eJournals Kolloquium Bauen in Boden und Fels 13/1

Kolloquium Bauen in Boden und Fels
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2510-7755
expert verlag Tübingen
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2022
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Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung

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2022
Helen Machacek
Bernhard Odenwald
Die Schifffahrt verursacht in Kanälen temporär Wasserstandsänderungen, die bei der Bemessung der Uferspundwände zu berücksichtigen sind. Nach EAU ist deshalb in der ständigen Bemessungssituation ein Wasserspiegelabsunk von 80 cm gegenüber dem Normalwasserstand anzusetzen. Die aus diesem schnellen, temporären Absunk resultierende Verteilung des Porenwasserüberdrucks unterhalb der Kanalsohle im Erdwiderlager vor der Spundwand hängt hauptsächlich von den Bodeneigenschaften Durchlässigkeit k, Steifigkeit des Korngerüsts Ks und Sättigungsgrad Sr sowie der Absunkgeschwindigkeit v ab. Mittels analytischer 1D-Berechnung kann die Porenwasserüberdruckverteilung über die Tiefe in Abhängigkeit von v/k sowie Ks und Sr ermittelt werden. Nach EAU wird die Entstehung von Porenwasserüberdrücken nicht berücksichtigt und stattdessen auf beiden Seiten der Spundwand ein hydrostatischer Wasserdruckansatz gewählt, was zu einer Diskontinuität am Wandfuß führt. In diesem Beitrag wird unter Verwendung der analytischen Lösung geprüft, ob der EAU-Ansatz für die Spundwandbemessung auf der sicheren Seite liegt oder eine detailliertere Betrachtung erforderlich ist.
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13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 187 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung Helen Machacek, M.Sc. Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Dr.-Ing. Bernhard Odenwald Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Zusammenfassung Die Schifffahrt verursacht in Kanälen temporär Wasserstandsänderungen, die bei der Bemessung der Uferspundwände zu berücksichtigen sind. Nach EAU ist deshalb in der ständigen Bemessungssituation ein Wasserspiegelabsunk von 80 cm gegenüber dem Normalwasserstand anzusetzen. Die aus diesem schnellen, temporären Absunk resultierende Verteilung des Porenwasserüberdrucks unterhalb der Kanalsohle im Erdwiderlager vor der Spundwand hängt hauptsächlich von den Bodeneigenschaften Durchlässigkeit k, Steifigkeit des Korngerüsts K s und Sättigungsgrad S r sowie der Absunkgeschwindigkeit v ab. Mittels analytischer 1D-Berechnung kann die Porenwasserüberdruckverteilung über die Tiefe in Abhängigkeit von v/ k sowie K s und S r ermittelt werden. Nach EAU wird die Entstehung von Porenwasserüberdrücken nicht berücksichtigt und stattdessen auf beiden Seiten der Spundwand ein hydrostatischer Wasserdruckansatz gewählt, was zu einer Diskontinuität am Wandfuß führt. In diesem Beitrag wird unter Verwendung der analytischen Lösung geprüft, ob der EAU-Ansatz für die Spundwandbemessung auf der sicheren Seite liegt oder eine detailliertere Betrachtung erforderlich ist. 1. Einleitung Bei der Bemessung von Kanalspundwänden ist nach EAU (2020) in der ständigen Bemessungssituation ein temporärer Absunk des Kanalwasserspiegels um 80 cm durch Schifffahrt zu berücksichtigen. Die in zugehörige Skizze der Wasserdruckverteilung in der EAU zeigt für diesen Bemessungsfall auf der Wasserseite der Spundwand einen hydrostatischen Wasserdruckverlauf ab der abgesenkten Wasserspiegeloberfläche und auf der Landseite ebenfalls einen hydrostatischen Wasserdruckverlauf ab dem Grundwasserspiegel, der sich auf Höhe des Normalwasserstands im Kanal befindet. Eine Skizze dieses hydrostatischen Ansatzes in Abbildung 1 verdeutlicht, dass dadurch eine Diskontinuität am Spundwandfuß entsteht und somit nicht die realen Wasserdruckverhältnisse wiedergegeben werden. In Abbildung 1 ist zusätzlich rechts von der Wasserdruckverteilung der zeitliche Verlauf der Wasserstandänderung aufgrund der durch die Schifffahrt verursachten Wellen nach GBB (Ausgabe 2010) sowie die vereinfacht linearisierte Absunkfunktion, die im Folgenden verwendet wird, dargestellt Abbildung 1: Links: Hydrostatische Wasserdruckansatz auf eine Kanalspundwand nach EAU infolge temporären Wasserspiegelabsunks ΔH durch Schifffahrt, rechts: realer und linearisierter zeitlicher Verlauf der Wasserstandsschwankungen durch Schifffahrt (GBB, Ausgabe 2010) Bei diesem Absunk handelt es sich um eine schnelle, temporäre Beanspruchung des Untergrunds unterhalb der Kanalsohle, während eine hydrostatische Wasserdruckverteilung im Untergrund erst in einem stationären Zustand zu erwarten ist. 188 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung Somit stellt der Ansatz nach EAU eine starke Vereinfachung der tatsächlichen Wasserdruckverhältnisse im