eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten

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2022
Mirna Mamar Bachi
Die Einführung von BIM und die damit verbundene Digitalisierung der Bauprozesse spielt heute eine sehr wichtige Rolle in der Abwicklung von Spezialtiefbauprojekten. Mehrere Projekte von Züblin Spezialtiefbau haben bereits von der Nutzung von BIM auf der Baustelle profitiert. In diesem Beitrag wird insbesondere auf die BIM-Anwendungsfälle beim Projekt S21, Los Flughafentunnel, eingegangen. Nach der Vorentwicklung und dem Aufbau einer webbasierten Lösung konnte das Projektteam in der Ausführungsphase direkt und aktiv in die Digitalisierungs- und BIM-Prozesse eingebunden werden. Aufgaben wie die wöchentliche Planung und Überwachung der Bauarbeiten sowie die Auswertung der Produktionsdaten konnten digital und mit Hilfe von 3D-Modellen durchgeführt werden. Dieser Bericht beleuchtet auch die Herausforderungen, die während der Umsetzung aufgetreten sind, sowie einige der wichtigsten Rückmeldungen von Bauleitern und gewerblichem Personal.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 61 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten M.Sc. M.Sc. Mirna Mamar Bachi Züblin Spezialtiefbau GmbH, Stuttgart, Deutschland Zusammenfassung Die Einführung von BIM und die damit verbundene Digitalisierung der Bauprozesse spielt heute eine sehr wichtige Rolle in der Abwicklung von Spezialtiefbauprojekten. Mehrere Projekte von Züblin Spezialtiefbau haben bereits von der Nutzung von BIM auf der Baustelle profitiert. In diesem Beitrag wird insbesondere auf die BIM-Anwendungsfälle beim Projekt S21, Los Flughafentunnel, eingegangen. Nach der Vorentwicklung und dem Aufbau einer webbasierten Lösung konnte das Projektteam in der Ausführungsphase direkt und aktiv in die Digitalisierungs- und BIM-Prozesse eingebunden werden. Aufgaben wie die wöchentliche Planung und Überwachung der Bauarbeiten sowie die Auswertung der Produktionsdaten konnten digital und mit Hilfe von 3D-Modellen durchgeführt werden. Dieser Bericht beleuchtet auch die Herausforderungen, die während der Umsetzung aufgetreten sind, sowie einige der wichtigsten Rückmeldungen von Bauleitern und gewerblichem Personal. 1. Einführung Die Vorteile der BIM-Implementierung in der Spezialtiefbauindustrie werden seit kurzem immer deutlicher. Einige Innovationen werden bereits seit einigen Monaten auf verschiedenen Baustellen entwickelt und eingeführt und haben daher bereits einen guten Reifegrad erreicht. In vielen Fällen sind die Rückmeldungen der Mitarbeiter bereits in die aktuellen Lösungen eingeflossen und die Einstellung der Bauleiter und Mannschaften ist insgesamt positiv und kann mit der in [1] beschriebenen „Erkenntnisphase“ (Phase 6 in Abbildung 1) in Verbindung gebracht werden. Bei Züblin Spezialtiefbau ist dies z.B. der Fall bei der Nutzung von BIM-Modellen zur Überwachung des Bauprozesses und zur digitalen Erfassung von Produktionsdaten [2]. Natürlich ist der Weg zu einer vollständigen Integration und Konsolidierung (Phase 7 in Abbildung 1) noch lang und beinhaltet Stolpersteine (Phase 6i), die die Vertrauen des Personals in die Digitalisierung plötzlich sinken lassen können. Abbildung 1: Übliche menschliche Verhalten in Bezug auf Veränderungen. Dies stellt ein Risiko des Veränderungsprozesses dar, insbesondere bei dem Versuch, neue Entwicklungen in bestehende Arbeitsabläufe zu integrieren oder bei der Migration zu effizienteren Technologien mit dem Ziel eines umfassenderen und breiteren Zugangs zu Projektinformationen und deren Nutzung. Diese Verhaltensänderungen haben die fortschreitende Digitalisierung der Spezialtiefbauarbeiten im Projekt Bahnprojekt Stuttgart- Ulm, Planfeststellungsabschnitt (PfA) 1.3a Flughafenanbindung geprägt. Beispielsweise wurden die digitalen Protokolle von Anfang an durch konstruktives Feedback aus dem Projektteam und von anderen