Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen
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Peter Kordeuter
Andreas Jakobi
Der geplante Tunnel Calw soll den Verkehr der B296, die bisher am Rand der Innenstadt von Calw im Nagoldtal verläuft, aufnehmen. Im Bereich der Portale werden die Nagoldtalbahn, die derzeit noch nicht im Betrieb befindliche Hermann-Hess-Bahn und ein Wohngebäude mit geringer Überdeckung, die zum Teil vollständig aus Lockergestein besteht unterfahren. Im Bereich des Tunnels wurden Lockerböden in Form von Auffüllungen, Hang- und Verwitterungslehme erkundet. Darunter lagert der Badische Bausandstein, der zum Mittleren Buntsandstein zählt. Es handelt sich um harte, verkieselte Sandsteine. Die Unterfahrung der o.g. Bauwerke kann entsprechend der Erkundung zumeist mit tunnelbautechnischen Sicherungsmaßnahmen bewerkstelligt werden. Im Bereich der Unterfahrung der Nagoldtalbahn werden die tunnelbautechnischen Maßnahmen als nicht ausreichend eingestuft. Für die Querung wird eine Hilfsbrücke empfohlen, deren Lasten mittels einer beidseitig des Tunnels platzierten Pfahlgründung unter die Tunnelsohle abgetragen werden.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 103 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen Dipl.-Geol. Peter Kordeuter Dr. Spang GmbH, Esslingen, Deutschland Andreas Jakobi, M. Sc. Dr. Spang GmbH, Esslingen, Deutschland Zusammenfassung Der geplante Tunnel Calw soll den Verkehr der B296, die bisher am Rand der Innenstadt von Calw im Nagoldtal verläuft, aufnehmen. Im Bereich der Portale werden die Nagoldtalbahn, die derzeit noch nicht im Betrieb befindliche Hermann-Hess- Bahn und ein Wohngebäude mit geringer Überdeckung, die zum Teil vollständig aus Lockergestein besteht unterfahren. Im Bereich des Tunnels wurden Lockerböden in Form von Auffüllungen, Hang- und Verwitterungslehme erkundet. Darunter lagert der Badische Bausandstein, der zum Mittleren Buntsandstein zählt. Es handelt sich um harte, verkieselte Sandsteine. Die Unterfahrung der o.g. Bauwerke kann entsprechend der Erkundung zumeist mit tunnelbautechnischen Sicherungsmaßnahmen bewerkstelligt werden. Im Bereich der Unterfahrung der Nagoldtalbahn werden die tunnelbautechnischen Maßnahmen als nicht ausreichend eingestuft. Für die Querung wird eine Hilfsbrücke empfohlen, deren Lasten mittels einer beidseitig des Tunnels plazierten Pfahlgründung unter die Tunnelsohle abgetragen werden. 1. Tunnelbauprojekt Das Regierungspräsidium Karlsruhe plant im Zuge der Kernstadtumfahrung Calw den Bau eines Entlastungstunnels für die B296. Der Tunnel Calw soll die Bundesstraße B296 vom nördlichen Nagoldtal aus mit dem Ziegelbachtal verbinden. 1.1 Verlauf der Tunneltrasse Das Südportal des Tunnels liegt im Bereich des Bahndammes und der Brücke, welche die Nagoldtalbahn und die Hermann-Hesse-Bahn über die Stuttgarter Straße (B 296) überführt. Die beiden Gleistrassen werden im weiteren Verlauf des Tunnels unterfahren. Die Nagoldtalstrecke der DB Netz AG ist derzeit in Betrieb. Die Schwarzwaldbahnstrecke bzw. Hermann-Hesse-Bahn soll in den kommenden Jahren ertüchtigt und der Betrieb wiederaufgenommen werden. Das Nordportal liegt östlich der Bischofstraße (B 296) auf einem Grundstück, welches derzeit durch ein Kino bebaut ist. Das seit längerer Zeit nicht mehr genutzte Kinogebäude wird für den Bau des Tunnels rückgebaut. Der Tunnel ist mit einer von Bau-km 0+140 bis Bau-km 0+720 auf einer Länge von 580 m geplant. Von Bau-km 0+140 bis Bau-km 0+630 ist der Tunnel 2-spurig, von Bau-km 