Boden vor der Spundwand dar. Tatsächlich breitet sich die Wasserdruckänderung auf die Kanalsohle in Abhängigkeit von Bodendurchlässigkeit sowie den Steifigkeiten von Kornmatrix und Porenfluid verzögert im Boden aus und führt zu Porenwasserüberdrücken, die hydraulische Gradienten und somit Strömung verursachen. Für die Spundwandbemessung sind sowohl die Wasserdruckverteilung auf die Wand als auch die Auswirkung von hydraulischen Gradienten auf den Erdwiderstand relevant. Eine aufwärtsgerichtete Strömung vor der Spundwand führt zu einer Reduktion des Erdwiderlagers, was eine direkte Auswirkung auf die erforderliche Einbindetiefe hat. Änderungen von Erdwiderstand und Wasserdruckverteilung beeinflussen wiederum die Querschnittsbemessung der Wand und die erforderlichen Ankerkräfte. Im Folgenden soll daher geprüft werden, ob der Ansatz nach EAU auf der sicheren Seite liegt oder ob neue vereinfachte Modelle angewendet werden müssen, um die Kanalspundwände unter Berücksichtigung schneller Wasserstandsänderungen zu bemessen. 2. Wasserdruckverteilung im Boden durch temporären Absunk Boden ist bekanntlich ein dreiphasiges Medium, bestehend aus Feststoff, Wasser und Gas. Gaseinschlüsse im Boden können eine Folge von Grundwasserspiegelschwankungen oder biogenischen Ursprungs sein (z. B. Abbauprozesse organischer Substanzen). Selbst mehrere Meter unterhalb des Wasserspiegels kann Gas in Form von Bläschen im Porenraum vorhanden sein. Es ist davon auszugehen, dass ein Restanteil an Gas in allen baupraktisch relevanten Böden zu finden ist und folglich nicht von einer Vollsättigung (Sättigungsgrad S r = 100%) auszugehen ist. Auch zeigen Laborexperimente, dass Vollsättigung nur unter sehr hohem Wasserdruck zu erreichen ist. In vielen baupraktischen Fällen ist der Sättigungsgrad nicht von Belang. Für zeitabhängige Fragestellungen wie einer schnellen, zeitlich begrenzten Wasserstandsänderung kann Teilsättigung infolge Gaseinschlusses jedoch von Relevanz sein. Aufgrund der erheblich größeren Kompressibilität von Gas im Verhältnis zu der von Wasser, dämpfen und verzögern Gaseinschlüsse die Ausbreitung von Porenwasserdruckänderungen im Boden. Diese Effekte sind umso ausgeprägter, je rascher eine (hydraulische und/ oder mechanische) Laständerung erfolgt. „Rasch“ bezieht sich hierbei auf die hydraulische Durchlässigkeit des Bodens und kann dementsprechend eine große Bandbreite an Zeitdauern umfassen, von wenigen Sekunden bis zu mehreren Wochen. Abbildung 2: Wasserdruckverteilung am Erdwiderlager einer Spundwand bei temporärem Absunk um ΔH, blaues Dreieck: hydrostatische Wasserdruckverteilung vor dem Absunk, graues Dreieck: hydrostatische Wasserdruckverteilung bei dauerhafter Absenkung, schraffierter Bereich: Porenwasserüberdruck bei schnellem Absunk Im Folgenden wird ein homogener Boden unter einem Kanal entsprechend der Situation in Abbildung 2 betrachtet. Dabei wird im Baugrund unterhalb der Kanalsohle ein geringer Anteil von Gaseinschlüssen im Boden berücksichtigt. D. h der Boden unterhalb der Kanalsohle ist - abgesehen von den geringen Gaseinschlüssen - wassergesättigt. Der Kanalwasserstand senkt sich um ΔH, was beispielsweise infolge Schiffswellen vergleichsweise schnell erfolgen kann. Die Änderung der hydraulischen Auflast auf die Kanalsohle um ΔH∙γ w führt zu einer Wasserdruckänderung im darunter anstehenden Boden, die sich in einen stationären und einen instationären Anteil, den Porenwasserüberdruck Δp w , aufteilen lässt. Die Verteilung des Porenwasserüberdrucks ist in Abbildung 2 schraffiert gekennzeichnet und stellt in diesem Fall den Wasserdruck dar, der größer ist als der hydrostatische Wasserdruck am Ende des Absunks (graues Dreieck in Abbildung 2) für eine hier angenommene langanhaltende Wasserspiegelabsenkung. Der verbleibende Porenwasserüberdruck im Boden führt zu aufwärts gerichteten hydraulischen Gradienten i. Bei einer dauerhaften Wasserstandsabsenkung um ΔH würde sich der Porenwasserüberdruck im Verlauf eines Dissipationsprozesses mit fortschreitender Zeit vollständig abbauen. Der Betrag des Porenwasserüberdrucks nimmt mit der Tiefe zu, da der zur Dissipation erforderliche Weg mit der Tiefe zunimmt. Der Porenwasserüberdruck kann in einer größeren Tiefe maximal ΔH∙γ w betragen. Der Betrag des Porenwasserüberdrucks hängt jedoch vom Verhältnis der Steifigkeiten von Matrix (Korngerüst) und Fluid (Gas und Wasser) ab. Weiche Böden können mit volumetrischen Änderungen (Vergrößerung des Porenraums) auf 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 189 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung die Wasserstandsänderung reagieren, was Porenwasserüberdrücke selbst in größeren Tiefen instantan verringert. Die Größe und Verteilung des resultierenden Porenwasserüberdrucks wird somit einerseits durch das Verhältnis der