Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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expert verlag Tübingen
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Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg
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Christian Schmitz
Markus Astner
Die Kreissparkasse Ludwigsburg plant ihren Stammsitz südlich durch einen Anbau mit 3 bis 4 Untergeschossen zu erweitern. Die ARGE Züblin Spezialtiefbau – BERB wurde 2020 beauftragt, eine für den Erweiterungsbau erforderliche dichte Baugrube schlüsselfertig herzustellen. Die Baugrube besitzt eine max. Tiefe von 16 m und ist rundherum durch die unterschiedlichsten Verbauarten zu sichern. Die Herausforderung der Baustelle lag in den äußerst beengten Verhältnissen (Innenstadt Ludwigsburg), der Bandbreite der angetroffenen Bodenformationen und der Anzahl der auszuführenden Spezialtiefbaugewerke und deren Koordination im Bauablauf. Es wurden folgende Gewerke ausgeführt: Überschnittene Bohrpfahlwand / DSV-Unterfangung / händische Unterfangung / Gründungspfähle im Fels / überschnittene Schrägbohrpfahlwand / Gewi-Gründung / Weichgelinjektion (Dichtschleier im Fels) / Spritzbeton Vernagelung / Verpressanker / Multibond-Anker / Wasserhaltung mit Wasseraufbereitung inkl. Wiedereinspeisung / Absperrinjektion. Der Beitrag soll einen kurzen Überblick über die ausgeführten Hauptgewerke, deren Randbedingungen und Besonderheiten geben.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 85 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Eine Reise durch den Spezialtiefbau Christian Schmitz Züblin Spezialtiefbau GmbH, Stuttgart Markus Astner Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H, Wien Zusammenfassung: Die Kreissparkasse Ludwigsburg plant ihren Stammsitz südlich durch einen Anbau mit 3 bis 4 Untergeschossen zu erweitern. Die ARGE Züblin Spezialtiefbau - BERB wurde 2020 beauftragt, eine für den Erweiterungsbau erforderliche dichte Baugrube schlüsselfertig herzustellen. Die Baugrube besitzt eine max. Tiefe von 16 m und ist rundherum durch die unterschiedlichsten Verbauarten zu sichern. Die Herausforderung der Baustelle lag in den äußerst beengten Verhältnissen (Innenstadt Ludwigsburg), der Bandbreite der angetroffenen Bodenformationen und der Anzahl der auszuführenden Spezialtiefbaugewerke und deren Koordination im Bauablauf. Es wurden folgende Gewerke ausgeführt: Überschnittene Bohrpfahlwand / DSV-Unterfangung / händische Unterfangung / Gründungspfähle im Fels / überschnittene Schrägbohrpfahlwand / Gewi-Gründung / Weichgelinjektion (Dichtschleier im Fels) / Spritzbeton Vernagelung / Verpressanker / Multibond-Anker / Wasserhaltung mit Wasseraufbereitung inkl. Wiedereinspeisung / Absperrinjektion. Der Beitrag soll einen kurzen Überblick über die ausgeführten Hauptgewerke, deren Randbedingungen und Besonderheiten geben. 1. Projektvorstellung Die ARGE Züblin Spezialtiefbau - BERB wurde 2020 beauftragt in Ludwigsburg eine schlüsselfertige, dichte Baugrube für einen Anbau mit 3 bis 4 Untergeschossen herzustellen. Der Anbau ist eine Erweiterung der Kreissparkasse (KSK) Ludwigsburg nach Süden und umfasst das so genannte Regele-Areal. Die Baugrube besitzt einen L-förmigen Grundriss und schließt im Norden und Osten direkt an die Bestandsbebauung an. An der westlichen Stirnseite sowie südlich grenzt der Bau unmittelbar an öffentlichen Straßen an (s. Abb. 1). Der östliche Schenkel besitzt eine Länge von ca. 57 m und eine Breite von 27 m, der