0+630 bis 0+665 3-spurig und von Bau-km 0+665 bis 0,720 in einem 4-spurigen Ausbau vorgesehen. Vom südlichen Portal bei Bau-km 0+720 bis 0+665 und von Bau-km 0+180 bis 0+140, dem nördlichen Portal soll der Tunnel in offener Bauweise erstellt werden. Die Ausführung des Tunnels in bergmännischer Bauweise erstreckt sich auf ca. 485 m. Der Ausbruchsquerschnitt wird i.d.R. zwischen ca. 100 m² (km 0+180) und ca. 165 m² (km 0+690) betragen. Ein Rettungsstollen soll beim km 0+420 vom Tunnel in das südlich gelegenen Nagoldtal führen. Der Tunnel ist mit einem Maulquerschnitt geplant. Die lichte Höhe der Außenschale ist gemäß dem Regelquerschnitt [5] mit ca. 10,0 m und die Weite mit 11 m angegeben. Der senkrecht zu Tunnelachse geplante Rettungsstollen soll mit einem ovalen Querschnitt und einer lichten Höhe von ca. 3,5 m mit einer Weite von 2,9 m ausgeführt werden. 1.2 Bestandsbauwerke im Bereich der Tunneltrasse Das Tunnelprojekt liegt östlich der Nagold im Westbzw. Südwesthang des Welzbergs im Stadtgebiet Calw. Der Tunnel schneidet am Nordportal schleifend in den Hang ein und tritt am Südportal infolge der Eintalung durch den Ziegelbach relativ rechtwinklig an der Hengstetter Steige aus. 104 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen Das Nordportal liegt auf einem derzeit bebauten Grundstück der Bischofstraße (ca. km 0+140 bis km 0+160). Ab km 0+160 schneidet der bergmännisch aufzufahrende Tunnel in den Hang des Nagoldtales und unterquert nach 20 m die Nagoldtalbahn mit einer Überdeckung von ca. 6 m. Nach weiteren 20 m wird ein Wohnhaus mit einer Überdeckung von ca. 10 m unterquert. Bei ca. km 0+270 erfolgt dann Querung der Herrmann- Hesse-Bahn bei einer Überdeckung von rund 20 m. Die Unterquerung der 3 im vorigen Text beschriebenen Bauwerke ist der Abb. 2 zu entnehmen. Im weiteren Verlauf werden unbebaute Bereich am Südwesthang des Welzberges unterfahren. Bei km 0+400 wird die höchste Überdeckung von 48 m erreicht. Ca.200 m vor dem Südportal verläuft der Tunnel unter der derzeit noch stillgelegten Hermann-Hesse-Bahn und zum Teil unter der Nagoldtalbahn. Die Überdeckung nimmt in diesem Bereich von ca. 11 m auf 6 m im Bereich des Südportales ab. Die Tunneltrasse schneidet die Gleisanlagen im spitzen Winkel (siehe hierzu die Abb.1 Lageplan und Abb.3 Schnitt). 2. Erkundungsprogramm Im Jahr 2010 wurde eine erste Erkundungkampagne (1. EKP) ausgeführt, Es wurden 13 Kernbohrungen (BK1 bis BK10) im Bereich des geplanten Tunnels ausgeführt von denen drei Stück zu Grundwassermessstellen ausgebaut wurden. Im Jahr 2019 und 2020 erfolgten 11 weitere Kernbohrungen. Vier Bohrungen wurden zu Grundwassermessstellen ausgebaut. Die Lage der Erkundungsbohrungen ist der Abb. 1 zu entnehmen. Im zweiten Erkundugsprogramm wurde insbesondere der Bereich der zu unterfahrenden Bauwerke mittels lotrechten Bohrungen und Schrägbohrungen erkundet. Um den bergseitigen Grundwasseranstrom modellieren zu können, wurden 3 Grundwassermessstellen in einigem Abstand östlich der Tunneltrasse ausgeführt. In den Bohrungen wurden Seitendruckversuche, Bohrlochscans, WD-Test und bei der 1. EKP auch Gamma- Ray-Logs ausgeführt. In den Grundwassermessstellen erfolgten außerdem Pumpversuche. An den Boden- und Felsproben erfolgten umfangreiche boden- und felsmechanische sowie mineralogische und chemische Laborversuche. Der Grundwasserspiegel in den Grundwassersmessstellen wird seit 2020 mittels Datenlogger beobachtet. Nach Abschluss der Grundwasserbeobachtung im Jahr 2022 wird ein finales hydrogologisches Modell erstellt. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 105 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen 2.1 Baugrund Unter Auffüllungen, die im Bereich der Bahndämme mehrere Meter Mächtigkeit aufweisen, lagern quartäre Deckschichten, die im Wesentlichen als Terassenablagerungen, Hanglehme, Hangschutt und Verwitterungsschutt zu charakterisieren sind. Die Mächtigkeit der quartären Deckschichten variiert zwischen wenigen Metern und ca. 20 m. Es handelt sich um gemischtkörnige und bindige Böden. Rollige Böden kommen nur sehr vereinzelt vor. Der Hang-/ Verwitterungsschutt kann überwiegenden den Bodengruppen ST*, ST, SU*, SW, SI und untergeordnet in den bindigen Intervallen auch TL nach DIN 18196 zugeordnet werden Der Hang-/ Verwitterungslehm ist überwiegend den Bodengruppen TL und ST* zugeordnet worden. Der überwiegende Teil des bergmännischen Tunnels verläuft im Badischen Bausandstein, der dem Mittleren Buntsandstein (Trias) zugeordnet wird. Nur im Bereich des Nordpartals liegt aufgrund einer tektonischen Störungszone das Ecksche Konglomerat des Unteren Buntsandsteines vor. Der Badische Bausandstein tritt in allen Kernbohrungen als überwiegend bankiger Mittelbis Grobsandstein auf, welcher von cm bis dm-mächtigen Tonsteinlagen untergliedert wird. Die Korngröße der Einzelkomponenten wechseln von feinüber mittelhin zu grobkörnigen Sandkörnern. Die engräumigen Wechsel äußern sich in den bankinternen Schrägschichtungen. Die Geröllführung im Badischen Bausandstein beschränkt sich auf vereinzelte Lagen mit gut gerundetem Quarzkies, der bis zu 1 cm groß sein kann. Neben den Ton- und Tonsteinlagen treten immer wieder vereinzelt oder auch in Lagen von bis zu mehreren Metern Mächtigkeit konzentrierten Tonklasten auf. Die Tonklasten können rundlich-oval und elongiert im Sandstein vorkommen und erreichen bis zu 10 cm Größe im Durchmesser. Entsprechend der mineralogischen Untersuchung bestehen die Sandsteine überwiegend aus Quarz, tlw. mit karbonatischem oder dolomitischem sowie tonigem Bindemittel. Nördlich der Störungszone „Calwer Verwerfung“ und somit im Bereich des nördlichen Einschnitts und Portals des geplanten Bauwerks liegt das Ecksche Konglomerat des Unteren Buntsandsteines vor. Wie die röntgenographische Untersuchung ergab, setzt sich das Konglomerat aus bis zu 2 cm großen Klasten bestehend aus Quarz, Dolomit und Kalifeldspat zusammen. Diese befinden sich in einer Matrix aus Mittelsand- und Tonstein mit einer guten Kornbindung. Das bankig ausgebildete Konglomerat zeigt keine interne Ordnung bzw. Struktur und geht in die unterliegenden Grobsandsteine der Eckschen-Formation über. Die rot-violetten Grobsandsteine werden auch hier wieder von Feinsand- und Tonsteinlagen untergliedert. Des Weiteren befinden sich in den Sandsteinen der Eckschen-Formation Tonklasten von bis zu 5 cm Durchmesser sowie eine Schrägschichtung der Gesteinskörper. Der Badische Bausandstein und das Ecksche Konglomerat weist nur eine sehr geringmächtige Verwitterungszone auf und liegt zumeist frisch bis schwach verwittert vor (W0-W1 nach DIN EN 14689). Die einaxiale Druckfestigkeit liegt mit min. 8,5 und max. 120 MN/ m² im Bereich von gering bis hoch nach DIN EN ISO 14689. Der Schichtflächenabstand liegt typischerweise im Bereich von 0,2 m und kann bis zu 2 m erreichen. Es liegt eine söhlige Lagerung vor. Durch die typische Kreuzschichtung liegt der Einfallswinkel der Schichtung zwischen 0 und 15°. Die im Bereich des Nordportals verlaufende Störungszone schneidet die geplante Tunneltrasse in einem Winkel von ca. 