eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2022
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Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt

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2022
Simon Meißner
Maximilian Kies
Bernd Cronen
Auf dem ehemaligen Deutsche Bank Areal in Frankfurt werden aktuell vier Hochhäuser realisiert. Diese Hochhäuser wurden auf einer gemeinsamen Bodenplatte in einer Baugrube geplant. Die Baugrube weist eine Fläche von ca. 16.000 m² und eine Tiefe von 20 m auf und wird umringt von bestehenden Hochhäusern. Zur Herstellung der vier Untergeschosse wurde eine Deckelbauweise ausgeführt. Zur Optimierung der geplanten Kombinierten Pfahl-Plattengründung (KPP) wird zusätzlich die Schlitzwand zum Lastabtrag herangezogen. Insgesamt werden 372 Gründungspfähle hergestellt. Die Verbauwand wurde in der Innenstadt von Frankfurt zum ersten Mal im Schlitzwandverfahren ausgeführt. Für die komplexe Bemessung der Verbauwand in Verbindung mit der großmaßstäblichen Deckelbauweise und der KPP-Gründung wurden detaillierte Nachweisstrategien entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Zwischenzeitlich wurde erfolgreich die Deckelbauweise und somit die Untergeschosse hergestellt.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 71 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Dr.-Ing. Simon Meißner, Maximilian Kies (M. Eng.), Dipl.-Ing. Bernd Cronen Prof. Quick und Kollegen, Groß-Gerauer-Weg 1, 64295 Darmstadt Zusammenfassung Auf dem ehemaligen Deutsche Bank Areal in Frankfurt werden aktuell vier Hochhäuser realisiert. Diese Hochhäuser wurden auf einer gemeinsamen Bodenplatte in einer Baugrube geplant. Die Baugrube weist eine Fläche von ca. 16.000 m² und eine Tiefe von 20 m auf und wird umringt von bestehenden Hochhäusern. Zur Herstellung der vier Untergeschosse wurde eine Deckelbauweise ausgeführt. Zur Optimierung der geplanten Kombinierten Pfahl-Plattengründung (KPP) wird zusätzlich die Schlitzwand zum Lastabtrag herangezogen. Insgesamt werden 372 Gründungspfähle hergestellt. Die Verbauwand wurde in der Innenstadt von Frankfurt zum ersten Mal im Schlitzwandverfahren ausgeführt. Für die komplexe Bemessung der Verbauwand in Verbindung mit der großmaßstäblichen Deckelbauweise und der KPP-Gründung wurden detaillierte Nachweisstrategien entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Zwischenzeitlich wurde erfolgreich die Deckelbauweise und somit die Untergeschosse hergestellt. 1. Einleitung Das Bauvorhaben FOUR zählt zu einem der größten innerstädtischen Bauvorhaben in Europa. Auf einer Fläche von 16.000 m² werden vier Hochhäuser mit Höhen von 100 m bis zu 233 m realisiert. Die wesentlichen Projektdaten der Hochhäuser sind nachfolgend zusammenstellt. • Untergeschosse 4 über das Projektgebiet • Tower 1: Höhe / Obergeschosse 233 m / 57 • Tower 2: Höhe / Obergeschosse 173 m / 48 • Tower 3: Höhe / Obergeschosse 120 m / 32 • Tower 4: Höhe / Obergeschosse 100 m / 25 Direkt angrenzend an das Bauvorhaben befinden sich einige der bekanntesten Hochhäuser der Skyline Frankfurts. Unter anderem zählen der MainTower, der Commerzbank Tower und der Omniturm zu den unmittelbaren Nachbarn des Bauvorhaben FOUR. Es gilt jedoch nicht nur die umliegenden Hochhäuser bei der Planung zu berücksichtigen, auch denkmalgeschützte Gebäude und Gebäudeteile mussten mit in die Planung einbezogen werden. Mit der Integration der denkmalgeschützten Fassade des ehemaligen Areals gibt es eine komplexe Aufgabe, die dieses Bauvorhaben zu einem Besonderen macht. Die Herausforderungen bei der Verwirklichung des Bauvorhabens FOUR liegen in der Komplexität der Ausführung und Bemessung der 20 m tiefen Baugrube und der Kombinierten Schlitzwand-Pfahl-Plattengründungen der vier Hochhäuser mit bis zu 28 m langen Gründungspfählen und bis zu 40 m langen Schlitzwänden sowie in der erforderlichen Nachweisführung hinsichtlich möglicher Verschiebungen des Baugrubenverbaus und benachbarter baulicher Anlagen. 