südliche Schenkel eine Länge von ca. 65 m und eine Breite von ca. 20 m. Die Grundfläche beträgt ca. 2200 m². Abb. 1: geplante Baugrube Baufeld „Regele-Areal“ Der angrenzende Bestand besteht aus einem zusammenhängenden Gebäudekomplex der KSK, der sich aus 4 einzelnen Bauwerke mit unterschiedlichem Alter und unterschiedlichen Gründungshöhen zusammensetzt: 1 UG und 2 UG‘s im östlichen Anschluss und 2 bis 3 UG’s an den Nordseiten. Die Gründungshöhen des Altbestandes reichen daher von ca. 285,6 m NN (1. UG) bis ca. 276,8 m NN (3.UG). Aus der Errichtung des Altbestandes sind zudem Reste des alten Bauverbaus in Form von überschnittenen Bohrpfahlwänden und Schlitzwänden vorhanden. 86 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Bei einer Geländeoberkante (GOK) von ca. 287,8 m NN (entlang der Südseite/ Schillerstr.) bis 284,5 m NN (Nordseite) und einer Baugrubensohle bei ca. 276,7 m NN (3. UG) bzw. 271,6 m NN (4. UG) ergibt sich eine Tiefe der Baugrube von 7,8 m bzw. 16,2 m. 2. Baugrubenumschließung Die Herausforderungen der Baugrube lagen u.a. in den Randbedingungen: - Innenstadt-Bereich mit z.T. nur einspurig befahrbaren Straßen - Vergleichsweise schmale Baugrube mit ca. 20 m (Südschenkel) bei einer Tiefe von ca. 16 m. - BE-Fläche nur eines Streifens entlang der Schillerstr. (Gehweg plus Teile einer Fahrspur mit einer Länge von ca. 100 m und einer Breite von ca. 6 m) und entlang der Gartenstraße (4 m breit und ca. 30 m lang) - der mittlerweile übliche, sehr ambitionierte Zeitplan - die sehr optimierte Ausführungsplanung Die vom Bauherrn vorgelegte Ausführungsplanung spiegelte einen ausgefeilten Kompromiss zwischen der maximalen Flächennutzung und einer möglichst wirtschaftlichen Bauweise wieder, der von der Entwurfsplanung über die Ausschreibungsphase bis hin zur Ausführung einem kontinuierlichen Optimierungsprozess unterlag. Als Konsequenz sollten fast alle Gewerke des Spezialtiefbaus in der Baugrube realisiert werden: Entlang der Straßenseiten erfolgt die Sicherung durch eine rückverankerte, überschnittene Bohrpfahlwand mit einer aufgesetzten Trägerbohlwand. Die 1bzw. 2-geschoßig unterkellerte Altbebauung an der Ostseite (Tresor! ) wird mit DS-Körpern unterfangt, denen im Fußbereich eine Schrägbohrpfahlwand vorgesetzt ist. Entlang der Nordseite besitzen Altbebauung und Neubau eine 3-geschossige Unterkellerung. Eine Unterfangung ist hier zwar nicht erforderlich, allerdings ist zur Absperrung des Grundwassers ein Dichtschleier bis zu Baugrubensohle 4.UG vorgesehen. Dort, wo die 4 UG’s des Neubaus auf die 3 UG’s des Bestands treffen, soll die Baugrubenwand mit Spritzbetonvernagelung gesichert werden. Das Konzept sah außerdem vor, dort wo es möglich und sinnvoll ist, den Altverbau (Schlitzwände / Bohrpfähle) in die Verbaumaßnahmen zu integrieren. Dabei sind „Lücken“, die einen Grundwasserzustrom zur Baugrube ermöglichen durch Absperrinjektionen abzudichten. Zusammengefasst wurden zur Herstellung der Baugrube folgende Gewerke ausgeführt: - Überschnittene, vertikale Bohrpfahlwand - Schräg-Bohrpfahlwand (überschnitten) - Trägerbohlwände (oberhalb Bohrpfähle, ca. 2 m) - DS-Unterfangung - DS-Andichtsäulen zwischen Bestand und Bohrpfahlwand - Händische Unterfangung - Niederdruckinjektion (Dichtschleier/ Absperrinjektion) - Spritzbetonvernagelung - Verpressanker - Multibond-Anker Die Dichtigkeitsanforderung an den Verbau war mit einer maximalen Grundwasser-Fördermenge von 3 l/ s vorgegeben. Hiermit sollten neben der generellen Begrenzung der Fördermenge Setzungen