Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen
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Aline Merkl
Achilles Häring
Axel Möllmann
Im Zuge der Reaktivierung der Strecke Weil der Stadt – Calw muss vor einer erneuten Verkehrsaufnahme die Streckeninfrastruktur umfassend saniert werden. Zur Umsetzung des vom Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn gewünschten Betriebsprogramms sind Aus- und Umbauten der beiden Bestandstunnel vorgesehen. In den beiden Tunneln haben sich in den vergangenen 30 Jahren der Nichtnutzung verschiedene Fledermausarten niedergelassen. Diese überwintern teilweise in den Mauerwerksspalten und der Hinterpackung der Tunnelschale. Die artenschutzrechtlichen Bestimmungen machten es erforderlich, vor der erneuten Verkehrsaufnahme für die in den Bestandstunneln „Forst“ und „Hirsau“ lebenden Fledermäuse, u.a. Ersatzlebensräume in Form zweier Fledermausersatzquartiere anzubieten. Außerdem mussten im Zuge der Tunnelsanierungen spezielle Auflagen aus dem Artenschutz berücksichtigt werden.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 131 Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen am Beispiel der Bestandstunnelsanierungen und der Planung der Fledermausersatzquartiere im Zuge der Reaktivierung der Strecke Weil der Stadt - Calw Aline Merkl, M.Sc. Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbH, Esslingen, Deutschland Dipl.-Ing. (FH) Achilles Häring Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbH, Esslingen, Deutschland Dr.-Ing. Axel Möllmann Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbH, Esslingen, Deutschland Zusammenfassung Im Zuge der Reaktivierung der Strecke Weil der Stadt - Calw muss vor einer erneuten Verkehrsaufnahme die Streckeninfrastruktur umfassend saniert werden. Zur Umsetzung des vom Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn gewünschten Betriebsprogramms sind Aus- und Umbauten der beiden Bestandstunnel vorgesehen. In den beiden Tunneln haben sich in den vergangenen 30 Jahren der Nichtnutzung verschiedene Fledermausarten niedergelassen. Diese überwintern teilweise in den Mauerwerksspalten und der Hinterpackung der Tunnelschale. Die artenschutzrechtlichen Bestimmungen machten es erforderlich, vor der erneuten Verkehrsaufnahme für die in den Bestandstunneln „Forst“ und „Hirsau“ lebenden Fledermäuse, u.a. Ersatzlebensräume in Form zweier Fledermausersatzquartiere anzubieten. Außerdem mussten im Zuge der Tunnelsanierungen spezielle Auflagen aus dem Artenschutz berücksichtigt werden. 1. Projekthistorie Mit der Hermann-Hesse-Bahn strebt der Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn (ZV HHB) die schienentechnische Anbindung des Landkreises Calw an die Region Stuttgart an. Vor einer erneuten Verkehrsaufnahme auf dem Streckenabschnitt Weil der Stadt - Calw ist der Wiederaufbau der Bestandsinfrastruktur auf diesem Abschnitt notwendig. Im Bestand sind zwei Tunnel vorhanden. Der Tunnel Hirsau führt auf einer Länge von 554 m durch den Welzberg zwischen Calw-Hirsau und Calw-Heumaden. Der Tunnel Forst führt auf einer Länge von 695 m durch den gleichnamigen Höhenrücken zwischen Ostelsheim und Althengstett. Beide Tunnel werden von etwa 1.000 Fledermäusen als Überwinterungsquartier genutzt. Um den durch die Umbauten sowie die Wiederaufnahme des Bahnbetriebs und die daraus resultierenden Störungen in den Tunneln gegebenenfalls abwandernden Fledermäusen einen alternativen Überwinterungslebensraum zu schaffen, wurde der Neubau von zweier Fledermausersatzquartiere im direkten Umfeld der Tunnel geplant. 