2. Baugrund- und Grundwasserverhältnisse Zur Ermittlung der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse wurden neben der Auswertung vieler Archivbohrungen weitere 10 Erkundungsbohrungen mit Tiefen von bis zu 150 m größtenteils durch die eingeschossige Bestandstiefgarage durchgeführt. Der im Projektgebiet erkundete Baugrund besteht aus Auffüllungen, quartären Sanden / Kiesen, gefolgt von der Wiesbaden Formation (Untere Hydrobien), auch bekannt unter der Bezeichnung Frankfurter Ton. Die Wiesbaden-Formation ist von Kalksteinbänken und Kalksandschichten durchsetzt und durch ältere, bereits erodierte Sedimente geologisch überkonsolidiert [3]. Unterhalb der Wiesbaden Formation befinden sich felsige Inflaten- und Cerithienschichten (Rüssingen Formation). Die Inflaten bestehen aus massiven Kalkstein- und Dolomitschichten, Algenriffen, Sand, Schluff und Mergelton (Abb. 1). Abb. 1: Schematischer Baugrundaufbau 72 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Der Grundwasserleiter in den quartären Sanden befindet sich etwa 3 m bis 5 m unter der Geländeoberfläche. Der tertiäre Grundwasserleiter zirkuliert in den zerklüfteten Kalksteinbänken und Sandlinsen des Tertiärs. 3. Baugrube - Planung aus Ausführung Die Herstellung der Untergeschosse erfolgt im Schutze einer quasi-wasserundurchlässigen Trogbaugrube. Die Grundfläche der Baugrube beträgt ca. 16.000 m², der Umfang ca. 550 m. Die Baugrubensohle liegt bei ca. 79,20 mNHN, d.h. 20 m unter der Geländeoberfläche und ca. 14 m unter dem Grundwasserspiegel. Die Ausführung der Baugrubenumschließung im Schlitzwandverfahren in der Innenstadt von Frankfurt stellt aufgrund der Baugrundverhältnisse mit den mächtigen Kalksteinbänken innerhalb der Wiesbaden Formation eine Innovation dar, die erfolgreich ausgeführt werden konnte. Anfang 2019 wurde mit den Schlitzwandarbeiten begonnen. Die kürzeren Lamellen der Schlitzwand reichen bis zu einer maximalen Tiefe von 72,0 mNHN, während die längeren Lamellen unter Berücksichtigung der Nachweise der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit bis zu 60,0 mNHN geführt wurden. Mit dieser Höhenstaffelung kann der Porenwasserdruck auf die Verbauwand optimiert werden. Die Tiefe der kürzeren Lamellen wurde unter Berücksichtigung der Genehmigungsfähigkeit der Wasserhaltung sowie der statischen Bemessung gewählt. Die kurze Schlitzwandlamelle weist somit keine ausreichende Standsicherheit auf. Daher wurden die erforderlichen Defizitkräfte auf die langen Lamellen für die Nachweisführung übertragen und eine entsprechende Konstruktion zur Übertragung dieser Kräfte in allen Fugen ausgebildet. Tab. 1: Baugrubendaten Verbauwandart: Schlitzwand (Gründungssystem) Dicke Schlitzwand: 1,20 m Tiefe der Schlitzwand: ca. 28 m / ca. 40 m Umlauf der Schlitzwand: 550 m Baugrubentiefe: ca. 20 m Wandhalterung: ausgesteift mit 2 Deckeln Die Trogbaugrube wurde im Schutze einer Deckelbauweise mit zwei aussteifenden Deckeln und bereichsweiser Rückverankerung und Erdvernagelung ausgehoben. Da bereits der obere Deckel unterhalb des Grundwasserspiegels liegt und eine Grundwasserabsenkung für die Herstellung des Deckels nicht genehmigt wurde, musste zunächst die wasserundurchlässige Schlitzwand fertiggestellt werden. Abb. 2: Aushub unter Deckel 02 Abb. 3: Schematische Darstellung des Porenwasserdrucks Im Juli 2020 konnte der obere Deckel hergestellt und mit dem Aushub unter diesem Deckel