der Nachbargebäude im näheren und weiteren Umfeld durch eine Grundwasserspiegelabsenkung außerhalb der Baugrube verhindert werden. Da eine Sohlabdichtung nicht vorgesehen war, sollte im „worst case“ der GW-Spiegel außerhalb der Baugrube durch eine künstliche Wassereinspeisung über Kiespfähle auf einem unschädlichen Niveau gehalten werden. In den Leistungen „Baugrube“ enthalten war die Errichtung der Anlagen zur Wasserhaltung (offene Wasserhaltung mit Pumpensümpfen und Sohldrainage), eine Grundwasseraufbereitungsanlage und das Aufbauen/ Vorhalten der Einspeisungsvorrichtungen. Die wesentlichen Spezialtiefbauleistungen, auf die im Vortrag eingegangen werden, sind in Abbildung 2 dargestellt. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 87 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Abb. 2: Übersicht über die Hauptgewerke Spezialtiefbau Ebenso Teil des Auftrags waren restlichen Abbrucharbeiten (Untergeschoße Regele), Einkürzen/ Abscheiden/ Abfräsen etc. des vorhandenen Altverbaus sowie der Aushub von ca. 25.000 m³ Boden und Fels. Die Abbruch- und Erdarbeiten wurden innerhalb der ARGE von der Fa. BERB übernommen. An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die „überschaubare“ BE-Fläche, die begrenzten Lagermöglichkeiten und die Enge der Baugrube hohe Anforderungen an die Baustellenlogistik, den Ablauf und das Ineinandergreifen der jeweiligen Gewerke stellte. Eine frühe und intensive Einbeziehung / Information der Nachbarschaft durch den Bauherrn hielten die üblichen Beschwerden hier in Grenzen. 3. Baugrund Der Baugrund wurde vom Bauherrn neben bereits vorhandenen Aufschlüssen aus dem Bestand durch insgesamt 7 zusätzliche Kernbohrungen im Vorfeld intensiv erkundet. Aus übergebenen Erkundungsergebnissen lässt sich der Schichtaufbau des Untergrunds vereinfachend wie folgt zusammenfassen: Tab. 1: Übersicht Schichtaufbau Baugrund Schicht Schicht-OK in m NN Mächtigkeit in m Künstliche Auffüllungen ca. 287,0 (GOK) 1,6 - 5,7 Quartäre Schichten - Talablagerungen - Fließerde 283,5 - 281,7 281,8 - 277,3 1,6 - 5,7 1,0 - 4,8 Lettenkeuper - vollständig stark verwittert - mäßig schwach verwittert 280,2 - 275,5 278,0 - 273,4 0,6 - 5,6 1,4 - 4,4 Obere Muschelkalk - mäßig - schwach verwittert 273,6 - 271,0 >10 m Die Auffüllungen sowie die quartären Ablagerungen sind überwiegend bindige Lockergesteine, d.h. Böden im eigentlichen Sinn (TL bis TM, weich bis steif, Konsistenz nach unten zunehmend). In den Talablagerungen 88 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg sind sandig-kiesige Lagen / Linsen eingeschaltet, die gewöhnlich wassergesättigt sind. Die Fließerde liegt als mittelplastischer Ton (TM) vor, wobei in eine bindige Matrix Tonstein-oder Dolomitstücke (bis Kieskorngröße) eingebettet sind. Der Lettenkeuper zählt zu den veränderlich festen Gesteinen. So besitzt der Lettenkeuper im vollständig bis stark verwitterten die Eigenschaften eines Lockergesteins (überwiegend bindig, leichtbis mittelplastischer Ton in steifhalbfester Konsistenz, vermengt mit Gesteinsstücken, z.T. ist eine Restschichtung noch erkennbar). Mit abnehmendem Verwitterungsgrad, d.h. nach unten nehmen die Felseigenschaften zu (Dolomit-Tonstein-Wechselfolge). Der obere Muschelkalk mit seinen Dolomit- und Kalksteinbänken ist eindeutig als Fels zu klassifizieren und bildet die „Basis“ des Baugrunds. 