Baustellen getestet und kontinuierlich verbessert. Nach mehr als einem Jahr stellen sie nun die Standardlösung für die Protokol- 62 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten lierung auf der Baustelle dar. In dieser Zeit wurden auch Methoden des Building Information Modeling (BIM) für die Baustelle entwickelt und konsequent umgesetzt. Aufgrund der positiven Ergebnisse aus diesen Praxiserfahrungen wurde beschlossen, BIM auch bei der PfA 1.3a Flughafenanbindung, insbesondere im Baufeld „EÜ Frauenbrunnen“, einzuführen. Neben der BIM-basierten Baufortschrittskontrolle, der Verknüpfung von zusätzlichen Produktionsdaten mit dem Modell und den daraus resultierenden Dashboards wurden neue Entwicklungen getestet und kritisch bewertet. Dies sind die teilautomatisierte Generierung eines 3D-Modells und der Einsatz eines BIM-basierten Wochenplans für die Poliere. Diese Anwendungsfälle werden in den folgenden Abschnitten zusammen mit den wichtigsten damit verbundenen Ergebnissen und Herausforderungen vorgestellt. 2. Beschreibung des Projekts 2.1 Bahnprojekt Stuttgart-Ulm as Bahnprojekt Stuttgart-Ulm ist derzeit eines der größten Infrastrukturprojekte in Deutschland. Die Umsetzung dieses Großprojekts ist mit vielen Veränderungen verbunden, die die Verkehrsinfrastruktur der Stadt Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg verbessern sollen. Der Gesamtumfang dieses Projekts, besser bekannt als Stuttgart S21, umfasst die folgenden Bauwerke: • Vier neue Bahnhöfe • 57 Kilometer neue Hochgeschwindigkeit Gleise • 59 Kilometer Tunnelbauwerke • 16 Tunnels und Durchlässe • 44 Brücken Das Gesamtprojekt wird in Planfeststellungsabschnitte (PfA) unterteilt, zu denen auch der Pfa 1.3a/ b Filderbereich und Flughafenanbindung gehört, der Gegenstand des vorliegenden Berichts ist. 2.2 PfA 1.3a Flughafenanbindung und Baufeld EÜ Frauenbrunnen Der Abschnitt PfA 1.3a beinhaltet den fünf Kilometer langen Teil der Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen- Ulm, den neuen Regional- und Fernbahnhof am Stuttgarter Flughafen mit zuführendem Tunnel sowie die Umverlegung der Landstraße 1204. Ziel ist es eine Verkehrsdrehscheibe zu schaffen, welche die Verkehrsmittel aus Straße, Schiene und Luft verbindet. Der Bauauftrag ist dabei in zwei Lose unterteilt. Das Baufeld EÜ Frauenbrunnen, in dem die oben genannten BIM-Lösungen getestet wurden, befindet sich im Westen von Los 1 direkt im Anschlussbereich zum PfA 1.2 (Abbildung 2) Abbildung 2: Lage Baufeld EÜ Frauenbrunnen innerhalb Los 1 Die Baugrube zeichnet sich durch eine komplexe Geometrie aus, die durch aufgelöste Bohrpfahlwand mit Spritzbeton, Trägerbohlverbau mit Ausfachung und bis zu 3 Ankerlagen unterstützt wird (Abbildung 3). Aus diesem Grund wurde sie ausgewählt, um das Potential der BIM Methode für komplexe Bauprojekte im Spezialtiefbau zu untersuchen. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 63 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten Abbildung 3: 2D Planübersicht der Gewerke auf dem Baufeld „EÜ Frauenbrunnen“ 3. Optimiertes Verfahren für die Erstellung des BIM-Modells Ein grundlegender Schritt eines jeden BIM-Projekts besteht in der Erstellung des BIM-Modells. Im Prinzip geschieht dies bereits in der Entwurfsphase und das resultierende Modell kann neben der Ableitung von 2D-Plänen auch in der Ausschreibung und später in der Ausführung verwendet werden. Trotz vieler Bemühungen der Institutionen [3] werden jedoch viele Projekte in Deutschland immer noch ohne BIM durchgeführt, so dass kein 3D-Modell für die Umsetzung von BIM auf der Baustelle zur Verfügung steht. In den Fällen, in denen BIM erst später eingeführt wird, ist es daher sehr wichtig, in kurzer Zeit ein Modell zu erstellen, das sich durch einen Detaillierungsgrad auszeichnet, der den auf der Baustelle zu realisierenden Anwendungsfällen entspricht. Abbildung 4: Fertiges 3D Spezialtiefbaumodell der Baugrube EÜ Frauenbrunnen Um die oben genannten Ziele zu erreichen und gleichzeitig den Modellierungsprozess effizienter und benutzerfreundlicher zu gestalten, hat Züblin Spezialtiefbau ein teilautomatisiertes Verfahren namens „Modellgenerator“ entwickelt. Die Idee für das Tool wurde nach der Einführung von BIM in verschiedenen Projekten geboren, um die Frage zu beantworten, wie die Nutzung von BIM und die Akzeptanz innerhalb der operativen Einheiten erhöht werden kann, auch wenn das Projekt eine kurze Laufzeit und eine begrenzte Zeit zwischen Vergabe und Mobilisierung hat. Das Tool wurde so einfach und intuitiv wie möglich konzipiert, damit auch Personal ohne vorherige Modellierungskenntnisse aus den zweidimensionalen Planungsunterlagen mit geringem Zeitaufwand und mit hoher Zuverlässigkeit ein 3D-Modell zur Anwendung auf der Baustelle generieren kann. Der Modellgenerator basiert auf Dynamo-Prozeduren mit zusätzlichen eingebundenen Python-Skripten, die mit Autodesk Revit und Kalkulationstabelle verknüpft sind. Ein Werkstudent ohne Erfahrung in der Modellierung wurde mit der Erstellung des Modells mit dem Modellgenerator eingesetzt. Er war im Baufeld Frauenbrunnen angestellt, um die Bauleitung bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Nach der teilautomatisierten Erzeugung wurde das resultierende 3D-Modell geprüft und verifiziert. Aufgrund der großen Unregelmäßigkeit der statischen Schnitte musste zum Beispiel die Ankerverschwenkung an einigen Stellen angepasst werden. Die Vorteile beim Einsatz des Werkzeugs wurden noch deutlicher, als sich die Planung der Baugrube im Laufe der Ausführung änderte. Mit geringem Aufwand konnte das Modell direkt vom Baustellenpersonal angepasst werden. Insgesamt wurden für die Erstellung und Aktualisierung des Modells ca. 4 Stunden bzw. 6 Stunden benötigt. Mit der Fertigstellung des Modells (Abbildung 4) konnten sich die Bauleiter eine bessere Vorstellung von den Dimensionen und Zusammenhängen des Bauprojekts machen. Zusätzlich zu diesem ersten 64 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten visuellen Überblick ermöglichte das Modell dem Bauleiter, eigene Schnitte und Ansichten zu erstellen oder Mengen abzuleiten. Darüber hinaus konnte es auch für die andere Anwendungsfälle in der Ausführung verwendet werden. 4. Umsetzung von BIM in der Ausführung 4.1 Plattform Umgebung Damit das Modell in der Ausführungsphase effektiv genutzt werden kann, muss eine klare Verbindung der 3D- Bauteile zu anderen Informationsquellen definiert und eingerichtet werden. Erst eine umfassende Sammlung von Geometrie- und Produktionsdaten mit den dazugehörigen Protokollen und Dokumenten würde das nötige Wissen liefern, um einen digitalen Zwilling dessen zu bilden, was geplant und gebaut wurde. Zu diesem Zweck bieten Cloudbasierte und kollaborative Plattformen derzeit mehrere Schnittstellen für den Datenaustausch mit kommerzieller Software und die notwendige Speicherkapazität für alle anfallenden Daten und Dateien. Der Vorteil und Erfolg solcher fortgeschrittenen Systeme hängt jedoch von der Gestaltung ab, wie ihre Datenstruktur aufgebaut ist, und von der Definition des Datenaustauschrahmens zwischen den verschiedenen Datenquellen. Auf Basis der Erfahrungen aus Dutzenden von vorangegangenen Pilotprojekten wurde bei Züblin Spezialtiefbau ein allgemeines Konzept der Datenarchitektur und der entsprechenden Zusammenhänge entwickelt und schrittweise in einer von STRABAG bereitgestellten webbasierten Umgebung umgesetzt. Diese Lösung bietet die Möglichkeit, BIM-Modelle mit Produktionsdaten zu verknüpfen, die entweder über Apps auf mobilen Geräten oder direkt von Spezialtiefbaugeräten auf der Baustelle gesammelt werden. Die Dateneingabe dürfte dadurch effizienter werden, da Zeitverschwendung und Inkonsistenzen vermieden werden, die bei doppelter und sich wiederholender Arbeit wie dem manuellen Abtippen von Werten auf Papierformularen entstehen können. Abbildung 5: BIM-Viewer und entsprechende Tabellenansicht mit Entwurfs- und Produktionsdaten und dem aktuellem Bauzustand. Alle grün markierten Bauteile haben den Status „Träger eingebaut“ erreicht. 