132 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen Bild 1: Lage der Tunnel Hirsau und Tunnel Forst Außerdem sollen die beiden Eisenbahntunnel Forst und Hirsau den dort lebenden Fledermäusen weiterhin als Lebensraum dienen können. Dazu wird innerhalb der Tunnel eine Trennwandkonstruktion aus Schallschutzelementen erstellt, wodurch in den Tunneln jeweils eine Kammer für den späteren Zugverkehr und eine Kammer für die Fledermäuse bestehen bleibt. 2. Ersatzquartiere 2.1 Anforderungen an die Quartiere Entsprechend den Ausführungen aus [2] und [3] haben verschiedene Fledermausarten unterschiedliche Anforderungen an das Mikroklima ihrer Winterquartiere. Temperatur und eine hohe Luftfeuchtigkeit sind daher maßgebende Indikatoren für die Akzeptanz der Tiere eines Winterquartiers. Das Innenraumklima sollte gemäß [3] dabei unabhängig von den Außentemperaturen möglichst konstant bleiben. Für die verschiedenen Arten sollten sowohl kühlere, als auch wärmere Bereiche vorgesehen werden. Des Weiteren muss die Frostfreiheit [2] innerhalb des Quartiers gewährleistet sein. Für die Gesundheit der Tiere ist Zugluft zu vermeiden, dennoch muss ausreichend Frischluft zum Atmen im Quartier vorhanden sein. Das Winterquartier sollte die Tiere möglichst von Licht und anderen Störfaktoren, wie lauten Geräuschen abschirmen. Außerdem müssen ausreichend Versteckmöglichkeiten für die Fledermäuse vorhanden sein, sowohl als Hangplätze im Deckenbereich, als auch an den Wänden. 2.2 Gewählte Lösung Beide Ersatzquartiere wurden aus Fertigteilen erstellt. Bei den Fertigteilen handelt es sich um Halbschalen aus Ziegelsteinen, die auf der Baustelle auf vorgefertigten Stahlbetonfundamenten aufgestellt und anschließend überschüttet wurden. Es kamen grundsätzlich zwei verschiedene Querschnitte zum Einsatz. Die beiden Profile wurden abwechselnd mit einer Überlappung von ca. 1,0 m ineinandergeschoben, s. Bild 2. Dadurch resultieren Öffnungen, durch die planmäßig Wasser in die Quartiere eindringen kann und breite Fugen, in die sich die Fledermäuse für den Winterschlaf zurückziehen können. Um ein Eindringen von großen Massen an Erdmaterial zu verhindern, wurden die genannten Fugen mit Hohlsteinziegeln jeweils am Ende der Überlappung (erdseitig) zugemauert. Die Hohlsteine wurden dabei so gesetzt, dass Wasser durch die Hohlsteine sickern kann, Erdmaterial aber zurückgehalten wird. Hierzu wurde erdseitig zusätzlich ein Geotextil verlegt. Um Frostschäden auszuschließen, wurden die Portale, bzw. die Quartiersöffnungen, sowie die ersten Blöcke mit unzureichender Erdüberdeckung als Ortbetonkammer hergestellt, von der aus das Tonnengewölbe abgeht. Bild 2: Foto bei der Herstellung des Ersatzquartiers am Tunnel Forst 2.3 Fledermausersatzquartier „Hirsau“ Für das Ersatzquartier am Tunnel Hirsau wurden zwei parallel nebeneinanderliegende Gewölbetunnel mit zwei rechtwinklig abzweigenden Armen eingebaut und überschüttet. Die untersten 9 m des doppelten Tonnengewölbes verlaufen horizontal, während der hangaufwärts liegende Abschnitt des doppelten Tonnengewölbes ein Gefälle von ca. 17° aufweist. Die Länge des doppelten Tonnengewölbes beträgt ca. 30 m. Zusätzlich zweigen vom unteren, horizontal verlaufenden Abschnitt beidseitig zwei ca. 12,2 m lange, 3° geneigte, einfache Tonnengewölbe rechtwinklig ab, sodass ein kreuzförmiger Grundriss entsteht. Die Öffnung zu dem Fledermausersatzquartier befindet sich im untersten Bereich des doppelten Tonnengewölbes. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 133 Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen Bild 3: Grundriss und Schnitt des Ersatzquartiers Hirsau 2.4 Fledermausersatzquartier „Forst“ Das Ersatzquartier am Tunnel Forst soll links der Bahn in ungefähr 150 m Entfernung vom Portal Ostelsheim in der südlichen Böschungsschulter errichtet werden. Die Portalwand besteht aus einer Winkelstützmauer, an der ein einröhriger, 16 m langer Gang aus Fertigteilen anschließt. Dieser mündet in zwei doppelröhrigen Seitenarmen mit 8,2 m bzw. 41,2 m Länge. Somit besitzt der Gesamtquerschnitt die Form eines „T“s. Alle drei Gänge sind in Längsrichtung entsprechend der Geländeneigung um ca. 6° in Böschungsrichtung und um ca. 2° in Richtung Osten geneigt. Der Zugang zur Kammer kann einerseits über die Tür mit Einflugöffnung für die Fledermäuse im oberen Bereich erfolgen, oder andererseits kann über den sekundären Ein- und Ausflugsschacht in das Quartier eingestiegen werden. Bild 4: Grundriss und Schnitt des Ersatzquartiers Forst 3. Bestandstunnelsanierung 3.1 Randbedingungen (Zustand des Gewölbes, Randbedingungen aus dem Artenschutz) Der Tunnel Hirsau wurde in den Jahren 1868 - 1877 erbaut. Der Querschnitt des Tunnels war ursprünglich auf eine zweigleisige Streckenführung ausgelegt. Die Innenschale des Hirsauer Tunnels besteht aus rotbraunem Buntsandsteinmauerwerk, das z.T. mit grau-weißen Sandsteinschichten durchzogen und teilweise brekziös ist. Die Körnung ist durchgehend mittelsandig und die Kornbindung weitgehend kieselig und untergeordnet karbonatisch. Stratigraphisch sind die Mauerwerkssteine dem Mittleren Buntsandstein, genauer dem Badischen Bausandstein (smb) bzw. der Gelnhausen- und Salmünster-Folge, zuzuordnen [4],[5]. Der Tunnel Forst wurde in den Jahren 1869 - 1871 erbaut. Er erstreckt sich geradlinig in westlich bis südwestlicher Richtung. Der Querschnitt des Tunnels war ursprünglich ebenfalls auf eine zweigleisige Streckenführung ausgelegt. Die Ausmauerung der Tunnelwände und des Tunnelgewölbes erfolgt mit dem gleichen Sandsteinmauerwerk wie beim Tunnel Hirsau.[6]. Entlang der Blöcke 50 - 54 des Tunnels Forsts verläuft eine Störungszone. Bild 5: Auszug aus der Bauwerksakte[8] 134 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen Das Mauerwerk weist in diesem Bereich Schäden auf und der Querschnitt war in der Firste eingedellt. Bild 6: Firstverformung; beispielhaft Die Mauerwerksfugen beider Tunnel wurden ursprünglich mit Mörtel verfugt. Davon ausgenommen sind planmäßig nicht vermörtelte Entwässerungsfugen mit einer Öffnungsweite von bis zu 5 cm [4], [5]. In beiden Tunneln wurden klein- und großflächige Beschädigungen mit bis zu 20 cm Tiefe und kleinflächige Beschädigungen mit über 20 cm Tiefe am Mauerwerk angetroffen. Der Fugenmörtel ist in großen Bereichen ausgebrochen, bzw. ausgespült. Außerdem weisen Entwässerungsleitungen und Mauerwerk teilweise starke Versinterungen auf [4], [5]. Da die Fledermäuse durch die offenen Fugen in die Hinterpackung gelangen, ist eine fugengenaue Planung der Sanierungsarbeiten notwendig, im Zuge derer jede Fuge, die für die Fledermäuse offenbleiben soll, im Vorfeld festgelegt werden muss. 3.2 Sanierungsmaßnahmen des Mauerwerks Abklopfen der Tunnellaibung: Die gesamte Tunnellaibung wird im Vorfeld abgeklopft, um weitere Hohlstellen akustisch detektieren und anschließend markieren zu können. Fugensanierung: Offene Fugen werden ausgeräumt und neu verfugt, sodass ein kraftschlüssiger Mauerwerksverbund wiederhergestellt ist. Dabei werden sämtliche Längsfugen verschlossen. Im Bereich der späteren Bahnkammer werden zusätzlich alle Stoßfugen verschlossen, sodass die Fledermäuse nicht über die Hinterpackung in die Bahnkammer gelangen können. In der Fledermauskammer muss die als fledermausrelevant markierten Querfugen zwingend freigehalten werden. Spritzbetonplomben: Es werden Teilflächen von einzelnen teilverwitterten Sandsteinquadern und ganze Steine im Tunnelgewölbe sowie im Widerlagerbereich mauerwerksschonend auf eine Tiefe von bis zu 30 cm abgebrochen. Anschließend werden Löcher für die Rückverankerungen gebohrt, mit Ankermörtel verfüllt und die Rückverankerungen eingestellt. Zuletzt werden die Abplatzungen dann mit Spritzbeton verschlossen. Bewehrter Spritzbeton: Bei schadhaften Bereichen mit einer Ausdehnung von mehr als 4 m² wird eine Versiegelung mit bewehrtem Spritzbeton vorgesehen. Im Vorfeld der Spritzbetonarbeiten soll dazu die Auftragsfläche 12 cm abgetragen und nach [10] vorbehandelt werden. Die Bewehrung wird in der verbleibenden Mauerwerksschale rückverankert. Ertüchtigte Flächen dürfen nicht in das Lichtraumprofil der Bahn ragen. Bild 7: Mauerwerkssanierungen im Bereich der späteren Fledermaus- und Bahnkammer 3.3 Sanierungsmaßnahmen der Gewölbedrainage Das anfallende Bergwasser wird je nach Größe des feuchten oder durchnässten Bereichs mit einzelnen Laibungsdrainagen gefasst. Bei starkem Wasserandrang wird ein System von Sicker- und Sammelleitungen ausgebildet. Die Leitungen werden in zuvor ausgefräste Schlitze im Mauerwerk eingelegt und anschließend mit einem Spritzbetonauftrag fixiert bzw. verschlossen. Zur Rissvermeidung werden im Vorfeld der Spritzbetonversiegelung N94-Matten (Baustahlgewebe) verlegt. Bei niedrigerem Wasserandrang werden auf das Mauerwerk Drainagematten aufgelegt, mit Dübeln im Mauerwerk verankert und anschließend mit Spritzbeton versiegelt. Entlang der Laibungsdrainagen sind mit Gefälle zum Hohlraum zusätzliche Drainagebohrungen DN 30 angeordnet, um Bergwasser in das Leitungssystem einzuleiten und Druckwasseransammlungen in, sowie hinter der Mauerwerksschale zu reduzieren. Aufgrund der häufig angetroffenen Feuchtstellen und der insgesamt starken Durchnässung der Mauerwerksschale werden in sämtlichen Zonen des Tunnels Forst beidseitig jeweils zwei Widerlagerdrainagebohrungen des Typs TUBESPILE vorgetrieben. 