4. Grundwasser Nach den Unterlagen existieren zwei Grundwasserstockwerke: - Oberes quartäres Grundwasserstockwerk - Unteres Grundwasserstock im Muschelkalk Für das untere Grundwasserstockwerk im Muschelkalk ist ein Grundwasserspiegel mehrere Meter unter der Baugrubensohle (GW-Spiegel bei ca. 267 m NN = ca. 4,6 m unter BGS) angegeben, weshalb dieses Stockwerk für das Bauvorhaben nicht relevant ist und daher im weiteren Verlauf vernachlässigt werden kann. Für das obere quartäre Grundwasserstockwerk wurde für die Baugrube ein maßgeblicher Bemessungswasserstand von GW Bau = 277,63 m NN (= ca. 6 ,0 m über BGS) festgelegt. Die vorliegenden Daten ließen zunächst den Schluss zu, dass die gröberen und besser durchlässigeren Lagen / Linsen / Zonen in den quartären Ablagerungen sowie im vollständig bis stark verwitterten Lettenkeuper den Grundwasserleiter stellen. Die jeweiligen Lagen etc. bilden vermutlich zwar keine durchgehenden Horizonte, bilden aber in irgendeiner Form ein 3-dimensionales zusammenhängendes Netzwerk. Kurz vor Beginn der Maßnahme im schwach bis mäßig verwitterten Lettenkeuper ausgeführte Kurzpumpversuche ergaben für diese Schichten Durchlässigkeits-beiwerte von kf = 1,9 * 10 -4 bzw. 4,5 *10 -5 m/ s. Dies wurde als Indiz gewertet, dass auch im geklüfteten, mäßig bis schwach verwitterten Lettenkeuper eine Grundwasserbewegung stattfindet. Als Fazit konnte nachstehende Einteilung vorgenommen werden (s. Tab.2): Tab. 2: angenommene Durchlässigkeiten 5. Ausführung Bohrpfähle und Anker Insgesamt waren folgende Bohrpfahlarbeiten auszuführen: - Überschnittene Bohrpfahlwand entlang der Straßenseiten: - Pfahl Ø 88 cm, Achsabstand 73 cm, Pfahllänge ca. 15,2 m - Überschnittene Schrägpfahlwand am DSV-Fuß: - Pfahl Ø 88 cm, Achsabstand 73 cm, Pfahllänge ca. 10,2 m, Neigung 5 ° - Gründungspfähle: - Pfahl Ø 88 cm, Pfahllänge bis ca. 17 m, davon bis 13 m im Fels Der ursprüngliche Entwurf des Bauherrn sah entlang der Straßenseiten eine 5-fache Rückverankerung der Pfahlwand mit Verpressankern (Ankerlängen zwischen 13 und 24 m, Lasteintrag überwiegend in den Muschelkalk, z.T. auch in den mäßigschwach verwitterten Lettenkeuper) vor. Von Züblin wurde bereits in der Angebotsphase ein Alternativvorschlag ausgearbeitet, der durch eine Erhöhung der Ankerkräfte bis auf über 1000 kN Gebrauchslast bei gleichzeitiger Erhöhung des Bewehrungsgrades der Pfahlwand eine Reduktion auf 3 Ankerlagen vorsahen. Der Vorschlag verkürzte neben der Anzahl der Ankerlagen auch die Bauzeit und wurde durch den Bauherrn als Pauschale beauftragt. Die Gründungspfähle mussten bis 13 m in den Muschelkalk abgeteuft werden. Die Besonderheiten hier waren zusätzliche Hindernisbohrungen durch den Bestand sowie die engen Platzverhältnisse. Bei einem Pfahl blieb die Verrohrung stecken und konnte trotz des Einsatzes einer Verrohrungsanlage nicht gezogen werden. In Anbetracht des hohen Bewehrungsgrades sowie der Betongüte C45 / 50 wollten wir das Ausbohren vermeiden. Als Lösung bzw. zu Sicherstellung de Tragfähigkeit wurde mit dem Bauherrn nachstehendes Konzept erarbeitet und umgesetzt (s. Abb.3). Hier wurde eine Mantelverpressung durchgeführt, die dann statisch im Nachgang angesetzt werden konnte. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 89 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Abb. 3: Sanierungskonzept steckengebliebene Verrohrung Das Konzept sah vor, das entlang der Verrohrung 4 Manschettenrohre abgeteuft werden, die anschließend mit einem quellfähigen Ankerzement verpresst werden. Unterhalb der Baugrubensohle verbleibt die Verrohrung im Boden, oberhalb wird sie abgeschnitten und geborgen. 