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Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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2022
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Probalistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften - Konzept und Beispiele

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2022
Andreas Witty
Andres Pena Olarte
Roberto Cudmani
In diesem Beitrag werden die Ursachen von Unsicherheiten von Baugrundmodellen erläutert und ein Konzept für die Berücksichtigung dieser Unsicherheiten mittels probabilistischer Baugrundmodellierung vorgestellt. Ziel des probabilistischen Ansatzes ist es, ein Fachmodell „Baugrund“ für BIM zu erstellen, bei dem die Unsicherheiten des Schichtenaufbaus (räumlich) und der dazu gehörigen Baugrundeigenschaften (parametrisch) quantifiziert werden. Das ermöglicht, die Risiken bei der Planung und Ausführung von Bauwerken statistisch zu bewerten. In einer Fallstudie wird beispielhaft anhand von 6 Drucksondierungen eine geostatistische Methode demonstriert, mit der die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten einer bestimmten Bodenart und die Entropie bzw. die Güte der Klassifizierung räumlich quantifiziert werden. Die exemplarischen Untersuchungen zeigen das große Potential und Vorteile dieser Methodik der Baugrundmodellierung im Vergleich zur herkömmlichen deterministischen Vorgehensweise. Für ihre Umsetzung in der Praxis sind weitere Entwicklungen erforderlich, die in einem kurzen Ausblick umrissen werden.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 51 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften - Konzept und Beispiele M.Sc. Andreas Witty Technische Universität München, München, Deutschland Dr.-Ing Andres Pena Olarte Technische Universität München, München, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Roberto Cudmani Technische Universität München, München, Deutschland Zusammenfassung In diesem Beitrag werden die Ursachen von Unsicherheiten von Baugrundmodellen erläutert und ein Konzept für die Berücksichtigung dieser Unsicherheiten mittels probabilistischer Baugrundmodellierung vorgestellt. Ziel des probabilistischen Ansatzes ist es, ein Fachmodell „Baugrund“ für BIM zu erstellen, bei dem die Unsicherheiten des Schichtenaufbaus (räumlich) und der dazu gehörigen Baugrundeigenschaften (parametrisch) quantifiziert werden. Das ermöglicht, die Risiken bei der Planung und Ausführung von Bauwerken statistisch zu bewerten. In einer Fallstudie wird beispielhaft anhand von 6 Drucksondierungen eine geostatistische Methode demonstriert, mit der die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten einer bestimmten Bodenart und die Entropie bzw. die Güte der Klassifizierung räumlich quantifiziert werden. Die exemplarischen Untersuchungen zeigen das große Potential und Vorteile dieser Methodik der Baugrundmodellierung im Vergleich zur herkömmlichen deterministischen Vorgehensweise. Für ihre Umsetzung in der Praxis sind weitere Entwicklungen erforderlich, die in einem kurzen Ausblick umrissen werden. 1. Einleitung Die Ermittlung des Baugrundaufbaus ist deshalb schwierig, weil die geologische Entstehung und die anthropogenen Einflüsse, die zur Veränderung des natürlichen Baugrunds geführt haben, oftmals nur in groben Zügen bekannt sind. Den räumlichen Verlauf der Bodenschichten zu prognostizieren und die Unsicherheiten dieser Prognose im Hinblick auf die Planung und Ausführung von Baumaßnahmen zu quantifizieren und zu bewerten, ist Aufgabe von Ingenieurgeologen und Geotechnikern. Da ein räumliches Baugrundmodell u.a. durch Interpolation der Ergebnisse von punktuellen Aufschlüssen (Aufschlussbohrungen, Feld- und Laborversuche) entwickelt wird, ist es stets mit Unsicherheiten behaftet. Dabei