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 135 Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen Bild 8: Sanierungsmaßnahmen an der Tunneldrainage Aufgrund des inhomogenen Verwitterungsgrades des anstehenden Gebirges muss davon ausgegangen werden, dass Drainagebohrungen, die unmittelbar hinter dem Mauerwerk enden, keine ausreichende Entwässerung sicherstellen können. Sofern zwischen dem Gewölbemauerwerk und dem Gebirge eine Hinterfüllung eingebaut wurde, ist diese in mehreren Bereichen höchstwahrscheinlich versintert oder durch Feinanteile zugesetzt. Aufgrund dessen ist es notwendig, die Drainagebohrungen bis in das anstehende Gebirge zu führen, um die potentiell zur Verfügung stehende Drainagefläche der Bohrung zu maximieren. 3.4 Teilerneuerung Tunnel Forst Entlang der Blöcke 50 - 54 des Tunnels Forsts verläuft eine Störungszone. Das Mauerwerk wies in diesem Bereich starke Verformungen auf und musste mittels Rippenverfahren teilerneuert werden. Bild 9: Längs und Querschnitt im Bereich der Teilerneuerung Dabei wurde das Tunnelgewölbe radial in Feld und Rippenbereiche eingeteilt. Vor der Herstellung der Rippen wurden zur Sicherung der Gesamtstabilität Mikropfähle im Feldbereich eingebaut. Dann wurden mittels Sägeschnitten die Rippen im Pilgerschrittverfahren im Mauerwerk hergestellt und sofort mit Spritzbeton versiegelt. Anschließend wurden die Systemankerungen innerhalb der Rippe eingebaut, Stahlgitterträger zur Erhöhung der Tragfähigkeit eingestellt und mit einer Lage spritzbeton versiegelt. Daraufhin wurden die Felder ausgebrochen, mittels Baustahlmatten bewehrt und mit Spritzbeton versiegelt. Die Blockfugen wurden erhalten und mittels eingestellter Schalbretter von Beton freigehalten. 3.5 Sanierung der Portalwände Tunnel Hirsau An beiden denkmalgeschützten Portalen des Tunnels Hirsau mussten mehrere tiefe Ausbrüche( > 20 cm) mit Buntsandsteinmauerwerk neu hergestellt werden. Um das Erscheinungsbild des Tunnelportals zu erhalten, musste dazu gleichwertiger Buntsandstein zur Ausmauerung verwendet werden. Vom Portalkranz am Nordportal ausgehend wurden größere Querrisse im Gewölbebereich festgestellt. Daher wurden um den Portalkranz Mikropfähle vorgesehen, welche den Verbund zwischen Portalwand und Tunnelgewölbe wiederherstellen. Aus denkmalrechtlichen Gründen mussten diese versenkt hergestellt werden. Dazu wurde im Vorfeld ein Kern aus dem Mauerwerk gezogen, der im Nachgang als Verblendung genutzt wurde. Da die Risse für die Fledermäuse relevante Spalten waren, durften die Risse nicht durch den Ankerzement verschlossen werden und mussten mit Geotextilstrümpfen hergestellt werden. 4. Sonderlösungen für den Artenschutz Im Bereich der späteren Fledermauskammern wurden außerdem aufgrund des Artenschutzes folgende zusätzliche Maßnahmen geplant und durchgeführt: - Anbringung von 500 Fledermauskästen pro Tunnel - Schaffung von Durchflugöffnungen in den Nischen (Zugänglichkeit zu der Hinterpackung) - Installation von Fledermaustränken über die gesamte Tunnellänge - Zusätzliche, unverrohrte Bohrungen mit verschiedenen Durchmessern → Aufgrund der unebenen Wandung, die beim Bohren entsteht, können die Fledermäuse sich besser festhalten und in die Hinterpackung gelangen. - wenn möglich, Einsatz von Hohlsteinziegeln statt Spritzbetonplomben - Einsatz von Spritzbeton nur unter begleitenden Maßnahmen zum Schutz des umliegenden Mauerwerks, im Speziellen der Fugen, beispielsweise durch Ab- 136 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Planen unter speziellen artenschutztechnischen Randbedingungen decken mit Folien oder Vliesen und den