Absunkgeschwindigkeit v zur Bodendurchlässigkeit k und andererseits durch das Verhältnis der Steifigkeit der Kornmatrix zu der des Porenfluids bestimmt. Diese Zusammenhänge werden von Montenegro et al. (2015) auf Grundlage der Poroelastizitätstheorie von Biot beschrieben. Eine geeignete dimensionslose Kenngröße stellt der Parameter B nach Skempton (1954) dar, der sich durch den sofortigen Porenwasserdruckanstieg Δu bei schneller, isotroper Kompression um Δσ im Triaxialgerät bestimmen lässt. Diese Aufteilung der Laständerung auf Matrix und Fluid kann ebenso durch die jeweiligen Kompressionsmoduln K s und K wg sowie die Porosität n beschrieben werden: B = Δu / Δσ = 1 / (1+n∙K s / K wg ) Im Falle einer eindimensionalen Verformung wird die Kompressibilität der Bodenmatrix durch den oedometrischen Steifemodul E s unter Verwendung der vom Bodenmaterial abhängigen Poissonzahl ν beschrieben: E s = 3 K s (1-3ν+2ν 2 ) / (1-ν-ν 2 ) In Montenegro et al. (2015) wird in Anlehnung an den Skempton-Parameter B der Lastaufteilungsfaktor B* für die Betrachtung eindimensionaler Fragestellungen eingeführt, wobei die Steifigkeit des Korngerüsts durch den Steifemodul E s beschrieben wird: B* = 1 / (1+n∙E s / K wg ) Bei einem vollgesättigten Boden ist i. Allg. B ≈ 1 (oder B* ≈ 1), da die fluide Phase ohne Gaseinschlüsse wesentlich steifer ist als das Korngerüst (K wg >> K s ). Allerdings kann eine Felsmatrix durchaus Steifigkeiten in der Größenordnung von Wasser aufweisen. Im Fels sind somit, selbst bei Vollsättigung, Werte von B < 1 (oder B* < 1) möglich. Der Sättigungsgrad S r bezeichnet den volumetrischen Anteil n w des gesamten Porenvolumens n, der mit Wasser gefüllt ist (S r = n w / n). Je geringer der Sättigungsgrad S r , d. h. je höher der volumetrische Anteil der Gasphase ist, desto „weicher“ reagiert das Fluid auf plötzliche Laständerungen. Diese Laständerung verteilt sich nach Steifigkeitsverhältnis von Korngerüst zu Fluid. Der Kompressionsmodul des Fluids kann auf Grundlage des aktuellen Porenwasserdrucks p w bestimmt werden. Unter Vernachlässigung der Oberflächenspannungseffekte sowie der Löslichkeit von Gas im Wasser wird vereinfachend in der Gas- und der Wasserphase der gleiche Druck p w angesetzt. Die Kompressionssteifigkeit der Gasphase kann entsprechend dem Ansatz von Boyle-Mariott ausgewertet werden. Hieraus lässt sich der Kompressionsmodul des Fluids K wg als Funktion des Sättigungsgrads S r formulieren (Montenegro et al. 2015): K wg = 1 / (S r / K w +(1-S r ) / p w ) Mit Hilfe des Lastaufteilungsfaktors B* lässt sich der Betrag des maximalen Porenwasserüberdrucks Δp w infolge eines Absunks (Verringerung der hydraulischen Auflast) um ΔH∙γ w beschreiben: Δp w = (1-B*) ∙ΔH∙γ w Für B* ≈ 1 tritt kein Porenwasserüberduck auf, da der Boden gesättigt ist. Die Druckänderung pflanzt sich in diesem Fall nahezu unverzögert fort, was die quasi instantane Einstellung eines stationären Zustands bedeutet. Je geringer der Sättigungsgrad S r und somit auch der Faktor B*, desto größer ist die zu erwartende Verzögerung der Druckausbreitung und der daraus resultierende Porenwasserüberdruck. Dies zeigt, dass der Sättigungsgrad bzw. das dadurch maßgebend beeinflusste Verhältnis der Steifigkeiten von Fluid und Kornmatrix die Größe des Porenwasserüberdrucks maßgeblich bestimmen. Zur Beschreibung dieser Abhängigkeit wird anstelle des Sättigungsgrads S r oftmals der Gasgehalt n g verwendet, der durch den volumetrischen Gasanteil am gesamten Bodenvolumen unabhängig von der Porosität definiert ist: n g = n n w = (1-S r ) ∙ n Das Verhältnis zwischen der Absunkgeschwindigkeit v = ΔH/ t a (mit der Absunkzeit t a ) und der hydraulischen Durchlässigkeit k ist neben dem Steifigkeitsverhältnis Matrix-Fluid entscheidend für den Betrag und die Verteilung des Porenwasserüberdrucks im Boden. Zwei Extremfälle sind in Abbildung 3 skizziert. Rechts ist die Absunkgeschwindigkeit im Vergleich zur Bodendurchlässigkeit vergleichsweise gering (v/ k < 10.000), links vergleichsweise hoch (v/ k > 100.000). Die tatsächliche Porenwasserüberdruckverteilung infolge des Absunks ist wiederum schraffiert dargestellt. Es ist zu erkennen, dass bei geringem v/ k-Verhältnis (vergleichsweise langsamer Absunk bzw. gut durchlässiger Boden) der Porenwasserüberdruck über eine große Tiefe bis zu einem Maximalwert ansteigt, während bei hohem v/ k-Verhältnis (vergleichsweise rascher Absunk bzw. gering durchlässiger Boden) das Maximum des Porenwasserüberdrucks bereits im oberen Bodenbereich erreicht wird und der Porenwasserüberdruck darunter konstant bleibt. Dies bedeutet, dass die Änderung der hydraulischen Auflast bei durchlässigen Böden und/ oder langsamer Druckänderung tiefer in den Boden reicht als bei geringdurchlässigen Böden und/ oder schnellen Druckänderungen. Dadurch entsteht im ersten Fall ein vergleichsweise geringer hydraulischer Gradient im Bereich des gesamten Erdwiderlager der Wand (links in Abbildung 3). Dagegen ergibt sich im zweiten Fall (rechts in Abbildung 3) ein hoher hydraulischer Gradient, der jedoch auf den oberen Bereich des Erdwiderlagers begrenzt ist. 3. Vereinfachte Modellansätze zur Berücksichtigung einer temporären Absenkung Zur Überprüfung des hydrostatischen Ansatzes nach EAU für einen temporären Absunk werden die resultierenden Gradienten aus den beiden Extremfällen in Abbildung 3 betrachtet, jeweils ein vereinfachter Wasserdruckansatz abgeleitet und hinsichtlich seiner Tauglichkeit für die Bemessung untersucht. 