begonnen werden. Der Aushub musste sorgsam erfolgen, um die Brunnen sowie die Primärstützen nicht zu beschädigen. Der Erdaushub konnte im April 2021 erfolgreich beendet werden. Eine große Herausforderung war das Herausbrechen der zum Teil bis zu 2 m mächtigen, harten Kalksteinbänke. Im Juni 2021 wurden die letzten Bodenplattenabschnitte betoniert. Abb. 4: Aushub unter Deckel 02 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 73 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Abb. 5: Aushubdokumentation (Soll/ Ist) 4. Numerische Gebrauchstauglichkeitsberechnungen zur Verbauwand Im Rahmen der statischen Bemessung und Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit der Schlitzwand wurden 2D- FE-Berechnungen durchgeführt. Anhand dieser numerischen Berechnungen konnten u.a. die Verschiebungen der Schlitzwand in den entsprechenden Aushubzuständen ermittelt und für die innere Bemessung der Schlitzwand zugrunde gelegt werden. Zusätzlich konnten anhand dieser Gebrauchstauglichkeitsberechnungen auch die Mitnahmeverschiebungen der benachbarten baulichen Anlagen, die aus der Herstellung der Baugrube resultieren, untersucht und deren Verträglichkeit überprüft werden. Diese Berechnungen wurden für jeden statischen Bemessungsschnitt der Baugrube durchgeführt. Neben den horizontalen Verschiebungen wurden auch vertikale Verschiebungen in den einzelnen Bemessungsschnitten ausgewertet und deren Auswirkungen auf die Bestandsbauwerke überprüft. Abbildung 6 zeigt die horizontalen Verschiebungen der Schlitzwand. Abb. 6: Horizontale Verschiebung (2D) 5. Optimierung des Bauablaufs Im Zuge der Realisierung des Bauvorhabens wurden weitere Gebrauchstauglichkeitsberechnungen für die Schlitzwand zur Optimierung des Bauablaufes durchgeführt. Es wurden verschiedene 3D-FE Berechnungen durchgeführt, die einen vorzeitigen Aushub unter den nur teilweise hergestellten und somit statisch nicht voll wirksamen Deckeln untersuchen. Diese dreidimensionalen Berechnungen greifen die Randbedingungen hinsichtlich des Baugrund- und Grundwassermodells sowie den geometrischen Abmessungen aus den 2D-FE-Berechnungen auf und bieten durch die Berücksichtigung der räumlichen Effekte eine detailliertere Sichtweise auf die Verschiebungen. Abb. 7: Numerisches 3D Modell für den Bereich der denkmalgeschützten Fassade Die mittels 3D-FE-Berechnungen ermittelten horizontalen Verschiebungen der Schlitzwand mit Berücksichtigung eines vorzeitigen Aushubs sind vergleichbar mit den horizontalen Verschiebungen der Schlitzwand in den 2D-Berechnungen. Die geringfügigen Abweichungen resultieren mitunter aus der unterschiedlichen Modellierung des Modells (2D / 3D) und der detaillierten Abbildung der konstruktiven Elemente (Pfähle und Primärstützen). Die horizontalen Verschiebungen der Schlitzwand durch einen vorzeitigen Aushub unter dem Deckel 02 können Abbildung 8 entnommen werden. Mit Hilfe der 3D-Berechnungen wurde der Bauablauf mit vorzeitigen Aushub unter den nur teilweise hergestellten Deckeln erfolgreich umgestellt. 74 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Abb. 8: Horizontale Verschiebung (3D) 6. Grundwasserhaltung Zur Erlangung einer wasserrechtlichen Erlaubnis wurde die Grundwasserhaltung / -entspannung weitestehend innerhalb der wasserundurchlässigen Baugrubenumschließung betrieben. Die Entwässerung der Baugrube und die Entspannung des tertiären Grundwasserleiters zur Gewährleistung der Auftriebssicherheit der Baugrubensohle erfolgen über unterschiedlich tiefe Förderbrunnen und Entspannungsbohrungen in mehreren Entspannungsphasen. Das über die Förderbrunnen und Entspannungsbohrungen gefasste Grundwasser wird über Ring- und Stichleitungen einem Absetzbecken