Einsatz von Styrodurplatten in besonders kritischen Fugen - Ausleuchten der Arbeitsbereiche zwei Stunden vor Beginn der Tätigkeiten - abschnittsweises Arbeiten, soweit wie möglich - zusätzliche Bohrungen durch die Tunnelwand im Nahbereich von Mauerwerksversiegelungen zur Vermeidung des Einschließens der Tiere in der Hinterpackung 5. Fazit Das Planen und Ausführen von Bau- und Sanierungsmaßnahmen unter artenschutzrechtlichen Randbedingungen erfordert häufig innovative Lösungen. An den beiden aufgeführten Beispielen wurden Maßnahmen zur Errichtung und Erhaltung der Lebensräume von Fledermäusen erläutert. Die Fledermausersatzquartiere wurden so konzipiert, dass durch die Möglichkeit von eindringendem Wasser die Luftfeuchtigkeit in den Quartieren möglichst hoch ist. Das Ziegelmauerwerk trägt zusätzlich zum Mikroklima bei. Durch unterschiedliche Überdeckungen werden für die verschiedenen Fledermausarten wärmere und kältere Bereiche geschaffen. Da die Gewölbeelemente in zwei Größen sich jeweils überlappend aufgestellt wurden, werden zusätzliche Versteck- und Schlafmöglichkeiten für die Tiere geschaffen. Bei der Sanierung der beiden Tunnel stand einerseits die Ertüchtigung zur Wiederinbetriebnahme und andererseits die Erhaltung des Lebensraums der Fledermäuse im Vordergrund. Die Sanierung des Mauerwerks erfolgte daher meist kleinflächig, um so viele Fugen wie möglich für die Fledermäuse freizuhalten. Für Fugen, die aus statischer Erfordernis verschlossen werden mussten, wurden mittels unverrohrter Bohrungen neue Wegbarkeiten für die Fledermäuse durch das Mauerwerk geschaffen. Alle Maßnahmen wurden in Abstimmung mit den Fledermausexperten und Naturschutzverbänden auf ihren direkten und indirekten Einfluss auf die Tiere geprüft. Literatur [1] Geologische Karte von Baden-Württemberg, Blatt 7218, Calw, 1: 25.000 mit Erläuterungen; Geologisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, Ber. Auflage 1982. [2] Pilotprojekt: Fledermausgerechter Umbau des alten EVS Luftschutzbunkers an der Station Teinach - Neubulach; Gruppe für ökologische Gutachten, Juni 2016, Stuttgart [3] Mail zu den Mikroklimatischen Bedingungen vom 14.05.2019, Gruppe für ökologische Gutachten [4] Erläuterungsbericht zur Entwurfsplanung, Hermann- Hesse-Bahn, Reaktivierung der Bahn-strecke Weil der Stadt - Calw, Tunnel Hirsau Hirsau, km 43,7+70 - km 44,3+24, Dr. Spang GmbH, 09.02.2016, Esslingen a.N. [5] Erläuterungsbericht zur Entwurfsplanung, Hermann- Hesse-Bahn, Reaktivierung der Bahn-strecke Weil der Stadt - Calw, Tunnel Forst, km 36,3+73 bis 37,0+68, Dr. Spang GmbH, 09.02.2016, Esslingen a.N. [6] Ingenieurgeologisches Tunnelgutachten, Hermann- Hesse-Bahn, Reaktivierung der Bahnstrecke Weil der Stadt - Calw, Erkundung Bestandstunnel Forst und Hirsau, km 36,3+72 - 37,0+68 und km 43,7+70 - km 44,3+24, Dr. Spang GmbH, 10.06.2020, Esslingen a.N. [7] Auszüge aus dem Bauwerksbuch Tunnel Hirsau; DB Netz AG, Stand 12.07.1984 [8] Auszüge aus dem Bauwerksbuch Tunnel Forst; bereitgestellt von der DB Netz AG, Stand 21.03.1990 [9] Bestandsvermessung - Tunnelscan, Mailänder Consult, erhalten am 18.01.2021 [10] DIN 18 551 Spritzbeton - Nationale Anwendungsregeln zur Reihe DIN EN 14487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbeton, Normenausschuss Bauwesen (NABau) im DIN, August 2014