ist zwischen Unsicherheiten im Baugrundaufbau und Unsicherheiten in den Bodeneigenschaften zu unterscheiden. Die Unsicherheit des Baugrundaufbaus bezieht sich auf die Geometrie und kann durch geostatistische oder stochastische Verfahren modelliert werden. Die Unsicherheit in den Bodeneigenschaften betrifft die zu erwartende Streuung der Bodenkenngrößen innerhalb der Bodenschichten und kann mit datenbasierten Verfahren quantifiziert werden. In diesem Beitrag soll ein Weg in die digitale Zukunft der geotechnischen Baugrundmodellierung aufgezeigt werden. Fortschritte bei der Digitalisierung und die Etablierung von Datenaustauschformaten ermöglichen es heutzutage, auch im Bereich der Geotechnik Datensammlungen zu erstellen und datenbasierte bzw. implizite Modellierungsansätze und Analysen zu entwickeln [1]. Bei der impliziten Baugrundmodellierung werden z.B. Schichtgrenzen nicht per Hand (=explizit), sondern automatisiert aus den geodätischen und Baugrunderkundungsdaten gezeichnet. Dadurch können neue Daten jederzeit hinzugefügt werden und die Modelle angepasst bzw. präzisiert werden. Aufschlüsse in Boden und Fels stellen Stichproben dar, die nur Wahrscheinlichkeitsaussagen zu den dazwischenliegenden Bereichen zulassen [2]. Mit dem Einsatz geostatistischer Methoden können Bohrungen und Sondierungen zwischen den Aufschlusspunkten auf einer mathematischen und physikalischen Grundlage interpoliert 52 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften werden. Dabei können Markov Ketten Monte Carlo (MCMC) bzw. Simulationsmethoden zur Quantifizierung der Unsicherheit der interpolierten Größen eingesetzt werden. Für den Einsatz dieser Methoden sind Voxel- (= Volume Pixel) bzw. Blockmodelle, bei denen der Baugrund ähnlich wie ein zweidimensionales digitales Foto in Pixel bzw. in dreidimensionale Voxel-Blöcke (Volume Pixel) unterteilt wird, gegenüber Schichtmodellen, bei denen der Baugrund in Schichten dargestellt wird, deutlich vorteilhafter. Diesen Blöcken können Informationen zur Bodenzusammensetzung und -eigenschaften sowie zur entsprechenden Unsicherheit zugeordnet werden. Die im Folgenden beschriebene Methodik ermöglicht, eine probabilistische Betrachtung des Baugrunds, indem Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten einer bestimmten Bodenzusammensetzung (Bodenschicht) und bestimmter Baugrundeigenschaften berechnet werden. In diesem Beitrag werden zunächst die Begrifflichkeit und das Konzept der probabilistischen Baugrundmodellierung erläutert. In Fallbeispielen wird anschließend die praktische Umsetzung des beschriebenen Konzepts beispielhaft gezeigt. Insbesondere wird dabei auf die digitale räumliche Repräsentation von Bodenschichten als Blockbzw. Voxelmodell eingegangen. 2. Baugrundmodellierung 2.1 Unsicherheiten bei der räumlichen Verteilung der Bodenschichten und der zugehörigen Eigenschaften Die Erstellung von Baugrundmodellen anhand von Daten aus Feld- und Laboruntersuchungen unterliegt Unsicherheiten. Die Unsicherheit beschreibt dabei den Mangel an Sicherheit bezüglich der Beschaffenheit des Baugrunds und seiner (geotechnischen) Eigenschaften. Sie resultiert aus der natürlichen, geologisch bzw. anthropogen bedingten Heterogenität des Untergrunds und ist zunächst weitgehend unbekannt. Aufschlüsse, z.B. Aufschlussbohrungen, führen zu einer Reduktion der Unsicherheit [3][4]. In Anlehnung an den Eurocode 7 ist der Baugrund in Bodenschichten bzw. Homogenbereichen einzuteilen, die geotechnisch zu charakterisieren sind. Die entstehenden Modellierungsunsicherheiten haben unterschiedliche Ursachen, die im Folgenden genauer aufgeschlüsselt werden sollen. Zunächst wird der Modellierungsprozess betrachtet und auf die Quellen der Unsicherheit eingegangen. Für die Analyse und Kommunikation der Unsicherheiten