zugeführt. Alle geplanten Förderbrunnen und Entspannungsbohrungen wurden von oberhalb des Grundwasserspiegels hergestellt. Die Förderbrunnen und Entspannungsbohrungen der einzelnen Phasen werden in unterschiedlichen Höhenkoten mit einem vertikalen Abstand der Filterstrecken zueinander verfiltert, so dass eine Umläufigkeit zwischen den Förderbrunnen und Entspannungsbohrungen der einzelnen Phasen in vertikaler Richtung vermieden wurde. Durch die Ausführung dieser innovativen Grundwasserhaltung, bestehend aus mehreren Absenk- / Entspannungsphasen, konnte die rechnerische Fördermenge um ca. 40 % reduziert werden [5]. Abb. 9: Exemplarische Darstellung aktiver Brunnen in einer der Entspannungsphasen für einen Aushub bis auf den Deckel 02 Mögliche Auswirkungen der Grundwasserhaltung auf die Umwelt und die Hydrogeologie werden durch ca. 100 Grundwassermessstellen in einem Radius von ca. 1.000 m um die Baugrube überwacht. Bereits sechs Monate vor Baubeginn der Schlitzwandarbeiten wurde mit der Überwachung in monatlichem Rhythmus begonnen und während der Wasserhaltung auf wöchentliche Messungen intensiviert. Die Qualität des geförderten Grundwassers erfolge durch wöchentliche chemische Analysen vor und nach der Grundwasserabreinigung, so dass eine direkte Einleitung in den Main über einen Regenwasserentlastungskanal möglich wurde. Hierbei galten strenge Auflagen. Die tatsächliche Reichweite der Grundwasserentspannung entsprach weitestgehend der Prognose, wobei die tatsächlichen Fördermengen deutlich geringer ausfielen. 7. Gründung Das gewählte Gründungssystem besteht aus einer Kombinierten Schlitzwand-Pfahl-Plattengründung. Die Lastabtragung aller Bauwerkslasten erfolgt sowohl über die Gründungspfähle, die Schlitzwände und über die Bodenplatte in Anlehnung an die KPP-Richtlinie [2]. Ergänzend zu den erforderlichen Gründungselementen wurden zur Auflagerung der Deckel insgesamt 240 Primärstützen hergestellt. Dabei wurden Fertigteilstützen mit hohen Anforderungen an die Einbautoleranzen in die vorab hergestellten Gründungspfähle eingestellt (Abb. 10). Abb. 10: Herstellung von Gründungspfählen vor der denkmalgeschützten Fassade 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 75 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Tab. 2: Gründungsdaten Gründungssystem: Kombinierte Schlitzwand- Pfahl-Plattengründung Plattendicke: 2,0 m - 4,0 m Pfahllängen: 18 m - 28 m Umlauf der Schlitzwand: 550 m Fläche Schlitzwand: 17.500 m² Anzahl Pfähle Ø 1,86 m: Anzahl Pfähle Ø 1,68 m: Anzahl Pfähle Ø 1,38 m: Gesamtanzahl Pfähle: 33 Stk. 45 Stk. 294 Stk. 372 Stk. Gesamtpfahllänge: ca. 8.200 m Abb. 11: Einbau einer (Fertigteil-)Primärstütze Abb. 12: Lageplan der Gründungselemente Die Nachweisführungen zur Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Gründung der vier Hochhäuser erfolgten anhand von analytischen und numerischen Berechnungen. In diesem Kontext wurden die folgenden numerischen 3D-Berechnungen durchgeführt: • Bemessung der Kombinierten Schlitzwand-Pfahl- Plattengründung • Untersuchungen zu Verdrehungen und Verschiebungen der Schlitzwandlamellen parallel zur Schlitzwandachse • Grenzwertbetrachtungen zur Steifigkeit der Schlitzwand • Untersuchungen zum Anschluss Bodenplatte / Schlitzwand Die numerischen Simulationen wurden mittels zwei- und dreidimensionaler Finite-Elemente Berechnungen mit dem Programmsystem Plaxis 3D® durchgeführt. Das entwickelte dreidimensionale Berechnungsmodell bildet u. a. die folgenden Randbedingungen ab: • Verbauwände als Volumen-Elemente • Gründungspfähle im Bereich der Hochhäuser als Volumen-Elemente [4] • Kontaktzonen um die Gründungspfähle [1] • Primärstützen im Bereich der Deckel als Embedded Piles • Bodenplatten der Hochhäuser und Bestandsbauwerke als Volumen-Elemente • Lasten aus der aufgehenden Bebauung • Kernwände im Bereich der Hochhäuser • Detaillierter Bauablauf Abb. 13: Numerisches Modell der Gründung 76 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Die numerische Simulation beinhaltet folgende Phasen zur Modellierung des realitätsnahen Bauablaufs: 1. Primärspannungszustand 2. Vorbelastung durch Bestandsgebäude 3. Entlastung durch Abbruch Bestand 4.