30°. Im Störungsbereich ist mit Barytgängen und verkieselten Sandstein zu rechnen. Im Störungsbereich sind mit Baryt verheilte Klüfte beobachtet worden. Die verkieselten Sandsteine erreichten einaxiale Druckfestigkeiten von bis zu 120,6 MN/ m². 2.2 Hydrogeologie Im Badischen Bausandstein ist ein Kluftgrunwasserleiter ausgebildet. Der Grundwasserspiegel liegt zum Teil im Bereich des Tunnels. Die auf der Basis der bisher vorliegenden Stichtagmessungen angesetzten Bau- und Bemessungswasserständen wurde aufgrund der nassen Witterung in 2021 teilweise übertroffen und müssen noch angepasst warden. Es liegt eine nach Westen gerichtete Grundwasserfließrichtung mit steilem Gefälle von ca. 6 Prozent vor. Vorflut ist die Nagold die ca. 150 m westlich mehr oder weniger paralellel zum Tunnel von Süd nach Nord fließt. Es wurden hydraulische Durchlässigkeitsbeiwerte k f im Bereich 10 -5 m/ s bis 10 -7 m/ s für den Badischen Bausandstein bestimmt. 3. Ausbruchskonzept und Vortriebsklassen 3.1 Ausbruchskonzept Im Bereich der Lockergesteine wurde ein Ausbruch mit einem Tunnelbagger empfohlen. Im Festgestein wird ein Sprengvortrieb empfohlen. Tunnelbagger können im Festgestein des Badischen Bausandsteines erst nach Auflockerungssprengungen eingesetzt werden. Für den Vortrieb des 2-spurigen Straßentunnels im Festgestein wird ein Kalottenvortrieb mit nachgezogenem Strossen- und Sohlausbruch (Teilausbruch) empfohlen. Bei tragfähigem Gebirge unterhalb der Grenzlinie zwischen Kalotte und Strosse kann der Kalottenvortrieb mit offener Sohle erfolgen. Sollte auf der Sohle Tonstein und Wasser anstehen, ist eine ausreichende Tragfähigkeit nicht gegeben, sodass ein Einstanzen der Kalottenfüße zu befürchten ist. Es sind dann entsprechende Zusatzmaßnahmen an den Kalottenfüßen erforderlich. Als robuste Maßnahme kann die 106 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen Kalottensohle sukzessive mit dem Kalottenvortrieb ausgerundet werden und mit einer temporären Kalottensohle stabilisiert werden. Der Einbau der temporären Kalottensohle sollte dann max. 2 bis 3 Abschläge nach der Ortsbrust erfolgen. Dabei kann die Einbaulänge der temporären Kalottensohle der doppelten Kalottenabschlagslänge entsprechen. Durch den kurzfristigen Ringschluss in der Kalotte lässt sich zudem auch in nicht tragfähigem Gebirge ein verformungsarmes Tragsystem ausbilden. Dies ermöglicht es, den Kalottenvortrieb auch in ungünstigen Gebirgsverhältnissen nahezu unbegrenzt vorauszufahren, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit dieses Vortriebskonzeptes auswirkt. Beim nachlaufenden Strossen- und Sohlausbruch kann die Abschlagslänge gegenüber der Kalotte verdoppelt werden. Die Sohle sollte spätestens 2 - 3 Abschläge nach der Strossenortsbrust geschlossen werden. Dabei kann die Einbaulänge der Sohle der 2 - 3-fachen Strossenabschlagslänge entsprechen. Im Bereich von großen Querschnitten, dem 3 - 4-spurigen Tunnelabschnitt Süd, ist aus baubetrieblichen Gründen und zur Reduktion von Verformungen gegebenenfalls ein halbseitiger Ulmenstollenvortrieb erforderlich. Vor dem weiteren Ausbruch können so größere Teilquerschnitte vorauseilend entwässert werden. Zudem kann das Gebirge vom Ulmenstollen ausgehend durch Injektionen oder Anker stabilisiert werden. Der angegebene Nachlauf der Sicherung bei der temporären Kalottensohle sowie der Tunnelsohle beziehen sich auf günstige Verhältnisse. Sollten die Verformungsmessungen im Tunnel unerwartet große Verschiebungen ergeben, muss der Ringschluss verkürzt und die Ortsbrust abgestuft