wird allerdings ein vereinfachtes Konzept vorgeschlagen, das anschließend hergeleitet wird. Unsicherheiten beim Prozess der deterministischen und probabilistischen Modellierung des Baugrunds können nach [5] in drei Aspekte unterschieden werden (vgl. Abb. 4) (a) die technologische Unsicherheit, die durch die Mess-/ Beobachtungsgüte bzw. Aufschlussdichte, Zusammenfassung lithologischer bzw. stratigraphischer Einheiten und die Zuordnung entsteht. (b) die methodologische Unsicherheit, die durch die Interpretation der Aufschlüsse (z.B. Stratigraphie) und Messergebnisse entsteht. Ebenso zählt die Methode der Modellierung dazu (z.B. lineare Interpolation, Kriging, geostatistische Simulation etc.). (c) die epistemische Unsicherheit entsteht bei der Beurteilung des Modells hinsichtlich Validität und Vollständigkeit sowie der Bestimmbarkeit der verbleibenden Unsicherheit. Zu den Validierungsmethoden zählt z.B. die visuelle Validierung, die Kreuzvalidierung oder die Validierung der geostatistischen Modelle. Allerdings kann keine Validierungsmethode die umfassende Richtigkeit des Modells gewährleisten. Der subjektive Einfluss des Baugrundgutachters auf die Unsicherheit ist insbesondere bei der Interpretation bzw. Modellierung des Baugrunds und der Beurteilung des Modells am deutlichsten. Abb. 1: Unsicherheiten im Baugrundmodellierungsprozess (verändert nach [5]). Ein Bewusstsein für die Unsicherheiten in jedem Prozessschritt ist erforderlich, um diese konsequent zu reduzieren und ein möglichst zutreffendes Modell bzw. Prognose zu erstellen. Die aufgezählten Ursachen von Unsicherheiten in den einzelnen Prozessschritten der Modellierung führen zu einem unsicheren Modell. Zwar tragen auch Messfehler zur Prognose der Variabilität von Kennwerten bei, werden aber im Folgenden nicht weiter berücksichtigt, da die Ursachen vielfältig und systematisch sein können; sie übersteigen den Rahmen dieses Beitrags. Für die Abbildung der Unsicherheit im Modell wird vorgeschlagen, eine Unterscheidung in parametrische und räumliche Unsicherheit vorzunehmen (vgl. Abb. 2). Ziel der probabilistischen Baugrundmodellierung ist, die räumliche Variabilität des Schichtenaufbaus und die parametrische Variabilität der zugehörigen physikalischen 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 53 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften und geotechnischen Eigenschaften zu analysieren und abzubilden. Dieser Ansatz, die Unsicherheiten zu quantifizieren, ermöglicht es, den Erkenntnisstand klarer zu kommunizieren und Risiken in der Planung und im Bauprozess besser zu managen. Abb. 2: Zuordnung von Blöcken im 3D-Modell zu einer Verteilung der Attribute (verändert nach [4]). Für die hier vorgeschlagene probabilistische Baugrundmodellierung wird - wie oben erläutert - zwischen räumlicher und parametrischer Unsicherheit unterschieden. Kennwerte aus Feld- und Laborversuchen werden den Bodenschichten zugeordnet. Baugrunderkundungsdaten lassen sich nach [5] mit folgenden Attributen charakterisieren: - multivariat, - unsicher, - zu wenig, - standortspezifisch, - unvollständig und - fehlerhaft. Um aus solchen Daten Konfidenzintervalle und charakteristische Werte abzuleiten, können Methoden wie Bayes’sches maschinelles Lernen eingesetzt werden. Eine Bayes‘sche Methode, wie z.B. in [5] beschrieben wird, ermöglicht die Quantifizierung der Unsicherheiten und durch Kombination (Hybridisierung) mit einer allgemeinen Datenbank auch dann Prognosen, wenn an einem Projektstandort wenige Daten zur Verfügung stehen. Sind redundante Daten am Standort mit geringer Streuung verfügbar, werden die projektspezifischen Daten stärker gewichtet. Bei großer Streuung der Versuchsergebnisse in einem Projekt basiert die Prognose auf der allgemeinen Datenbank (vgl. Abb. 3). Zusammenfassend