-11. Schrittweise Grundwasserentspannung, Aushub und Einbau der Deckel 12. Laststufe G+Q (ständige + veränderl. Lasten) Bemessungskombination KPP 13. Laststufe 2,0 (G+Q) Nachweis der äußeren Tragfähigkeit GZ1 14. Laststufe G+Q/ 3- Auftrieb (A) setzungserzeugende Lastkombination Die Erstellung des numerischen Modells, die Baugrund- und Stoffparameter sowie die Berechnungsphasen wurden in enger Abstimmung mit allen beteiligten Prüfern abgestimmt und gewählt. Die wahrscheinlichen Setzungen der Bodenplatte unter setzungsrelevanten Lasten sind in Abbildung 14 dargestellt. Abb. 14: Setzungsplot FOUR (Schlitzwand teilweise und Baugrund ausgeblendet) Die Simulationen zur Schlitzwandsteifigkeit parallel zur Wandachse und zur Beurteilung der Auswirkungen der systembedingten Schlitzwandfugen erfolgte durch numerische Berechnungen und einer Variation der kurzen und langen Schlitzwandlamellen. Hierbei wurden jeweils Modelle mit weichem und steifen Verbau entwickelt. Das Prinzip kann Abbildung 15 entnommen werden. Abb. 15: Modelle zur Untersuchung des Einflusses der Schlitzwandsteifigkeit Anhand dieser Simulationen konnte festgestellt werden, dass obwohl die Schubsteifigkeit im Modell mit dem weichen Verbau ausgeschaltet wurde eine horizontale Verschiebung bzw. Verdrehung der einzelnen Lamellen nicht maßgebend ist. Die horizontale Verschiebung wird zum einen durch den seitlich anstehenden Baugrund und zum anderen durch die Sohlreibung in der Aufstandsfläche verhindert. 8. Mess- und Beweissicherungsprogram Für die Überwachung des Bauvorhabens Four wurde ein detailliertes Mess- und Beweissicherungsprogramm entwickelt. Im Rahmen der geodätischen und geotechnischen Messungen der Verbauwand und der Gründung kommt eine umfangreiche geotechnische Messinstrumentierung bestehend aus Kraftmessdosen an Pfahlfuß und Pfahlkopf, Dehnmessstreifen in verschiedenen Ebenen sowie Sohl- und Porenwasserdruckgebern und Gleitdeformetern zum Einsatz. Neben der vorgenannten klassischen Instrumentierung zur Beobachtung des Tragverhaltens einer KPP wurden die Messpfähle zusätzlich mit faseroptischen Sensorkabeln (Distributed Strain Sensing) über die Pfahllänge ausgerüstet, welche u.a. eine Dehnungsmessung entlang der Pfähle ermöglichen. Zur Beobachtung der Setzungen bzw. Hebungen werden insgesamt 35 Messbolzen an Primärstützen über das gesamte Untergeschoss verteilt installiert sowie die Gleitdeformeter ausgewertet. Bis zum Endaushubzustand konnten Hebungen der Primärstützten von mehreren Zentimetern beobachtet werden. Für die Durchführung der geodätischen und geotechnischen Messungen an der Verbauwand wurden insgesamt 17 Messbolzen am Schlitzwandkopf, 18 Inklinometer in langen und kurzen Lamellen sowie Ankerkraftmessdosen installiert. Die Ergebnisse der Kopfverschiebungen der Verbauwand getrennt für die Messbolzen und Inklinometer sind für den Endaushubzustand in Abbildung 16 dargestellt. Aufgrund der bauablaufbedingt unterschiedlichen Zeitpunkte der Messungen der Messbolzen und der Inklinometer erfolgte die Darstellung der Schlitzwandkopfverschiebungen immer für beide Messsysteme. Ausgehend von den nahezu gleichen Kopfverschiebungen kann davon ausgegangen werden, dass der Schlitzwandfußpunkt als unverschieblich angenommen werden kann (Abbildung 17). Dies wird insbesondere mit der Auswertung der Inklinometer in den kurzen Lamellen, welche noch ca. 12 m tiefer als die Schlitzwandunterkante geführt wurden, bestätigt (Abbildung 18). 