4.2 BIM Visualisierung auf der Baustelle Die Einführung von BIM auf der Baustelle ist natürlich nur möglich, wenn ein geeigneter, einfacher und intuitiver BIM-Viewer zum Einsatz kommt. Auf dem Baufeld Frauenbrunnen nutzte das Baustellenpersonal des PfA 1.3a den in die Züblin-Plattform integrierten BIM-Viewer. Die Reaktion war positiv, da die Bauleiter die Position der Bauelemente innerhalb der Baugrube leicht identifizieren und so den Kontext, in dem sie gebaut wurden, besser verstehen konnten. Gleichzeitig ermöglichte es der BIM-Viewer, durch das Modell zu navigieren, die Eigenschaften der 3D-Elemente abzurufen, Abmessungen vorzunehmen und über die Markup-Komponente Kommentare direkt auf einen Snapshot anzuwenden. 4.3 Baufortschrittkontrolle Eine der wichtigsten Aufgaben von Bauleitern ist die kontinuierliche Überwachung, welche Leistungen auf der Baustelle erbracht wurden [4]. Die Baufortschrittskontrolle wird üblicherweise am Ende eines jeden Tages manuell durchgeführt, indem auf einem ausgedruckten 2D-Plan in den Bürocontainern farblich markiert wird, welche Bauteile fertiggestellt worden sind. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 65 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten Auf dem Baufeld Frauenbrunnen wurde dieser Prozess durch BIM mit Hilfe der Züblin-Plattform sowohl für den Trägerbohlverbau als auch für die Ankerarbeiten optimiert. Der Baufortschritt für jedes Bauteil im jeweiligen Gewerk konnte über Status nachverfolgt werden, die zuvor in einem Workflow definiert wurden. Die Umschaltung in einen anderen Status erfolgte direkt durch das Baustellenpersonal über mobile Geräte. Diese Aktion aktivierte die Aufzeichnung des Zeitstempels, die in Echtzeit in einer mit dem Modell verknüpften Tabellenansicht angezeigt wurden (siehe Abbildung 5). Diese Informationen wurden in Kombination mit geometrischen Parametern zur Berechnung von Leistungsanalysen und Soll-Ist-Vergleichen verwendet. 4.4 BIM-basierter Polier-Wochenplan Eine weitere getestete Entwicklung war die Möglichkeit, die wöchentlich auszuführenden Arbeiten auf der Baustelle mittels BIM festzulegen. Die Reihenfolge der Tätigkeiten muss generell wöchentlich von Bauleitern auf der Grundlage des allgemeinen Ausführungsterminplanes detailliert geplant werden und besteht normalerweise in der Markierung der zu bauenden Flächen/ Bauteile auf 2D-Plänen, die ausgedruckt und den Polieren gezeigt werden. Manchmal treten jedoch Änderungen auf, die eine entsprechende Anpassung des Wochenplans und eine unverzügliche Mitteilung an das betroffene Personal erfordern. Um den Baustellenteams einen zuverlässigeren und stets aktuellen Informationsstand zu versorgen, wurde in der Plattformumgebung ein neuer Ansatz geschaffen, der auf der Verknüpfung zwischen den 3D-Bauteilen im BIM- Modell und ihrem geplanten Herstelldatum basiert. Das Verfahren kann über wöchentliche Filter aktiviert werden, die zunächst eingerichtet werden und dann allen Benutzern zur Verfügung stehen. Die Vorteile für die Bauleiter bestanden in der äußerst einfachen Erstellung und Anpassung der Wochenpläne sowie der benutzerfreundlichen Auswahl der Bauteile durch entweder die 3D-Visualisierung oder die damit verbundene Tabellenansicht. Die Mehrfachauswahl ermöglichte zudem eine noch effizientere Zuordnung der geplanten Aktivitäten. Andererseits lagen die Vorteile für die Kolonne in der einfachen Identifizierung der auszuführenden Arbeiten (z. B. das Spannen der Anker, wie in Abbildung 6 dargestellt) „im Raum“ direkt in der 3D-Ansicht der Baugrube und „in der Zeit“ durch Auswahl der betreffenden Kalenderwoche. Abbildung 6: Wochenplan für die Spannarbeiten in Kalenderwoche 37 am Baufeld Frauenbrunnen. 