hergestellt werden. Im ungünstigsten Fall kann dies erfordern, dass die Sohlsicherung nach jedem Abschlag bis an die Ortsbrust heran nachgezogen werden muss. Wenn Bereiche angefahren werden, die stark verwittert und/ oder aufgelockert sind (ggf. Störungszonen), wird eine vorauseilende Vergütung des Gebirges empfohlen. Dies kann zum Beispiel durch den Einbau von vermörtelten Spießschirmen oder ggf. auch durch den Einsatz eines Rohrschirms erfolgen. Darüber hinaus können geöffnete Großklüfte (insbesondere bei talparalleler Entspannung des Gebirges) entsprechende Gebirgsvergütungen erfordern. Die Zusammensetzung des Injektionsguts ist auf die Größe der Hohlräume abzustimmen. Mit Bezug auf die voraussichtlich gute Injizierbarkeit des heterogenen Lockergesteins sind hier Injektionskörper mit angemessenem Aufwand herstellbar, wobei die Dichtigkeit aufgrund der variablen Korngrößen und Porenräume als inhomogen zu erwarten ist. 3.2 Sicherungsmittel Grundsätzlich soll die Sicherung der Tunnellaibung mit bewehrtem Spritzbeton und einer Systemankerung erfolgen. Der Spritzbeton ist im Regelfall zweilagig bewehrt auszuführen. Dabei sind im Kalotten- und ggf. im Ulmenbereich (größerer Querschnitt) bei jedem Abschlag Ausbaubögen zu stellen, wobei es im Strossen- und Sohlbereich ausreicht, jeden zweiten Bogen zu verlängern. Die Anker sollen mit Längen von ca. 4 - 6 m, ggf. auch 8 m in den großen Querschnitten, radial angeordnet und sukzessive mit dem Ausbruch und der Herstellung der Spritzbetonsicherung eingebaut werden. Im Regelfall können vollvermörtelte SN-Anker verwendet werden. In stark gebrächem Gebirge (Zerrüttungszonen) mit nicht standfesten Ankerbohrungen kann jedoch auch der Einsatz von IBO-Ankern erforderlich werden. Deren Anteil wird bezogen auf die gesamte Tunnellänge mit max. ca. 30 % eingeschätzt. Bei nachbrüchigen Schichten im Firstbereich sollte eine vorauseilende Sicherung ausgeführt werden. Im Bereich der Lockerböden sowie im Verwitterungston wurde der Einbau von Spießschirmen empfohlen. Im Normalfall sind dabei 4 - 6 m, ggf. auch 8 m in den großen Querschnitten, lange Stahlspieße in vermörtelte Bohrungen einzuschieben. Der Einbau von 4 m langen Spießen sollte über jedem Ausbaubogen, der von 6 m langen Spießen über mindestens jedem zweiten Ausbaubogen erfolgen. Bei nicht standfesten Bohrlöchern oder im Fall, dass im Zuge des Einbaus einer vorauseilenden Sicherung eine Vergütung stark aufgelockerter Bereich erfolgen soll, sind IBO-Spieße zu verwenden. Sofern im Firstbereich in größerer Mächtigkeit stark aufgelockertes Gebirge auftritt, welches nicht mehr zuverlässig mit Spießschirmen gesichert werden kann und in den Bereichen in denen die vermutete Störung durchfahren wird, sollten anstelle der Spießschirme vorauseilende Rohrschirme hergestellt werden. Dies betrifft voraussichtlich die Portalbereiche, Bereiche in denen der Tunnel in Lockerböden aufgefahren wird und ggf. die Durchfahrung von Störungen. Dafür sind ca. 15 - 20 m lange, dickwandige Bohrrohre zu verwenden, die mittels verlorener Bohrkrone einzubauen sind und im Anschluss über Öffnungen in den Bohrrohren verpresst werden. Die Bohrrohre sollten im Regelfall parallel zum und dicht am Ausbruchsquerschnitt angeordnet werden und am Übergang von einem zum nächsten Rohrschirm mind. 4 m überlappen. Dies wird erreicht, indem die Bohrrohre bezogen auf die Tunnelachse leicht nach außen geneigt werden. Beim Vortrieb unter dem Rohrschirm wird dann der Ausbruchsquerschnitt sukzessive aufgeweitet, wodurch das erforderliche Überprofil