ist das Ziel der probabilistischen Baugrundmodellierung den Modellierungsprozess basierend auf Daten und Methoden zu verbessern und zu objektivieren. Dafür sollen datenbasierte Interpretationsmethoden, wie beispielsweise Geostatistik, Bayes’sches Lernen, Clustering Algorithmen usw., eingesetzt werden. Im Gegensatz zu überwiegend manueller, deterministischer (expliziter) Baugrundmodellbildung sollen implizite Modellierungsansätze ermöglichen, die Modelle ausschließlich auf Basis von Daten zu erstellen. Durch Kreuzvalidierungen werden einzelne Daten aus dem Datensatz entfernt und die Prognosefähigkeit des Modells überprüft bzw. das erstellte Modell validiert. Neben der Quantifizierung der Unsicherheiten soll die probabilistische, implizite Baugrundmodellierung die automatisierte Erstellung von Bemessungsmodellen und Einbindung des Baugrunds in BIM ermöglichen, da diese Art der Modellierung der Common Data Philosophie von BIM entspricht. Abb. 3: Hybridisierung der standortspezifischen und der allgemeinen Verteilung a) wenige Daten sind am Projektstandort verfügbar und die Streuung ist groß, b) am Projektstandort sind viele Daten verfügbar und die Streuung ist gering (verändert nach [5]). 2.2 Bestimmung der räumlichen Unsicherheit mit Geostatistik - Interpolation und Simulation Üblicherweise werden in der Baupraxis zweidimensionale deterministische Baugrundschichtmodelle erzeugt, die zumeist händisch oder mit kommerziellen Softwareprodukten erstellt werden können. Die Vorteile von solchen Schichtmodellen liegen in der intuitiven Verständlichkeit, der schnellen Kommunikation und der eindeutigen Aussage, die aus einem solchen Modell abgeleitet werden können. Im Gegensatz dazu ermöglichen es Blockmodelle nicht nur Schichten, sondern auch Baugrundeigenschaften räumlich zu modellieren und die Unsicherheiten im Modell zu bestimmen. Einen weiteren Vorteil bieten Blockmodelle bei der Automatisierung von Workflows, da manuelle Eingriffe bei der Erstellung räumlicher Interpretationen entfallen. Schwierigkeiten bereiten geologische Situationen mit stark ausgeprägtem 54 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften Relief, variierenden Verwitterungstiefen, Diskordanzen oder Verwerfungen. Vorteilhaft sind Blockmodelle auch, wenn nur wenige Aufschlüsse vorhanden sind, die nur mithilfe der Erfahrung eines Experten (A-priori Wissen) überhaupt interpretiert werden können. Abb. 4: Arbeitsschritte der probabilistischen 3D-Baugrundmodellierung und Bestimmung der räumlichen Unsicherheit. Eine Voraussetzung für die Einführung der Daten basierten impliziten probabilistischen 3D Modellierung des Baugrunds ist das Vorliegen von digital strukturierten Daten. In die Praxis ist der Austausch von Labor und Feldversuchsdaten in Form nicht automatisiert einlesbarer PDF-Formate immer noch üblich. Der Weg bis zu einer vollständigen Digitalisierung ist leider noch weit. Sind die Daten aus der Baugrunderkundung digital verfügbar, kann die probabilistische Baugrundmodellierung für BIM beginnen. In [6] wurde eine Übersicht über verfügbare Software zur Baugrundmodellierung erstellt. Alle vorgestellten Softwareprodukte ermöglichen die Modellierung von Flächen, wobei kein Produkt für die Quantifizierung der Unsicherheiten besonders geeignet ist. Im Folgenden soll ein Ansatz vorgestellt werden, der nur auf Open Source Software basiert und die Bestimmung der räumlichen Unsicherheiten ermöglicht. Zunächst muss die Autokorrelationsstruktur im Modellgebiet ermittelt werden, dann kann der wahrscheinlichste Baugrundaufbau mittels Geostatistik interpoliert und zum Beispiel mittels Markov Ketten oder Sequenzieller Gauß’scher Simulation die räumlichen Unsicherheiten bestimmt werden. Für die Ermittlung der Korrelationslängen eignen sich räumlich verortete