4.5 Bauwerkdokumentation Während der Ausführung eines Projekts fällt eine große Menge an Daten und Dokumenten an. Das Sammeln und Sortieren dieser Dokumente beginnen bereits vor dem Einsatz von Personal oder Geräten auf der Baustelle. Es liegt in der Verantwortung des Bauleiters, diese Informationen zu verwalten, zu archivieren und zu interpretieren. In vielen Fällen werden die Dokumente in verschiedenen Ablagesystemen abgelegt, was zu Verwirrung und Zeitverlust bei der täglichen Arbeit führen kann. Mit der Implementierung von BIM auf dem Baufeld Frauenbrunnen hatte die Bauleitung die Chance, Lieferscheine, Protokolle und Pläne auf die Plattform zu übertragen und mit den zugehörigen Bauteilen zu verknüpfen. Durch einfaches Auswählen eines Bauteils im 3D-Modell, zum Beispiel eines Ankers, konnten dessen Lieferschein, Herstellprotokoll, Spannprotokoll usw. angezeigt werden. Diese Verknüpfung und allgemein das in der Plattform enthaltene Dokumentenmanagementsystem verringerten die Zeit, die für die Suche nach den richtigen Dateien benötigt wurde. 66 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten Abbildung 7: Dashboard zur Auswertung der Produktion des Trägerbohlverbausystems am Baufeld Frauenbrunnen. 4.6 Datenauswertung durch Dashboards BIM-Dashboards wurden durch die Kombination von Diagrammen und anderen Arten von Projektinformationen entsprechend den Bedürfnissen der Benutzer erstellt. Abbildung 7 zeigt ein Beispiel für ein Dashboard, das auf der Baustelle für die Bewertung der Herstellung von Träger verwendet wurde. Das Dashboard, das mit einer Vielzahl von Widgets konfiguriert wurde, zeigt die Position des Baufeldes auf einer virtuellen geographischen Landkarte und im zugehörigen Projektplan, den Fertigstellungsgrad und andere Details wie die Anzahl der gebauten Bauteile pro Tag und pro Status. Auf der Grundlage der im Wochenplan bereitgestellten Angaben konnte auch ein Soll-Ist-Vergleich zwischen den geplanten und ausgeführten Arbeiten pro Woche angezeigt werden. Diese Art der Datenauswertung durch Dashboards vereinfachte die Überwachung und den Überblick über den Projektfortschritt erheblich und lieferte dem Management wertvolle Daten, die den Entscheidungsfindungsprozess beschleunigen konnten. 5. Herausforderungen und Rückmeldungen Die Einführung digitaler Lösungen auf der Baustelle ist immer noch von sozioökonomischen, technischen und in einigen Fällen auch politischen Herausforderungen geprägt [5]. Das erste Hindernis ist die konventionelle Denkweise der Bauindustrie. Dies kann entweder die Kunden, das Management oder das Baustellenpersonal und im schlimmsten Fall alle Projektbeteiligten ungünstig betreffen. Auf dem Baufeld Frauenbrunnen hat die Bauleitung die Entscheidung getroffen, neue Arbeitsprozesse auf der Grundlage von BIM-Methoden und Datenmanagement zu testen. Alle Beteiligten waren sich seit Projektbeginn der Schwierigkeiten bei der Implementierung solcher Innovationen und die unvorhersehbaren Auswirkungen auf die bestehenden Prozesse bewusst. Ein sehr wichtiger Schritt war die Einbeziehung der Bauleiter, Poliere und Kolonnen und die Überzeugung, von der papiergestützten Datenerfassung auf die digitale Datenerfassung durch webbasierte Lösungen umzustellen. Wenn konventionelle Arbeitsmethoden umgestaltet werden müssen, ist für eine erfolgreiche Umsetzung ein hohes Maß an Motiva- 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 67 Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Umsetzung von BIM in Spezialtiefbauprojekten tion und Disziplin erforderlich. Beispielsweise führte die Erfassung von Daten nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem ein bestimmtes Ereignis eintrat, zu einem zusätzlichen Aufwand bei der Bearbeitung der Datensätze. Dies könnte leicht vermieden werden, wenn die Anweisungen für die Echtzeit-Erfassung befolgt würden. Eine weitere Herausforderung waren die manchmal