190 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung Abbildung 3: Links: erstes Modell eines konstanten hydraulischen Gradienten bis zum Spundwandfuß in durchlässigen Böden (v/ k < 10.000), rechts: zweites Modell einer verflüssigten Schicht an der Kanalsohle in geringdurchlässigen Böden (v/ k > 100.000); schraffierter Bereich: tatsächliche Verteilung des Porenwasserüberdrucks, dicke schwarze Linie: vereinfachter Ansatz des Porenwasserüberdrucks Im ersten Modell mit vergleichsweise geringem v/ k < 10.000 (Abbildung 3, links) wird vereinfacht über die Einbindetiefe t der Spundwand unterhalb der Kanalsohle ein konstanter hydraulischer Gradient i = ΔH∙γ w / t angenommen. Damit wird eine aufwärtsgerichtete Strömung im Bereich des Erdwiderlagers der Spundwand induziert. Strömungskräfte können rechnerisch über eine Änderung der Auftriebswichte γ‘ berücksichtigt werden: γ‘‘ = γ‘ i∙γ w Durch die aufwärts gerichtete Strömung wird die Auftriebswichte reduziert. Der Porenwasserdruck p w wird aufgrund der Annahme eines konstanten hydraulischen Gradienten mit einem linearen Anstieg von p w = γ w ∙(H- ΔH) an der Kanalsohle bis p w = γ w ∙(H+t) am Spundwandfuß angesetzt. Im zweiten Model mit vergleichsweise großem v/ k > 100.000 (Abbildung 3, rechts) wird aufgrund des hohen hydraulischen Gradienten an der Kanalsohle von einer Verflüssigung bis in eine Tiefe z* (siehe Abbildung 4) ausgegangen. Für die vereinfachte Approximation wird deshalb der Erdwiderstand erst unterhalb dieser verflüssigten Schicht berücksichtigt. Bei diesem Ansatz wird in der verflüssigten Schicht ein linearer Anstieg des Porenwasserdrucks von p w = γ w ∙(H-ΔH) an der Kanalsohle bis p w = γ w ∙(H+z*) an der Grenze zum unverflüssigten Boden, wo der Wasserdruck dem vor dem Absunk entspricht, angesetzt. Die Mächtigkeit z* der verflüssigten Schicht wird durch ein Kräftegleichgewicht an einem Bodenelement an der Kanalsohle berechnet (Abbildung 4): γ w ∙(H-ΔH) + (γ‘+γ w )∙z* = γ w ∙(H+z*) Daraus resultiert: z* = ΔH∙γ w / γ‘ Abbildung 4: Kräftegleichgewicht an der Kanalsohle zur Bestimmung der Tiefe z* des verflüssigten Bereichs für das vereinfachte Modell. Um zu prüfen, ob die vorgeschlagenen Modellansätze für eine statische Bemessung der Spundwand im Vergleich zum Ansatz nach EAU auf der sicheren Seite liegen, wurden Berechnungen für das in Abbildung 5 dargestellte Spundwandsystem einer einfach rückverankerten Wand mit vorgegebener Einbindetiefe von t = 4 m und vorgegebenem Spundwandprofil (TKL 603) mit der Software Retain der Fa. GGU durchgeführt. Zu Vergleichszwecken wurde für alle Modellrechnungen ein kohäsionsloser Boden mit jeweils gleichen Bodenparametern (φ‘ = 35°, c‘ = 0 kPa, γ‘ = 11 kN/ m³) zugrunde gelegt. Zur Beurteilung wurden die ermittelten Größen für den Einspanngrad µ, sowie die charakteristischen Werte des maximalen Moments M E,k und der Ankerkraft A k verglichen. Die Berechnungsergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Abbildung 5: Gewähltes Referenzsystem einer einfach rückverankerten Spundwand mit fester Einbindetiefe Sowohl aus der Berechnung mit dem ersten Modell (abgeminderte Bodenwichte) als auch aus der Berechnung mit in dem zweiten Modell (verflüssigte Bodenschicht) resultieren geringere Einspanngrade und höhere Schnittgrößen für M E,k sowie A k als bei der Berechnung mit dem 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 191 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung vereinfachten hydrostatischen Wasserdruckansatz nach EAU. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die gewählten Modellansätze gegenüber dem Ansatz nach EAU auf der sicheren Seite liegen. Allerdings wird dadurch nicht belegt, ob durch diese beiden Modellansätze die tatsächliche Beanspruchung der Spundwand besser wiedergeben wird, als durch den vereinfachten Modellansatz nach EAU. Tabelle 1: Berechnungsergebnisse für die einfach rückverankerte Spundwand nach Abbildung 5 unter Verwendung des hydrostatischen Ansatzes nach EAU sowie des ersten Modells (abgeminderte Bodenwichte) und des zweiten Modells (verflüssigte Bodenschicht) Parameter EAU erstes Modell zweites Modell Einspanngrad µ in % 85 48 69 max. Moment M E,k in kNm/ m 61 94 70 Ankerkraft A k in kN/ m 37 47 40 4. Analytischer Ansatz zur Bestimmung des Porenwasserüberdrucks Um die tatsächliche, örtliche und zeitliche Verteilung des Porenwasserüberdrucks im Boden unterhalb der Kanalsohle bei schnellem Absunk des Kanalwasserspiegels besser zu berücksichtigen, wird eine analytische Lösung der eindimensionalen Differentialgleichung zur gekoppelten Beschreibung der Grundwasserströmung sowie der Spannung und Verformung des Bodens verwendet. Diese wurde, wie in Montenegro und Odenwald (2017) beschrieben, aus einer analytischen Lösung für ein Wärmeleitungsproblem in einem Stab nach Carslaw und Jaeger (1959) abgeleitet. Die Differentialgleichung, die die Porenwasserüberdruckverteilung in einer teilgesättigten, linear elastischen Bodensäule infolge einer Absenkung des Wasserspiegels mit konstanter Geschwindigkeit beschreibt, stellte sich als eine Boussinesq-Gleichung des gleichen Typs wie die des Wärmetransportproblems dar. Das Randwertproblem der analytischen Lösung ist in Abbildung 6 skizziert. Abbildung 6: Randwertproblem der analytischen Lösung für eine Absenkung des Wasserstands mit konstanter Absenkgeschwindigkeit oberhalb einer teilgesättigten Bodensäule Die Bodensäule der Höhe L ist an den Seiten und dem unteren Rand undrainiert (q = 0) und am oberen drainierten Rand, wo die Wasserdruckänderung um ΔH∙γ w aufgebracht wird, kann sich kein Porenwasserüberdruck aufbauen (Δp w = 0, q ≠ 0). Es sind durch einwertige Horizontallager ausschließlich Vertikalverformungen möglich. Am Fuß der Säule befindet sich ein zweiwertiges Lager. Eingangsgrößen für den elastischen Boden sind die Parameter E-Modul E, Poissonzahl ν, Porosität n, Durchlässigkeit k und Gasgehalt n g. Hieraus lässt sich der Lastaufteilungskoeffizient B* berechnen. Der zeitliche Verlauf der Belastung, hier vereinfacht als lineare Wasserstandsänderung ΔH in der Absunkzeit t a angesetzt, ist in Abbildung 6 im Diagramm oben rechts dargestellt (analog zum linearisierten Ansatz des Wasserspiegelabsunks in Abbildung 1). Daraus ergibt sich die Absunkgeschwindigkeit v = ΔH/ t a . In Abhängigkeit dieser Eingangswerte lässt auf Grundlage der analytischen Lösung des oben beschriebenen Randwertproblems die Porenwasserüberdruckverteilung Δp w über die Tiefe z berechnen. Betrachtet wird dabei der Zeitpunkt t = t a der maximalen Wasserstandsänderung, für den sich auch die größten Porenwasserüberdrücke ergeben. Die umfangreiche Gleichung der analytischen Lösung ist hier nicht dargestellt und kann dem Beitrag von Montenegro und Odenwald (2017) entnommen werden. 192 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung Abbildung 7: Porenwasserdruckverteilung in einer Bodensäule aus durchlässigem Sand (k=10 -4 m/ s) (oben) und aus gering durchlässigen Schluff (k=10 -8 m/ s) (unten) für unterschiedliche B*-Werte (in %) (Anmerkung: Die Oszillationen im unteren Diagramm bei B* = 5% bis B = 20% könnten mit einer besseren Approximation der analytischen Lösung behoben werden, die jedoch das hier verwendete Tabellenkalkulationsprogramm Excel an seine Grenzen bringt. Die Aussagekraft des Ergebnisses wird durch die numerischen Oszillationen jedoch nicht beeinträchtigt.) In Abbildung 7 sind exemplarisch für einen stark durchlässigen Boden (Sand, k = 10 -4 m/ s) und einen gering durchlässigen Boden (Schluff, k = 10 -8 m/ s) die Porenwasserüberdruckverteilungen in einer 8 m hohen Bodensäule bei verschiedenen B*-Werten (in %) von 10 bis 90% dargestellt. Dabei wird eine Absenkung des Wasserstands oberhalb der Bodensäule von H = 4 m um D H = 80 cm in der Absenkzeit t a = 10 s angesetzt. Damit betragen die v/ k-Verhältnisse für die beiden Bodenarten v/ k = 800 für den Sand und v/ k = 8.000.000 für den Schluff. Auf den ersten Blick bestätigt die Darstellung der Porenwasserüberdruckverteilung die Annahmen der beiden vereinfachten Modelle aus Kapitel 3. Bei v/ k = 800 reicht die Porenwasserüberdruckänderung bis in die Tiefe von 8 m. Bei v/ k = 8.000.000 hingegen steigt der Porenwasserüberdruck in den oberen Zentimetern von Null auf den Maximalwert und bleibt über die Tiefe konstant. Der maximale Betrag des Porenwasserüberdrucks Δp w,max ist bei vorgegebenem B*-Wert unabhängig vom v/ k-Verhältnis 5. Vergleich der Berechnungsergebnisse mit den vereinfachten Modelle mit denen des analytischen Berechnungsansatzes Diese analytische Lösung lässt sich auf die Porenwasserüberdruckentstehung im Erdwiderlager der Kanalspundwand übertragen (Ewers et al. 2017). Die Höhe L der Säule entspricht dabei der doppelten Einbindetiefe der Spundwand (L = 2t), da bei dieser Säulenhöhe im Allg. der maximale Porenwasserüberdrucks bis zur Tiefe t erreicht wird (siehe Abbildung 7). Der in Abbildung 1 dargestellte Wiederanstieg des Kanalwasserspiegels hat keinen Einfluss