Variablen bzw. Daten derselben Kategorie, die im Modellgebiet räumlich verteilt und in großer Anzahl verfügbar sind. Eine gute Voraussetzung bieten Ramm- oder Drucksondierungen aber auch Aufschlussbohrungen an. Um das wahrscheinlichste Modell zu bestimmen, wird das Kriging-Interpolationsverfahren eingesetzt. Das Verfahren ist durch [7] nach dem südafrikanischen Bergbauingenieur und Begründer der Geostatistik Daniel Krige benannt. Zunächst müssen die Daten Trend-bereinigt und in eine Standardnormalverteilung transformiert werden. Rammsondierungen beispielsweise besitzen einen vertikalen Trend durch die Mantelreibung des Gestänges, der entfernt werden muss. Die bereinigten Daten müssen dann in die Gauss’sche Standardnormalverteilung mit dem Mittelwert 0 und der Standardabweichung 1 transformiert werden. Dafür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: folgen die Daten einer Verteilungsfunktion z.B. der (Log-) Normalverteilung, können sie direkt transformiert werden, ansonsten stehen Methoden wie die Box-Cox, Johnson, Johnson-Yeo oder Quantil-Quantil Transformation (vgl. Abb. 5) zur Verfügung. Abb. 5: Trendbereinigung und Transformation in Normalverteilung am Beispiel einer Drucksondierung. a) Profil über die Tiefe; b) kumulative Häufigkeit. Bei Aufschlussbohrungen wird teilweise die Bodenansprache anstelle von Messwerten verwendet. Dabei werden Bodeneigenschaften (Konsistenz, Zementie- 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 55 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften rung, etc.) in binäre Indikatoren umgewandelt. Die Trendbereinigung und Transformation entfallen in diesem Fall. Die Grundlage der Modellierung bildet das sogenannte Semivariogramm, das die Varianz zweier Werte in Abhängigkeit von der räumlichen Distanz darstellt. Das experimentelle Semivariogramm wird aus den Daten berechnet, indem die Varianzen von allen Datenpunkten für unterschiedliche Abstände berechnet werden. Gerichtete geologische Prozesse (z.B. Sedimentation, Erosion) führen zu anisotropen Lagerungsverhältnissen, daher werden zwei experimentelle Semivariogramme in horizontaler Richtung (längs/ quer) und eines in vertikaler Richtung benötigt. Um im Modellraum an allen beliebigen Punkten einen Wert interpolieren zu können, muss an das experimentelle Semivariogramm ein theoretisches Semivariogrammmodell angepasst werden, das durch eine mathematische Funktion definiert ist (z.B. sphärische, exponentielle oder Gauss’sche Funktion). Abb. 6: a) exponentielles Semivariogramm und schematische Darstellung des Semivariogramms der Kriginginterpolation b) Semivariogramm einer Realisation (verändert nach [8]). Abb. 7: Querschnitt mit sieben Drucksondierungen, Darstellung des Spitzendrucks [MPa] a) Kriging Interpolation; b) Erwartungswert nach 500 zufälligen Simulationen c) Beispiel für eine zufällige Simulation. 56 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften Nun wird ein Gitter definiert, das den Mittelpunkten der einzelnen Blöcke im Blockmodell entspricht. Die Größe der einzelnen Blöcke wird entsprechend dem Semivariogrammmodell und der baupraktischen Relevanz gewählt. Zu große Blöcke führen zu einer übermäßigen Verallgemeinerung der Baugrundverhältnisse, zu kleine Blöcke erfordern große Rechenkapazitäten und Speicherplatz. Sobald ein Blockmodell mit den geometrischen Parametern erstellt wurde, kann die Kriginginterpolation gestartet werden (Abb. 7a). Diese minimiert mithilfe eines entsprechend gewählten Semivariogrammmodells den Schätzfehler für jeden Block und ermöglicht die Bestimmung von Werten im unbeprobten Raum. Um die Unsicherheit zu quantifizieren, wird anschließend eine stochastische Modellierung (Simulation) durchgeführt. Die Simulation von zufälligen Feldern bzw. Realisationen [9] ermöglicht es, die