zum Bohren des nachfolgenden Rohrschirms geschaffen wird. Am Beginn des ersten Rohrschirms muss zu diesem Zweck zunächst eine entsprechende Querschnittsaufweitung hergestellt werden. Im Nachgang sind diese Nischen dann bis zum Sollquerschnitt mit Spritzbeton aufzufüllen. Die Anwendung der 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 107 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen Rohrschirmsicherung dürfte sich auf ausgedehnte, stark zerrüttete Störzonen beschränken. Darüber hinaus bieten entsprechende Rohrschirmsicherungen optimale Voraussetzungen für einen effektiven Tunnelanschlag in bis dahin nicht genau bekannten Gebirgsverhältnissen. Im Bereich des großen Tunnelquerschnitts im 3 - 4-spurigen Ausbau und/ oder wenn aufgrund der angetroffenen Gebirgsverhältnisse Steinfall aus der Ortsbrust oder eine fortschreitende Auflockerung des freigelegten Gebirges zu befürchten ist, ist die Ortsbrust sofort nach dem Freilegen in Teilflächen oder vollflächig mit ca. 5 cm Spritzbeton zu versiegeln. Sofern es die Gebirgsverhältnisse erfordern, muss der Ausbruch bereichsweise erfolgen und die Ortsbrust muss sukzessive z.B. durch Ortsbrustanker in Teilflächen gesichert werden. Ortsbrustanker können bei örtlich ungünstigen Verhältnissen als Ergänzung zur Ausbildung von Stützkernen erforderlich werden. Grundsätzlich sind ggf. Glasfaseranker einzusetzen, da sich hierdurch ein geringerer Einfluss auf den Baubetrieb ergibt. Die Länge der Anker ist auf die örtlichen Gegebenheiten anzupassen; es ist von einer Mindestlänge von 6 m auszugehen. 3.3 Vortriebsklassen Die Vortriebsklassen 4A-K-1 und 4A-K-2 sind für Gebirgspartien vorgesehen, in denen sich der gesamte Querschnitt im gesteinsfesten Festgestein befindet. Beide Vortriebsklassen unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Abschlagslänge. Die Kontursicherung soll dabei mit ca. 20 - 25 cm starkem 2-lagig bewehrtem Spritzbeton erfolgen. Im gesteinsfesten Festgestein kann der Kalottenvortrieb als Hilfsvortrieb eingesetzt werden, wobei eine Kalottensohle nicht zwingend notwendig ist. Dies ist optional je nach Bauverfahren und Verformung zu entscheiden. Durch die söhlige Lagerung kann es zu „Sargdeckel“- Bildung an Firste und einem plattigem Nachbrechen kommen. Sollte etwaige Gefährdungsbilder festgestellt werden, ist eine vorauseilenden Sicherung bei diesen Vortriebsklassen durch Spießschirme mit einer Länge von ca. 4 - 6 m, ggf. auch 8 m in den großen Querschnitten, vorzuhalten. Eine ggf. erforderliche Versiegelung der Ortsbrust soll mit einer ca. 3 - 5 cm dicken unbewehrten Spritzbetonlage erfolgen. Für den Fall, dass bei diesen Gebirgsverhältnissen die Schichten unterhalb der Kalottenfüße nicht ausreichend tragfähig sind (toniges Festgestein), sind die Vortriebsklassen 4A-K-1 und 4A-K-2 mit einer temporär gesicherten Kalottensohle vorgesehen. Alternativ kann eine „Nachgründung“ der Kalottenfüße z.B. über Mikropfähle erfolgen. Die Vortriebsklassen 6A-K-1 und 6A-K-2 sind vorgesehen, sofern im Firstbereich zerrüttetes Festgestein anstehen. Diese Vortriebsklassen mit offener Kalottensohle unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Abschlagslängen von ca. 0,2 - 1,2 m bzw. ca. 1,3 - 1,8 m in der Kalotte und ca. 1,6 - 2,4 m bzw. ca. 2,6 - 3,6 m in der Strosse. Die Kontursicherung soll mit ca. 25 - 35 cm starkem 2-lagig bewehrten Spritzbeton und einer Systemankerung erfolgen. Zur vorauseilenden Sicherung sind bei beiden Vortriebsklassen Spießschirme mit einer Länge von ca. 4 - 6 m, ggf. auch 8 m in den