auf die maximalen Porenwasserüberdrücke, so dass die Betrachtung des linearen Absunks von ΔH = 80 cm in t a = 10 s ausreichend ist. Für den Vergleich der Berechnungsergebnisse auf Basis der vereinfachten Modellansätze aus Kapitelt 3 und des hydrostatischen Modellansatzes der EAU unter Berücksichtigung der Porenwasserüberdrücke aus der analytischen Lösung wird wiederum das System der einfach rückverankerten Spundwand mit konstanter Einbindetiefe (Abbildung 5) herangezogen. Um die Porenwasserüberdrücke der analytischen Lösung in der statischen Bemessung der Spundwand mit dem Progamm GGU Retain zu verwenden, wird der Porenwasserüberdruck durch einen Zusatzdruck auf die Spundwand vorgegeben und der Boden am Erdwiderlager in viele Schichten untereilt, denen jeweils die modifizierte Auftriebswichte γ‘‘ für die jeweiligen hydraulischen Gradienten aus der Porenwasserüberdruckverteilung zugewiesen wird. Ergibt sich in der Bodenschicht an der Kanalsohle eine modifizierte Wichte γ‘‘ ≤ 0,0 kPa, so ist durch den hohen Gradienten von einer Verflüssigung auszugehen und die zu berücksichtigende Kanalsohle wird so lange tiefer angesetzt, bis sich in der Schicht eine modifizierte Bodenwichte γ‘‘ > 0,0 kPa ergibt. Die Gesamtlänge der Spundwand bleibt durch die tiefere Berücksichtigung der Kanalsohle (zunächst) unverändert. Vergleichskriterien stellen wiederum der Einspanngrad, das Bemessungsmoment und die Ankerkraft dar. Zur Beurteilung der vereinfachten Modellansätze und des EAU-Ansatzes werden Böden mit drei verschiedenen Durchlässigkeiten von k = 10 -4 bis 10 -8 m/ s und daraus resultierenden v/ k-Werte von 8 10 3 bis 8 10 7 betrachtet. Die Werte der Reibungswinkel φ, der Auftriebswichten γ‘ und der Porosität n wurden bodentypisch für Sand (S), sandigen Schluff (SU) und Schluff (U) gewählt. Eine Kohäsion wurde bei allen Bodentypen nicht berücksichtigt. Die resultierenden Porenwasserüberdruckverteilungen je v/ k-Wert werden durch den B*-Wert bestimmt, weshalb für jede Bodenart vier verschiedene, bodentypische Elastizitätsmodule E jeweils bei Gasgehalten von n g = 0,02 und 0,05 betrachtet wurden. Höhere oder geringere Gasgehalte wurden nicht untersucht, da daraus Sättigungs- 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 193 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung grade über 98% oder unter 85% resultieren, die für gewachsenen Böden nicht zu erwarten sind. Eine Übersicht der relevanten Bodenparameter ist aus Tabelle 2 ersichtlich. Aus der Kombination der E-Module aus Tabelle 2 mit den Gasgehalten ergeben sich zugehörigen Sättigungsgrade S r und B*-Werte. Tabelle 2: Kenngrößen der für den Bemessungsvergleich ausgewählten Bodentypen: E-Module E 1 - E 4 , hydraulische Durchlässigkeit k, Porosität n, Auftriebswichte γ‘, wirksamer Reibungswinkel φ‘ Boden E 1 - E 4 in MPa k in m/ s n γ‘ in kN/ m³ φ‘ in ° S 100 75 10 -4 0,40 12,0 34,0 50 10 SU 20 10 10 -6 0,50 10,0 32,0 7,5 4 U 7,5 5 10 -8 0,60 9,0 28,0 2,5 1 Auf Grundlage der analytischen Lösung lässt sich die Porenwasserüberdruckverteilung Δp w (z) jeder Parameterkombination zum Zeitpunkt t = t a ermitteln. Eine dimensionslose Darstellung ist mit der normierten Tiefe z/ t sowie mit dem durch die Größe des Absunks normierten Porenwasserüberdrucks Δp w / (ΔH∙γ w ) möglich. Beispielhaft ist dies für Maximal- und Minimalwerte von B* je Bodentyp in Abbildung 8 dargestellt. Aus der Porenwasserüberdruckverteilung lassen sich die lokalen hydraulischen Gradienten i schichtweise von z bis z+Δz berechnen: i(z+Δz/ 2) = (Δp w (z) - Δp w (z+Δz)) / (Δz ∙ γ w ) Diese sind in Abbildung 8 ebenso über z/ t dargestellt. Eine Verflüssigung tritt ein, wenn der hydraulische Gradient größer ist als der kritische Gradient: i krit = γ‘/ γ w Aus dem Verlauf des lokalen Gradienten i über z/ t lässt sich somit bei i = i krit die verflüssigte Tiefe z* ermitteln. D. h. in dem Bodenbereich mit i ≤ i krit ist der Boden verflüssigt und die Wichte des Bodens unter Auftrieb beträgt γ‘ = 0 kPa. In dem darunter vorhandenen Bodenbereich, in dem i > i krit ist, ist der Boden nicht verflüssigt und die Wichte des Bodens unter Auftrieb ist γ‘ > 0 kPa. Abbildung 8: Normierter Porenwasserüberdruck sowie hydraulischer Gradient aus den Beispielberechnungen für die untersuchten Bodentypen sowie die Minimal- und Maximalwerte von B* In sind für alle untersuchten Fälle (mit den aus den Gasgehalten n g = 0,02 und n g = 0,05 ermittelten Sättigungsgraden S r und den E-Modulen aus Tabelle 2) der berechnete Lastaufteilungsfaktor B* und die verflüssigte Tiefe z* angegeben. Die in Abbildung 8 dargestellten Extremfälle für Minimalwerte und Maximalwerte von B* sind in Rot gekennzeichnet. Mit diesen Kombinationen aus k, n, γ‘, n g und E wird für kohäsionslose Böden ein Großteil der möglichen v/ k und B*-Werte abgedeckt. Kohäsive