bekannten Datenpunkte zu berücksichtigen, die Heterogenität des Baugrunds zu erfassen und die betrachteten Baugrundeigenschaften zu simulieren. Für die Simulation werden für alle Blöcke im Modell in einer zufälligen Reihenfolge nacheinander Werte mittels Kriging berechnet und eine zufällige Stichprobe aus der Verteilung mit der lokalen Krigevarianz gezogen. Werden viele Realisationen berechnet, nähert sich der Mittelwert der Schätzung des einfachen Krigings an (Abb. 7b). Die mit dem quelloffenem Werkzeug von [10] simulierten Realisationen werden nun rücktransformiert und für jeden Block kann für die entsprechende Baugrundeigenschaft eine Häufigkeitsbzw. Wahrscheinlichkeitsverteilung berechnet werden. Abb. 6: a) exponentielles Semivariogramm und schematische Darstellung des Semivariogramms der Kriginginterpolation b) Semivariogramm einer Realisation (verändert nach [8]). Um im Modellraum an allen beliebigen Punkten einen Wert interpolieren zu können, muss an das experimentelle Semivariogramm ein theoretisches Semivariogrammmodell angepasst werden, das durch eine mathematische Funktion definiert ist (z.B. sphärische, exponentielle oder Gauss’sche Funktion). Die berechneten Realisationen (vgl. Abb. 7c) können auch zur Berechnung von Versagenswahr-scheinlichkeiten mit der Stochastic bzw. Random Finite Elemente Methoden verwendet werden. Abb. 8: Querschnitt mit sieben Drucksondierungen, Darstellung des Varianz [MPa] a) Krige Varianz berechnet bei der Schätzung; b) Varianz nach 500 zufälligen Simulationen. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 57 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften Die Unsicherheiten können dann mit unterschiedlichen Methoden ausgewertet werden. In Abb. 8a wird die Krigevarianz dargestellt. Diese ist insbesondere vom Abstand zu den Sondierungen abhängig. Ebenso kann auch die Varianz aus den Realisationen berechnet werden. Damit das Ergebnis stationär wird, müssen sehr viele zufällige Realisationen simuliert werden. Die Auswertung ist in Abb. 8b dargestellt. Im Beispiel in Abb. 9a wurden Mantelreibungsverhältnis und Spitzendruck verwendet, um den Baugrund in Bodenarten bzw. Bodenverhaltenstypen einzuteilen [11]. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Block einem anderen Bodenverhaltenstyp zugeordnet werden muss, kann nun anhand der Häufigkeitsverteilung berechnet werden (vgl. Abb. 9b). Neben der Varianz ist die Shannon-Entropie [12] ein geeignetes und häufig verwendetes Maß, um die Prognosesicherheit für einen bestimmten Homogenbereich darzustellen. Die Entropie H berechnet sich als Summe der Produkte der Auftretenswahrscheinlichkeit pi der N Bodenschichten und dessen Logarithmus: (1) Die Entropie ist gering, wenn keine Unsicherheit hinsichtlich der Klassifizierung des Bodens in einer bestimmten Bodenschicht vorliegt. Bei hohen Entropiewerten ist die Klassifizierung nicht eindeutig und eine falsche Prognose wahrscheinlicher. Die berechnete Entropie für das Beispiel wird in der folgenden Abb. 9c dargestellt. Bodenverhaltenstyp (SBT nach [11]); b) Wahrscheinlichkeit für Bodenverhaltenstyp 4 Ton bis schluffiger Ton; c) Normalisierte Entropie. Abb. 9: Querschnitt mit sieben Drucksondierungen, Auswertung nach 500 zufälligen Simulationen a) häufigster 58 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften 3. Baugrundmodelle in BIM Der Begriff BIM beschreibt eine Methode, aber keinen Standard. Im Rahmen des schweizerischen Innosuiss Projekts des Schweizer Geologenverbands [13] ist eine Open Source Software in Entwicklung, mit der Blockmodelle in BIM übertragen werden können. Das Vxl2ifc Programm ermöglicht die Transformation von Voxelgeometrien bzw. Blockmodellen in das IFC-Format. Das IFC Datenmodell (Industry Foundation Classes) wird von buildingSMART [14] als