großen Querschnitten, geplant. Eine ggf. erforderliche Versiegelung der Ortsbrust soll mit einer ca. 5 cm dicken unbewehrten Spritzbetonlage erfolgen. Für den Fall, dass bei diesen Gebirgsverhältnissen die Schichten unterhalb der Kalottenfüße nicht ausreichend tragfähig sind (stark zerrüttetes und/ oder toniges Festgestein), sind die Vortriebsklassen 6A-K-3 und 6A-K-4 mit einer temporär gesicherten Kalottensohle vorgesehen. Die temporäre Kalottensohle soll mit 2-lagig bewehrtem Spritzbeton mit einer Dicke von ca. 25 - 35 cm ausgeführt werden. Im Vergleich zu den vorhergehend beschriebenen Vortriebsklassen ist die Spritzbetondicke der Kontursicherung auf ca. 25 - 35 cm vergrößert. Ansonsten sind die Abschlagslängen und Sicherungsmittel identisch. Im Unterschied zu den Vortriebsklassen 6A-K-1 bis 6A-K-4 ist der Vortrieb beim Einsatz der Vortriebsklasse 6A-K- 5 im Schutze von vorauseilenden ca. 15 - 20 m langen Rohrschirmen vorgesehen. Die Abschlagslänge der Kalotte beträgt bei Anwendung dieser Vortriebsklasse ca. 1,0 - 1,2 m bzw. ca. 2,0 - 2,4 m in der Strosse. Ansonsten sind die Abschlagslängen und Sicherungsmittel identisch mit den Vortriebsklassen 6A-K-3 und 6A-K-4. Die Vortriebsklassen 7A-K-1 findet Anwendung, wenn in der Kalotte sehr stark zerrüttetem Festgestein oder Lockerböden (Hangschutt, Hanglehm oder Verwitterungshorizont) ansteht. Im Unterschied zur Vortriebsklasse 6A-K-1 ist die Spritzbetondicke zur Kontursicherung auf ca. 30 - 40 cm vergrößert. Zudem soll bei Einsatz dieser Vortriebsklasse eine Ortsbrustsicherung mit bewehrtem Spritzbeton und Ortsbrustankern erfolgen. Für den Fall, dass bei diesen Gebirgsverhältnissen die Schichten unterhalb der Kalottenfüße nicht ausreichend tragfähig sind (sehr stark zerrüttetem Festgestein oder Lockerböden), sind die Kalottenfüße zu verstärken. Sollte die Verstärkung die Kalottenfüße nicht ausreichend stabilisieren, ist die Vortriebsklasse 7A-K-2 und 7A-K-3 mit einer temporär gesicherten Kalottensohle vorzusehen. Dies gilt auch für den halbseitigen Ulmenvortrieb, der in den Bereichen größere Tunnelquerschnitte (3bis 4-spurig, Tunnel-km 0+630 bis 0+650) vorzusehen ist. Die temporäre Kalottensohle soll mit 2-lagig bewehrtem Spritzbeton mit einer Dicke von ca. 25 - 35 cm ausgeführt werden. Im Vergleich zu den vorhergehend beschriebenen Vortriebsklasse 7A-K-1 ist die Spritzbetondicke der Kontursicherung auf ca. 30 - 40 cm vergrößert. Ansonsten sind die Abschlagslängen und Sicherungsmittel identisch. Darüber hinaus ist bei der Vortriebsklasse 7A-K-2 eine vorauseilende Sicherung mit ca. 4 - 6 m oder 8 m (großer Querschnitt, 3 bis 4-spuriger Bereich) langen Spießschirm vorgesehen, während der Vortrieb bei Anwendung der Vortriebsklasse 7A-K-3 im Schutz 108 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen einer vorauseilend herzustellenden ca. 15 - 20 cm langen Rohrschirmsicherung erfolgen soll. In tendenziell schlechteren Bereichen kann mit den Klassen 6A.1 und 6A.2, die im Zuge der weiteren Planung ggf. noch in Bezug auf die Schalenstärke und die Mattenbewehrung angepasst werden können, gefahren werden. Die Klassen sind grundsätzlich als Anschluss an die Anfahrbereiche gedacht, die zunächst mit einer 7 Klasse (Klasse 7A.2) mit planmäßiger Ortsbrustsicherung und vorauseilender Sicherung aufgefahren werden sollen. In Bezug auf die vorgeschlagene Vortriebsklassen 4A.1 und 4A.2 sollte aber - obwohl diese Klassen wirtschaftlich und bauzeitlich erhebliche Vorteile aufweisen - im Rahmen des Vortriebs anhand der messtechnischen Überwachung