Böden werden hier nicht betrachtet, da eine Verflüssigung aufgrund der Kohäsion unwahrscheinlich ist. Für den Vergleich auf Basis der Spundwandbemessung mit dem Programm Retain der Fa. GGU wurden nur die in rot markierten und in Abbildung 8 dargestellten Extremfälle für Minimalwerte und Maximalwerte von B* 194 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung verwendet. Die Berechnungen erfolgten für die drei Bodentypen auf Grundlage der analytisch Tabelle 3: B*-Werte und z*-Werte für unterschiedliche Bodentypen in Abhängigkeit der Sättigungsgrade S r (für Gasgehalte von n g = 0,02 und 0,05) und der E-Module E 1 - E 4 aus Tabelle 2 Boden B* in % z* in cm B* in % z* in cm S S r 95,0 % 88,0 % E 1 4,0 5,0 1,6 24,0 E 2 5,3 4,6 2,2 23,8 E 3 7,7 4,4 3,2 23,6 E 4 29,4 0,0 14,3 20,5 SU S r 96,0 % 90,0 % E 1 17,2 12,5 7,0 10,0 E 2 29,4 11,3 14,3 9,6 E 3 35,7 10,4 18,2 8,8 E 4 51,0 8,8 29,4 8,2 U S r 96,7 % 91,7 % E 1 35,7 1,9 18,2 2,0 E 2 45,4 1,6 25,0 1,8 E 3 62,5 1,2 40,0 1,5 E 4 80,6 1,1 62,5 1,3 ermittelten Porenwasserdruckverteilung, des hydrostatischen Wasserdruckansatzes nach EAU, des ersten Modells mit abgeminderter Auftriebswichte des Bodens aufgrund des konstanten Gradienten und des zweiten Modells mit Berücksichtigung der verflüssigten Bodenschicht. Ermittelt wurden der Einspanngrad µ der Spundwand für die gewählte Einbindetiefe t = 4 m, bzw. die erforderliche Einbindetiefe t bei µ = 0, die charakteristischen Werte des maximalen Moments der Spundwand M E,k und der Ankerkraft A k sowie die Tiefe z* der verflüssigten Bodenschicht bei der analytischen Berechnung und dem zweiten Modellansatz. In Tabelle 4 sind die Bemessungsergebnisse zusammengestellt. Die Ergebnisse der Spundwanddimensionierung auf Grundlage der unterschiedlichen Modellannahmen zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen den Berechnungen für den stark durchlässigen Bodentyp S und die gering durchlässigen Bodentypen SU und U. Für die gering durchlässigen Böden ergibt die Bemessung mit dem stark vereinfachten hydrostatischen Wasserdruckansatz nach EAU eine gute Übereinstimmung mit den Bemessungsergebnissen auf Grundlage der analytisch ermittelten Porenwasserdruckverteilungen. Dagegen werden die die Bemessungsgrößen der Spundwand mit dem Ansatz nach EAU für den durchlässigen Boden gegenüber der Berechnung auf Grundlage der analytisch ermittelten Porenwasserdruckverteilung unterschätzt. Die Berechnungen der Porenwasserdruckverteilung auf Grundlage der analytischen Lösung zeigen, dass sich bei den gering durchlässigen Bodentypen SU und U in allen untersuchten Fällen hohe lokale hydraulische Gradienten direkt unterhalb der Kanalsohle einstellen (Abbildung 8 ), die mit der Tiefe schnell abklingen. Da ein nahezu konstanter Gradient bis zum Spundwandfuß die grundlegende Annahme des ersten Modellansatzes darstellt, wird dieser für die gering durchlässigen Bodentypen SU und U nicht verwendet. Nur für den stark durchlässige Bodentyp S stimmen die Bemessungsergebnisse mit dem ersten Modell gut mit den Ergebnissen auf Grundlage der analytisch ermittelten Porenwasserdruckverteilung überein. Der Einspanngrad wird auf der sicheren Seite abgeschätzt, maximales Moment und Ankerkraft entsprechen ungefähr den Werten der Bemessung mit dem analytischen Ansatz. Wenn der Boden eine hohe Durchlässigkeit aufweist, ist mit dem ersten Modell im Gegensatz zum Ansatz nach EAU eine ausreichende Spundwanddimensionierung möglich. Da in diesem Modell ein konstanter hydraulischer Gradient vom Spundwandfuß bis zur Kanalsohle angesetzt wird, muss die Reduzierung der Auftriebswichte des stark durchlässigen Bodens infolge des aufwärts gerichteten hydraulischen Gradienten bei der Spundwanddimensionierung berücksichtigt werden. Tabelle 4: Ergebnisse der Spundwandbemessung mit dem Programm Retain der Fa. GGU auf Grundlage der analytischen Berechnung der Porenwasserdruckverteilung, des hydrostatischen Wasserdruckansatzes nach EAU, des ersten Modells (1. M.) mit abgeminderter Bodenwichte und des zweiten Modells (2. M.) mit verflüssigter Bodenschicht Boden Modell B* in % µ in % t in m M E,k in kNm/ m A k in kN/ m z* in cm S analytisch 29,4 71 4,0 75 42 0 1,6 66 4,0 81 31 24 EAU - 81 4,0 65 39 - 1. M. - 66 4,0 73 42 - 2. M. - 52 4,0 93 46 67 SU analytisch 51,0 56 4,0 83 43 9 7,0 67 4,0 75 40 10 EAU - 48 4,0 84 45 - 2. M. - 18 4,0 115 52 80 U analytisch 80,6 17 4,0 119 55 1 18,2 29 4,0 104 50 2 EAU - 0 4,0 123 59 - 2. M. - 0 4,7 153 64 89 13. Kolloquium Bauen in Boden und Fels - Februar 2022 195 Wasserdruckansätze für Uferspundwände von Kanälen bei schneller Wasserspiegelabsenkung Da sich bei den Berechnungen auf Grundlage der analytischen Lösung für die gering durchlässigen Bodentypen SU und U in allen Fällen eine Verflüssigung des Bodens im Bereich unmittelbar unterhalb der Kanalsohle über