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 77 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Abb. 16: Ergebnisse zu den Kopfverschiebungen der Verbauwand - Bauzustand: Endaushubzustand Die Auswertung der Inklinometermessergebnisse zeigt abweichend von den prognostizierten Verschiebungen keine Ausbauchung unterhalb des Deckels 2 sowie keine Rückverschiebung im Kopfbereich. Ursächlich hierfür ist zum einen, dass insbesondere unterhalb des Deckels 2 relativ mächtige, bankige Kalksteinbänke angetroffen wurden, die möglicherweise durch die horizontale Steifigkeit eine Ausbauchung reduzieren. Zum anderen zeigt sich, dass die 60 cm starken Deckel nicht die prognostizierte Auflagersteifigkeit mit sich gebracht haben. Insbesondere die Kriech- und Schwindprozesse müssen im Rahmen von geotechnischen Gebrauchstauglichkeitsbetrachtungen detaillierter betrachtet werden. Abb. 17: Inklinometer 11 in langer Lamelle Abb. 18: Inklinometer 12 in kurzer Lamelle 78 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Bauvorhaben Four - Deckelbauweise mit 4 Hochhäusern mitten in Frankfurt Abb. 19: Freilegen der Pfahlköpfe im Bereich Tower 4 Abb. 20: Bodenplattenbewehrung Tower 1 9. Schluss Die Ausführung dieses geotechnischen Großprojektes hat gezeigt, dass anspruchsvolle Bauvorhaben im innerstädtischen Bereich das besondere geotechnischen Planungsmethoden und Nachweisstrategien in Kombination mit Erfahrungswerten verwendet werden müssen, um ein derart komplexes geotechnisches Bauwerk erfolgreich umzusetzen. Gleichwohl gelingt dies nur, wenn die verschiedenen Prüfer und alle Projektbeteiligten insbesondere die ausführenden Firmen zielorientiert zusammenarbeiten. Nur in diesem partnerschaftlichen Sinn konnten detaillierte Nachweisstrategien erfolgreich entwickelt und in diesem einzigartigen Bauvorhaben erfolgreich umgesetzt werden. Die erfolgreiche Ausführung der Deckelbauweise und die Herstellung der Untergeschosse hat gezeigt, dass die geotechnische Nachweisstrategie richtig war und die tatsächlich beobachteten Werte aus geotechnischer Sicht innerhalb der prognostizierten Werte lagen. Für die nunmehr anstehende Errichtung der Hochhäuser wünschen wir allen Projektbeteiligten weiterhin viel Erfolg. Literatur [1] Reul, O. (2000): In-situ-Messungen und numerische Studien zum Tragverhalten der Kombinierten Pfahl-Plattengründung. Technische Universität Darmstadt. Mitteilungen des Instituts u. der Versuchsanstalt für Geotechnik, Technische Universität Darmstadt, Heft 53. [2] Hanisch, J., Katzenbach, R., König, G. (2001) Kombinierte Pfahl-Plattengründungen, Ernst & Sohn, Berlin [3] Martini, E., Radtke, G. (2011) Stratigraphie von Deutschland IX, Tertiär, Teil 1 - Hanauer Becken, Deutsche Gesellschaft für Geowissenschaften, Hannover [4] Meißner, S., Kies, M., Schmitt, J. (2018) Beurteilung des Last-Setzungsverhaltens einer Kombinierten Pfahl-Plattengründung unter Berücksichtigung verschiedener numerischer Modellierungsansätze. 11. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Esslingen, S.97 - 106 [5] Meißner, S., Quick, H., Katzenbach, R., Werner, Anke (2019) An innovative dewatering system to reduce the environmental impact. XVII European Conference on Soil Mechanics and Geotechnical Engineering (ECSMGE 2019), Reykjavik, No. 0441 [6] Meißner, S., Michael, J., Kies, M., Cronen, B. (2020): “Bauvorhaben FOUR Deckelbauweise mit einer Kombinierten Schlitzwand-Pfahl-Plattengründung”, geotechnik. https: / / doi.org/ 10.1002/ gete.202000022