6. Ausführung Spritzbetonvernagelung Im direkten Anschluss der Baugrube an das bestehend Bauteil Nordwest sollte die noch vorhandenen Alt-Bohrpfahlwand bis auf die Höhe des 2 UG’s ca. 277,9 m NN abgebrochen werden. Die Unterkante der Alt-Bohrpfahlwand ließ sich aus den alten Bestandsplänen auf ca. 275,0 m NN entnehmen. Bis zu 275,0 m NN übernimmt der Altbauverbau die Sicherung. Die „Lücke“ von ca. 3,3 m zwischen der UK Bohrpfähle und der Baugrubensohle (ca. 271,7 m NN) wird durch eine Spritzbetonnagelwand geschlossen. Zur Ausführung kam eine 8-fach rückvernagelte Wand, wobei die oberen 4 Nagelreihen durch die Bohrpfähle hindurch gebohrt werden mussten. Zum Abtrag der Vertikallasten waren zusätzliche Gewi-Pfähle vorgesehen, die hinter dem Spritzbeton im oberen Bereich ebenfalls durch die Bohrpfähle niedergebracht wurden (s. Abb. 4). Die Abwicklungslänge der Spritzbetonvernagelung beträgt ca. 14 m. Abb. 4: Ausführung Spritzbetonnagelwand 7. Ausführung DSV Entlang der Ostseite war der 1bzw. 2-geschossig unterkellerte Anbau mittels DSV zu unterfangen. In diesem Bereich sind für den Neubau 4 Untergeschoße vorgesehen. Bei der Gründungshöhe des Bestands auf ca. 285,1 m NN (1.UG) und 281,4 m NN (2. UG) ergibt zwischen der Baugrubensohle bei 271,7 m NN eine Unterfangungshöhe von ca. 13,4 bzw. 9,7 m. Nach der Baugrunderkundung wird ab einer Höhe von ca. 275,5 m NN der Lettenkeuper erwartet, der nur im verwitterten Zustand einen für das DS-Verfahren ausreichenden Lockergesteinscharakter zeigt. Mit zunehmender Abnahme des Verwitterungsgrad nimmt der Festgesteinscharakter zu und das DS-Verfahren stößt entsprechend an seine Grenzen. Die DS-Körper wurden daher nur bis zur Schichtgrenze Fließerde (Quartär) / Lettenkeuper ausgeführt. Die Unterfangung / Sicherung der verbleibenden Resthöhe erfolgte mittels einer vorgesetzten Schrägpfahlwand (s. Abb. 5). 90 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Abb. 5: Darstellung der DSV-Unterfangung und Schräg-Bohrpfahlwand Die DS-Körper sind somit in den überwiegend bindigen Talablagerungen und Fließerden auszuführen, wobei die Konsistenz und Plastizität von oben (weich) nach unten (steif - halbfest) zunimmt. Die Festlegung der Säulenausteilung war Bestandteil unseres Auftrags. Neben der in Anlehnung an DIN 4123 einzuhaltenden max. Unterfangungsbreite (= Säulendurchmesser) von 1,25 m mussten bei der Wahl des Säulendurchmessers und des Achsabstandes auch die vorhandenen Gründungspfähle des Bestands berücksichtigt werden. Eine wesentliche Auflage des Auftraggebers war das „vollständige“ Eindüsen der vorhandenen Ramm- und Verpresspfähle, ohne dass die Pfähle beim Bohren beschädigt werden durften. Basierend auf den Angaben aus den alten Bestandsplänen entschieden wir uns für einen Durchmesser der DSV-Säulen von 100 cm und einem Achsabstand von 73 cm. Ein weiterer Zwangspunkt war die absolute Bewegungs- und Verformungsempfindlichkeit des angrenzenden Bestands (Tresor). Im Zuge der Ausführung stellte sich dann heraus, dass auch die Bauwerksfugen im 1-fach unterkellerten Bereich keine Abdichtung besitzen. In diesem Abschnitt wurde daher die DSV ca. 1 m unter der FUK abgesetzt und die „Lücke“ mittels händischer Unterfangung geschlossen. Die DS-Säulen wurden nach DIN EN 12716 im 3-Phasenverfahren: Vorschneiden Bindemittelsuspension / Auffüllen Bindemittelsuspension, ohne Luftummantelung hergestellt: Vorschneiden Pumpendruck 320 - 340 bar Pumprate: 220 - 240 l / min Bindemittel: Cem II A-LL 32,5 R (W/ B = 1,2) Auffüllen Pumpendruck 320 - 340 bar Pumpprate. 