die Tiefe z* ergibt, werden die Ergebnisse der Spundwanddimensionierung nur mit denen des zweiten Modells verglichen. Bei Betrachtung der Tiefe z* der verflüssigten Schichten in Tabelle 4 ist zu erkennen, dass durch Ansatz des Kräftegleichgewichts im zweiten Modell die Schichtdicke des verflüssigten Bereichs gegenüber der Berechnung auf Basis der analytischen Lösung stark überschätzt wird. Dadurch führt die Spundwanddimensionierung auf Grundlage des zweiten Modell im Vergleich zur Spundwanddimensionierung auf Grundlage der analytischen Lösung der Porenwasserdruckverteilung zu einer sehr konservativen Bestimmung von µ, M E, k und A k , was für den Bodentyp Schluff sogar zu einer größeren erforderlichen Einbindetiefe führt (rot markiert in Tabelle 4). Die Berechnungen auf Basis des vereinfachten hydrostatischen Wasserdruckansatzes nach EAU ergeben dagegen für die gering durchlässigen Bodentypen SU und U eine bessere Übereinstimmung mit den Ergebnissen auf Grundlage der analytischen Lösung. Dies ist überraschend, da der angesetzte Wasserdruck dem analytisch bestimmten Porenwasserdruck nur wenig entspricht. Somit liefert der Ansatz nach EAU für Böden geringerer Durchlässigkeit eine ausreichende Bemessungsgrundlage. 6. Zusammenfassung und Fazit Bei der Dimensionierung von Uferspundwänden an Schifffahrtskanälen muss der schnelle Wasserspiegelabsunk infolge Schifffahrt berücksichtigt werden. Für den aus dem Absunk resultierenden Porenwasserdruck im Boden unterhalb der Kanalsohle wurden drei vereinfachte Ansätze sowie eine auf Grundlage einer analytischen Lösung der eindimensionalen, instationären Differentialgleichung ermittelte Porenwasserdruckverteilung zugrunde gelegt. Basierend auf den unterschiedlichen Porenwasserdruckansätzen wurde eine Dimensionierung der Spundwand für unterschiedliche Bodenparameter durchgeführt. Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass die Porenwasserdruckverteilung im Baugrund unterhalb der Kanalsohle und die darauf basierende Spundwanddimensionierung vom Verhältnis der Absunkgeschwindigkeit zur Durchlässigkeit des Bodens v/ k und dem Verhältnis der Steifigkeiten der Kornmatrix und des Porenfluids (bzw. von dem dieses Verhältnis beschreibenden B*-Wert) abhängen. Für die verwendeten Parameter typischer, kohäsionsloser Böden erweist sich das erste Modell mit konstantem hydraulischen Gradient über die Einbindetiefe als gute Näherung für die Spundwanddimensionierung bei sandigen Böden mit hoher Durchlässigkeit. Bei geringer durchlässigen Böden hingegen liefert der hydrostatische Wasserdruckansatz der EAU gute Bemessungsergebnisse, obwohl er die tatsächliche Porenwasserdruckverteilung im Boden nicht widerspiegelt. Allerdings wird auch durch die analytische Lösung der eindimensionalen, instationären Differentialgleichung der komplexe Prozess der Porenwasserdruckausbreitung im unterlagernden Boden bei einem temporären Wasserspiegelabsunk im Kanal nur näherungsweise abgebildet. Nicht berücksichtigt wird in der analytischen Lösung bisher z. B. ein mögliches weiteres Ausbreiten des maximalen Porenwasserüberdrucks im Boden während des Wideranstiegs des Wasserspiegels im Kanal. Breitet sich der Porenwasserüberdruck weiter in die Tiefe aus, kann die Dicke der verflüssigten Zone weiter zunehmen und dadurch das Erdwiderlager der Spundwand schwächen. Weiterhin nicht berücksichtigt ist die Zustandsänderung des Bodens in der verflüssigten Schicht mit dem daraus resultierenden Einfluss auf die Porenwasserdruckausbreitung. Es ist jedoch zu vermuten, dass diese Effekte die Ergebnisse der Spundwandbemessung nicht grundlegend verändern. Literaturverzeichnis [1] Carslaw, H.S.; Jaeger, J.C. (1959): Conduction of heat in solids, 2nd Edition, Oxford , Clarendon Press [2] EAU (2020): Empfehlungen des Arbeitsausschusses Ufereinfassungen Häfen und Wasserstraßen, HTG, Wilhelm Ernst & Sohn Verlag [3] Ewers, J.; Sorgatz, J.; Montenegro, H. (2017): Laborversuche und gekoppelte Berechnungen zur Untersuchung von Porenwasserüberdrücken infolge schneller Wasserstandsänderungen, Fachsektionstage Geotechnik der DGGT, Würzburg, 09.2017 [4] GBB, Ausgabe 2010: Grundlagen zur Bemessung von Böschungs- und Sohlensicherungen an Binnenwasserstraßen (GBB), Karlsruhe, Bundesanstalt für Wasserbau [5] Montenegro, H.; Odenwald, B. (2017): Einfluss dynamischer Laständerungen auf die Grundwasserströmung und die Spannungsverteilung bei Erdbauwerken im Wasserbau, 40. Dresdner Wasserbaukolloquium: “Bemessung im Wasserbau”, 2017 [6] Montenegro, H.; Stelzer, O; Odenwald, B. (2015): Parameterstudie zum Einfluss von Gasbläschen im Grundwasser auf Porenwasserdruck und effektive Spannung bei Auflast- oder Wasserspiegeländerungen, BAW Mitteilungen Nr. 98 [7] Skempton, A.W. (1954): The Pore-Pressure Coefficients A and B, Géotechnique 4/ 1954, pp. 143-147