dem Oberbegriff „Bauen Digital“ zusammengefasst. In Bild 1 ist die integrale Vernetzung mit „Bauen Digital“ als zentrale Sammel- und Verteilstation schematisch dargestellt. Bild 1: Schaubild „Bauen Digital“ Im Spezialtiefbau bietet die Digitalisierung des Dokumentationsprozesses ein zweifelsfrei sehr großes und noch wenig genutztes Optimierungspotential. Der Aufwand, der zur Erstellung der Herstellnachweise für die im Boden eingebetteten Spezialtiefbauelemente betrieben wird, ist ein wichtiger Treiber für die „digitale Baustelle“. Das Management dieser Informationen und Dokumente erfordert gerade bei Gewerken mit hohem Einzelelementanteil enorme Anstrengungen an die Dokumentations- und Prüftätigkeiten. Bisher werden die Daten meist händisch erfasst bzw. händisch in Protokolle eingetragen. Es liegt nahe, diesen Prozess durchgängig zu digitalisieren, Daten automatisiert zu erfassen und aggregierte KPI’s (key performance indicators) zu generieren. Die derzeit am Markt verfügbaren Softwarekomponenten werden überwiegend für die Abwicklung des Planungsprozesses oder für die Nutzung während des Kalkulationsprozesses verwendet. Bauer versucht diese Nutzung auszudehnen und die verfügbaren Daten auch in der Arbeitsvorbereitung und der Bauausführung zu verwenden. 1. Nutzung der BIM Planung in der Arbeitsvorbereitung Ein Anwendungsfall ist hierbei die Planung des Bauablaufes und der Gerätepositionen. Durch die Verbindung des Detailterminplanes mit dem 3D Modell werden Phasenpläne automatisiert erstellt. In der unten gezeigten Variante wird ein Wochenplan dargestellt. Siehe Bild 2. Diese Visualisierung unterstützt während der Arbeitsvorbereitung, um zeitlich auftretende, geometrische Kollisionen zu erkennen und diese im Vorfeld zu lösen. Während der Ausführungsphase wird dieser Phasenplan wöchentlich nachgehalten und Pläne automatisiert erstellt. Entstehen bedingt durch terminlichen Verschiebungen Zwangspunkte, können diese basierend auf den aktuellen Phasenplänen zur Abstimmung zwischen den beteiligten Gewerken, aber auch zur Erklärung des Sachverhaltes für den Bauherrn eingesetzt werden. 42 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Spezialtiefbau digital - Nutzung des digitalen Zwillings in der Bauausführung Bild 2: automatisierte wöchentliche Phasenplanung als Ableitung aus dem 4D BIM Modell. Darstellung der Geräteposition in der Draufsicht und Leistungsvorausschau in der Seitenansicht 2. Einsatz eines Produktionsdaten- und Prozessmanagementsystems für den Spezialtiefbau Der Schritt zur Erfassung und Nutzung von Produktions- und Qualitätsdaten während der Ausführungsphase scheitert - insbesondere für den Spezialtiefbau -noch an öffentlich verfügbarer Software, die den Produktionsprozess abbilden kann. Dies verwundert insofern, als dass die maschinengetriebene Produktion den Spezialtiefbau dominiert und somit prädestiniert für eine digitale Erfassung der im Herstellprozess anfallenden Produktionsparameter ist. Die weitergehende Nutzung der Planungsdaten auf der Baustelle erfolgt im Allgemeinen mit BIM-Viewern. Der Rückfluss der Informationen aus dem Bauprozess erfolgt durch manuelle Eingabe der Produktionsdaten direkt in die Planungsmodelle. Hier fehlen ebenso Softwarekomponenten, die die Herstellinformationen automatisiert in die Fachmodelle übergeben. Vor dem o.g. Hintergrund des Potenzials einer digitalen Baustelle hat die BAUER Spezialtiefbau GmbH zum Managen der Produktions- und Qualitätsdaten ein integrales Datenmanagementsystem entwickelt, dessen zentrales Tool die Software b-project darstellt. Eine essenzielle Aufgabe ist das digitale Erfassen von Produktionsdaten in strukturierter Form. Die gängige Datenhaltung in Excel-Tabellen stellt eine sehr flexible Art der Erfassung und Auswertung von Teilbereichen des Bauprozesses dar und ist heute immer noch auf vielen Baustellen Stand der Technik. Eine weitergehende Wertschöpfung aus den dokumentierten Daten scheitert aber nicht nur an der limitierenden, projektspezifischen Definition der KPI’s, sondern auch an der fehlenden Strukturierung der Daten über eindeutige Schlüssel. Individuell erhobene Informationen sind deshalb nur mit hohem Aufwand für Querauswertungen nutzbar und landen in aller Regel nach Projektende systembedingt im Datengrab. Die bei BAUER im Einsatz befindliche Managementsoftware bildet folgende Aspekte der Datennutzung ab: • Die standardisierte Übernahme der Plandaten aus den Planungssystemen in die auf der Baustelle eingesetzte Software • Einlesen der digitalen Maschinenproduktionsdaten in das Managementsystem • Die Bereitstellung von vorausgefüllten Berichten für den Bauleiter und das digitale Übertragen der händisch erfassten Produktions- und Qualitätsdaten in die Datenbank • Eine nachlaufende, automatisierte Verdichtung der Herstelldaten • Eine integrierte, webbasierte Produktionsqualitätsauswertung • Bereitstellung von Zeichnungen und Visualisierungen für den Baustellenbedarf • Generieren von Berichten, Herstellprotokollen oder Listenwerken für den Qualitätssicherungsprozess, für die Prozessoptimierung oder für das Controlling • Schnittstelle zur Übergabe