220 -240l/ min Bindemittel: Cem II A-LL 32,5 R (W/ B = 0,8) Die geforderte einachsiale mittlere Druckfestigkeit von f c,mittel ≥ 3,5 N/ mm² konnte über Bohrkerne nachgewiesen werden (Meßwerte 3,5 ≤ f c , gemessen ≤ 8,8 N/ mm², Mittelwert = 4,9 N/ mm²). Letztendlich traten Verformungen im mm-Bereich nur während der DS-Arbeiten auf, die für das Bauwerk und die Nutzung unschädlich waren. Wie in Abbildung 6 dargestellt konnten mit dem gewählten Raster auch die Bestandspfähle vollständig eingedüst werden, lediglich 2 Bohrungen mussten aufgrund der Bestandspfähle verzogen werden. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 91 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Abb. 6: Foto der DS-Unterfangung sowie der Gründungspfähle 8. Ausführung Dichtschleier Im Nordteil des Anbaus zur Erweiterung West besitzen sowohl der Neubau als auch der Bestand jeweils 3 Untergeschoße, die auf dem gleichen Gründungsniveau (FUK’s zwischen ca. 274,0 mNN und 274,8 m NN) liegen. Eine Unterfangung ist daher nicht erforderlich. Hier sollte lediglich der Grundwasserzustrom im Bereich zwischen der Bauwerksunterkante und der BGS 4. UG unterbunden werden. Aus der Erkundung lassen sich für den Baugrund etwa folgende Schichtgrenzen ableiten: UK Quartär (Fließerde): ca. 275,4 m NN UK Lettenkeuper verwittert ca. 274.4 bis 273,3 m NN UK Lettenkeuper unverwittert: ca. 272,2 bis 273,2 m NN = OK Muschelkalk Die quartären Ablagerungen sowie der verwitterte Lettenkeuper sind als Porengrundwasserleiter einzustufen, während der Lettenkeuper im schwach bis unverwitterten Zustand und der Muschelkalk Kluftgrundwasserleiter sind. Der Bauherrenentwurf sah als Abdichtungsmaßnahme einen Dichtschleier vor, der durch Niederdruckinjektionen mit Zementsuspension herzustellen ist. In Anbetracht der geologischen Randbedingungen wurde von uns ein Manschettenrohrinjektion mit einem Weichgel als Injektionsmedium als Alternative vorgeschlagen. Die Manschettenrohre werden dabei als MPSP (multiple packer sleeve pipe) eingebaut. Die Funktionsweise eines MPSP’s ist nachstehend abgebildet. Abb. 7: Funktionsweise MPSP-System Sinn und Zweck des Systems ist, dass zunächst der Lockergesteinsbereich vom Fels mittels der Außenpacker abgetrennt werden kann. Im Bereich des Festgesteins kann die Injektionen prinzipiell über das offene Bohrloch als Felsinjektion und im Bereich der Lockergesteine als klassische Manschettenrohr über ein abgedichtetes Bohrloch erfolgen. Aufgrund der erwarteten unterschiedlichen Klüftigkeiten zwischen Lettenkeuper und Muschelkalk wurde diese beiden Horizonte ebenfalls durch einen Außenpacker getrennt. Für die Klüfte im Lettenkeuper wurden Öffnungsweiten im mm-Bereich und im Muschelkalk bis im cm-Bereich erwartet, weshalb unterschiedliche Abbruchkriterien für die Injektion gewählt wurden. Das von uns verwendete ISI (= Insond Sea Injekt) Weichgel ist bauaufsichtlich zugelassen. Die Kippzeit kann über die Härterdosierung zwischen 20 bis 70 min gesteuert werden und bietet daher bei größeren Klüften die Möglichkeiten ein unkontrolliertes Abfließen zu verhindern. Die Manschettenrohre wurden mit einem Achsabstand von 1,50 m im verrohrt gebohrt. Als Manschettenrohre wurden 2“-PVC Rohre mit einem Manschettenabstand von 0,33 m verwendet. Eine Kontrolle der Injizierbarkeit bzw. die Festlegung der Abbruchkriterien (max. Druck, max. Injektionsmenge) erfolgte vorab über Wasserabpressversuche, die vereinfach in Anlehnung an DIN ISO 22282 -T3 ausgeführt wurden. Gefahren wurden 5 Druckstufen: 3 aufsteigend, 2 