und den Beobachtungen vor Ort geprüft werden, ob ggf. weitere Bereiche mit den Klassen 6A und Unterklassen aufgefahren werden müssen. Maßgeblich dafür sind die Stabilität der Firste und die Konvergenzmessungen des Hohlraums / der Spritzbetonschale sowie Spannungsmessungen in der Schale und Ankerkraftmessungen. Vorstehende Angaben zur Schalendicke, Bewehrungsgehalte und -lagen, Ankerlängen und -anzahl etc. sind Erfahrungswerte für vergleichbare Gebirgsverhältnisse, die im Zuge der Entwurfsstatik bzw. weiteren Planung verifiziert werden müssen. 4. Sonderbauwerke und Unterfahrung Bauwerke 4.1 Unterquerung Nagoldtalbahn km 0 + 180 Bei km 0 +180 wenige Meter nach Beginn des bergmännischen Vortriebes am Nordportal wird die Nagoldtalbahn im Bereich von Lockerböden mit einer geringen Überdeckung von ca. 6 m in einem Winkel von ca. 45° unterquert. Mit tunnelbautechnischnen Maßnahmen ist eine sichere Unterquerung der Nagoldtalbahn nicht möglich. Für den Bau des Tunnels wird daher seitens des Planers die Einrichtung einer Hilfsbrücke vorgesehen, die mittels eine Pfahlgründung beidseitig des Tunnels gelagert werden soll. 4.2 Wohnbebauung Bei km 0+200 wird ein Wohngebäude bei einer Überdeckung von rund 10 m Lockergestein unterfahren. Hier wird die Vortriebsklasse 7A zusammen mit vorauseilenden Hebungsinjektionen als ausreichend eingestuft, den Tunnel ohne Schäden an dem Gebäude aufzufahren zu können. 4.3 Unterquerung Hermann-Hesse-Bahn km 0+270 Die Unterquerung der derzeit noch nicht im Betrieb befindlichen Herrmann-Hesse bei Tunnel km 0+270 erfolgt mit einer Überdckung von ca. 20 m. Bis ca. 3 m oberhalb der Tunnelfirste steht gering verwitterter Badsicher Bausandstein an. Für die schadensfreie Unterqerung wurde die Vortriebsklasse 6A als ausreichend eingestuft. 4.4 Unterquerung Hermann-Hesse-Bahn und Nagoldtalbahn km 0+270 Die beiden Gleisanlagen werden ab km 0+580 bis zum Südportal mit einer Überdeckung 6 bis 11 m unterfahren. Im Endbereich des Tunnels besteht die Überdeckung nur aus Lockergestein. Hier wird die Vortriebsklasse 7A als ausreichend eingestuft, den Tunnel ohne Schäden an der Gleisanlage aufzufahren zu können. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 109 Erkundung Tunnel Calw - Straßentunnel im Stadtgebiet Calw, Unterfahrung von Bestandsgebäuden und Bahnlinien auf zwei Ebenen Literatur [1] Geologische Karte von Baden-Württemberg, Blatt 7218, Calw, 1: 25.000; Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Baden-Württemberg, Freiburg i. Br., 1991. [2] Geologische Karte von Baden-Württemberg, Maßstab 1 : 50.000, http: / / maps.lgrb-bw.de/ , Internetpräsenz des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Baden-Württemberg, [3] Daten- und Kartendienst der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg; http: / / www.lubw.baden-wuerttemberg.de, Stand 26.05.2020. [4] Geologie von Baden-Württemberg, 5. Auflage, O.F. Geyer / M.P. Gwinner, Schweizerbart, Stuttgart 2011. [5] Lage- und Bauwerksplan, Längs- und Querschnitte, Baumaßnahme Kernstadtumfahrung Calw, Vorplanung, BUNG Ingenieure AG, Heidelberg, Februar 2019, [6] Quer- und Längsschnitte, Hangstollen in der Bischofstr. Schnitte 1: 200, Uber und Burk Architekten, Calw, 15.03.2019. [7] Ingenieurgeologische Gefahrenhinweiskarte für Baden-Württemberg, LGRB, Stuttgart, Onlinekarte, Abfrage vom 29.01.2020. [8] Ingenieurgeologische Gefahren in Baden-Württemberg, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg 2005. [9] Houlsby, AC: Routine Interpretation of the Lugeon Water Test, Houlsby, London 1976.