widersprüchlichen Änderungen in der Definition der Anforderungen im Laufe der Zeit. Es war auch nicht ganz einfach zu erkennen, dass die übliche Arbeitsweise mit Tabellenkalkulationen nicht vollständig auf die Plattform übertragen werden konnte und eine andere Denkweise erforderte. Aus diesen Gründen wurde die Umstellung auf das neue System zunächst als zusätzliche Arbeitsbelastung für das Projektteam wahrgenommen. Nach Überwindung der ersten Anstrengungen und der anfänglichen Einarbeitungsphase wurde BIM auf der Baustelle von den Bauleitern und den gewerblichen Mitarbeitern positiv aufgenommen. Generell hat der Einsatz der BIM-Methode in der Ausführungsphase am Frauenbrunnen die zukünftigen Möglichkeiten und damit das Optimierungspotenzial der aktuellen Arbeitsprozesse rund um das Erfassen, Analysieren, Visualisieren, Prüfen und Auswerten von Produktionsdaten deutlich aufgezeigt. 6. Fazit Dieser Bericht stellt die BIM-Anwendungsfälle und -Entwicklungen vor, die im Rahmen des Projekts Projekt Stuttgart 21, PfA 1.3a, Baufeld Frauenbrunnen umgesetzt wurden, und hebt die wichtigsten Vorteile im Hinblick auf ihre Nutzung hervor. Die Einleitung solch innovativer Lösungen führte zu Beginn der Baustelle aufgrund des höheren Aufwands und des erforderlichen Umdenkens zu herausfordernden Situationen. Zum ersten Mal konnte ein Bauleiter ohne vorherige Modellierungserfahrung die Baugrube mit einem teilautomatisierten Werkzeug modellieren und die anschließenden Anpassungen vornehmen. Dies ermöglichte eine viel schnellere Reaktion auf mögliche Änderungen des Entwurfs, die in das Modell eingearbeitet werden konnten. Zusätzlich wurden eine BIM-basierte Überwachung des Baufortschritts und eine Auswertung der Projekt-KPIs durch Dashboards durchgeführt. Außerdem wurde während des Projekts ein BIM-basierter Wochenplan für die Poliere entwickelt und getestet. Die Erfahrungen auf der Baustelle in der Ausführung haben gezeigt, dass zwei der Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung von BIM und Digitalisierung die kontinuierliche Betreuung und Schulung des Baustellenpersonals in den Anfangsphasen und gleichzeitig dessen Engagement und Disziplin sind. Nachdem die neuen BIM-Prozesse allen Projektbeteiligten klar waren, wurde eine allgemeine Akzeptanz der neuen Technologien aufgrund der greifbaren Vorteile erreicht. Dazu gehören die Reduzierung von Zeitverlusten, die höhere Qualität von Daten und Dokumentation, der bessere und schnellere Überblick über den Baufortschritt und das mit BIM verbundene Datenmanagementsystem. Eine Konsolidierung der BIM-Methoden für Spezialtiefbaubaustellen ist noch ein laufender Prozess, der in Zukunft weitere Entwicklungen und Pilotprojekte erfordert. Projekte wie dieses sind jedoch äußerst wertvolle Erfahrungen und stellen Meilensteine bei der Definition von Standard BIM-Prozessen dar. Literatur [1] G. Kraus, Ch. Becker-Kolle, T. Fischer (2004): Handbuch Change-Management. Berlin: Cornelsen [2] M. M. Bachi, D. Bellato (2020): Implementierung und Integration digitaler Lösungen in Prozesse des Spezialtiefbaus, geotechnik 43, H.4, pp. 308-317 [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) [Hrsg.] (2015) Stufenplan Digitales Planen und Bauen [online]. https: / / bim4infra.de/ stufenplan [Zugriff am: 17. Aug. 2021]. [4] A. Braun, S. Tuttas, U. Stilla, A. Borrmann (2018) BIM-Based Progress Monitoring in: A. Borrmann, M. König, C. Kocj, J. Beetz [Hrsg.] Building Information Modeling: Technology Foundations and Industry Practice. Cham (Schweiz): Springer International Publishing, pp. 463-476. [5] T. D. Oesterreich, F. Teuteberg, (2016) Understanding the implication of digitization and automation in the context of Industry 4.0: A triangulation approach and elements of a research agenda for the construction industry in: Computers in Industry 83, pp. 121-139. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.compind.2016.09.006.