absteigend. Erfasst wird je Stufe die Durchfluss-/ Pumprate bei konstantem Druck über die Zeit. Zusätzlich waren 3 Kontrollbohrungen zur Kontrolle vorgesehen, deren Standort so gewählt wurde, dass sie innerhalb der Reichweite des theoretisch angenommenen Injektionskörpers liegen. Auch hier wurden Wasserabpressversuche vor und nach der Injektion vorgenommen. Die Wasserabpressversuche vor den Injektionen wurden an solchen Manschetten ausgeführt, die aufgrund der Vorversuche („Öffnen/ Aufsprengen der Manschetten“) ein Aufnahmevermögen aufwiesen. Die Abbruchkriterien ergaben sich aus den Vorversuchen wie folgt: 92 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Komplexe schlüsselfertige Baugrube in Ludwigsburg Druck P max : 8 bar Menge Q max : 80 l / l im Lettenkeuper (schwach - mäßig verwittert) 130 l / Manschette im Muschelkalk Pumprate: 3 - 8 l/ min Die Aufnahmefähigkeit der angetroffenen Gesteinsschichten schwankte sehr stark. So konnten in den Vorversuchen (Manschettenöffnung) Aufnahmefähigkeiten von wenigen Litern bis zu > 100 l (bei ähnlichen Drücken) festgestellt werden. Diese Beobachtung hat sich bei den späteren Injektionsarbeiten bestätigt. So gab es Manschetten, die eine geringe bis keine Aufnahme zeigten, während in darüber oder darunterliegenden Manschetten z.T. bis zur Maximalmenge verpresst werden konnte. Stellenweise mussten komplette Manschettenrohre 1-2mal nachverpresst werden. Bei den Injektionen zeigten sich stark schwankende Aufnahmen, wobei die Aufnahmen sich „linsenartig“ für die Manschettenrohre hinweg verteilten (s. Abb. 8). Abb. 8: Baugrubenböschung von 3.UG auf 4. UG mit aufgeschlossenem Lettenkeuper und Muschelkalk Von den insgesamt 600 Stück vorhandenen Injektionsmanschetten konnten in ca. 322 Manschetten (= ca. 54 %) insgesamt 25,5 m³ Weichgel injiziert werden. Die zur Erfolgskontrolle in den Kontrollbohrungen vorgenommenen Wasserabpressversuchen ergaben folgende Ergebnisse: Tab. 3: Ergebnisse der Wasserabpressversuche Bohrung KB 1 KB 2 KB 3 KB 3 Vorher / nachher nachher nachher vorher nachher Verpress-strecke 3,0 m 6,6 m 5,6 m 5,6 m Geologie Lettenkeuper + Muschelkalk Lettenkeuper + Muschelkalk Lettenkeuper + Muschelkalk Lettenkeuper + Muschelkalk Luegon l / (m x min) 1,0 bis 1,8 0,9 - 3,2 17 -120 1,5 - 1,3 k f -Wert (m/ s) (n. HEITFELD) 1,6* 10 -8 bis 2,0 * 10 -9 1,6* 10 -8 bis 2,0 * 10 -9 1,6* 10 -8 bis 2,0 * 10 -9 1,6* 10 -8 bis 2,0 * 10 -9 Q/ p-Typ (DIN 22282) Dilation+ Füllung Laminar turbulent laminar Eine Umrechnung der zulässigen Fördermenge von Q = 3 l/ s auf die Injektionsbzw. Abdichtungsfläche ergibt bei dem hydraulischen Gefälle aus GW Bem und Baugrubensohle 4. UG einen rechnerischen k f -Wert des Dichtkörpers von ca. 1*10 -7 m/ s. Die Ergebnisse der Kontrollversuche sowie die Tatsache, dass die Baugrube mit einer mittleren GW-Fördermenge von ca. 0,75 l/ s an den AG übergeben werden konnte, zeigt, dass die Maßnahmen erfolgreich waren. Eine zusätzliche Einspeisung von Frischwasser zur Stabilisierung des Grundwasserspiegels außerhalb der Baugrube war bis jetzt nicht erforderlich. LITERATUR [1] DIN EN ISO 22282-3: 2012: Geotechnische Erkundung und Untersuchung - Geohydraulische Versuche - Teil 3: Wasserdruckversuche in Fels [2] DIN EN 12715: 2019: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau - Injektionen [3] DIN EN 12716: 2018: Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau - Düsenstrahlverfahr [4] Österreichische Gesellschaft für Geomechanik (2016): Kommentar zur EN 12715 - Injektionen; Salzburg