offener und offizieller Standard ISO 16739: 2013 entwickelt, der den Austausch zwischen verschiedenen BIM Programmen ermöglicht. Der große Vorteil von IFC liegt in der hohen Kompatibilität mit vielen Software Produkten. Im IFC Datenmodell werden bisher nur wenige Eigenschaften für eine Klasse bzw. für ein Baugrundmodell vordefiniert. Durch die Erweiterung mit Property Sets können lokale, regionale und nationale Spezifika definiert werden. Die Property Sets sollten vorab entsprechend der Informationsanforderungen der DIN 18300 [15] bzw. DIN EN 1997-1 [16] definiert werden, um für jeden Block die Eigenschaften aus der geostatistischen Modellierung und statistischen Auswertung zuweisen zu können. In IFC können Entropie, Konfidenzintervalle, Bandbreiten und Wahrscheinlichkeiten als zusätzliche Attribute den Blöcken zugeordnet werden [17]. Tab. 1: Beispielhafte Tabelle für die Erstellung einer IFC-Datei mit VLX2IFC [17]. Koordinaten [ X | Y | Z ] Bodenschicht [ - ] Normalisierte Entropie [ - ] Weitere Attribute 12 | 40 | 19 SBT_1 0,3 … 15 | 40 | 19 SBT_2 0,6 … Die Informationen, die bei der Modellierung jedem einzelnen Block zugeordnet wurden, können so in BIM-Viewern angezeigt werden. Die BIM-Viewer sind allerdings nicht auf dem gleichen technischen Stand. Zum Beispiel können nur wenige BIM-Viewer die einzelnen Blöcke thematisch einfärben, um unterschiedliche Homogenbereiche und Unsicherheiten darzustellen. Je nach Hersteller sind die BIM-Viewer von großen Modellen überfordert. Analysefunktionen wie die thematische Einfärbung oder Schnitterstellung sind nur ansatzweise oder meist gar nicht in gängigen BIM-Viewern verfügbar. Zur Lösung dieser Probleme arbeiten mehrere Arbeitsgruppen von building SMART [14] an einer Weiterentwicklung des IFC-Formats. Zu den Weiterentwicklungen zählen effizientere Datenschemata für Blockmodelle wie z.B. Octrees, oder die Einführung von Geotechnischen Elementen, Anordnungen, Schnitten und Bohrprofilen. [13] 4. Fazit und Ausblick Angaben zur Prognoseunsicherheit hinsichtlich des Baugrundaufbaus und der Baugrundeigenschaften sind eine ebenso wichtige Information für die Planung, Bemessung und Ausführung von Bauwerken, wie die Prognose selbst. Heutzutage gängige Methoden sind nur bedingt für die Quantifizierung und Darstellung von Unsicherheiten geeignet. Die Digitalisierung der Baugrunderkundungsdaten macht es umso dringlicher, implizite Modellierungsmethoden weiterzuentwickeln und zu implementieren, um Unsicherheiten quantifizieren und kommunizieren zu können. In diesem Beitrag wurden anhand von Drucksondierungen Methoden der Geostatistik und der statistischen Simulation beispielhaft vorgestellt. Es stehen verschiedene Maßzahlen für die Bewertung der unterschiedlichen Aspekte der Unsicherheit zur Verfügung, z.B. Kriging Varianz, Simulationsvarianz und Entropie. Die Krigingvarianz ist nur vom Abstand zum nächsten Aufschlusspunkt abhängig. Durch die geostatistische Simulation können verschiedene Baugrundmodelle ermittelt werden, die z.B. bei probabilistischen Grenzzustandsanalysen mit der Random-Finite-Elemente-Methode verwendet werden können. Der Mittelwert einer hohen Anzahl von zufälligen Realisationen nähert sich der Interpolation von einfachem Kriging an. Anhand der simulierten Realisationen des Baugrunds können die Varianz, die Wahrscheinlichkeit für einen Homogenbereich und die Entropie räumlich berechnet werden, die ein Maß für die Güte der Prognose darstellt. Ein Datenaustausch zwischen einem probabilistischen Baugrundmodell und BIM ist im Prinzip mittels IFC Format bereits möglich. Allerdings sind die Visualisierungsmöglichkeiten und Analysefunktionen der gängigen BIM-Viewer im Vergleich zu Geoviewern oder anderer Visualisierungs-/ Analysesoftware bisher sehr begrenzt. In Zukunft soll