der digitalen Herstell- und Qualitätsdaten aus dem Managementsystem zurück in die Planungssysteme • Weitere Nutzung der erfassten Daten im BIM und GIS basierten Dokumentationsprozess 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 43 Spezialtiefbau digital - Nutzung des digitalen Zwillings in der Bauausführung Bild 3: Benutzeroberfläche b-project - Detailinformation eines hergestellten Elements Bild 4: Exemplarisch ein aus der Software „b-project“ generiertes Herstellprotokoll Die Vernetzung der Herstelldaten z.B. aus dem Betonierprozess mit den Qualitätsdaten der Materialtests stellt die Basis für die automatisierte Erstellung von diversen Querauswertungen dar. Diese Automation verringert den Dokumentations- und Prüfaufwand signifikant und unterstützt den Optimierungsprozess standardisiert, automatisiert und somit effektiver abzubilden. Die auf die Belange der Baustellennutzung konzipierte Software ermöglicht dabei diverse Visualisierungsmöglichkeiten und erleichtert die Identifikation von Optimierungspotential durch frei definierbare Mehrfachfilter. Diese Visualisierungen können durch farbliche Markierungen in tabellarischer Form oder aber in einer graphischen Auswertung präsentiert werden. Im folgenden Bild (Bild 5) wird das Optimierungspotential bei den in den Säulen injizierten Suspensionsmengen in einer 2D Draufsicht dargestellt. Hierbei stellen die leeren Kreise noch nicht ausgeführte Elemente dar, schraffierte Kreise beschreiben hergestellte Elemente, welche aber Optimierungspotential bieten. Die voll ausgefüllten Kreise beschreiben Elemente, die im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Grenzen hergestellt wurden. Bild 5: Exemplarische Visualisierungen des Injektionsmengenoptimierungspotentials 44 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Spezialtiefbau digital - Nutzung des digitalen Zwillings in der Bauausführung 3. Webbasierter Zugang zu aggregierten Mess- und Produktionsdaten Einen weiteren Bestandteil des integralen Ansatzes bildet die webbasierte, ortsunabhängige Präsentation der Auswertungen und Key-Performance-Indicators (KPI). Diese Funktionalität ermöglicht den zeitnahen Zugang zu aggregierten Leistungs- und Qualitätsdaten auch außerhalb des Baubüros sowohl für interne Projektbeteiligte, als auch für den Kunden oder dessen Vertreter. Durch die standardisierte Präsentation der Daten wird ein schnelles Verständnis des aktuellen Leistungsstandes bei Projekten ermöglicht und bilden die Grundlage für weitergehende und tiefergreifende Auswertungen und Prozessoptimierungen. Einen Anwendungsfall bildet hierbei die Präsentation der auf der Baustelle erfassten Herstelldaten (siehe Bild 6) oder der Materialmehrverbrauch beim Betonierprozess (siehe Bild 7). Bild 6: Leistungsauswertungen eines Baugewerkes im webbasierten Bauen Digital Portal Bild 7: Detailauswertung Betonmehrverbrauch Soll/ Ist Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Baustellenpersonal, konnten inzwischen mehr als 150 Visualisierungen zur Identifikation des Qualitätszustandes, der Leistung aber auch der Optimierungspotentiale erstellt werden. Vorteil dieser standardisierten, gewerkebezogenen Visuals ist die Nutzung dieser Auswertungen auf den Folgeprojekten. Bei Beginn der Baustelle stehen dem Baustellenpersonal sofort die unterschiedlichsten Detailauswertungen zur Verfügung. Durch diese zeitnahe Visualisierung wird der Entscheidungsprozess signifikant beschleunigt. Die frühzeitige Vermeidung von Fehlerkosten stellt hier einen wichtigen Aspekt zur wirtschaftlichen und qualitativ hochwertigen Ausführung dar. 4. Weitergehende Nutzung der Informationen aus dem Bauprozess im BIM und GIS Prozess Die erzeugten Daten stehen aber nicht nur der Bauausführung, sondern auch zur weiteren Nutzung für nachlaufende Prozesse wie Dokumentation oder zur Nutzung der Daten im weiteren Lebenszyklus der Projekte zur Verfügung. Das automatisierte Übergeben von Daten in die BIM Modelle der Konstruktionsabteilung oder die Übergabe an Daten in GIS Systeme zu Dokumentationszwecken stellen einen Mehrwert nicht nur für den Auftragnehmer, sondern in zunehmendem Maße auch für den Auftraggeber dar. Bild 8: georeferenzierte Dokumentation der Soll- und Ist-Geometrie und der dazugehörigen Dokumente in einer GIS Datenbank 5. Zusammenfassung Die strukturierte und zentralisierte Informationshaltung von Bauproduktionsdaten ermöglicht eine standardisierte Analyse der Prozesse und der Produktqualität. Diese Analysen können sowohl zur Effektivitätssteigerung bei der Erstellung der Herstelldokumentation, zur Leistungsoptimierung und zur zeitnahen Entscheidungsfindung am laufenden Projekt verwendet werden. Die strukturierte Auswertung der Daten kann langfristig die Grundlage für eine detailliertere Abschätzung der Herstellparameter darstellen und trägt somit zur Reduzierung des Projektrisikos bei der Einschätzung von Leistung, Produktqualität und Prozessabfolgen bei. Folglich müssen Produktionsinformationen in einem modernen Bauunternehmen als Teil der Wertschöpfungskette erkannt und als eine weitere Stufe der Professionalisierung sinnvoll verwendet werden.