anhand von Fallbeispielen die Eignung weiterer Methoden für die Quantifizierung der Baugrundunsicherheiten überprüft werden. Die Auswahl geeigneter Validierungsmethoden ist geplant, da sie eine Voraussetzung für die Etablierung der vorgestellten Methode darstellen. Bei der Kreuzvalidierung z.B. werden Teile des Datensatzes entfernt, um die Prognose anhand der entfernten Daten zu überprüfen. Des Weiteren sollen verschiedene Modellierungsbzw. Simulationsmethoden im Hinblick auf die Prognosefähigkeit und Eignung zur Quantifizierung von Unsicherheiten verglichen werden. Die Methodik für die Quantifizierung der Unsicherheit von Bodenkennwerten und die Fusion mit dem 3D-Baugrundmodell ist Gegenstand unserer aktuellen Forschung. Auf der Basis von open source Standards und Programmen sollen zudem flexible Analysen- und Visualisierungswerkzeuge für die Praxis entwickelt werden. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 59 Probabilistische Baugrundmodellierung für BIM unter Berücksichtigung der Unsicherheiten im Baugrundaufbau und den Bodeneigenschaften Literatur [1] Olaf Möller und Klaus-Peter Mahutka: BIM in der Geotechnik - Konzeptpapier 10. Buxtehude: hochschule 21 2018, S. 1-18. [2] DIN 4020: 2010-12, Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke - Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-2, Berlin. [3] Gregory Baecher und John Christian: Reliability and statistics in geotechnical engineering. Chichester: Wiley 2003, S. 1-616. [4] Hui Wang, Xiangrong Wang und Robert Liang: Study of AI Based Methods for Characterization of Geotechnical Site Investigation Data. Ohio: Federal Highway Administration 2020, S.1-51. [5] Jianye Ching und Kok-Kwang Phoon: Constructing a Site-Specific Multivariate Probability Distribution Using Sparse, Incomplete, and Spatially Variable (MUSIC-X) Data. In: J. Eng. Mech. 3/ 2020, S. 1-15. [6] Dominik Stütz und Markus Herten: Evaluation von Software zur Generierung von Baugrundschichtenmodellen. In: Geotechnik 4/ 2020, S. 275-282. [7] Georges Matheron: Les variables régionalisées et leur estimation une application de la théorie des fonctions aléatoires aux sciences de la nature. Paris: Masson 1965, S. 1-305. [8] Melanie Jackson: Implizite Baugrundmodellierung unter Berücksichtigung der räumlichen Unsicherheiten anhand von Praxisbeispielen. München: Masterarbeit - Technische Universität München, 2021, S. 1-119. [9] Erik Vanmarcke: Random Fields. Cambridge: MIT Press 2010, S. 1-382. [10] GeostatsPy: Geostatistical Library in Python. 1.0.0, 2021. [Online]. Verfügbar unter: https: / / github. com/ GeostatsGuy/ GeostatsPy [11] Peter Robertson: Cone penetration test (CPT)-based soil behaviour type (SBT) classification system — an update. In: Can. Geotech. J. 12/ 2016, S. 1910-1927. [12] Claude Shannon: A Mathematical Theory of Communication. In: Bell System Technical Journal 3/ 1948, S. 379-423. [13] Oliver Schneider, Lukas Schildknecht, Stefan Volken, Michael Köbberich und Philip Wehrens: Ergebnisbericht Arbeitspaket 1. Grundlagen BIM- Methode (Virtual Design and Construction). Bern: Innovationsprojekt GEOL_BIM 2021, S. 1-63. [14] buildingSMART International, [Online]. Verfügbar unter: https: / / www.buildingsmart.org/ (Zugriff am: 28. Oktober 2021). [15] DIN 18300: 2019-09, VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen_- Teil_C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen_(ATV)_- Erdarbeiten, Berlin. [16] DIN EN 1997-1: 2014-03, Eurocode_7_- Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik_- Teil_1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN_1997-1: 2004_+ AC: 2009_+ A1: 2013, Berlin. [17] Innosuisse Innovationsprojekt GEOL_BIM, Vxl2ifc. [Online]. Verfügbar unter: https: / / gitlab. com/ CHGEOL/ geol_bim-vxl2ifc (Zugriff am: 28. Oktober 2021).